Archiv der Kategorie: Spieleabende

24.04.2008: Linq und mancherlei zu Sechst

Sechserrunden sind bei uns verpönt. Nur bei begründeten Ausnahmen werden sie zugelassen. Diesmal hatte es sich so ergeben, und Günther und Aaron packten geeignete Sechserspiele aus. “6-Tage-Rennen” war zu brav, “Heckmeck am Bratwurmeck” zu wurmstichig und “Amulett” zu … ich weiß nicht mehr was. Doch die Auswahl in den beiden dicken Tragetaschen war mehr als ausreichend.
1. “Linq”
Im Untertitel heißt es: “Ein assoziatives Bluff-Spiel”. Eigentlich ist es kein Spiel, sondern eine psychologische Unterhaltung. Je zwei Spieler spielen paarweise zusammen, und müssen das herausfinden. Dazu bekommen sie verdeckt einen gemeinsamen Begriff zugeteilt und müssen ihn durch ein einziges Wort laut umschreiben. Haben sie z.B. das Wort “Krone” bekommen, dann würde dazu passen: “gold”, oder “Zacken” oder “Stephan” oder irgend eine andere geeignete Assoziation. Der Kniff besteht darin: Sie müssen sich zwar gegenseitig finden – nur wenn sie es beide gegenseitig herausgefunden haben, bekommen sie Siegpunkte – , sie sollten dabei aber nicht von den anderen als zusammengehörig erkannt werden, sonst müssen sie von ihren Siegpunkten etwas abgeben.
In dieser Balance zwischen Zeigen und Versteckspielen, wobei sich die bösen Gegenspieler durch getürkte Assoziationen dazwischendrängen können, liegt der Reiz des Spiels. Hübsch und kriminalistisch. Birgit war am richtigen Platz.
WPG-Wertung: Aaron: 8, Birgit: 9 (hübsche Unterhaltung), Günther: 7, Hans: 7, Horst: 6 (zu viel Zufall), Walter: 8
2. “Havoc”
Schon seit 2 ½ Jahren nicht mehr gespielt, und mühsam stöpselten wir die Spielregeln wieder zusammen. Es geht um Bluthunde, Söldner, Friedensfürsten und Bättelcards zum Sammeln von Pärchen, Drillingen, Fullhauses und Bigfullhauses, Sträits und Fläsches, eigentlich ein ganz normales Pokerspiel, allerdings hat jeder deutlich mehr als 5 Karten auf der Hand, von denen er pro Kampf maximal 6 Stück ausspielen darf. Wer rechtzeitig aussteigt oder gar nicht erst einsteigt, kann Kartenpflege betreiben und sich die besten Kombinationen für den Endkampf aufbehalten, wo es am meisten zu erben gilt. Doch wer einen Pokerkampf vom Zaun bricht, wenn die anderen sich gerade verausgabt haben, kann auch absahnen.
Leicht und locker.
Den bisherigen WPG-Durschnitt von 8 Punkten konnte Horst halten (er ist halt ein Zocker), Birgit blieb mit 6 Punkten deutlich drunter, sie spielt halt lieber “richtige” Brettspiele.
3. “Metropolys”
Birgit und Horst mußten frühzeitig von dannen ziehen, das Kernquartett konnte sich nochmals an das neue Metropolys aus dem französichen Ys-Verlag ranmachen.
Diesmal dauerte alles viel länger als beim ersten Mal, dabei war Hans der einzige zusätzliche Marathondenker. Offensichtlich reicht das schon. Es gibt genug zu denken. Wer sogar seine mächtigsten Steine gezielt für gigantisches Endspiel mit Domino-Effekt zurückhält, und dann mit einem einzigen und letzten Zug alle seine Steine auf einmal loswerden will, der kann morgen früh noch über seinem Zug brüten.
Egal ob schneller oder langsamer Brüter: Das Spiel ist pfiffig und kombiniert verschiedene Zugelemente zu einem ganz neuartigen Erlebnis.
Hans und Aaron drückten mit ihren jeweils 7 Punkten den bisherigen WPG-Durchschnitt von 8,0 Punkten auf 7,75.
Walter behält sich eine Rezension vor.
4. “Bluff”
Hans kam gegen Aaron in ein Endspiel mit 3:3 Würfeln. Seine Vorgabe von 2 mal die Fünf war der exakte und daher ziemlich undurchsichtig Durchschnitt. Aaron zog seine einzige Fünf aus dem Becher heraus, hob auf 3 mal die Fünf und würfelte nach. Erfolgswahrscheinlichkeit 66 %. Hans legte ebenfalls eine Fünf heraus, hob auf 4 mal die Fünf und würfelte ebenfalls nach. Das war seine beste Chance, immerhin noch in der Größenordnung von 4/9. Aaron zeigte freudestrahlend seine beiden Luschen, doch Hans zog freudestrahlend zwei Fünfen unter seinem Becher hervor.
So ging es dann weiter. Hans bekannte zwar am Ende, daß er selber nicht mehr genau wußte, was er tat, doch es war offensichtlich alles richtig.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

