Archiv der Kategorie: Spieleabende

04.04.2024: Bier Pioniere

1. “Bier-Pioniere”

Wir sind Erfinder neuer Biersorten bzw. Ingenieure für die peripheren Techniken um die Braukunst (die einzelnen Personen sind nicht so wichtig, wir haben sie uns eh nicht näher angeschaut) und machen uns um die Biere dieser Welt verdient.

Wir erfinden Rezepturen, kochen den Sud, lassen das Bier reifen, füllen es ab und verkaufen es. Dazu müssen wir natürlich auch Fässer kaufen und im Braukeller für die Abfüllung vorbereiten.

Wichtig sind mittelfristige Aktionen zur Steigerung der Effizienz unseres Betriebes: Potentere Mitarbeiter, die auch noch Nebentätigkeiten ausführen können, mehr Biersorten, schneller reifende Biersorten, beschleunigte Reifung, größerer Umschlag von Fässern und der generelle Ausbau unserer Brauerei.

Unsere Aktionen werden durch Karten beeinflusst, die unsere Handlungsfreiheit in gewissen Grenzen kanalisieren, aber eine überlebenswichtige Funktion haben sie nicht, wir müssen sie halt in unserem recht großen Handlungsspielraum flexibel berücksichtigen.

Natürlich wäre es schön, wenn wir eine Vision hätten, wie sich unsere mittelfristigen Investitionen auf unser Gesamtergebnis auswirken, aber nach einem einzigen Spiel hatte keiner von uns dazu einen klaren Peil.

Leider – vielleicht auch glücklicherweise – gibt es praktisch keine langfristige Planung: Wenn wir uns eine entsprechende selbstlaufende Maschinerie zusammengebastelt hätten, wäre das Spiel auch schon zu Ende. Es war in etwa genauso schnell zu Ende, wie wir für Günthers kompetente Einführung gebraucht haben (knapp 2 Stunden).

Immerhin, nachdem wir die vielen, vielen Spielelemente alle kennengelernt hatten, hatten wir sie auch schon verstanden und konnten sie durch uns die hervorragende Ikonographie auch merken.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (eigentlich keine Wertung für Spiele, die mir überhaupt nicht gefallen, stumpfsinniges Optimierungspuzzle, kein Thema [WS: Zumindest kam wohl bei keinem Mitspieler das Gefühl auf, Bierbrauer zu sein]), Günther: 7 (mir gefallen diese Spiele, das Besondere ist hier speziell noch der Race-Effekt: Wer als erster eine bestimmte Anzahl Siegpunkte verbuchen konnte, ist Sieger und leitet das Spielende ein), Moritz: 8 (viele schöne Elemente, thematisch geglückt, bei vielen Aktionen konnte man sich den zugrundeliegenden Ausschnitt einer Brauerei-Wirklichkeit gut vorstellen), Walter: 5 (eigentlich ist das Spiel in seiner Konstruktion und Stimmigkeit 8 Punkte wert, doch schweißtreibende, wenig spielerische Optimierung ist auch nicht mein Fall).

2. “Flaschenteufel”

Ein Stichkartenspiel mit einer ganz eigenen Charakteristik. Schon 35 mal am Westpark gespielt, das letzte Mal allerdings vor gut 8 Jahren, so dass eine Wiederholung von Regeln und ergonomischer Handhabung notwendig war.

Zusätzlich hatten wir auch die Taktiken für gutes Spiel vergessen. Es war zwar noch klar, welches die „kritischen“ Karten sind, die man rechtzeitig losgeworden sein sollte, aber wie und wann man das am gefahrlosesten tun kann, darüber gab es einige individuelle, und dann natürlich peinliche Missverständnisse.

Schlusssatz von Moritz: „Man müsste es eigentlich häufiger spielen.“ [WS: Nicht zum Lernen, sondern zum Genießen.]

Keine neue Wertung für ein 7,3 Punkte-Spiele. Warum war es bei uns eigentlich nie „Spiel des Monats?“. Vielleicht weil es zu seiner Zeit – 2003 – zu viele gute Spiele gab? Ach richtig, wir haben erst ein Jahr später mit dieser unserer Rubik angefangen.

20.3.2024: Hatte die Arche Noah auch Wassertiere mitgeführt


1. “Arche Nova : Wasserwelten”

Die dicke Maschinerie mit gefühlten tausend Rädern und Rädchen von „Arche Nova“ wurde um ein paar weitere Rädchen erweitert: es gibt jetzt auch ein paar Wassertiere, für die natürlich Wasserbecken bereitgestellt werden müssen. Das Regelwerk dazu brauchte nicht umgeschrieben zu werden.

Wir legen nach wie vor Gehege an (jetzt auch mit Wasser) und platzieren darin unsere Tiere (jetzt auch Fische). Nebenbei fördern wir Forschung und Wissenschaft, spendieren für Naturprojekte und Siegpunkte, und lassen uns Runde für Runde unsere Entwicklungsstand in Geldmittel honorieren.

Günther und Moritz schwelgten in den Möglichkeiten und Aktivitäten individuellen Fortschritts. Sie lieferten sich ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen, loteten pro Zug akribisch ihre jeweils hundert Optionen mit ihren tausend Abhängigkeiten aus und taxierten sich abwechselnd und gegenseitig als den Führenden, bis der Künstler schließlich nach dreieinhalb Stunden – in einer Dreierrunde! – um Haaresbreite über den Wissenschaftler siegte.

Walter verschleuderte seine Barschaft in riesigen Wasser- und Wiesengehegen, die er anschließend mit billigen Blindschleichen bevölkern konnte. Doch „Arche Nova“ ist kein Gießkannenspiel, dass seinen Segen über ad hoc zusammengestellte Spielzüge ergießt. Flexible Anpassung an Tier- und Sponsoren-Karten ist höchstens in der ersten Runde sinnig, wenn überhaupt. Es gilt, zu jedem Zeitpunkt ganz konsequent, lang- und mittelfristige Ziele zu haben und zu verfolgen. Wenn Walter am Ende auch noch auf dem Treppchen landete, dann ist das mehr als euphemistisch ausgedrückt, anstelle von Euphemie wäre eher Kakothanasie angebracht gewesen.

