Das Beste, was ich über dieses 4-von-10-Punkte-Spiel jetzt nach der Wiederholung am Westpark sagen kann ist, dass mein Spielbericht in Minutenschnelle niedergeschrieben werden kann.
Unser HiG-minded Günther legte das Spiel trotz seiner schlechten Wertung beim ersten Kennenlernen noch einmal auf. (Ein Weinkenner würde sich einen mickrigen Rotwein nach dem ersten Glas nicht noch einmal nachschenken lassen.) Vielleicht hatte er die vage Hoffnung, dass dieses Spiel nach einer gewissen Lagerung noch etwas besser würde. Aber ganz sicher ist er der Meinung, dass ein HiG-produziertes Spiel grundsätzlich von allen Westpark-Gamers kennengelernt werden sollte. Heute war Aaron der Neuling.
Wie immer war es ein eifriges Frage- und Antwortspiel, bis Günther seine anderthalbstündige Einführung erfahren, kompetent, geduldig und schweißtreibend über die Bühne gebracht hatte.
Nach der am Westpark gegenüber den Angaben üblicherweise doppelten Spielzeit von drei Stunden hatten wir das Spiel abgeschlossen. Dass Günther mit nur 12 mageren Punkten Vorsprung, knapp 4 Prozent seiner Gesamtpunktzahl, Sieger werden konnte, ist ein Indiz für die Mischung aus Können und Glück, die in „Planet B“ über den Erfolg entscheidet: knapp 4 Prozent Können, gut 96 Prozent Glück.
Aarons Seufzer: „Warum hat HiG nicht mehr aus diesem Spiel gemacht“ wird schon durch einen Text auf der Spieleschachtel beantwortet: „Spielautor J. Natterer infiltriert Verlag um eigenes Spiel zu veröffentlichen“. Das ist leider kein Gag, das ist eine reine Entschuldigung.
WPG-Wertung: zu den bisherigen 4,6 Punkten am Westpark vergab Aaron 4 Punkte, plus einen halben Punkte für die Balancierung (viele zu lang für das, was es ist, eine Menge Totzeit ohne Interaktion).
Walter hatte noch im letzten Jahr die verschiedenen Karten unter die Lupe genommen, um – ähnlich wie in „Terraforming Mars“ – doch noch etwas Schickliches (oder etwas Ungeschicktes) in deren Handhabung zu entdecken. In seiner Modellrechnung musste er natürlich einige Annahmen treffen, z.B.
Ressourcen werden immer zum Höchstpreis verkauft
Es wird davon ausgegangen, dass alle benötigten Ressourcen für die Erträge vorhanden sind
Arbeiter-Farben werden ignoriert
Es wird nicht unterschieden, ob man einen Faktionswert nur erhöhen oder auch abrechnen kann
Die Präsidentin wählt immer die Siegpunkte
Beliebig viele Bauwerke abwerfen hat kein Effekt
Bei einer kostenlosen Bau-Aktion wird die dadurch gewonnene Aktion an sich nicht mehr gewertet, da man ohnehin nicht genug Geld hat, alle Bauwerke zu bauen
und vieles mehr.
Am Ende gibt es eine Tabelle über den Nutzeffekt einer jeden Karte. Im Folgenden ist sie. Sie zu studieren, um sie später mal im Spiel nutzen zu können, ist nicht besonders effektiv. Im Gegensatz zu „Terraforming Mars“ haben wir ja kaum Einfluss auf die Karten, die wir bekommen. Es sind ohnehin nur sehr wenige und bis auf das Mini-Drafting in der Startaufstellung ist die Auswahl reiner Zufall.
Die „Krisenzeiten“ beziehen sich auf das spätantike römische Reich, das in der Flut von barbarischen Eindringlingen und einheimischen Usurpatoren unterging. Mittels Aktionskarten müssen wir unsere Aktionen steuern, uns politische, militärische oder populare Machtstellungen aneignen und ausbauen, und damit Siegpunkte anhäufen. Begehrt ist das punkteträchtige Amt des Römischen Imperators, allerdings ist es auch umkämpft, und weil man hier bei den Scharmützeln gegen alle Mitspieler und noch dazu gegen den römischen Mob schnell seine Kräfte verzetteln kann, ist dieser Posten ein zweischneidiges Schwert.
Vor gut fünf Jahren lag das Spiel zum ersten (und einzigen) Mal bei uns auf. Jetzt hat sich Moritz ein Expansion-Set dazu angeschafft, mit weiteren Aktionskarten, vor allem aber mit Regeln für mehrere Stohmänner-Rollen, so dass man dieses Spiel jetzt sogar als Solo-Variante spielen kann. Das kam uns gerade recht, denn wir konnten den Corona-erkrankten Aaron durch einen Stohmann ersetzen.
Jeder Spieler hat – nach der Wahl seiner Aktionskarten (wrap around, einschließlich Kartenpflege via Erwerb von mächtigeren Karten und dem Abwerfen der billigen Startaufstellung) – eine ganze Reihe von Optionen, in welcher Richtung er sich entwickeln will. Politik ist potent, besonders in Zusammenarbeit mit dem Militär, das mittels „eleganter Kampfwürfel“ (Moritz Lieblingausdruck, hier absolut zutreffend) zu den begehrten Machtpositionen verhilft.
„Time of Crises“ ist kein Aufbauspiel; es geht nicht darum, sich eine sichere Stellung und darin eine siegpunkt-generierende „Maschine“ aufzubauen, es geht eher darum, flexibel auf die aktuelle Situation (Stärken und Schwächen der Mitspieler auf dem Brett, Möglichkeiten der eigenen Kartenhand sowie auf schwächelnde lukrative Operationsgebiete) zu reagieren und pro Zug einen möglichst großen Punktreibach zu zelebrieren.
Moritz kannte sich mit den Haken und Ösen der Mechanismen am besten aus. Er hatte zuhause ja auch schon ausgiebig mit den Dummies geübt. Heute riss er sich blitzschnell den Römischen Imperator unter den Nagel und sauste auf der Punkteleiste davon. Günther versuchte, in der syrischen Provinz, einer Schwachstelle von Moritz‘ Hausmacht, ihn ein paar Federn lassen zu lassen, aber die Kampfwürfel waren dagegen. Walter versuchte es dann erst gar nicht, Moritz kleinzukriegen. Zudem hatte er mit Moritz ein – kontraproduktives – Stillhalteabkommen in Ägypten vereinbart. So wendete er sich antivandal von Afrika nach Spanien, um dort die bescheidenen Positionen von Dummy-Aaron zu beseitigen.
Moritz, der die Dummy-Züge kontrollierte, würfelte Aaron-spezifisch grottenschlecht, so dass Aaron ohne nennenswerten Widerstand Spanien aufgeben musste und stattdessen seinen Lebensabend in den weichen Betten der Pariser Lebewelt verbrachte. Walter gönnte ihm dort das militärisch reichlich abgesicherte Vie Douce und zog mit seinen Armeen in das leichtfertige Italien, wo ihm unversehens – Moritz schwächelte gerade – das Amt des Römischen Imperators zufiel. Allerdings hatte er dummer- oder unglücklicherweise unmittelbar zuvor dort einen aufrührerischen Mob installiert, der ihn auch in Sekundenschnelle aus diesem Amt wieder verjagte. Günther erbte für einen Appel und Ei diese Position und machte in dieser Runde so viele Punkte, dass er fast noch Moritz‘ Sieg gefährden konnte. Aber nur fast: als stolzer Imperator läutete der mit 64 Punkten das Spielende ein.
Wenn ich nach dem heutigen Abend den vorigen Spielbericht vom 21.7.2017 lese, dann wundere ich mich über unsere damalige schlechte Bewertung. „Schwachsinn hoch drei“ nannte Aaron (der richtige) die Reihenfolge, zuerst die Aktionskarten auswählen zu müssen und dann erst die Aktionen der Mitspieler und die bedrohlichen Zufallseffekte der Barbaren beobachten und darauf reagieren zu können. Das würde ich heute nicht mehr unterschreiben. Die Kartenauswahl ist ohnehin sehr eingeschränkt, und in diesem See&Attack&Roll-Spiel steht Flexibilität an oberster Stelle.
