Zwiespältig war der Eindruck, den wir vor zwei Wochen bei der ersten Begegnung mit „Khôra“ hatte. Alles ist gediegen, vom Spielematerial angefangen über die mnemotechnisch gelungenen Symbole bis zu den Regeln, aber … Aber was? Heute sollte Moritz seine Meinung dazu abgeben dürfen.
Walter wählte sich Sparta, mit dem Günther beim letzten Mal einen grandiosen Militär-Sieg herausgeholt hatte. Mit reduzierten Verlusten bei der „Eroberung“ von „Errungenschaften“ (bei der Begriffsbildung hat hier offensichtlich ein Gender-Pazifismus zugeschlagen) sollte man mit seiner Militärmacht doch ein Siegpunkt-Bündel nach dem anderen auf sein Konto bringen können. Doch wie sagte schon Wilhelm Busch: „Ohne die gehörigen Mittel soll man keinen Krieg beginnen“, d.h. ohne sich nicht unverzüglich um seine Einnahmen zu kümmern, kommt man mit seinem Militär weder vorne noch hintern hoch.
Zudem trat vom ersten Augenblick an auch Moritz mit seinem Athen auf dem Plan. Man muss seine Soldaten ja nicht ausschließlich unter seinen eigenen Kindern aussuchen, man kann ja auch Söldner rekrutieren. Moritz verwandte seine attische Handelsüberlegenheit (mittels einer sehr glücklichen Politik-Karte) sogleich auf den Ausbau seines Militärs und errang dort die Überlegenheit, so dass Walter trotz seiner Militär-Ambitionen nicht einmal den Kalamitäten entgehen konnte, die vom bösartigen Spiel-Design für den müdesten Krieger vorgesehen sind.
Den Sieg holte sich aber Günther mit Milet. Ein Hoch auf die Wissenschaft, ein Hoch auf Thales, der mit seiner Philosophie und seiner Mathematik sowohl einem gewieften Geldpolitiker Perikles als auch einem draufhauen wollenden Militär Leonidas XII überlegen ist.
Moritz erkannte auch die Schwäche, von der wir beim letzten Mal nur eine vage Ahnung hatten: Eigentlich haben wir keine freien Entscheidungen, gutes Spiel ist mehr oder weniger vorgegeben. Am Anfang brauchen wir Geld und den dritten Würfel, das bestimmt unsere Entwicklungszüge. Die Aktionen, die wir danach tun MÜSSEN, sind durch die Politik-Karten bedingt, die uns das Schicksal in die Hand spielt oder gespielt hat.
Die Würfel sind total überflüssig. In der Realität kann jeder Spieler jederzeit jede Aktion wählen, nach der ihm der Sinn steht, und wenn man die – lästigen – Würfel weglässt, erkennt man erst, wie – von der jeweiligen Spielsituation – vorgegeben die Aktionen sind, die wir wählen müssen.
WPG-Wertung: Auch Moritz schloss sich mit 6 Punkten der WPG-Mehrheit an (nicht schlecht, aber auch nicht geil, zu simpel sind die zu treffenden Entscheidungen).
2. “Regicide”
Königsmord. Ein kooperatives Kartenspiel für 1 bis 4 Spieler, das wir am letzten Montag online via Board-Game-Arena gespielt hatten. Zum Pech für Autor und Verlag wird für das Spiel lediglich ein stinknormales Rommee-(Canasta/Bridge)-Kartenset benötigt. So etwas gab es selbst in Walters sehr beschränkten Arsenal von Spielen, und wir konnten unsere Online-Erfahrungen vom Wochenanfang heute ohne das Material des Verlags mit unseren eigenen Standard-Karten mit Life-Erfahrungen bereichern.
Die Buben, Damen und Könige des Kartenspiels sind „Monster“ mit Stärkepunkten und Schädigungskraft. Jeweils eine Karte davon wird ausgespielt, und wir müssen reihum (oder ein einzelner Spieler als Patience alleine für sich) jeweils eine Karte (As, 2, 3 … bis 10) ausspielen, um die Stärke und/oder Schädigungskraft des Monsters zu reduzieren oder ganz zu beseitigen.
Dazu hat jeder Spieler beim Start 6 Karten auf der Hand. Kreuz-Karten reduzieren die Monster-Stärke doppelt, Pik-Karten reduzieren auch die Schädigungskraft, nach dem Spielen von Karo-Karten dürfen weitere Karten vom Nachziehstapel nachgezogen werden, und mit Herz-Karten werden Karten vom Abwurfstapel auf den Nachziehstapel recycelt.
Die Buben sind noch ziemlich lasche Monster mit 20 Stärke und 10 Schädigungseinheiten, doch wenn wir dann zu den Königen mit 40 Stärke und 20 Schädigungseinheiten kommen, wird es haarig; oft ist der erste König bereits der Tod der Spielerrunde, wenn wir überhaupt so weit kommen.
Viermal haben wir es letzten Montag online in einer Dreierrunde versucht und nicht geschafft, heute im Life-Betrieb haben wir zweimal ebenfalls versagt. Das ließ Moritz keine Ruhe, und wir tüftelten zu dritt an der Solovariante.
Ganz wichtige Spieltechnik: Wir müssen mit einer KARO-Karte das jeweilige Monster GENAU killen. Dann kommt die Monsterkarte nämlich auf den Nachziehstapel, und zwar an oberster Stelle, so dass wir beim durch die Karo-Karte ausgelösten Nachziehen sofort das soeben gekillte Monster nachziehen und nutzen können. Damit können wir die Stärke und/oder Schädigungskraft des neu aufgedeckten Monsters unverzüglich erheblich reduzieren. Eingedenk dieser Technik schafften wir es, auch den letzten König zu besiegen. Es war zwar kein „Gold Victory“ und auch kein „Silver Victory“, weil wir in unserer Schlacht beide Jocker einsetzen mussten, aber es war immerhin ein VICTORY.
Vielleicht hat der eine oder andere von uns jetzt Lust, in einer Mußestunde mit einer Regicide-Solo-Partie seine königsmörderischen Fähigkeiten zu vertiefen.
WPG-Wertung: Noch keine Punktevergabe. Walter findet das Solo-Spiel ganz bemerkenswert, doch eine Dreierrunde, bei der sogar eine Kommunikation über die jeweiligen Kartenhände verboten ist, hat keinen besonderen Reiz.
Griechenland. Meistens. Altes. Eh klar. Wir sind Strategen und steigern unser Stadtpotential an Militär, Wirtschaft und Kultur um Eroberungen („Erkundungen“) tätigen zu können, um liquide Mittel zu bekommen und um früher oder später reichlich Siegpunkte über uns hereinbrechen zu lassen.
Unsere Entwicklungsstufen werden mehr oder weniger zwangsläufig pro Runde erhöht, das sonstige Spielgeschehen wird mittels Würfeln und den zugehörigen Aktionen gesteuert:
• 0 = Philosophie = Steigerung des Stadtpotentials, leicht verzögert • 1 = Gesetzgebung = Erhalten von „Politkarten“ • 2 = Kultur = Erhalten von Sofort-Siegpunkte • 3 = Handel = Erhalten von Geld • 4 = Militär = Erfüllen von Voraussetzungen für unsere Weiterentwicklung • 5 = Politik = Spielen von Politkarten zum Erhalten von Geld, Militärstärke etc., vor allem aber für Siegpunkte • 6 = Entwicklung = Ausbau der Stadt zum Erhalten von einmaligen, wiederholten oder finalen Ausschüttungen von Geld, Militärstärke etc., sowie für Siegpunkte.
Jeder Spieler erhält eine eigene Stadt mit unterschiedlichen Aussichten zugeteilt, die ihn leicht in die Schiene drücken, nach denen seine Aktionen ausrichten soll. Wer z.B. mit „Sparta“ vorteilhafte Militäroperationen durchführen kann und am Ende auch noch eine riesige Gewinnausschüttung für seine Eroberungen bekommt, sollte hierauf seinen Entwicklungsschwerpunkt legen. Wer hingen mit „Olympia“ stärker für Kulturleistungen belohnt wird, sollte seine Ambitionen in Kultur austoben und hierin ein ständiges, gleichmäßiges Rieseln von Siegpunkten auslösen. Am Ende kann er dafür auch noch einmal dick absahnen. Natürlich – selbstverständlich für ein gutes Spieldesign – ist es notwendig, überall ein bisschen mitzumischen, um die notwendigen Mittel und Voraussetzungen für seine anvisierten Entwicklungszüge zu schaffen.
Neun Runden dauert das städtische Gewurle, das ohne viel Interaktion über die Bühne geht. Jeder entwickelt und aktioniert sich entsprechend seiner Mittel und seiner Vorlieben in seine Richtung. Selbst das Würfeln für die Aktionen ist mehr oder weniger ein Fake, den jeder Spieler besitzt – nahezu immer – genügend „Bevölkerung“, mittels der man jeden Würfel auf praktisch jede gewünschte Augenzahl drehen kann. Beim Militär sind die angebotenen “Erkundungen” zwar alle unterschiedlich, und wer zuerst kommt, erkundet zuerst, aber im Prinzip sind sie alle gleichwertig: je mehr Militärstärke man für ein Objekt aufwenden muss, desto höher ist auch der Ertrag. Und es besteht auch keine Möglichkeit, einem Mitspieler ein lebenswichtiges Objekt vor der Nase wegzuschnappen.
Die einzelnen Runden werden durch Rundenereignisse angezeigt, die zum Teil allen Spielern etwas geben oder etwas wegnehmen (akzeptabel), zum Teil aber auch nur dem militärisch Stärksten etwas geben und dem militärisch Schwächsten etwas wegnehmen: pfui! Warum hat man in einem von Spieldesign her hübschen, System solche spielerpsychologischen Ärgernisse eingebaut? Sollen etwa die Militär-Ambitionen angeschoben werden? Ist eine große Militärpotenz nicht a priori von großem Vorteil?
Ansonsten gibt es einige Spielelemente, die – bei uns – kaum zum Tragen kamen. Deren (Design-)Aufwand steht wohl zum Nutzen in keiner günstigen Relation, weil – wie z.B. beim Würfeln + möglicher Würfelmodifikation – ein gewünschter restriktiver Effekt gar nicht vorhanden ist. Aber wenn eine umfangreiche Maschinerie wie in „Khôra“ schon so viele Rädchen hat, an denen man sinnvoll drehen kann, dann können wir die paar überflüssigen Rädchen leicht tolerieren; das Spielgeschehen als Ganzes ist noch gut überschaubar und beherrschbar.
Was allerdings die optimale Entwicklung ist, darüber können wir höchstenfalls unser Bauchgefühl sprechen lassen. Günther bekam zu Spielbeginn – zufällig – „Sparta“ zugeteilt, entwickelte seinen Militär- und Ruhmlevel, erwarb sich auf Teufel komm‘ raus „Wissensmarker“ und erhielt allein dafür fast 50 Prozent der Siegpunkte, die Aaron und Walter am Ende besaßen. Für Günther war es etwa ein Drittel seiner Gesamtpunktzahl. Wer hat wohl gewonnen?