WPG-Wertung: Günther und Moritz blieben bei ihren 8 bis 9 Punkten, Auch Walter findet das Spiel zwar eine großartige konstruktive Leistung, für ihn sind aber zu viele Rädchen daran; 6 Punkte für eine mühsame, solitäre Rechnerei. Hier auch noch Aarons Wertung vom letzten Jahr: „5 Punkte. Mir geht es hier wie bei „TM“: von Mal zu Mal habe ich weniger Spaß daran“.

13.03.2024: Aufstand und Empörung

1. “Dune Imperium Uprising”

Das Dünenimperium inszeniert einen Aufstand. Vieles ist gleichgeblieben zum Basisspiel “Dune Imperium” (vgl. Sessionreport vom 22. Juli 2022). Neu sind Sandwürmer als Hilfstruppen im jeweiligen Rundenkrieg. Sie sind anderthalbmal so stark wie die regulären Truppen und verdoppeln die Prämien für den Sieg bzw. für die Trostpreise. Und es gibt Spione, die außer ein paar Sekundäreffekten vor allem nützlich sind, um von Mitspielern belegte Arbeitsplätze als Trittbrettfahrer ebenfalls nutzen zu dürfen.

Ansonsten ist der Charakter des Spiels als Workerplacement mit leichter Deckbuilding-Tendenz erhalten geblieben. Wir spielen Imperiumkarten aus, um die Arbeitsplätze zu besetzen, wo es verschiedenerlei Ressourcen gibt, wo Ressourcen – mit Gewinn – in andere Ressourcen umgewandelt werden, wo wir Krieger rekrutieren und / oder auf dem Kriegsschauplatz zum jeweiligen Rundenfinale ins Rennen schicken können. Und überall lauern Siegpunkte.

Damals, vor anderthalb Jahren beteiligte sich Walter nur einmal am Kampf, verlor dabei ohne jeglichen Ertrag alle seine regulären Truppen und damit auch die Lust an weiteren Kämpfen, praktizierte im Weiteren wie gewohnt seinen leicht orientierungslosen Arbeitereinsatz, und wurde dabei NICHT LETZTER. Heute ging er das Spiel a priori ohne Ehrgeiz an, beteiligte sich auch ohne scharfe Rechnerei an einigen Kämpfen, die er überraschenderweise – na ja, auch mit Hilfe einiger glücklicher Intrigenkarten – fast alle gewinnen konnte und beendete das Spiel als SIEGER. Seine Mitspieler folgten mit jeweils einem Punkt Abstand zueinander dahinter.

Fazit: Wenn Walter ein Spiel mit diesem Charakter gewinnt, dann kann es keine große planerische Herausforderung sein. Es ist eher ein Gießkannenspiel, das seinen Segen auf die vielen aufgehaltenen Teller, Schlüsseln und Tassen herabregnen lässt, und wer Glück hat, bekommt etwas mehr Segen ab als der andere.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (das Spiel ist komplexer aber nicht besser als die Basis; 3 ½ Stunden Spielzeit ist viel zu lang, auch wenn wir am Westpark standardmäßig länger denken als anderswo; man wird von den Karten gespielt), Günther: 5 (genauso viel wie für die Basis; wollte zuerst einen Punkt weniger geben, aber 4 Punkte kamen ihm dann doch zu schäbig vor; die vielen Zufallseffekte im Spiel muss man halt akzeptieren; für effektives Deckbuilding gibt es wenig Chancen), Moritz: 8 (1 Punkt weniger als für die Basis. Thematisch für diejenigen, die das Buch kennen [ach ja, das gibt es ja auch noch] sehr gut umgesetzt), Walter: 5 (bleibt; bei einem emotionslosen Herangehen ist kein nennenswerter Qualitätsunterschied zwischen beiden Versionen zu erkennen).

2. “Trio”

Vor knapp 4 Monaten lag dieser Quartett-Ableger erstmals bei uns auf dem Tisch und erntete verhaltene Noten. Nur Moritz vergab euphorische 8 Punkte („für Kinder ab 7 Jahren perfekt“). Heute erwischte es ihn auf dem total anderen Fuß: „Vollkommen uninteressant, vollkommen bescheuert; man wird nur gespielt. Ich habe da nie und nimmer 8 Punkte vergeben“.

Vielleicht lag dieser Umschwung auch daran, dass wir diesmal regelkonform gespielt haben und derjenige, der ein Trio erfragt hatte, nicht weiterraten durfte. So wird der rasante Schlusseffekt – leider – vermieden und das Spiel dümpelt seinem Ende entgegen.
Vielleicht war die Notengebung im November 2023 auch ein reiner Fake. Von wem auch immer.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (bleibt), Günther: 6 (für Nicht-Spieler ganz nett), Moritz: 2 (Memory mit Ringelpiez ohne Anfassen), Walter: 4 (bleibt).

06.03.2024: Alte Liebe

Am 23.Oktober 2008 war Thomas d.J. zum letzten Mal bei uns am Westpark. In den folgenden 5613 Tagen war er praktisch verschütt gegangen, nur seine Eltern berichteten von Zeit zu Zeit Episoden aus seinem Leben. Jetzt hat er sich wieder gemeldet, kam vorbei und auch sofort wieder an, und wir konnten mit Freude feststellen, dass er nichts von seiner spritzigen Jugendlichkeit verloren hat.

1. “50 Clues: Aus der Gefahrenzone”

Das Spielmaterial war eine Beilage aus der letzten „Spielbox“, und Günther wollte das Deduktionsspiel gemeinsam im Team am Westpark lösen lassen. Fünf kluge Köpfe hatten keinerlei Schwierigkeiten mit dem Rätsel um Bornholm. Absolut flüssig und sogar fehlerfrei wurden Hinweise, Zahlen und Codes entschlüsselt. Erst glücklich gerettet im Rettungsboot ließen wir unsere scharfe Beobachtungsgabe etwas abschlaffen und drifteten leicht nach Osten ab.

Keine WPG-Wertung.

