Archiv der Kategorie: Spieleabende

18.05.2016: Codenames zwischen zwei Aarons

1. “Saami”

Gewogen und für gut befunden hatten wir vorletzte Woche Aarons neueste „Saami“-Version. Sogar für sehr gut. Doch die Geschmäcker im Norden der Republik sind anders. Wieder wurde von dort gefordert, an weiteren Rädchen zu drehen und neue dazuzubasteln. Heute stellte Aaron uns im Süden beide Versionen nebeneinander vor.

Mit der allerneuesten Nord-Version hatten wir viel Spaß, teils mit den Regeln, teils gegen die Regeln, teils über die Gereimtheiten, teils über die Ungereimtheiten im Spielablauf. Wir durften uns ja auch ungestraft über alles mokieren, was nicht in unsere WPG-Philosophie passte. Selbst Aaron vergeudete für Kritik und Lästereien nicht einmal ein halbes strafendes Auge. Günther gewann. Das spricht doch immerhin für die (immer noch) innewohnende taktisch-strategische Herausforderung.

In der Süd-Version fand sich Walter sofort wieder zurecht, es war ja exakt die Version aus der Duo-Session von vor zwei Wochen. Verständliche Mechanismen, einsehbare Aktionen, einfache Tabellen ohne fehleranfällige Handhabung. In Bayern wird die Schadensrechnung S = a + b – c – d mit Werten im Zahlenraum zwischen 0 und 10 ja problemlos beherrscht. Die ursprüngliche Idee mit dem Kampf der zwei Seelen in eines jedem Mitspielers Brust, sich einerseits für die Gemeinschaft einzusetzen und andererseits die Gemeinschaft aus Eigennutz scheitern zu lassen, diese Idee dominiert den Spielablauf. Einziges kritisches Indiz: Unser Chefstratege Günther hat nicht gewonnen …

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Codenames”

Ein Wort-Unterhaltungsspiel für intelligente Familien oder Freundeskreise. Auf dem Tisch liegen fünfundzwanzig Kärtchen mit einfachen deutschen Hauptwörtern. Davon sind vom Zufall acht Stück willkürlich einem Team (bzw. einem Einzelspieler) zugeordnet, wobei die Zuordnung nicht bekannt ist. Die Aufgabe besteht nun darin, die acht zugeordneten Wörter herauszufinden.

Wie geht das? Ein definierter Spieler des Teams (oder ein neutraler Mitspieler) kennt die Zuordnung und muss Hinweise auf einzelne Wörter geben, nach denen sein Team diese Wörter erkennt, benennt, und so Wort für Wort die Aufgabe löst.

Ein Hinweis darf nur aus einem einzigen Wort bestehen. Natürlich keines, das auf einem der Kärtchen steht. Im Idealfall kann ein einziger Hinweis auch für mehrer Wörter gelten. Gehören z.B. die Wörter „Hund“ und „Katze“ zu einem Team, dann wäre der Hinweis: „Tier, 2 Stück“ eine gute Idee. Vorausgesetzt, dass kein weiteres Tier-Wort mehr auf der Tisch liegt, das nicht zum Team gehört. Denn falls ein Team ein falsches Wort bezeichnet, ist der Rate-Zug zu Ende, und das nächste Team kommt an die Reihe.

Wir immer bei solchen Wort-Spielen müssen die Teilnehmer eine gewisse Disziplin beherzigen: Nicht vorsagen, nicht dreireden, keine Zusatz-Informationen geben und sich bei den Hinweisen genau an die vorgegebenen Regeln halten. Hier ein großes Lob an den Autor Vlaada Chvátil bzw. an den CGE-Verlag: Die Beschreibung der erlaubten bzw. nicht erlaubten Hinweise im Regelheft ist vorzüglich: exakt und doch offen, mit Freiheiten für Spielgestaltung, Humor und Kreativität entsprechend dem Horizont der Teilnehmer.

In unserer Dreierrunde war jeder einmal der Hinweisgeber und die anderen beiden mussten in Konkurrenz zueinander die ihnen jeweils zugeordneten Wörter finden. Zum Kennenlernen des Spiels ist dieses Vorgehen durchaus geeinet. Es funktioniert auch später noch in einer Dreierrunde und garantiert einen Unterhaltungsspaß für wortschöpferische Bildungsbürger.

Bei uns lag u.a. das Wort „Muschel“ auf dem Tisch! Welchen Spaß hatten wir allein mit den hier möglichen Assoziationen, nachdem erst einmal das Schlagwort „Muschi“ gefallen war! Welche der Wörter Wurm, Ritter, Laster, Nagel, Apfel, Horn, Mini kann „man“ damit in Verbindung bringen. Alle! Ja, fast alle der vierhundert mitgelieferten Wörter in der Erstausstattung. Die paar ganz einschlägige Sozis habe ich hier ja noch ausgelassen! Mehr als 180 Lebensjahre, verteilt auf drei Köpfe, konnte ihre Erfahrung und Phantasie ins Kraus schießen lassen …

WPG-Wertung: Aaron: 8 (ich spiele es richtig gerne), Günther: 7, Walter: 7 (aber nur unter spritzigen Schnell- & Schöndenkern).

3. “Diggers”

Einen Tag später kam Aaron nochmals am Westpark vorbei, um die aktuelle Version einer weiteren Eigen-Schöpfung vorzustellen, ebenfalls ein Kandidat für die Spiel-2016 in Essen.

Herausgebracht werden soll es bei „What’s your Game“, wobei Name und Thema noch nicht ganz feststehen. Der Verlag hat jetzt fast ein ganzes Jahr daran geknabbert und eine ganze Reihe von Änderungsvorschlägen angebracht. Aber er hat sie nicht nur skizziert und gefordert, er hat sie auch fein säuberlich ausgearbeitet, erfolgreich getestet, Material und Regelheft adaptiert, und darauf hingewiesen, wo noch die Balance einzustellen ist. Eine solch konstruktive Zusammenarbeit mit einem Verlag ist für jeden Autor ein Traum!

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

04.05.2016: Saami im Duett

Günther spielt heute in Traun an der Traun im TraunCon viele, viele Brettspiele. Moritz dirigiert in Linz an der Donau zwei „riesige Uraufführungen“, Peter wühlt sich in Bamberg an der Regnitz in schmutzige Akten aus dem Vatikan, und Horst weint immer noch in der Allianz Arena bei München an der Isar einem Sieg hinterher, der eine Niederlage bedeutet. So blieb dem Restcorps der Westparkgamers, Aaron und Walter, für heute nicht anderes als ein Paso Doble übrig.

1. “Saami”

Aaron’s Eigenentwicklung, vom Argentum-Verlag für die Spiel-2016 in Essen vorgesehen, geht seiner Reifung entgegen. Erstaunlich, dass kurz vor der endgültigen Abgabe immer noch an so vielen Rädchen gedreht wird; einige wurden weggelassen und ein paar andere entschlackt.

Schon vor über einem Jahr hatte Peter die damalige Version kommentiert mit: „Das war richtig spannend. Das Spiel kann so in Produktion gehen.“ Und Moritz merkte damals an „Ein super Spiel; es besitzt keine eingefahrene Strategie, sondern ist höchst flexibel.“ Dann geriet das Spiel in die Fänge von Verlag und Markt-Vorstellungen. Es wurde aus der Schiene der strengen Planbarkeit in eine Schwimme-im-Chaos-Richtung gedrängt. Es wurden Schnörkel eingebaut, an denen sich unbedarfte, chaotisch veranlagte Spieler verlustifizieren konnten, während den Freaks die strategischen Felle davonschwammen.

Vor einem Monat hatten wir das Spiel zum letzten Mal am Westpark auf dem Tisch, und wir waren alle ziemlich ratlos über den Wust an neuen, unberechenbaren Spiel-Elementen, die uns da vorgesetzt wurden. Entschlackung, Streaming war die Devise. Aaron hat diesen sicherlich auch schmerzhaften Prozess des sich Trennens von hübschen, aber unfunktionellen Schnörkeln in verhältnismäßig kurzer Zeit (im Vergleich zu der langen Zeit, in der diese Schnörkel mehr und mehr gewachsen sind), erfolgreich hinter sich gebracht.

Jetzt vereinigt „Saami“ planerische und spielerisch-zufällige Elemente in harmonischer Weise miteinander. Es gibt ein Höchstmaß an Interaktion, aber keinesfalls in einem unberechenbaren Aufeinanderprallen unterschiedlicher Mitspieler-Ambitionen. Jetzt werden die Spieler in jeder Runde vor neue Detail-Herausforderungen gesetzt, wobei die große Linie aber über mehrere Runden vorhersehbar ist. Jetzt können die Absichten eines jeden Mitspielers als für seine Position folgerichtig erkannt und bei der eigenen Zugplanung berücksichtigt werden.

Die Basis ist immer noch ein gewisses Worker-Placement, aber Aaron wollte dieses aktuell-modische Prinzip nicht allzu strapazieren. Er hat es in eine ganz neue, dynamische Ausprägung umgegossen. Auf der einen Seite kämpfen solidarische Helfer an der gemeinsamen Katastrophenfront, auf der anderen Seite versuchen Etappenhasen im Hinterland gefahrlos ihr eigenes Süppchen zu kochen. Es ist nicht immer vorhersehbar, auf welche Seite sich die Waage des Schicksals neigen wird. Bis zum Spielende spielen da auch Zufallseinflüsse eine Rolle. Man kann es darauf ankommen lassen, aber man kann dem Schicksal auch in die Karten schauen. Für Spieler, Planer, Anpacker und Waghälse, für alle ist in „Saami“ etwas dabei. Vor allem aber für Spiele-Freaks. Der Westpark kann stolz darauf sein.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

27.04.2016: Gute deutsche Spielhausmannskost

Peter freute sich schon im Vorfeld auf „gute deutsche Spielhausmannskost“ und versprach gleichzeitig, einen „special guest“ mitzubringen. Die Hausmannskost wurde akzeptiert, doch sollte er sie selber mitbringen und sich selbstverständlich darauf vorbereiten. Der special guest war die freudige Überraschung: Loredana, eine alte (junge) WPG-Mitspielerin, die vor anderthalb Jahren das letzte Mal bei uns aufgetaucht war. Schön, dass Du heute dabei warst!

1. “Wikinger”

Vor neun Jahren, nach dem ersten Spielen am Westpark, hatte Peter sich dieses damals brandneue Spiel zugelegt. Aber bis heute hat er es nicht mehr gespielt. Es war noch eingeschweißt, und wir mussten zuerst die Einzelteile aus den Stanzbögen herauspulen. („Auspöppeln“ hat Moritz diese Tätigkeit schon vor Jahren genannt; so ist es in unser aller Sprachgebrauch eingegangen, allerdings wird dieses Verb bis heute von Duden, Wiktionary und LEO hartnäckig ignoriert. Nein, wir meinen nicht „aufpäppeln“!)