WPG-Wertung: Aaron: 6 (das Glückselement bei den Politkarten, und überhaupt, ist – für den Charakter eines Planungsspiels – zu groß), Günther: 6 (bis 7; nach den euphorischen Berichten in der Spielbox hätte ich etwas mehr erwartet), Walter: 7 (ein großes, rundes Spiel; für mehr Punkte müsste weniger Entwicklungs-Erbsenzählerei und mehr – spielerische – Interaktion geboten sein).
Bleibt noch zu erwähnen, dass das Spielmaterial sehr vielfältig, funktionell und robust ist, und dass die Spieleschachtel ein sehr – positiv – bemerkenswertes Design hat, in der die vielen Karten, Chips, Pöppel und Marker genau ihren individuellen Platz finden.
In unserer WPG-Runde bei BGA schon dreimal gespielt, sollte das frisch gekürte Kennerspiel-des-Jahres auch mal in der Realität am Tisch seine Qualitäten zeigen.
Lassen wir wie gewohnt das Thema beiseite, nur Moritz wollte über die Naturgeister, den geweihten Baum und den Flammengeist aufgeklärt werden.
„Living Forest“ ist ein Deckbuilding-Spiel mit einem Can’t Stop Mechanismus. Jeder Spieler bekommt das gleiche Potenzkartendeck, die in den Kategorien
Weitere Potenzkarten kaufen
Bäume kaufen
Feuer kaufen
Schritte auf einem Kreiskurs absolvieren
Heilige Blumen präsentieren
unterschiedliche Stärken aufweisen.
Wir dürfen von unserem verdeckten Kartendeck beliebig viele Karten ziehen und aufdecken. Allerdings gibt es auch böse Karten darunter, und wenn wir beim Aufdecken die dritte böse Karten gezogen haben, ist zwangsweise Schluss, und wir büßen danach auch noch eine unserer zwei Aktionsmöglichkeiten pro Zug ein (Potenzkarten kaufen, Bäume kaufen …).
Gegen die bösen Karten gibt es zwei Hilfsmittel: 1) gute Karten (die erst durch Nachkaufen ins Spiel kommen) und 2) Neutralisierer. Wer genug gute Karten und/oder Neutralisierer auf der Hand hat, kann u.U. sein gesamtes Kartendeck offenlegen und nutzen; das ist gegen Ende des Spiels durchaus keine Seltenheit.
Nach dem Kauf von Karten kommen entsprechend viel Flammen ins Spiel, die weggekauft werden müssen, bevor sie überhandnehmen und jeden von uns mit zusätzlichen bösen Karten überschwemmen. Das Wegkaufen hat aber auch einen Vorteil, denn es erfüllt eine der Siegbedingungen: Sobald ein Spieler zwölf Flammen oder zwölf Bäume gekauft oder in seinen aufgedeckten Karten zwölf „Heilige Blumen“ präsent hat, ist das Spiel zu Ende. Ist man der einzige Spieler, dem dies geglückt ist, so hat man gewonnen; haben mehrere Spieler zugleich dieses Ziel erreicht, gibt es Tiebreak-Regelungen. In jedem Fall bietet das Aneignen von Flammen eine große Chance zum Sieg, denn wenn die Mitspieler nicht konsequent dagegen arbeiten, fallen einem die Flammen gleich massenweise in den Schoß.
Die „Bäumestrategie“ kann man hingegen mehr oder weniger ungestört von den Mitspielern fahren, es sollten sich nur nicht zu viele Spieler um die wenigen Karten mit hohem Bäume-Potential streiten. Und natürlich sollten die eigenen Potenzkarten mit Baum-Potential öfters mal in glücklicher Kombination auftreten.
Wer auf die „Heiligen Bäume“ setzt, ist absolut davon abhängig, dass am entscheidenden Zeitpunkt zum Spielende seine Blumenkarten alle rechtzeitig auftauchen, bevor die bösen Karten ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Ein gewisser Vorrat an Neutralisierern kann hier das Zünglein an der Waage spielen.
Bleibt noch der Kreiskurs zu erwähnen, auf dem wir optional unser Schrittepotential abwickeln können. Wir landen dabei jeweils auf Feldern, die uns erlauben, eine der Standardaktionen (Potenzkarten kaufen, Bäume kaufen …) durchzuführen. Dann ist es natürlich ein gefundenes Fressen, wenn wir in einer Kategorie gerade besonders viele starke Karten gezogen haben und dann die zugehörige Aktion einmal als Standard und ein zweites Mal via Kreiskurs ausführen dürfen.
Das ist eigentlich schon Genug des Vorteils, sich über den Kreiskurs zu bewegen. Wer bei seinem Vorwärtsgehen aber auch noch einen Mitspieler überspringt, darf ihm eine Siegpunkt-Bonuskarte klauen. Pfui! Musste das sein?? Erstens ist Klauen unethisch und chaotisch und zweitens ist damit eine böse Tür zur Kingmakerei geöffnet. Das hatte „Living Forest“ nicht nötig.
Es ist ein schönes Spiel, alles funktioniert, alles ist rund. Viele spielerische Elemente sind zu einem harmonischen Gesamtwerk zusammengefügt. Es gibt keine Sackgassen, für alle problematischen Situationen sind Weichmacher eingebaut. In unseren Aktionen haben wir haben viele Freiheitsgrade und können dabei mehrere grundsätzlich verschiedene Schienen fahren. In den Augen eines jugendlichen Hausmanns- und Vielspieler, der mehr als nur anspruchslose Famlienspiele des Jahres spielen möchte (aber auch solche), ist „Living Forest“ ein angenehmes Exemplar in seiner Sammlung.
Die geschmäcklerischen alten Westpark-Gamers haben dazu aber noch eine andere Sicht.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (ich habe das Spiel jetzt 5 mal gespielt, dabei kam es mir von Mal zu Mal uninteressanter vor; die Rumzählerei macht keinen Spaß, auf die Siepunkte der anderen zu achten ist lästig, und das Klauen im Kreiskurs absolut unschön; der Wiederspielreiz scheint mir nicht allzu hoch zu sein), Günther: 5 (die Möglichkeiten für Kingmakerei sind negativ; dass wir am Ende immer alle dicht beieinander landen, ist wohl zu viel Symmetrie und Nivellierung im Spielablauf geschuldet), Moritz: 4 (durch den Zufall der Karten beim ersten Ziehen ist fast schon die Schiene vorgegeben, in der man sich entwickeln muss. Der Feuermechanismus ist interessant, sonst kaum noch was. Es gab wenig, über das ich hätte nachdenken können, deshalb habe ich mich gelangweilt), Walter: 6 (das Spiel ist konstruktiv und spielerisch, Zufall und Planbarkeit stehen in einem ausgewogenen Verhältnis, als alte Hasen sollten wir an diesem gefälligen sauberen Spieldesign nicht allzu scharf herumkritteln).
2. “Paris”
Zum Thema laut Regelheft: „Paris befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Verwandlung in eine der schönsten Städte der Welt.“ Wir sind Immobilieninvestoren und dürfen dabei mithelfen.
Auf einer sehr hübschen Konstruktion einer Spielbrett-Rotunde finden wir sechs Bezirke von Paris mit je sechs Bauplätzen. Jeder Bauplatz hat eine wohlgeordnete Wertigkeit, die in jedem Bezirk gleichförmig die Werte 1 bis 5 und 8 einnehmen. Pro Zug baut jeder Spieler jeweils irgendwo auf einem dieser freien Bauplätze (kostenlos; die jeweilige Position wird vom verdeckten Stapel zufällig gezogen) ein Gebäude und schickt dann einen seiner Agenten irgendwohin auf den Weg zu einer glücklichen Investition. Er kann
einen Agenten aus seinem Büro in das Eingangstor zu einem beliebigen Bezirk schicken. Das kostet nichts, im Gegenteil, dafür bekommt ein Spieler sogar einen nicht zu verachtenden Betrag.
einen bereits am Eingangstor eines Gebietes stehenden Agenten auf ein freies der dort bereits gebauten Gebäude stellen. Das kostet jetzt Geld: je höherwertig das Gebäude, desto höher der Preis.
einen bereits auf einem Gebäude stehenden Agenten auf ein höherwertiges Gebäude in demselben Bezirk setzen. Claro, dafür muss man die Differenz der Wertigkeiten bezahlen.
den Bebauungsplan in einem Bezirk um einen – noch höherwertigeren – Sonderplatz erweitern (das kostet Ressourcen) und dann seinen Agenten daraufsetzen (das kostet nochmals Geld).
einen Agenten auf den Place de l’Étoile setzen. Das kostet nichts und bringt auch nichts ein, aber dafür darf ein Agent später von dieser Stelle aus auf ein beliebiges freies Gebäude in einem beliebigen der sechs Bezirke versetzt werden (natürlich zum entsprechenden Preis).
Und wofür macht man das alles? Bei Spielende werden die Mehrheiten in jedem Bezirk prämiert. Dazu werden die Gebäudewertigkeiten aller Agenten eines Spielers für jeden Bezirk addiert und diese Summen mit denen der Mitspieler verglichen; wer die höchste Summe aufweist, bekommt viele Siegpunkte, der Zweite bekommt die Hälfte und der Dritte nur noch ein Viertel. Wie hoch die jeweilige Höchstprämie in jedem Bezirk ist, wird erst während des Spiels ausgekaspert, so dass nicht sogleich mit dem Spielbeginn ein Run auf die besten Plätze einsetzen kann.
Neben dem Bauplan von Paris ist das wichtige Spielelement eine Leiste von 30 Bonusplättchen. Sie gewähren Geld, Ressourcen und eine ganze Latte von weiteren Vergünstigungen, vor allem aber prämieren sie bestimmte Kombinationen von Positionen der Agenten eines Spielers mit Siegpunkten. Manche Plättchen gibt es nur einmal, wer zuerst kommt, mahlt (nicht nur zuerst sondern als einziger), manche Plättchen gibt es mehrfach, so dass sich mehrere Spieler, aber in keinem Fall alle, diese Vergünstigungen aneignen können.
In den Besitz eines Bonusplättchen kommt man, wenn man seinen Bonusmarker daraufstellt. Bewegen darf man den Bonusmarker immer dann, wenn man vorher seinen Agenten auf eines der Gebäude mit der Wertigkeit 1 bis 3 gestellt hat. Bei jeder Bewegung dieses Markers darf man ihn um beliebig viele Stellen in vorwärts Richtung versetzen. Die besten Boni gibt es am Ende, es verlockt also, so schnell wie möglich in die vordersten Regionen zu positionieren, aber danach gibt es kein Zurück mehr; es ist ein Feilschen mit sich selbst, ob man die Bonusplättchen langsam Schritt für Schritt abgrasen will oder gleich auf den dicken Siegpunktereibach am Ende zugeht.