2. “Key to the City: London”

Spieleautor Richard Breese ist immer noch mit seinen Schlüsselerlebnissen unterwegs. Wir ersteigern Hexateile mit dem abstrahierten Stadtplan von London und verbinden sie durch Brücken. Wir lassen uns dort produzierte Güter geben, um damit unsere Stadtteile zu entwickeln, mehr Güter pro Einsatz und schlussendlich auch mehr Siegpunkte zu bekommen.

Der enthaltene Biet-Mechanismus ist nicht so schlimm, wie er sich liest. Die Balance zwischen den begehrten Objekten und der vorhandenen Knete sorgt dafür, dass jeder etwas bekommt.

Dass man gut und richtig kalkulieren muss, um das Spiel zu gewinnen, ist klar. Aber wie beim Bridge gewinnt nicht der, der am besten spielt, sondern der, der die wenigsten Fehler macht. Denn Fehler zu machen ist in diesem mehrstufigen, leicht autistischen Puzzlespiel nahezu unvermeidlich.

In der dritten Runde hatten wir die zu ersteigernden Hexa-Plättchen fälschlicherweise nicht auf der Upgrade-Seite ausgelegt. Hätten wir diesen Regelfehler zur Inbesitznahme der Plättchen noch konrrigieren sollen? Oder wäre ohne Regelfehler ein komplett anderer Versteigerungsprozess herausgekommen? Mit 4:1 entschieden wir, wie gehabt fortzufahren. Ohnehin wäre es nur um ein paar Erbsen mehr gegangen.

Günther gewann mit 25 Prozent mehr Siegpunkten als der Zweite.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (ein rein abstraktes Spiel um eine Auto-Optimierung; die letzte Runde fand ich total langweilig: nur noch ausbauen, was man bis dahin erstanden hat; „Keyflower“ war – in meiner Erinnerung – besser), Günther: 7 (wie angekündigt ist das Spiel gegenüber „Keyflower“ erfolgreich gestreamlined), Moritz: 6 (die Punkte-Zählerei ist eher nervig), Walter: 5 (mit dem Bietmechanismus kann ich leben, das Handling der Hexagons und der Brücken ist schwerfällig; die Icon-Unterstützung gut, doch die Unterscheidung zwischen Vorder- und Rückseite etwas unglücklich; es fehlt ein Knalleffekt), Thomas 5 (man kann beim Spiel-Kennenlernen nette anderthalb Stunden damit verbringen, wobei zum „nett“ auch die eingebauten Zufallseffekte beitragen; bei häufigerem Spiel sind die dann eher kontraproduktiv).

3. “Parade”

Vor neun Jahren lag das Strafkarten-Vermeidungsspiel zum ersten Mal bei uns auf. Vor siebeneinhalb Jahren das zweite Mal, und keiner konnte sich mehr daran erinnern. Heute also zum dritten Mal und wieder durfte Aaron ungestört die Spielregeln vortragen, während die anderen andächtig lauschten.

In dem im Prinzip einfachen Mechanismus, von einer Farbe entweder keine oder nur wenige niedrigwertige oder die aber meisten, dann aber egal von ihrer Wertigkeit, zu erhalten, hatten wir die wichtige Regel über die „Sicherheit“ von ausliegenden Karten übersehen. Damit war der Spielverlauf eher Mau-Mau-artig und wir wunderten uns über die damals vergebenen relativ guten Noten.

Als wir den Regelfehler erkannten, wurde das Spiel wieder taktisch und strategisch, und alle Karten von allen Farben und allen Zahlenwerten bekamen ihre individuelle Bedeutung und Nützlichkeit. Moritz gewann, trotz bzw. gerade deshalb, weil er von den meisten Farben auch die jeweils meisten Karten hatte.

WPG-Wertung: Im Feld von bisher 2 mal 7 und 3 mal 6 Punkten ordnete sich Thomas bei den 6ern ein.

21.02.2024: Tamerlan ante portas

1. “Vijayanagara”

Der antike Mittelmeerraum wird millionenfach als Szenerie für Kriegsspiele genutzt. Das Deutsche Reich für verspielte WWII-Simulationen ist im Wesentlichen für amerikanische Spieleautoren ein willkommenes Fressen. In „Vijayanagara“ liefert jetzt der indische Subkontinent die zugehörige geographische und militär-politische Kulisse.

Wir sind mitten im „Sultanat von Delhi“, dem bedeutenden islamisches Reich in Nordindien, das ab dem 13ten Jahrhundert den gesamten Subkontinent beherrschte. Innerlich war das Sultanat nicht sonderlich stabil; Revolten der Statthalter und der unterworfenen Hindu-Fürstentümer füllten seine Geschichte aus.

In „Vijayanagara“ wird diese Situation mit drei Parteien von absolut asymmetrischen Ausgangs- und Entwicklungsbedingungen dargestellt. Ganz im Süden sind die „Gelben“ angesiedelt, die ihre militärische Potenz durch Tempel fördern, in der Mitte gibt es die „Blauen“, die es eher mit dem Festungsbau halten. Beide Gruppierungen sind zu Spielbeginn den „Schwarzen“ im Norden tributpflichtig, die mit einem gewaltigem Startvorsprung antreten, aber sich von Zeit zu Zeit (ziemlich häufig) der „Mongolenstürme“ aus den Gebirgspässen im Nordwesen erwehren müssen, und dabei massiv Federn (in Form von Armeen und Militärhaushalt) lassen müssen.

Wenn Tamerlan auftritt – leicht zufällig gesteuert durch die Aktionskarten -, gibt es eine letzte Schlacht um Delhi und das Spiel ist zu Ende.

Von der Militär-Geographie her, mag das ein realistischen Szenario sein. Von der Spieltheorie her trägt es einen gewaltigen Designfehler in sich: In einem Dreier-Kampf-Spiel ist es praktisch unausweichlich, dass zwei Kontrahenten ein Bündnis schließen und sich nicht gegenseitig ans Leder gehen, sondern immer nur gegen den Dritten. Das ist die logische Umkehrung des Sprichwortes: „Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte.“ In “Vijayanagara” ist dieses gelb-blaue Bündnis sogar offensichtlich gewünscht, denn die Schwarzen sind der gemeinsame Oberherr, dessen Herrschaft gebrochen werden muss. Aber so funktioniert das Spiel hier nicht.