Peter als vielbeschäftigter ERC-Wissenschaftler hatte sich natürlich nicht vorbereitet (eine Todsünde!), und keiner konnte sich mehr so genau daran erinnern, wie die „Wikinger“ funktionieren. Zeile für Zeile des Regelheftes mussen wir uns wieder die Geheimnisse des Spielverlaufs erarbeiten. Die Frage: „Spielen wir gleich die Expertenregel“ wird am Westpark normalerweise einstimmig bejaht, diesmal verzichteten wir darauf. Jeder hatte noch im Hinterkopf, dass das Spiel auch allein mit den Grundregeln rund und schön ist. Keiner wollte sich in die Niederungen der Startspieler-Versteigerung begeben, keiner vermisste hundert neue Sonderteile und Sonderregeln beim Landschaftsbau, und die peu-a-peu Verteilung der Berufsgruppen um das Versteigerungsrondell mag „gerechter“ sein und den Spielern weiteres Material zum Denken und Planen in die Hand geben, aber das kostet unnötig Zeit. Die „Wikinger“ haben solche Schnörkel überhaupt nicht nötig. Bei einer spielerischen Auffassung des hier Dargebotenen braucht es das alles nicht.

Auf einem Rondell liegen Inselteile (Insel-Anfang, Insel-Ende und Insel-Mittelstücke), von denen die Spieler reihum jeweils eines erwerben und horizontal oder vertikal in ihre individuelle Landschaft einbauen. Bei der vertikalen Erweiterung sind dem Anlegen keinerlei Grenzen gesetzt, beim horizontalen Anlegen müssen alle Inselteile topologisch zueinander passen: Zu einem Insel-Anfang passt nur ein Mittelstück oder ein Ende, aber kein weiterer Insel-Anfang. Usw. …

Hier die optimalen, teils lebenswichtigen Inselteile auszuwählen, das ist die Crux des Spieles. Natürlich weiß jeder Spieler sofort, welches der ausliegende Teile zu seiner aktuellen Entwicklung am besten passt. Im Prinzip darf er sogar auf jedes beliebige der angebotenen Teile zugreifen. Allerdings sind die Kosten dafür extrem unterschiedlich. Das Inselteil am definierten Anfangspunkt des Auslagen-Rondell kostet gar nichts; je weiter entfernt vom diesem Nullpunkt ein Inselteil auf dem Rondell liegt, desto teurer ist es. Der Preis kann auf bis zu 11 Münzeinheiten steigen. Da sind wir mit unserer Anfangsausstattung von 20 Münzen schnell am Ende.

Zu jedem Inselteil gehört ein Männlein unterschiedlicher Farbe bzw. unterschiedlicher Berufsgruppe (Bootsmann, Kämpfer, Adeliger, Späher, Goldschmied und Fischer). Jeder trägt auf seine Weise zur Wertsteigerung der Landschaft bei. Es gilt, die Bevölkerung zu ernähren, die Wikinger abzuwehren, und Nachschubmünzen sowie Siegpunkte zu erwerben.

Mehr Worte will ich über die Regeln jetzt gar nicht verlieren. Das Spiel ist laut Luding zwar noch lieferbar, aber wer kauft sich schon ein Spiel von vorgestern? Obwohl es sich lohnen würde! Das Spiel stellt alle Spieler vor eine gerade richtige, überschaubare Herausforderung an kurz-, mittel- und langfristiger Zugplanung. Die Mechanismen sind sehr gut ausbalanziert, und auch die Spieldauer von 50 Minuten passt genau. Bei Spielende darf jeder bedauern, dass er nicht noch ein-zwei Runden länger an seiner Entwicklung basteln kann. Aber das ist auch gut so, sonst könnten wir noch länger über jeden einzelnen Zug nachdenken und uns daran festbeißen. So aber ähnelt der Spielgenuss von „Wikinger“ dem eines guten französischen Mahls: lauter bestens abgestimmte Leckerbissen und am Ende ist keiner pappsatt, sondern freut sich schon auf den nächsten Besuch im gleichen oder nächsten Restaurant. Die Dosis macht’s, das sagte schon Paracelsus.

Altmeister Michael Kiesling hat mit dem Spieldesign ganze Arbeit geleistet, und sicherlich hat auch der Nobelverlag Hans-im-Glück das seine dazu beigetragen, mit “Wikinger” ein Schmuckstück jeder Spielesammlung herauszubringen.

Günther gewann, was immer ein sicheres Indiz für die intellektuelle Stimmigkeit eines Spiels ist. Peter wurde Letzter, er hatte einfach übersehen, dass seine Leute am Ende auch noch ernährt werden müssen.

WPG-Wertung: Alle „alten Hasen“ blieben bei ihren guten 8 Punkten. Das zehn Jahre alte Spiel hat nichts von seinem Glanz eingebüßt. Einfach höchste HiG-Qualität. Selbst Neuling Loredana reihte sich mit ihren 8 Punkten in das alte Lob ein. („Kleine Einschränkung: Für einen Anfänger gilt es auf sehr viele Dinge zu achten; mit wachsender Spielerfahrung sollte das hoffentlich beherrschbar sein.“)

2. “Kabale und Hiebe”

Etwas vereinfacht ausgedrückt, ist es eine chaotische Weiterentwicklung von „Hol’s der Geier“. Jeder hat den gleichen Satz von Bietkarten mit den Werten von 0 bis 20. Jeder bietet damit um ausliegende Siegpunktkarten, indem er jeweils eine Bietkarte aus der Hand auswählt und verdeckt ausspielt.

Die Unterschiede zu „Hol’s der Geier?“ Es liegt nicht nur eine, sondern jeweils vier Siegpunktkarten gleichzeitig zur Versteigerung aus. Jeder kann / muss mehrmals eine Bietkarte spielen, bevor es zur Auswertung kommt und die Siegpunktkarten verteilt werden. Und von den 20 Bietkarten eines Sets steht einem Spieler nur eine kleine Zufallsauswahl von jeweils drei Stück zum Ausspielen zur Verfügung.

Doch die Bietkarten haben nicht nur einen festen Zahlenwert, sie haben zusätzlich noch Eigenschaften, die auf die bereits ausliegenden eigenen oder fremden Bietkarten erheblichen Einfluss ausüben. Beide „König“ und „Knappe“ gemeinsam in einem Stapel gewinnen immer, egal, was die anderen Spieler hier geboten haben. Ein „Romeo“ ist dreimal so viel wert, wenn er bei der „Julia“ liegt. Der „Zauberer“ eliminiert alle Bietkarten mit Werten über 10, die „Hexe“ eliminiert alle Bietkaten mit Werten unter 9, ein „Meuchelmörder“ eliminiert die nächste Bietkarte, die zu seinem Stapel gelegt wird, und der „Bettler“ bewirkt, dass nicht der Spieler mit dem höchsten Gebot gewinnt, sondern der mit dem geringsten Gebot. Jeder kann-soll-muss jedem unaufhörlich in die Suppe spucken. Nichts ist mehr berechenbar. Kartenpflege gibt es auch nicht. Selbst ein gutes Gedächtnis über alle bereits gespielten bzw. über die noch im Spiel befindlichen Bietkarten schützt nicht davor, gekillt, eliminiert oder auf den Kopf gestellt zu werden.

Peter merkte kritisch bis abfällig an: „Für ein Hans-im-Glück-Spiel ist das ein ziemliches Glücks-Spiel. Günther: „Wenn Deine Planung schief geht, brauchst Du ja nicht zu planen!“ Walter: „Da kann ich meine Kartenhand ja gleich zufällig abspielen!“ Günther: „Nein, nein, 50% der Planung wird schon gut gehen …“.

Das kleine „Hol’s der Geier“ bekam vor fünfzehn Jahren von uns einen Notendurchschnitt von 6.4 Punkten; das deutlich komplexere „Kabale und Hiebe“ einen halben Punkt mehr. Damals! Heute haben wir alle unsere Punktwertung von vor zehn Jahren deutlich reduziert, jetzt hat „Hol’s der Geier“ mit 0.2 Punkten die Nase vorn. Und dabei haben Aaron und Moritz noch gar nicht die Gelegenheit gehabt, auch ihrerseits ihre Wertungen zu reduzieren.

WPG-Wertung: Günther: blieb – HiG-minded ! – bei seinen bisherigen 7 Punkten (als Gag-Spiel), Loredana vergab neue 5 (es ist schnell, macht Spaß, aber es nervt), Peter: reduzierte seine bisherigen 7 Punkte auf 6 (komisch, dass so ein Spiel im Programm von HiG ist; nochmals spielen möchte ich es nicht), Walter reduzierte seine bisherigen 5 Punkte auf 4 (das Spiel mag vielleicht eine ausgereifte Gag-Chaos-Konstruktion sein, ihm gefallen aber grundsätzlich keine Spiele, wo ständig einer dem anderen regelgerecht in die Suppe spuckt)

Der Pietät halber sei hier noch vermerkt, dass unser guter Hans – requiescat in pace – seinerzeit 8 (acht!) Punkte für „Kabale und Hiebe“ vergeben hat.

3. “Mystery Rummy – Fall 4 : Al Capone”

Wenn hier nicht der Name „Rummy“ stünde, würde man unter „Al Capone“ ja so eine Art Deduktionsspiel vermuten. (Oder heißt das „Induktionsspiel“?) So aber ist das Ganze trotz der vielen Begriffe aus dem Ganovenmilieu, trotz „Hinweisen“, „Fallakte“ und „Unterwelt“ nur mehr oder weniger ein stinknormales Rommee. Die Begriffe dienen nur dazu, das ganz „normale“ Rommee-Vorgehen zu verschleiern: Karten vom verdeckten Nachzieh-Stapel ziehen, Karten auf den Ablagestapel ablegen, mit der wachsenden, variablen Kartenhand Kartensets bilden und sie in geeigneten Situationen als Auslage für die Siegpunkt-Bestimmung ablegen.

Es wird im Team gespielt, je zwei gegenüberliegende Spieler spielen zusammen, sie haben eine einzige gemeinsame Ablage, in der sie ihre Rommee-Sets ablegen und erweitern. Sie gewinnen oder verlieren gemeinsam.