08.04.2008: Metropolys im Stone Age

“Lästern” kommt zweifellos von “Lust” und nicht von “Last”, das können wir am Westpark an jedem Spielabend bestätigen. Episoden aus dem richtigen Leben oder Ungereimtheiten innerhalb von Spielregeln sind allemal eine Portion erfrischenden Spotts wert, der wie beim Triumpfgeschrei der Wildgänse die Truppe in Lust und Laune zusammenschweißt. Schon vor 200 Jahren sagte ein Spötterfreund: “Jede Lobhudelei ist langweilig, jede Spötterei dagegen kurzweilig…”.
Wenn Walter in seinen nächtlichen Session-Reports unsere Spielstimmung wiedergeben will, dann möchte er unserer Lästerei natürlich einen erheblichen Stellenwert einräumen. Doch muß er dabei scharf aufpassen: was im Allerheiligsten unserer Spielhölle durchaus noch erlaubt ist, hat auf der öffentlichen Bühne einer Internetseite oft nichts zu suchen hat. Manchmal sticht ihn allerdings der Hafer und er galoppiert über die wohlberatenen Grenzen hinaus.
Wie urteilt darüber der Volksmund: “Wer lacht, zündet ein Feuer im Ofen an; wer spottet, zündet das Haus des Nachbarn an.” Glücklicherweise gibt es unter uns mindestens einen verantwortlichen Feuerwehrmann, der dann Alarm schlägt und aus Walters Bericht die schärfsten Pointen herauslöscht. Deutlich sichtbar in unserem letzten Session Report. Und er sah, daß es gut war. Heißt es doch schon beim Chronisten: “Treibe den Spötter hinaus, so gehen Zank und Hader weg, und es kehren ein eitel Freude und Wohlgefallen.”
1. “Stone Age”
Tummelhofer – ihr wißt schon, der von “Sankt Petersburg” – hat wieder zugeschlagen. Mit “Stone Age” geht er dieses Jahr wieder ins Rennen um den Deutschen Spielepreis, und die Vorkritiken sind alle sehr gut.
Günther wurde am Montag bei Hans-im-Glück vom Sohn des Autors persönlich in das Regelwerk eingeweiht und konnte es noch ganz brühwarm an uns weitergeben. Jeder Spieler verfügt über eine Reihe von Manschgerln, mit denen er seine Spielzüge ausführt. Wie bei “Agricola” kann man sie vermehren und muß regelmäßig für ihre Ernährung sorgen. Ihre Hauptaufgabe ist das Sammeln von Rohstoffen, die über Bauwerke und über Sonderkarten in Siegpunkte verwandelt werden. Die Erträge werden ausgewürfelt. Je mehr Manschgel man z.B. in den Wald schickt, mit desto mehr Würfeln darf man auswürfeln, wieviele Bäume gefällt werden. Legt man sich rechtzeitig Werkzeug zu, kann man am Würfelergebnis noch etwas drehen. Wer sich einen Kartoffelacker zulegt, braucht weniger Energie in die Ernährung zu investieren.
Es gibt eine ganze Menge ganz einfacher Dinge zu tun, viele haben einen kumulativen Effekt, aber alle sind sehr leicht überschaubar. Ein Spieler, der die Augen von 7 Würfeln zusammenzählen kann, kann vollwertig mitspielen, dazu braucht er gewiß keine 10 Jahre alt zu sein, wie es auf der Schachtel empfohlen ist.
Peter durchbrach unser traditionelles Ritual zum Bestimmen des Startspielers: er saß auf Moritz’ Platz, machte aber Walter zum Moritz und würfelte ihn mit einer Eins zum Startspieler.
Günther mußte uns (sitzplatzmäßig) den Aaron machen und reklamierte auch sofort dessen sprichwörtliches Würfel(un)glück für sich. Bei den ersten schlechten Würfen meinte er noch großmütig: “Ich würfele heute wie ein Weltmeister”. Als es später nicht besser wurde, hätte er gerne wieder seinen Stammplatz eingenommen. Doch beim genauen Hinschauen gab es fast nur Aarons am Tisch. Peter beschwerte sich, daß er mit 4 Würfeln keine einzige Sechs geworfen hatte. Dann griff er zum Taschenrechner und beruhigte sich mit dem Ergebnis, daß die Wahrscheinlichkeit für eine Sechs deutlich unter 50% liegt: 1-(5/6) hoch 4 = 0,42.
Bald ging uns das hölzerne Baumaterial aus. Nach Moritz’ (des anderen) Aussage darf man sich hier mit Ersatzmaterial behelfen. Im Zeitalter der Nichtraucher gibt es keine Streichhölzer mehr, die sehr gut gepaßt hätten. Als Aushilfe standen die Baugleise aus “Trans Europa” oder schöne gläserne Go-Steine zur Auswahl. Das kaiserliche Spiel hat gewonnen, auch wenn es in der Form unterlegen war. Es lag halt griffbereit im Regal.
Wie schon gesagt, reicht für eine normale Spielbeherrschung die erste Klasse Grundschule. Nur um gezielt miesnickelig zu spielen, braucht man etwas mehr mentale Reife. Loredana vermasselte Walter einen Zug, bei dem er das letzte Bauwerk eines Stapel gebaut und damit das Spiel als Sieger beendet hätte. Bösartig blockierte sie mit allen ihren Manschgerln das Goldbergwerk und Walter konnte sich das noch benötigte Gold nicht besorgen. Als Vergeltung hätte ihr Walter im Gegenzug ein Bauwerk vermasselt, das mit 7 mal Gold 42 Siegpunkte wert gewesen wäre, wenn das nicht bereits Günther für ihn getan hätte.
Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte. Und der Vierte. In der Schlußwertung zogen Günther und Peter weit an Walter und Loredana vorbei. Hier werden nochmals nach unterschiedlichen Kriterien Sondernprämien ausgeschüttet. Allein durch konsequentes Sammeln von Zivilisationkarten (analog der Adeligen-Strategie in Sankt-Petersburg) kann man hier zusätzliche 64 Siegpunkte ergattern. Diese Karten sind der Knüller, zumindest solange die Konkurrenz das noch nicht weiß.
Das Spiel funktioniert, zeigt in Aufbau und Reife die Handschrift eines Meisters, war vom Anfang bis Ende recht kurzweilig, dauert für die einfachen sich wiederholenden Grundmechanismen aber vielleicht ein weniges zu lang: Publikum zwei Stunden lang, spielte ohne Bumerang.
WPG-Wertung: Günther: 7, Loredana: 6, Peter: 6, Walter: 7.
Walter schreibt eine Rezension.
2. “Metropolys”
Ein Stadtplan mit Stadtteilen, Häuserzeilen, Straßen und Flüssen. Jeder Spieler hat 13 Holzklötzchen (Häuser) mit den Werten 1 bis 13. Die Spieler setzen reihum ein Holzklötzchen auf das Spielbrett. Jedes Klötzchen muß benachbart zum Vorgänger sein und einen höheren Wert aufweisen. Wer das letzte (höchst-wertige) Klötzchen gesetzt hat, hat eine Zugfolge gewonnen. Er darf dieses letzte Klötzchen stehen lassen und die nächste Zufolge in einer beliebigen Häuserzeile starten. Alle anderen Klötzchen werden abgeräumt.
Die Werte, die den Spielern noch übrig bleiben, werden immer niedriger. Durch die auf dem Spielplan stehenbleibenden Klötzchen entstehen schnell Sackgassen, auf denen ein Spieler seine niedrig-wertigen Klötchen loswerden kann und immer noch am Zug bleibt.
Sobald ein Spieler alle seine Holzklötzchen verbaut hat, ist Schluß und die Belegung des Stadtplans wird bewertet.
Das Spiel zeigt neue, elegante Zugmechanismen, die Bebauung der Stadt öffnet überraschende topologische Winkelzüge. Es geht alles ganz flott über die Bühne und ist doch ein dankbares Feld für strategische Überlegungen.
WPG-Wertung: Günther: 8, Loredana: 8, Peter: 8, Walter: 8.
Das Spiel ist eine Rezension wert.
3. “Bluff”
Günther ging mit 3:1 Würfeln ins Endspiel gegen Walter. Für ihn gibt es hier nur eine wahre Vorgabe: 1 mal die Fünf. Walter hob auf 1 mal Stern. Das war eine Suggestiv-Antwort, aber was versucht man nicht alles, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht.
Günther hob auf 3 mal die Vier. Was kann man daraus schließen? Hat er Walter den Stern geglaubt oder nicht?
Post Mortem ist es klar, daß Günther selber einen Stern und mindestens eine Vier haben sollte. Walter hätte mit dem Stern, den er tatsächlich unter seinem Becher hatte, auf 2 mal Stern heben müssen. Doch auch dafür hätte Günther noch einen Konter parat gehabt: Er hatte neben dem Stern nämlich gleich zwei Vierer; mit 4 mal die Vier hätte er den Sack zugemacht.
Er wurde allerdings schon im Prae-mortem angezweifelt und durfte seinen letzten Pfeil im Köcher behalten.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

02.04.2008: Riesen-Bluff nach dem “Zeitalter der Entdeckungen”