Moritz spielte die Schwarzen; er wurde von den Mongolen mehr als nötig gerupft und hatte gegen das unisono Vorgehen seiner beiden Kontrahenten einen schweren Stand. Als seine Felle sichtbar davonschwammen, beschwerte er sich lauthals, dass der blaue Walter kein einziges Mal gegen den gelben Günther vorgegangen sei und diesem somit den Sieg überlassen habe. Ja soll der Blaue denn einen Zwei-Fronten-Krieg beginnen, um daraus als Sieger daraus hervorzugehen? Gerade als hochbetagter Deutscher sollte man sich noch daran erinnern können, dass sowas nur schiefgehen kann.

Moritz redete auf Walter ein wie ein Bauer auf seine kranke Kuh, dass er niemals gewinnen könne, wenn er nicht dem „momentan“ Führenden, d.h. Günther, ein paar Gebiete (= Siegpunkte) abknöpfen würde. Doch Walter ließ sich nicht zum Zwei-Fronten-Krieg verleiten und Günther stellte klar, dass es zweifellos kontraproduktiv für Blau und Gelb sei, sich jeweils pro Aktion immer ein Gebiet hin-und-her abzunehmen, und den Schwarzen ungestört dominieren zu lassen.

Moritz konstatierte hier einen Denkfehler und beteuerte eindringlich, dass “Vijayanagara” kein „Wargame“, sondern ein „Area Control Game“ sei. Kurze Gedankenpause: Wir rüsten Armeen aus, wir marschieren, greifen gegnerische Stellungen an und versuchen, sie (mit eleganten Kampfwürfeln) zu erobern. Was ist dann der Unterschied zwischen diesen beiden Spieltypen? BingAI weiß eine Antwort:

Ziele: Das Hauptziel von Wargames ist die Eroberung von Gebieten oder das Erreichen bestimmter militärischer Ziele; das Hauptziel von ACGs ist die Kontrolle über bestimmte Bereiche oder die Mehrheit in Regionen zu erlangen. [Wertung: Ich sehe keinen Unterschied.]

Spielerrolle: In Wargames übernehmen die Spieler die Rolle von Kommandeuren, Generälen oder Anführern; in ACGs sind die Spieler sind oft Anführer oder Herrscher. [Wertung: Ich sehe keinen Unterschied. Natürlich waren wir die Kommandeure unserer Armeen, und was, bitte schön, ist Tamerlan?]

Fokus: Wargames konzentrieren sich auf militärische Konflikte, Strategie und Taktik; ACGs drehen sich um die Kontrolle oder den Aufbau von Gebieten. [Wertung: Militärische Konflikte gibt es praktisch ausschließlich um die Kontrolle von Gebieten – höchst singulär auch mal um eine Frau -, die mit Strategie und Taktik gewonnen wird. Kein Unterschied!]

Thema: Wargames behandeln oft historische Schlachten, fiktive Kriege oder Science-Fiction-Szenarien; die Themen von ACGs können vielfältig sein – von Städten und Regionen bis hin zu Fantasy-Welten. [Wertung: 1:0 für Wargames.]

Zurück zum spieltheoretischen Design-Fehler von “Vijayanagara”:

Die Schwarzen sind übermächtig in Ausgangsposition und Zugpotenz: da ist es überlebensnotwendig, dass sich Blau und Gelb zusammentun. Eine Gegnerschaft dürfte nur im allerletzten Spielzug – der nicht vorhersehbar ist – praktiziert werden und beruht dann auf Verrat.

Wenn Schwarz schon von seiner Konstruktion her allein gegen die beiden Gegner Blau und Gelb gewinnen kann, umso mehr müssen die beiden Kontrahenten jede Aktion in die gegenseitige Zerfleischung vermeiden, um überhaupt eine Chance zu haben.

Da Gelb keine natürliche Grenze mit Schwarz hat, muss Blau ihm etwas von seinen „hauseigenen“ Gebieten als Durch- und Aufmarschgebiet gegen Schwarz überlassen. Damit bekommt Gelb automatisch einen leichten Spielvorteil.

Damit steht ein normaler Spielausgang praktisch vom Design her fest: Gelb vor Blau vor Schwarz. So war es auch bei uns.

WPG-Wertung: Günther: 5 (nicht mein Spiel), Moritz: 7 (thematisch OK), Walter: 6 (der Aktionsmechanismus mit der Auswahl von Command / Decree / Event ist gut gelungen; auch auf meine alten Tage kann ich von jedem Wargame noch etwas lernen.)

2. “6nimmt!”

Richtig, da war doch noch was: Mit “6nimmt!”-Basisversion ließen wir den Abend spielerisch ausklingen.

14.02.2024: Gestalten mit Moritz

Aaron ist auf Reisen, Moritz ist zurück, also eine gute Gelegenheit, die Spiele von letzter Woche, die noch brühwarm hier am Westpark auf der Couch liegen, erneut auf den Tisch zu bringen.

1. “Terraforming Mars – Das Würfelspiel”

Wir wissen schon, Würfel sind Geld und müssen ausgegeben werden, damit das Spiel brummt. Und wenn die Produktion richtig brummen soll, sollten jeweils möglichst viele der Würfel ausgegeben sein. Ist es dann nicht die richtige Schlussfolgerung, als „Nebenaktion“ lieber keinen weiteren Würfel hinzuzunehmen, sondern lieber einen Würfel abzugeben, dafür einen anderen Würfel auf das richtige Symbol zu drehen, und ihn so zum Erwerben der nächsten Technik-Karte verwenden zu können? Eigentlich klar, aber die Sparnatur in Walter hatte ihn lange an dieser Einsicht gehindert. Erst Moritz hat mit seiner gewohnt analytischen Beobachtung diesen taktischen Fehler seines Sitznachbarn erkannt und kundgetan. Beim nächsten Spiel wird alles anders.

WPG-Wertung: Moritz schloss sich der bisherigen WPG-Wertung von unisono 7 Punkten an (als reduzierte Version des großen Brettspiels ist es gut gelungen. Es spielt sich flott und bedarf keiner tiefgründigen Strategie. Es ist besser als die „Kartenspiel“-Version, aber nicht besser als das Original. Wenn ich wenig Zeit hätte, würde ich es vorziehen.)