Paris entsteht, Paris leuchtet. Wer die lukrativsten Bonusplättchen erwerben, seine Agenten en passant entsprechend positionieren und in den Bezirken bei den Mehrheiten glücklich agieren konnte, gewinnt.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (viel zu kleinteilig, nix Schlechtes, aber der Spielablauf ist ein dröges Kucken, Rechnen, Machen), Günther: 6 (reines Mitspielerchaos), Moritz: 8 (mir gefällt die fluide Situation, es ist interessant und der Spielausgang ist offen), Walter: 5 (der ganze Zauber dreht sich finalmente ausschließlich um Konkurrenz beim Zugriff auf die besten Plättchen und um chaotisch-kingmakerische Mehrheitsbildung; zudem erfährt der Spielfluss in den letzten Runden keine dynamische Steigerung mehr, sondern er flaut – wenn die Spieler ihr Geldpulver überwiegend verschossen haben – ziemlich ab. Oder besteht gutes Spiel etwa darin, sich in den ersten drei Vierteln des Spiels bei jeder Gelegenheit mit Geld einzudecken, um damit im letzten Viertel alle Mehrheiten zu knacken? Das ist des Spielspaßes zu wenig.)
„Dark Tower“ aus den 80er Jahren des vorigen Jahrtausends hat einen Nachfolger erhalten. Abenteuerlich wie bisher, jetzt aber kooperativ.
Jeder Spieler besitzt eine Figur mit unterschiedlichen Eigenschaften. Wir bewegen uns unabhängig voneinander frei durch ein freies Gelände. Allein die Bewegung stärkt pro Runde unsere Kampfkraft und unseren Geist. Über allfällig anstehende Aufräumungsarbeiten (Totenschädel Beiseite-Schaffen) und „Reinforce“-Tätigkeiten in ausgewählten Lokalitäten gewinnen wir weitere Stärken und Hilfsmittel, die wir für das erfolgreiche Bestehen des finalen Entscheidungskampfes benötigen. Aber bevor es dazu kommt, tauchen immer mal wieder mystische Unholde auf, die es zu bekämpfen gilt, bevor sie und über den Kopf wachsen.
So plätschert unsere Entwicklung zwischen friedlichen und kriegerischen Aktivitäten locker und repetitiv dahin, bis wir die Bedingung für das Finale erreicht haben. (Bei uns musste Walter dafür 100 Einheiten Kampfstärke aufgesammelt haben.) Dann geht es Knall auf Fall: Jeder stürzt sich auf das letzte Monster, investiert – solange er überleben kann – alle Kampfkraft, alle Geister, alle Hilfsmittel und alle Hilfskräfte darauf, das Monster klein zu kriegen, und wenn einer von uns schlussendlich stärker ist als das geschwächte Monster, so ist das Spiel zu Ende und wir haben alle miteinander gewonnen. Wo nicht, so haben wir halt alle verloren.
Dieses Kick-Starter-Spiel hat seinen erklecklichen Preis. Gut 220 Dollar darf man hinblättern. Dafür bekommt man aber auch eine Menge Material, die nur in 2 Spieleschachteln untergebracht werden kann: 1 Turm, 4 Helden mit jeweils eigenem Spielbrett, ungezählte Schatzkarten, ungezählte Zauberkarten, ungezählte Ausrüstungskarten, ungezählte Begleiterkarten, ungezählte Feindkarten, ungezählte Vorteilsplättchen, Kriegermarker, Spirit-Marker, 8 Beschädigungsmarker, 3 Quest-Marker, ungezählte Spezialmarker und ungezählte Spezialkarten. Warum sich die Hilfsmittel für Freund und Feind in so vielen verschiedenen Kategorien inkarnieren, das ist für einen unbedarften Spieler nicht zu erkennen. Ist auch nicht so wichtig und ist mir beim Spielen auch gar nicht aufgefallen, erst jetzt hinterher beim Schmökern im Regelheft.
Der bemerkenswerteste Teil des Spielmaterials ist ein gewaltiger Turm, der in der Mitte des Spielplans steht und mittels einer eigenen App von außen gesteuert wird. Er blinkt situationsorientiert rot auf, gibt lustige oder auch beängstigende Geräusche von sich, markiert gute und (meist) böse Positionen und spuckt die Totenschädel aus, die wir ständig aufräumen müssen, um nicht darüber zu stolpern.
Man wird dem Spiel sicher nicht gerecht, wenn man es als alternder, nüchterner Mathematiker (anM) angeht. Man muss es mit den Augen eines Moritz, eines jungen, kreativen, phantasievollen Künstlers sehen. Dann läuft einem die Beschreibung bei BBG wie Öl durch die Kehle. Hier ist sie:
Das coolste Spiel (anM: für mich ist das „1830“), das jemals auf den Planeten kam (anM: als göttliches Geschenk vom Himmel gefallen?), erschien erstmals vor etwa 38 Jahren, mit einem elektronischen Turm, der aufleuchtete, Musik spielte und irgendwie ein episches Fantasy-Abenteuerspiel mit seiner hochmodernen technologischen Zauberei betrieb. Dieses Spiel war „Dark Tower“ (anM: Ich kenne dieses Spiel leider nicht).
Wir möchten Ihnen das gleiche Gefühl der Ehrfurcht (anM: vor wem oder was?) und Verwunderung (anM: über das rote Blinken im schwarzen Turm?) vermitteln und die Grenzen dessen verschieben, was ein Brettspiel tatsächlich leisten kann (anM: mein Gott, welche Brettspiel-Grenzen haben die Autoren denn jemals erfahren?).
Nach 3 Jahren sorgfältiger Arbeit (anM: an seinem absolut geilen „Friedrich“ hat Richard Sivél sogar 20 Jahre lang gearbeitet) eines Teams aus zwei Dutzend Designern, Ingenieuren und Künstlern (anM: 24 Ingenieure und Entwickler riechen eher nach Schweiß als nach Esprit und ihr Produkt riecht eher nach Bomber als nach Jäger) freuen wir uns, Ihnen ein Spiel zu präsentieren, das an dieses längst vergangene Wunder(anM: für ein neugeborenes Kind ist jeder Witz ein Wunder) erinnert, aber letztendlich anders ist als jedes Spiel, das Sie jemals erlebt haben (anM: Wenn das hübsche Weib ihren Bauersmann nicht mehr ins Heu schickt, sondern in den Wald, ist es dann etwas „anderes“?).
„Return to Dark Tower“ ist ein Spiel für 1 bis 4 Helden(„heroes“: anM: nun ja, so heißen die Pöppel hier, und zuweilen auch anderswo), die epische Quests unternehmen, furchterregende Feinde(„fearsome foes“: anM: meine Enkeltochter hat Angst vor Ameisen) bekämpfen und gegen die drohende Dunkelheit des Titelturms ihren Mut auf die Probe stellen(„test their mettle“: anM: Ich habe in diesem Spiel Runde für Runde lediglich Kampfkräfte für meine Figur gesammelt und sie in geeignete Momenten mit den entsprechenden Eigenschaften von Plastik-Gegnern verglichen. Glücklicherweise fast immer zu meinen Gunsten). Jetzt mit kooperativem und kompetitivem Spiel. Entworfen von Rob Daviau und Isaac Childres – Designern der beiden bestbewerteten Spiele aller Zeiten bei Board Game Geek („highest rated games of all time“: anM: Spricht das jetzt für die Urteilsfähigkeit von BGG? Oder für deren Geschmack?) – zusammen mit Noah Cohen, Brian Neff und Justin D. Jacobson, bieten die optimierten Regeln („streamlined“: anM: Wer hat denn vorher die non- streamlined Regeln veröffentlicht?) den Spielern schwierige Entscheidungen darüber, wann sie weiterkommen wollen ihr Ziel zu erreichen, Ressourcen zu sammeln, mit Bedrohungen fertig zu werden oder aufzusteigen („difficult choices“: anM: Da gab es nicht viel zu entscheiden, schon gar nicht schwierig; die Spielerentscheidungen ergeben sich mehr oder weniger zwangsläufig aus den wechselnden Situationen heraus).
Jeder Spieler kontrolliert einen einzigartigen Helden(„unique“: anM: Mein Gott, muss denn ein simples „unterschiedlich“ gleich als einmaliges „einzigartig“ apostrophiert werden) …
Wählen Sie in der App virtuelle “Karten” aus dem einzigartigen Deck jedes Feindes (anM: schon wieder „unique“. Mir reicht es jetzt mit den Superlativen.)
‘Return to Dark Tower‘ stellt ständig neue Herausforderungen. Der Gegner innerhalb des Turms, der Plan, auf den Turm zuzugreifen, und die Gruppe von Feinden, denen Sie gegenüberstehen, können in Tausenden von Kombinationen gemischt und kombiniert werden.“
Moritz hatte mit seiner Familie und wohl auch im Alleingang schon zig dieser Kombinationen durchexerziert, bis er uns jetzt eine weitere davon vorsetzte. Mit absoluter Kompetenz konnte er die App bedienen, ihre Äußerungen verstehen und das Spiel leiten. Bravo! Natürlich kannte er auch als einziger von uns die Fallen, in die wir hätten fallen können, wenn wir von ihm nicht so umsichtig geführt worden wären.
Das ist ja zugleich auch die Crux von solchen kooperativen Spielen: einer spielt und die anderen vertrauen und folgen ihm. Blind am besten. Die vier Köche, die sich hier um den Brei bemüht haben, waren nicht besser als der eine Chefkoch. Es waren keine vier Denker mit Gehirnschmalz gefordert, um hinter die Geheimnisse eines gemeinsamen Problems zu gelangen, sondern lediglich drei Handlanger, die Figuren bewegen und Ressourcen aufnehmen bzw. ausgeben sollten.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (ich hatte gedacht, dass der Turm mehr kann und dass die App mehr bringt), Günther: 8 (keine echten „WPG-Punkte“, sondern eher Nostalgie-Punkte), Moritz: 7 (der Turm ist super gemacht), Walter: 6 (wenn ich mehr Phantasie hätte, mehr Freizeit und mehr Lust an technischem Kinderspielzeug, könnte ich mir – vielleicht – noch eine weitere Solo-Partie vorstellen. Glücklicherweise macht am Westpark ja schon das Zusehen Freude.)
2. “Druids”
Kartenspiele gibt es wie Sand am Meer. Stichkartenspiele ebenfalls: Es gibt verschiedenen Kartenfarben und Kartenwerte und Kartenanzahl; es gibt Trümpfe oder auch keine, man muss Farbe bedienen oder auch nicht, man kann mit den meisten oder mit den wenigsten Stichen gewinnen, mit den Augen, die man dabei kassiert und mit Sonderkombinationen; man bekommt Prämien, wenn man genau oder mindestens so viele Stiche macht, wie angesagt. Und was dergleichen noch so denkbar ist.