Neben den Sammelkarten gibt es im „Mystery Rummy“ noch Chaos-Karten. Sie erlauben u.a., den Gegnern ein fein säuberlich abgelegtes Kartenset abzunehmen (mir-nix-dir-nix kostenlos), sich aus der Kartenhand der Gegner vorgegebene Sammelkarten herausgeben zu lassen (dabei darf der Gegner straflos verleugnen, dass er die gewünschte Kartenart überhaupt besitzt! Irrtum und Betrug ist Tür und Tor geöffnet! Mein Gott, pflanzen sich solche Anfänger-Designfehler denn immer noch weiter fort?!), den Ablagestapel nach gewünschten Sammelkarten abzugrasen und sie seiner Auslage einzuverleiben. Und ähnliche Scherze, die eine brave Rommee-Planung ad absurdum führen.

Konnte ein Spieler alle Karten ablegen, endet ein Durchgang und die Kartenauslage aller Teams wird gewertet. Welches Team in beliebig vielen Durchgängen auf eine vorgeschriebene Summe kommt, beendet das Spiel als Sieger.

Nach dem ersten Durchgang wollte Peter schon die Karten für den zweiten Durchgang austeilen, da warf Walter das Handtuch. Für einen Bridgespieler ist bereits das übliche Rommee und Canasta eine Entweihung der heiligen Spielkarten. Aber Rommee mit Sonderkarten, die einem Jäger und Sammler jeglichen Boden unter den Füßen entziehen, das schlägt dem Fass die Krone mitten ins Gesicht. Nein, keine zweite Runde. Loredana, die gar nicht richtig mitbekommen hatte, dass wir noch weitere Mystery-Durchgänge hätten spielen sollen, stimmte kategorisch in den Aufhören-Chor ein: „Schluss damit! Bluffen!“ Dagegen waren selbst unsere Schwergewichtler machtlos.

WPG-Wertung: Das vorzeitige (?) Ende des Spiels hinderte Günther, Loredana und Peter daran, eine Wertungsnote für das Spiel abzugeben. „Wir haben das Spiel noch nicht intus!“ Walter hatte das Spiel schon während Peters Regelerklärung intus bekommen. Sein wachsender Unmut entlud sich in immer ausgeprägterer Motzerei. Er hatte keine Probleme, auch dieses Rummy (Rommee, Rommé) mit reifen 3 Punkten ad acta zu legen.

Hallo Willi, dieses “Mystery” sollst Du uns empfohlen haben!? Ist das wahr? OK, wenn sich HiG schon mit seiner Kabale vom Verlags-Charakter entfernt hat, dann darfst auch Du Dich einmal bei Deinen Empfehlungen vergreifen.

4. “Zoff im Zoo”

Eine gute Stunde Bluffen geht selbst nach 20 Jahren regelmäßiger Unterhaltung mit diesem Spiel noch nicht an die Nieren. Aber Peter wollte vor dem Absacken mit „Bluff“ noch einen Zwischenakt einlegen und wußte auch sofort, wie er seine Loredana dazu rumkriegt: „Zoff im Zoo“! Dieser Verführung konnte sie nicht widerstehen. Nur ein kurzes Abwägen von Kuchen gegen Schokolade auf ihrer Seite, dann ein Aufleuchten in ihren Augen: „Zoff, wenn es hinterher noch zu einem Bluff reicht“.

Peter forderte die Buchführung für sich. Erstens verstehe er davon am meisten, zweitens sei er darin auch noch unfehlbar wie der himmlische Vater. Vielleicht auch nicht. Jedenfalls musste er eine erhebliche Anzahl von Eintragungen in seinem Gewinn-Tableau überpinseln; Proteste bzw. Korrekturen an seiner Punkte-Rechnerei waren in jeder Runde an der Tagesordnung. OK, vielleicht hätten wir andere es auch nicht besser gekonnt … Peter bleibt der Beste.

Keine neue WPG-Wertung für ein 8,2 Punkte Spiel.

5. “Bluff”

Günther gewann den ersten Durchgang im 3:1 Endspiel gegen Loreda. Walter gewann den zweiten Durchgang im 4:1 Endspiel ebenfalls gegen Loredana; allerdings konnte sie dabei noch auf 2:1 verkürzen. Dann begann sie mit 1 mal Stern. Walter hob auf 2 mal die Drei. Welche Zahlen hatte er mit seinen zwei Würfeln gewürfelt?

Hallo Loredana, jetzt hattest Du doch noch eine a priori Gewinnchance von (überschlägig) 66%. Ich weiß nicht mehr, welche Zahl Du gewürfelt hattest, ein Stern war es auf jeden Fall nicht. Aber auch ohne Stern standen die Chancen noch 3:2 zu Deinem Vorteil. Hast Du Deine Chance genutzt?

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

13.04.2016: Platon im Ruhrgebiet

Im ersten Spielbericht des Jahres habe ich noch ohne jeden Hintergedanken geschrieben: „Keine Angst, liebe Spielkritiken-Leser-Gemeinde, die Westpark-Gamers sind noch nicht auseinandergebrochen.“ Und kaum eine Woche später war es dann soweit: Ein tiefer, offensichtlich nicht überbrückbarer Riss ging mitten durch unsere Spielerrunde. Einer (ein einziger) wollte mit einem anderen (einem einzigen) nichts mehr zu tun haben.

Anlässe, Hintergründe und Motive sind bei solchen persönlichen Auseinandersetzungen für Außenstehende rational oft nicht ganz nachzuvollziehen. Schon vor fast zweitausendfünfhundert Jahren schrieb Platon in seinen Dialogen: „Das Gerechte und das Ungerechte, das Schöne und das Hässliche, das Gute und das Böse, das sind Gegenstände, bei denen Meinungsunterschiede, dahin führen können, dass wir einander feind werden.“ Und weiter schreibt er: „Bei Diskussionen über unterschiedliche Meinungen ist es für die Beteiligten nicht leicht, sich über feste Begriffsbestimmungen zum Gegenstand ihrer Erörterungen zu verständigen, sich darüber zu belehren bzw. belehren zulassen, und so in Frieden voneinander zu scheiden. Wenn sie über etwas streiten, wirft der einem der eine dem anderen Unrichtigkeit in seinen Behauptungen vor; sie werden ärgerlich und glauben, dass sich der Gegner in seinen Ausführungen nur von Gehässigkeit gegenüber ihnen leiten lässt und nur rechthaberisch seinen Standpunkt zu behaupten sucht, nicht aber die betroffene Sache selbst zu erledigen strebt. In manchen Fällen nimmt die Sache den widerwärtigsten Abschluss: sie trennen sich, nachdem sie sich gegenseitig geschmäht und sich gegenseitig Dinge gesagt haben, die sie mit Scham erfüllen.“

Wir (fast) Unbeteiligten haben in der Zwischenzeit natürlich fleißig weitergespielt, aber die Lust an lockeren Sessionreports war mir ein Weilchen vergangen. Jetzt habe ich mich langsam vom ersten Scheck erholt. Heute geht es erstmals weiter.

1. “Haspelknecht”

Worker-Placement Szenerie in "Haspelknecht"
Worker-Placement Szenerie in “Haspelknecht”

Nach „Ruhrschifffahrt“ und „Kohle & Kolonie“ das dritte Spiel einer Trilogie um Geographie, Geschichte und Technik der Kohleförderung im Ruhrgebiet. Intensiv hat sich der Autor Thomas Spitzer mit den Begriffen und Spezifika des Kohleabbaus beschäftigt und sie in ein Spiel gegossen, das thematisch überzeugt, einen ausgereifen Workerplacement-Mechanismus präsentiert und hohen spielerischen Anforderungen genügt.

Wir beschäftigen einen Bauern, einen Knecht und bei Bedarf einen Leiharbeiter, später, wenn der Übertagebau erschöpft ist, auch noch einen Hauer (= Profi-Kohlehacker) und einen Haspelknecht (= nach Wikipedia, ein Transportarbeiter im Bergbau), um Kohle zu hacken und ans Tageslicht zu fördern, die in die Tiefe wachsenden Kohlestollen abzustützen und das allfällige Wasser abzupumpen. Unser Bauer kann sich anstatt im Kohlebergbau auch in der Landwirtschaft betätigen und für alle Beteiligten das notwendige Brot erzeugen.

Die bemerkenswerteste Erfindung in „Haspelknecht“ ist der Mechanismus, mit dem die einzelnen Spieler die Aktionen auswählen, die sie im folgenden Spieleabschnitt durchführen wollen. Auf drei Resourcenfeldern liegen je sechs Aktionssteine in zufälliger Zusammensetzung der Farben schwarz, braun und gelb. Schwarze Steine braucht man für Kohleabbau und Wasser-Abpumpen, braune Steine bringen Holz zum Abstützen der Stollen, und gelbe Steine erlauben Landwirtschaft oder ernähren direkt oder indirekt Leiharbeiter. Reihum darf sich jeder Spieler alle Aktionssteine einer Farbe auf einem Resourcenfeld nehmen. Wer Glück hat, findet gleich fünf Steine einer Farbe auf einem Feld und kann sich mit einem Schlag diese fünf Aktionssteine aneignen. Für die Nachziehenden bleibt hier dann wenig bis nichts mehr übrig.

Das Glück der vielen Aktionssteine im ersten Zug wird allerdings doppelt getrübt: Einmal ist fünf die Höchstzahl an Aktionssteinen, die sich ein Spieler aneignen kann. Wer bereits im ersten Zug seine Aktions-Scheuer füllen konnte, muss im zweiten Zug passen, während die Zu-kurz-Gekommenen des ersten Zuges noch ein zweites Mal zugreifen dürfen. Zweitens aber bestimmt der Wert der Aktionssteine beim ersten Zugreifen die Spielerreihenfolge. Wer hier am wenigsten nahm bzw. bekam, darf im nächsten Spielabschnitt als Erster wählen. Es ist durchaus sinnvoll, beim ersten Zugreifen etwas bescheidener zu sein, wenn man erkennen kann, dass man beim zweiten Zugreifen mit Sicherheit noch all die Aktionssteine bekommen wird, die man für seine Zugplanung braucht.

In jedem Fall ist der mit dieser Resourcen-Auswahl gekonnt ins Spiel hinkonstruierte Zufall eine schöne Erfindung: Einerseits ein spielerisches Zufallselement, und andererseits doch eine meisterbare Herausforderung. Man spuckt sich, im Gegensatz zu einem unkalkulierbaren Mitspielerchaos, nicht gegenseitig in die Suppe, sondern jeder wählt aus den angebotenen Chancen nach seinem kurz- und mittelfristigen Gusto die passendste heraus, hat damit aber einen sicheren, nicht mehr nullizifierbaren Besitz. Das sollten sich andere Zufalls-Ingenieure hinter die Ohren schreiben (lassen)!

Der Rest des Spiels läuft dann allerdings leider ziemlich autistisch ab. Nahezu unbeeinflusst voneinander wickelt jeder seine Aktionen ab, sät und erntet, baut und baut ab, und zahlt Steuern.

