Archiv der Kategorie: Spieleabende

10.10.2012: Letzter Schliff vor Essen

Chrissi war mal wieder dabei. Er hat schon gespielt, da gab es den Westpark (den Park!) noch gar nicht. Und er hat bei den Westpark-Gamers schon mitgespielt, da gab es diese Gruppierung noch gar nicht: In einer familiären Runde mit Aaron, Sabina und Walter (und der ach so göttlichen Susanne!) war er eifrig bei „Civilization“ und „1830“ dabei, lange bevor durch den Zuwachs von Moritz und Peter die Westpark-Gamers gegründet wurden.
Später ist er dann sportlich zu Handball und spielerisch zu Texas Hold’em abgedriftet. Ansonsten kommt er nur noch zum Westpark, wenn ein Gourmet-Menu aufgetischt wird. Oder wenn er selber eines zubereitet. Schließlich ist er ja der Sohn des Hausherrn.

1. “Little Devils”
In dem kleinen Stichkartenspiel versucht jeder, möglichst keinen Stich zu bekommen, denn damit hagelt es Minuspunkte. Letzte Woche haben wir es in einer Dreierrunde ausprobiert und Aaron fand es „broken“. Er hegte aber die vage Hoffnung, dass es bei mehr Spielern doch noch eine gewisse Schönheit würde entfalten können.
Ob sich diese Hoffnung heute erfüllt hat, ist umstritten. Man wird immer noch gespielt. Genauso. Wer für einen Stich zufällig keine bessere Karte auf der Hand hat als die Mitspieler, kassiert die Minuspunkte. Ob das jetzt in Konkurrenz zu zwei, drei oder vier anderen Spielern entschieden wird, macht – für manche – das Kraut nicht fett. Allerdings lässt sich über erfüllte Hoffnung genauso wenig streiten wie über guten Geschmack.
Moritzens Strategie-Vorschlag, sich bei jedem Stich von Extremkarten zu trennen, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der einzige, vielleicht. Die kleinen Teufel bleiben heiß. Oder kalt. Alles ist relativ.
Keine neue WPG-Wertung.

2. “Dash”
Nächste Woche in Essen muss Aaron den Prototyp an Mingde zurückgeben, höchste Zeit, ihn heute nochmals auszuprobieren.
Mit den besten Poker-Kombinationen rasen wir drei mal quer durch die Straßen von Singapur. Zwei Vorrennen bringen Nägel oder Nieten ein, das Hauptrennen bestimmt den Sieger. In beiden Vorrennen können wir komplett hinter dem Ofen sitzen bleiben und Kartenkosmetik betreiben, d.h. billige niedrige Karten loswerden und die Hand mit hohen Kombinationen anreichern. Mit Drillingen und Vierständern aus Zahlen von Zwölf bis Vierzehn in die letzte Runde zu gehen, bedeutet zu dreiviertel den Sieg. Für das letzten Siegviertel braucht man dann nur noch ein ganz kleines bisschen Nachziehglück.
Chrissi verfolgte konsequent diese Strategie. Im ersten Rennen rückte er kein einziges Feld vor und der Vater fragte sich schon, ob sein Sohn das Spiel überhaupt verstanden habe. War aber so, denn im dritten Rennen sah er mit seiner präparierten Kartenhand bald wie der sichere Sieger aus. Er wäre es auch geworden, wenn Aaron ihn nicht mit bösartigen Powerkarten zurückgesetzt, und den mit letzter Lunge daherkeuchenden Günther über die Ziellinie gerettet hätte. Reine Kingmakerei! Moritz kommentierte leicht indigniert: „Du schenkst immer nur Günther den Sieg!“
WPG-Wertung: Chrissis 7 Punkte kamen aus einem überzeugten Pokerherzen.

3. “Bullenparty”
Schon zweimal am Westpark aufgelegt, stand die „Bullenparty“ diesmal explizit auf Aarons Wunschliste. In geringfügiger Konkurrenz und mit zurückhaltenden Vorlieben eignen wir uns offen ausliegende Kartenstapel mit den 6-nimmt-Hornochsenzahlen von 1 bis 104 an. Die ersteigerten Karten müssen wir auf einem (oder beliebig vielen) Privatstapeln aufsteigend ablegen. Ein einziger Stapel davon bringt Pluspunkte, alle anderen Minuspunkte.
Der Wiederspielreiz hielt sich in Grenzen. Es gibt kein Alles-oder-Nichts. Alle Stapel haben Vorteile und Nachteile. Lange können wir darüber sinnieren, welcher Stapel am besten zu unserem aktuellen Kartenstand passt. Und wir können noch länger darüber nachdenken, welche Karten aus unserer zuweilen umfangreichen Kartenhand wir in welcher Weise auf unsere Plus- und Minuspunkt-Stapel ablegen.
Nach einem Durchgang hatte Aaron genug gehört und gesehen; wir verzichteten einvernehmlich auf die süße Neige.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (reißt mich nicht vom Hocker), Chrissi: 6, Walter: 5 (2 Punkte weniger als vom ersten Eindruck).

4. “Titan – the Arena”
Ein alter Klassiker aus Moritz’ Schatzkiste. Er hat es sicherlich schon hunderttausend Mal gespielt. Höchst strukturiert konnte er die Spielregeln erklären und erhielt dafür – einmaliger Vorgang am Westpark – Applaus auf offener Szene.
Wir setzen offen und verdeckt unsere fünf Wetteinsätze auf acht Familien verschiedener Monster und versuchen, in einer Kartenspiel-Konkurrenz unsere Favoriten-Familien am Leben zu erhalten. Der Spieler, von dessen Wetteinsätzen am Ende in Summe am meisten übrig geblieben ist, hat gewonnen.
Alleine kann man nicht gewinnen. Möglichst unauffällig an Familien beteiligt zu sein, mit denen auch die anderen Spieler liebäugeln, ist unabdingbar zum Sieg. Aber das ist leichter gesagt als getan. Wenn Aaron dann noch den Tip ausgibt: „Wir vier sollten versuchen, gegen den Moritz zu spielen!“, liegt schon ziemlich fest, wer in der Arena nicht gewinnen wird.
WPG-Wertung: Chrissis 8 Punkte lagen im Durchschnitt der guten WPG-Noten.

5. “Santa Cruz”
Letzte Woche schon lag Casanova-Merkels Frischling auf dem Tisch. In zwei Runden besiedeln wir eine Insel und kassieren in zwischenschaltbaren Wertungen Siegpunkte für unser Besitztum.
Das Bestreben, möglichst schnell an vielseitige siegpunktträchtige Siedlungen heranzukommen, um bei allen Mitspielerwertungen mitzuprofitieren, beißt sich mit dem Wunsch, einseitig in die eigenen Siegpunktquellen zu investieren und hierfür alleine abzukassieren.
Unsere Meinungen gingen darüber auseinander, ob die beiden identisch ablaufenden Spielrunden ein wohldesigntes Spielelement sind, oder eher aus der Not geboren wurden, die Spielzeit von 20 auf 40 Minuten zu verlängern. Für Moritz und Walter ergänzen sich die beiden Runden mit verschiedenen spielerischen Elementen zu einem gefälligen Ganzen: In der ersten Runde dominiert das unbekannte Entdecken, in der zweiten Runde das Ausnutzen bekannter Gegebenheiten an Geographie und himmlischem Segen.
Aaron und Günther dürfen Ihre hierzu gegenteiligen Ansichten als Kommentar hinterlassen. Am besten aber wohl erst, wenn sie sich in Essen bei Herrn Merkle klüger gemacht haben.
WPG-Wertung: Moritz: 6 (erinnerte sich an eine ähnliche Spielidee, mit der er schon einmal schwanger ging), Günther: 6 (obwohl er mit dem 2-Runden-System nicht einverstanden ist).

03.10.2012: Teufeleien in der Industrie von Santa Cruz

Die Dreier-Runde schwelgte im reichlichen Platzangebot am runden Tisch vom Westpark. Horst machte den Moritz, Walter machte den Günther und Aaron versuchte eine neue Stellung auf dem Stammplatz von Loredana.

Horst war hochbeglückt, sich gleich mit drei seiner Spielvorschlägen durchsetzen zu können. Kein vermeintlicher alter Platzhirsch dominierte die Auswahl.

1. “Santa Cruz”
Ein Besiedelungsspiel von Marcel-André Casasola-Merkle. Schon beim Regelvortrag ließen seine einfachen, sauberen, wohlkonstruierten Mechanismen einen gefälligen Vorgeschmack aufkommen.

Jeder Spieler erhält einen unterschiedlichen Satz von Bewegungskarten, um per Schiff, per Kanu oder zu Fuß die Insel „Santa Cruz“ zu betreten, hierauf herumzulaufen und durch das Bauen von Häusern, Türmen und Kirchen ein paar kleckrige Siegpunkte zu erwerben.

Die Lage der Bauplätze ist auf dem Spielplan festgelegt, die zulässige Bebauungsart wird erst offenbart, wenn man sich dem Bauplatz nähert. Dann erkennt man auch dessen Sondereigenschaften wie: Fischreichtum, Schafsherden, Goldadern, Salzgruben oder Vogelnester.

Das spielentscheidene Element sind unterschiedlichen Wertungskarten, von denen jeder Spieler drei Stück in der Hand hält, mit denen er zu einem beliebigen Zeitpunkt eine Besitzstandswertung auslösen kann. Wer dann z.B. ein Haus mit Fischreichtum besitzt oder vier Häuser am Fluss gebaut hat, bekommt einen richtig klotzigen Siegpunkt-Bonus.

Eine Wertung gilt für alle Spieler, nicht nur für den, der sie auslöst. Zum guten Spiel gehört es demnach, seine Wertungskriterien möglichst schnell zu erfüllen und die Wertung auszulösen, bevor die Mitspieler die Kriterien ebenfalls erfüllt haben. Dahinter steckt natürlich auch eine gute Portion Glück; weniger in der Technik, sich selbst zu belohnen, aber umso mehr darin, bei den Wertungen der Mitspieler mitzuprotifieren. Vor allem, da zu Spielbeginn nicht bekannt ist, welche Wertungen überhaupt im Spiel sind.

Das ändert sich nach dem ersten Durchgang. Jetzt werden alle Gebäude abgeräumt und mit den gleichen Karten bei aufgedeckten Bauplätzen und bekannten Wertungen ein zweiter, ganz analoger Durchgang gespielt. Der Spieler, der aktuell hinten liegt, darf seinen Satz an Bewegungs- und Wertungskarten mit dem eines beliebigen Mitspielers tauschen. Hier sollte er vor allem auf Synergien bei den Wertungskarten achten. Wenn z.B. in zwei Wertungen das gleiche Kriterium (Fischreichtum) honoriert wird, dann kann man durch eine einzige Besitzart – früher oder später – gleich zweimal dafür Siegpunkte einheimsen.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (schnell, locker, nette Mechanismen, Wiederspielreiz), Horst: 7 (möchte in seinen Wertungen seriöser werden), Walter: 7 (spielerisch, konstruktiv, Planungbarkeit und Zufallseinfluß gut kombiniert).

2. “Little Devils”
An jeden Spieler werden je 9 Karten mit unterschiedlichen Zahlenwerten ausgeteilt. Der erste Spieler spielt eine beliebige Zahl aus, der zweite Spieler legt eine beliebige Zahlenkarte dazu und (quasi) so tun es alle weiteren Spieler. Dann wird der “Stich” gewertet: Ist die Karte des zweiten Spielers höher als die des ersten Spielers, so bekommt derjenige den Stich, der die insgesamt höchste Zahl ausgespielt hat. Ist die Karte des zweiten Spielers niedriger als die des ersten Spielers, so bekommt derjenige den Stich, der die insgesamt … niedrigste (claro) Zahl ausgespielt hat.

Stiche zu bekommen, ist kontraproduktiv, denn jede Karten zählt entsprechend der aufgedruckten Anzahl von Teufelsköpfen (bei „6 nimmt“ entspricht das den Hornochsen) negativ. Man sucht das tunlichst zu vermeiden. Wie macht man das? Leichter gesagt als getan. Der Ausspieler bekommt den neuen Stich offensichtlich niemals. Der zweite Spieler bekommt den Stich ebenfalls nicht, wenn er einen unmittelbar benachbarten Zahlenwert legt. Dann muss (bei drei Spielern) der dritte Spieler notgedrungen in den sauren Apfel beißen. Hat der zweite Spieler aber keine benachbarte Karte, so spielt er halt eine möglichst naheliegende Karte und kann nur hoffen, dass der dritte Spieler keine Karten mit einem Zahlenwert dazwischen hat. So einfach ist das. Es soll Schlimmeres geben.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (vielleicht ist es ab 4 Personen besser), Horst: 6, Walter: 4 (allein für Preis/Leistung; mehr oder weniger ein Dödelspiel, keine Strategie, keine Taktik, keine Kartenpflege, klein Plan).

3. “Industria”
In Zweifel, ob das 12 Jahre alte Spiel in unserer heutige Runde+Stimmung geeignet war, haben wir schnell mal beim geschätzten H@LL9000 nachgeschaut. Dort schrieb Kathrin Nos: „Wer bereit ist, sich auch über eine Kennlern-Partie hinaus mit Industria zu beschäftigen, und Versteigerungsspielen nicht generell abgeneigt ist, wird mit einem anspruchsvollen, spannenden und herausfordernden Spiel belohnt und erhält einen vielschichtigen strategischen Leckerbissen serviert.“ Das klingt doch mehr als vielversprechend!