„Druids“ ist nun ein Stichkartenspiel aus 60 Karten in 5 Farben mit den Werten von 1 bis 12 plus 5 Sonderkarten. Zu einem Durchgang erhält jeder Mitspieler 14 Karten auf die Hand, die restlichen Karten werden beiseite gelegt. Es gibt keine Trumpf-Farbe, die höchste Karte in der ausgespielten Farbe macht jeweils den Stich.
Die verschiedenen Farben in jedem Stich werden jeweils der Größe nach sortiert (niedrigste nach oben) und danach in den Stichbesitz eines Spielers übereinandergelegt. Am Ende eines Durchgangs zählt für jeden Spieler die Summe der Werte in den obersten Karten jeder Farbe als Pluspunkte.
Besonderheit: Jeder Spieler darf höchstens 4 der 5 Kartenfarben in seinem Stichbesitz haben. Hat er nach einem gewonnenen Stich von allen 5 Farben mindestens eine Karte vor sich liegen, so ist ein Durchgang sofort beendet und der entsprechende Spieler enthält Minuspunkte.
Die 5 Sonderkarten sind einmal die Karte, die den Startspieler kennzeichnet und vier Karten, die als Joker (ohne Stichpotential) jederzeit zugegeben werden können. Zwei Karten davon zwingen der Spieler, der den Stich gemacht hat, die Farbe mit dem höchsten Minimalwert aus seinem Stichbesitz abzuwerfen.
Der Spielwitz besteht also darin, a) Stiche zu gewinnen, in denen die Minimalwerte der verschiedenen Farben möglichst hoch sind. b) Wenn man bereits hohe Minimalwerte ausliegen hat, Stiche mit niedrigeren Minimalwerten zu vermeiden. c) Niedrige Karten einer Farbe in Stiche zuzugeben, die ein Gegner macht. d) Hohe Karten einer Farbe in Stichen der Gegner loszuwerden, falls von dieser Farbe bereits niedrige Minimalwerte enthalten sind. e) Die fünfte Kartenfarbe zu vermeiden.
Wie man dazu im Detail vorgeht, ist uns nach dem ersten Kennenlernen noch nicht klar. In jedem Fall ist die Schadenfreude größer als die Freude. Wir haben gelacht.
WPG-Wertung: Aaron: 6, Günther: 6, Moritz: 6 (als Stichkartenspiel ist es originell), Walter: 7 (auch wenn es von uns noch nicht beherrscht wird, so ist es doch eine Herausforderung.)
Wenn ein amerikanischer Autor / Verlag sein Spiel in Mecklenburg ansiedelt und dann die Eingeborenen in Lederhosen herumhopsen und Maibäume aufstellen lässt, bekommt er dann von der Kritik Punkt-Abzüge? Das mag jeder halten wie er will, uns ist echtes oder falsches Flavor ohnehin schietegaal? (To whom it may concern.)
1. “Manitoba”
Wo auch immer. Auf einer gegebenen, in Hexagons aus 5 verschiedenen Farben aufgeteilten Manitoba-Fläche sind 5 Ressourcen (Beeren, Bisons, Pferde, Kanus und Adlerfedern) in genau diesen Farben abgelegt, pro Feld 1 Ressource. Dorthin platziert im Laufe des Spiels jeder Spieler ein paar wenige seiner „Crees“ (Pöppel), sammelt das jeweils auf seinem Standhexagon lagernde Gut ein und lagert es in seinem Beeren-, Bison-, Pferde- oder Kanus-Stadl. Adlerfedern sind Jocker.
Ein Spieler darf mit seinem Cree auch erst noch einen Schritt zur Seite (bzw. vorwärts, rückwärts) tun, bevor er das dort vorhandene Gut aufliest. Das erspart neu einzusetzende Crees, und diese sind eine rare Manpower. Ist die nähere Umgebung allerdings bereits abgegrast – und unter Mithilfe der Mitspieler geschieht das sehr schnell – dann bleibt einem nichts anderes übrig als einen seiner Crees aus seinem Dorfplatz neu einzusetzen – oder ganz auf die entsprechende Einnahme zu verzichten.
In – wenige Schritte – voraus erkennbaren Runden wird der Besitz eines jeden Spieler in einem seiner Stadl honoriert (und anschließend weggeräumt). Dabei werden die gesammelten Quanten an Beeren, Bisons, Pferden oder Kanus nach unorthodox skalierten Maßstäben honoriert.
Ein Spieler darf auf diese Honorierung auch verzichten, um sein gesammeltes Gut erst in einer späteren Runde werten zu lassen, weil er noch ein paar weitere Beeren, Bisons … dazu ernten möchte, und damit die Bereiche von überproportional steigender Skalierung ausnutzen kann.
Nicht alle diese Züge sind a priori erlaubt, manche muss man sich durch Emporsteigen auf den vier Pfaden des „Visionsplanes“ erst erwerben.
Das Bemerkenswerteste (im positiven Sinne) des Spiels ist der Zug-Mechanismus. Es gibt ein „Totem“ bestehend auf 5 übereinander gestapelten Scheiben in genau den 5 Farben der Ressourcen. Der aktive Spieler wählt beliebig die Scheibe mit der Farbe, auf deren korrespondierenden Manitoba-Hexagon er einen seiner Crees ernten lassen will. Er hebt dann diese Scheibe und alle darüber liegenden Scheiben vom Totem ab und legt sie in einen temporären Bereich. Nachdem er seinen Zug ausgeführt hat, dürfen alle Mitspieler eine eigene Sekundär-Aktion basierend auf einer beliebigen Scheibe im temporären Bereich ausführen.
Natürlich liegt es im heimlichen Bestreben eines Spielers, so wenige Scheiben wie möglich vom Totem abzuheben, möglichst nur die oberste Scheibe, um damit den Aktionsradius seiner Mitspieler zu begrenzen, u.U. vielleicht sogar auf Null, wenn z.B. nur ein einziges Gut dieser Farbe in Manitoba vorhanden ist, und dieses vom aktiven Spieler selber kassiert wird. Aber ein wirklich wirksames Verfolgen diese Miesnickeligkeit lässt sich nur schwer realisieren, es liegt zu oft im Konflikt mit anderen, lukrativeren Zügen.
Moritz gewann mit nur genau 1 Punkt Vorsprung vor Günther und einem klaren Vorsprung vor Aaron und Walter – ein deutliches Zeichen für ein planbares Spiel, das in der Punkte-Vergabe Spiel auch nicht nach einem Gießkannenprinzip vorgeht.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (die Idee für den Zug-Mechanismus ist gut, auch wenn sie noch leichte Unschärfen besitzt; die Geschwindigkeit, mit der sich das Spiel spielt, wiegt seine Schwächen nicht auf; allein schon die Ressourcen-Knappheit ist ein unnötiges Glückselement), Günther: 6 (der „Visionsplan“ und ein paar weitere Spielelemente sind wenig relevant), Moritz: 7 (das Spiel ist nicht uninteressant, für mehr Punkte ist es allerdings nicht innovativ genug), Walter: 5 (rund mit Ecken, der (lendenlahme) Run auf die Punktausbeute ist ein rechtes „Gefrickel“ [Moritz-Terminologie]).
2. “Eine wunderbare Welt”
Wir sind weder in Mecklenburg-Vorpommern noch in Manitoba. Der Verlag schreibt schlicht: „Ihr lenkt die Geschicke eines expandierenden Imperiums. Entwickelt euch schneller und besser als eure Konkurrenten“! Uns am Westpark reicht das, nur Moritz vermisst etwas Thema, in dem er Phantasie und Emotionen auslassen kann.
Der Titel erinnert an „7 Wonders“, davon sind auch wesentliche Teile des Spielprinzips abgekupfert. Wir sammeln Produktionskarten, die Rohstoffe und Punkte liefern. und mit Rohstoffe erwerben wir weiterer Produktionskarten. Diese Karten können bei Bedarf auch als Rohstoff eingesetzt werden, bei “7 Wonders” entspricht das dem Verscherbeln zu Geld.
Es gibt das bekannte Karten-Drafting, anhand dessen wir uns aus einem Set von 7 Karten Stück für Stück heraussuchen, um daraus unser Imperium zu bauen. Und jeder Spieler bekommt wie bei „7 Wonders“ im Startaufbau eine individuelle Produktionskarte, die (auf der A-Seite) einem jeden Spieler schon sehr deutlich in die Schiene drückt, in der er sich entwickeln soll, wenn er Chancen auf den Sieg haben will.
Als Schienen sind 5 Kategorien gegeben, sie tragen die Namen Baumaterial, Energie, Wissen, Gold und Erkundung, aber mnemotechnisch sind sie sehr viel besser durch die zugehörigen Farben grau, schwarz, grün, gelb und blau identifiziert. Wir haben das Spiel gespielt, ohne auch nur einen einzigen Blick auf diese Kategorienamen zu werfen. Genauso wenig haben uns die Namen der Karten interessiert. Namen wie „Industriekomplex“, „Panzerdivision“ (für Energie!), Quantengenerator oder „König Salomos Minen“ zeigen auch keinerlei Auseinandersetzung mit Thema und Technik an, höchstenfalls dies, dass Autor/Verlag routiniert-mechanisch im Internet nach einigermaßen klingenden Begriffen gesucht haben. Das Spiel ist nicht von einem leidenschaftlichen Spieleautor erfunden worden, der eine Idee, einen Traum für die Spielergemeinde realisieren wollte, sondern von einem umsatzorientierten Unternehmer, der lediglich mit plagierend-adaptierten Elementen auf einen fahrenden Zug aufsprang, um dort sein kleines Geschäft zu erledigen.
Moritz gewann mit mehr als doppelt so vielen Punkten wie Günther als Zweiter. Er erreichte genau 100 Punkte und wurde damit nach dem Regelheft als „lebender Gott“ apostrophiert. Nichts gegen deinen tollen Sieg, lieber Moritz, nichts gegen dein zweifelsohne konsequentes, erfolgsorientiertes Vorgehen; aber du hast selber unverzüglich zugestanden, dass dich die Startaufstellung mehr oder weniger auf diese Schiene gedrückt hat. Die „Asiatische Förderation“, die a priori zwei gelbe Kaufkräfte besitzt, die in der Schlussabrechnung den Besitz von gelben Karten honoriert, ausgerechnet eine Kartenfarbe, von der auch noch die meisten Karten im Kartendeck sind – mehr als die anderen punkte-trächtigen Karten grün oder blau -, und deren intra-spezifische Produktion (also gelb für gelb) am höchsten von allen Farben ist, ist als – gekonnt gefahrene – gelbe Schiene nicht zu toppen. Es sei denn, die Mitspieler würden – die eigene Siegchance aufopfernd, oder kingmakerisch sich absprechend – dagegen arbeiten. Aber selbst unser Meister im Analysieren von Besitzstand und Ambitionen der Konkurrenz bekannte: „Die ausgewählten Karten der Mitspieler beobachten wird man wohl nicht. Da sind die fertigen und begonnenen Karten wichtiger …“
Ein Spiel, in dem Günther mit der halben Punktezahl an der zweiten Stelle landet, hat in Bezug auf Planbarkeit und Ausgewogenheit erhebliche Schwächen.