Mit den Aktionssteinen werden nicht nur die Arbeiter in Bewegung gesetzt, man beteiligt sich damit auch auf dem Feld der „Errungenschaften“ und erwirbt Eimer, Seile, Hacken, Leitern, Schubkarren und ähnliche nützliche Dinge. Sie liefern sofortige Prämien an Siegpunkten und Resourcen, und erhöhen später in der Endwertung auch noch die Faktoren, nach denen das Gesamt-Besitztum in Siegpunkte umgerechnet wird.

Moritz profitierte von unseren ersten Regelunsicherheiten: er fütterte den „Leiharbeiter“ doppelt und ließ ihn dafür gleich zwei Schichten pro Tag arbeiten. Es sah gut für ihn aus. Walter, der an solche multi-malocher Spiele gewöhnlich recht unbedarft herangeht, konnte mit den ersten reifen Prämien-Pflaumen in Führung gehen, doch sie waren, wie uns schon eine Binsenweisheit sagt, madig. Man muss beim Abwägen der sofortigen gegenüber den zukünftigen Vorteilen schon scharf hinschauen, um das Optimum zu finden. Günther fand es. Wie immer.

WPG-Wertung: Günther: 6 (bis 7, „am Ende lagen alle ziemlich nahe beieinander, selbst Walter mit seinem Un-Peil, das macht mich stutzig“), Moritz: 7 („dass Günther noch gewonnen hat, ärgert mich“), Walter: 6 (runde und schöne Erfindung, etwas zu lang und zu repetitiv; die vielen ausbalanzierten Rädchen sind ohnehin nicht mein Fall).

2. “Chimera”

Eine Tichu-Variante für drei Personen. In einem Quasi-Stichspiel legt der Spieler, der den aktuellen Stich gemacht hat, aus seiner Kartenhand eine der zulässigen Kartenkombinationen zum nächsten Stich vor; die anderen Spieler müssen bedienen, d.h. die gleiche, aber höherwertige, Kombination ablegen, oder passen. Zulässig sind ein Pärchen, ein Drilling, zwei Pärchen, zwei Drillinge, Drillinge mit Zusatzzahl, Straße und noch eine ganz Latte von poker-orientierten Kartenkombinationen.

Ein Spieler ersteigert das Alleinspiel, bekommt drei zusätzliche Karten aus dem Talon und muss sich dann gegen die beiden anderen Mitspieler durchsetzen. Die Mitspieler haben erstens den Vorteil, ein oder zwei Karten miteinander tauschen zu dürfen, zweitens können sie auch beim Ausspiel, beim Stechen oder Nicht-Stechen auf den Partner Rücksicht nehmen.

Durch die gegenüber Tichu wesentlich komplizierteren ablegbaren Kartenkombinationen ist die Bewertung der eigenen Kartenhand deutlich erschwert worden. Walter schaffte letzte Woche – in einer etwas anderen Spielerzusammensetzung – spielend einen Kantersieg von 250 Siegpunkten gegenüber plus und minus 40 Punkten seiner Konkurrenten, diesmal landete er weit abgeschlagen auf dem letzten Platz. Die „Bomben“ seiner Mitspieler ließen alle seine Träume platzen, auch wenn die Bomben in Chimera „Fallen“ heißen.

Moritz: „Die komplexen Kartenkombinationen kommen leider nur einmal zu Beginn eines Durchgangs zum Tragen. Hier muss sehr viel geplant werden. Hinterher spielt jeder ohne viel zu denken seine geplanten Kombinationen ab; höchst selten ordnet er sie anhand des Spielverlaufes spontan um.“ Fazit: Denken und Planen in Chimera gegenüber Spielen und Reagieren in Tichy. Das wird selbst am Westpark nicht honoriert.

WPG-Wertung: Aaron: 6 ([letzte Woche, für Tichu: 5], „es ist kein schlechtes Spiel, aber nicht mein Fall“), Günther: 9 ([für Tichu: 10], ich bin halt ein Tichu-Freak), Moritz: 6 ([noch keine Tichu-Wertung!], „I like it“ – tönte es immer wieder, wenn er eine überraschend gute Kartenkombination ausspielen konnte, „das Bietsystem um den Alleinspieler ist OK, aber das Rad wurde hiermit nicht neu erfunden.“), Walter: 7 ([für Tichu: 9], es ist ein gutes Spiel, aber in der Herausforderung, mit einer zufälligen Kartenhand zurecht zu kommen, noch lange kein Skat.)

03.02.2016: Statt eines Session-Reports

Der geheimnisvolle fremde Engel:
“Das Menschengeschlecht lebt ein Leben ständigen und ununterbrochenen Selbstbetruges. … Von dem Dutzend guter Eigenschaften, die zu besitzen es sich voller Stolz einbildet, hat es in Wirklichkeit kaum eine einzige. Es hält sich für Gold und ist doch nur Messing. … Es ist immer gleich bei der Hand, für sich in Anspruch zu nehmen, was es nicht hat, und sein Gramm Messingschrapsel für eine Tonne Goldstaub zu halten. Ihr habt einen Bastardbegriff von Humor, weiter nichts; die meisten von euch haben den. Die meisten sehen die komische Seite von tausend drittrangigen und banalen Dingen – zur Hauptsache platte Ungereimtheiten: Grotesken, Absurditäten, Klamauk – mit wieherndem Gelächter. Die zehntausend hochgradig komischen Dinge, die es in der Welt gibt, sind ihrem trüben Blick verschlossen.

Ob einmal der Tag kommt, da das Menschengeschlecht entdeckt, wie ulkig diese Kindereien sind, und darüber lacht – und sie durch dieses Lachen überwindet? Denn trotz eurer Armut habt ihr zweifellos eine wirklich wirksame Waffe: das Lachen. Macht, Geld, Überzeugungskraft, Bitten und Verfolgungen – sie können einem kolossalen Humbug ein bisschen Boden wegnehme – ihn ein Stück beiseite schieben – ihn im Laufe der Jahrhunderte etwas abschwächen; aber nur das Lachen vermag ihn mit einem einzigen Ausbruch in Fetzen und Atome zersprengen. Dem Angriff des Lachens kann nichts standhalten.“
(aus Mark Twain: Der geheimnisvolle Fremde)

Teilnehmer:
Günther
Peter
Walter

Gespielte Spiele:

    • Spyrium : Peter vergibt 9 Punkte.

 

    • Thurn und Taxis : das Spiel des Jahres 2006 hat nichts von seinem Glanz eingebüßt. Bei uns würde es eher noch einen Punkt mehr bekommen.

 

  • Poison : rund und schön

06.01.2016: Lewis und Clark in Molthar

Keine Angst, liebe Spielkritiken-Leser-Gemeinde, die Westpark-Gamers sind noch nicht auseinandergebrochen. Es gibt halt noch andere Beschäftigungen auf dieser Welt, die das Leben schön und lebenswert machen. Aaron sielte sich erst in den Niederungen des Transvaal, jetzt im Augenblick auf dem Hochplateau der Spielwarenmesse in Nürnberg, Andrea schrieb ein neues Buch, Moritz eine neue Oper, und Günther eine neue Application zum Berechnen der WPG-Wertungsnoten für weniger als einmal gespielte Spiele. Walter schrieb gar nichts, denn er wartete vergeblich auf den Musenkuss. Bleiben noch Peter, der im Vatikan Leichen ausgräbt, und Horst arbeitet wie immer hart und zahlt die Steuern, die die Regierung momentan so dringend benötigt!

Immerhin bekam Walter jetzt doch endlich einen zaghaften Kuss. (Von der Muse!) Denn auch im Neuen Jahr haben wir schon einmal gespielt. Datum: siehe oben! Teilnehmer: ein Trio, siehe unten!

1. “Die Portale von Molthar”

Horst spielt – wie die meisten von uns – nicht nur am Westpark, sondern er hat noch private Kreise, in denen er seine Spielleidenschaft ausleben kann. Nicht immer wird dort ein so harte Gebräu verkostet wie am Westpark. Manche, wahrscheinlich die meisten Mägen der Kurz- oder Mittelstreckenspieler, sind nur leichtere Kost gewöhnt. Für so einen Leichtludistenkreis hat Horst im Internet zwei Spiele vom Autor Johannes Schmidauer-König bestellt, und sie am Westpark auf ihre Verdaulichkeit testen lassen.

“Die Portale von Molthar” ist ein zweistufiges Kartensammelspiel.

  1. Zuerst nehmen wir reihum vom offenen Auslagestapel eine “Zahlenkarte” nach der anderen auf die Hand,
  2. dann reservieren wir uns eine der beiden öffentlich ausliegenden “Siegpunktkarten”.(Dies geht auch in umgekehrter oder in gemischter Reihenfolge.)
  3. Und zum Schluss aktivieren wir unsere reservierten “Siegpunktkarten”, indem wir genau diejenigen “Zahlenkarten” hinblättern, die für die “Siegpunktkarte” gefordert sind, das kann sein:- eine oder mehrere Zahlenkarten mit fest vorgegebenen Wert

    – ein Paar, Drilling oder Vierling gleicher Zahlenkarten

    – Zahlenkarten, derer Werte zusammen eine vorgegebene Summe ergeben

    – drei gerade oder drei ungerade Zahlenkarten

    – und was der Zahlenkombinationen mehr sind

(Das sieht jetzt wie ein dreistufiges Spiel aus, ist es aber nicht. Die beiden Stufen sind: 1. Zahlenkarten sammeln und 2. für Zahlenkarten Siegpunktkarten kaufen.)

Ein paar Limits (für die Anzahl von Zahlenkarten auf der Hand und für die Anzahl reservierter Siegpunktkarten) lassen von dem breiten Weg zum Himmelreich nur noch einen schmalen Pfad übrig, ohne dass das Ganze aber zu einer hochgeistigen Herausforderung ausartet.

Aktivierte Siegpunktkarten haben zudem noch den angenehmen Nebeneffekt, z.B. dass wir damit an den Werten unserer Zahlenkarten drehen dürfen (aus fünf mach sex), oder dass wir damit automatisch für jeden Zug eine zusätzliche virtuelle Zahlenkarte mit einem festen Wert zur Verfügung haben.

Strategie? Das muss doch nicht sein! Manche Spielerkreise kommen auch ohne aus. Man zieht die Karten nicht vorausschauend planbar, sondern von der Hand in den Mund: die Zahlenkarten hoffnungsvoll je nach den Siegpunktkarten in der Auslage und die Siegpunktkarten illusionslos je nachdem, was man sich mit seinen Zahlenkarten gerade leisten kann.

Am Westpark uns könnte das schnelle Spiel (15 Minuten) für 2 bis 5 Mitspieler ab 10 Jahren (na ja!) zuweilen durchaus als Absacker in Aktion treten.