Das Regelheft läßt uns ein zum Steuern unserer „Dynastie durch die industriellen Epochen von der Tongrube bis zum Roboterwerk. Erleben Sie die Entdeckung und Nutzung der Dampfkraft, die ersten Maschinen und die Elektrizität. Errichten Sie Fabriken und sichern sie ihrer Dynastie Wege und Schiffffahrtsrechte.

„Entdecken“ und „erleben“ ist ziemlich euphemistisch ausgedrückt. Es ist ein simples pomadiges Ersteigern, das uns mit diesen technischen Errungenschaften konfrontiert, die als mäßig bunte Kartonplättchen offen ausliegen. Haben wir ein Objekt-Plättchen ersteigert, haben wir zusätzlich die vorgeschriebenen Rohstoffe zum Errichten des Objekts zur Hand, und legen wir auch noch einen vorgeschriebenen Geldbetrag drauf, dann können wir unser Sägewerk, unsere Eisenhütte, die Kokerei oder die gentechnische Fabrik auch in Betrieb nehmen und Holz, Eisen, Koks oder Homunculi für den Eigen- bzw. Fremdbedarf erzeugen.

Der ach so spannende Verteigerungsprozess ist ein totgeborenes Kind. Reihum wechselnd wählt ein Versteigerer eines von drei ausliegenden Plättchen zur Versteigerung aus und jeder Mitspieler darf genau einmal einen Geldbetrag darauf setzen. Am Ende entscheidet der Versteigerer, ob er den höchsten gebotenen Geldbetrag nimmt oder sich das versteigerte Plättchen lieber selber aneignet. Und zwar kostenlos! Nimmt er es selber, so darf der nächste Spieler das nächste Plättchen versteigern. Nimmt der Versteigerer lieber den Geldbetrag und lässt einem Mitspieler das gebotene Plättchen, so behält er die Versteigerungsrolle und darf auch das nächste Plättchen versteigern. Und so weiter …

Aus Sicht der Mitbietenden ist das ziemlich witzlos, denn für ein attraktives Plättchen können sie soviel bieten wie sie wollen, am Ende nimmt es der Versteigerer – ätschebätsch – doch an sich, und zwar ohne Rücksicht auf die auktionistischen Bemühungen aller Mitspieler. Unattraktive Plättchen kann ein Versteigerer schon mal abgegeben. Dann bekommt er kostenlos ein bisschen Geld (falls es einem Mitspieler das wert erscheint). Von den übrigen ausliegenden Plättchen kann er sich später immer noch das beste unter den Nagel reißen.

Für den Versteigerer ist es allerdings ein gewisses Risiko, nur mal so aus Jux und Tollerei unattraktive Plättchen zu versteigern. Unter Umständen bleibt er darauf hocken und muss nun seine Versteigerungsrolle abgeben. Gegen dieses Wie-die-Jungfrau-zum-Kinde-Kommen hilft nur die Triviallösung: jeweils das beste Stück zur „Versteigerung“ auswählen und es sich selber aneignen! Das ist einfach und macht das Spiel schnell. Der ganze hier vorgeschaltete Versteigerungsmechanismus ist schlichtweg für die Katz.

Auch sonst läuft das Spiel ziemlich zäh ab. Die Spieler haben nicht das geforderte Baumaterial, um ihre Fabriken zu bauen. Nicht-gebauten Fabriken können das für andere Fabriken geforderte Baumaterial nicht herstellen. In jeder Epoche fehlt es an Saft und an Kraft. Und wenn ich dann doch mal mit Blut, Schweiß und Tränen eine Eisenhütte errichten konnte, dann gibt es im gesamten Spiel maximal mal drei Abnehmer, die Interesse an meinen Produkten haben, und ich kann mit maximal drei Gulden Einkommen mein Konto beglücken. (Was immer das auch wert sein mag.)

Eine totale Fehlkonstruktion ist das „Sägewerk“. Sein Bau kostet 3 Gulden, Siegpunkte liefert es keine und siegpunktträchtige Außenwirkungen besitzt es auch nicht. Es liefert lediglich Holz, das unter Umständen 2-3 Gulden einbringt. Ein glattes Verlustgeschäft. Der unglückliche Besitzer des Baugeländes lässt diesen seinen Bauplan besser in der Schublade.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (das Potential in Idee und Aufbau nicht genutzt, der Versteigerungsmechanismus ist „broken“), Horst: 6 (drückte sich selber in seinem Seriösierungsprozess um einen Punkt), Walter: 5 (siehe Aaron).

Über die Kernenlern-Partie hinaus werden wir uns wohl nicht mehr mit „Industria“ beschäftigen. Mein Gott, Bernd, Du hast 5 von 6 Punkten dafür vergeben! Da scheint der Michael mit seinen 3 Punkten doch eher unseren Geschmack zu repräsentieren.

4. “Trawler”
Der Abend war noch jung und Aaron durfte mit „Trawler“ seine zweite Eigenentwicklung unserem Hebammenteam vorstellen. Mit Trawler und Kutter schippern wir durch Wattenmeer und Hochsee, fangen Haie und kleine Fische, verscherbeln sie auf dem Jahrmarkt oder stellen damit ausgewählte Einkaufskörbe zusammen.

Aaron hat am Preistableau gedreht, ein neues Tiefkühlfach eingebaut und lässt fischelnde Fische verbrauchergesetzlich auf dem Müll landen. Die Balance des Ganzen sollte neu unter die Lupe genommen werden.
Leider hat uns der Autor zu Spielbeginn eine ganz wichtige Regel falsch handhaben lassen: Die Fische fliegen nicht von selber in unsere Laderäume, sondern wir müssen einen Teil der Energiepunkte unserer Fischereiflotte für deren Einladen ausgeben und können nicht alles allein für das Aufsuchen lukrativer Fischgründe verbrauchen.

Durch diesen Fehler waren alle viel agiler als vorgesehen. Die Laderäume wurden voll, die Fischgründe leer, die Kunden satt und das Spiel zu Ende. Leider keine einzige neue Erkenntnis über die aktuelle Balance. Aber in jedem Fall genügend Vorfreude auf den nächsten Test.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

PS
Hallo Birgit, grüß’ mir bitte den Beißa!

26.09.2012: Rauf und Runter auf der Seidenstraße

Anfang September war Aaron auf einem dreitägigen Seminar über „Grundlagen der Spiele-Entwicklung“. Der (auch in der Spielszene) engagierte Christwart Conrad (u.a. „Pfeffersäcke“) vermittelt hoffnungsvollen und hoffnungslosen Spiele-Autoren das Rüstzeug, in ihren wild wuchernden Ideen möglicherweise genießbare Früchte zu erkennen und sie durch fachmännisches Beschneiden in bekömmliche Bahnen zu lenken.

Am Ende gab Lother Hemme von den „Ravensburgern“ noch einen Einblick in das quirlige Leben, das sich bei renommierten Spielverlagen am Eingangstor für Autoren abspielt. 1500 Spiele-Ideen werden jedes Jahr bei den Ravensburgern eingereicht. Ein Großteil davon sind (leider nur) Varianten von Mensch-ärgere-Dich-nicht, Monopoly und Kniffel. Solche werden a priori aussortiert. Etwa 500 Spiele schaffen es durch das Eingangsfilter. Die anschließenden Testprozeduren in ausgewählten Spielerkreisen benötigen nochmals bis zu einem ganzen Jahr. Solange muss der Autor warten, bis er erfährt, ob sein Spiel angenommen wird oder nicht. Nur etwa 20 der ursprünglich 1500 eingereichten Spiele schaffen die Reifeprüfung und werden produziert. Bei den Ravensburgern im Durchschnitt in einer Auflage von immerhin 65.000 Stück. Mit einem Honorar von 3 bis 6% des Händler-Einkaufspreises ist der Autor dann dabei.

21 Teilnehmer waren zur Fortbildung angetreten. Jeder hatte mindestens ein eigenes Spiel in der Tasche. Manchmal nur das Material, manchmal nur die Idee, meist aber auch beides. Aaron war mit seinem „Yunnan“ angetreten. Die Resonanz war positiv. Es gibt sogar schon einen Verlag, der dafür sein Eingangstor aufgemacht hat. Ausreichend Gründe, die Effekte der neuesten Beschneidungsmaßnahmen mal wieder unter die Lupe zu nehmen.

1. “Yunnan”
So nebenbei hatte Aaron auf dem Seminar gelernt, wie man richtige Spielschachteln bastelt. Flugs hatte er sein Wissen umgesetzt: aus einer perfekten Box mit gefälligem Design und professionellen Aufschriften für Spieleranzahl, Spiedauer und Schwierigkeitsgrad brachte er seine Pöppel, Scheiben, Klötzchen, Spielplan, und Kurzanleitungen hervor. (Siehe Bild!)Yunnan box & contents
Wir managen Händler, Schlägerbanden, Pferde, Kontore und Bergstraßen. Wir ersteigern die Steigerung der Potenz oder wir gehen zur Bank und kassieren Teile des öffentlichen Potenzsteigerungserlöses. Wir machen Gewinne, die wir in Siegpunkte umwandeln oder uns für unsere nächsten Investitionen in Bargeld ausschütten lassen.

Aarons letzte Änderungen gingen im Wesentlichen gegen die Übermächtigkeit der Bank: Wer sich auf den Entwicklungsleisten engagiert hat, darf jetzt nicht mehr in die Bank gehen, und wer in die Bank gegangen ist, darf sich nicht mehr entwickeln. Zudem zahlt die Bank nur noch einen Bruchteil des dort eingesammelten Geldes. Die Kontore wurden lukrativer gemacht und ein zu einseitiges Vorpreschen der Händler wurde erschwert. Moritz grummelte: „Komisch, dass Du immer die Regeln gegen die Strategien änderst, mit denen ich jeweils gewonnen habe!“

Aber Moritz wäre nicht Moritz, wenn er nicht sofort eine neue aussichtsreiche Strategie ausfindig machen würde. Er behielt immer nur genau soviel Geld zurück, wie er für den nächsten genau anvisierten Entwicklungsschritt benötigte und legte den Rest unverzüglich in Siegpunkten an. Damit kam er vom Start weg auf der Siegpunktleiste voran und drohte, vorzeitig die Sieg-Ende-Bedingung zu erfüllen. Sofort machte sich auch Walter diese Strategie zu eigen, und zwar so erfolgreich, dass er nach wenigen Runden weit vor Moritz, Aaron und Günther (sic!) die Ziellinie überschritt.
Vergeblich versuchte Günther zu argumentieren, dass diese offensichtliche Siegstrategie eigentlich keine Strategie sei, dass es mathematisch gesehen absolut unerheblich sei, zu welchem Zeitpunkt man sein Geld in Siegpunkte verwandelt, wenn man es nur rechtzeitig vor Schluss täte. Er drang damit nicht durch. Wer hört schon auf den Letzten! The winner takes it all!

Neue Regeln, neue Erfahrungen. Aaron schlug gleich eine zweite Runde mit ein paar bereits vorbereiteten Erweiterungen vor. Frohgemut wurde der Vorschlag angenommen. Lust und Frust in der Seidenstraße waren weiterhin ungebrochen.

Nun kamen zufallsgestreute Ereigniskarten ins Spiel, die auf das Händlergetümmel in der Seidenstraße einwirkten: in jeder Region wird die Anzahl der Händler begrenzt. Von den überzähligen Händlern werden diejenigen mit den schwächsten Schlägerbanden entfernt. Diese Neuerung erwischte heute immer wieder Moritz. Entweder hatte er die schwächsten Fäuste aufzuweisen oder er war gemäß Zugreihenfolge der Betroffene: ein, zwei, ja sogar drei seiner Händler mussten zurück in die Heimatfront befördert werden. Diese Schlüsselzuweisung ging ihm gewaltig auf den Keks. „Dann höre ich sofort auf!“ tönte er aufgebracht, als er mal wieder zwei Händler verlieren sollte. Er wollte die Belastung auf mehrere Köpfe verteilt sehen. Nur mit vereinten Engelszungen ließ er sich doch noch umstimmen, die Original-Spielregel des Autors unverändert zu akzeptieren. Doch er ließ zu Protokoll geben: „Ich finde diese Regel Scheiße!“ Wie kann man eine kreative Künstlernatur auch dazu zwingen, lebenswichtige Spielzüge unerbittlich genau dann zu tun, wenn sie notwendig sind!

Sein Spieleifer war gebrochen, nur noch „aus Höflichkeit“ spielte er bis zum Ende weiter. „Man wird gespielt! Es werden zu wenig Zugmöglichkeiten geboten, und über die muss man auch noch lange nachdenken!“ Ach Gott, wie lange würde ein Spiel am Westpark dauern, wenn es zu viele Zugmöglichkeiten gäbe, über die man auch noch lange nachdenken könnte!

Die unstreitig eingeschränkte Zugauswahl lag heute auch daran, dass kein einziger Spieler in die Bank ging. Die paar Kröten, die es dort gab, waren den Verzicht auf jeglichen Entwicklungsfortschritt nicht wert. Diese Restriktion mußte gelockert werden. Auf zum dritten Versuch. Immer noch mit Begeisterung. Ohne Gegenstimme. Mit freiem Zutritt zur Bank!