Vor 5 Jahren kam uns „für ein so deutlich zufallsabhängiges Spiel und für das im Prinzip zu gleichförmige Geplänkel zwischen Politik und Militär“ die Spielzeit viel zu lang vor. Ja, wenn man gewohnt ist, 4 Stunden lang Eisenbahngesellschaften zu betreiben und Investitionen in Aktien, Lokomotiven und Strecken scharf zu kalkulieren, dann muss man in der „Krisis“ seinen intellektuellen Spielermotor ganz schön herunterfahren.
Würde Günther heute immer noch urteilen: „Will ich es nochmals spielen? Wahrscheinlich nicht!! »Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte, das ist die gesamte Gewinn-Strategie«“? Gestern habe ich ihn nicht gefragt, heute hat er noch nicht geantwortet.
Bleibt Moritz bei seinen „nur“ 7 Punkten, weil „die einzelnen Züge zu lange dauern“? Zumindest Walter hebt seine bisherigen 4 Punkte auf 6. Viele Elemente der römische Militärpolitik sind hübsch integriert. Man kann tatsächlich „Visionen“ haben, wie man sein Spiel gestalten möchte, und es gibt viele Freiheiten, sein Süppchen zu kochen. Und wenn das Schicksal (oder der Würfel) einen Strich durch die Rechnung macht und einen auf die weichen Betten der Pariser Lebewelt reduziert: auch dort kann man sein Vergnügen haben. Mehr als in den Schützengräben vor Sewastopol.
WPG-Wertung: Noch nicht aktualisiert.
Nachträglich Günthers Meinung zum heutigen Spiel: „Haben wir es diesmal denn richtig gespielt?? Moritz‘ Aussage, letztes Mal wäre es nicht so schlecht angekommen, stimmt nicht … Den Dummy hätte man weglassen können – dann wäre es auch etwas kürzer gewesen. Die Kritikpunkte von letztem Mal stimmen weiterhin. Ich werde bei 4 (bis 5) Punkten bleiben. Ich bin ja bekanntlich nicht so der Fan von diesen Kriegswürfelspielen :-)“
2. “Cat in the Box”
Unser neuer Absacker hat nichts von seiner Eleganz verloren.
WPG-Wertung: Keine neue Wertung für ein 8 Punkte Spiel.
Ein Workerplacementspiel aus dem Hause Hans-im-Glück. Thematisch sind wir beim Aufbau einer neuen Zivilisation auf einem neuen Planeten, aber bis auf ein paar witzliche Anspielungen auf Moral und Unmoral in den irdischen politischen Zuständen ist vom Thema nichts zu spüren.
Unsere Worker hantieren mit den Elementen
Bauwerke errichten (eins nach dem anderen), nutzen (oft), verändern (selten), abreißen (noch seltener)
Produktion anwerfen (manchmal) und ggf. modifizieren (ganz selten). Dabei werden sieben verschiedene Ressourcen produziert, deren Unterschiedlichkeit nur manieristisch zum Spielgeschehen beiträgt, in erster Linie dienen sie dazu, sich darüber Geldmittel zu beschaffen.
Arbeiter akquirieren (anfangs) und mit ihnen Arbeitsschritte durchführen (sehr oft).
Politische Lobbyarbeit zu betreiben und daraus entsprechende Gefälligkeiten einzuheimsen (selten bis oft, je nach Gusto)
Stimmzettel für die nächste Präsidentenwahl abgeben (sowohl zwangsläufig als auch Ambitionen-orientiert).
Stimmbetrugs-Manipulationen vorbereiten (selten); Trump hätte seine Freude daran gehabt.
Geld ausgeben und Siegpunkte auf die Seite schaffen (ständig).
Jeder platzierte Worker kann pro Zug gleich ein ganzes Bündel dieser Aktionen durchführen. Dazu muss er mit seinen Barmitteln jonglieren, seine Arbeiter sondieren, seine Bauwerke mit ihren spezifischen Nutzungsmöglichkeiten entsprechend seinen Ressourcen durchchecken, die angebotenen Sonderkarten-Aktionen bewerten und seine Ambitionen in der Lobby durchdenken. Ganz schön viel auf einmal. Ganz schön lang hintereinander – für die Mitspieler.
Nach einem definierten Schema werden Wahlen abgehalten. Der Wahlvorgang ist bemerkenswert: nicht wer die meisten Stimmen in der Urne hatte, wird Präsidentin, sondern wer beim Leeren der Urne zufällig die meisten eigenen Stimmzettel auf seine Seite bringen konnte. Jeder Spieler bekommt anschließend entsprechend seiner Rangfolge ein Amt, das ihm in den nächste Durchgängen spezifische Aktionen erlaubt; die Präsidentin enthält die Befugnis, „Gesetzesvorlagen“ anzunehmen oder abzulehnen, woraus sich ganz analoge Aktionen ergeben wie oben.
Das Spielmaterial ist qualitativ hochwertig, die Grafik unterstützt vorbildlich das Spielgeschehen, selbst Walter hatte keine Schwierigkeiten, seine möglichen Aktionen und ihre Effekte daraus zu erkennen. Lediglich die Doppelfunktion von Geld und Siegpunkten ist problematisch. Die gleichen Scheine gelten auf der einen Seite als Geld, auf der anderen Seite als Siegpunkte. Verwechslungen sind sehr leicht möglich, auch wenn die Siegpunkte eigentlich nur abgelegt, ansonsten aber nicht mehr angefasst werden müssten, während das Geld ständig im Fluss ist. Da jeder Spieler aber gleich eine ganz Reihe von Kartenstapeln zu verwalten hat, die Siegpunktescheine zuweilen auch zum Zählen, Sortieren und Wechseln in die Hand genommen werden, kann es schon mal passieren, dass ein 20-Euro-Schein sich unversehens in 20 Siegpunkte verwandelt. Moritz passte wie ein Schießhund, dass Walters unbekümmerte Schlampigkeit keine unverdienten Früchte trug.
Ansonsten? Das Spiel ist ein überbordendes Konglomerat von Aktionen und Effekten, wie es heutzutage regelmäßig bei vielen Kickstarter Erzeugnissen angeboten wird. Offensichtlich war der Autor in seinen Ideenbaum verliebt, und keiner aus dem Test-Team hatte die Potenz, ihn zu beschneiden und zusammenzustreichen. Am Westpark gab es bei solchen Produkten bisher immer das geflügelte Wort: „Hier hat der Reifungsprozess von Hans-im-Glück gefehlt, um dem Spiel die nötige und mögliche Qualität zu geben.“ Das ist jetzt nur noch ein Spruch aus den seligen Zeiten des Prediger Salomo. Hans-im-Glück selbst hat diese Bäume ohne Wald herausgebracht.
WPG-Wertung: Günther: 5 (mit gutem Willen für HiG, zu viel Herumwursteln mit Geld und Siegpunkten), Moritz: 4 (ich finde das Spiel richtig schlecht; die einzelnen Züge dauern viel zu lange, da ist viel zu viel hineingepackt, das Thema ist hölzern, deutlich und schmerzhaft erkennt man die Veränderungen in Management und Entwicklungsteam bei HiG, Walter: 5 (viel Schweiß, wenig Esprit, sowohl beim Design wie beim Spielablauf).
2. “Cat in the Box”
Allmählich werden wir mit den geistreichen Mechanismen dieses überraschenden, neuartigen Stichkartenspiels vertraut. Viel Esprit, wenig Schweiß.
WPG-Wertung: Keine neue Wertung für ein 8 Punkte-Spiel.
„Das Thema können wir in der Pfeife rauchen“ (Moritz), nur soviel zur Namengebung des Spielmaterials: Das Spiel heißt: „Völker des Windes“, weil ein paar Überlebende der Umweltverschmutzung sich nicht mehr auf den verdreckten Boden trauen, sondern sich nur in den Bäumen hangelnd in ihrem Gebiet bewegen. Sie müssen den Unrat am Boden beseitigen, Wald anpflanzen und dort Dörfer (natürlich nur saubere!) bauen und ab und zu mal einen Tempel errichten. Individuell vorgegebene topologische Bebauungsmuster auf dem Spielplan eines Spielers werden bei Spielende mit Siegpunkten belohnt.
Neben den Sekundärzügen wie Errichten eines Tempels oder dem Bau eines Dorfs besteht der wichtigste Spielzug aus dem Ausspielen von jeweils einer Aktionskarte, die eine spezifischen Aktion erlaubt: 1) Entfernen von Unrat, 2) Erhalten von Wasser, 3) Anpflanzen eines Walds und 4) Bewegen der Mannschaft.
