Peter freute sich schon im Vorfeld auf „gute deutsche Spielhausmannskost“ und versprach gleichzeitig, einen „special guest“ mitzubringen. Die Hausmannskost wurde akzeptiert, doch sollte er sie selber mitbringen und sich selbstverständlich darauf vorbereiten. Der special guest war die freudige Überraschung: Loredana, eine alte (junge) WPG-Mitspielerin, die vor anderthalb Jahren das letzte Mal bei uns aufgetaucht war. Schön, dass Du heute dabei warst!
1. “Wikinger”
Vor neun Jahren, nach dem ersten Spielen am Westpark, hatte Peter sich dieses damals brandneue Spiel zugelegt. Aber bis heute hat er es nicht mehr gespielt. Es war noch eingeschweißt, und wir mussten zuerst die Einzelteile aus den Stanzbögen herauspulen. („Auspöppeln“ hat Moritz diese Tätigkeit schon vor Jahren genannt; so ist es in unser aller Sprachgebrauch eingegangen, allerdings wird dieses Verb bis heute von Duden, Wiktionary und LEO hartnäckig ignoriert. Nein, wir meinen nicht „aufpäppeln“!)
Peter als vielbeschäftigter ERC-Wissenschaftler hatte sich natürlich nicht vorbereitet (eine Todsünde!), und keiner konnte sich mehr so genau daran erinnern, wie die „Wikinger“ funktionieren. Zeile für Zeile des Regelheftes mussen wir uns wieder die Geheimnisse des Spielverlaufs erarbeiten. Die Frage: „Spielen wir gleich die Expertenregel“ wird am Westpark normalerweise einstimmig bejaht, diesmal verzichteten wir darauf. Jeder hatte noch im Hinterkopf, dass das Spiel auch allein mit den Grundregeln rund und schön ist. Keiner wollte sich in die Niederungen der Startspieler-Versteigerung begeben, keiner vermisste hundert neue Sonderteile und Sonderregeln beim Landschaftsbau, und die peu-a-peu Verteilung der Berufsgruppen um das Versteigerungsrondell mag „gerechter“ sein und den Spielern weiteres Material zum Denken und Planen in die Hand geben, aber das kostet unnötig Zeit. Die „Wikinger“ haben solche Schnörkel überhaupt nicht nötig. Bei einer spielerischen Auffassung des hier Dargebotenen braucht es das alles nicht.
Auf einem Rondell liegen Inselteile (Insel-Anfang, Insel-Ende und Insel-Mittelstücke), von denen die Spieler reihum jeweils eines erwerben und horizontal oder vertikal in ihre individuelle Landschaft einbauen. Bei der vertikalen Erweiterung sind dem Anlegen keinerlei Grenzen gesetzt, beim horizontalen Anlegen müssen alle Inselteile topologisch zueinander passen: Zu einem Insel-Anfang passt nur ein Mittelstück oder ein Ende, aber kein weiterer Insel-Anfang. Usw. …
Hier die optimalen, teils lebenswichtigen Inselteile auszuwählen, das ist die Crux des Spieles. Natürlich weiß jeder Spieler sofort, welches der ausliegende Teile zu seiner aktuellen Entwicklung am besten passt. Im Prinzip darf er sogar auf jedes beliebige der angebotenen Teile zugreifen. Allerdings sind die Kosten dafür extrem unterschiedlich. Das Inselteil am definierten Anfangspunkt des Auslagen-Rondell kostet gar nichts; je weiter entfernt vom diesem Nullpunkt ein Inselteil auf dem Rondell liegt, desto teurer ist es. Der Preis kann auf bis zu 11 Münzeinheiten steigen. Da sind wir mit unserer Anfangsausstattung von 20 Münzen schnell am Ende.
Zu jedem Inselteil gehört ein Männlein unterschiedlicher Farbe bzw. unterschiedlicher Berufsgruppe (Bootsmann, Kämpfer, Adeliger, Späher, Goldschmied und Fischer). Jeder trägt auf seine Weise zur Wertsteigerung der Landschaft bei. Es gilt, die Bevölkerung zu ernähren, die Wikinger abzuwehren, und Nachschubmünzen sowie Siegpunkte zu erwerben.