Beim dritten Spiel durfte man wieder gleichzeitig entwickeln und banken. Günther ging als Startspieler schnurstracks in die Bank. Da gerade in der Startphase für die Entwicklung keine Kosten gescheut werden, wurde er hier auch bei dem geringeren Bruchteil an Geld-Ausschüttung so reichlich mit Finanzmitteln eingedeckt, dass er die spätere Materialschlacht um Händler, Pferde und Kontore mit großem Vorsprung gewinnen konnte. Die Flügel der Banken müssen wieder beschnitten werden. Aaron weiß schon, wie.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

“PS: Schachtel”
Bei MS-WORD habe ich ein Synonym für das Wort „Schachtel“ gesucht. Was glaubt Ihr wohl, was dort alles angeboten wird?! Von „Dose“ und „Behälter“ gelangt man über „Beleidigung“ bis hin zur „Frau“! – Ach, meine schmutzige Phantasie will die Synomye jetzt nicht weiter hinterfragen …

05.09.2012: Luminaria eruditio praecox

Kickstarter” ist eine Internetplattform zur Finanzierung von Projekten über das Sammeln von Geldern aus einer breitgetreuten Öffentlichkeit (“crowdfunding”). Die Kapitalsucher, vor allem Künstler und Erfinder, geben eine Mindestsumme vor, die erreicht werden muss, damit ihr Projekt realisiert wird. Ist die Summe beisammen und wird das Produkt – eine Symphonie, ein Film, ein Spiel – hergestellt, so erhalten die Kapitelgeber ein Exemplar davon. (Eine Garantie für die Lieferung der versprochenen Leistungen oder für die zweckgerechte Verwendung des zugesagten Geldes gibt es allerdings nicht.)

Aaron, Günther und Moritz haben sich an Crowdfunding-Projekten für Spiele beteiligt. Moritz war jetzt der erste Glückliche, dessen Projekt verwirklicht wurde. Mit nur minimalen Schwierigkeiten beim Münchener Zoll und mit nicht ganz so minimalen Aufschlägen für Porto und Verpackung konnte er sein subskribiertes „Road to Enlightenment“ in Empfang nehmen. Dazu später.

1. “Bullenparty”
Vorab zum Warming-Up das Hornochsenspiel von letzter Woche. Wir ersteigern Hornochsenkarten, um sie sauber aufsteigend geordnet auf unserem einen Siegpunktstapel abzulegen oder weniger geordnet auf ein bis viele Strafpunktstapel zu verteilen.

Horst als Neuling versuchte sich mit der natürlichen kleckerigen Vorgehenweise, jeweils wenige aber passende Karten zu ersteigern, um möglichst ohne Strafpunkte auszukommen. Die anderen drei hatten schon Günther klotzige Raffstrategie verinnerlicht und nahmen alles mit, was sich anbot, Hauptsache viel. Für eine großen Geist sind die Strafstapel keine Abschreckung.

Günther war trotz der beiden gleichfalls allesfressenden Konkurrenten der weitaus erfolgreichste Bulle. Irgendwie schaffte er es, nicht nur viele, sondern vor allem auch dicke Hornochsen auf seinem Haben-Konto zu verbuchen. Das eigentlich ganz einfache Kartenspiel enthält doch mehr Facetten taktischer Feinheiten als der gesunde Menschenverstand es anfangs vermuten läßt.

Moritz war trotzdem nicht zufrieden: „Das Spiel gefällt mir immer weniger. Man muß einfach dumpf alle Karten nehmen! Das Spiel ist nicht direkt spannend.“ Dass es mit dem dumpfen Kartennehmen allein nicht getan ist, zeigte Güthers deutlicher Sieg. Man braucht auch ein geschicktes Strafkartenstapelmanagement. Für mehr Moritzsche Spannung schlug Günther vor, bei der nächste Auflage Orcs anstatt Hornochsen aufzudrucken. Damit ist allerdings dessen Bedürfnis nach eleganten Kampfwürfeln noch nicht befriedigt.

WPG-Wertung: Horst bliebt mit seinen 6 Punkten weitestgehend im WPG-Durchschnitt.

2. “Road to Enlightenment”
Moritz hatte sich letzte Woche auf dieses sein Kickstarter-Spiel vorbereitet. Für heute hatte er leider schon wieder alles vergessen. Etwas mühselig und beladen schleppten wir uns durch die 11 eng bedruckten Seiten höchst anspruchsvoller Spielanleitung.Road to Enlightenment card

Der Spielplan zeigt Europa nach dem 30-jährigen Krieg. Das malträtierte Deutschland ist zersplittert von Oslo bis Neapel. Kompakt präsentieren sich darum herum die stolzen Nationen wie England, Frankreich, Österreich, Polen, Schweden, und ein bisschen abseits Russland und Spanien. Diese Nationen warten nur darauf, sich das eine oder andere Stück vom Nachbarland unter den Nagel zu reißen. Ganz von der Ferne könnte hier das phantastische „Friedrich“ Inspirationswellen ausgesendet haben.

Der Motor des Spiels sind 134 verschiedene, höchst elegante Kampfkarten, mit Persönlichkeiten aus den Gebieten Militär, Politik, Wissenschaft, Kunst und Religion. Daraus sucht sich jeder frei Hand (aber verdeckt) ein zehnköpfiges Ensemble zusammen, mit dem er in den Ring steigt. Bei jedem Zug darf ein Spieler all seine Kampfkarten ausspielen, entweder in einem oder zwei Angriffen, für Gelderwerb (der Krieg ist teuer und ernährt sich keinesfalls selber) oder für Erfolge in seiner Aufklärung. Ein Spieler darf auch ein paar Karten zurückhalten, um sie später zur Verteidigung einzusetzen, wenn er selber einmal angegriffen werden sollte.

Bei einem Angriff werden die Stärkepunkte jeder gespielten Karte (Werte zwischen 0 und 5) zusammengezählt, dazu noch das Angriffspotential einer Nation (Werte zwischen 4 und 10) und ggf. ein Angriffsbonus seines Maximo Leader (0 bis 2). Für jeden hier aufaddierten Punkt darf man einen eleganten Kampfwürfel in die Hand nehmen und damit um den Sieg würfeln. Schafft man es, mit allen Kampfwürfeln zusammen insgesamt vier Sechsen zu würfeln, so ist die Schlacht gewonnen und die gegnerische Stadt eingenommen. Der Theorie nach sollte man das im Durchschnitt mit vierundzwanzig Würfeln schaffen, wir brauchten heute in der Praxis deutlich mehr und so mancher hoffnungsvolle Angriff versandete in läppischen Zweien und Dreiern.

Road to Enlightenment boardWalters massiver Angriff auf das katholische Schlesien wurde hingegen schon im Entstehen von Moritz mit einer einzigen Kampfkarte abgewürgt: Papst Innozenz XI luchste ihm mittels seiner Finanzkraft mehr als die Hälfte aller Kampfwürfel ab. Das brachte den schwedischen König Karl XII natürlich gewaltig in Harnisch. Sein Wunschtraum, eine Nacht in der Münchener Residenz verbringen zu können, war zerstoben. Am liebsten hätte er das bereits zwei Stunden lang dahindümpelnde Spiel unverzüglich abgebrochen. Doch er fand dafür bei seinen Mitkönigen keine Unterstützung.

„Road to Enlightenment“ ist ja auch kein Kriegsspiel. Moritz betonte es immer wieder und verfolgte in seinem Vorgehen auch eine ganz andere, vielversprechendere Strategie. Er brach keinen einzigen Krieg vom Zaun, dagegen arbeitete er hartnäckig, konsequent und ununterbrochen an seiner Aufklärung. In Wissenschaft und Kunst war er bald auf unerreichten Höhen, und schlußendlich konnte er die Waagschale auch noch zugunsten des Katholizismus kippen lassen. Das brachte ihm den Sieg.

Doch das Spiel funktioniert nicht. Hier nur ein Ausschnitt aus der Mängelliste:

  • Kein Spannungsbogen, von Anfang bis Ende der gleiche, zäh Ablaufmechanismus
  • Für den gleichförmigen Spielverlauf sind drei Stunden Spielzeit – bei nur vier von sieben Mitspielern! – viel zu lange
  • Die militärischen Aktionen sind viel zu aufwendig und viel zu wenig honoriert. Davon sollte man die Finger lassen. Damit aber sind 90% des Spielbretts überflüssig und der ganze Kampf reduziert sich auf ein Herumgeschiebe auf den drei Entwicklungsachsen Religion, Wissenschaft und Kunst.
  • Kein einziges Mal wurde gegen Mitspieler gekämpft. (Alles brotarme Erobern ging gegen das beklagenswerte Deuschland.) Warum sollte man auch zuerst eine teure Diplomatiekarte ausspielen um dann in einen riskanten Mitspielerkrieg zu ziehen, wo man gegen das neutrale Deutschland doch alles viel billiger und sicherer bekommt?
  • Polen focht keinen einzigen Seekampf. Dazu ist seine Hausmacht auch viel zu klein. Warum wird diese Alternative dann aber überhaupt angeboten? England focht ausschließlich Seekämpfe. Notgedrungen. Warum hat es dann aber überhaupt eine (mickrige) Landstreitkraft?
  • Die 134 verschiedenen Kampfkarten sind unnötig kompliziert, mühsam zu händeln und auszurechnen, und doch – außer bei einigen chaotischen Sonderwirkungen – ist ihr Effekt zu monton. Weniger wäre mehr.
  • Der Geldetat der verschienden Nationen ist absolut funktionslos. Bei dem wenigen Krieg, den man sinnvollerweise führen sollte und kann, ist die Kriegskasse immer voll. Man braucht keinerlei Anstrengung auf den Gelderwerb zu verwenden.

Die Ungereimtheiten des Spiels ernteten aber bald kein mißbilligendes Nasenrümpfen mehr, sie wurden eher mit einem schallenden Gelächter quittiert. Moritz fiel dazu eine Situation aus dem englischen Fernsehen ein, die ebenfalls schallendes Gelächter auslöste. Der erste Teil der Pointe war: „Wie kann man sich nur über etwas so Winziges derart freuen!“

Auf der Positiv-Seite sei vermerkt, dass das Spielmaterial höchst professionell hergestellt ist: bester Karton, Hochglanz-Karten, saubere Gulden und griffige Klötzchen in einer stabilen Schachtel. So wird das Material wohl auch in die ewigen Jagdgründe eingehen.

WPG-Wertung: Günther: 2 (der Autor hätte die jahrelange Arbeit, 134 verschiedene Persönlichkeiten zu skalieren, besser in funktionierende Spielmechanismen investiert), Horst 3 (es ist ein Wargame ohne War), Moritz: 4 (für den Entwicklungsaufwand des Autors. Viele hübsche Ideen sind angedacht, doch das Spiel hat Probleme), Walter: 3 (Fleißarbeit in Geographie und Geschichte macht noch kein spielbares Spiel).

Aaron und Günther fiebern schon ihren eigenen Crowdfunding-Spielen entgegen. Jetzt mit noch erhöhter Zitterfrequenz. Moritz freut sich schon darauf, die Kickstarter-Variation für „1830“ in die Pfanne zu hauen.

3. “Trans Europa”
Die Diskussion, ob man beim Bau des Schienennetzes zuerst in seiner eigenen Schwerpunktecke, oder eher im gemeinsamen Zentrum anfangen soll, hat nach wie vor keinen klärenden Abschluß gefunden. Wie sollte man das auch entscheiden?

Walter versuchte es mit folgender Aufgabenstellung: Jeder bekam die gleichen Städte London, Warschau, Riga, St. Petersburg und Sofia zugeteilt und sollte geheim aufschreiben, an welcher Stelle er anfangen würde. Zwei Fraktionen schälten sich heraus: Die „Berliner“ fingen im Zentrum an, die „Warschauer“ auf ihrerer eigenen Seite. Doch welche Fraktion wäre besser aufgestellt gewesen? Kann da jemand Entscheidungshilfe beisteuern?

Kein neue WPG-Wertung.

4. “Bluff”
Keine besonderen Vorkommnisse. Horst konnte die Absackerpartie mit 5:0 für sich entscheiden.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

“PS”
1. Nicht Horst’s Nachbar ist abgebrannt, nur dessen Hecke. Es war aber ein beeindruckendes Schauspiel.
2. Hallo Aaron, hast Du die ägyptischen Korallen-Nixen alle selber flicken können und hast Du dazu die Hilfe von Basti in Anspruch nehmen müssen?

29.08.2012: Gruß aus Singapur

Meng Tuck, genannt Mingde, ein Student aus Singapur, war vor zehn Jahren regelmäßiger Gast am Westpark. Bei Drachengold, Acquire, Junta, Emmerlaüs, Carcassonne, Dune, Gangland und Origins of World War II war er mit wachsender Begeisterung dabei. Beim ersten Besuch mußte ihm Peter noch verklickern, dass wir nicht um hohe Geldbeträge zocken, sondern die Freude am Spiel das einzige Motiv unserer Spielabende war.

Als er in seine Heimat zurückkehrte, nahm er den festen Vorsatz mit, auch in Südostasien das gesellschaftliche Brettspielen zu praktizieren. Offensichtlich mit Erfolg. Er betätigte sich sogar als Spieleerfinder und gründete mit „Cardboard Island Games“ einen Spieleverlag. Damit war er letztes Jahr auf der „Spiel 2011“ in Essen mit einem eigenen Stand vertreten. In der Hauptsache aus Marketinggründen; das Material seiner Spieleerfindungen lag nur als Prototyp vor. Abhängig von der Nachfrage sollte entschieden werden, ob das Spiel in die Produktion gehen sollte oder nicht.
Die Würfel sind gefallen, Mingde war zufrieden. Heuer in Essen werden seine Spiele erstmal zum Verkauf angeboten. Wir erhielten zum Spielen und Testen eine Vorabversion.