Diese Aktionskarten gibt es in den vier Farben rot, grün, gelb und blau, die schwerpunktmäßig mit einer der oben aufgelisteten Aktionen korreliert sind. Mittels einer blauen Aktionskarten kann man z.B. auf jeden Fall Wasser bekommen, doch auch andere Aktionen sind in geringem Maße damit verbunden.
Jeder Spieler hat immer fünf dieser Aktionskarten auf der Hand. Wenn er eine Karte ausspielt, zieht er am Ende seines Zuges eine Karte nach. Dabei stehen fünf verdeckte Stapel zur Auswahl. Welche Aktion genau auf der nachgezogenen Karte steht, ist nicht erkennbar; das ist bis zu einem gewissen Grad zufallsabhängig.
Die Mächtigkeit dieser Züge ist variabel und ergibt sich aus der Anzahl von Karten in jeweils einer definierten Farbe. Es zählen die Karten, man selber auf der Hand hat und/oder die im Besitz des rechten und/oder linken Nachbarn. Beispielsweise erhält man bei einer Karte 2, 5 oder 8 Wasser, je nachdem, ob die Summe der blauen Karten in der eigenen Hand und in der beider Nachbarn 2, 4 oder 6 beträgt. Oder man erhält 4 Wasser, wenn man mehr blaue Karten in der Hand hat als einer der Nachbarn, und man erhält 6 Wasser, wenn man mehr blaue Karten in der Hand hat als beide Nachbarn. Und was dieser Möglichkeiten an Vergleichen oder Summenbildung mehr sind.
Hat ein Spieler fünf Dörfer gebaut, wird das Spielende eingeläutet. Insgesamt 12 Wälder haben auf dem Spielbaubrett eines jeden Spielers Platz. Man kann sich mit dem Spielende Zeit lassen und seinen Spielplan maximal ausbauen – alles bringt am Ende Siegpunkte. Das funktioniert aber nur, wenn alle Spieler dieses Ziel verfolgen. Sobald ein Spieler schnurstracks auf das Spielende zusteuert, setzt er die Ausbaupläne seiner Mitspieler gewaltig unter Druck. Durch diese Möglichkeit gewinnt das im Prinzip solitäre Spielgeschehen – eine Art Patience mit ständig sich verändernden Rahmenbedingungen – eine unerwartete Spannung.
Wir führten am Ende eine lange und kontroverse Diskussion über die verdeckten Nachziehstapel von Aktionskarten. Das verdeckte Ziehen ist eine enorme Beschleunigung des Spielflusses; man braucht nur den Farbbesitz der Nachbarn zu sondieren, dazu die spezifischen Aktionsmöglichkeiten der eigenen Kartenhand und wählt dann halt die Karte, deren Farbe in die richtige Richtung geht. Das geht recht schnell, und hinterher sieht man die Bescherung und kann sich darüber freuen (ganz selten auch darüber ärgern), welche Eigenschaft die neu gezogene Karte hat. Wenn wir außer der Kartenfarbe auch noch innerhalb der detaillierten Effekte der ausliegenden Karten auswählen müssten und diese ggf. miesnickelig in Korrelation zu den dann bekannten (aktuell unbekannten) Karteneffekten der Mitspieler setzen könnten, dann würden wir heute noch über unserer ersten Spielrunde sitzen. So waren wir nach zweieinhalb Stunden durch.
Walter hat gewonnen, was für einen mittleren Schwierigkeitsgrad und einen ausreichend hohen Zufallseinfluss spricht.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu lang für das, was es ist; das Glückselement ist zu hoch, ab dem Mittelspiel nix Neues mehr), Günther 7 (das Spiel ist „interessant“ und nicht allzu komplex), Moritz: 5 (langweilig, das Kartenglück entscheidet), Walter: 6 (jeder Zug ist eine nicht zu komplexe heuristische Anpassung an die aktuellen Kartenbestände; durch den – heute von uns überhaupt nicht genutzten – Einfluss auf das Spielende kann man den eher gleichförmigen Schlussteil erheblich verkürzen).
2. “Cat in the Box”
Als Absacker noch eine schnelle Runde mit diesem Stichkartenspiel der Überraschungen, bei dem sich die eigene Kartenhand im Spielverlauf fast kaleidoskopartigen verändert.
WPG-Wertung: Aaron legt einen Punkt auf jetzt 7 Punkte zu, die anderen blieben bei ihren je 8 Punkten.
Ein Kickstarter-Spiel vom Feinsten! Unmengen von verschiedenartigst gestaltetem, funktionsgerechtem Spielmaterial, Karten, Klötzchen, Chips, Steine, Zelte, Rondells, Hexagons, Marker, Plättchen, Tableaus und Spielfiguren, nicht zuletzt fantastisch modellierte Häuptlinge. Das alles wird in einer großen, zusammenhängenden Szenerie benutzt und bewegt, so dass selbst unserer Moritz staunen musste: „Ich bin überwältigt von den Möglichkeiten“.
Gleich eine ganze Reihe von Kennerspielen sind zu einem einzigen großen Spiel vereinigt.
1) Ein Workerplacement bildet das Herz des Ganzen. Jeder Spieler besitzt 3 Arbeiter, die er auf 5 verschiedenen Arbeitsplätzen einsetzen kann. Die Plätze sind nicht monogam, jeder darf hier sein Glück versuchen, der jeweils erste bekommt allerdings einen Sonderbonus. Hier entscheidet sich unsere „Strategie“, wie wir unser Spiel anlegen und gewinnen wollen.
2) Deckbuilding. Jeder Spieler bekommt zu Beginn des Spiels einen identischen Kartensatz, der ihm unterschiedliche Vorteile bringt und den er wrap-around nutzt. Man kann seinem Kartendeck weitere, lukrativere Karten angliedern, das bringt Siepunkte und mehr Flexibilität in den Nebenzügen, vor allem, wenn man die Luschenkarten aus dem Kreislauf eliminiert.
3) Besiedelung einer Hexagon-Landschaft und Mehrheitenbildung auf den einträglichsten Feldern.
4) Topologisch optimiertes Setzen von „Megalithen“ auf dem gemeinsamen Baugrund, um Einzelboni und Konstruktionsboni zu erhalten.
5) Eine Art „Quartett“ beim Sammeln gleichartiger Tiere (Karten), deren Punkteertrag umso höher ist, je mehr man davon hat. Einige der lieben Tierchen muss man allerdings auch töten und zu Würsten verarbeiten, denn ganz ohne Fressen geht die Chose nicht.
6) Bei dem Ergattern des Startspielervorteils findet auch noch so eine Art „Kuhhandel“ statt.
Ein Ressourcen-Management wird von uns gefordert, denn wir brauchen Würste und Streitäxte, um auf den verschiedenen Arbeitsplätzen die jeweils angebotenen Effekte mehrfach produzieren zu können. Wir können auch Hinkelsteine legen, um pro Durchgang ein paar wenige Siegpunkte, bei Spielende aber entsprechend unserem Spielausbau massig weitere Siegpunkte zu ernten.
Das Spielmaterial bedeckt zwei Quadratmeter Tischfläche. Wer unglücklich sitzt – und in irgendeiner Spielecke, für irgendeine Detailinformation sitzt immer jemand unglücklich -, der kann leicht vorteilhafte Optionen übersehen. Günther übersah einen Hinkelstein, der ihm 20 Punkte hätte einbringen können, und er war – mit Recht oder Unrecht – böse darüber, dass ihn niemand darauf aufmerksam machte.
Jeder von uns darf in 4 Durchgängen je 3 Züge machen – Mammutzüge mit eröffnenden Kartenaktionen, einer Folge von Workerplacement Aktionen und abschließenden Effektaktionen. Für unsere in Summe 48 Züge benötigten wir knapp 4 Stunden, pro Zug also etwa 5 Minuten. Alles bitter notwendig, denn pro Zug müssen ungezählt viele Wertungs- und Optimierungsvorgänge durchgeführt werden. Schließlich spielen wir ja nicht um zu spielen, sondern wir rechnen um zu gewinnen! Unser Künstler wurde Erster, die beiden Mathematiker Letzter.