2. “Trekking – Reise durch die Zeit”

Moritz bemühte sich mit Engelszungen gegen Walters Negativ-Kritik an Stefan Ducksch‘ euphemischen Lobeshymnen anzugehen. Er warf ihm sogar bayerische Ignoranz gegenüber epochenmachenden Kosmopoliten und ihren genialen Ansichten vor. Walter gingen die Argumente aus. Er wird bei nächster Gelegenheit seiner neunjährigen Enkeltochter zwar nicht die Aristotelischen Schattenspielereien erklären, aber er wird denjenigen, die hier in Euphorie geraten, keine Bestechlichkeit mehr vorwerfen.

Moritz als Neuling ging das Spiel mit dem Vorsatz an, eine möglichst lange Zahlenreihe zu bilden, Walter ignorierte die Jahreszahlen und verlegte sich auf eine optimale Nutzung seiner Tafeln (unter Zuhilfenahme der inzwischen erarbeiteten Tafel-Statistik), und Günther verfolgte eine Mischstrategie. Fazit: Mischen ist gut, totales Ignorieren der Jahreszahlen ist nicht gut.

WPG-Wertung: Auch hier schloss sich Moritz der unisono-Wertung von 5 Punkten an (öde; die Karten und ihre Geschichte sind das Beste am Spiel.)

3. “Trans Europa”

Nach dem öden „Trekking“ brauchten wir unbedingt eine spielerische Auflockerung und praktisch jedes Spiel in Walters leichtgewichtiger Sammlung wäre akzeptiert worden. Sogar ein „Misch Masch“, eine Mau-Mau-Variante mit halben Tieren für ganze Kinder ab 6. Doch Moritz fürchtete, dass Walter die Regeln nicht mehr zusammenbringt. Bei einem „Rumis“ meldete Walter Vorbehalte an: für ältere Herren ist das ständige Herumlaufen um den Tisch – um die dreidimensionale Topologie des entstehenden Gebildes auszuloten -, zu so später Stunde doch nicht mehr so empfehlenswert. Wir entschieden uns für „Trans Europa“.

Wir bauten Eisenbahnen zwischen Moskau und Madrid, und wer wollte, durfte problemlos auch einen Abstecher nach Kyiv einschließen. Locker, leicht, psychologisch, taktisch und strategisch. Und schnell. Was wird man von einem guten Spieldesign mehr erwartet!?

Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte-Spiel.

07.02.2024: Zeitreise zum Mars

1. “Terraforming Mars – Das Würfelspiel”

Das „richtige“ Brettspiel „Terraforming Mars“ mit seinen zahlreichen Variationen ist nach einer gewissen Anlaufzeit bei uns sehr gut angekommen, versuchen wir es doch mal mit dem Würfelspiel.

Wir kaufen immer noch grüne, rote und blaue Technik-Karten, um mit ihnen die technologischen Fortschritte zu gestalten, mit denen wir Temperatur, Sauerstoff und Wasseraufkommen auf dem Mars in lebensfähige Größenordnungen bringen. Wir belegen dort immer noch Grundstücke mit Stadt-Land-Fluss-Hexagons, um Ressourcen und vor allem Siegpunkte zu bekommen.

Gezahlt wird nicht mit Geld, sondern mit Würfeln in 3 verschiedenen Farben, die auf ihren Seiten verschiedene Symbole aufweisen. Um eine Technik-Karte zu erstehen, müssen wir nicht nur die geforderte Anzahl und Kombination bunter Würfel im Besitz haben, sie müssen auch noch die geforderten Symbole aufweisen. Es gibt zwar auch Joker, die diese harten Forderungen etwas aufweichen, es bleibt in jedem Fall aber ein mühsames Geschäft, die Ressourcen für jede Art von Technik-Karten zusammenzuwürfeln.

Wer Glück hat, kann sich frühzeitig Produktionskarten zulegen und damit die Zahl regelmäßig ausgeschütteter Würfel erhöhen, wer Pech hat, dessen Produktion bleibt eine ganze Weile auf dem niedrigen Anfangsniveau stehen, und er kann nur in die Röhre schauen, während seine Mitspieler irgendwann mal im Würfelüberfluss schwelgen.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (besser als das herkömmliche Brettspiel; nicht so Engine-Building-lastig, deshalb spielt es sich flüssiger), Günther: 7 (für Spielefreaks bietet das herkömmliche Brettspiel mehr), Walter: 6 (schlechter als das herkömmliche Brettspiel; viel weniger Handlungsfreiheit, der Zufall bei Karten und Würfeln spielt – leider – eine sehr große Rolle; vorausschauende, freudige Planung der Reihenfolge beim Kauf von Aktionskarten ist mir bei dem engen Spielraum – und leider auch bei etwas Pech – total verloren gegangen.).

2. “Trekking – Reise durch die Zeit”

Sechs Zeitkarten mit schwarzen Zahlen und farbigen Symbolen liegen jeweils auf dem Tisch. Reihum darf sich jeder Spieler jeweils eine davon aussuchen, vor sich auslegen und damit eine Reihe von Karten mit aufsteigenden Zahlen bilden. Gibt es keine Karte mit einer größeren Zahl als die aktuell höchste in seiner Kartenreihe, muss man diese abschließen und eine neue Kartenreihe beginnen. Bei Spielende liefern die auf diese Weise gebildeten Kartenreihen Siegpunkte, je länger die Reihe, desto mehr.

Bezahlt werden diese Karten mit Zeitpunkten. Eine Karte kostet 1 bis 5 Punkte. 12 Punkte stehen jedem Spieler pro Runde zur Verfügung. Für die letzte Karte einer Runde darf man sein Limit aber beliebig überziehen – sollte man auch. Wer dagegen nur genau seine 12 Zeitpunkte ausgibt, bekommt eine kleine Prämie.

Das ist aber nur ein Teil der Siegpunkt-Einnahmequellen. Der andere und größere Teil resultiert aus topologischen Tafeln, mit bunten Spalten (rot, blau, gelb und grün), die wir mit entsprechend gefärbten Marken strukturiert füllen müssen. Es gibt Prämien für definierte Anzahl von Marken in einer Spalte und für definierte Anzahlen von Marken über verschiedene Spalten hinweg.