Mehr Worte will ich über die Regeln jetzt gar nicht verlieren. Das Spiel ist laut Luding zwar noch lieferbar, aber wer kauft sich schon ein Spiel von vorgestern? Obwohl es sich lohnen würde! Das Spiel stellt alle Spieler vor eine gerade richtige, überschaubare Herausforderung an kurz-, mittel- und langfristiger Zugplanung. Die Mechanismen sind sehr gut ausbalanziert, und auch die Spieldauer von 50 Minuten passt genau. Bei Spielende darf jeder bedauern, dass er nicht noch ein-zwei Runden länger an seiner Entwicklung basteln kann. Aber das ist auch gut so, sonst könnten wir noch länger über jeden einzelnen Zug nachdenken und uns daran festbeißen. So aber ähnelt der Spielgenuss von „Wikinger“ dem eines guten französischen Mahls: lauter bestens abgestimmte Leckerbissen und am Ende ist keiner pappsatt, sondern freut sich schon auf den nächsten Besuch im gleichen oder nächsten Restaurant. Die Dosis macht’s, das sagte schon Paracelsus.
Altmeister Michael Kiesling hat mit dem Spieldesign ganze Arbeit geleistet, und sicherlich hat auch der Nobelverlag Hans-im-Glück das seine dazu beigetragen, mit “Wikinger” ein Schmuckstück jeder Spielesammlung herauszubringen.
Günther gewann, was immer ein sicheres Indiz für die intellektuelle Stimmigkeit eines Spiels ist. Peter wurde Letzter, er hatte einfach übersehen, dass seine Leute am Ende auch noch ernährt werden müssen.
WPG-Wertung: Alle „alten Hasen“ blieben bei ihren guten 8 Punkten. Das zehn Jahre alte Spiel hat nichts von seinem Glanz eingebüßt. Einfach höchste HiG-Qualität. Selbst Neuling Loredana reihte sich mit ihren 8 Punkten in das alte Lob ein. („Kleine Einschränkung: Für einen Anfänger gilt es auf sehr viele Dinge zu achten; mit wachsender Spielerfahrung sollte das hoffentlich beherrschbar sein.“)
2. “Kabale und Hiebe”
Etwas vereinfacht ausgedrückt, ist es eine chaotische Weiterentwicklung von „Hol’s der Geier“. Jeder hat den gleichen Satz von Bietkarten mit den Werten von 0 bis 20. Jeder bietet damit um ausliegende Siegpunktkarten, indem er jeweils eine Bietkarte aus der Hand auswählt und verdeckt ausspielt.
Die Unterschiede zu „Hol’s der Geier?“ Es liegt nicht nur eine, sondern jeweils vier Siegpunktkarten gleichzeitig zur Versteigerung aus. Jeder kann / muss mehrmals eine Bietkarte spielen, bevor es zur Auswertung kommt und die Siegpunktkarten verteilt werden. Und von den 20 Bietkarten eines Sets steht einem Spieler nur eine kleine Zufallsauswahl von jeweils drei Stück zum Ausspielen zur Verfügung.
Doch die Bietkarten haben nicht nur einen festen Zahlenwert, sie haben zusätzlich noch Eigenschaften, die auf die bereits ausliegenden eigenen oder fremden Bietkarten erheblichen Einfluss ausüben. Beide „König“ und „Knappe“ gemeinsam in einem Stapel gewinnen immer, egal, was die anderen Spieler hier geboten haben. Ein „Romeo“ ist dreimal so viel wert, wenn er bei der „Julia“ liegt. Der „Zauberer“ eliminiert alle Bietkarten mit Werten über 10, die „Hexe“ eliminiert alle Bietkaten mit Werten unter 9, ein „Meuchelmörder“ eliminiert die nächste Bietkarte, die zu seinem Stapel gelegt wird, und der „Bettler“ bewirkt, dass nicht der Spieler mit dem höchsten Gebot gewinnt, sondern der mit dem geringsten Gebot. Jeder kann-soll-muss jedem unaufhörlich in die Suppe spucken. Nichts ist mehr berechenbar. Kartenpflege gibt es auch nicht. Selbst ein gutes Gedächtnis über alle bereits gespielten bzw. über die noch im Spiel befindlichen Bietkarten schützt nicht davor, gekillt, eliminiert oder auf den Kopf gestellt zu werden.