WPG-Wertung: Günther: 5 (in einer lockeren Runde mehr Punkte wert), Horst: 6 (abhängig von der Runde, in der man spielt; stellt keine großen Ansprüche, aber das ist nicht tragisch), Walter: 5 (schnell, locker, leichtgewichtig).

2. “Discoveries”

DiscoveriesDer Spielidee liegt die historische Expedition von Meriwether Lewis und William Clark zugrunde, die auf Anweisung von US Präsident Jefferson vom Mississippi bis zum Pazifik vordrangen. Und zurück. Diese Expedition war auch schon Vorbild für das Spiel „Lewis & Clark“ von Cédrick Chaboussit (WPG-Durchschnittsnote 5,8). Diesmal wird viel gewürfelt, mit fünf eigenen und mit einer variablen Anzahl neutraler bzw. von den Mitspielern temporär erbeuteter Fremdwürfel.

Jeder Spieler würfelt mit seiner aktuellen Würfelpopulation und platziert das Ergebnis in seinem Würfelvorrat. Danach nutzt er daraus alle Würfel mit einer frei wählbaren, einheitlichen Augenzahl (auf den Hexawürfeln sind dafür Symbole aufgedruckt) und platziert sie auf Aktionsfeldern in seinem Tableau, für die die entsprechende Augenzahl vorgesehen ist. Hat er in einem Aktionsfeld alle vorgeschriebenen Würfel platziert, darf bzw. muss er den damit definierten Zug ausführen.

Züge bestehen in der Regel darin, zu Fuß bzw. per Pferd ein paar Pfade an Land oder mit dem Kanu ein paar Flüsse zu erkunden. Schafft es ein Spieler, mit seinen Erkundungszügen die auf offen ausliegenden „Entdeckungskarten“ vorgeschriebene Anzahl von Land- und Fluß-Erkundungen in der richtigen Reihenfolge alle zu durchzuführen, darf er sich diese Entdeckungskarte aneignen. Aus den während des Spiels angesammelten Entdeckungskarten ergeben sich in der Endwertung die Spiegpunkte eines Spielers.

Neben den Erkundungszügen gibt es „Freundschaftszüge“ (anderen Augenzahlen zugeordnet), mit denen man sich Ratschläge von Indianern einholen kann. Diese bestehen aus Zusatzwürfeln (wie schön!) sowie aus Aktionskärtchen, die ganz analog wie die vorgegebenen Aktionsfelder auf dem Spielertableau zum Platzieren von Würfeln dienen. Die Herausforderung des Spieles besteht also darin:

  • gut zu würfeln
  • seine Würfel auf optimale Aktionsfelder zu platzieren
  • die Aktionsfelder in der richtigen Reihenfolge zu vollenden, damit daraus eines der ausliegenden Entdeckungskarten fällig wird
  • freundschaftlich zu den Indianern zu sein, um seinen Würfelvorrat zu vergrößern und weitere Aktionsfelder zu generieren
  • gut zu würfeln, um mit vielen einheitlichen Augenzahlen möglichst viele und zwar die richtigen Aktionsfelder komplettieren zu können.
  • siehe oben …

Das klingt vielleicht leichter als getan oder zufälliger als man planen kann, ist aber eine echte geistige Herausforderung, die beim ersten Spielen garantiert noch nicht beherrschbar ist. Beim Strecken nach der Decke (mit den geworfenen Augenzahlen) auch noch die richtigen Seiteneffekte der zusätzlichen Aktionskärtchen zu berücksichtigen, und sich auf diejenigen Entdeckungskärten zu konzentrieren, die in der Summe hinterher am meisten einbringen, überforderte alle unsere guten Geister.

Man kann grübeln, braucht aber nicht! Gelacht wird hingegen auf keinen Fall.

WPG-Wertung: Günther: 7 (schwankt zwischen 6 und 7, möchte die Herausforderungen des Spiels noch besser studieren), Horst: 8 (mag generell die Würfelkombinatorik, „ich liebe es, mit Würfeln zu hantieren“), Walter: 6 (schwankt zwischen 6 und 7, begrenzte Interaktion).

3. “Träxx”

Das hübsche, kleine Kartenspiel zum Ziehen der schnellsten Verbindungen zu lukrativen Zahlen und zum möglichst vollständigen Ausfüllen des farbigen Routen-Blattes lag am 18. November letzten Jahres zum ersten Mal auf. Horst kannte es noch nicht und durfte heute seinen Senf dazu geben. Es wurde sogar gelacht.

WPG-Wertung: Horst hob den bisherigen WPG-Schnitt von 5,5 mit einer glatten 7 über die 6-Punkte-Schwelle (simpel, schnell, ein Spiel für meine „andere“ Runde!).

16.12.2015: Mobiles vom Eisenstein und Immobiles aus New York

Es war einmal eine Familie, die gern in den Urlaub fuhr und immer in denselben hübschen Hotels abstieg. Irgendwann fing die Familie gag-halber an, für ein Hotelbewertungsportal Bewertungen zu schreiben. Das kam gut an.
Dann fuhr sie nicht mehr in die paar guten Hotels, sondern klapperte jede Absteige ab, “denn man muss ja alle mal gesehen haben, und wir müssen Bewertungen schreiben”.
(Anfangskapitel aus Peters „Die Tragik der Westpark-Gamers“.)

1. “Phalanxx”

Die Phalanx erschrickt den Weihnachtsmann
Die Phalanx erschrickt den Weihnachtsmann

Als Vorweihnachtsgeschenk hat uns Bernd Eisenstein sein neuestes Produkt zum Testen übergeben. Seit 2003 sind Bernds Spiele bei Luding registiert. Am Anfang hat er noch „gesündigt“ und dafür Namen quer durchs Alphabet vergeben („Maya“ war sein erstes Spiel, „Zack & Pack“ kam 2008, später „Alea Iacta Est“ und „Artifact“ zusammen mit Jeffrey D. Allers). Seitdem er unabhängig ist, und die Spiele im Eigenverlag herausbringt, fangen die Namen seiner Spiele alle mit „P“ an (z.B. „PAX“, „Porto Carthago“ „Palmyra“, „Peloponnes“ und „Pergamemnon“.) Das ist sicher kein Zufall und vielleicht eine von FF abgeschaute Marotte, auch wenn Bernd nicht Pernd Peisenstein heißt. Vielleicht wird er mal den Algorithmus zu seiner Namensvergabe verraten. Vielleicht hat er ja eine heimliche Liebe Penelope. Seine VOR-Lieben liegen zumindest alle im griechisch-antiken Raum.

In „Phalanxx“ breiten sich alle Spieler von gegebenen Startpunkten in die kleinasiatische (bzw. in irgend eine abstrakte Hexagon-) Landschaft aus. Die ersten Züge sind friedlich, dann kommen sich die Spieler gegenseitig in die Quere und verdrängen sich. Wer stärker ist kann seinen Gegner jederzeit ohne irgendwelche Kampfenscheidungen nach Hause schicken. Der eigentliche Kampf geht darum, rechtzeitig stärker zu sein als der Nachbar, dessen Felder man sich unter den Nagel reißen möchte.

Eigentlich kriegerisch, aber doch nicht so tödlich-peinlich, wie es auf den ersten Blick aussieht, denn die Anzahl der Krieger eines jeden Spielers ist stark begrenzt. Wer seine Soldaten alle verschossen hat, kann sich nur noch zahnlos auf den Feldern der Siegpunkt-Ehren tummeln und warten, bis das Spielende eintritt. Für die nach Hause geschickten Pöppel der Mitspieler dagegen gibt es nahezu bis zur Schlussrunde unbegrenzt neue Betätigungsfelder.

Die Stärke eines Spielers ist gleichzeitig die Anzahl seiner Siegpunkte, mit denen er am Ende aufs Treppchen steigt. Zum Siegpunkte-Sammeln muss man sich aus einer angebotenen Auslage von Stärke-Karten, die in sich eine Menge Abhängigkeiten in Bezug auf Zulässigkeit und Wirkung besitzen, in der richtigen Reihenfolge die besten heraussuchen. Hier hat Bernd in seiner bekannten, gekonnten Manier die weitsichtige Planbarkeit mit kurzsichtigem Zufall verheiratet. Vor allem aber sein aus Würfeln basierter Zugmechanismus ist neu, elegant, und in sehr interessanten Aspekten antagonistisch.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “New York 1901”

Dreimal im Monat Dezember lag dieses Spiel jetzt bei uns auf dem Tisch. (Siehe frühere Reports.) Wenn man es spielerisch und GAAANZ locker nimmt, ist es eine hübsche Entspannungsübung nach einem schweren Tobak. Doch wer will, kann dabei auch denken! Hoffentlich nur wohldosiert denken, sagte doch schon der alte Paracelus, dass es die Dosis macht, ob etwas Gift oder kein Gift ist.

Zwei erfahrene New Yorker wollten ohne die Kinkerlitzchen von Aktionskarten spielen. Sie stören nur innerhalb der Lockerungsübungen und geben den mutwilligen Denkern auch noch unnötigen Stoff zur Ablaufverlangsamung. Tonkünstler Moritz hingegen wollte „puristisch“ nach den Regeln spielen und die Aktionskarten auf jeden Fall dabei haben. Er mag es auch nicht, wenn man an seinem „Hämmerklavier“ herumoptimiert und bewusst einzelne Takte weglässt. Das Genie setzte sich durch.

Am Ende gingen die Grundstückskarten nicht auf! Es gab noch zwei Stück in der Auslage ohne passende Bauplätze auf dem Spielbrett! Wer hat hier falsch gespielt? – Wen interessierte das auch schon? – Unser Genie natürlich! Glücklicherweise kann man in „New York 1901“ anhand der gesammelten Grundstückskarten eines Spielers und in Relation zu seinem Immobilienbesitz rekonstruieren, bei wem etwas falsch gelaufen ist. Walter, dem häufiger so ein Unglück passiert, und dem von Elitespielern sogar unterstellt wird, dass das nicht immer ohne Absicht geschieht, war froh, dass nicht er der Schuldige war.

Moritz gewann mit Günthers Siegstrategie als „Bronze-Baron“. Es gehört ein gewisse Selbstbeherrschung dazu, seine bronzenen Basis-Gebäude nicht zu überbauen und für seine höherwertigen Gebäude jeweils neue Bauplätze zu erwerben und zu warten, bis sie groß genug sind. Moritz nahm sich das vor und er schaffte es auch. Die dafür ausgelobte Prämie von 15 Siegpunkten brachte ihm – wie auch letzte Woche unserem Günther – den Sieg.