“Vollbeschäftigung” ist ein Zauberwort aus alten Tagen, von dem heutige Wirtschaftspolitiker nur noch träumen können. Früher – zu meiner Zeit! – fand vom Aakademiker bis zum Zzuschneider jeder nach seiner Ausbildung unverzüglich eine Stelle. Heute ist das oft genug ein mehr als mühsames Glücksspiel!
Loredana hat jetzt ihr Mathematikstudium beendet, und zunächst mal stand das allgemeine große Fragezeichen über ihrer Zukunft: Kriegt sie einen Job? Am Können sollte es nicht liegen, am Charme auch nicht, aber vielleicht an dem Phänomen, das wir seit einer ganzen Generation nicht mehr haben: Vollbeschäftigung!
— der nächste Abschnitt wurde von unserem Zensor gestrichen —
Hallo, ihr dreieinhalbmillionen Arbeitslose auf Deutschlands Straßen: Spielt mehr Brettspiele, und ihr kriegt im Nu alle einen Job!
1. “Zeitalter der Entdeckungen”
Walter brütet schon über seiner Rezension zum “Zeitalter der Entdeckungen”, aber er traute sich nicht, vor den kritischen Zuhörern die Regeln vorzutragen. Diese Rolle durfte Aaron übernehmen. In konstruktiver Atmosphäre kämpften wir uns durch die Schiffskarten, die Handelsaufträge, die Entdeckungsreisen und die Sonderaufträge. Ein Sonderauftrag lautet, man muß “die einfache Mehrheit erringen, also mehr Schiffe als alle anderen zusammen”. Peter bemerkte hier: “Wir Politiker nennen das die absolute Mehrheit.” Wo er recht hat, hat er Recht!
Die Schlußwertung ist ziemlich undurchsichtig. Die Zusatzpunkte aus den Sonderaufträgen werden nach einer Tabelle in einen Faktor umgerechnet, mit dem die Anzahl der Entdeckungsreisen multipliziert wird. Oder ist es umgekehrt. Zumindest konnte Peter konstatieren: “Die haben das deshalb so gelöst, damit keiner die Schlußwertung überblicken kann, und somit keine Kingmaker-Effekte auftreten können!” War das etwa eine verschleierte Kritik?
Aaron würfelte mit unserem Arpad den Moritz aus! Diesen Satz verstehen nur Insider. Doch die Lösung verstehen nicht mal diese alle, sondern nur die Anwesenden. Jedenfalls wurde Walter Startspieler und machte sich sofort ans Geldverdienen. Er erinnerte sich noch gut an seine Fehlinvestitionen aus der ersten Begegnung mit dem Spiel.
Loredana fragte: “Lohnt es ich, Schiffe von möglichst allen Farben zu sammeln?” Peter hielt ihr vor, bei der Erklärung der Spielregeln nicht aufgepaßt zu haben, doch sie konterte: “Du kapierst gar nichts, und dann machst Du Dich noch lustig über alle!” Hier komme ich leicht ins Zweifeln, ob meine Notizen stimmen, aber so ähnlich sollte es gewesen sein.
Das Spiel lief etwas an Peter vorbei. Für sein taktisches Genie eine absolut ungewohnte Tatsache. Mühsam mußte er mehrfach die zwei Aktionsgulden in seinen Sparstrumpf legen und auf die zweite Aktion gänzlich verzichten. Als letzter erfüllte er seinen ersten Handelsauftrag. Hallo Peter, hast Du Dir etwas dabei gedacht?
Tropfen auf Tropfen fing er den Unmut in seinem Gemütskelch auf, bis der überlief. “Falangisch” nannte er das Spiel. Bevor Walter bei Wikipedia nachschauen konnte, was das heißt, erläuterte Peter, das heißt “Spielmechanik nicht bis ins Letzte verfeinert”. Aaron fügte erklärend hinzu: “Phalanx heißt der Spielverlag”. Dann wird “falangisch” wohl die falsche Schreibweise sein. Doch gewiß leitet sich die spanische “Movimiento Nacional” von der altgriechische Kampfformation ab!
Unmittelbar vor dem Einläuten des Spielendes konnte Loredana mit zwei Handelschiffen 24 Gulden einstreichen. Dann zog sie die Karte für die Schlußwertung, legte ihr ganzes Geld in Schiffen an und belegte damit fast alle noch freien Plätze auf den Entdeckungsreisen. Der Sieg war ihr nicht mehr zu nehmen. Auf die Frage, warum Loredana gewonnen hat, gab Peter die sarkastische Antwort: “Weil sie die Spielregeln nicht verstanden hat!”
Als Alternative zu Peters Räsonieren wollen wir Aaron zu Wort kommen lassen: “Das Spiel funktioniert, aber mit dem Stinkstiefel (P.) kann man es nicht spielen.” Walter fügte – an seine Rezension denkend – noch beschwichtigend hinzu: “Das Spiel ist doch ein netter Zeitvertreib”.
Die bisherige gute WPG-Wertung von 4 mal die 7 wurde total versaut: Peter vergab 4 Punkte und Loredana zunächst 6 – weil das Spiel zweifellos funktioniert. Doch als ihr Peter klarmachte, warum sie gewonnen hatte, reduzierte sie ihre Note um einen Punkt.
Walter brütet immer noch über seiner Rezension.
2. “Bluff”
— auch hier hat unser Zensor eingegriffen und einen Teil weggeschnitten —
Im ersten Spiel hatte sich Aaron nach drei Runden selber herausgeblufft, Walter konnte sich in einem harten 4:4 Endkampf gegen Loredana durchsetzen.
Im zweiten Spiel war Walter als erster draußen, gefolgt von Loredana. Aaron entschied das Endspiel gegen Peter für sich. Ihm blieben alle 5 Würfel auf der Hand. Die Einlauf-Reihenfolge war genau umgekehrt zum ersten Spiel! Also ist “Bluff” schlußendlich doch nur/auch ein Glücksspiel!
Im dritten Spiel mußte Aaron gegen Walter und Loredana auf drei Sterne heben und dann mit einem einzigen Würfel einen Stern nachwürfeln! Es gelang ihm und mit der daraus resultierenden Euphorie konnte er auch das Endspiel für sich entscheiden.
Im vierten Spiel war er wieder als erster draußen. Peter konnte 10 Einser sehen und hob Walters Durchschnitts-Vorgabe sehr gefühlvoll auf 6 mal die Eins. Als er wieder dran war, stand der Pegel bei 9 mal die Eins. Natürlich konnte er noch auf gefahrlos auf 10 heben. Er wurde angezweifelt, doch weil Loredana auch noch eine Eins unter dem Becher hatte, war sein Gewinn (d.h. der Verlust der Konkurrenten) nur minimal. Mit dieser Enttäuschung konnte er im Endspiel nicht bestehen.
Dafür konnte er das fünfte Spiel für sich entscheiden. Er verließ die heute sehr oft erfolgreich praktizierte Immer-4-Strategie und fing im 1:1 Endspiel gegen Aaron mit 1 mal die Fünf an. Mit einer Fünf unter dem Becher sollte das wohl auch eine gute Wahl sein! Hallo Günther, bitte keine falschen Schlüsse daraus ziehen!
Im sechsten Spiel schied Peter als erster aus. Wer gewonnen hat, habe ich vergessen.
Im siebten Spiel fing Aaron mit einem Würfel gegen 5 Würfel in Summe bei Loredana und Walter mit der Immer-4-Strategie an. Loredana zweifelte eiskalt an. Das war sein Ende. Loredana konnte anschließend auch das Endspiel gegen Walter für sich entscheiden.
Und es gab noch ein achtes Spiel.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
3. “Restroom”
Nein, das ist kein Spiel, sondern nur eine von den vielen Flieger-Anekdoten, mit denen Peter heute aufwartete:
In der alten Version der Boeing 747 gab es noch keinen Schlafraum für das Kabinenpersonal. Eine ältere Dame wendet sich an die junge, mit dem amerikanischen Englisch noch nicht vertraute Flugbegleiterin: “Where is the restroom”! Antwort “This aircraft has no restroom!”
Nachdem die Passagierin aber doch beharrlich auf eine Lösung ihrer dringlichen Problematik drängte, klärte die Flugbegleiterin sie auf, wie das Personal damit umgeht: “Wir setzen uns auf einen normalen Sitz, legen eine Decke über uns und entspannen uns dann …”. – Erst jetzt soll der Purser eingegriffen haben.