1. “Dash”
„Dash“ ist nicht nur ein kurzer waagrechter Strich, das englische Wort bedeutet auch so viel wie flitzen oder lospreschen. In „Dash“ geht es um ein Wettrennen. Im das Stadtgebiet von Singapur müssen wir zwei Vorlaufrennen und ein Finale bestreiten.

Um im Rennen vorwärts ziehen zu dürfen, müssen wir einen Rennkarten-Kampf a la Poker gewinnen. Wer die höchste Einer-Karte, das höchste Pärchen oder das höchste Trio (Street, Flash oder Drilling) ausspielt, hat die Runde gewonnen und zieht 2, 5 oder gar 8 Felder vorwärts, alle anderen kommen auch ein Stück vorwärts, aber signifikant weniger weit. Der Startspieler einer Bietrunde entscheidet, ob mit 1, 2 oder 3 Rennkarten gekämpft wird. Der Gewinner einer Runde ist der nächste Startspieler.

Dash – Endspurt im dritten Rennen

In einer Runde darf ein Spieler beliebig oft eine weitere Kartenkombination ausspielen. Jede Kombination muß – im Poker-Sinne – höherwertig sein als der Vorgänger. Zwischen zwei Kartenkombinationen darf ein Spieler zusätzlich noch „Powerkarten“ ausspielen: diese gewähren ihm Vorteile wie additive Vorwärtsschritte oder ein Auffüllen der Kartenhand; leider sind darunter auch ein paar chaotische Ärgerkarten, z.B. einen beliebigen Spieler um einige Felder zurückzusetzen oder – via Sonder-Powerkarten – ihm einige Karten aus seiner Kartenhand zu entfernen. Offensichtlich geht es in der Welt nicht ohne solche destruktiven Elemente.

Als Kartenreservoir besitzt jeder Spieler das gleiche Set von 70 Rennkarten. Davon darf er maximal 11 Karten auf der Hand halten. Ein Kartenset muss für alle drei Rennen ausreichen. Die Karten sind knapp kalkuliert. Wer sich zu früh verausgabt, bleibt früher oder später auf der Strecke. Dabei kann man es sich allerdings leisten, in den ersten beiden Rennen das Ziel in weiter Ferne zu lassen. Nur das letzte Rennen entscheidet über Sieg oder Niederlage.

Warum überhaupt die Vorlaufrennen? Der Sieger erhält eine Anzahl Sonder-Powerkarten, die er sich für das letzte und entscheidende Rennen aufsparen sollte. Mit den Vorlaufrennen kann und sollte man natürlich auch Kartenpflege betreiben: kleine, schwache Einzelkarten zielbewußt und emotionslos abwerfen, um später mit einer geballten Hand von hochkarätigen Drillingen das Finale zu bestreiten.
Leider ist der Bonus durch die Sonder-Powerkarten erstens zufallsgesteuert und zweitens nicht übermäßig mächtig. Wer z.B. drei gleiche Trap-Karten zieht, mit denen er seinen Mitspielern Steine (Durian = Stinkfrucht genannt) in den Weg legen dürfte, dem Rennverlauf aber gerade Letzter ist und diese Stink-Steine nur hinter sich selbst, nicht aber vor die Füße der Gegner legen darf, der hat gar nichts davon.

Moritz fand hier sofort eine vorzügliche Verbesserung: Die Sonder-Powerkarten, die für den Sieg in einem Vorlauf zu gewinnen sind, sollten offen ausliegen, und der Sieger sollte sich seine Prämie daraus frei auswählen dürfen. Damit bekämen die Vorläufe eine deutlich höhere Bedeutung, und man würde sie nicht nur als lästige Pflichtaufgabe absolvieren, um sich erst im Finale ins Zeug zu legen.

Insgesamt eine hübsche Kombinatiion aus Stichspiel und Wettrennen. Eine ganze Reihe verschiedener Spielelemente ist harmonisch zu einem recht interaktiven Spiel vereinigt. Das Spielmaterial ist höchst gediegen, das Regelheft übersichtlich und klar. Für ein Erstlingswerk eine sehr ansprechende Leistung.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (aus seiner Erinnerung von Essen 2011), Günther: 6 (durch Tuning könnte man daraus sogar ein 8er-Spiel machen, Moritz: 7 (neuartige gefällige Grafik, auch für Gelegenheitsspieler geeignet), Walter: 7 (plus Mingde-Bonus minus Ärger-Karten).

2. “Dominant Species – The Card Game”
Das Kartenspiel um das evolutionäre Gerangel (siehe Session-Report vom 22.08.2012) hat bei uns Freunde und Gegner: zweimal die Note 8 und zweimal die Note 3! Günther, der von seinen Spielvorlieben her eher eine Affinität zur 3-Punkte-Franktion hat, stand Moritz’s Spielvorschlag zunächst skeptisch gegenüber. Als ehrlicher Makler sollte er dann aber eine abschließende Entscheidung fällen.
Gleich bei der Kartenausteilung zeigte sich ein – in meinen Augen entscheidender – Nachteil zu „Dash“: Die Mitspieler bekommen unterschiedlich wertige Karten aus einem für alle gemeinsamen Kartenset zufällig zugeteilt. Wer Glück hat, schwelgt in hochwertigen Würmern und Vögeln, wer Pech hat dümpelt mit minderwertigen Spinnen und Affen durch die Natur.

Moritz’ ursprüngliche Kartenhand bestand aus fünf Sonderkarten und nur zwei Tierkarten. Damit mußte er sich nolens volens zurückhalten und paßte die ersten drei Runden. Günthers Hand strotzte vor mickrigen 2er und 3er Tieren, mit denen er ebenfalls keinen Pappenstil gewinnen konnte. (Entweder aus Prinzip oder weil er das Spiel noch nicht kannte, verfiel er deswegen aber nicht in ein berühmt-berüchtigtes Karten-Beklage-Gejammer.) Walter konnte sein Glück vor lauter 8er Tieren gar nicht fassen.

Moritzens Erste-3-Runden-Passen wurde als Taktik angesehen: Kartenpflege für die lukrativen Runden am Ende. Schließlich werden allein in den letzten beiden Runden (= 20% des Spiels) vierzig Punkte (= fast 50% der Gesamt-Punkte) vergeben. Günther und Walter konterten mit einer Absprache: Bei geringsten Geboten an Zahlen und Symbolen beendeten sie jeweils mit Gleichstand die Bietrunde; beide strichen jeweils die vollen Siegprämien ein.

Auch Moritz reihte sich später in die Kooperationsstrategie ein, sobald ein Spieler schwächelte. Die Kartenhände wuchsen ins Unermessliche (na ja). Auch dieser Effekt scheint uns mit dem festen Kartenlimit bei „Dash“ besser gelöst. Alles spitzte sich auf eine Materialschlacht in den letzten Runden zu.

Jetzt mußte man seine Kartenhand natürlich frühzeitig leerspielen. Weil in jeder Runde jeder ja nur maximal soviel Karten spielen darf, wie der schwächste im Bunde, konnte man mit einer Minimalhand seine Gegner unter Druck setzen. Am Ende entschied Günther mit mächtigen Powerkarten die zehnte Runde für sich. In der Gesamtwertung reichte es aber nicht, seine Durststrecke im Mittelteil wettzumachen. Auch Moritz konnte seinen unfreiwilligen Spar-Rückstand aus den Anfangsrunden nicht wieder aufholen.

WPG-Wertung: Günther: 6 (locker), Moritz: 8 (besser als „Schnuff“ – spielt er das etwa schon mit seinem Sohn Milo?), Walter: 5 (hat sich an die Ärgerkarten gewöhnt).

3. “Bullenparty”
Die Familie der Hornochsen aus der Gattung „6 nimmt“ hat wieder Nachwuchs bekommen. Diesmal hat aber der Hausfreund seine Hände (oder was auch immer) im Spiel (oder wo auch immer) gehabt: Die Karten mit den Zahlen von 1 bis 100 und einer unterschiedlichen Anzahl von Hornochsensymbolen sind geblieben. Charakter und Spieltechnik sind hingegen total anders.

Auf dem Tisch liegt – a la „6 nimmt“ – eine Anzahl von Kartenreihen. Jeder hat 5 Zahlenkarten und einen Null-Ochsen in der Hand und spielt davon verdeckt eine Karte aus. Wer den Null-Ochsen spielt, nimmt diese Karte wieder auf die Hand und geht in die nächste Runde. Wer eine Zahlenkarte spielt, muß diese Karte abgeben und nimmt sich dafür einen der ausliegenden Stapel auf die Hand. Die niedrigste Karte darf zuerst wählen.

Jetzt muß er bis auf 5 alle Zahlenkarten seiner Hand ablegen: wohlgeordnet aufsteigend auf offen vor sich ausliegende Kartenstapel. Die Hornochsen in einem dieser Stapel sind am Ende seine Siegpunkte, die Hornochseln in allen anderen Stapeln sind Minuspunkte.

Vor den Minuspunkten braucht man keine Angst zu haben. Früher oder später sind sie unvermeidlich. Man kann beliebig viele 1-ochsige Strafpunkt-Stapel anlegen und hat doch erst eine Handvoll Minuspunkte auf seinem Konto. Schafft man es aber, die hochzähligen Hornochsenkarten alle auf seinem einen Siegpunkt-Stapel – wohlgemerkt wohlgeordnet – unterzubringen, und kassiert auch noch die Ochsenprämie für aufgenommende Stapel der Länge 5, so ist einem der Sieg nicht mehr zu nehmen. Günther verfolgte diese Divertimento-Politik. Mit fünf schlanken Strafstapeln und einem dickbäuchigen Siegesstapel kam er auf über 50 Siegpunkte. Walter gelang das Kunststück, alle seine Karten auf einem einzigen (Gewinn-)Stapel abzulegen. Er kam dabei aber nur auf 33 Siegpunkte.

Fazit: Jeder Strafstapel sollte zur Zahl der enthaltenen Hornochsen auch mit konstanten 5 Minuspunkte bestraft werden. Oder mit der geometischen Reihe von 1, 3, 6, 10 … Minuspunkten. Damit würde der intelligente Gourmet und nicht der stumpfsinnige Gourmand belohnt.

WPG-Wertung: Günther: 6 (man muß mehr überlegen als bei „6-nimmt“. Walters Frage: auch bei der Gourmand-Strategie?), Moritz: 6 (gut durchdacht, Kramer ist immer noch besser als Knitzia), Walter: 7 (neuartige Hornochsen-Herausforderung)

3. Feuer in Nachbars Garten
Horst mußte zwei Stunden vor Beginn kurzfristig den Spielabend absagen. Das Haus seines Nachbarn brannte! Die Asche regnete schon in seinen Garten herüber.

Hallo Horst, ich hoffe, dass der Brand inzwischen gelöscht ist, und Du nicht wie die armen Opfer der Schwabinger Bombensprengung ins Obdachlosenasyl umziehen mußt.

22.08.2012: Die Evolution der Meilensteine

Ein großes Regengebiet kam von Augsburg her in Richtung München gezogen. Die Warnsignale standen schon alle auf rot. Doch dann löste es sich ganz friedlich auf, und der Niederschlagsradar ließ bis weit in die Nacht hinein auf eitel Sonnenschein schließen.

Niederschlagsradar München
Zum ersten Mal in diesem Jahr spielten wir am Westpark wieder im Freien auf der Terrasse. Zum ersten Mal wurde der sonst übliche Rotwein durch einen Weißwein ersetzt. Mit oder ohne Sprudel. Mit oder ohne Aperol. Prost.

1. “Dominant Species – The Card Game”
Zu dem aufwändigen (gefälligen und offensichtlich auch geschäftlich erfolgreichen) Brettspiel hat GMT Games unter dem gleichen Namen jetzt ein Kartenspiel herausgebracht, um auf der Spezies-Welle noch ein bißchen herumzureiten. Doch außer dem Titelbild hat das Kartenspiel mit dem Brettspiel nichts gemein.

Jeder bekommt sechs Spezies-Karten in die Hand. Darauf sind verschiedene Tierklassen (Insekten, Spinnen – keine Insekten!, Reptilien, Vögel und Affenartige) abgebildet. Da das Spiel einen rein abstrakten Spielcharakter besitzt, hätte man hier auch einfach, und sogar für mehr Übersichtlichkeit, die simplen Farben rot, grün, gelb oder blau etc. draufmalen können. Daneben besitzt jede Karte zwei Stärkeeigenschaften: einen absoluten „Nahrungsketten“-Wert, und einen relativen Nahrungs-Wert, der sich auf eine bestimmte Nahrung (Würmer, Wasser, Licht, Luft und Sonne) bezieht.
Reihum spielen die Spieler jeweils eine Karte aus. Insgesamt beliebig viele. Wer keine Karte mehr spielen will, paßt; die anderen können ihren Kartenvorrat bis zur bitteren Neige verausgaben. Am Ende zieht jeder zwei neue Karten nach. Offensichtlich: Wer sein Kartenpotential in der ersten Runde vollständig verspielt, muß in allen folgenden Runden von den zwei nachgezogenen Karten leben. Wer hingegen neun Runden lang paßt, dem stehen in der letzten Runde 24 (= 6 + 9 * 2) Karten zur Verfügung. Die richtige Dosis im Kleckern und Klotzen bei der Kartenzugabe ist die Herausforderung des Spiels.