Aaron, der für das Spiel immerhin 6 gute Punkte vergeben hat, gab kund: „Ich brauche das Spiel kein viertes Mal zu spielen!“

Und noch eine allgemeine Kritik: Die Farbgebung für die Grundstücke in den Karten und auf dem Spielbrett ist äußerst unglücklich: gelb, orange und pink sind im Lichterschein vom Westpark nur schwer voneinander zu unterscheiden. Außerdem sind die gestrichelten Linien auf den Grundstücken absolut kontraproduktiv: sie erschweren ganz klar das Erkennen der Grundstücksgrenzen. Absicht oder nicht: es ist schlecht und unterstützt die Verwechslungsgefahr.

WPG-Wertung: Zum bisherigen WPG-Schnitt von 6 Punkten vergab Horst deren 7 (das Spiel hat einen gewissen Wiederspielreiz. [Er hat das Spiel heute zum ersten Mal gespielt.])

Wir wünschen allen unseren Mitgliedern, Freunden und Lesern ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches Neues Spielejahr!

09.12.2015: Deutscher Adel

Ein chinesischer Pastorensohn hat vor achtzig Jahren in Amerika eine Formel für den Nationalcharakter von Völkern entwickelt. Aus den Elementen R (= Realitätssinn), T (= Träumerei bzw. Idealismus), H (= Humor) und S (= Sensitivität), zusammen mit dem Mengenbezeichnungen 4 = ungewöhnlich stark, 3 = stark, 2 = durchschnittlich und 1 = schwach hat er für DIE Deutschen herausgefunden:

deutsch = R3T4H1S2

Fast so ein Bullshit, wie ihn Goldhagen sechzig Jahre später auf seine Art verzapft hat. In dreißig Jahren werden sich eine halbe Millionen eingeflüchteter, heimisch gewordener Syrier unter diese Formel beugen müssen!

Wir haben ja schon unlösbare Schwierigkeiten, die deutschen Spieler, eine kleine Teilmenge von R3T4H1S2 unter einen Hut zu bringen. Die einen wollen in ihrem Spielvergnügen eine reine, klare, logische Spielidee meistern, die anderen brauchen dazu mindestens noch einen Würfel, etwas Chaos und viel Glück, und die dritten benötigen drum herum ein Brimborium von Lametta und nach Möglichkeit auch noch einen Eimer voll Dreck, mit dem sie ihre Mitspieler ideell bewerfen können.

Solange wir nur Spieler sind, können wir uns als Mitspieler Gleichgesinnte heraussuchen und mit ihnen dem Spielvergnügen frönen, das alle für gut und schön empfinden. Sind wir aber Spieleautoren, die nicht nur für ihren eigenen kleinen Kreis Spiele erfinden, sondern am Markt eine gewisse Akzeptanz suchen, dann müssen wir schon eine Menge Kompromisse machen mit dem, was wir selber für gut und richtig halten und dem, was Markt und (Verlags-)Meinung uns aufs Auge drückt. Aaron weiß ein Lied davon zu singen.

1. “Celestia”

Eine Weiterentwicklung bzw. eine simple Expansion von „Cloud 9“ vom gleichen Autor Aaron (ein anderer) Weissblum. Wir sitzen im gleichen Ballon wie von „Cloud 9“; der pro Fortschritt wechselnde Pilot würfelt mit zwei bis drei Würfeln die Unbilden des Wetters aus und muss sie mit den ihm zugeteilten „Ausrüstungskarten“ meistern. Wer fürchtet, dass der Pilot die aktuellen Herausforderungen nicht schafft, darf aussteigen und bekommt eine Siegpunktkarte gemäß seinem Ausstiegspunkt. Schafft der Pilot es tatsächlich nicht, so stürzt der Ballon ab und alle übrig gebliebenen Passagiere einschließlich Pilot bekommen gar nichts. Schafft es der Pilot, so rückt der Ballon auf das nächste, an Siegpunkten progressiv ertragreichere Feld vor.

Der simplen Idee von „push your luck“ bzw. „Can’t stop“ sind in „Celestia“ noch ein paar „Machtkarten“ hinzugefügt worden, mit denen man in den normalen Spielablauf eingreifen kann:

  • Mit dem “Raketenrucksack” überlebt ein Passagier auch einen Ballon-Absturz und bekommt die Siegpunkte entsprechend dem letzten Aufstiegspunkt. – Für Warmduscher.
  • Mit dem “Unfreiwilligen Aussieg” darf jeder Passagier willkürlich einen anderen Mitspieler aus dem Ballon drängen. – Für Miesnickel und Kingmaker!
  • Die “Alternative Route” erlaubt dem Kapitän, seine Wetter-Würfel nochmals neu zu würfeln. Der “Kaputte Antrieb” zwingt ihn dazu, seine Wetter-Würfel neu zu würfeln – Das eine ist gut gegen schlechte Würfe, das andere, eher in der Hand von bereits ausgestiegenen Passagieren, gut gegen gute Würfe.
  • Mit dem “Magischen Fernglas” kann der Kapitän unabhängig von seinen Ausrüstungskarten alle über ihn hereingebrochenen Wetterunbilden meistern.

Der Kapität MUSS die Wetterunbilden meistern, falls er die entsprechenden Ausrüstungskarten hat. Jokerkarten DARF er dabei beliebig einsetzt, muss aber nicht. Der Geburtsfehler von „Cloud 9“, dass der Pilot nicht beweisen muss, dass er die benötigten Ausrüstungskarten nicht besitzt, ist auch in „Celestia“ nicht beseitigt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (eigentlich ein 5er Spiel, aber mit schöner Grafik), Günther: 5 (so richtig hat es mich nicht begeistert), Moritz: 5 (repetitiv, die Situationen im Spiel sind alle sehr ähnlich, die statistischen Erfolgs-Chancen sind nicht abzusehen), Walter: 4 (ohne „Machtkarten“ wären es 5, aber die Machtkarten machen das bisschen statistisch-psychologische Hoffnung kaputt und fördern dazu noch bösartige Mitspieler-Willkür – igittigitt!)

2. “Nobiles”

Nobile: Der Vater und sein Kind
Nobile: Der Vater und sein Kind

Unter der Woche hatten Aaron und Walter daran gearbeitet, in Aaron’s Neuentwicklung ein paar Weichen neu zu stellen, das heutige Quartett sollte das Ergebnis begutachten.

Die reine Spielidee ist der Kampf um Unterstützung oder Verweigerung bei der Bekämpfung von Natur-Katastrophen an Frieslands Küste (oder wo auch immer), den jeder Mitspieler mit sich selber auszufechten hat. Wird der Kampf gewonnen, bekommen alle Mitspieler viele Siegpunkte und der Häuptling am meisten. Wird der Kampf verloren, so bekommen ein paar wenige Mitspieler wenige Siegpunkte, andere gar nichts.

Fazit: Die Balance zwischen den Erträgen für Häuptling und Fußvolk, zwischen Aufwand und Ertrag, sowie innerhalb der Belohnungen bei Erfolg oder Misserfolg ist schon sehr gut eingestellt. Die einen mögen jetzt noch mehr Lametta, die anderen mehr Zufall und die dritten eine stärkere Konzentration auf des Pudels Kern. Und der Autor möchte noch dazu, dass das Spiel schneller über die Bühne geht. Eine nur schwer lösbare Aufgabe innerhalb von R3T4H1S2, die nur mit Kompromissen und Enttäuschungen in die eine oder andere Richtung zu bewältigen ist.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

3. “New York 1901”

Das Spiel hat letzte Woche mit 5,5 Punkte nur begrenzte Zustimmung gefunden. Allerdings hatten wir uns da noch eine falsch verstandene Bau-Fessel angelegt. Heute, nachdem drei der vier Mitspieler sieben Tage lang die Abläufe überschlafen und verinnerlicht hatten, bekam es noch eine Chance, und Moritz sollte Oberschiedsrichter sein.

Günther hatte insbesondere den Bronze-Meister zutiefst verinnerlicht und ließ sechs seiner Bronze-Wolkenkratzer bis zum Schluss unüberbaut stehen. Mit den dafür erzielten 15 Bonus-Punkten schoss er vom letzten Platz auf den ersten Platz vor. (Frage: Wie groß war maximal der Punktabstand zwischen dem ersten und dem letzten Spieler bei Spielende?)

Moritz war mit dem Spielausgang sicherlich nicht ganz zufrieden, auf jeden Fall aber mit dem Spiel. Beim nächsten Mal würde er einiges anders machen. Wenn es denn – für “New York 1901” – am Westpark ein nächstes Mal gibt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (bleibt, obwohl er diesmal noch mehr das Gefühl hatte, dass er gespielt wird. „entweder wurden mir alle begehrten Baupläne vor der Nase weggenommen, oder sie tauchten überhaupt nicht erst auf), Günther: 6 (bleibt), Moritz: 7 (flott, nicht überbrainy, ziemlich OK), Walter: 6 (ein Punkt mehr; auch wenn es nicht vom Hocker reißt, ist es doch eine recht saubere Konstruktion)

02.12.2015: Sprachverwirrung in New York

CEMS ist ein weltweiter Zusammenschluss von Universitäten zur Ausbildung von Führungspersönlichkeiten globale Unternehmen für künftige Generationen in einer mehrsprachigen, multikulturellen und vernetzten Geschäftswelt. CEMS fördert einen Kosmopolitismus mit Schwerpunktsetzung auf Spitzenleistungen unter hohen ethischen Standards, auf Verständnis und Unterstützung der kulturellen Vielfalt unserer Welt, sowie auf Verantwortung für die Gesellschaft als Ganzes.

Unser (Ex-)WPG-Kücken Basti hat jetzt auf dem CEMS Annual Events 2015 in einem Pulk mit 500 weiteren europäischen Studenten seinen Master entgegengenommen. Zusammen mit den Angehörigen, u.a. mit unserem Aaron, sind mehr als zweitausend Menschen zusammengekommen, um an der feierlichen Verleihung dieses Titels teilzunehmen. Im Mariinskiy-Theater von St. Petersburg (Hans-im-Glück lässt grüßen)! Jawohl, in Putins St. Petersburg. Die freundschaftliche Zusammenarbeit im univeritären Bereich klappt offensichtlich trotz politischer Hetze und wirtschaftlichem Boykott vorzüglich.

Warum sind denn die Spitzenpolitiker aller Staaten immer so bescheuert und glauben, mit Drohungen, mit Konfrontation und mit Bomben eine bessere, demokratischere, friedlichere Welt schaffen zu können. Und das setzen uns unsere obrigkeitsorientierten Journalisten und Medien auch noch täglich als der Weisheit letzten Schluss vor …!