01.04.2008: Nostalgie am Westpark

Um seiner dahinsiechenden Rubrik “Juwel des Monats” neue Impulse zu verleihen, hatte Moritz am Dienstag zu einem zusätzlichen Spielabend in den Herkulessaal der Maxvorstadt eingeladen. Ausnahmsweise gab es diesmal keinerlei Teilnahmebeschränkungen. Jeder durfte mitmachen und war zudem aufgefordert, “the one game”, sein Leib- und Magenspiel aus Kindheit und Jugend vorzustellen.
Moritz fing den Abend sogleich mit “Schwerter statt Pflugscharen” an, einem taktischen Hieb- und Stichspiel aus dem Bellum-Verlag, mit dem schon zu Sions Zeiten sich die Völker die Köpfe eingeschlagen haben. Aber Moritz wäre nicht Moritz, wenn er nicht noch einen zweiten Pfeil im Köcher gehabt hätte. Die “Venus von Milo” ist ein traditionelles Gesellschaftsspiel, dessen Hauptreiz darin besteht, durch eine gelungene Kombination von fest vorgegebenen Regeln mit frei erfundenem Beiwerk ein Maximum an Lustgewinn zu erzielen.
Andrea’s Augen glänzten, als sie ihren Favoriten “Before the Pampers” auf den Tisch legen durfte. In dem spannenden Zwei-Personenspiel muß einer die Gedanken des anderen erraten, um mit ihm im Endspiel das zu machen, was der andere ohnehin schon immer gewollt hatte.
Hans trat mit “Schlaraffenland” an, einem von McDonalds gesponsorten Partyspiel, bei dem es darum geht, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Chicken and Wings zu vernichten. Früher hatte er im Freundeskreis Tag und Nacht damit verbringen können. Heute sind seine Mitspieler meist schon nach der Haribo Vorspeise abgeschlafft.
Günther schwelgte in Erinnerungen an “Zeppelin“, einem Reisespiel aus dem Ravenshafener Aero Verlag. Was waren das doch für herrliche Zeiten – lange vor 1830 -, als man noch unabhängig von den engstirnigen schwarzen Linien auf gelben Hexagons, unbehindert von gegnerischen Tokens, quer durch den Äther seine Reise von Baltimore nach Ohio antreten durfte!
Loredana brachte eine alte Schuhschachtel mit, in der sie die Reste vom “Haus des Volkes” aufbewahrte, einem Wirtschafts- und Aufbauspiel aus dem längst vergessenen Conducator-Verlag. Dieses Spiel hatte einst in ihrer Heimat sogar zum Pflichtunterricht gehört; jeden Morgen wurde damit die euphorische Weichenstellung für eine unerreichbare Zukunft gelegt.
Peter träumt immer noch von “Weiß-blaue Bananenrepublik“, einer Realutopie des präpotenten Selbstverlages “Tiger-und-Trapez” aus Wildpark-Kreuz. Hier spielen die Ananaszüchter aus Alaska gegen die Globalplayer aus Wittelsbach um die Weltherrschaft in der Lazarettstraße. Schon früh hatte er sich hier regelmäßig die begehrte Rolle des Megaphonogogen unter den Nagel reißen können. Unerwarteterweise hat sich die Erde inzwischen schon so viele Male weitergedreht, daß schon allein mit der Lokaltopologie heute keiner mehr zurechtkommt.
Walter hatte in seiner Mördergrube noch ein gut erhaltenes “Mit Gift und Galle” entdecken können. In seiner Jungzellenzeit hatte er sich mit gleichgesinnten Freunden nächtelang daran aufgeilen können. Auch heute noch versucht er zuweilen, ein paar Prinzipien dieses Spiels in den Abenden am Westpark zur Geltung zu bringen, doch nimmt ihn damit keiner mehr ernst.
Aaron packte sein “Robin Hood und die 40 Räuber” aus. Mit diesem vorzüglichen Feld-Wald-und-Wiesen-Spiel hatte er vor ca. 50 Jahren die Westpark-Gamers begründet. Das Spiel enthält ungezählte individuell geformte Zinnfiguren, die in der Originalausstattung leider alle unbemalt sind. Schon vor Jahren hatte Aaron begonnen, die Hauptfiguren eigenhändig zu bemalen. Jetzt hoffte er, das Werk mit den vereinten Kräften der Teilnehmer aus dem Herkulessaal vollenden zu können.
Er hatte sich nicht getäuscht. Wir steckten mental alle noch ganz tief in unserer gerade erst bewunderten Ostereierkunst und vertauschten mit Feuereifer die Würfel gegen den Pinsel. In Fließbandtechnik machten wir uns über Sherwood-Ali, Maid Marian und Tricky-Morgane her, und als das kreisende Rad der Sonne den Rappen der Nacht mit goldenem Huf beschlagen hatte, waren wir alle genauso blau wie die englischen Araber von Nottingham.

26.03.2008: Fünf oder Sechs Städte in Trans-Europa

Wir spielen mit Eifer soviele verschiedene Spiele, daß wir gar nicht dazukommen, unsere Lieblingsspiele immer wieder auf den Tisch zu bringen. Was waren das doch für schöne Zeiten, als wir noch Woche für Woche das gleiche “1830” gespielt haben. Oder – noch früher – Monopoly, Risiko, oder gar “Mensch-ärgere-Dich nicht”.
Doch wir wollen den vergangenen Zeiten nicht nachtrauern. In “Bluff” haben wir heute noch alle gemeinsam ein konstantes Element, und in privaten Non-Westpark-Gamers-Zirkeln kann jeder auch noch seinem Lieblingsspiel frönen. Für den einen ist es “Age of Empire”, für den anderen Bridge.
Und was ist es für den Dritten?
1. “Sechsstädtebund”
Endlich durfte auch Günther dieses für ihn als einzigem noch unbekannte Spiel kennenlernen. Hans frohlockte: “Da haben wir endlich eine Chance!”
Schnell hatte Aaron die Regeln erklärt und sogleich erkundigte sich Günther: “Gibt es auch eine Kutschenverlängerung”? Er dachte wohl an die “Schwanzverlängerung” von “Evo”, doch im Sechsstädtebund geht es recht bürgerlich zu. Die Spieler kämpfen untereinander um die lukrativsten Städte mit dem besten Warenangebot, den schnellsten Pferden und den meisten Knappen als Hilfstruppen. Mit den Waren kann man am Zielort brave, solide Punkte machen, mit den schnellen Pferden kann man die Waren der Konkurrenten zum eigenen Vorteil ausnutzen und mit den Knappen kann man sich im Kampf um die besten Plätze besser durchsetzen. Jeder entscheidet frei, auf welcher Schiene er fahren will. Alles zusammen bekommt man nicht unter einen Hut, die richtige Prioritätensetzung entscheidet über den Sieg.
Günther grübelte bei seinen Zügen recht lange darüber, was er wählen sollte. Er litt unter der Nicht-Beherrschbarkeit der vielen unbekannten Einflußgrößen, und tat das auch lautstark kund. Dann entschied er sich für das bewährte Prinzip aus hundertausend Jahren Menschheitsgeschichte: “Der erste hat immer den größten biologischen Vorteil!”.
Erst spät entdeckten alle ihre Knappenliebe, nachdem Walter ihr schon von der ersten Runde an gehuldigt hatte. Doch die Lustknaben müssen sinnvoll eingesetzt werden, in der letzten Runde sind spielen sie nur noch eine lendenlahme Rolle als Tiebreaker. Wenn überhaupt.
Die Wartezeit auf die Züge der anderen kann erheblich sein, doch normalerweise werden die Entscheidungen der Mitspieler immer mit Spannung verfolgt. Bei uns wird dieses Element natürlich weit übertrieben. In der letzten Runde mußte Walter geschlagene 30 Minuten warten, ehe die vier Vorspieler den Verdrängungswettbewerb um die Städte ausgefochten hatten. Am Ende waren die Städte dreimal für zwölf, und einmal für neun Knappen ersteigert worden. Walter konnte da nicht mehr mithalten und mußte sich für Null Knappen mit der schäbigsten Stadt begnügen.
Moritz hatte auf die Ständekarten gesetzt und war damit von Runde zu Runde weit zurückgefallen. Doch in der Schlußabrechnung durfte er sich mit seinen Ständemehrheiten noch dreimal neun Prämienpunkte hinzuzählen und kam auf den zweiten Platz. Günther hatte mit seiner Schnelle-Pferde-Strategie von Anfang an in Führung gelegen und konnte den Vorsprung bis ins Ziel retten. Hans hatte zu früh frohlockt.
WPG-Wertung: Günther blieb mit seinen 7 Punkten genau im Durchschnitt der Westparkgamers. Er hätte noch mehr Punkte vergeben, wenn ihm das Spiel nicht so viel Gelegenheit zum Grübeln gegeben hätte.
Aaron hat schon zwei Rezensionen geschrieben.
2. “Trans Europa”
Jeder bekommt fünf zufällige Städte aus einer Landkarte von Europa zugeteilt und muß sie durch eine Eisenbahnlinie verbinden. Das entstehende Schienennetz gehört allen gemeinsam. Wer als erster seine Städte verbunden hat, ist Sieger.
Mit dem hübschen Spiel zum Denken und Spielen kann man seinen Enkelkindern auch noch die Geographie Europas näherbringen. In der europäischen Variante gegenüber der amerikanischen fand Moritz zusätzlich den Vorteil, daß man die Städte leichter findet. Bei Moskau oder Madrid weiß doch ein jeder, in welcher Ecke er sie zu suchen hat. Bei Dallas oder Dulluth gilt das nicht gleichermaßen.
Keine neue WPG-Wertung.
Walter schreibt eine Rezension.
3. “Bluff”
Aaron erwies sich als Goliath. In nur zwei Runden hatte er Moritz aus dem Rennen geworfen und Hans war in die gefährdete Vordermann-Position gerückt. Doch mit einem Anzweifeln bei Pari-Stand büßte er seinen Angstgegner-Nimbus ein und Hans konnte wieder “normal” aufspielen.
Walter gelangte mit 4:1 Würfeln in ein Katz- und Maus-Endspiel gegen Günther. Jetzt hatte er noch dazu einen Bombenwurf mit zweimal Stern und zweimal Eins unter seinem Becher. Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, mit einer Einmal-die-Vier-Vorgabe ins Rennen zu gehen.
Günther wollte mit Zweimal-die-Fünf die Katze beim Schwanz packen. Doch damit hatte er alles über sich verraten. Er hatte ganz sicher keinen Stern und auch keine Eins geworfen! Warum? – Mit einem Stern hätte er aus der Position der Stärke und mit einer Eins aus der Position der Schwäche heraus langsamer gehoben? Diese Spiel-Psychologie ist doch schlüssig, oder?!
Walter konnte mit Viermal-die-Eins den Sack zumachen.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