Peter merkte kritisch bis abfällig an: „Für ein Hans-im-Glück-Spiel ist das ein ziemliches Glücks-Spiel. Günther: „Wenn Deine Planung schief geht, brauchst Du ja nicht zu planen!“ Walter: „Da kann ich meine Kartenhand ja gleich zufällig abspielen!“ Günther: „Nein, nein, 50% der Planung wird schon gut gehen …“.
Das kleine „Hol’s der Geier“ bekam vor fünfzehn Jahren von uns einen Notendurchschnitt von 6.4 Punkten; das deutlich komplexere „Kabale und Hiebe“ einen halben Punkt mehr. Damals! Heute haben wir alle unsere Punktwertung von vor zehn Jahren deutlich reduziert, jetzt hat „Hol’s der Geier“ mit 0.2 Punkten die Nase vorn. Und dabei haben Aaron und Moritz noch gar nicht die Gelegenheit gehabt, auch ihrerseits ihre Wertungen zu reduzieren.
WPG-Wertung: Günther: blieb – HiG-minded ! – bei seinen bisherigen 7 Punkten (als Gag-Spiel), Loredana vergab neue 5 (es ist schnell, macht Spaß, aber es nervt), Peter: reduzierte seine bisherigen 7 Punkte auf 6 (komisch, dass so ein Spiel im Programm von HiG ist; nochmals spielen möchte ich es nicht), Walter reduzierte seine bisherigen 5 Punkte auf 4 (das Spiel mag vielleicht eine ausgereifte Gag-Chaos-Konstruktion sein, ihm gefallen aber grundsätzlich keine Spiele, wo ständig einer dem anderen regelgerecht in die Suppe spuckt)
Der Pietät halber sei hier noch vermerkt, dass unser guter Hans – requiescat in pace – seinerzeit 8 (acht!) Punkte für „Kabale und Hiebe“ vergeben hat.
3. “Mystery Rummy – Fall 4 : Al Capone”
Wenn hier nicht der Name „Rummy“ stünde, würde man unter „Al Capone“ ja so eine Art Deduktionsspiel vermuten. (Oder heißt das „Induktionsspiel“?) So aber ist das Ganze trotz der vielen Begriffe aus dem Ganovenmilieu, trotz „Hinweisen“, „Fallakte“ und „Unterwelt“ nur mehr oder weniger ein stinknormales Rommee. Die Begriffe dienen nur dazu, das ganz „normale“ Rommee-Vorgehen zu verschleiern: Karten vom verdeckten Nachzieh-Stapel ziehen, Karten auf den Ablagestapel ablegen, mit der wachsenden, variablen Kartenhand Kartensets bilden und sie in geeigneten Situationen als Auslage für die Siegpunkt-Bestimmung ablegen.
Es wird im Team gespielt, je zwei gegenüberliegende Spieler spielen zusammen, sie haben eine einzige gemeinsame Ablage, in der sie ihre Rommee-Sets ablegen und erweitern. Sie gewinnen oder verlieren gemeinsam.
Neben den Sammelkarten gibt es im „Mystery Rummy“ noch Chaos-Karten. Sie erlauben u.a., den Gegnern ein fein säuberlich abgelegtes Kartenset abzunehmen (mir-nix-dir-nix kostenlos), sich aus der Kartenhand der Gegner vorgegebene Sammelkarten herausgeben zu lassen (dabei darf der Gegner straflos verleugnen, dass er die gewünschte Kartenart überhaupt besitzt! Irrtum und Betrug ist Tür und Tor geöffnet! Mein Gott, pflanzen sich solche Anfänger-Designfehler denn immer noch weiter fort?!), den Ablagestapel nach gewünschten Sammelkarten abzugrasen und sie seiner Auslage einzuverleiben. Und ähnliche Scherze, die eine brave Rommee-Planung ad absurdum führen.