1. “New York 1901”

Der Kampf der Regelhefte in „New York 1901“
Der Kampf der Regelhefte in „New York 1901“
Wolkenkratzer sind angesagt. Jeder Spieler beginnt mit einem kleinen Grundstück in Manhattan, zu dem er regelmäßig neue hinzukauft und früher oder später Wolkenkratzer (Papp-Plättchen) darauf baut, zuerst nur billige bronzene, später silberne und zum Schluss die siegpunktträchtigsten goldenen.

„Hinzukaufen“ ist zu kapitalistisch ausgedrückt, man bekommt sie kostenlos. Vier Gründstückskarten liegen jeweils aus; pro Zug darf ein Spieler sich eines davon nehmen. Die Grundstücke liegen in definierten, farblich unterschiedenen Gebieten. Um später goldene Wolkenkratzer darauf bauen zu können, muss man schon drei oder vier benachbarte Grundstücke erworben haben. Die bösen Mitspieler können die goldenen Träume allerdings vereiteln, indem sie sich selber die Nachbargrundstücke unter den Nagel reißen. Glücklicherweise hält sich diese Miesnickeligkeit in Grenzen, da jeder für seine eigene Entwicklung sich ja selber möglichst abseits gelegene Grundstücke aussucht.

Eigentlich ist der Spielablauf von „New York 1901“ ganz einfach; die Regel sind auf zwei, noch dazu bebilderten Seiten beschrieben. Doch der Teufel steckt im Detail. Beispiel: „Neue Wolkenkratzer können nur alte Wolkenkratzer einer älteren Entwicklungsstufe ersetzen“. Offensichtlich heißt das, dass neue Wolkenkratzer keine bestehenden Wolkenkratzer einer gleichen oder höheren Entwicklungsstufe überbauen dürfen. Heißt das aber auch, dass Wolkenkratzer einer höheren Entwicklungsstufe nicht auf dem blanken Boder erbaut werden dürfen? Nichts Genaues weiß man nicht. Aaron suchte im englischen Regelheft (“Demolished skyscrapers can only be replaced by skyscrapers from a more advanced generation”) und Peter im französischen (“Les nouveaux gratte-ciel ne peuvent remplacer que de gratte-ciel d’une technologie plus ancienne”). Nirgendwo steht, dass höhere Wolkenkratzer nicht gebaut, sondern damit nur überbaut werden darf. “Replaced” schließt doch ein “placed” nicht aus, und “remplacer” kein “placer”. Diese Interpretation fanden Aaron und Günther, Walter enthielt sich einer Wertung, Peter aber, wie konnte es anders sein, pochte mit seinem französischen „Original-Regelheft“ auf sein besseres Wissen und minorisierte die Mehrheit!

Über eine Stunde zog sich die Diskussion über diese und weitere Regeldetails hin. Offensichtlich bringt das am Westpark nicht nur Frust, sondern macht auch Spaß, sonst würde wir ja uns ja nicht regelmäßig dieser Prozedur unterziehen. Trotzdem, liebe Verlage, ist es denn so schwer, in einfacher Sprache klare Abläufe eindeutig zu beschreiben. Die ganze halbe Seite mit den „Regeln für Wolkenkratzer-Entwicklungsstufen“ könnte auf den nackten Satz gebracht werden: “Wolkenkratzer einer höheren Entwicklungsstufe müssen mindestens einen Wolkenkratzer der nächst-niedrigeren Entwicklungsstufe überbauen.” Oder, falls das Gegenteil gemeint ist: “Wolkenkratzer einer höheren Stufe dürfen auf den blanken Boder gebaut werden oder Wolkenkratzer von niedrigeren Stufen überbauen.”

Vorteile des Startspielers sind nicht wegzudiskutieren. Walter bekam als Startspieler in der ersten Runde sogleich den einzigen Drei-Felder-Bauplatz. Ebenso einen in der zweiten Runde. Damit erreichte er schnellstmöglich die 6-Punkte-Marke, womit er seine bronzenen 3er-Wolkenkratzer auch sogleich mit silbernen (vielleicht sogar mit goldenen!?) überbauen durfte. Außerdem schonte er damit seinen Vorrat von im Endspiel wichtigen 2er Wolkenkratzer. Er hatte als einziger keinerlei Engpässe bei der Auswahl seiner Gebäude in der Endphase des Spiels. Da Peter den Schluss einläutete, und Walter so auch noch den letzten Zug durchführen durfte, hatte er als einziger einen Zug mehr als allen anderen. Es reichte zum Sieg. Wer schon bestreiten will – was bei uns durchaus der Fall war -, dass der Startspieler einen Vorteil hat, der soll sich nur diesen Spielausgang vor Augen führen. Günther wurde Letzter; soviel zur intellektuellen Herausforderung von „New York 1901“!

Noch eine Kritik an den Aktionskarten, die Doppelzüge erlauben. Sie sind absolut überflüssig. Das Spiel läuft so überschaubar linear-stetig ab, dass der Durchbruch dieser Linearität durch Doppelzüge nur mehr Unberechenbarkeit, aber keine zusätzliche Spielfreude mit sich bringt.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (der Spielspaß ist eher bescheiden. Was ist überhaupt die Herausforderung?), Günther: 6 (das Spiel besitzt keinen besonderen Clou, aber innerhalb der Spielzüge eine gewisse taktische Vielfalt), Peter: 5 (1 Punkt mehr aus Frankophilie, man hat sein Glück nicht selber in der Hand, weil jeder Mitspieler die trächtigsten Pläne vermaseln kann), Walter: 5 (das Spiel funktioniert und ist schnell [kann schnell sein], der Spielablauf ist allerdings ziemlich schlicht und [wahrscheinlich] schnell ausgelutscht).

2. “Regenbogen Schlange”

Tischauslage der Regenbogen-Schlange
Tischauslage der Regenbogen-Schlange
Alle Spieler verlangten nach unseren 45 Minuten allgemeines Anfangspalaver, 75 Minuten Kampf mit New Yorks Regelauslegung und 60 Minuten Immobilien-Management ein schnelles, lockeres Kartenspiel zur Entspannung. Walter fand in seinem Schrank eine noch jungfräuliche „Regenbogen Schlange“, im Jahre 1999 geboren und zehn Jahre später reinkarniert. Alle WPG waren sofort dafür, und Aaron durfte die Regeln erklären. Schon beim ersten Satz des Regelhefte fiel ihm die Kinnlade herunter: „Alle Spieler versuchen, möglichst lange Regenbogenschlangen zu bilden. Eine Schlange besteht immer aus einem Kopf, mindestens einem Mittelteil und einem Schwanz.“ Das ist exakt das Prinzip von seiner neuesten Neu-Entwicklung „Worms“, mit der er immer noch stark schwanger geht.

Der Rest der Regenbogen-Schlange ist allerdings grundsätzlich anders als seine Würmer. Jeder Spieler hat nur eine einzige Karte mit Kopf, Schwanz oder Mittelteil einer Schlage auf der Hand. Die Tierteile sind in den Farben des Regenbogens gestaltet, wobei in jedem Schlangen-Mittelteil eine Farbe in eine andere übergeht: grün in blau, blau in violett, violett in rot etc. Diese eine Handkarte muss der Spieler farbgerecht an eine der bestehenden Schlangen-Torsos auf dem Tisch anlegen oder damit einen neuen Schlangen-Torso anfangen. Freiheitsgrad Null. Da man allerdings u.U. ein zweifarbiges Mittelteil mit jeder seiner beiden Endfarben anlegen kann – auch wenn das für den Anleger selbst keinen erkennbaren Nutzeffekt hat – , ist der Freiheitsgrad leicht größer als 0.

Wer einen bestehendes Schlangen-Torso mit einem Kopf- bzw. Schwanzstück abschließen kann, darf alle Schlangenkarten als Siegpunkte an sich nehmen. Da man beim Legen eines Mittelstückes, wenn es denn farblich ausgeht, auch zugleich zwei passende Schlangen-Torsos verbinden kann, ist damit sogar eine gewisse optische Herausforderung bei der Betrachtung der Torso-Auslage auf dem Tisch gegeben. Für 4-Jährige gerade richtig.

Aaron muss glücklicherweise seine „Worms“ nicht einstampfen. Walter wird das Spiel hoffentlich in Erinnerung behalten, wenn seine jetzt zweijährige Enkeltochter im nächsten Jahr die Farben gelernt hat.

Keine WPG-Wertung für ein Klein-Kinder-Spiel.

3. “Hamsterbacke”

Ebenfalls ein lockeres Kartenspiel, immerhin für Erwachsene ab 8 Jahre. Der Zahlenraum von 1 bis 4 muss beherrscht werden.

Im September dieses Jahre lag das Spiel schon zweimal bei uns auf dem Tisch, das erste Mal mit Wohlwollen betrachtet, beim zweitem Mal mit leicht reduzierter Lust. In Session-Report vom 2. 9. steht schon genug über die Regeln, das können wir uns hier jetzt sparen.

Kontrovers war die Diskussion, ob „Hamsterbacke“ nach Peters Sofort-Einschätzung ein reines Glücksspiel ist, oder nicht. Nein, rein ist das Glück gewiss nicht, aber den Glücksfaktor für „Hamsterbacke“ genauso hoch einzuschätzen wie für „6 nimmt!“, das halte ich für ein reines Sakrileg!

WPG-Wertung: Peter vergab 6 Punkte (lustig, nett, daher mehr als 5, aber zu chaotisch, daher keine 7), Walter reduziert seine bisherigen 7 Punkte auf 6 (man ist in seinen theoretischen Freiheitsgraden im Kartenmanagement durch das regelmäßige Schröpfen des Spielers mit den meisten Karten in der Praxis doch erheblich eingeschränkt), Aaron und Günther blieben bei ihren 7 Punkten.

4. “6 nimmt”

Da in der Diskussion um „Hamsterbacke“ das Stichwort „6 nimmt“ gefallen war, musste dieses Spiel gleich anschließend antreten, um seine Qualitäten zu zeigen. Es wurde viel mehr gedacht als bei „Hamsterbacke“, es wurde auch viel mehr gelacht, aus tiefstem Herzen der Erleichterung, wenn der Kelch an uns vorüber gegangen war, und ein anderer Spieler die Reihen mit den teuren Strafkarten an sich nehmen musste. Schadenfreude gab es bei „Hamsterbacke“ auch, aber keinesfalls diese Freude der Erleichterung!

In jedem Fall ist „6 nimmt“ ein taktisches Spiel. Kein Wunder, dass diesmal Günther mit hohem Abstand gewann. Ich will hier nicht schon wieder anführen, wo er bei „Hamsterbacke“ gelandet ist …

Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte-Spiel, in dem lediglich Peter mit 6 Punkten deutlich nach unten abkackt.

5. “Nobiles”

Peter war diesmal schon mit der fast letzten U-Bahn abgedüst, als Aaron die übrig gebliebenen Mitspieler um eine Begutachtung der allerneueste Version seines „Nobiles“ bat. Selbstverständlich waren alle zur Unterstützung einer Spielentwicklung bereit.