12.03.2008: Im Märzen der Bauer

Mensch ärgere dich!
Kindliches Spiel besteht vor allem in der Realitätsbewältigung. Kinder steigen in ihren imaginären Welten zum allmächtigen Schöpfer auf, der Spielfiguren sterben und wiederauferstehen läßt. Sie lernen, gemeinsam mit anderen fiktive Welten zu verwirklichen. Das wiederum erlaubt ihnen als Erwachsene kreativ Handlungsoptionen zu durchdringen.
Für Volljährige ist es allerdings zu spät, die Nevenbahnen im Gehirn noch neu zu verlegen. Wer als Hänschen keine große Vorstellungskraft entwickelt hat, erwirbt sie als Hans wohl nimmermehr. Es ist deshalb noch unklar, welchen evolutionären Vorteil das spielerische Treiben im Erwachsenenalter besitzt. Steigern Scrabble und Monopoly möglicherweise den Fortpflanzungserfolg?
Immerhin ist erforscht, daß erwachsene Affen mit körperlichen Spielen gezielt ihre Konflikte eindämmen. Ratten liefern sich Scheinkämpfe, um die soziale Hackordnung zu etablieren. Beim Menschen dient die selbstgenügsame Beschäftigung der körperlicher Ertüchtigung und dem sozialem Zusammenhalt, sie vertreibt Langeweile und kompensiert den Alltagsfrust. Für Künstler ist es gar der Motor ihres Schaffens.

Nach einem Artikel von Hubertus Breuer in der Süddeutschen Zeitung. Dabei könnte der letzte Satz direkt aus einem Fernseh-Report über Moritz stammen.
1. “Agricola”
“Agricola” und “Sechsstädtebund” standen zur Auswahl: Das eine hatte Moritz, das andere Günther noch nicht gespielt. In der Entscheidung Künstler gegen Naturwissenschaftler setzte sich selbstverständlich der Künster durch. Vielleicht gab auch der Titelgewinn als unser nächstes “Spiel des Monats” den Ausschlag.
Günther durfte aus dem Gedächtnis und anhand des umfangreichen Spielmaterial die Regeln erklären. Die Spieler bilden sich fort, machen Anschaffungen, Renovierungen, erwerben Knecht, Magd und Vieh und alles was zu einer Bauerei dazugehört. Moritz war über die Komplexität der Regeln vorgewarnt. Deshalb konnte er gleich erleichtert kommentieren “Eigentlich ganz einfach”! In bezug auf Agricola-Spielen hat er absolut recht, aber in bezug auf Agricola-Gewinnen absolut unrecht!
Die ganze Spielgestaltung muß stimmen. Sowohl in der Schwerpunkt-Bildung bei der landwirtschaftlichen Produktion als auch in der Diversifizierung in Acker und Weiden, Gemüse und Getreide, Schafe und Rinder muß die richtige Dosis vorhanden sein. Mir wurde zum ersten Mal der gewaltige Unterschied bewußt zwischen “Man plant vor sich hin” und unserem Westpark-Gamers-Motto “to have a plan”.
Günther wollte die “Bettlerkarte”, die ein Spieler nehmen muß, wenn er seine Familie nicht mehr ernähren kann, gleich als “unsinnig” aus dem Spiel nehmen, doch Walter widersprach heftig. Rosenberg hat sein Spiel so ohne Fehl und Tadel durchkonstruiert, daß sicherlich auch die Bettlerkarte einen Sinn haben mußte. Wie demonstrativ vernachlässigte Walter die Nahrungsbeschaffung und handelte sich dafür gleich in der ersten Ernährungsphase eine Bettlerkarte ein. Die Demonstration ging schief, am Ende wurde er Letzter. Aber auch ohne Bettlerkarte hätte er diesen Platz eingenommen. Spricht das jetzt für oder gegen die Bettlerstrategie?
Moritz schockte seine Mitspieler mit einer kleinen Anschaffung: Er erwarb einen Forst, auf den pro Runde zwei Holz gelegt wurden, und der zusätzlich die Eigenschaft besaß: “Wer diesen Forst betritt, muß an dich 2 Nährwerte bezahlen.” Sogleich erhob sich die Frage: Darf Moritz als Forst-Eigentümer selber diesen Forst betreten? In der Spielregel ist dazu nichts beschrieben, per Abstimmung wurde Moritz dieses Recht zugestanden, doch Walter ging die Wette ein, daß dies falsch sei (um eine Schokolade). Rosenberg muß hierzu wohl noch mal persönlich seinen Senf dazugeben. Oder steht das schon im Internet unter FAQ?
Moritz’ Forst besaß am Ende doch nicht die befürchtete Wunderkraft. Er bekam zwei- oder dreimal die 2 Nährwerte von seinen Mitspielern und strich selber auch massig Holzklötzchen ein, doch was soll ein Mann mit soviel eigenem Holz vor der Hütte?
Aaron machte in Steinbau und wurde Dritter. Moritz leistete sich die umfassendste Ausbildung und hatte die prächtigsten Gemüse- und Getreideäcker; damit wurde er Zweiter. Günther ging zielstrebig auf Familienzuwachs los und hatte als einziger sein kompettes Spielfeld mit allen möglichen Utensilien zugebaut. Das reichte zum Sieg. Wo Walter mit seiner Schafzucht geblieben ist, habe ich oben schon erwähnt.
WPG-Wertung: Moritz vergab 8 Punkte und war damit um 2 Punkte besser als der bisherige WPG-Durschnitt.
Walter hat schon eine Rezension geschrieben.
2. “Flaschenteufel”
Der Teufelsstich stand nach dem zweiten Stich auf der roten 14, da spielte Moritz die gelbe Zwei aus. Eine Verzweiflungstat, aber nicht gut genug getimed. Aaron gab die 18, Günther die 22 und Walter die Eins. Ab sofort zählten nur noch die hohen Karten! Aber nicht mehr für Moritz.
Walter spielte im ersten Stich die blaue Vier aus. Das war im Gegensatz zu Moritz’ Harakiri kein Nervenkitzel, egal ob er diesen Stich bekommt oder nicht. Hat der Flaschenteufel etwa etwas mit Bridge zu tun?
Keine neue WPG-Wertung für ein vorzügliches Spiel.