Die Karten spielt man aus, um damit ein offen ausliegendes „Biome“ zu ersteigern. Nach LEO ist das ein Organismenkollektiv, bei „Dominat Spezies“ versteht darunter eine Nahrungskombination, bestehend aus Würmern, Wasser … . Sind auf dem Biome z.B. Würmer abgebildet, so erhält der Spieler, der in dieser Runde auf seinen ausgespielten Spezieskarten die meisten Würmer hat, 1 – 3 Siegpunkte. Zusätzlich erhält der Spieler, dessen ausgespielte Spezies-Karten in der Summe den höchsten Nahrungsketten-Wert aufweist, eine von Runde zu Runde wachsende Anzahl von Siegpunkten, und er steigt auf dem Überlebenspfad (ebenfalls ein Siegpunkt-trächtiges Spielelement) eine Stufe höher.

Soweit ist das Ganze ja noch übersichtlich und linear. Jeder Spieler kann beim Zugeben von Karten kalkulieren, ob er in dieser Runde noch berechtigte Hoffnung hat, von allen Mitspielern z.B. die meisten Würmer auf den Tisch legen zu können, oder ob er seine Würmerkarten besser für spätere Runden aufheben soll. Doch etwa die Hälfte aller Spezieskarten beinhalten einen zusätzlichen negativen Effekt auf Karten der Mitspieler: sie machen gesunde Tiere krank, so dass sie nur noch die Hälfte ihrer Stärke besitzen, und sie machen kranke Tiere tot, mit einer entsprechend noch drastischeren Auswirkung auf ihre Potenz. Wie es sich für ein ordentlich-chaotisches Spiel gehört, ist der betroffene Mitspieler und seine ausliegende Spezies-Karte frei wählbar. Ein bewährtes Mittel, sich Feinde zu schaffen.

Damit das Ganze noch ein bißchen witziger wird, sind unter die Spezies-Karten auch noch Sonder-Karten eingestreut, die zum Teil den Wert der eigenen Auslage fördern, zum größten Teil aber die Auslage der Mitspieler gravierend beeinträchtigen, wie z.B.

  • Eliminiere alle ausliegenden Karten einer von dir frei wählbaren Tieart
  • Eliminiere alle kranken Tiere
  • Mache zwei beliebige fremde Tiere krank oder ein gesundes Tier ganz tot

Zur Kleckern- oder Klotzen-Herausforderung des Spiels kommt demnach noch die Lösung folgender drei Aufgaben

  • Spiele deine Karten so in der Reihenfolge, dass du möglichst wenig geschädigt werden kannst: die billigen Karten also zuerst (= nobrainer)
  • Spiele deine Karten so in der Reihenfolge, dass du deine Mitspieler möglichst viel schädigst: die mächtigsten Karten also zuletzt (= nobrainer)
  • Spiele deine Karten so, dass du dir möglichst wenig Feinde machst, damit sie hinterher nicht geballt alle auf dich losgehen. (Das entspricht eher schon der Quadratur des Kreises)

Aaron fand, das Spiel sei „ein Stochern im Nebel“. Von Walter darauf aufmerksam gemacht, dass „Stochern“ so etwas wie ein Ziel voraussetzen würde, verbesserte er auf „ein Torkeln im Nebel“. Auch stöhnte er dazwischen: „Diese Karte ist so ein Scheiß, aber ich spiele sie schon mal.“ Damit hatte er die Empfindungen von der Hälfte der heutigen Teilnehmer auf den Punkt gebracht. Die andere Hälfte war eher euphorisch.

Moritz als Erster auf dem Überlebenspfad bekam in der Schlußwertung dafür sogar noch weitere 5 Siegpunkte; Walter als Letztem wurden 5 Siegpunkte abgezogen. Reine Tautologie. Die Ungarn sagen dazu: „A kutya is oda szarik, ahol már van.“ Die Deutschen haben ein ähnliches Sprichwort mit dem Teufel statt des Hundes.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (verständliche Regeln), Horst: 8 (würde ich jederzeit wieder spielen), Moritz: 7 (locker), Walter: 3 (das Spiel funktioniert, doch es macht mir kein Vergnügen, mir von anderen in die Suppe spucken zu lassen. Das Umgekehrte übrigens auch nicht.)

Moritz 7 Punkte verhinderten, dass „Dominat Spezies“ ein Kandidat für unseren Preis „Horst des Monats“ wird. Wobei ich mich manchmal frage, ob hinter Horsts Wertungsnoten nicht ein gutes Stück Verarschung steckt. (Entschuldigung)

2. “Milestones”
Auf Deutsch heißt das wohl „Meilenstein“. Moritz kannte noch eine andere Bedeutung des englischen Wortes, er verriet sie aber nicht. Der Themenkreis war aber eindeutig. Es wird wohl so etwas wie ein „Joystick“ sein. Die Wortspiele um die herrlichsten Dinge der Welt ließen heute die Arbeit an den Meilensteinen der Welt von Stefan Dorra und Ralf zur Linde munter fortfließen.

Auf einem hübschen Parcours, läßt jeder seinen Pöppel um fünf Stationen kreisen:

  • seine Arbeiter auf den seinen Feldern arbeiten zu lassen, um Rohstoffe (Stein, Sand, Holz) sowie Getreide und Münzen zu gewinnen
  • im Handelshaus mit Münzen neue Felder resp. Arbeiter einzukaufen.
  • via Bauamt aus Rohstoffen öffentliche Straßen, Häuser und Märkte zu bauen und dafür Siegpunkte zu kassieren
  • in der Mühle das Getreide zu Mehl zu mahlen und damit die Märkte versorgen. Auch dabei springen Siegpunkte heraus.
  • in der Burg seine überzähligen Vorräte abgeben und eine Ruhepause einlegen

Jeder kann den Parcours so schnell wie er will zurücklegen und dabei beliebig viele Stationen auslassen. Nur in der Burg muß er eine Pause einlegen und verliert auch einen Arbeiter. Ansonsten ist es ein ewiger – und leider auch ziemlich gleichförmiger – Kreislauf um den Erwerb und die Nutzung von Rohstoffen.

Interaktion ist Mangelware. Es ist eher ein simultanes Solitärspiel für 2 bis 4 Mitspieler. Die gebauten Straßen, Häuser und Märkte werden an den verschiedenen Stellen des Spielplans unterschiedlich honoriert und jeder möchte natürlich an die besten Bauplätze herankommen. Doch bei der Unberechenbarkeit des gemeinsam gebauten Wegenetzes ist dieser Konkurrenzeffekt eher vernachlässigbar. Keiner von uns hat auch nur einmal zwei Züge vorausgeplant, um später an der besten erreichbaren Stelle den größten Profit einzuheimsen; jeder hat seine Arbeiter auf Anschaffe geschickt und dann mehr oder weniger opportunistisch von der Hand in den Mund geschaut, was er dafür bekommt.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (unübersichtliche Punktezählerei für 1-2 Zusatzeinheiten), Horst: 4 (unspannend, wenig planbar, hält Ludoversums Einschätzung: „nach Village der nächste Kracher auf dem Markt“ für eine Frechheit, Moritz: 4 (ein paar nette Ideen, insbesondere der Parcours, ansonsten passiert zu wenig), Walter: 4 (nach 2-3 Runden hat sich das Spiel eingeschwungen, dann läuft alles im gleichen Trott).

3. “6-nimmt”
Der alte Klassiker ließ gleich wieder unsere Diskussion aufflammen, ob es sich hier um ein taktisch-strategisches Spiel oder um ein Glückspiel handelt. Vor Jahren war unser Thomas schon mal mit dem Glücksspiel-Beweis gescheitert, als er alle seine auszuspielenden Karten nach einem blinden Zufallsverfahren auswählte. Er landete damals weit unter Durchschnitt.

Auf der anderen Seite verficht Walter lautstark den taktischen Charakter. Heute geriet er mit seinen kritischen Post-Mortem-Kommentaren, wann und wo Moritz seine „104“ hätte einsetzten sollen, leicht in den Geruch von Klugscheißerei. Dann ließen sich die beiden auf ein Experiment ein: Moritz durfte ihm eine beliebige Kartenhand vorgeben (es waren die Karten 1 bis 6 und 101 bis 104), mit der er gegen die regulär ausgeteilten Karten der drei Mitspieler antreten sollte. Experiment geglückt: Walter landete mit 13 Minuspunkten deutlich über Durchschnitt.

27.07.2012: Elektronik auf der Seidenstraße

Traditionsgemäß wird der Auswahl zum “Spiel-des-Jahres” am Westpark (und in anderen Vielspielerkreisen) mit einer gewissen Skepsis entgegengesehen. Ohne Günther kam der diesjährige Preisträger „Kingdom Builder“ auf glatte 5 Punkte. Am Samstag verschickte Günther per Email seine eigenen Eindrücke dazu:
„Ich habe gestern bei den Spuiratzn zweimal Kingdom Builder gespielt.
Als Familienspiel ist es schon recht komplex – speziell durch mehrere erworbene Eigenschaften und den mehreren Siegpunktbedingungen. Ja, es verführt sogar zum Grübeln – was in einigen Runden problematisch werden kann. Trotzdem spielt es sich recht flott- so ca. 1 Stunde braucht man für eine Viererpartie. In den ersten handvoll Runden muss man sehr aufpassen, denn es ist extrem wichtig, sich die für die weiteren Runden notwendigen Eigenschaftsplättchen zu sichern.
Ich gebe dem Spiel 7 Punkte- wenn der Grübelfaktor nicht wäre, sogar etwas mehr …“

1. “Octago”
2008 hat die PublicSolutions GmbH in Dresden unter dem Namen „Yvio“ eine elektronische Spielkonsole herausgebracht, die das Herzstück für eine ganze Serie von neuen Brett- und Party-Spielen sein sollte. Die Konsole steuert den Spielablauf, sie übernimmt all die lästigen Aufgaben wie Erklären, Vorgeben, Verteilen, Zählen und Werten, und kommentiert in wohlproportionierten Abständen den Spielverlauf. Eigentlich eine gute Idee.

Yvio Konsole
Die Yvio Konsole

Auch die Ausführung ist technisch sauber und spielerisch einladend gelungen. Trotzdem war das Konzept kein Markterfolg. Vielleicht hat es an dem hohen Preis von 70 bis 80 Euro pro Spiel-Realisierung gelegen. Die Firma ging geradewegs in den Konkurs und Günther hat aus der Konkursmasse für nur 50 Euro gleich 3 Spiele erstehen können.

In „Ortaco“ zieht jeder Spieler mit seinem Pöppel auf einem runden Spielbrett beliebige Felder vorwärts oder rückwärts auf rote, grüne, gelbe oder blaue Kreise, Sterne, Dreiecke oder Quadrate in einer roten, grünen, gelben oder blauen Region. Je länger eine Farbe oder Form nicht betreten wurde, desto mehr Form-Farben-Punkte gibt es für das Betreten des Feldes. Diese Punkte werden virtuell jedem Spieler zugeordnet und regionsspezifisch hochgezählt.

Durch Drücken der Wertungstaste kann ein Spieler jederzeit seine Form-Farben-Punkte einer Region in Siegpunkte umwandeln. Dabei wird die Punktanzahl mit einem Faktor multipliziert, der umso höher ist, je länger die vorhergehende Wertung in dieser Region zurückliegt. Ganz schön abstrakt, mit Hilfe der Spielkonsole aber kinderleicht zu bewältigen.

Reiner Knizia hat sich das ausgedacht und die damalige Presse hat es als „fantastisches neues Strategiespiel“ propagiert. Übliche journalistische Fehlinformation. “Octago” ist begrenzt phantastisch und enthält Null Strategie. Dafür genügend Raum für opportunistische Taktik: Es gewinnt der, der ein gutes Gedächtnis hat und sich am besten merken kann, auf welchen bunten Formen er und seine Mitspieler in jüngster Zeit gestanden haben.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (funktioniert, fraglicher Wiederspielreiz), Günther: 5 (das yvio-Spielprinzip als solches erhält 7 Punkte), Walter: 5 (die elektronische Führung ist gelungen, für einen älteren Herrn zuviel Memory-Bedarf).

2. “Quizzen” in der “Partytime”
Ebenfalls ein Spiel aus der Serie für die yvio-Spielkonsole. Diemal macht uns die Konsole einen geilen Quizmaster. Er führt uns akkustisch durch ein Quiz, „das Euch in den Wahnsinn treiben wird“. Es werden Auswahlfragen gestellt, die alle Mitspieler gleichzeitig mit einer der Antwortkarten A, B, C oder D beantworten sollen. Die schnellste richtige Antwort bringt zwei Punkte, eine langsame richtige Antwort einen Punkt und für eine falsche Antwort wird ein Punkt abgezogen.

Die Fragen sind von einem mittleren Günther-Jauch-Schwierigkeitsgrad. Z.B. „Was haben die Waisen aus dem Morgenlande nicht dabei? A: Gold? B: Seide? C: Myrrhe? oder D: Weihrauch? Zwischen die Fragerunden sind Intermezzos eingestreut, bei denen die Führenden etwas Federn lassen müssen und dem Letzten ein paar Trostpunkte zugeschustert werden. Sachgerecht und partygerecht.

Lustig – zumindest für die erste Begegnung – sind die Kommentare des Quizmasters. Er bescheinigt einem „intellektuellen Schlußlicht“ schon mal eine „besonders erheiternde Unfähigkeit“. Für Fragen, die kein einziger Spieler richtig beantwortet hat, kommt der Kommentar “Ihr habt alle verkackt“.

Wenn sich die lustigen Sprüche wiederholen, ist ein Großteil des Spielreizes wohl dahin. In unserem einen Quiz-Durchgang passierte das erst ansatzweise, doch die Tendenz ist erkennbar. Dann bleibt nur noch das Quiz übrig. Immerhin können acht Spieler daran teilnehmen. Manche mögens’s heiß.