WPG-Wertung: Aaron:4 (die Hälfte der Punkte von „7 Wonders“, reines, abstraktes Farbensammeln; gegen Mitspieler zu spielen (wie in der grünen oder roten Strategie von „7 Wonders“) ist nicht gut praktizierbar), Günther: 8 (ein schnelles Spiel, schnell erklärt, es gibt viele Möglichkeiten zu verfolgen), Moritz: 8 (ein Spiel für die Gewinnpunkt-Maximierung, so etwas macht immer Spaß), Walter: 5 (zu abstrakt, zu zufällig, zu solitär, zu schweißtreibend und zu wenig spielerisch).
Wir besiedeln die unbevölkerte Region um den „Boonsee“. Wir urbanisieren die Landschafts-Hexagons, bringen Rinder ein, bauen Häuschen, Produktionsstätten und Siedlungen, ziehen Projektkarten und kaufen sie in unsere Auslage oder verscherbeln sie, um flüssiger zu werden, und wenn wir das lang genug, sehr repetitiv praktiziert haben, dann können wir auch mal ein Wertungsplättchen bezahlen und uns dafür die Erträge, die bei unseren sonstigen Aktionen sehr sparsam fließen, gleich in einer gewissen Potenz zuschwappen lassen.
Bemerkenswert aber nicht ganz neu ist das „Aktionstableau“, über das wir unsere Aktionen steuern. Hier liegen 7 Aktionsplättchen in Reih und Glied, von denen wir für unserem Zug jeweils eines auswählen dürfen und es danach wieder ganz unten in der Reihe einordnen. Je höher das Plättchen in der Reihe liegt, des höher ist ein „Bewegungsbonus“ für einen Marker in Richtung Spielende. Wenn wir das vom Vorgänger gerade soeben genutzte wieder abgelegte Plättchen nehmen, ist dieser Bonus ganz klein und müssen wir sogar noch einen Strafzins hinlegen.
Auf den Aktionsplättchen wird angegeben, ob wir Landschafts-Hexagons legen, Rinder einbringen, Produktionsstätten bauen, Häuschen oder Siedlungen upgraden und/oder Projektkarten ziehen und kaufen oder verscherbeln dürfen. Und nachdem wir das getan haben, dürfen auch unsere Mitspieler für UNSER Aktionsplättchen ein paar Aktionen ausführen.
Um Projektkarten zu kaufen, müssen wir (viel) Geld und (viele) Ressourcen hinblättern. Vier verschiedene Sorten von Ressourcen gibt es. Mittels unserer Produktionsstätten – von denen wir zu Spielbeginn nur eine haben – werden uns Ressourcen geschenkt, weitere zwei Ressourcen bringen uns unsere beiden Kanus ein, die wir beliebig zu den gewünschten Quellen bugsieren dürfen (nur das Rückwärtsfahren kostet Geld). Da die Projektkarten aber viel kosten, müssen wir trotz einer Hand voller Projektkarten ganz schön darben und leiden, bevor wir uns eine nach der anderen leisten können.
Und irgendwie, irgendwo bringt alles Siegpunkte ein.
Zwei Stunden erklärte Günther die Spielregeln, und hinterher wussten wir immer noch nicht alles, unabhängig davon, dass wir schon wieder vergessen hatten, was er uns in der ersten Stunde erklärt hatte. Zudem waren die 165 Projektkarten in ihren Voraussetzungen und Wirkungen immer noch ein großes unbekanntes Buch. Aaron fragte verzweifelt: „Und wo kriege ich jetzt die Männer her?“ und Günther konnte nur korrigierend rückfragen: „Meinst du die Frauen“?
Nach anderthalb Stunden hatten wir die Hälfte des Spiels absolviert. Das erste Viertel davon noch interessiert und forschend, was da auf uns zu kommen könnte, das zweite Viertel schon eher wie ein Goldhamster in einem sich nur ganz langsam drehenden Laufrad. Günther hatte schon gleich am Anfang versprochen, dass wir nach jedem Viertel abbrechen durften. Das erste Viertel hatte bereits gereicht, das zweite Viertel war unsere freiwillige Dreingabe an das Design, dann brachen wir ab. Aaron tröstete uns mit einer Text aus BGG: dort hat man dreieinhalb Stunden für die ersten beiden Viertel gebraucht, bevor man abgebrochen hatte. Wohlgemerkt, beides in einer Dreierrunde!
WPG-Wertung: Aaron: 4 (plus 1 Fleißpunkt; ich fühlte mich in meinen Aktionen ständig behindert, weil mir dies oder jenes fehlte oder nicht erlaubt was; Spielspaß für die mögliche Planung ist nicht gegeben; ich habe kein Gefühl dafür, ob es hier verschiedene Strategien gibt. Warum gibt es hier so viele Rädchen? Ist das ein Zeichen dafür, dass der Autor damit die Schwächen des Designs zukleistern musste?), Günther: 6 (ein komplexes, nicht schlechtes Aufbauspiel, bei dem man einiges hätte weglassen können [WS: müssen“), Walter: 5 (wir wursteln uns wieder durch das Regelwerk, ohne den Wald vor lauter Bäumen sehen zu können)
Es soll eine berühmte Romanreihe dazu geben (kenne ich leider nicht) und auch eine aktuelle Kinoverfilmung (kenne ich ebenfalls nicht, habe auch nicht nachgeschaut). Vor zwei Jahren kam auch schon eine (amerikanische?) Vorgängerversion des Spiels heraus, aber Corona hat ihm damals die SdJ-Lorbeeren vermasselt. Jetzt könnte es für diese Ehrung klappen, denn bis in die Auswahlliste der letzten Drei zum „Kennerspiel des Jahres“ hat es schon gereicht.
Ein gigantisches Räderwerk ist da zusammengebastelt. Hunderttausend verschiedene Ressourcen und Hilfsmittel gilt es zu erwerben (na ja, vielleicht sind es nur gut 6), 22 verschiedene Arbeitsplätze gibt es (vielleicht habe ich mich verzählt), um sich darüber diese Ressourcen zu beschaffen, und 91 „Imperium-Karten“ gibt es, die als Motor oder Treibstoff unsere Aktionen in Bewegung bringen. Am Anfang besitzt jeder Spieler 10 „leichte“ Stücke davon, muss sich hiervon aber durch geschicktes, gekonntes bzw. zufällig gebotenes Deck-Management eine potentere Sammlung anlegen, um später auch die süßeren Früchte des Spiels erreichen zu können. Diese Karten werden portionsweise wrap around durchgespielt.
Was gibt es alles an Ressourcen? Unter anderem:
„Spice“: man erhält es an verschiedenen Arbeitsplätzen, und man benötigt es, um bestimmte Arbeitsplätze belegen zu dürfen.
Wasser: man erhält es an verschiedenen Arbeitsplätzen, und man benötigt es, um bestimmte Arbeitsplätze belegen zu dürfen.
Geld: man erhält es an verschiedenen Arbeitsplätzen, und man benötigt es, um bestimmte Arbeitsplätze belegen zu dürfen.
Imperium-Karten: man zieht sie – wie schon gesagt – wrap around von seinem Deck, pro Runde 5 Stück, und erhält weitere an verschiedenen definierten Arbeitsplätzen. Man benötigt sie, a) um in der Auswahlphase spezifische Arbeitsplätze belegen zu dürfen und b) um in der Nach-Auswahlphase damit Zusatz-Kampfstärke zu erhalten und vor allem, um weitere Imperium-Karten zu kaufen.
Reguläre Truppen: man erhält sie an verschiedenen Arbeitsplätzen, und man benötigt sie, um damit in den pro Runde ausgeschriebenen Kampf zu ziehen.
Intrigen-Karten: man erhält sie an verschiedenen Arbeitsplätzen, und sie sind extrem hilfreich, den jeweiligen Rundenkampf – überraschend – zu gewinnen.
Um diese 6 Ressourcen (und ein paar mehr) einzeln mit 22 Arbeitsplätzen zu korrelieren, gibt es rein rechnerisch 132 Möglichkeiten. Da aber verschiedene Ressourcen an einen Arbeitsplatz gekoppelt sind und einige Ressourcen sogar mehrfach, gibt es eine Unzahl von Kombinationen, die man für ein gutes Spiel erkennen und im Auge behalten sollte. (Rosenberg, ick hör dir trapsen …). Gibt es hier eine beste Strategie? Diese auch noch korreliert mit den fünf oder mehr Imperium-Karten, die man jeweils auf der Hand hat? Moritz kennt sie, Günther ahnt sie, Aaron verfolgt sie, Walter versucht es erst gar nicht.
Wie schon angedeutet, gibt es außer der semi-friedlichen Konkurrenz um die besten Arbeitsplätze für Ressourcen, Positionen und Siegpunkte pro Runde auch einen semi-kriegerischen Kampf. Hieran beteiligt man sich mit seinen regulären Truppen (die danach alle ins Gras beißen), mit Hilfstruppen, die man über bestimmte Arbeitsplätze generiert, mittels zurückbehaltener Imperium-Karten und mittels Intrigen-Karten, die einem unversehens (unversehens vor allem für die Mitspieler) ein additives Truppen-Kontingent bescheren.
In jedem Kampf werden 3 Belohnungen (Siegpunkte und Ressourcen) ausgeschrieben. Die Mehrheiten entscheiden. Wer am meisten Kampfstärke eingebracht hat, erhält die wertvollste Gabe, der zweite erhält die zweitwertvollste Gabe usw.
Moritz beteiligte sich am häufigsten im Kampf und wurde schlussendlich – auch mit weiteren guten Spielzügen sowie ein bisschen Glück – Sieger. Walter beteiligte sich nur einmal ganz am Anfang im Kampf, verlor dabei alle seine regulären Truppen ohne damit bei den Mehrheiten punkten zu können (die via Imperium- und Intrigen-Karten gewonnenen zusätzliche Kampfstärken der Mitspieler wurden ihm einfach um die Ohren gehauen). Er verlor damit auch die Lust an weiteren Kämpfen, wurde mit seinem weiteren, wie gewohnt leicht orientierungslosen Arbeitereinsatz aber NICHT Letzter. Fazit: Kämpfe zu gewinnen, kann Vorteile bringen, muss aber nicht unbedingt sein; wichtiger ist es wohl, den expliziten Kampfhanseln den Sieg nicht zu allzu leicht zu machen. Und dazu ist es sicherlich keine schlechte Strategie, hier seine Mitspieler die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen: „Hannemann, geh du voran, du hast die größten Stiefel an“.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (wir haben 3 Stunden gespielt, nach 2 Stunden war das Spiel aber schon ausgelutscht, das Thema ist rein abstrakt, könnte auch heißen: „Wir pinkeln in den Swimmingpool“), Günther: 5 (Die Intrige ist zu mächtig, hier gibt es zu viele Manipulationsmöglichkeiten; dagegen sind die Möglichkeiten für ein effizientes Deckbuilding eher zu gering) Moritz: 9 (thematisch sehr gut umgesetzt, spannend, Material und Regel sind sehr gut strukturiert), Walter: 5 (von der Konstruktion her 8, aber irgendwie/irgendwo kennt man das alles doch schon; für ein Planungsspiel gibt zu viele Zufallseinflüsse, schon allein die zufällige Reihenfolge der gezogenen Imperium-Karten schiebt da ein Riegel vor; soll das jetzt alles nur ein gewaltiges Herumwurstel-Spiel sein, in dem jeder Spieler sein Glück auf seiner eigenen Schiene versuchen und finden kann? Die deutsche Spielergemeinde wird es wissen).