Das Spiel ist im Prinzip eine vorzügliche Komposition! Alles ist sehr gut aufeinander abgestimmt und wir schwelgen in Handlungsfreiheit. Warum wir schließlich doch nicht die maximale Punktzahl vergeben haben, wird an den Kommentaren erkenntlich.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (deutlich zu lang; viele Schnörkel brauchte es nicht), Günther: 7 (das Spielmaterial ist vom Feinsten, aber ob sich das alles lohnt …?), Moritz: 8 (für mehr sind die Spielideen zu wenig originell), Walter: 6 („gewaltig viele Noten, lieber Mozart“! Wenn ich nach einem kompletten Spiel noch keinerlei Ahnung habe, wie ich das nächste Spiel geschickt anfangen sollte, und wenn mir dies auch keiner meiner Mitspieler erklären kann, selbst ansatzweise nicht, dann kann ein Spiel von mir nicht mehr Punkte erwarten).
Wo fließt denn die „Tauber“? Zumindest durch Tauberbischofsheim, der Schmiede für Olympische Goldmedaillen für deutsche Fechter und der Heimat unseres geschätzten Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees. Ansonsten weiß man darüber (wohl) nicht viel. Deshalb hat die Stadt Lauda-Königshofen ein touristisches Programm aufgelegt, in dessen Verlauf auch dieses Spiel über den „Taubertalexpress“ entstanden ist. Da das Taubertal wohl ziemlich lang aber nicht breit genug war, hat man in das Spielbrett auch noch Main und Neckar eingeschlossen, so dass unser Express jetzt von Miltenberg bis Crailsheim und von Heidelberg bis Würzburg durch das badische, württembergische und bayerische Franken kurvt.
Mein Geburtsort liegt nur etwas 10 km nördlich von Miltenberg und so sind mir die verschiedenen Orte, die unser Express ansteuert, namentlich wohl vertraut. Ich kann mich noch gut erinnern, dass der Eilzug, der durch unser Dorf ohne Halt durchgerauscht ist, als Zielstation Seckach-Osterburken hatte. Wir hatten keine Ahnung, wo das lag, es hätte auch Buxtehude hinter Grinnelili sein können. Blasphemische Frage: Wer von euch kennt schon Osterburken? Da tut ihr euch natürlich etwas schwerer, wenn ihr gerade unseren Bundespräsidenten Theodor Heuss mit dem Taubertalexpress von Mosbach nach Grünsfeld transportiert, aus dem Handgelenk heraus zu entscheiden, ob es sich lohnt, einen Umweg über Bad Mergentheim zu machen, um den dort ansässigen Benediktinerabt aufzulesen und ihn früher oder später in Wertheim aussteigen zu lassen.
Das wesentliche Element des Spieles ist es, in jedem der 7 Durchgänge a 3 Runden mindestens einen Pflichtpassagier an seinem Startbahnhof abzuholen und an seinem Zielbahnhof abzuliefern. Nicht ganz. Man muss zu Beginn jedes Durchgangs einen freien Wagen haben, den man für den Pflichtpassagier unverzüglich reservieren kann. Da man zu Spielbeginn aber nur einen einzigen Wagen hat, ist das Reservieren, Aufnehmen, Transportieren und Abliefern mehr oder weniger zwangsläufig, sofern man keine Strafpunkte kassieren möchte.
Natürlich wird man so früh wie möglich weitere Wagen an seinen Express anhängen, um beim Transport flexibler zu sein, vor allem aber auch, um aus einer offenen Passagier-Auslage weitere Passagiere aufzunehmen zu können und Strecken-Synergie beim Transport zu nützen.
Man kann anstelle von Personenwagen seinem Express aber auch Güterwagen angliedern und damit einen lukrativen Warentransport initiieren. Die Waren liegen aber nicht einfach so auf der Strecke, sondern wir müssen erst an entsprechenden Bahnhöfen Gütergebäude errichten, damit die Bauern dort ihre Zuckerrüben und Weintrauben abliefern und lagern können, bis der nächste Zug vorbeikommt und sie en passant mitnimmt.
Abladen darf man Güter nur an Bahnhöfen, an denen auch Passagiere aussteigen, und selbst dort nicht überall, sondern nur dort, wo die aussteigenden Passagiere ein Güterverladen akzeptieren. Theodor Heuss z.B. hat nicht toleriert, dass man an seinem Zielbahnhof auch noch Gemüse ablädt. Wer sich also auf Gütertransport verlegt, sollte darauf achten, dass seine Passagiere möglichst gemüsetolerant sind.
Viele hübsche Elemente hat das Spiel in sein Design integriert. Es erinnert an eine ganz frühe 1830 Implementierung – vor vielleicht 30 Jahren – wo wir auf unseren Strecken ebenfalls Güter produzieren und transportieren mussten. Jetzt kommt aber ein ganz hässlicher Mechanismus. Wir steuern unsere Aktionen durch Aktionssteine, die in fünf Farben vorliegen. Sie haben keine eigenständige thematische Bedeutung, sehr wohl aber eine wichtige Bedeutung für unsere Aktionen. Um unseren Express von Bahnhof zu Bahnhof zu bewegen benötigen wir einen Aktionsstein beliebiger Farbe. Da wir bei unserem Transport in der Regel viele Bahnhöfe anfahren müssen, können durch einfachste Auswahl der „Fahrsteine“ fast jede beliebige Farbkombination an Aktionssteinen in unserer Hand zurückbehalten. Dagegen sind zum Errichten von Gütergebäuden, zum Produzieren von Waren, vor allem aber zum Ausbau des Zentralbahnhofs Lauda wohldefinierte Farb-Kombinationen von Aktionssteinen notwendig. Wenn wir jetzt gegen Rundenende beim Fahren zufällig die falsche Farbe verschwendet hat – meist gibt man fast alle seine Aktionssteine ab -, und zu Beginn eines Durchgangs die notwendigen Aktionssteine entsprechender Farbe nicht ausreichend angeboten werden oder von Mitspielern bereits an sich genommen wurden, kann man in die Röhre schauen. Schlechte gelaufen!
Diese Aktionssteine und ihr Handling ist das größte Hemmnis für ein flüssiges, freudvolles Spiel. Warum hat man nur diese schwerfällige Lösung gewählt.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (unnötige Kleinteilerei, zu zweit bekäme das Spiel vielleicht 6 Punkte), Günther: 4 (mit Tendenz zu 5; diese wenigen Punkte tun einem richtig weh; mit “Hausregeln“, d.h. mit Vereinfachung unnötiger Verkompliziertheit, könnte man das Spiel flüssiger und spielbarer machen), Walter: 5 (eigentlich hat das Spiel eine Substanz für 7-8 Punkte, warum hat man nur so viel Korinthen hineingekackt?!).
Aaron bastelt mal wieder an einem neuen Spiel. (Wahrscheinlich sogar an mehreren.) Seine Jugendleidenschaft für „18xx“-Spiele wird wohl immer grünen, auch wenn sein jetziges „k-m-r“ (Arbeitstitel) nur ganz von der Ferne Ähnlichkeiten mit diesem Spieltypus hat. Es liegen Firmen aus, die wir gründen, deren Produkte aber noch gar nicht existieren, sondern die erst mit teuren Investitionen zur Marktreife gebracht werden müssen. Dann kommt die Gewinnphase, und wenn wir erfolgreich sind, können wir uns eine weitere eigene Firma einverleiben oder eine fremde Firma feindlich übernehmen und damit spielentscheidende Siegpunkte einheimsen.
In der heutigen Test-Runde ging es darum, die Balance zwischen der Finanzierung einer Firma und der Gewinnausschüttung unter die Lupe zu nehmen. Können Firmen durch Unbilden des Schicksals erst spät „floaten“ und schütten sie zu wenig aus, gehen sie alle in Konkurs, bevor sie überhaupt zum Leben erweckt wurden. Schütten sie dagegen zu viel aus, dann können alle neu auf den Markt erscheinenden Firmen unverzüglich gegründet und ihre Produkte auf den Markt gebracht werden. Dann kommt es nicht mehr auf das Timing bei Gründung und Beteilung an, dann ist es nur noch Run auf die ersten Merger. Ein Spagat zwischen zwei Möglichkeiten zum Scheitern.
Wohl dem Spiele-Design, das ohne einen Spagat über solche tödlichen Extreme auskommt.
Keine WPG-Wertung über ein Spiel in der Entstehungsphase.