Keine WPG-Wertung für ein Unterhaltungsspiel, das im richtigen Teilnehmerkreis die Wogen hochschlagen lassen kann.

3. “Yunnan”
Aaron legte mit Freuden der Dreierrunde den aktuellen Stand seiner Eigenentwicklung über den Handel auf der Tee- und Seidenstraße auf. Das vierte Mal allein in diesem Jahr (22. Februar, 11. April, 11. Juli) und seine beiden Mitspieler waren keineswegs nur aus Höflichkeit eifrig bei der Sache.

Beim letzten Mal hatten wir in einer 5er Runde die sagenhaften Möglichkeiten der Abstauber-Rolle in der Bank kennengelernt. Wer in den ersten beiden Runden zweimal hintereinander die Spielereinsätze auf seine Seite bringen konnte, dem ist der Gesamtsieg wohl nicht mehr zu nehmen. Doch Aaron hat hier jetzt eine Bremse eingebaut: Wer in die Bank geht, muß in der gleichen Runde auf alle Entwicklungsfortschritte verzichten: er darf keine Lager errichten, keine Händler einstellen, seinen Einfluß nicht stärken und seine Reichweite nicht erhöhen.

Dessen ungeachtet ging Günther als Startspieler mit seinem ersten Pöppel unverzüglich auf die Bank los. Aaron und Walter konterten mit einer Allianz und teilten das Angebot an Entwicklungsrichtungen zu billigsten Preisen unter sich auf. Günther konnte gerade soeben mal sieben Yüan auf sein Konto buchen.

Jetzt ging niemand mehr in die Bank. Der früher so begehrte Abstauberposten hatte seinen Glanz verloren. Doch für den Spielverlauf war das kein Verlust an Spaß und Dynamik. Es taten sich neue überraschende Spielzüge aus, deren Reichweite auch für die Analysten vom Westpark noch lange nicht auskalkuliert sind. Und die Bank blieb eine ständige Droh-Option für den Fall, dass die Mitspieler versuchen sollten, sich zu hohen Preisen gleich mehrfach Entwicklungsfortschritte an Land zu ziehen.

Früher als in früheren Spielen wurde bereits in der vierten Runde der Endspurt angezogen. Ein spannender Moment, der aber auch schon im Vorbereitungsgerangel der ersten Runden ständig in den Köpfen parat ist und parat sein muß. Eine Runde später war der Kampf entschieden. Den Schaden, den Günther mit seiner Geldgier in der ersten Runde erlitten hatte, war nicht mehr gut zu machen.
Alle waren bereit, sofort ein zweites „Yunnan“ zu absolvieren. Diesmal ging im gesamten Spielverlauf keiner in die Bank. Die größere Reichweite unter Vernachlässigung der Body-Check-Qualitäten bei taktisch-richtigem Ausnutzen der Zugreihenfolge gab den Ausschlag. Günther leitete noch früher, nämlich schon in der dritten Runde, den Endspurt ein und war – bei leicht überdurchschnittlicher Denkarbeit – nach 25 Minuten Spielzeit Sieger.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

Black Jack
Über die schönsten Dinge des Lebens, über Internet-Fernsehen und Niederschlagsradar kam die After-Work-Diskussion zu Black Jack. Wußtet Ihr, dass bei optimalem Vorgehen (Einsatz Verdoppen, Splitten, Versichern etc.) ein Spieler seinen Basis-Einsatz durchschnittlich um 11,67% erhöht und am Ende NUR 0,53% pro Spiel verliert (Wikipedia)! Dieser Verlust ist noch deutlich geringer als beim Roulette! Und das macht es plausibel, dass man durch genaues Beobachten der verbrauchten Karten und entsprechendes Setzverhalten an einem „heißen“ Tisch den Gewinn-Erwartungswert über die Nullgrenze heben kann. Vielleicht!

Trotzdem bin ich beim Black Jack immer schneller mein Geld los als beim Roulette. Eine Runde ist ja auch viel schneller durchgezogen (geschätzte dreißig Sekunden dauert eine Austeilung gegenüber etwa zwei Minuten zwischen zwei „Rien-ne-va-plus“). Und ich muß ununterbrochen meinen Einsatz tätigen, während ich beim Roulette abwarten kann, bis meine Favoritenzahlen lange genug nicht gekommen sind!

Um 2 Uhr 30 war heute die Bank gesprengt und die Runde löste sich auf. Zwei Stunden später (!) als die Spielbank in Garmisch, der ich eine Woche zuvor mit meiner Tochter einen Besuch abgestattet hatte, und die bei einer noch geringeren Beteiligung als heute am Westpark gegen Mitternacht die Pforten schloß.

11.07.2012 : Eigengemachtes und Wiedergekäutes

Ein deutscher Spitzenspieler, ehemaliger Präsident des Deutschen Bridge Verbandes, traf kürzlich bei einem größeren Bridge-Turnier in den USA auf einen ehemaligen Weltmeister. Auch wenn auf solchen Turnieren jeweils nur zwei Partien gegeneinander gespielt werden, kann man dabei doch an Reizung und Abspiel erkennen, wes Geistes Kind die Gegner sind. Beide waren offensichtlich nicht auf der Brennsuppe dahergeschwommen gekommen.

Wenige Tage später trafen die beiden Paare bei einem kleineren Club-Turnier erneut aufeinander, und der Weltmeister sagte zu seinem Partner: „Here we meet two excellent Bridge players from Germany.“ Die Frau unseres Präsidenten korrigierte bescheiden: „Only one.“ Unverzüglich ergänzte darauf der Partner (des Weltmeisters): „I am sure, he will improve fast.“
Was ist hier größer, die Schlagfertigkeit oder die Galanterie?

1. “Yunnan”
Aaron bat darum, seine geburtswehende Eigenentwicklung im Fünferkreis vorzustellen zu dürfen. In wochenlangen Studien hat er weiter an den Balance-Schräubchen gedreht. Jetzt wollte er seine aktuellen Einstellungen gegenüber den unabhängigen Vorgehensweisen von fünf kritischen Geistern testen.

Wir sind Händler auf der Tee- und Seidenstraße noch weit hinter der Türkei und müssen unser Verkaufsnetz optimal ausbauen, um damit mehr Yuans einzufahren als die Konkurrenz. Mindestens drei verschiedene Strategien stehen zur Auswahl, die alle erfolgreiche Aussichten auf den Sieg eröffnen:

  • Manpower-Strategie: Die Anzahl unserer Händler erweitern, um schließlich mit vielem Kleinvieh den großen Mist zu machen.
  • Bodycheck-Strategie: Die brachialen Fähigkeiten unserer Händler ausbauen, so dass sie mit links die Konkurrenz aus dem Feld räumen können.
  • Wide-Area-Network-Strategie: Die Reichweite unserer Händler steigern, so dass sie als erste und einzige ihren Chá in den entfernteren Winkeln der Welt vermarkten können.

Innerhalb dieser Strategien müssen wir noch unser Verhältnis zur Startspieler-Position austarieren und unser Vorgehen beim Umtausch von flüssigen Geldmitteln in stationäre Siegpunkte optimieren.
Aaron hatte im Zuge seiner Spielentwicklung noch eine weitere Strategie ausgemacht:

  • Abstauber-Strategie: Bei jeder Gelegenheit zur Bank gehen und von dort die Hälfe der eingezahlten Geldmittel unserer Mitspieler auf unsere Seite bringen. Mit diesem – zur Zeit noch – ungeheuren Geldfluß dominieren wir nach wenigen Runden alle Investionsmöglichkeiten des Spiels.

Die 90 Minuten Spielzeit waren gekennzeichnet durch Spaß, Spannung und ein Höchstmaß an Interaktion. An allen Ecken und Enden prallten Potenzen und Strategien aufeinander. Horst gewann, weil er mit kaufmännischer Überlegung seine jeweils nächsten Runden plante und als erster in den Endspurt loszog, d.h. Geldgewinn in Siegpunkte verwandelte. Aaron wurde trotz Abstauberstrategie nur Zweiter; aber nur deshalb, weil er aus Testgründen bis zum Spielende am Abstauben festhielt und auf den Siegpunkt-Endspurt verzichtete.

Günther wurde Letzter! (Solche Ergebnisse darf man bei unserem Seriensieger für Strategiespiele immer ins Protokoll schreiben!) Sollte das etwa ein Hinweis darauf sein, dass „Yunnan“ kein Strategiespiel ist? Nein, das kann es nicht gewesen sein. Günther fühlte sich in der originären Startspieler-Reihenfolge zu Spielbeginn benachteiligt. (Idee bei Nachschrift: den Spielern abhängig von ihrer Startspieler-Position unterschiedliche Summen an Startkapital zukommen lassen!) Zudem saß er – wie immer – direkt hinter Aaron und litt so am meisten unter dessen konsequenter Abstauber-Strategie!

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

Horst und Walter waren mit der augenblicklichen Fassung schon höchst zufrieden. Mindestens ein 7-Punkte Spiel. Moritz hält sich bei „Workerplacement-Spielen“ vornehm zurück. Günther war mit der aktuellen Balance für die Abstauberstrategie absolut nicht einverstanden. Seine Behauptung, als fertiges Spiel bekäme „Yunnan“ in der jetzige Fassung am Westpark das Attribut „broken“, erntete allerdings heftigen Widerspruch.

2. “Rex – Final Days of an Empire”

Dreadnoughts
Nachdem Moritz geduldig auf der Tee- und Seidenstraße malocht hatte, durfte er als nächstes seinen Fantasy-Adventure-War-Game-Favoriten „Rex“ auflegen. Es ist ein Remake von Avalon Hill’s „Dune“ aus dem Jahre 1979. Fantasy Flight Games hatte aus der AH-Konkursmasse die Rechte am Spiel und seinen Mechanismen aufgekauft, der Titel war aber schon bei der Filmproduktion gelandet, so dass das Remake unter einem neuen Namen herauskommen musste.

Auf dem galaktischen Spielbrett sind 18 Regionen luftstraßen-artig miteinander verbunden. Wir bewegen unsere Pöppel durch die Regionen der Galaxis und sind zu einem Vernichtungskrieg gezwungen, wenn wir dabei auf eine Region stoßen, die schon ein Mitspieler besetzt hat. Das Ergebnis dieser Vernichtung wird einerseits durch die – erkennbare – Anzahl von Pöppeln bestimmt, die jeder Gegner dabei zu opfern bereit ist, und andererseits durch die – unbekannte – Kraft der jeweiligen Führer und deren geheime Waffenkarten, die sie mit ins Spiel bringen.

Jeder Spieler hat unterschiedliche Eigenschaften: Einer kassiert für jede Truppenbewegung in der Galaxis, ein anderer beim Kauf von Waffenkarten durch die Mitspieler, einer kann kostenlos Rekruten von den Toten auferwecken und galaktieren, ein anderer darf sich einen Einblick in zukünftige Drohungen und Versprechungen verschaffen. Nicht alle diese Eigenschaften sind gleichwertig. Muß auch nicht sein. Wir haben es ja nicht mit einem Euro-Spiel zu tun.

Damit die Kriegstreiber nicht allein unter sich sind, gibt es noch eine neutrale Figur, die nach einem zufälligen Bewegungsschema durch die Milchstraße fliegt und alles plattmacht, wo sie sich niederläßt. Daher der sinnige Name „Dreadnought“ (Fürchte-Nichts).

Detlev-Aaron hätte gemäß seiner Basis-Eigenschaft in Waffenkarten schwelgen können. Wenn er sich nur welche hätte leisten können. Nach zwei Runden hatte er sein Pulver via Truppentransporte und Scharmützel verschossen. Kein Geld, kein Einfluß, keine Einkommensquelle, kein Aktionsradius! Er hätte nur dann wieder ins Spiel kommen können, wenn ihm einer seiner Kriegsgegner (!) freiwillig etwas abgegeben hätte. Da wir alle noch bei Trost waren, blieb ihm so als einzige Unterhaltung sein Ipod mit den neuesten Nachrichten vom Tage. Diese ungebührliche Beschäftigung wurde gaudihalber von keinem Mitspieler moniert!

Hacan-Walter gewann! Ein Fantasy-Kriegsspiel!? Kein Wunder: nachdem Hacan als Basis-Eigenschaft die Rubel zum Betreiben der Kriegsmaschinerie nur so zufliegen, war es ein Nobrainer, die drei Regionen in der Galaxis zu besetzen, die zum Sudden-Death-Sieg notwendig waren. So wurden heute alle Strategie- und Wargame-Klischees vom Westpark durcheinandergemischt!

WPG-Wertung: Aaron: 8 (das Dreadnought-Modell findet er cool, ansonsten war er drei Runden lang – 60% der Spielzeit – mit Nachrichtenlesen beschäftigt; vielleicht sind seine 8 Punkte mit den 8 Einflußpunkten korreliert, die er hätte einstreichen können, wenn ihm Moritz nicht in die Quere gekommen wäre), Günther: 3 (Atmospäre allein ist für ihn kein Güte-Kriterium. Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte. Er mag diesen Spieltyp grundsätzlich nicht;), Horst: 6 (ausnahmsweise – unverständlicherweise – fand er diesmal nicht ins Spiel), Moritz: 9 (Ist ein Fan von dieser Art von Spielen. Allein die verschiedenen Charaktere findet er spannend. 10 Punkte bekommt – schon pietäthalber – nur das „Dune“-Original, das er mit anhaltender Begeisterung bestimmt mehr als 100 mal gespielt hat), Walter: 4 (akzeptierte nach der Yunnan-Arbeit den Rex-Dödel-Kontrast).