2. “Moon Adventure”
Klingt wie „Tiefseeabenteuer“, ist auch vom gleichen Autor und vom gleichen Verlag, besitzt ein ganz ähnliches Material und einen ähnlichen Aufbau, ist aber ganz anders.
Auf dem Tisch wird eine freie Strecke aus Weg-Plättchen mit verdeckt darunter liegenden Schätzen (oder Nieten!) aufgebaut. Per Würfel bewegen wir uns hinab, nehmen Schätze auf, kehren wieder um, und hoffen, rechtzeitig wieder an den Anfang zurück zu gelangen, bevor uns die Luft ausgeht.
Bei „Tiefseeabenteuer“ spielt jeder für sich; jeder geht sein eigenes Risiko ein, wie tief er sich allein in die See hinabwagt, um noch lebend, aber reichlich mit Schätzen beladen, wieder auftauchen zu können. Die Mitspieler können einem einsamen Hasardeur ein bisschen an den Wagen pinkeln, indem sie möglichst viel vom gemeinsamen Sauerstoff-Vorrat selber verbrauchen.
Im „Moon Adventure“ spielen wir kooperativ. Die gemeinsame Ausbeute an Schätzen entscheidet am Ende, ob wir alle gewonnen haben oder nicht. Alle müssen wir aber lebend wieder auftauchen, sonst haben wir ebenfalls verloren. Wir müssen gemeinsam planen, an welchen Stellen der Strecke wir Sauerstoff-Generatoren einbauen, um auf Hin- oder Rückweg dort die Vorräte wieder aufzufüllen. Wir müssen einem Spieler zu Hilfe kommen und ihm von unseren Sauerstoff-Vorräten etwas abgeben, wenn er seine letzte Pulle für das gemeinsame Ziel der Schatzaufnahme, für den Generatorbau oder ähnliches ausgegeben hat.
Während „Tiefseeabenteuer“ ein gelungenes Konkurrenzspiel nach dem Can’t Stop-Mechanismus ist, ist „Moon Adventure“ ein gelungenes gemeinsames Knobelspiel, bei dem a priori- und heuristische Planung zusammenspielen. Und am Ende entscheidet der Zufall, ob die mitgebrachten Schätze gut und gültig, oder nur fauler Nietenzauber waren.
Immerhin bemerkenswert, dass man nach fast den gleichen Konstruktionsprinzipien so unterschiedliche Spiel-Charaktere herstellen kann.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (2 Punkte weniger als „Tiefseeabenteuer), Günther: 6 (die Kooperation funktioniert; das Knobeln, um aus den schwierigen Situation herauszukommen, hat richtig begeistert), Moritz: 7 (interessante Knobelei), Walter: 5 (richtig: Knobelei, aber wie lange bleibt der Spaß erhalten, mit den begrenzen Mitteln die richtigen/wichtigen Züge zu tun?).
Wir Westpark-Gamer sind keineswegs ein eingefleischter Männerverein. Wenn wir in unseren Archiven graben, so finden wir unter den bisher 35 Mitspielern immerhin 9 Mitspielerinnen. Aber irgendwie machen sie sich rarer als diese Quote vermuten lässt. Bei einigen haben die Mutterpflichten brutal zugeschlagen, eine schreibt am laufenden Band Romane, eine begleitet den besten aller Ehemänner ständig zu seinen Ausgrabungen von alten Mumien, eine fängt Ganoven – nicht nur jetzt zur Zeit des Elmauer G7 – und eine andere fängt Grillen.
Heute hat uns mal wieder Andrea beehrt. Vor fast drei Jahren, am 27.11.2019 war sie das letzte Mal bei uns; aber sie zählt zur ganz alten (jungen) und eifrigen Garde: bereits vor 24 Jahren hat sie uns zum ersten Mal beehrt und damals mit „Die Macher“ gleich einen ganz dicken Brocken vorgesetzt bekommen.
Heute gab es leichtere Kost.
1. “Top Ten”
Ein Favorit für den Titel „Familien-Spiel des Jahres 2022“. Letzte Woche zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch. Wir waren damals nur zu viert, und Günther hatte bemängelt, dass die kooperative Lösung der gestellten Aufgabe wohl erst ab 6 Mitspielern eine akzeptable Herausforderung sein wird. Aber brauchen wir überhaupt eine Herausforderung, wenn wir uns schon an der Phantasie beim Erfinden von Begriffen zu gegebenen Kriterien und beim Zuordnen ihrer Relevanz erfreuen und sogar belustigen können?
Heute waren wir zu fünf, also schon fast an Günthers Minimumzahl. Den ersten Durchgang haben wir verloren. Vielleicht hat Walters „Stichel“ dazu beigetragen, der als Mitbringsel bei einem Zurück-Gebiemt-Werden in ein prähistorisches Zeitalter wohl nicht von mittlerem Nutzen, sondern eher von überhaupt keinem Nutzen ist. Genauso wenig wie Aarons Kugelschreiber.
Im zweiten Durchgang war Moritz zweimal in der Lage, alle fünf Antworten fehlerfrei in die richtige Reihenfolge zu bringen, und auch Andrea schaffte dies in ihrem Durchgang als Kapitän. Grandioser kooperativer Sieg! Ich habe eine größere Herausforderung nicht vermisst, auch wenn (oder weil) es mir bei „Top Ten“ überhaupt nicht darauf ankommt, gegen das Spiel zu gewinnen.
WPG-Wertung: Keine Änderung für ein 6,8 Punkte Spiel.
2. “They Live: Assault on Cable 54” (Auf gut Deutsch: „Sie leben: Angriff bei Kabel 54“. Oder so ähnlich.)
Moritz hatte das Spiel mitgebracht, einen nagelneuen Kick-Starter, der als Adaption eines von ihm geschätzten Kinofilmes entwickelt worden war. Der Film erschien bereits 1988. Außer Andrea und Moritz kannte ihn keiner von uns, wahrscheinlich auch kaum einer unserer Leser. Da darf man doch mal im Internet nachschauen, was dazu berichtet wird.
Ein Stadt wird – ohne dass es die „normalen“ Bürger wahrhaben – von einer Bande unkenntlicher Invasoren heimgesucht, die an allen Ecken und Ende lauter böse Sachen treiben: Überfälle, Schlägereien, Menschenraub, Vergewaltigung und was man sich noch alles Verbrecherisches ausdenken kann. Einer der Gutmenschen stößt zufällig auf mehrere Kartons mit „Sonnenbrillen“, und als er eine davon aufsetzt, entdeckt er den ganzen Horror und seinen Verursacher: lauter Monster mit hässlichen Fratzen. Er berichtet diese Erkenntnis seinen Freunden, aber die wenigsten von ihnen sind bereit, ihm das zu glauben. Die meisten weigern sich auch strikt, überhaupt durch die Brille zu schauen.
Gesellschaftskritik: Viele Menschen ähneln diesem Profil. Ihr Urteil über die Welt steht fest. Eine neue Sichtweise wird erst gar nicht zugelassen. Sie sind also die perfekten Opfer für die Lügen, die sie umgeben. Doch alles einfach hinzunehmen ist der falsche Weg. Am Ende gibt der Film eine Warnung ab: Man sieht eine Frau, die Spaß im Bett mit einem der Monster hat. Auch wenn die Wahrheit manchmal offensichtlich ist, lassen sich viele weiter von der Elite bumsen und haben noch Freude daran.
Warum der vielen Worte? Weil zu den Spielregeln von „They Live“, auch wenn sie über 20 Seiten gehen, nicht viel zu sagen ist. Würfeln, um besser zu werden, würfeln, um Hilfsmittel zu erwerben, würfen, um den Endkampf zu gewinnen.
Wir Spieler werden verdeckt eingeteilt in „Normalos“ und „Invasoren“, tun aber alle das Gleiche: Wir wandern – jeder nach einem individuellen Gesetzbuch – durch die Stationen der Stadt und treffen dabei auf böse Szenen, die durch die unsichtbaren Invasoren angestellt wurden. Mit eleganten Kampfwürfeln mischen wir uns in das Geschehen ein und werden dabei je nach Kampfausgang stärker oder schwächer. Als Sieger bekommen wir in der Regel auch noch gute oder bösen Accessoires, von denen wir die guten im eleusischen Speicher für den Endkampf deponieren sollen. Auch hier tun die Invasoren das Gleiche, nur sind sie eher bestrebt, die bösen Accessoires zu deponieren.
Aber was ist schon gut, und was ist schlecht? Jetzt kommen die Sonnenbrillen ins Spiel. Bei unserem Umherschweifen durch die Stadt erhalten wir immer mal wieder eine Sonnenbrille zugeteilt, und wenn wir sie aufsetzen, erkennen wir, welche Accessoires gut (oder böse) sind, und wenn wir auf dem gleichen Feld wie ein Mitspieler stehen und erfolgreich gegen ihn gekämpft haben, erkennen wir mittels dieser Sonnenbrille auch, ob er selber gut ist oder böse.
Zum Endkampf begeben wir uns dann alle auf ein definiertes Feld und führen mit unseren eleganten Kampfwürfeln und den gespeicherten Accessoires einen multiplen eleganten Würfelkampf gegen gleich eine ganze Reihe von Invasoren. Schlussendlich haben wir Normalos alle gewonnen. Oder alle verloren. Mit den Invasoren ist es genau umgekehrt.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (das Thema sagt mir leider gar nichts), Andrea: 6 (der Film war charmant, und das Spiel hat ihn liebevoll umgesetzt), Günther: 4 (das Ganze ist nur ein narratives Thema, nichts für mich), Moritz: 6 (spielerisch nicht ganz überzeugend, aber das Thema stimmt), Walter: 4 (bei dem gewaltigen Material ist das Spiel für 56 Euro ganz schön billig, aber im Grunde ist es mehr oder weniger nur ein reines Würfelspiel).
Die Liste der Nominierten für die Wahl zum “Spiel des Jahres 2022” ist erschienen, und siehe da: Günther hatte sie alle bereits in seinem Besitz. Gratulation! Das zeigt doch ein feines Gespür für die Linie der Jury und für den aktuellen Trend der Spieleentwicklung. Vielleicht sogar für das, was ein gutes Spiel ausmacht. Wir werden sehen. Heute hat er gleich alle drei Nominierten mitgebracht.