2. “Cat in the Box”
Ein geiles, ganz neuartiges Stichkartenspiel. Auf den Karten sind Zahlen von 1 bis 9 aufgedruckt, und jeder Spieler bekommt 10 Stück davon auf die Hand. Erst mal legt jeder eine Karte davon verdeckt auf den Ablagestapel, dann werden wie üblich die restlichen Karten zu Stichen abgespielt. Wer die höchste Karte der ausgespielten Farbe zugibt, bekommt den Stich und spielt zum nächsten Stich aus. Wer die ausgespielte Farbe nicht bedienen kann, kann mit einer Karte der Trumpffarbe den Stich übernehmen. Soweit ist alles Standard.
Das Besondere daran ist, dass die Karten gar keine Farbe besitzen, sondern jeder Spieler kann beim Zugeben beliebig sagen, welche Farbe das jetzt sein soll. Das klingt fast chaotisch, ist es aber keineswegs. Auf einem Markierbrett wird markiert, welche Karten bereits gespielt wurden. Hat z.B. ein Spieler eine Sieben ausgespielt und gesagt, dies sei die „gelbe“ Sieben, dann wird ein Spielermarker auf das Feld „7-gelb“ gelegt, und kein Spieler kann mehr hinterher eine seiner Siebenen als „gelb“ deklarieren.
Wenn ein Spieler eine Farbe nicht mehr bedienen kann (oder will), dann kann er seine Kartenhand als „farbefrei“ erklären und eine beliebige Karte zugeben. Allerdings darf er später auch keine weitere Karte seiner Hand als eine von dieser freien Farbe deklarieren.
Siegpunkte gibt es für jeden gemachten Stich (es ist keine schlechte Strategie, bei einer Kartenhand mit vielen hohen Karten auf dieses Kriterium loszugehen) und für das richtige Vorhersagen der eigenen Stichzahl: dann bekommt man Siegpunkte entsprechend dem größten zusammenhängenden Gebiet mit eigenen Spielermarkern auf dem Markierbrett.
Da es von jeder Kartenzahl fünf Exemplare gibt, auf dem Markierbrett aber nur vier Plätze für jede Kartenzahl vorhanden sind, kann es passieren, dass alle möglichen Plätze für die Restkarten in der Hand eines Spielers belegt sind und der Spieler keine Karte zugeben kann. Dies gilt als „pradox“ und beendet sofort eine Runde. Der Spieler, der den Paradoxfall ausgelöst hat, bekommt Minuspunkte für jeden Stich, den er bereits gemacht hat. Wer also auf Teufel-komm-raus Stiche kassiert hat, muss aufpassen, dass er nicht paradox wird.
Alles wohl-designt, alles wohl-ausbalanziert. Dazu zählt auch, dass die Stichzahl, die man für sich vorhersagen muss, auf die Werte 1, 2 oder 3 begrenzt ist. Wer also eine wirklich „gute“ Kartenhand hat und damit fast alle Stiche, zumindest aber mehr als 3 macht, bekommt keine Vorhersagepunkte. Wer dagegen beim Kartenausteilen mit niedrigen Werten bedacht wurde, kann versuchen, ein möglichst großes zusammenhängendes Gebiet auf dem unteren Bereich des Markierbrettes abzustecken und dann wenigstens den einen vorhergesagten Stich, notfalls per Trumpf, zu machen.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (eigentlich kann man das Spiel nach einmaligem Spielen noch nicht bewerten), Günther: 8 (ein extrem innovatives Kartenspiel), Moritz: 8 (viel Handlungsfreiheit bei der variablen Nutzung der verschiedenen Kartenaspekte; das Spielergebnis wird zu 95% durch Einschätzung und Können, und nur zu 5 % von Kartenglück und Mitspielerchaos bestimmt), Walter: 8 (eine sehr gute Mischung aus Planung, Rechnerei, Beobachtung und Glück).
3. “Bluff”
Nachdem wir lange und erfolgreich den Friedensvertrag zwischen Russland und der Ukraine beraten, beschlossen und verabschiedet hatten, belohnten wir uns zur Entspannung und zum mentalen Ausgleich mit einem Absacker. Das konnte doch nur unser Leib-und-Magen-„Bluff“ sein, das vor mehr als zwei Jahren, am 1. Juli 2020 zu letzten Mal bei uns auflag.
Walter war im Nu draußen, David Moritz musste mit zwei Würfeln gegen die Goliaths Aaron mit fünf und Günther mit vier Würfeln antreten. Stein für Stein konnte er seine Widersacher schädigen und schlussendlich das 1:1 Endspiel gegen Günther gewinnen. Günther war hier mit Walters 1-mal-die-Vier-Strategie angetreten, 1-mal-die-Drei wäre erfolgreich gewesen.
Spieleautor Thomas Spitzer ist ein Fan des Ruhrgebietes und seiner Geschichte in der Zeit der Kohleförderung. Ihn faszinieren die Abläufe, die in dieser Schlüsselindustrie zum Erfolg führten. Er modellierte sie in allen seinen abendfüllenden Spiel-Kreationen. Enkel und Urenkel von Ruhrkumpels unter Tage bzw. von Direktoren der Bergämter bekommen vor Augen geführt, mit welche Problemen ihre Ahnen zu kämpfen hatten.
In „Schichtwechsel“ fördern wir in fünf Runden Kohle. Sofern wir fündig werden. Wieweit das gelingt, entscheidet der Startspieler, ein Privileg, mit dem seine Rolle versüßt wird. Für jeden Mitspieler (einschließlich für sich selber) greift er in ein Säckchen, holt blind drei Einheiten heraus (Kohle, Abraum oder u.U. auch nur Wasser) und verteilt sie nach Gutdünken. Eine schöne Gelegenheit für Seilschaften und Schacherei, die wir leider ungenutzt verstreichen ließen.
Klar, dass jeder Spieler bestrebt ist, selber Startspieler zu werden, eine Rolle, die mit dem ius primae accessis (Peter!) nur Vorteile bringt. Doch hier ist das Design sehr machterhaltend orientiert: Der Startspieler kann sich mit einem ersten Zug pro Runde sofort wieder die Startspielerrolle für die nächste Runde sichern. Der leichte Verlust (Primärstein anstelle von 2 Aktionssteinen) ist in der Größenordnung dessen, was wir entsprechend unseres jeweils nicht-maximalen Besitzstandes an vielen Arbeitsplätzen erleiden. Und wenn der ausgeloste Startspieler sich diese Rolle über allen Runden hinweg bis zur letzten Runde sichert, bekommt er zusätzlich auch noch 2 Siegpunkte. Schlichtwegs ein MUSS!
Die zugeteilten Nutzeinheiten verteilen wir auf möglichst WENIGE Loren, weil wir an den Arbeitsplätzen für die Förderung nicht Kohleeinheiten, sondern jeweils eine Anzahl Loren ans Tageslicht bringen können. Die Tageslicht-Kohle verteilen wir auf möglichst VIELE Waggons, weil später in der Kokerei nicht jede Kohleinheit, sondern jeder Waggon in eine Kokseinheit umgewandelt wird. Kokseinheiten werden später verkauft und bringen unverzüglich einen Worker und eine D-Mark (als Super-Worker nutzbar) ein, bei Spielende auch noch jede Menge Siegpunkte.
Die hier angedeuteten Aktionen wie Kohle-Fördern, Kohle in die Kokerei liefern, Verkoken und Verkaufen werden über das Besetzen entsprechender Arbeitsplätze ausgelöst. Alle diese Arbeitsplätze sind in Bezug auf die Quantitäten, die bearbeitet werden können (1, 1 bis 2, 1 bis 3 oder gar 1 bis 4), in Bezug auf Kosten (1 Worker, 2 Worker, den Super-Worker oder 1 DM) und in Bezug auf damit zusammenhängende Vorteile (z.B. Siegpunkte) oder Nachteile (z.B. Wassereinbruch) sehr unterschiedlich. Da die „besseren“ von ihnen pro Runde nur einmal besetzt werden können, erfordert es eine scharfe Rechnung, aus den zu Beginn 20 möglichen Arbeitsplätzen denjenigen herauszusuchen, der für unsere aktuellen Ambitionen der wichtigste ist. Zugleich sollten wir natürlich auch berücksichtigen, welche Arbeitsplätze wir in unseren weiteren Zügen belegen wollen, und ob uns vielleicht unsere Mitspieler hier in die Suppe spucken können und wollen. Wer als Startspieler nur seine ersten beiden Züge und von den Mitspielern nur den ersten Gegenzug optimieren will, der sollte etwa 1.860.480 Arbeitsplatz-Kombinationen abchecken.