26.02.2008: “Verspielt”

Lang Lang spielte Liebestod und Liebestraum in der Philharmonie. Das war am Sonntag. Moritz spielt sein eigenes Klavierkonzert in der Hochschule für Musik. Heute. Aaron läßt seine Siemens-Muskeln in Helsinki spielen, und Günther spielt Eisenbahn in unbekannten 18xx-Gefilden. Sie alle fanden heute nicht den Weg zum Westpark.
Loredana und Peter spielen auf dem politischen Parkett noch keine entscheidende Rolle, es reicht ihnen am kommenden Sonntag zwei zweite Geigen zu spielen. Schaut mal nach, wo sie auf dem BAMSZ zur Maxvorstadt Verstecken spielen! Am Westpark wollten sie diesmal den Vorreiter spielen, doch dann wurde Hans vom seinem Kreislauf ein böser Streich gespielt. Er wollte nicht mit seinem Leben spielen und sagte kurzfristig den Spielabend ab.
Walter hatte noch mit dem Gedanken gespielt, Moritz zuzusehen, wie er bei Klavierspielen das Orchester an die Wand spielt. Doch dazu war bereits zuviel Zeit verspielt. Es reichte nur noch zu einem Wortspiel.

13.02.2008: “Confucius” wird erwachsen

Moritz ist guter Dinge vom Wiener Opernball, der “Inkarnation des Schrecklichen”, wieder nach Hause gekommen. Sein “Fußballett” hatte überall Anklang gefunden, beim österreichischen Bundespräsidenten genauso wie vor den kritischen Augen der Westpark-Gamers, die natürlich alle vor der Fernsehübertragung gesessen waren.
Moritz konnte auch mit Details von hinter den Kulissen aufwarten, z.B. daß es dort einen Raum gibt, wo Roulette gespielt wird! Als Brettspieler sollten wir natürlich keine Vorurteile gegen das professionellste Tischspiel der Welt haben. Doch auf den Wiener Opernball zu gehen um sich dort an den Rouletttisch zu setzen, dazu gehört schon eine besondere Lebenseinstellung.
1. “Confucius”
Im November letzten Jahres hatten wir das Spiel erstmals als Rohversion zum Testen auf unserem Tisch. Damals lief es noch ziemlich unrund, und Moritz hatte den Autoren eine Reihe von Regeländerungen vorgeschlagen, die etwas mehr Dynamik in den Spielverlauf bringen könnten. Die Autoren haben sich das zu Herzen genommen und an den Schrauben für die Belohnungen guter taktischer Züge gedreht: Es gibt jetzt deutlich mehr Siegpunkte, für das Erreichen der Schifffahrtsziele, für die Invasion fremder Länder und für die Mehrheiten in den Ministerien.
Das wesentlichste Element, das “Confucius” von allen anderen Spielen unterscheidet, ist das Handhaben von Geschenken. Durch Geschenke verpflichte ich einen Mitspieler zu einem gewissen Wohlwollen; er muß mich bei der Kandidatenkür mit Geld unterstützen und er darf meinen Einfluß in den Ministerien nicht überbieten.
Hier hatten wir einen längeren Disput über den Begriff “exceed”. Wenn ich in einem Ministerium genauso viel Einfluß habe wie ein Gegenspieler, dem ich per Geschenk verpflichtet bin, darf ich dann meinen Einfluß erhöhen oder ist das ein verbotenes “exceed”? Zählt hier die höhere “Seniorität” beim Überholen oder darf ich bei Gleichheit grundsätzlich meinen Einfluß nicht weiter ausbauen? Wir einigten uns auf das Verbot.
Durch das Geben von Geschenken erhöht sich die Anzahl von Aktionen, die ich per Zug ausführen darf. Das ist ein starkes Motiv für Geschenke. Doch auch das Nehmen von Geschenken liefert Zusatzaktionen. Damit wird die Verpflichtung ausgeglichen, in die man dabei gerät.
Geschenke kann man überbieten. Damit hebe ich meine eigene Verpflichtung gegenüber dem Gegenüber auf und bringe ihn umgekehrt unter meinen eigenen Einfluß. Die Anzahl der zulässigen Aktionen bleibt davon unberührt. Als Moritz seinen traditionellen schwarzen Geschenkemarker von Hansens grünen Eigentumsplättchen nehmen mußte, wurde unisono der Leitsatz für diesen Session-Report formuliert:
[glowred]”Die grüne Basis geht nicht verloren!”[/glowred]
Nach drei Stunden Spiel (einschließlich einer knappen Stunde Regelwiederholung) hatten wir die zweite Testphase hinter uns gebracht. Alle leckten sich die Wunden, denn es gab mehr unerwartete Verluste als erwartete Gewinne. Doch das tat der Spiellaune keinen Abbruch. Das Spiel ist ziemlich komplex und stellt hohe Ansprüche an die Spielauffassung. Nach ein paar Testrunden kann man noch keinesfalls behaupten, daß man das Spiel beherrscht.
Aktuelle WPG-Wertung: Das Spiel hat mit der neuen Regelversion einen guten Punkt zugelegt: Günther: 6 (das Spiel ist “noch nicht fertig”), Hans 7 (ist “durch die Komplexität noch nicht durchgestiegen”), Moritz: 7 (8 Punkte nach den geplanten Verbesserungen), Walter: 7 (8 Punkte für die virtuellen Spielefreaks)
Moritz wird wieder einen Testbericht schreiben.
2. “Flaschenteufel”
Es mußte zwar keiner neu angelernt werden, doch nach ein paar Wochen Ausgesetzt-Haben mußten sich einige Westparker erst wieder eine Weile mit dem sich dynamisch-verändernden Stichpotential der Karten auseinandersetzen, bis sie das Prinzip der Höchste-Niedrigere wieder durchschauten.
Keine neue WPG-Wertung für ein sehr gutes Spiel
3. “Bluff”
Erstmals in unserer langjährigen Bluff-Tradition mußte für eine Regelwidrigkeit eine Lösung gefunden werden: Walter legte 4 mal die Fünf vor, Moritz war am Zug, doch Hans zweifelte außerhalb der Reihenfolge an und deckte seine vier Luschen-Würfel auf. Wie soll diese Situation gehandhabt werden?
1) Soll Hans alle seine Würfel wieder verstecken? – Die Information über seine vier Luschenwürfel ist unzulässig und verfälscht Moritz Reaktions-Alternativen.
2) Soll Hansens Anzweifeln an Moritz statt gelten? – Da könnte so mancher einem anderen den Strick drehen.
3) Sollen wir der Wurf ignorieren und alle nochmals würfeln? – Zweifellos die beste Lösung! Damit das ganze aber nicht zur Methode wird, mußte Hans zur Strafe einen Würfel abgeben.
Ach, was sind wir doch alle kluge Salomons!
Eine weitere Bluff-Premiere fand heute statt: Hans und Moritz waren blitzschnell ausgeschieden und während sie Günther und Walter das Endspiel überließen spielten sie simultan auf dem gleichen Spielbrett mit neuen Würfeln um den dritten und vierten Platz! Wie im richtigen Leben waren sie damit sogar noch schneller fertig als die wahren Finalisten.
Keine neue WPG-Wertung für ein super Spiel.