3. “Bluff”
Im 1:1 Endspiel Aaron gegen Horst fing Aaron mit der ungebrochen-grandiosen Vorgabe von 1 mal die Vier an. Horst hob auf 1 mal Stern!

Ist das ein guter Konter? Von der Theorie her gewiß nicht! Hat Horst tatsächlich einen Stern unter seinem Becher, so hat Aaron gewonnen, wenn er dies glaubt; hat Horst keinen Stern unter dem Becher, so hat Aaron gewonnen, wenn er anzweifelt. Die Siegchancen für die „1 mal Stern“-Antwort sollten eigentlich weniger als 50% sein!

Doch der Erfolg gab ihm recht. Post-Mortem-Einschätzungen werden angenommen, ob Horst jetzt einen Stern gewürfelt hatte oder nicht.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

04.07.2012: Portwein für den Krieg der Genies

Bis morgens um halb Drei mit Aaron und Günther palavert. Über Beruf, Banker, Politiker, Autos und Massagen. (Anlässe sind immer gegeben.) Teilgeschlafen. Die beste aller Ehefrauen mit guten Wünschen auf ihren Weg ins Büro begleitet. Ausgeschlafen. Üblicher Rentner-Vormittag. Jakobsmuscheln auf Kartoffel-Kohlrabi-Püree zum Mittagessen gekocht. (Probekochen für den nächsten Skat-Abend.) Küchendienst. Zur ersten Massage des Lebens. (Thai-Öl-Ganzkörper-Massage.) Wie beim nächtlichen Palaver prognostiziert, keine erkennbare Wirkung. (Nulla effectus in corpore sano!) Höchste Zeit, sich an den Session-Report zu machen, bevor es zum Donnerstag-Bridge in den Club abgeht.

1. “Vintage”
Ein portugiesisches Spiel für den internationalen Markt. Der Titel läßt im Deutschen erahnen, dass es um Weinbau geht. Als Anglizismus bezeichnet es einen besonders ausgezeichneten Jahrgang eines Weines, Portweins oder Whiskys (Wikipedia). Das englische Wort „Vintage“ hat aber eine größere Spannweite. Als Eigenschaftswort reicht seine Bedeutung von „altmodisch“ bis zu „hervorragend“ (LEO), und als Hauptwort hat es sich auf die Mode verlegt und bezeichnet ein Kleidungsstück, das mittels künstlicher Löcher und ausgewaschenen Farben auf „gebraucht“ getrimmt ist. Doch das ist eine andere Geschichte.

Wir bleiben beim Wein, genauer gesagt bei der „Portweinproduktion im Douro-Tal, der ältesten abgegrenzten Weinregion der Welt“. Das Spielbrett zeigt das Douro-Tal mit den umliegenden Weinbergen. Jeder Spieler läßt seinen Aufseher und seine vier bis sechs Arbeiter darin werkeln:

  • neue Weinberge anzulegen – hierbei sind Preis, Ertragreichtum, Qualität und Transportkosten in Einklang zu bringen.
  • Rebsorten anzupflanzen – Sortenreichtum ist geboten, vollständige Bepflanzung erhöht die Qualität.
  • Trauben zu lesen – mit Schwankungen in der Jahrgangsqualität.
  • die Trauben in die heimischen Weinkeller zu transportierenen – entfernt liegende Weinberge binden erhebliche Manpower für den Transport.
  • den Wein reifen zu lassen – dieser Prozess kommt im Spiel leider überhaupt nicht vor. Eingelagerte Weine sind unverzüglich auch verkaufsfähig. Schade eigentlich, die klassische Herstellung von Vinyard Port mit dem Stoppen der Vergährung durch Zugabe von Branntwein hätte noch vielfältige weitere Aufgabenstellungen abwerfen können. Im Spiel wird der Branntwein lediglich als unabkömmliches Lockmittel für die Arbeiter im Weinberg gebraucht. Wer hier seinen letzten Tropfen verbraucht hat und bei der zugehörigen Weinlese nicht gleich im selben Atemzug für neuen Nachschub sorgt, kann nach Hause gehen. Nie wieder wird er seine Arbeiter zum Arbeiten im Weinberg verlocken können.
  • den Wein verkaufen – mit dem Würfel wird noch ein bißchen an der Qualität gedreht, die Lagerkapazitäten limitieren den Ertrag. Maximal zwei Einheiten des besten Weines gehen als „Colheita“ für vier Siegpunkte über die Kellerschwelle. Im schlimmsten Fall von Überproduktion muß man je fünf Einheiten seiner Spitzenproduktion als „Tawny“ für einen einzigen Siegpunkt verkaufen.

Das ganze riecht nach sehr viel Arbeit. Ist es auch. Eine geschlagene Stunde brauchte Günther allein, um uns die Arbeitsanweisungen näher zu bringen. Dann fängt das Spiel äußerst zäh an und hört mittelprächtig zäh auf. In der ersten Runde können wir gerade mal einen neuen Weinberg erstehen. Damit ist unser Anfangskapital von drei Siegpunkten auch schon erschöpft. Der neue Weinberg hat zunächst weder Trauben noch Arbeiter; außer der Kapitalbindung bringt er keinen Effekt.

Mit dem Miniweinberg unserer Startaufstellung können wir gerade mal einen einzigen Zuber Trauben lesen und eine einzige Flasche Branntwein erzeugen. (Wenn wir hier die Branntwein-Produktion vergessen, können wir gleich nach Hause gehen, siehe oben!) Verkaufen können wir in der ersten Runde nichts, denn für Transport und Verkauf reicht unser Stammpersonal nicht mehr hin.

Wir dürfen unser Arbeiter aber nicht so mir-nichts-dir-nichts an die Arbeitsplätze schicken. Wir müssen für jeden Arbeitsschritt zuerst eine Arbeitsgenehmigung einholen. Bezahlen müssen wir das mit Arbeitern, deshalb stehen wir auch so schnell ganz ohne da. Der Preis für die Arbeitsgenehmigung wächst zudem linear. Die erste Traubenlese pro Runde kostet einen Arbeiter. Die zweite kostet schon zwei Arbeiter. Wieviel kostet wohl die dritte Lese? Und wie oft könnte der vierte Mitspieler seine Arbeiter zur Lese schicken, wenn er, wie zu Spielbeginn, gerade drei Arbeiter im Personalbüro hat? Richtig geraten, überhaupt nicht mehr!

Zum Glück gibt es den Aufseher, der fast überall hinkommt und nur den einfach Preis bezahlen muß. Und es gibt Zauberkarten, die manche Erledigung unserer Aufgaben erleichtern oder beschleunigen; doch ihr Erwerb und ihre Nutzung kostet Zeit und bindet ebenfalls Personal, das wir gerade am Anfang nicht haben.

Wenn wir dann nach der zweiten oder dritten Runde den ersten Wein in unseren Verkaufsregalen liegen haben, dann ist er von Menge und Qualität so gering, dass wir dafür mit viel Glück höchstenfalls einen oder zwei Siegpunkte erlösen können. In der Regel reicht es nur, ein paar Flaschen in das Regal mit dem Tawny-Schrott zu stellen. Zum Leben zu viel, zum Sterben zu wenig. Nach einer Stunde Spielzeit hatten wir die Hälfte der Runden geschafft, vegetierten aber größtenteils immer noch mit unseren zwei Weinbergen herum und hatten zwischen 0 (Null!!) und 5 Punkten auf dem Siegpunktkonto! Kein Geld, kein Schnaps, keine Leute! Das sind offensichtlich die Charakteristika von Vintage.

Nach sieben Runden und zwei Stunden Spielzeit kam der Sieger über die Besitzstandswertung am Schluß auf 27 Punkte. Die er wohl durch die glückliche Startspielerposition, eine glückliche Weinbergskauf-Zauberkarte und unbehelligtes Bepflanzen des frühen zweiten Weinbergs mit schwarzem „vigna antica“ zusammenkratzen konnte.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (stumpfe Optimiererei, es fehlt der Pfiff. Unnötig viel zu überlegen), Günther: 5 (man muß was tun, um es interessant zu machen. [Im Moment weiß ich nicht mehr, was er damit sagen wollte.]), Moritz: 4 (ist halt ein Workerplacementspiel; wenn es mit Eisenbahn-Thematik zu tun hätte, bekäme es einen Punkt weniger), Walter: 4 (der Konstruktionsentwurf verdient 8 Punkte, doch an der Ausarbeitung mangelt es hinten und vorne; die einzige Spannung liegt im Hinterherlaufen bei den begehrten, bitter notwendigen Arbeitsplatz-Angeboten.).
Ich schlage „Vintage“ für den „Horst des Monats“ vor.

2. “Wiz War”
Auf einem schachbrettartigen 10 x 10 Labyrith liegen von jedem Spieler verstreut zwei „Schätze“. Jeder Spieler hat einen Genie-Pöppel (vielleicht auch Zauberer genannt), den er durch das Labyrinth bewegt. Aufgabe ist es, so schnell wie möglich zwei fremde Schätze aufzulesen und im eigenen Heimat-Quadrat abzuliefern. Wem das als erstes gelingt, der hat gewonnen.

Pro Zug dürfen wir uns uns standardmäßig um drei Felder vorwärts-rückwärts-seitlich-bei bewegen. Durch Ausspielen entsprechender (Energie-)Karten auch noch um bis zu fünf Felder (pro Karte!) weiter. Diese Karten, von denen wir bis zu sieben auf den Hand haben, die wir pro Zug alle ausspielen dürfen, und von denen wir pro Zug zwei nachziehen dürfen, sind das Salz in der Suppe. Sie dienen nicht nur zur Erweiterung unseres Bewegungspotentials, mit ihnen können wir auch Breitseiten auf unsere Gegner abfeuern (Gegner sind alle unsere Mitspieler), wir können sie in ein Salzsäure-Bad tauchen oder wir bauen Mauern, um uns und unsere Schätze vor ihnen in Sicherheit zu bringen.

Natürlich gibt es auch Karten, um uns zu schützen, um die Mauern wieder einzureißen oder um gegnerische Schadenspunkte auf sie zurück zu lenken. Und es gibt Karten, mit denen wir die Kartenhand der Gegner bestehlen oder dezimieren können.

Zum Spielziel erklärte Moritz: „Man gewinnt, wenn man zwei Siegpunkte hat!“ Großes Gelächter auf allen Seiten. Selbst beim äußerst ertragsarmen „Vintage“ waren es mehr Siegpunkte gewesen. Seine Einführung beendete Moritz mit der Behauptung: „Der Kampf ist total strategisch! Ohne Glück!“ Großes Gelächter von seiner Seite. Galgenhumor zum Überspielen seiner üblichen Zwecklüge.

Der ideelle Konflikt bei allen Aktionen besteht darin, dass wir einerseits ausrücken müssen, um freme Schätze aufzuladen und nach Hause zu transportieren; dass wir andererseits aber damit unsere eigenen Schätze als Beute für die Gegner frei herumliegen lassen müssen. Im Mittelspiel trug Günther wie eine gute Känguru-Mutter einen seiner eigenen Schätze auf seinen Beutezügen mit sich herum. Solange, bis er einen fremden Schatz aufnehmen konnte und dafür seinen eigenen Schatz dort abladen mußte. Vielleicht ganz tricky, beim dem Angebot an herumliegenden Schätzen aber leicht überflüssig.

Um zu gewinnen muß man gute Kartenpflege betreiben. (Nachdem man ausreichend gute Karten gezogen hat.) Vor allem Potential für den Schlußspurt. (Wenn man keine bösen Gegner hat, die einem die besten Karten der Hand wegstehlen.)

Ein Wiz, eine Mauer, eine Heimatbasis und ein Schatz

Walter wußte – wie immer bei solchen Fantasy-Adventure-Kriegsspielen – nicht, was er mit seinen Karten anfangen sollte. Wenn schon Waffen-Karten in der Hand, dann auch abfeuern. Auf wen? Auf den, der am nächsten steht. Wenn schon Mauern-Karten in der Hand, dann auch Mauern bauen. Wohin? Dorthin, wohin der Nächste nicht weglaufen sollte. Beidesmal traf es Aaron. Strategisch und taktisch unsinnig. Er ertrug es tapfer. Stellt Euch mal das Lamentieren vor, wenn Walter seine irrationale Spielweise gegen Moritz ausgeübt hätte! Hallo Aaron, es tut mir jetzt noch leid, dass ich uns dieses Vergnügen vorenthalten habe!

Günther äußerte Verständnis: „Das Spielziel liegt darin, möglichst viel Chaos zu erzeugen und dann irgendwie durch Zufall zu gewinnen.“

WPG-Wertung: Aaron: 3 (funktioniert, möchte es aber nicht nochmals spielen. Vielleicht frustriert von Walters Chaos-Strategie), Günther: 4 (das Spiel lebt vom Chaos, die [Pseudo-Stimmung-suggerierenden] Texte auf den Karten sind lächerlich.), Moritz: 6 (das Spiel ist lustiger als „Vintage“), Walter: 3 (nur wenn man in Chaos-Stimmung ist)

Zu Beginn des Spiels wollte Moritz nicht jedem Spieler seine traditionellen Farben geben, sondern verteilte sie zufällig. Großer Protest. Bevor er auch nur das Spielbrett ausbreiten konnte, hatte sich jeder durch heimliches Tauschen wieder seine Favoritenfarbe an Land gezogen. Moritz versuchte zwar, dagegen zu argumentieren, doch gegen die Phalanx der befriedigten Favoriten kam er nicht an.
Auch beim Aufstellen des Spielbretts ging Moritz (spielregel-gerecht?) nach einem Zufallsprinzip vor. Anstatt jedem seine Lieblingsfarbe vor die Tür zu legen, wie es sich für die Go-Maxime: „Ein guter Go-Spieler spielt bei sich selbst!“ gehört. Gibt es für die strenge Verfolgung der Zufallsverteilungen eine im Spielablauf liegende logische Begründung? Ich sehe keine. Nicht für das erste Spiel und nicht für das hunderste Spiel. Die Zufallsauswahl der Karten, das was man damit anfängt, und die freien Bewegungen bringen die Abwechslung ins Spiel. Sie alleine!