Günther verfiel bei seinen Zügen regelmäßig in ein minutenlanges Bartgemurmel „hier kann ich – hier könnte ich – hier kriege ich …“, während von Aaron eher zu hören war „meine Fresse, nix Gescheits“!
Nur nicht verzagen! Neben den selbstverständlichen Bewegungen von Kohle und Abraum (auch Letzteres bringt Vorteile), gilt es auch, die Transportwege via Straße, Schiene und Fluss auszubauen und unseren Obersteiger möglichst die gesamte Zechenrunde drehen zu lassen. Hier warten an allen Ecken und Enden ungezählte Vergünstigungen, Zusatzaktionen, und Siegpunkte auf. Vielleicht kann man dieses Spiel sogar gewinnen, indem man sich ausschließlich auf diesen “Nebenkriegsschauplätzen” betätigt!
Es ist, als ob Thomas Spitzer und seine Spielerfreunde bei jeder Spiel- und Test-Session neue Elemente ins Spiel einbrachten, um die Aktionen noch vielseitiger und die Gesamtherausforderung noch größer werden zu lassen, so dass sie unermüdlich viele Stunden, Tage und Wochen in dieser Szenerie schwelgen konnten. Glück auf!
WPG-Wertung: Günther: 7 (ein super Workerplacement-Spiel; natürlich muss man dabei immer aufpassen, dass man nicht öfters mal zu kurz kommt; vielleicht spielt es sich noch besser in einer Dreier-Runde), Moritz: 7 (sehr gut ausgedacht).
Günther, bist Du zufrieden?
Walters Kurzversion: Nach unserer Erfahrung mit „Haspelknecht“ hatte ich geschrieben: „Nach „Ruhrschifffahrt“ und „Kohle & Kolonie“ jetzt das dritte Spiel einer Trilogie um Geographie, Geschichte und Technik der Kohleförderung im Ruhrgebiet. Intensiv hat sich der Autor Thomas Spitzer mit den Begriffen und Spezifika des Kohleabbaus beschäftigt und sie in ein Spiel gegossen, das thematisch überzeugt, einen ausgereifen Workerplacement-Mechanismus präsentiert und hohen spielerischen Anforderungen genügt“.
Nach unserer Erfahrung mit „Schichtwechsel“ kann ich jetzt nur schreiben: Thomas Spitzer hat sich ein weiteres Mal um dieses Thema bemüht. Es ist ihm wieder gelungen, ein thematisch fundiertes Worker-Placement-Spiel auf den Markt zu bringen. Wir fördern Kohlen, verkoken und transportieren sie, und wenn sie nicht gestorben ist, dann fördern wir sie noch heut‘. Viele Bäume, wenig Wald.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viel Mitspielerchaos in einer Viererrunde; mich regt es auf, wenn ich immer nur den drittbesten Zug machen kann, man hätte streamlinen können/müssen), Walter: 5 (zu viele Engpässe, zu viele Optionen, zu lange Denkzeit für Denker; dieses Spiel würde ich nur dann noch einmal spielen, wenn für jeden Spieler die Denkzeit gemessen würde, und wir hinterher die Siegpunkte durch die Denkzeit dividieren; 7 Punkte für die zweifellos reife Konstruktion, auch wenn ich eine „Linie“ für gutes und richtiges Spiel darin noch nicht entdecken konnte).
Corona hat die Live-Abende am Westpark für zwei Wochen aussetzen lassen. Nach ein paar Tagen Husten, Schnupfen und Gliederschmerzen ist die Sache ausgestanden. So eine Grippe muss nicht sein, aber sie ist auszuhalten. Das Leben geht weiter.
1. “Fantastische Reiche”
Ein Karten-Sammel-Spiel. Nein, nichts wird gesammelt. Ein Kartenhand-Optimierungsspiel. Auch nur bedingt richtig. Jeder bekommt zu Beginn 7 Karten auf die Hand, zieht pro Zug jeweils eine Karte vom verdeckten Stapel oder von der offenen Auslage nach, und gibt eine Karte seiner Hand zurück in die offene Auslage. Wenn in der offenen Auslage zehn Karten liegen, ist das Spiel zu Ende und die Kartenhand eines jeden Spielers wird gewertet.
Jede Karte ist ein paar Siegpunkte wert, vor allem aber zählen Kombinationen von Karten. Der „Wirbelsturm“ ist z.B. 13 Punkte wert, mit „Regensturm“ kommen satte 40 Punkte dazu. Das „Erdwesen“ ist nur 4 Punkte wert, aber für jede Land-Karte bekommt es einen Bonus von 15 Punkten. Die „Kerze“ ist magere 2 Punkte wert, aber mit dem „Buch der Veränderung“, dem „Glockenturm“ und mindestens einem „Zauberer“ werden gigantische 100 Punkte dazugelegt.
Wie groß ist jetzt die Wahrscheinlichkeit, falls ein Spieler die „Kerze“ in seiner Anfangsausstattung zugeteilt bekam, dass er im Lauf seines Spieles auch noch die benötigten Kompagnons dazuziehen kann? Das kommt darauf an, wie wertvoll diese Kompagnons für andere Kombinationen sind. Das „Buch“ ist nur 3 Punkte wert und hat auch sonst sehr wenig Außenbeziehung, da kann es schon mal vorkommen, dass ein Mitspieler, der diese Karte auf der Hand hat, sie in die offene Auslage legt. Der „Glockenturm“ ist aber bereits 8 Punkte wert und bekommt für jeden Zauberer 15 weitere Punkte. Denn kann man schon mal in seiner Sammlung behalten, und dann geht die „Kerze“ leer aus.
Wie viele Karten kann denn jeder Spieler aus seiner Kartenhand austauschen? Wenn jeder Spieler mit 25% Häufigkeit eine Karte aus der offenen Auslage nimmt und mit 75% Häufigkeit eine vom verdeckten Stapel, dann wächst die offene Auslage nach 4 Runden pro Spieler um 3 Karten, nach weniger als 4 Runde lägen also schon 12 Karten in der offenen Auslage und das Spiel wurde beendet. Mit welchem Erfolg? Wer „Kerze“, „Buch“, „Glockenturm“ und einen Zauberer bereits zu Spielbeginn zugeteilt bekam, hat gewonnen. Ansonsten entscheidet halt eine andere günstige Kartenausteilung. Die 3 bis 4 Züge, die jeder Spieler tun kann, sind pille-palle.
Das Spiel ist gar nicht so viele Worte wert, nur der pralle Busen der „Prinzessin“ bringt’s! Voila!
Aaron hat sein Exemplar hier am Westpark gelassen, gegen Abholung kann es jeder beliebige Mitbürger (nur der erste davon) kostenlos mitnehmen.
Ach richtig: Aaron hatte noch eine App, mit der man die Kartenhand eines jeden Spielers automatisch auswerten lassen kann. Aber diese Prozedur war noch langsamer als das manuelle Ausrechnung und die Ergebnisse waren zudem gravierend falsch. Finger weg davon!
WPG-Wertung: Aaron: 4 (die lange Auswertung bei der kurzen Spieldauer ist ein erhebliches Manko), Günther: 5 (obwohl es nicht mein Spiel ist), Moritz: 2 (das Spiel ist Schrott, spieltechnisch ganz schlecht; im ganzen Spiel hatte ich 4 Entscheidungen, mit Card-Drafting zu Beginn und vielleicht auch mit 3 Phasen von Kartenausteilung könnte das Spiel gewinnen), Walter: 3 (stumpfsinnige Lotterie).
2. “Punto”
Das kleinste Kartenspiel, das jemals am Westpark vorbeigekommen ist. Die Kartenschachtel besitzt die halbe Größe einer Cohiba Short. Und was ist darinnen? Für jeden Spieler ein Kartenset aus Karten mit je 1 bis 9 Punkten, zwei Stück von jeder Sorte. Jeder Spieler mischt sein Set und legt es verdeckt vor sich hin. Dann zieht er pro Zug eine Karten davon und legt sie offen auf den Tisch. Wer als erster 4 Karten waagrecht, senkrecht oder diagonal nebeneinander auslegen konnte, ist Sieger.
Die Mitspieler können in die Konstruktions-Planungen eines Spielers spucken, indem sie mit ihren Karten die jeweiligen Randpunkte belegen und so die Ausbreitung verhindern. Das Spiel besitzt aber noch eine besondere Regel: Man darf seine aktuelle Karte auch AUF die Karte eines Mitspielers legen – sofern die eigene Punktzahl größer ist als die des Mitspielers. Fazit: Offenes Mitspieler-Chaos, reine Kingmakerei, denn in der Regel verhindern wir den anstehenden Sieg eines Mitspielers zu Gunsten eines anderen Mitspielers, ohne selber dadurch zu gewinnen oder unsere Position zu verbessern.