06.02.2008: Mit dem “Container” ins “Jahr des Drachen”

“Das Leben ist das einzige Spiel, bei dem es vorrangig darum geht, die Regeln zu begreifen. ” (Marc Flint). – Offensichtlich war der gute Marc kein großer Spieler!
1. “Container”
In einem demokratischen Palaver feilschten wir um die richtige Startaufstellung. Jeder hatte eine Idee wie er on-the-flight die Spielregeln verbessern konnte; am Ende setzten sich doch die Autoren Thomas Ewert und Franz-Benno Delonge durch.
Die angebotenen “Container” beziehen sich weder auf Müll noch auf Asylanten, sondern auf Frachten, die per Schiff über die Weltmeere transportiert werden.
Jeder Spieler hat eine Geländekarte vor sich liegen, auf der er Fabrikanlagen und Lagerhallen bauten kann. Sie kosten natürlich Geld, und Geld ist naturgemäß knapp. Man braucht es, um von den Mitspielern die produzierten Waren abzukaufen und in den eigenen Lagerhallen zu stapeln. Weiters braucht man Geld, um Waren auf fremden Lagerhallen aufzukaufen und auf sein Containerschiff zu verladen. Erreicht man mit seinem Schiff den Zielort, wird die Ladung versteigert. Auch dafür braucht man Geld, es sei denn, man überläßt die Ladung dem höchstbietenden Mitspieler, streicht das gebotene Geld ein und bekommt von der Bank nochmals gleichen Betrag von der Bank als Prämie ausbezahlt.
Bilanzieren wir Ausgabe-Möglichkeiten und Einnahme-Möglichkeiten:
Fast alles kostet Geld: die Immobilien in Form von Fabriken und Lagerhallen, und der Redereibetrieb in Form von Warenumschlag. Die Produktion ist kostenlos, der Schiffstransport ebenfalls, doch die Ladung zu löschen kostet schon wieder Geld. Da kriechen alle Spieler ganz schnell finanziell auf dem Zahnfleisch daher. Man kann zwar Kredite aufnehmen, um wieder flüssig zu werden, doch dann muß man dafür pro Runde zehn Prozent Zinsen hinblättern. Die Barmittel zerrinnen nur so unter den Fingern.
Einnahmen verschaffen einem die Mitspieler, wenn sie von einem die produzierte Fabrikware aufkaufen oder wenn sie Lagerware auf ihr Schiff nehmen. Doch dieser Geldverkehr bringt kein neues Geld ins Spiel, er sorgt nur für eine veränderte Verteilung innerhalb der Spieler. Damit kann die notwendige Wertschöpfung zum Kauf von Immobilien nicht erwirtschaftet werden. Nur wenn die Mitspieler eine Ladung ersteigern und die Bank den gleichen Geldbetrag nochmals dazulegt, steigt die Geldumlaufsmenge. Wenn aber Miesnickel unter sich sind und keiner dem anderen eine hohe Löschsumme vergönnt, dann kommt der Geldzuwachs nicht zustande und das Spiel zieht sich äußerst schleppend dahin. Keiner kann sein Geschäft selber in Gang setzen, jeder ist innerhalb des Wirtschaftskreislaufes mehrfach vom guten Investitionswillen der Mitspieler abhängig.
Diese Abhängigkeit von der Kauflust der Mitspieler ist ein ganz großes Problem in “Container”. Es kann auch eine willkürliche Benachteilung einzelner Spieler zur Folge haben. Wessen Waren nicht gefragt sind – das liegt teilweise an ihrer zufällig zugeteilten Siegpunktträchtigkeit – oder wer nicht genügend schöne Augen machen kann, bleibt auf seiner Ware sitzen, kann bei vollen Fabrikhalden nicht mehr produzieren, kann bei vollen Lagerhallen nichts mehr einlagern und darf seine Schiffe frachtlos über die Weltmeere schippern lassen.
Diese Situation kam gar nicht so selten vor, vor allem in der Schlußphase. Die einen wollten bestimmte Waren nicht mehr auf den Markt bringen, weil das ihre Siegpunkt-Erlöse beeinträchtigt hätte, die anderen konnten es nicht, weil sie ihre eigenen Waren nicht transportieren durfen. Es hätte zu einem Deadlock kommen können. Doch dann opferte sich Walter um das grausame Spiel zu beenden: Er erwarb eine weitere Fabrik, produzierte damit die letzte Ware einer Warenart und führte damit das Ende herbei. Seiner Meinung nach funktioniert das Spiel nicht! Es kann doch nicht sein, daß ein Spiel nur dann in Fahrt kommt, wenn die Konkurrenz sich gegenseitig anschiebt. Man stelle sich das ganze mal auf “1830” projeziert vor!
Ihm wurde von Aaron und Günther heftig widersprochen. Aaron hatte hoch gewonnen und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. “Alles, was ich machen wollte, hat geklappt!” Da war einer wohl auf dem falschen Dampfer!
WPG-Wertung: Aaron: 7 (eigentlich 8), Günther: 6, Walter: 5 (eigentlich 4)
Walter wird eine Rezension schreiben. Zieht euch warm an!
2. “Im Jahr des Drachen”
Morgen fängt das chinesische Neujahr an. Das “Jahr der Ratte”. Da dürfen wir uns heute noch mal dem “Jahr des Drachen” zuwenden.
Peters Aussitzerstrategie (“An diesem Spiel kann man nur Spaß haben, wenn man nicht auf Sieg spielt!”) wollte keiner anwenden, jeder werkelte emsig vor sich hin, um die Hungersnöte zu mildern, die Krankheiten abzuwenden, die Mongolen in Schach zu halten und das schönste Feuerwerk zu veranstalten. Es ist ein schöner, höchst vielseitiger Wettlauf um die besten Startpositionen für die meisten Siegpunkte. Jeder hat für jeden Zug eine Menge Freiheitsgrade, viele Wege führen nach Rom, man muß flexibel auf die gebotene Auswahlmöglichkeiten und auf die Züge der Mitspieler reagieren.
Hier war Aaron heute nicht gut drauf und fand an allen Ecken und Enden etwas zum Kritisieren. Bei unserem Siegpunkt-Endstand 102 : 96 : 91 behauptete er, die Zahlen seien alle “gleich”. Er vermißte eine größere Differenzierung für gutes oder schlechtes Spiel. Er vermißte auch eine Abhängigkeit von den Zügen der Mitspieler! (Als dürfe man in “1830” nur dann eine Linie floaten, wenn jeder Spieler mindestens eine Aktie davon erworben hat!) Zum Autor Stefan Feld meinte er “Der schon wieder!” (Wahrscheinlich war das nur eine gewollte Provokation!) Für ihn hätten Zufallseffekte das Spiel spannender gemacht. (Wie wenn man bei “1830” in jeder Runde würfel müßte, ob man seine Lieblingsaktien behalten darf!), ohne Zufallseinflüsse fand er es langweilig. Er wollte uns einfach den Peter machen! Sogar indem er genauso wie Peter das Spiel gewann.
Günther drückte eine vermittelnde Erkenntnis aus: “‘Im Jahr des Drachen’ ist ein Spiel, das der eine mag und der andere nicht!” Wer hätte das gedacht!
Den bisherigen WPG-Durchschnitt von 7 Punkten unterbot Aaron glatt um 2 Punkte! “Bevor ich’s gespielt hatte, hätte ich ihm 4 Punkte gegeben!” Schönen Gruß an Peter!
Walter wird eine Rezension schreiben. Es wird Frühling.