Die Marken erhalten wir beim Nehmen der Zeitkarten: die farbigen Symbole darauf entsprechen genau den Spalten in unseren Tafeln. Zusätzlich zu diesen Symbolen erhalten wir noch eine weitere Marke abhängig von der Position der genommen Zeitkarte in der Auslage, so dass man auf diese Weise pro Zug mindestens eine Marke einer anvisierten Farbe erhalten kann.

Nach 3 Runden wird abgerechnet.

Und das Thema? Wir sind auf einer dreitätigen Tour durch die Menschheitsgeschichte. Die Zeitkarten entsprechen Ereignissen, die passiert sein sollen und die Zahlen darauf geben das Jahr an, in dem das war. Stefan Ducksch von der Spielbox „springt das Thema Zeit überall förmlich an“, er ist „im Sog der Jahreszahlen und bibbert, ob Passendes aufgedeckt wird.“ Er hat sich auch die Details aller Karten angeschaut, „freiwillig die vielen Texte gelesen“ und konstatiert: “Unaufdringlicher kann man Geschichte kaum erlebbar machen.

Wir vom Westpark haben uns freiwillig keine einzige Karte angeschaut. Selbst nach diesem Spielbericht weiß ich immer noch nicht, was 37000 Jahre vor Christus die Welt bewegt haben soll und wann Hinz die Kunz das erste Mal gevögelt hat.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (sehr viel Brimborium für ein abstraktes Spiel, das man mit viel weniger Material genauso gut hätte hinbringen können, total langweilig, keinerlei Vorplanung möglich), Günther: 5 (das Spiel hat mich nicht vom Hocker gerissen), Walter: 5 (sehr wenig spielerisch; abstraktes Puzzlespiel mit erheblichem Zufallseinfluss).

Auch wenn uns das Thema nicht hinterm Ofen hervorgelockt hat, die Zahlen sind doch eine kleine Excel-Spielerei wert.

Marken-Ertrag der Zeitkarten

Bilanz der Zeitkarten




Wir sehen, es gibt überdurchschnittlich viele rote Köpfe, und grüne Blätter am wenigsten. (Da die Joker für alle Farben hergenommen werden können, gleicht sich diese schiefe Verteilung etwas aus.)

Für eine Marke muss man durchschnittlich 1,08 Zeiteinheiten hergeben. Wenn wir unser Zeitkonto von 12 Einheiten um 3 Einheiten überziehen, erhalten wir damit knapp 15 Marken.

Siegpunkte via topologischer Tafeln
(Zur Farbgebung: Je roter, desto ungünstiger ist die Tafel, je grüner desto besser.)

Bilanz der Zeittafeln


Man sieht, es gibt ausgesprochen Loser-Tafeln, z.B. Tafel 5, deren maximaler Ertrag an Siegpunkten auf 22 limitiert ist, und die bei allen eingesetzten Zeiteinheiten am unteren Ende des Ertrags liegt. Dagegen gibt es auch regelrechte Winner-Tafeln, z.B. Tafel 19, deren Maximal-Ertrag bis 31 geht.

Kleine Kritik am Spieldesign: Die Tafeln werden zufällig unter die Spieler verteilt; wer Glück hat, bekommt ein paar der Winner-Tafeln zugeschustert, wer Pech hat, kann sich nur wundern, warum die Mitspieler pro Runde so davonziehen.

31.01.2024: PAN AM

1. “PAN AM”

Eine legendäre Fluggesellschaft, die erste Airline, die kommerzielle Flugverbindungen über den Atlantik und den Pazifik anbot (lt. Regelheft).

Wir selber sind Chefs von lokalen Airlines, wir verbinden Städte und erweitern und modernisieren unseren Flugzeugpark. Nach und nach werden wir von PAN AM geschluckt und verdienen dabei eine Menge Geld, das wir in PAN AM Aktien anlegen. Wer am Ende die meisten Aktien besitzt ist Sieger. So weit so gut.

Geld spielt natürlich eine wichtige Rolle. Damit erwerben wir Flugzeuge, damit erwerben wir Landerechte und damit erwerben wir Start- und Zielstädte, die wir mit unseren Routen verbinden. Eingebaut sind diese Aktionen in einen Workerplacement Mechanismus mit Bietcharakter. Nur noch semi-gut. In einer Dreierrunde funktioniert dieses Konkurrenzprinzip nämlich nicht. Insgesamt gibt es nämlich 18 Positionen und jeder Spieler hat pro Runde nur 4 Positionen zu besetzen. Davon ist ein Muss der „Auftragsbereich“, über den wir jeweils einen Auftrag erhalten, der – hoffentlich – lukrativer ist als alles andere, was wir tun können.

Ein zweites Muss ist der „Routenbereich“, den wir ebenfalls besetzen müssen, denn Routen bringen die Kohle. Beide Bereiche können mit einer erheblichen Anzahl von Workern jedes Spielers belegt werden, so dass es hier lediglich um die marginale Zugreihenfolge, aber nicht um ein Sein-oder-Nichtsein geht.

Die dritte Position ist das Erwerben von Zielstädten. Da hiervon jeweils vier Stück ausliegen, kann jeder – für 0 Dollar – eine der ausliegenden Zielstädte bekommen, und dann wäre immer noch eine zu haben. Nur selten sind definierte Zielstädte kaufmännisch so „interessant“, dass darum gefeilscht wird.

Bleiben noch zwei Bereiche, der Flughafenbau und die Flugzeugfabriken, für die wir unseren vierten und letzten Worker einsetzen können, und wo es ebenso nicht angesagt ist, den jeweils ersten Mitspieler, der sich hier engagiert hat, durch höhere Gebote zu verdrängen.

Bis dahin ist das Spiel ein vernünftiges, logisches Wirtschaftsspiel. Doch jetzt kommt der Haken: der Zufall, der überdosierte Zufall, der in einer planbaren Wirtschaft nicht diesen entscheidenden Einfluss haben sollte.