Konnte ein Spieler alle Karten ablegen, endet ein Durchgang und die Kartenauslage aller Teams wird gewertet. Welches Team in beliebig vielen Durchgängen auf eine vorgeschriebene Summe kommt, beendet das Spiel als Sieger.
Nach dem ersten Durchgang wollte Peter schon die Karten für den zweiten Durchgang austeilen, da warf Walter das Handtuch. Für einen Bridgespieler ist bereits das übliche Rommee und Canasta eine Entweihung der heiligen Spielkarten. Aber Rommee mit Sonderkarten, die einem Jäger und Sammler jeglichen Boden unter den Füßen entziehen, das schlägt dem Fass die Krone mitten ins Gesicht. Nein, keine zweite Runde. Loredana, die gar nicht richtig mitbekommen hatte, dass wir noch weitere Mystery-Durchgänge hätten spielen sollen, stimmte kategorisch in den Aufhören-Chor ein: „Schluss damit! Bluffen!“ Dagegen waren selbst unsere Schwergewichtler machtlos.
WPG-Wertung: Das vorzeitige (?) Ende des Spiels hinderte Günther, Loredana und Peter daran, eine Wertungsnote für das Spiel abzugeben. „Wir haben das Spiel noch nicht intus!“ Walter hatte das Spiel schon während Peters Regelerklärung intus bekommen. Sein wachsender Unmut entlud sich in immer ausgeprägterer Motzerei. Er hatte keine Probleme, auch dieses Rummy (Rommee, Rommé) mit reifen 3 Punkten ad acta zu legen.
Hallo Willi, dieses “Mystery” sollst Du uns empfohlen haben!? Ist das wahr? OK, wenn sich HiG schon mit seiner Kabale vom Verlags-Charakter entfernt hat, dann darfst auch Du Dich einmal bei Deinen Empfehlungen vergreifen.
4. “Zoff im Zoo”
Eine gute Stunde Bluffen geht selbst nach 20 Jahren regelmäßiger Unterhaltung mit diesem Spiel noch nicht an die Nieren. Aber Peter wollte vor dem Absacken mit „Bluff“ noch einen Zwischenakt einlegen und wußte auch sofort, wie er seine Loredana dazu rumkriegt: „Zoff im Zoo“! Dieser Verführung konnte sie nicht widerstehen. Nur ein kurzes Abwägen von Kuchen gegen Schokolade auf ihrer Seite, dann ein Aufleuchten in ihren Augen: „Zoff, wenn es hinterher noch zu einem Bluff reicht“.
Peter forderte die Buchführung für sich. Erstens verstehe er davon am meisten, zweitens sei er darin auch noch unfehlbar wie der himmlische Vater. Vielleicht auch nicht. Jedenfalls musste er eine erhebliche Anzahl von Eintragungen in seinem Gewinn-Tableau überpinseln; Proteste bzw. Korrekturen an seiner Punkte-Rechnerei waren in jeder Runde an der Tagesordnung. OK, vielleicht hätten wir andere es auch nicht besser gekonnt … Peter bleibt der Beste.
Keine neue WPG-Wertung für ein 8,2 Punkte Spiel.
5. “Bluff”
Günther gewann den ersten Durchgang im 3:1 Endspiel gegen Loreda. Walter gewann den zweiten Durchgang im 4:1 Endspiel ebenfalls gegen Loredana; allerdings konnte sie dabei noch auf 2:1 verkürzen. Dann begann sie mit 1 mal Stern. Walter hob auf 2 mal die Drei. Welche Zahlen hatte er mit seinen zwei Würfeln gewürfelt?
Hallo Loredana, jetzt hattest Du doch noch eine a priori Gewinnchance von (überschlägig) 66%. Ich weiß nicht mehr, welche Zahl Du gewürfelt hattest, ein Stern war es auf jeden Fall nicht. Aber auch ohne Stern standen die Chancen noch 3:2 zu Deinem Vorteil. Hast Du Deine Chance genutzt?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.