30.01.2008: In der “Ursuppe” von “Hamburgum”

Er ist schon längst restlos ausverkauft, der 52. Wiener Opernball am 31. Januar 2008. Deutschlands Fußballkaiser Franz Beckenbauer wird zur Live-Übertragung genauso erwartet wie Griechenlands Fußballkönig Rehakles und Englands Fußballpremier David Beckham. Österreich richtet in diesem Jahr die Fußball-Europameisterschaft aus. Fußball verbindet Kulturen, Fußball vermittelt die Botschaft einer Leidenschaft. Deshalb bringt Wien den Fußball zur Oper auf den Ball.
“Unser” WM-Spezialist Moritz ist auch dabei. Er gab bereits zur Eröffnungsfeier für die Fußball-WM 2006 in der Münchner Allianz Arena den Ton an. Eigens für den Wiener Opernball komponierte er jetzt als Auftragswerk “Am Ball – Ein Fußballett” für Tänzer und Orchester. Das Ballett für 22 Tänzer besteht aus 30 kurzen Szenen. Es treten auf: der Trainer des Heimteams, der junge Spieler auf der Ersatzbank, der Ball, zwei Torwarte, der Schiedsrichter und zwei Linienrichter. Die anderen Tänzer wechseln jeweils die Rollen, es sind Spieler, Sanitäter oder Fans.
Das Ballett soll ein volles Fußballspiel über zwei Halbzeiten, mit allen Höhen und Tiefen darstellen. Eine Liebesgeschichte ist auch eingebaut: zwischen dem jungen Spieler und dem Ball. Kriegt er ihn? Das wird nicht verraten! Heute (Donnerstag) Abend ab 21.45 Uhr kann man es life im ORF und im Bayerischen Dritten miterleben.
Hallo Moritz, schade, daß Du wegen diesem Ball heute nicht am Westpark dabei sein konntest. Selbst wenn Du gemeinsam mit Peter frühzeitig zur U-Bahn abgerauscht wärest, wäre die Anreise nach Wien immer noch ziemlich stressig geworden. Wir wünschen Dir und Deinem Werk ein erfolgreiches Ankommen und Dir und Andrea eine rauschende Ballnacht!
1. “Hamburgum”
Ein Spiel von “Eggertspiele” (kein Verwandter von unserem Moritz), wogegen Peter aus Prinzip Vorbehalte hat. Günther mußte seine eigene positive Einschätzung in die Waagschale werfen, um das Spiel auf den Tisch bringen zu dürfen.
Die Spieler wirtschaften im frühneuzeitlichen Hamburg; sie produzieren Bier, Zucker und Tuch, verkaufen diese Waren gegen Geld, mit dem Geld kaufen sie Holz und Ziegel, und unterstützen damit den Kirchenbau. Wenn die letzte Kirche fertiggestellt ist, endet das Spiel und der Spieler mit den meisten Prestigepunkten, die man im wesentlichen durch die Spenden zum Kirchenbau erhält, ist Sieger.
Hier konstatierte Peter das erste “typisch” Eggert-Syndrom: “Die Leute bauen drei mal fünf Entwicklungsstufen in den Spielablauf und glauben, das wäre Spieldesign”. Etwas zu kurz geschossen, denn mehrere Stufen im Spieldesign findet man auch bei den besten Strategie-Spielen der Welt. Und “Hamburgum” ist zweifellos ein reinrassiges Strategiespiel: Es gibt keinen Würfel, es gibt kein Zufallselement, reines Kalkül bestimmt die Spielzüge.
Die Spieler wählen ihre Züge frei auf einer runden Drehscheibe mit den zulässigen Zügen aus: auf den Waren-Feldern wird produziert, im Kontor wird gekauft und verkauft, in der “Werft” werden Schiffe gebaut (ohne Schiffe kein Warentransport), im “Rathaus” wird Wohnrecht für Bürger erworben und in der “Kirche” werden die Spenden abgeliefert. Bei der Auswahl seiner Züge darf man kostenlos ein bis drei Felder auf der Drehscheibe mit den Auswahlfeldern vorwärts ziehen. Wenn man zu einer besonders begehrten Aktion mehr Felder gehen will, kostet das Prestigepunkte. Eine gute Zugeinteilung besteht also darin, im gesamten Spielverlauf die Zugfelder so zu wählen, daß man rechtzeitig produziert, verkauft, Spendenmaterial erwirbt und es ohne Zugverlust bei der Kirche abliefert. Überall ist Optimierung angesagt, und wer einen prestige-trächtigen Zug eingefädelt hat, muß auf der Drehscheibe auch mal ein paar Prestigepunkte opfern, um in Fahrt zu bleiben.
Eine Schwäche des Spiels ist vielleicht die zu große Symmetrie innerhalb der Aktionen. Alle Spieler dürfen praktisch alles: die besetzten Felder auf der Drehscheibe sind für die Mitspieler nicht blockiert, jeder darf unbeschränkt Bier brauen oder Zucker sieden, jeder kann genügend Baumaterial erwerben und immer steht eine geeignete Kirche zur Spendenannahme bereit. So bangt man nicht mit den Zügen der Mitspieler, weil sie ggf. eine aggressive Herausforderung beinhalten könnten, sondern man wartet nur darauf, daß sie endlich damit fertig sind und man selber wieder an der Reihe ist.
Psychologisch ungeschickt ist es vielleicht auch, daß die Erträge für die verkaufen Waren im Laufe des Spiels immer geringer werden. Das mag zwar die Realität der Weltwirtschaft widerspiegeln, doch es geht auf Kosten der Spielspannung. Wenn ich für mein Bier immer geringere Erlöse erziele, verliere ich das Interesse an diesem Produktionszweig und es interessiert mich auch immer weniger, was meine Mitspieler diesbezüglich unternehmen.
Leider ist der spannungsfreie Spielablauf in “Hamburgum” auch noch gekoppelt mit einem humorfreien Klima. Wir katholischen Bayern werfen den protestantischen Nordlichtern ja oft eine sauertöpfische Grundhaltung vor. Synchron zum rheinischen Karneval möchte ich hier aus Luthers Thesen zitieren: “Mit seinem ‚Tut Buße’ usw. hat unser Herr und Meister gewollt, daß das ganze Leben der Gläubigen Buße sei”! Auch an Weiberfastnacht und am Rosenmontag. In “Hamburgum” gibt es keine Sünden, kein Mord und keinen Totschlag, keinen Diebstahl, keinen Betrug und kein Begehren unseres Nächsten Weib. Alles brav und bieder. Und hanseatisch.
Günther’s Empfehlung hat seiner Seriosität keinen Abbruch getan. “Hamburgum” ist durchaus ein gutes, ein fehlerloses Spiel. Für Hanseaten.
WPG-Wertung: Günther: 7; Loredana: 6, Peter: 6 (Eggert), Walter: 6
Das hier ist ja schon fast eine Rezension.
2. “Ursuppe”
Seit drei-ein-halb Jahren stand “Ursuppe” bei uns nicht mehr auf dem Speiseplan. Heute waren wir zu viert und Loredana kannte das Spiel noch nicht. Was lag da näher, als es uns heute mal wieder vorzusetzen!
Peter gestand Walter seit Jahren mal wieder zu, (Loredana) die Spielregeln erklären zu dürfen, doch kaum hatte Walter begonnen, seinen Überblick über Spielverlauf und Spielziele mit ein paar Taktik-Tips anzureichern, wurde ihm auch schon das Wort entzogen und Peter setzte sich stattdessen in Positur. Das kann er!
Im Gegensatz zu “Hamburgum” sprühen in “Ursuppe” nur so die Gegensätze. Der eine versucht durch zahlreiche aber billige Fortpflanzung seinem Genom das Überleben im Daseinskampf zu ermöglichen, der andere durch schnelle Flucht in lebensfreundlichere Zonen, der dritte durch Genügsamkeit und Gürtel-enger-Schnallen und der vierte durch Aggressivitität und Schmarotzertum an den Mitamöben. Letzteres ist traditionsgemäß Günthers Spezialität.
Zur Beschleunigung der Verdauungsvorgänge durfte Peter alle Mitspieler kotieren. Es reichte trotzdem nicht, vor der Mitternachts-U-Bahn das Spiel normgerecht zu beenden. Wir brachen ab, aber nicht weil der Ablauf nicht gefallen hatte, sondern weil Loredana die gewünschte Kostprobe erhalten hatte und der Sieger schon mehr oder weniger feststand: Ein Sporentierchen mit Intelligenz!
Peter bekräftigte seine Spiele-Erfahrung: “Nur gute Verlage bringen gute Spiele heraus. Nicht der Autor macht’s!” Die harten Schleifsteine der Handwerksmeister sind es, die aus den genialen Diamanten der Erfinder erst die wertvollen Juwelen machen.
Zum bisherigen WPG-Durchschnitt von 7.8 Punkten vergab Loredana auch noch mal 8 Punkte.
Walter hat schon eine Rezension geschrieben.