  1. Zu Beginn einer Runde wird eine Ereigniskarte aufgedeckt, die den Aktienkurs der PAN AM modifiziert. Da haben wir gerade scharf kalkuliert und unsere freie Verfügungsmasse an Kapital in Aktien investiert, und durch eine simple Ereigniskarte verliert (oder gewinnt) unser Stock 25 Prozent an Wert. Das ist die Standardfluktuation. Wenn es hoch kommt – in unserer Spielrunde kam es nicht hoch – gewinnt die Aktie durch eine einzige Ereigniskarte 300 (dreihundert) Prozent an Wert. Das müsste anders, vorhersehbarer organisiert sein.
  2. Die Auftragskarten, die wir ohne Wahlrecht zugeteilt bekommen, sind extrem unterschiedlich verteilt. Der Verkauf einer beliebigen Route, vor allem einer, die PAN AM niemals im Auge hätte, kann leicht 12 oder gar 14 Dollar einbringen, das Abräumen der Bonus-Dollars auf den Zielstädten bewegt sich eher im 1 bis 2 Dollar-Bereich, und eine kostenlose Zielkarte ist auch nur einen Appel und Ei wert.
  3. Der gravierendste Zufall herrscht bei der Übernahme unserer Routen durch PAN AM. Er wird ausgewürfelt. Wer seine Linien – zufällig oder geschickt – in der Ausbreitungsregion gebaut hat, dem fließt ein warmer Geldregen aufs Konto. Zudem erhält er sein Flugzeug zurück und kann damit neue Routen bestücken. Die anderen gehen leer aus und bleiben auf ihren Routen und Flugzeugen hocken.

Natürlich hätten wir unsere eigenen Linien näher an der Basis von PAN AM und in deren bevorzugtem Ausbreitungsgebiet bauen können, hätten dann auch mehr Konkurrenz beim Erwerb der entsprechenden Zielstädte praktizieren können, früher oder später werden wir allerdings den Zufall, der hier herrscht, nicht mehr in den Griff kriegen.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (die Regeln sind klar und einfach, die Aufträge etwas unglücklich verteilt, das Spiel hat eine Menge [ungenutztes] Potential), Günther: 7 ([in einer 3er Runde] kein Workerplacement, jeder kann [jederzeit] machen, was er will), Walter: 7 (trotz der dominierenden Zufallselemente, das Material ist ordentlich, die Flugzeuge hübsch, und der Spielablauf irgendwie „anders“ als was sonst diesbezüglich geboten wird).

23.1.2024: Tränenreicher Tag

1. “Lacrimosa”

Welch ein Wohlklang liegt in den Vokalen dieses Titels. Und welche Wonne zieht durch unser Gemüt, wenn wir an diesen Teil der katholischen Totenmesse denken, insbesondere an die allergrößte, allerbewegendste, allerbekannteste, die von Mozart persönlich komponiert wurde. (Sorry, Moritz, ich weiß, dass Du ebenfalls eine „Messa“ komponiert hast, bei deren Uraufführung ich sogar Zuhörer war; aber sie war nur eine „normale“ Messe, keine Totenmesse, und enthielt dementsprechend auch keine „Sequenz“.)

„Lacrimosa“ ist also eine Sequenz aus Mozarts Requiem, dessen Melodieführung, Harmonierung und Instrumentierung uns heute noch wohlige Tränen in die Augen treiben und uns selber auf Wolke Sieben versetzen kann. Obwohl der Text eigentlich bestürzend ist: „Lacrimosa („tränenreich“) ist jener letzte Tag“, wenn eine „seltsame Tuba“ ertönt und der „schreckliche König“ sein Gericht hält. (Das ist ja das Geschäftsgeheimnis der Katholischen Kirche, dass sie ihre kleinen Dosen von Tröstung in Tonnen von Bedrohung versteckt.)

Warum schreibe ich das in einem Spielbericht? Nun ja, „Lacrimosa“ ist als Titel eines Brettspiels verwendet worden. Ferran Renalias aus Catalunya und Gerard Ascensi aus Andorra haben sich liebevoll und akribisch mit Mozart und seinem letzten Werk beschäftigt und es thematisch ihrem Spiel untergelegt.

Wir sind Mäzene Mozarts bzw. die seiner Witwe und suchen Komponisten, die Mozarts bekanntlich unvollendetes Requiem (eindrücklich dargestellt in dem Filmdrama „Amadeus“ von Miloš Forman) fertigstellen, damit die arme Constanze den Vorschuss von 50 Tausend Gulden nicht zurückzahlen muss.

Als Spielelemente steuern wir Töne verschiedener Instrumente zu den verschiedenen Stücken des Requiems (nicht nur zum „Lacrimosa“) bei. Oder wir erfinden gleich komplette neue (bzw. alte) Kompositionen Mozarts in sakraler oder weltlicher Stilrichtung hinzu, führen sie auf oder verkaufen sie. Dazwischen lassen wir den offensichtlich noch lebenden Mozart (oder ist es nur sein Schatten?) Reisen in die Musikhauptstädte Europas unternehmen und Werbung für sich und seine Kunst machen.

Genug der Musik. In „Lacrimosa“ dreht sich alles nur um Geld und Ressourcen in Form von Tinte, Tickets oder Verleger, mit einem leichten Deck-Building-Charakter. Jeder hat 4 aus 9 Karten auf der Hand, von denen er pro Runde viermal je zwei paarweise als Aktion und als Remuneration ausspielt. Mit den Aktionen steuert er die oben beschriebenen Aktionen und mit der Remuneration sorgt er für einen gewissen Rückfluss an Ressourcen und Geld, die er für seine Aktionen ausgeben muss.