Neu wurde ein Würfel ins Spiel gebracht, um vordefinierte Kalamities in leicht randomisierte Kalamities zu verwandeln. Höfe, Deiche, Kreißsäle etc. wurden neu dimensioniert. Ebenfalls wurde an den Schrauben für Siegpunkte gedreht. „Viel Lob, großes Lob!“ – das hatte es gegeben, als die vorletzte Überarbeitung im Juni dieses Jahres für Moritz und Peter aufgelegt wurde. Diese Euphorie kam bei der diesmal aufgetischten Version nicht auf. Es ist halt nicht so leicht, es allen recht zu machen. Spieletester nördlich des Mains gehen offensichtlich anders an Spiele heran als wir. Und wir am Westpark haben sowieso keine markt-relevante Meinung.

Keine WPG-Wertung für Spiel in der Entwicklungsphase.

18.11.2015: Porta Nigra und mehr

„Ich spiele nicht, um mir Freunde zu machen. Das Leben ist einfach zu kurz, um Züge auszulassen, die die anderen ärgern.“ (unknowns)

1. “Porta Nigra”

Ein ERC-Nachwuchs-Historiker erforscht die Porta Nigra
Ein ERC-Nachwuchs-Historiker erforscht die Porta Nigra

Die modernen Eurogame-Klassiker heißen nicht mehr „Paris“, sondern „Notre Dame“, nicht mehr „London“, sondern „Tower“, und nicht mehr „München“, sondern „Hofbräuhaus“. Ein ganz neues Namens-Portal tut sich da auf. Dahinter ist allerdings immer noch der alte Dreh: Wir sind Adelige, Architekten, Baumeister, Ritter oder Tod und Teufel und wetteifern um die siegpunktträchtigste Entwicklung in Stadt oder Land.

In „Porta Nigra“ lassen uns die Altmeister Kramer & Kiesling auf unserem Papppferd um den Marktplatz von Trier herumreiten. Jeder Schritt kostet einen Schilling. Wir kaufen in den vier verschiedenen Steinbrüchen rote, grüne, gelbe oder schwarze Bausteine und beteiligen uns damit an den vier Baustellen der Stadt. Jede Bausteinfarbe hat einen anderen Preis. Es ist genau vorgeschrieben, welche Bausteinpakete in Anzahl und Farbe an den verschiedenen Baustellen zulässig sind. Nach jeder durchgeführten Baumaßnahme bekommen wir unverzüglich Siegpunkte dafür, abhängig von der Anzahl und dem Wert der eingesetzten Bausteine. Zusätzlich werden bei Spielende alle unsere Beteilungen an allen Bauplätzen der Länge, Breite und Höhe nach mit denen unserer Mitspieler verglichen; wer in den verschiedenen Dimensionen die größte hat, bekommt weitere Siegpunkte; die zweitgrößte bekommt auch noch was, die anderen gehen leer aus.

Unter zwölf verschiedenen Mehrheiten gilt es, sich die besten herauszusuchen; kleckern bringt gar nichts, klotzen auch nicht, gerade mit minimaler Portion besser zu sein als die anderen und ansonsten lieber gar nicht beteiligt zu sein, darin liegt das Geheimnis zum Sieg. Aber welche Mitspieler halten schon so schön still und schenken uns Mehrheiten?

Wie wickeln wir unsere Züge ab? Jeder Spieler hat ein identisches Set von sieben Aktionskarten, die ihm zwei bis drei Aktionen pro Zug gestatten. Im Wesentlichen sind das a) Bausteine kaufen, b) Bausteine verbauen und c) Geld kassieren. Das Geld brauchen wir für den Bausteinkauf sowie für unseren Ritt um den Marktplatz. Im Unwesentlichen sind das d) Fackeln, mit denen wir eine weitere Aktion der Karte ausführen dürfen oder e) Nudelwalzen, die uns zum Sondereinkauf von Bausteinen, Geld, Fackeln, Bauhonorare oder Siegpunkte berechtigen.

Zu Spielbeginn mischt jeder Spieler seine Aktionskarten und zieht davon verdeckt zwei Stück zum Agieren. Pro Zug darf er eine davon nutzen; danach legt er sie ab und zieht verdeckt eine neue Aktionskarte nach. Bis alle sieben Karten durchgespielt sind. Für die letzte Karten gibt es natürlich keine Auswahlmöglichkeit mehr.

Jedes Kartenset wird zweimal durchgespielt. Nach dem ersten Durchspielen gibt es eine Zwischenwertung, in der der aktuelle Besitzstand ermittelt und in frei wählbarer Stückelung in Siegpunkten oder als Geld ausgeschüttet wird. „Wie bei Yunnan“ bemerkte Aaron. In leicht dödelnder Stimmung wurde „Porta Nigra“ als „Mischung aus Yunnan und Monopoly“ apostrophiert; aber man darf nicht alles ernst nehmen, was vom Westpark nach außen dringt.

Die Fülle an Siegpunktquellen in „Porta Nigra“ ist schlichtweg „unübersichtlich“, ein Begriff, der heute ganz deutlich von „chaotisch“ abgegrenzt wurde. Die genaue Begriffsklärung überlasse ich Peter, sinngemäß geht „unübersichtlich“ in die Richtung von „schwerfällig“, während „chaotisch“ durchaus auch noch ein spritziges Element enthält. Jedes Bauen in “Porta Nigra” löst eine ganze Reihe Nebeneffekten aus, die zwar logisch konstruiert und angenehm zu nutzen sind, ein erfolgreich-geplantes Spiel aber zu einer langweiligen (für die anderen) Rechnerei ausarten lassen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viel, als dass es Spaß macht), Günther: 6 (etwas zu lang, sonst wäre das Spiel noch mehr Punkte wert), Peter: 5 (ein Eurogame [= positiv], aber ein modernes [= negativ]), Walter:5 (beim Mehrheiten-Wettlauf in 12 Disziplinen kommt ein älterer Herr leicht außer Atem; er bekommt immer mehr Sympathie für Moritz seine Bomben).

2. “Träxx”

Lebenslinien in Träxx
Lebenslinien in Träxx

Bingo mit Farben! Jeder Spiel bekommt eine Tafel, auf der 61 bunte Hexagons (rot, grün, gelb, blau, weiß und grau) mit einem Startpunkt aufgedruckt sind. Für alle Spieler sind die Tafeln identisch, die Startpunkte verschieden. Die meisten Felder der Tafel sind leer, einige Felder enthalten eine Zahl zwischen 2 und 10.

Jetzt wird von einem verdeckten Stapel jeweils eine Fahr-Karte gezogen, die vier bis fünf bunte Hexagons aufzeigt. Für jedes rote Hexagon auf der Fahr-Karte dürfen wir von unserem Startpunkt auf unserer Tafel aus (bzw. von den Endpunkten der Linie, die wir inzwischen gezogen haben) eine Linie zu einem benachbarten roten Feld auf unserer Tafel ziehen. Für jedes blaue Hexagon dürfen wir auf ein benachbartes blaues Feld ziehen, usw. Die Reihenfolge, in der wir die farbigen Hexagons der Fahr-Karte nutzen, ist beliebig. Wir dürfen farbige Hexagons auslassen, aber wir dürfen die Linie auf unserer Tafel nicht durch ein Feld ziehen, das auf der Fahr-Karte nicht angegeben ist.

Wer als Erster eines der Zahlenfelder auf seiner Tafel erreicht, bekommt den Wert als Pluspunkte gutgeschrieben, Wer erst zu einem späteren Zeitpunkt das gleichen Zahlenfeld erreicht, bekommt nur noch den halben Wert an Pluspunkten. Wenn alle 15 Fahr-Karten des Spiels gezogen sind, endet das Spiel. Die Summe der Punkte für die angefahrenen Zahlenfelder wird addiert und davon die Anzahl der unbefahrenen Felder auf der Tafel als Minuspunkte abgezogen. Wer die meisten Punkte hat, ist Sieger. Eine weit vorausschauende Planung auf der Farb-Topologie der Tafel zum Befahren möglichst aller Felder ist von Nutzen. Er kommt parallel einher mit dem möglichst schnellen Anfahren der höchsten Zahlenwerte einer Tafel. Spielerisch und anspruchsvoll! Weitaus anspruchsvoller als Bingo!

Walter fragte nach dem Glücksfaktor von „Träxx“ und warf gleich die Schätzung „80 %“ in die Waagschale. Günther war mit „70 bis 80 %“ dabei, und Aaron steuert noch kopflastige „110 %“ bei. Da konnte sich selbst Peter nicht zurückhalten, sein Schätzwert war Pi (π). Warum Pi? „Die Antwort würde Dich verunsichern!“ – Eine Universal-Antwort, die so manchen Klugscheißer aus den Angeln heben könnte …

WPG-Wertung: Aaron: 5 (schnelles Dödelspiel, für mich zu dödelig), Günther: 6 (netter Zeitvertreib), Peter: 5 (unterhaltsam, man kann es sogar alleine spielen!), Walter: 6 (100% mehr als „Bingo“; kann immer mal wieder Spaß machen, Punkteinbuße durch das Malen mit Spezialstiften auf die Papp-Tafel. Hat ihm schon bei „Dampfross“ nicht gefallen).

3. “Qwixx – Big Points”

Das hübsche, kleine Würfelspiel (siehe Spielbericht vom 2. Januar 2013) ist mit einem neuen Wertungsbogen versehen worden. Zwischen die aufsteigende rote und gelbe Zahlenreihe sowie zwischen die absteigende grüne und blaue Zahlenreihe ist jeweils eine weitere Zwischen-Zahlenreihe eingezogen werden, auf denen nach dem gleichen Schema Würfelergebnisse eingetragen werden dürfen wie auf den benachbarten Zahlenreihen auch. Einzige Einschränkung: ein Feld der neuen Zwischen-Zahlenreihen darf erst dann benutzt werden, wenn auf mindestens einer der beiden Nachbarreihen die gleiche Zahl bereits eingetragen ist.

Bei der Endwertung zählt jede Eintragung auf der Zwischen-Zahlenreihe für beide Nachbarzahlenreihen. Auf diese Weise kann man bei der quadratisch steigenden Wertungsskala leicht (oder auch nicht so leicht) auf Werte von über 100 Punkten kommen. Daher der Name „Big Points“.

WPG-Wertung: Das Spiel ist immer noch hübsch, und hat einen deutlich niedrigeren Glücksfaktor als „Träxx“. Allerdings hat das Spiel durch die zusätzlichen Zahlenreihen nicht wesentlich etwas dazugewonnen. Es bleibt beim Schnitt von 7,2 Punkten.