1. “Scout”
Wir sind Zirkusdirektoren. Haha! Wir könnten auch verfeindete Banden aus der Westside-Story sein. (Apropos „Westside“: Wäre das nicht ein geiler Spiele-Titel, und lägen damit die Spielabläufe nicht geradezu auf der Hand?) Jedenfalls wollen wir zu den Zirkusdirektoren kein Wort mehr verlieren; genau soviel tragen sie nämlich thematisch zu den „Scout“s bei.
Jeder Spieler erhält eine Kartenhand bestehend aus 11 (oder 12) Karten, auf denen jeweils zwei verschiedene Zahlen zwischen 1 und 10 übereinander abgebildet sind. Die Kartenhand darf nicht mehr gemischt oder sortiert werden; der Spieler darf lediglich zu Beginn des Spieles entscheiden, ob er von seiner Kartenhand die obere oder die untere Zahl verwenden will. Danach besteht jede Kartenhand aus Abschnitten von zwei oder mehr zusammenpassenden Karten (gleichartig oder lückenlos aufsteigend) und leider auch aus ein paar Einzelkarten.
Der Startspieler legt eine beliebige Einzelkarte oder einen beliebigen Abschnitt passender Karten in die Tischmitte. Von nun an geht es reihum im Uhrzeigersinn weiter: Jeder Spieler darf einen beliebigen Ausschnitt bzw. eine Einzelkarte aus seiner Kartenhand in die Tischmitte auslegen – sofern seine ausspielbare(n) Karte(n) höherwertig sind (ist) als das, was gerade auf dem Tisch liegt – oder er muss eine der (Rand-)Karten vom Tisch auf seine Hand nehmen.
Die aufgenommene Karte darf ein Spieler an einer beliebigen Stelle in seiner Kartenhand einordnen. Das ist der eigentliche Clou des Spiels: durch geschickte Wahl von passenden Karten vom Tisch – auch wenn man vielleicht einen Kartenausschnitt auslegen könnte – kann man seine Hand aufwerten, Einzelkarten zu Sequenzen verbinden und Sequenzen verlängern, so dass man möglicherweise seine letzten Karten alle auf einmal auf den Tisch legen und damit eine Spielrunde siegreich beenden kann.
Gewonnen hat, wer im Laufe des Spiels die meisten Kartenauslagen toppen konnte, von wem die meisten Karten seiner Tischauslage aufgenommen wurden und wer schlussendlich noch die wenigsten Karten auf der Hand hat. Alles zusammen als Summe und Differenz.
„Scout“ spielt sich wie „Mau Mau“ – jeder legt reihum Karten ab, bis einer keine mehr hat.
Es spielt sich wie „Rommee“ – jeder nimmt reihum eine Karte auf seine Hand oder legt passende Kartenkombinationen ab.
Es spielt sich wie „Tycho“ – die spielbaren Karten müssen immer (gleich oder) höher sein, als das, was bereits auf dem Tisch liegt.
Es spielt sich wie „AbluXXen“ – man profitiert erheblich davon, wenn man bessere Kombinationen ablegen kann als der Vorgänger, und Kartenpflege für den großen Coup am Ende ist ein notwendiges, ständig zu beachtendes Ziel für den Sieg.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (genau so viel wie „AbluXXen“), Günther: 8 (seit langer Zeit mal wieder ein überdurchschnittliches Kartenspiel), Moritz: 5 (3 Punkte weniger als „Abluxxen“), Walter: 6 (2 Punkte weniger als „Abluxxen“; die Freiheitsgrade für jeden Spielzug sind gegenüber „AbluXXen“ erheblich eingeschränkt und das fröhliche Mitspielerchaos beim gegenseitigen Abluchsen von Kartenauslagen ist nicht gegeben).
2. “Cascadia”
Cascadia ist eine Region im pazifischen Nordwesten des nordamerikanischen Kontinents. Hier leben offensichtlich Tiere: Bären, Hirsche, Füchse, Lachse und Bussarde. Jeder Spieler hat die Aufgabe, für sich eine Cascadia-Region aus Landschafts-Hexaplättchen aufzubauen und dort die verschiedenen Tiere in den besthonorierten Konfigurationen anzusiedeln. Bären werden nur honoriert, wenn ein Paar davon beieinander ist und sich innerhalb ihrer Hexaumgebung kein weiterer Bär befindet. Hirsche müssen in Gänsemarsch-Linien angeordnet werden, Füchse bringen umso mehr Punkte, je mehr fremde Tierarten um sie herum angesiedelt sind, Lachs wollen insgesamt in einer zusammenhängenden Welle positioniert werden und Bussarde mögen keinen einzigen weiteren Bussard in ihrer Umgebung.
Gespielt wird, indem reihum jeder Spieler aus 4 paarweise offen ausliegenden Gruppen von Landschafts-Hexagonplättchen + Tier sich eine Gruppe auswählt und in seine Landschaft einbaut. Beschwernis: Tiere dürfen nur auf für sie vorgesehene Hexaplättchen gelegt werden. Zuweilen hat man keinen Platz für ein gerade angebotenes Bärenweibchen, zuweilen (meist) gibt es kein Bärenweibchen für ein freies Bären-Hexaplättchen neben dem Männchen.
Nebenambition: die Hexaplättchen weisen insgesamt 5 verschiedene Landschaftstypen auf. Am Ende wird bei jedem Spieler von jedem Landschaftstyp das größte zusammenhängende Gebiet gewertet. Es gilt also bei der Auswahl der Gruppe Hexagon/Tierart nicht allein darum, für jede Tierart, mit der man punkten will, ein freies, richtig platzierbares Hexaplättchen zu bekommen bzw. die richtig platzierten Hexaplättchen mit der entsprechenden Tierart zu bevölkern, man sollte auch darauf achten, dass sich das jeweils zu erwerbende Hexagon zu einer kompakten Region anfügen lässt. Quartett hoch drei.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (wohlwollend! „Gott sei Dank ist das Spiel zu Ende“, Spannungsbogen gleich Null, solitär, es kommt mir vor wie ein 1000 teiliges Puzzle einer Mondlandschaft [WS: Habe ich das richtig notiert?]), Günther: 6 (keine Interaktion, jeder knobelt vor sich hin, vielleicht für eine Spieler-Familie geeignet, aber nichts für mich), Moritz: 7 (ein bisschen langweilig, hat mir aber trotzdem Spaß gemacht, es gibt einiges zu planen), Walter: 5 (Die Punktezählerei am Ende ist reziprok zur Komplexität des Spiels).
3. “Top Ten”
Ein kooperatives Partyspielchen.
Reihum ist jeweils ein Spieler der „Kapitän“ und erhält ein Kärtchen mit einer Text-Aufgabe, zum Beispiel: „Sie lebten glücklich und zufrieden, bis … Beende die Geschichte von »überhaupt nicht wie im Märchen« bis »wahrlich wunderschön«!“. Zugleich erhält jeder Spieler, einschließlich dem Kapitän, eine Zahlenkarte von 1 bis 10.
Der Kapitän liest die Aufgabe vor, und jeder Mitspieler muss eine Antwort dazu geben, und zwar von der Art, dass ihr Inhalt der ihm zugewiesenen Zahl auf der Skala von 1 bis 10 zwischen den vorgegebenen Extremen (hier von »überhaupt nicht wie im Märchen« bis »wahrlich wunderschön«) entspricht. Ein Spieler, der die 1 bekommen hat, wird vielleicht sagen: »Ein alter Esel fraß die ganze, von ihm so heiß geliebte Pflanze«, ein Spieler mit der 10 kann vielleicht sagen »bis sie beide ins Paradies aufgenommen wurden«. Doch was sagt man, wenn man z.B. eine 5 oder 6 zugewiesen bekommen hat?
Die Aufgabe des Kapitäns ist es nun, die gegebenen Antworten entsprechend der Skala der Aufgabenstellung zu ordnen. Eine richtige Reihenfolge wird abgehakt, eine falsche Reihenfolge liefert für alle zusammen Minuspunkte.
Moritz schaffte es auf Anhieb, die Begriffe „Schnorchel“, „Badehose“, „Bibel“, „Laptop“, „Kartenspiel“ „Dicke Jacke“ „Skischuhe“ und „Ski“, unter der Prämisse: „Was nimmst du mit in den Skiurlaub? Von »wenig hilfreich« bis »super nützlich«“, fehlerfrei in die richtige Reihenfolge zu bringen. (Wir haben die Aufgabenstellung in unserer Vierer-Runde erschwert, indem jedem Spieler 2 Zahlen zugewiesen wurden und er entsprechend 2 Antworten geben musste.)
Walter versagte schon bei der Einordnung von „Tatort“ (Rückfrage: „in München“?) in die Beliebtheitsskala von Fernsehsendungen. Ist „Tatort“ jetzt beliebt, weil es jeden Sonntag in der ARD gezeigt wird, oder ist es durchschnittlich, weil in allen deutschen Fernsehprogrammen ununterbrochen Krimis gezeigt werden?
Seine Fehleinschätzung wurde ihm dann sogar auch noch um die Ohren gehauen. Eine latente Gefahr des Spiels, wenn einzelne ehrgeizige Spieler sich nicht nur an der Phantasie und Kreativität ihrer Mitspieler erfreuen können, sondern das Spiel auch noch unbedingt gemeinsam gewinnen wollen, d.h. weniger Minuspunkte einstreichen wollen, als insgesamt Text-Aufgaben zu lösen sind.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (wenn ich Party-Spiele mögen würde, dann sogar 8), Günther: 6 (bis 7, als Partyspiel ab 6 Personen, für 4 Personen etwas zu einfach zu lösen, daher als SdJ (Familienspiel) weniger geeignet), Moritz: 7 (Kommunikations-Vergnügen), Walter: 7 (ich würde es gut mit meiner Schwester und ihrer Familie spielen können).
4. “My Gold Mine”
Zum Abschluss des Abends wurde noch ein Absacker benötigt. Günther konnte noch ein viertes neues Spiel am Westpark auflegen. Sogar eines, das ebenfalls in der Auswahlliste zum SdJ aufgeführt wurde: „My Gold Mine“.
Wir befinden uns in einer Goldmine, 4 Felder vor dem Ausgang; 4 Felder hinter uns befindet sich ein Drachen, der uns fressen will.
Als Zugoption können wir an Ort und Stelle bleiben und vom offenen Goldstapel eine Karte (= ein Siegpunkt) an uns nehmen oder wir können vom verdeckten Exit-Stapel eine Karte aufdecken und entsprechend der Aufschrift ein oder zwei Schritte in Richtung Ausgang gehen.
Auf dem Goldstapel gibt es auch Karten mit 2 Siegpunkten auf einmal; dafür muss man aber einen Schritt zurück in Richtung Drachen gehen. Aber 2 Siegpunkte + 1 Schritt zurück und als nächstes 1 Exit-Karten mit 1 Schritt vorwärts ist arithmetisch absolut gleichwertig wie stehen bleiben und 2 mal je einen Siegpunkt nehmen.