Wie es sich gehört, ist immer irgendetwas knapp, mal fehlt es an Geld, mal an Tinte und mal an Verlegern. Und manchmal hat man leider auch nicht die gewünschte oder benötigte Aktionskarte auf der Hand. Lohnend ist es, sich als „Erinnerungsaktion“ Karten mit gesteigerter Remunerationsleistung zuzulegen. Da muss man am Anfang natürlich kürzer treten, aber wie gewöhnlich zahlen sich solche Investitionen am Ende doppelt und dreifach aus. Moritz hat das als einziger konsequent praktiziert und wurde entsprechend auch Sieger.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (eigentlich 8 Punkte, 1 Punkt weniger wegen der Thema-Verfehlung, „Dinosaurier“ wäre als Thema genauso geeignet gewesen, 2 Punkte weniger, weil das Spiel schwerfällig, solitär und extrem repetitiv ist, 1 Punkt weniger für das ergonomisch extrem ungünstig designte Material [WS: falls die Mathematik hier nicht stimmt, dann müssen wir entweder an der 5 oder an der 8 etwas drehen] [AH: die 8 stimmt und die Abzüge auch, das Ergebnis hast du ausgerechnet, nicht ich][WS: Claro, die Mathematik stammt von mir, aber ich wollte dem guten Stück doch nicht nur 4, VIER, Punkte vorn Dir vergeben lassen.]), Günther: 6 (das Regelheft ist voller Mozart, aber das hilft uns beim Spielen leider nicht), Moritz: 6 (aus Sympathie, [WS: eine emotionale Reaktion ob des Sujets war bei ihm nicht zu erkennen], besser als das „Buch-Spiel“ von letzter Woche, aber kein Tempo, keine Spannung, kein Mozart), Walter: 6 (eigentlich würde ich auch gerne 8 Punkte vergeben, schon für das Engagement unserer beiden westeuropäischen Autoren für unser osteuropäisches (na ja, ostmärkisches) Musikgenie, die Enttäuschung für so wenig Requiem und Lacrimosa und für so viel nackten Geschäftssinn im Spielablauf muss ich erst verkraften; wie gut hätten hier Salieri, der Erzbischof von Salzburg und Kaiser Franz II ein bisschen Pfeffer hereinbringen können).

10.1.2024: Literatur für die Katz

1. “Bücher der Zeit”

Ein bemerkenswerter Titel. Und noch bemerkenswerteres Spielmaterial. Jeder Spieler bekommt drei Bücher (drei kleine Ringbücher) mit ein paar ausgefüllten Seiten, die er mit weiteren Seiten verschiedenster Autoren füllen soll. (Eigentlich sind es Wissenschaftler, von Archimedes über Kopernikus bis zu Madame Curie, die mit Liebe zum Detail im Regelheft eigens über drei Seiten hinweg vorgestellt werden.)

Die Seiten, um die es im Wesentlichen geht, liegen in einer offenen, öffentlichen Auslage, aus der man sich bedienen kann. „Sich bedienen“ heißt, eine Aktion auszuführen, die es erlaubt, eine oder zwei Seite auszuwählen und in die private Auslage einzureihen. Mit einer weiteren Aktion (manchmal auch mit der gleichen) darf man dann eine Seite in das Ringbuch einheften. In der Regel ist das mit Kosten in Form von Ressourcen (Federn und Papier) verbunden. Das Erwerben dieser Ressourcen erfolgt ebenfalls über Aktionen. Daneben gibt es noch eine „Zähleraktion“, mittels der man auf einer von drei Zählleisten verschiedener Kategorien nach oben steigt und dabei vor allem Siegpunkte erhält, in Abhängigkeit vom Füllgrad der verschiedenen Ringbücher und von der formalen Qualität der Seiten.

Was sind Aktionen? Einerseits gibt es Standardaktionen, die man jederzeit ausführen darf, sofern man die ggf. benötigten Ressourcen besitzt. Andererseits gibt es Buchaktionen:  am unteren Rand einer jeden Buchseite sind spezifische Kombinationen zum Nehmen und/oder Ausgeben von Ressourcen und zum Hantieren mit Seiten aufgeführt. So eine Buchaktion – aus einer gerade aufgeschlagenen Seite in einem der eigenen Bücher – darf man auswählen und ausführen; sie ist in der Regel lukrativer als eine Standardaktion. Es ist ja gerade die Herausforderung des Spieles, beim Auswählen und Einheften der Seiten sich die „besten“ Kombinationen auszusuchen und diese später dann „optimal“ zu nutzen. (Nach eine Buchaktion wird die betreffende Seite umgeschlagen, so dass man sie nicht zweimal hintereinander ausführen kann.)

Soweit hat alles mit Büchern zu tun und der Titel, das Thema und die Ausstattung des Spiel könnte uns in eine neue Spielewelt versetzen. Tut es aber nicht. Keiner hat sich die Autoren angesehen, die er in seine Ringbücher eingeheftet hat. Caroline Herschel ist nur durch ihr Gebrüder-Grimm-Erzählerin-Kostüm und Mariya Zerova durch ihre Moshammer-Frisur aufgefallen. Eine historische oder zeitliche oder inhaltliche Auseinandersetzung mit den Autoren findet nicht statt.

„Bücher der Zeit“ ist mehr oder weniger eines der vielen Workerplacement-Spiele unserer Zeit. Ein optimales Sequenzieren unserer Aktionen ist gefordert. Dabei sind die wichtigen Buchaktionen unhandlich auf den verschiedenen, in der Regel zugeklappten Seiten unserer Bücher versteckt, müssen gemerkt oder mühsam nachgeschlagen, und noch mühsamer in abrufbare Aktionspositionen gebracht werden.

WPG-Wertung: Günther: 6 (spieltechnisch trägt das bemerkenswerte Material nicht viel bei; das Spiel wurde bereits hochgelobt, aber ich bin noch unschlüssig, wie weit ich mich dem anschließen kann), Moritz: 5 (reine Aktionsoptimierung; lästiges Handling mit dem Einheften und Umblättern der Seiten, keine Spannung, nur Qual, trocken, unsexy), Walter: 6 (das Spielmaterial ist elitär, aber doch nur nebensächlich; die früher oder später möglichen Aktionen sind überwiegend unergonomisch verdeckt und erschweren dadurch Nutzung und Spiel).

Ein Rätsel für Moritz: Er hat alle möglichen Aktionen total übersehen, er hat jeweils die beste Aktion mit maximaler Ausbeute gewählt und war bei den zufällig erscheinenden Bonus-Paketen immer auf der richtigen Seite. Warum hat er trotzdem nicht gewonnen? (Zweiter in einem semi-dichten Feld.) Liegt bei aller höchst kompetenten Planung der Sieg vielleicht doch nur in Fortunas Händen?