27.06.2012: Spiele des Jahres, Fußball des Tages

Die Goethe-Universität in Frankfurt hat nach einem statistischen Modell berechnet, wer die diesjährige Fußball-Europameisterschaft gewinnen wird. Basis für die Rechnerei ist die schlichte Erkenntnis, dass die Ergebnisse von Fußballspielen Zufallsereignisse mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten sind. Jede Mannschaft schießt etwa 9 mal direkt aufs Tor. Die eine Mannschaft trifft aber häufiger als die andere. Die Wahrscheinlichkeit für das Häufiger-Treffen wird aus den Ergebnisse von früheren Begegnungen und aus der derzeitigen FIFA-Punktzahl gebildet.
Finales Ergebnis der jungen Goethes:
Deutschland kommt mit 62,14% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 31,92%.
Italien kommt mit 41,61% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 19,77%.
Spanien kommt mit 57,71% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 29,64%.
(Näheres unter http://www.fussballmathe.de)

Diese Ergebnisse stammen offensichtlich aus der Zeit vor dem heutigen Portugal-Spanien-Spiel, denn jetzt ist Spanien bereits mit 100% im Finale. Und warum die Summe aus den Final-Wahrscheinlichkeiten für Deutschland und Italien keine 100% ausmacht, das ist auch nicht ganz plausibel. Mir zumindestens nicht. Ich weiß nur, dass der alte Goethe als Naturwissenschaftler ein paar dicke Kalauer vom Stapel gelassen hat. Warum nicht auch die jungen Goethes?
Morgen wissen wir mehr, und am Sonntag wissen wir alles.

1. “Vegas”
Auf die recht harsche Kritik von letzter Woche hat uns Rüdiger Dorn eine ruhige, sachliche Antwort zukommen lassen. Er verwies auf die Störer-Variante: Jeder Spieler bekommt zu seinen acht eigenen Würfeln noch zwei fremde Würfel eines Dummy-Mitspielers dazu, die er unabhängig von seinen eigenen Würfeln legen kann. Damit kommt etwas mehr Schadenfreude ins Spiel. Es geht nicht mehr allein darum, mit Blut, Schweiß und Tränen an ein paar Dollars ran zu kommen, jeder hat a priori zwei Würfel in der Hand, die ausschließlich dazu da sind, den Mitspielern beim Aneignen begehrter Pfründen in die Suppe zu spucken.
Moritz spürte sofort, dass das Spiel „deutlich lustiger“ wurde. Günther schränkte ein: „Aber nicht weil das Spiel auf diese Weise lustiger ist, sondern weil wir uns darüber lustig machen!“ Aaron bilanzierte. „Es ist halt ein gehässiges Spiel:“ Zur Versöhnung gab Moritz noch eine seiner unendlichen Weisheiten zum Besten:
„Das Spiel will nicht mehr als es ist!“.
Wir hätten alle gerne etwas mehr gehabt und bastelten an Varianten. Beispielsweise:

  • Es gibt Joker-Würfel
  • Die letzten drei Würfel dürfen / brauchen nicht mehr ausgelegt werden.
  • Eine Spielrunde endet mit Sudden Death, sobald ein Spieler alle seine Würfel plaziert hat.
  • Würfel müssen nicht immer ausgelegt, werden, sie dürfen auch einfach beiseite gelegt werden.
  • Augenzahlen sind kombinierbar.

Sicherlich haben Autor und Verlag viele Vegas-Varianten ausprobiert. Das oberste Ziel war aber offensichtlich die Einfachheit der Regeln. Schließlich kann heutzutage nur so ein Spiel-des-Jahres entstehen.
WPG-Wertung für Vegas mit der Störer-Variante: Aaron: 6 (glatt, vorher 6-minus), Günther: 4 (bleibt), Moritz: 4 (die erste Runde war noch ganz lustig, nach der zweiten Runde habe ich mich gelangweilt), Walter: 4 (vorher 3).

2. “Infiltration”
Infiltration“In ‘Infiltration’ two to six players control futuristic thieves, known as operatives, infiltrating a highly secure corporate facility to steal digital files. Each operative attempts to outwit his counterparts and collect the most data. But most importantly, each operative must escape the facility before the security mercs arrive.” – So steht es in der Game-Overview. Der Google-Translator übersetzt das (leicht verbessert) zu: „In ‚Infiltration’ steuern zwei bis sechs Spieler futuristische Diebe, als Arbeiter bekannt, die eine hochsichere Corporate Facility infiltrieren, um digitale Dateien zu stehlen. Jeder Arbeiter versucht, seine Amtskollegen zu überlisten und die meisten Daten zu sammeln. Am wichtigsten ist aber, dass der Arbeiter die Anlage verläßt, bevor die Sicherheits-Söldner ankommen.”
Wie infiltrieren wir die Facility? Indem wir die Aktionskarte „Advance“ spielen. Mit jeder Advance-Karte kommen wir ein Feld (=Raum der Facility) vorwärts. Wie stehlen wir Dateien? Indem wir die Aktionskarte „Download“ spielen. Solange der Vorrat reicht. Wenn die letzte Datei vom Feld, auf dem wir gerade stehen, entwendet wurde, gibt es nichts mehr zu holen. Dann sollten wir ins nächste Feld ziehen. Wie? Siehe oben.
Wie kommen wir aus dem Spielfeld wieder heraus? Indem wir die Aktionskarte „Retreat“ spielen. Damit gehen wir ein Feld zurück in Richtung Ausgang. Wenn wir “Retreat” mindestens so oft gezogen haben, wie wir im bisherigen Spielverlauf advanciert sind, sind wir draußen. Wann kommen die Sicherheits-Söldner? Wenn die Summe aller Augen, die wir mit dem Zeitwürfel gewürfelt haben, die Hundert überschreitet. Durchschnittlich könnte man mit 100 geteilt durch 3 ½ Zeitwürfel-Würfen rechnen. Da die Uhr aber schneller geht und immer wieder eine zusätzliche Zeitspanne addiert wird, ist das Spiel schneller aus als man denkt.
Wer noch schneller fertig werden will, spielt gleich im ersten Zug die „Retreat“-Karte. Unverzüglich ist er draußen und kann sich das aufregende Portugal-Spanien-Spiel anschauen.
Gibt es noch was? Ja, jeder hat ein paar Item-Karten auf der Hand, die er anstatt oder zusätzlich zu seiner Aktionskarte spielt. Damit kann er sich ein bißchen schneller bewegen. Vorwärts und rückwärts!
Nachdem jeder ein paar Runden lang advanced und downloaded hatte, entfuhr es Aaron: „Das kann es doch nicht sein, was wir jetzt machen.“ Moritz beruhigte: „Es ist halt ein No-Brainer“. Zu Deutsch: Ein Kinderspiel! Höchstenfalls!
Günther stieg als erster aus. Dabei wollte er nicht einmal das Fußballspiel anschauen. Er hatte nur eine Item-Karte in der Hand, mit der er die Restspielzeit gleich um ein Drittel verkürzte. Er war der einzige, der überlebte. Für alle anderen reichte die Zeit nicht mehr, im Retreat-Tempo den Ausgang zu erreichen. Moritz hat es trotzdem Spaß gemacht.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (störte sich an der unterschiedlichen Wertigkeit des Diebesgutes. Der zufall-bestimmte Unterschied kann bis zu 300% betragen), Günther: 4+ (zu viel Text, d.h. Brimborium, für die einfachen Züge), Moritz: 7 (würde ich sofort wieder spielen. Thematisch überzeugend), Walter: 3 (würde es nicht nocheinmal spielen, wenn man ein Drittel der Feld-Effekte kennengelernt hat, ist das abstrakte Thema ausgelutscht).
Walters Ausgelutscht-Aussage konterte Aaron mit dem Hinweis auf die Geisterbahnen auf Rummelplätzen. „Jeder weiß, was da drin ist, und trotzdem gehen alle rein.“ Ach! In den Geisterbahnen will man doch nicht neue Geister kennen lernen. Zum Küssen sind sie da!

3. “Pictomanic”
PictomaniaEin Unterhaltungs- und Familienspiel, das es heuer bis auf die Empfehlungsliste zum “Spiel des Jahres” gebracht hat. Jeder bekommt einen unterschiedlichen Begriff vorgegeben (Auto, Ball, Cafe), dann malen alle gleichzeitig ihren Begriff und versuchen, als erster die Begriffe zu raten, die ihre Mitspieler malen. Ein ähnliches Prinzip wurde schon sehr erfolgreich mit dem Spiel-des-Jahres „Barbarossa“ verfolgt.
Punkte gibt es für das richtige Raten, für das richtige Geraten-Werden und für die Geschwindigkeit, mit der man das erledigt.
Das Spiel hat einen netten Unterhaltungswert, wie alle Spiele dieser Art. Tragisch ist es nur für den, der als einziger vom Fach ist, und dessen fachkundigen Gemälde nicht erkannt werden. Wie leicht kann für einen Nicht-Astronomen aus der Jungfrau ein Stier werden. Moritz hielt Walters Gitarre für eine Geige, Günthers Steinpilz war zweifellos ein Fliegenpilz und alle hielten Aarons Hyäne für einen Fuchs.
Die vorgegebenen Begriffe haben einen steigenden Schwierigkeitsgrad. Wir waren bald überfordert. Nicht nur mit Gitarren, Hyänen und Steinpilzen. Wie malt man denn einen „Algorithmus“? Reumütig und einsichtig kehrten wir zu den Anfängerbegriffen zurück.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (hoher Wiederspielwert, die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade sind eine gute Idee, vorzügliche Skalierbarkeit für 4 bis 6 Personen), Günther: 7, Moritz: 7 (das Punktesystem ist das genialste am Spiel), Walter: 6 (die Idee ist nicht neu, der Zeitdruck stört die Kontemplation, das geilste sind die abwaschbaren Mal-Tableaus).

4. “Sequence”
Das Spielbrett zeigt ein Muster von Bridge-Karten. Jeder Spieler hat eine Kartenhand von 6 Karten und spielt reihum eine frei wählbare Karte daraus aus. Die ausgespielte Karte gibt das Feld auf dem Spielbrett an, wo der Spieler einen Chip hinlegen darf. Ist es einem Spieler gelungen, fünf Chips in waagrecht, senkrecht oder diagonal benachbarte Felder zu legen, so hat er gewonnen. Bei vier Spielern bilden die beiden gegenübersitzenden Spieler ein Team und gewinnen (oder verlieren) gemeinsam.
Wie beim Gobang-Spiel müssen ständig zwei Ziele im Auge behalten werden: eine eigene Fünfer-Sequenz zu bilden und beim Gegner eine solche zu verhindern. Beim Gobang hat dabei aber jeder Spieler unendliche künstlerische Freiheit, in „Sequence“ können nur die maximal 6 verschiedenen Felder gemäß der eigenen Kartenhand belegt werden. Ein kleines bißchen Aufpassen über die Gebilde der Gegner schadet nicht, der Rest ist Kartenglück.
Der italienische Untertitel des Spiels lautet: “Un emozionante gioco di strategia“, der englische Untertitel: „An exciting game of Strategy“. Deutscher Untertitel: Fehlanzeige. In Mini-Schrift darunter gesetzt: „Mit Strategie und Glück gewinnen.“ Wir Deutschen sind entweder sauertöpfisch oder humorlos. Oder schlichtweg wahrheitsliebend.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (möglicherweise als Absacker geeignet), Günther: 7 (nur zum Zeitvertreib), Moritz: 5, Walter: 5 (reines Glücksspiel, plus ein bißchen Wahrnehmen, was das Glück uns geboten hat).
Inzwischen hat Spanien das Elfmeterschießen gewonnen.

5. “Zooloretto – Würfelspiel”
Zooloretto WürfelspielEin Spiel-des-Jahres ist immer eine Variation wert. 2007 hat das Brettspiel „Zooloretto“ den begehrten Titel gewonnen, 2012 kam die jetzige Würfelversion heraus.
Mit Hexawürfeln, auf denen Zooloretto-Tiere abgebildet sind, würfeln wir die Tierearten aus, die auf dem Markt zu haben sind, und laden sie auf Transporter. Jeder Spieler kann wählen, ob er zwei weitere Tiere herausbringt oder ob lieber die Tiere auf einem der beladenen Transporter in seinen Zoo einreiht. Am Ende bestimmt der beste Zoo den Sieger.
Für Aaron eine gelungene Kombination von „Choice“ und „Vegas“. Für Walter war auch noch ein bißchen „Kniffel“ dabei.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (nicht besonders spannend), Günther: 7 (die beste Umsetzung eines Brettspiels als Würfelspiel), Moritz: 6 (das Original-Zooloretto ist besser), Walter: 5 (Würfelspiel mit der üblichen chaotischen Abhängigkeit von den Aktionen der Mitspieler).