Zu zweit spielt sich das Spiel ähnlich wie ein Gobang mit Fußfesseln, zu dritt ist böses Blut unvermeidlich, und zu viert darf man sich locker über die Entwicklung der Tischauslage belustigen. Sollte man auch, damit sich die verbrachten Minuten Lebenszeit überhaupt lohnen.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (nicht mein Spiel, aber die Note soll nicht unter meinem Geschmack leiden. [Moritz: Diese Maxime solltest Du mal bei meinen Fantasy-Spielen berücksichtigen]), Günther: 6 (wir haben die Schönheiten dieses Spiels noch nicht ausgelotet), Moritz: 4 (für 2 Personen ist sogar Mühle spannender; analog müsste man bei Mühle erst noch auswürfeln, ob man einen gegnerischen Stein nehmen darf oder nicht), Walter: 4 (rein destruktiver Spielcharakter, krasse Kingmakerei, zu zweit gefällt mir Gobang tausendmal besser).
3. “Feierabend” Ein Worker Placement Spiel zum Thema der kapitalistischen Ausbeutung nach Karl Marx bis Sahra Wagenknecht. Unsere Arbeiter unterliegen der 70 Stunden-Woche und sind unendlich gestresst. Vor allem mittels gewerkschaftlicher Organisation müssen wir unsere Arbeitsbedingungen verbessern, von den Arbeitsstunden runterkommen, uns Urlaub erstreiken, gezielt Freizeitfreuden zur Erholung nutzen und mit und ohne Gspusis Vergnügungen dieser Welt auskosten.
Die Elemente des Spiels sind Stresspunkte (gleichbedeutend mit Siegpunkten), Streikmarker und Geld, mit denen unsere Arbeiter und die angelachten Gspusis hantieren. Von jedem Arbeitsplatz gibt es – im 4-Personen-Spiel – 3 Stück, so dass im Prinzip die Engpässe für die besten Plätze entschärft sind, aber doch geht immer einer leer aus: Gleich zu Beginn bekommt einer kein Gspusi, einer bekommt keine Streikmarker, einer kann mit seinem Arbeiter einen Stresspunkte weniger abbauen als die Mitspieler, und was dergleichen Vor- bzw. Nachteile mehr sind.
Bemerkenswert die Einschwingphase des Spieles: Am Anfang bekommen wir pro Runde eine solche Menge neuer Stresspunkte übergebraten, dass wir einen Teil unseres gestressten Personals erst mal in die Kneipe schicken müssen, um sich dort zu regenerieren, bevor es mit der Restbelegschaft ans Malochen geht. Erst wenn wir gewisse soziale Fortschritte erkämpft haben, sind wir Herr des unvermeidlichen täglichen Stresszuwachses.
Ein gelungenes Spielelement ist das asymmetrische Rundenhandling. Jeder Spieler kann mit unterschiedlicher Geschwindigkeit seine Arbeiter einsetzen, und wenn er alle untergebracht, fängt für ihn sofort eine neue Runde an, neue Arbeiter, neues Glück.
Alle von ihm belegten Arbeitsplätze werden frei. Die Mitspieler können spekulieren, wann so etwas passieren wird, um ihrerseits unverzüglich die lukrativsten Plätze neu zu belegen.
Hierin liegt aber auch eine Schwäche des Spiels. Wir können keine verschiedenen Gewinnstrategien einschlagen, keine unterschiedlichen Streik-, Geld-, Urlaubs- oder Stressminderungs-Strategien, sondern wir müssen mehr oder weniger den genau besten Zug machen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Als erster Zug in der ersten Runde muss man sich unbedingt gewerkschaftlich betätigen und 3 Streikmarker einsammeln. Mit den Streikmarkern muss man in den ersten Runden unbedingt die Einnahmesituation für Geld und weitere Streikmarker verbessern, weil sich dies kumulativ auswirkt. Der zweibeste Arbeitsplatz – nach einer quick-and-dirty Analyse – ist das Anlachen einer Gspusi, deren Einsatz in den folgenden Runden sich ja ebenfalls kumulativ auswirkt. Dagegen ist der Abbau von Stresspunkten nur linear.
Am Ende ist es dagegen wichtig, maximale Stresspunkte abzubauen bzw. Siegpunkte aufzuladen. Über die ganze Spielzeit hinweg leistet das ein Vergnügen mit seiner Gspusi. Wohl aber dem, der sich soweit mit Mitteln eingedeckt hat, dass er mit seiner Gspusi gleich 3 Wochen in Urlaub fahren kann. Dafür muss man zwar ordentlich gestreikt haben und das kostet auch noch 8 Rubel, aber es bringt 18 Siegpunkte; kein „Arbeitsplatz“ bringt auf einen Schlag auch nur annähernd so viel.
Günther als Startspieler legte sich in seinem ersten Zug gleich eine Gspusi zu, Walter und Moritz taten das Gleiche. War Aaron auf der Verliererstraße? Er ging zur Gewerkschaft und legt sich 3 Streikmarker zu. Günther und Walter taten das Gleiche. War jetzt Moritz auf der Verliererstraße? Friedemann Friese würde niemals ein Spiel herausgeben, dass in Bezug auf den Startspieler-Vorteil keinen Ausgleich konzipiert hätte. Mit Geld und Pöppeln wird dafür gesorgt, dass – für uns – nicht sichtbar wird, wer die beste Startausstattung hat. Aaron spielte langsam und reizte die Arbeitskraft seiner Leute bis ins Letzte aus, Günther war etwas schneller auf der Einkommensleiste, drehte auch schneller seine Runden, aber das Timing war gegen ihn. Als Aaron die Schlussrunde einläutete, hatte Günther die wenigsten Noch-Arbeiter auf dem Plan, die ihn auf den letzten Metern noch voranbringen konnten. Aaron konnte seinen Vorsprung über die Ziellinie retten.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (nichts richtig Neues, aber thematisch stimmig; ich habe allerdings keine Lust, jeweils alle Optionen durchzurechnen), Günther: 7 (in dieser Form ist es doch etwas anders als das Gros der ähnlich gelagerten Spiele), Moritz: 7 (Friedemann Friese-Spiele sind immer OK, dieses ist aber nicht gerade sein spannendstes), Walter: 7 (auch wenn es viele Schrauben gibt, sind die Regeln dazu überschaubar, rund und ausbalanciert. Es gibt viele Optionen, aber viele davon sind zwangsläufig, es gibt eigentlich leider nur eine einzige optimale Strategie, von der Hand in den Mund, repetitiv).
4. “Trans Europa” Zum Ausklang, zur Entspannung, zum Absacken noch ein Spiel aus Walters Fundus. Vor gut 14 Jahren zum ersten Mal gespielt hat das 7,7-Punkte-Spiel „Trans Europa“ nichts von seiner Frische, seiner Spannung, seiner spielerischen Qualität verloren. In unserer Rangliste mit aktuell 1147 Einträgen liegt es an 97ter Stelle. Ein guter Platz, denn dahinter liegen immer noch 91 Spiele, die von uns in unserer Geschichte einmal den Titel „Spiel des Monats“ wert waren.
1. “Reykholt” Ein Worker-Placement-Spiel von Uwe Rosenberg. Wir sind Gemüsebauern im heißen Island, säen und ernten unser Gemüse, verkaufen es an die Touristen und verlocken sie damit, sich und unsere Siegpunkte in die Höhe zu bringen.
24 Felder gibt es, auf denen wir unsere je 3 Mitarbeiter einsetzen können. Der Natur der Sache entsprechend bekommen wir auf einigen Feldern Beete mit und ohne Saatgut, wir bekommen ein oder zwei Stück Saatgut – fünf verschiedene Sorten gibt es – oder wir bekommen die Erlaubnis, ein bis zwei oder noch mehr unserer Beete zu bestellen. Wachsen tut unser Gemüse augenblicklich und ohne unser Zutun. Deshalb dürfen wir auf einigen Einsetzfeldern auch unverzüglich ernten, je nach Kartenqualität auf ein bis drei Beeten zugleich.
Die „normale“ Ernte erfolgt in der Erntephase ohne Mitarbeiter. Von jedem Beet wird eine Frucht in unsere Scheune eingefahren. Wohl dem, der jetzt bestellte Beete hatte, denn der Bibelspruch Matth 6,26 von den Spatzen, die auch ohne zu säen über den Winter kommen, gilt hier nicht.
Nach der Ernte wird verkauft. Für jedes Fortschrittsfeld, auf das wir den Touristen-Siegpunktstein vorwärtsrücken wollen, brauchen wir eine wohldefinierte Anzahl von wohldefiniertem Gemüse: für die ersten Fortschritte genügt jeweils eine Einheit, danach zwei, drei usw., für die letzten Felder werden je gleich happige 6 Gemüseeinheiten verlangt. Man darf beliebig weit vorwärts ziehen, solange der Vorrat reicht.
Eine sinnige Konstruktion ist hier, dass man beim Vorwärtsziehen eine Gemüseart überspringen darf: die entsprechende Anzahl Gemüseeinheiten braucht man nicht zu entrichten, ganz im Gegenteil, man bekommt sogar die gleiche Anzahl vom Rosenberg geschenkt!
Zu bemerken sind noch zwei Einsatzfelder für unsere Bauern: wer darauf setzt, darf 2 Siegpunktfelder vorwärts gehen. Am Anfang ist das noch pille-palle, aber in den letzten Zügen kann man sich damit 10 oder gar 12 Gemüseeinheiten sparen. Für den Sieg ist es schon sehr wichtig, die 24 Einsatzfelder genau zu verinnerlichen, um sie im geeigneten Augenblick zu nutzen oder einem Mitspieler diesen Nutzen wegzuschnappen.
Hierbei ist sofort einsichtig, dass der Startspieler einen messbaren Vorteil hat. Alle Einsatzfelder sind unterschiedlich, besitzen deshalb eine unterschiedliche Wertigkeit, und der (allererste) Startspieler darf für alle seine drei Arbeiter jeweils das beste Feld heraussuchen. Da kann man noch so viel von dem nachträglichen Gewurl reden, das sich in den insgesamt 6 Spielrunden auf dem Spielfeld ereignen wird, der Startspieler hat einen Vorteil, und Rosenberg hat sich nicht im Geringsten die Mühe gemacht, diesen Vorteil auszugleichen. Walter wollte den Büttel schon vor seinem ersten Zug hinwerfen, denn als Letzter im Bunde sah er keine Chance, überhaupt aus den Startlöchern zu kommen. Doch seine Mitspieler fanden noch ein Placement-Schlupfloch und das Säen und Ernten konnte allseits beginnen.
Kraut und Rüben beschäftigten uns nun geschlagene zwei Stunden, galt es doch, die richtigen Felder mit der richtigen Gemüsesorte in der richtigen Anzahl zu besäen und zu beernten, und dabei nicht das Nachsehen zu haben, wenn ein Mitspieler vor uns das angepeilte Einsatzfeld belegt. Da die Touristen am Ende aber ganz schön unverschämt werden und sich nur mit großen Gemüseportionen in Bewegung setzen, endeten wir alle mehr oder weniger auf dem gleichen Siegpunktstand, nur Günther war ein winziges Pünktchen vornedran.
Spricht das jetzt gegen Walters Theorie von der Startspieler-Chancen-Ungleichheit? Nein, das Spiel war ja für uns alle neu, wir kannten die Haken und Ösen noch nicht, und trotz Rechnerei wurstelten wir an vielen Stellen noch einfach so drauf los. Aaron verpasste eine Beteiligung an Moritz‘ goldener Service-Karte, die dann Walter zufiel, der auch noch gerade an der richtigen Stelle via Günthers Ernte-Service-Karte eine Monsterernte einfahren konnte. Sonst hätte er nicht die Hälfte der Strecke geschafft. Q.e.d.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (keine Steigerung im Spiel; die Kosten für den Fortschritt sind eine regelrechte Spaß-Bremse), Günther: 4 (sehr repetitiv, fast gescripted, da man jeweils das Notwendigste tun muss [, und dieses sozusagen eindeutig ist]), Moritz: 3 (öd, langweilig, ganz wie „Loyang“), Walter: 5 (man kann was tun, insofern ist das Spiel nicht broken, aber es hat auch nichts, was mehr Punkte wert wäre).
2. “CRYO”
Ein Workerplacement-Spiel von Tom Jolly und Luke Laurie. Wir sind Astronauten, unsere Worker sind Drohnen, die unsere irgendwo im kelvinkalten Weltall gestrandete Mannschaft in Sicherheit bringen sollen, bevor die Leute erfrieren, verhungern oder explodieren.
Jeder Spieler besitzt 3 Drohnen, die er auf insgesamt 21 verschiedene Einsatzplätze (Docks) aussenden kann, von wo aus jede Drohne 2 bis 4 verschiedene Aktionen durchführen kann. Sie kann
Ressourcen-Plättchen aufnehmen und auf der privaten Spieler-Plattform ablegen, wo sie einen gewissen Zuwachs- und Tausch-Mechanismus in Gang setzen.
Multifunktionskarten vom Nachziehstapel einhandeln und/oder ausspielen und damit Transportmöglichkeiten, Spezialfähigkeiten und Bonus-Siegpunktmöglichkeiten eröffnen.
Bergungshöhlen entdecken, in die sich Crew-Mitglieder zur finalen Rettung zurückziehen können
Crew-Kapseln für den Mannschaftstransport bereitstellen.
Crews ins Basislager zurückbeordern oder in finale Bergungshöhlen retten.
Die Drohnen werden reihum einzeln platziert. Nach dem Aussenden der Drohnen erfolgt der Rückzug auf die eigene Plattform, wobei dann die freigeschalteten Quellen für Ressourcen und Ressourcen-Umtausch wirksam werden.
Eine Besonderheit ist hier gegeben: Man braucht nicht alle seine drei Drohnen auszusenden, bevor man mit dem Rückzug beginnt. Auch der Rückzug ist eine einträgliche Aktion, vor allem kann man damit die Reihenfolge beeinflussen, mit der man später wieder ausziehen und so als Erster die gewünschten profitablen Docks besetzen kann, die aktuell noch von einem Mitspieler gehalten sind.
Wir drohnen, ernten und tauschen Ressourcen, entdecken Höhlen, transportieren Mannschaften und werden am Ende für unser Gesamt-Agieren belohnt. Ein definierter Siegpunkt-Segen kommt über alle für ihre jeweils geretteten Mannschaftsmitglieder und ihre Verteilung in den Bergungshöhlen, ein offener variabler Siegpunkt-Segen kommt über die gezogenen und ausgespielten Multifunktionskarten.
Das Trio Aaron, Günther und Walter (alphabetische Reihenfolge) landete – warum auch immer – mit jeweils einem Punkt Abstand ganz hinten, weit abgeschlagen hinter Moritz, der 50 Prozent mehr Siegpunkte auf seine Seite bringen konnte. Es war sicherlich sein kluges Spiel. War es andererseits aber auch seine Reihenfolge als LETZTER beim Start? In CRYO wird nämlich ein Ausgleich zur Startposition gewährt, und Moritz bekam deshalb gleich zu Beginn zwei Organics geschenkt, die er auf den richtigen Docks sogleich in Crew-Kapseln auf den richtigen Bergungsfeldern verwandelte, von wo aus sie ihn bei jedem Drohnen-Rückzug kostenlos mit Ressourcen versorgten. Früher oder später konnte er den gesamten Stapel von Mutlifunktionskarten durch seine Hände gehen lassen und Siegpunkt-Bonus für Bonus auf seinem Konto sammeln. Gut gespielt!
Bedenklich ist nur, warum unser Günther – wenn auch nur mit einem Punkt – auf dem letzten Platz landete. War es nur ein Probespiel? Oder hat dort, wo Rosenberg nichts getan hat, Tom Jolly vielleicht etwas zu viel getan?
WPG-Wertung: Aaron: 5 (es geht langsam los und spielt sich auch viel zu langsam), Günther: 7 (es gibt vielseitige Aktionsmöglichkeiten), Moritz: 8 (thematisch stimmig – Drohnen, Rettungskapseln, Höhlenerkundung, kreative Tauscheffekte), Walter: 5 (mir liegt die Konkurrenz um entscheidende Drohnendocks nicht, und der nackte Kingmaker-Effekt via Mehrheiten in den Höhlen gefällt mir ebenfalls nicht).