Und was ist mit dem Drachen? Richtig: im Goldstapel gibt es auch Drachenkarten. Wenn eine solche nach oben kommt, geht der Drache einen Schritt nach vorne auf uns zu. Kommt darauf gleich wieder eine Drachenkarte zum Vorschein, so geht der Drache noch einen Schritt weiter. Kommt er dabei auf ein Feld eines Mitspielers, der so leichtsinnig oder so goldgierig war, nur 2 Feld zwischen sich und dem Drachen zu lassen, so wird dieser gefressen; zumindest verliert er jeglichen Goldbesitz, den er bis dahin angesammelt hat. (Da das Spiel aber über mehrere Runden geht, kann man als Gefressener immer noch auf die Zukunft setzen.)
Man spürt die Kritik am einfältigen Design, aber Günther schmetterte jedes Argument mit der Bemerkung ab: „Es ist doch ein Gaudi-Spiel“. Es ist eine „Gaudi“, dass die Siegpunkte mehr oder weniger exakt gleichförmig in Einzelschritten vergeben werden. Es ist eine „Gaudi“, dass sich das Risiko einer Drachenannäherung absolut nicht lohnt, sondern dass man exakt genauso viel abstaubt, ob man erst Siegpunkte schürft und dann vorwärts geht oder umgekehrt. Es ist auch eine Gaudi, dass es Exit-Karten gibt, mit denen man den Platz mit einem beliebigen Mitspieler tauschen kann. Claro, Gaudi hat mit Plan, Logik und Gerechtigkeit im Spieldesign absolut nichts zu tun.
Gaudi wäre eine Exit-Karten von dem Typ gewesen: „Du darfst von einem beliebigen Mitspieler bis zu 5 Siegpunkte klauen“ oder „Du hast gewonnen!“. Aber so viel Gaudi wollten die fünfhundert Spielautoren auch wieder nicht einbauen.
Günther verteidigte auch vehement den „Can’t stop“-Charakter des Spiels. Aaron und Walter fanden gar nichts davon: alles gleichförmig, alles linear, keine Extra-Belohnung für „Extra-Risiko“, nichts von einem Stop-Mechanismus. Aber vielleicht ist uns dieser Charakter vor lauter Gaudi-Lachen unbemerkt im Halse stecken geblieben.
WPG-Wertung: Aaron: 3, Günther: 6, Moritz: 6, Walter: 2 (im doppelten Sinn “Nichts” Neues unter der Sonne).
KOSMOS seine “Rote Kathedrale” war in ihrem 460 Jahre langen Leben noch nie “rot”, genauso wenig wie die “Rote Kapelle” vor 80 Jahren, die auch keineswegs ein Ableger von ihr war. Aber “rot” ist außer einer hübschen Farbe halt auch noch ein Schlag-, Reiz-, Propaganda- und Werbe-Wort, das hier im Spieltitel absatzfördernd eingesetzt wurde.
Das Spielgeschehen dreht sich um die wunderschöne Basilius-Kathedrale am Roten (sic!) Platz in Moskau, und wir arbeiten als fleißige Handwerker daran, das Bauwerk fertig zu stellen. Stockwerk für Stockwerk ziehen wir in fünf Baulinien das Gebäude nach oben.
Dazu müssen wir Rohstoffe und – für die Verzierungen – Gold und Edelsteine besorgen. Der Mechanismus dafür ist die bemerkenswerteste Idee des Spieles. Ein Markt-Rondell in der Mitte des Spielbretts besteht aus 8 Sektoren; in jedem dieser Sektoren gibt es kostenlos einen bestimmten Rohstoff, wir müssen ihn uns nur erwürfeln. Dazu liegen um das Rondell herum 5 Hexa-Würfel mit aktuell wohldefinierten Augenzahlen, die angeben, wie weit wir mit dem jeweiligen Würfel ziehen können. Wir dürfen uns einen beliebigen davon aussuchen und mit ihm vorwärts ziehen. Die auf dem gelandeten Markt-Segment angebotene Rohstoffart dürfen wir uns für nix und wieder nix in unser Lager übernehmen.
Das Quantum an Rohstoffen wird durch die Anzahl von Würfeln bestimmt, die nach unserem Zug am entsprechenden Segment liegen, im Minimum nur der eine, mit dem wir gerade gezogen sind, im Maximum drei, die maximale Würfelkapazität eines jeden Segmentes.
Natürlich ist es schön, wenn am Zielort bereits Würfel liegen, aber das Leben ist kein Wunschkonzert; wenn wir z.B. Steine brauchen, dann können wir froh sein, wenn wir überhaupt mit einem der fünf Würfel auf dem Steinbruch landen können; es nützt es uns dann wenig, wenn wir mit einem anderen Würfel die doppelte oder dreifache Ration an Holz erzielen könnten.
Einer ungebremsten Rohstoffjagd ist noch ein weiterer Riegel vorgeschoben: Unsere Lagerkapazität ist begrenzt. Wenn wir es vollgepfropft haben, dann können wir die ggf. mehrfache Ernte auf einem lockenden Marktsegment nicht mehr einstreichen, sondern müssen sie einem Mitspieler überlassen.
Damit wir aber flüssiger agieren können, bieten alle Marktsegmente noch zusätzliche eigene Vorteile: wir dürfen weitere Rohstoffe kaufen, wir dürfen Rohstoffe ineinander oder in Geld umtauschen, oder wir dürfen auf der Fortschrittsleiste (Siegpunktleiste) vorwärts ziehen. Und Ähnliches. Rund und schön.
So plätschert das Spiel vor sich hin, wir erwerben Rohstoffe, vollenden Bauabschnitte der Roten Kathedrale, schmücken sie mit Verzierungen und heimsen Siegpunkte und Geld ein. Alles läuft beinahe in friedlicher Koexistenz ab. Erst am Ende fließt noch einmal reichlicher Punktesegen für geschickt geplante oder sich zufällig ergebende Mehrheiten in jeder Baulinie. Das übliche Mehrheiten-Gerangel. Ist es statistisch bereits bewiesen, ob es besser ist, in wenigen Linien der Erste und in allen anderen der Letzte zu sein, oder ist es besser überall mitzumischen und fast überall wenigstens der Zweite zu sein? Sicherlich gibt es dafür kein allgemeingültiges Rezept, aber bei gegebenen Rahmenbedingungen sollte das entsprechende Vorgehen schon determiniert sein.
Unser Spieltheorie-Meister Günther vergaloppierte sich. Er sicherte sich in einer der teuersten Baulinien die Mehrheit, und wunderte sich, dass hinterher kein weiterer Spieler Lust hatte, sich hier großartig zu engagieren. So musste er den Bau mehr oder weniger alleine hochziehen; Aaron und Walter teilten sich am Ende für einen Appel und Ei die beträchtlichen Punkte für den geteilten Zweiten. Günther wurde Letzter.
Aaron kam schwer aus den Startlöchern. Geldknappheit machte ihm zu schaffen. Aber durch geschickte (Mehrheits-)Beteiligungen war er am finalen Punktesegen überall dabei und wurde sicherer Zweiter.
Walter als Startspieler konnte sich gleich im ersten Zug die doppelte Menge an Ziegeln aneignen, und kurz darauf zweimal hintereinander die dreifache Menge an pekuniären Ressourcen auf seinem Konto verbuchen. Danach fühlte er praktisch an keiner Stelle mehr einen Engpass. Ein frühzeitiger Diamantenbonus, den er aus der kleinen Portokasse bezahlen konnte, sicherte ihm auch noch die Möglichkeit, bei den unvermeidlichen Verzierungen den jeweiligen optionalen Fortschritts-Bonus mitzunehmen.
Warum ich das schreibe? Wenn Walter Erster und Günther Letzter wird, dann kann das Spiel keinen Raum für geniale strategische Planung besitzen. Der Würfel entscheidet sehr viel, das nicht konsequent kalkulierbare Mehrheiten-Chaos bringt den Rest. Punkte- und Geldsegen für fertig gestellte Bauabschnitte fallen gleichmäßig über alle herab. Noch dazu sind hier für alle Mitspieler die Zugriffsmöglichkeiten gleichgeschaltet.
Ist die Rote Kathedrale am Ende doch nur ein verkompliziertes Würfelspiel?
WPG-Wertung: Aaron: 7 (der Basis-Mechanismus ist schön; das Würfel-Rohstoff-Rondell ist leider sehr glückslastig und [bei Aarons sprichwörtlichen Würfelglück] ein Frust-Element, die Lagerbeschränkung ist gut ausbalanziert; das Mehrheiten-Prinzip erfordert naturgemäß einige Erfahrung), Günther: 7 (nette Mechanismen, auch wenn ein gewisser Frust unvermeidlich ist), Walter: 6 (konstruktiv, übersichtlich, flexibel, kein Raum für Miesnickeligkeiten, aber auch eine gewisse Erbsenzählerei; glücklicherweise nicht zu lang, sonst könnte der schöne Rohstoff-Beschaffungsmechanismus leicht in repetitive Langweile ausarten).
Gemeinsame Schlussfolgerungen
1) Halte immer eine Handbreit Diamanten unter dem Kiel.
2) Gönne Deinen Mitspielern den Verzierungsbonus. Wenn sie diesbezüglich ihr – sehr begrenztes – Pulver verschossen haben, kann Dich keiner mehr am eigenen Absahnen hindern.
3) Hebe Deine Fenster-Verzierungen vorwiegend für den Endspurt auf, d.h. für die Mehrheiten-Zünglein an den Waagen.
2. “Diggin'”
Aaron bastelt wieder (immer) an einem neuen Spiel. Ein Paper & Pencil-Game. Wir würfeln und notieren mit einem gewissen Freiheitsgrad wählbare Kombiationen in unseren Spielerbogen. Viele Ansätze und Ideen sind gut, aber das Spiel enthält aktuell noch eine Reihe von Design-Sünden, die unbedingt ausgemerzt werden müssen.
1) Zu viel Frust und zu wenig Lust, und zwar unabhängig von der möglichen Miesnickeligkeit der Mitspieler.
2) Der Motor des Ganzen sind doch die ohne Progression gewürfelten zufälligen Würfelaugen. Warum ist darum herum noch so ein undurchschaubarer Schnickschnack mit schwer kontrollierbaren Abhängigkeiten angesammelt?
3) Das Schlimmste überhaupt: Man kann NICHT denken, wenn der Startspieler am Zug ist. Ungeduldig warten wir auf dessen Entscheidung, aus 4 Würfeln das Beste für sich und das Schlechteste für die Mitspieler auszuwählen. Und wir sind dabei in unseren nachfolgenden eigenen Kombinationmöglichkeiten von seiner Entscheidung abhängig. Wenn das wenigstens simultan vor sich ginge, dann wären wir abgelenkt, und dann würde das nicht so weh tun. So aber ahnen wir den Frust, der auf uns zukommt, und müssen über die gesamte Denkzeit des Startspieler hinweg hilflos unsere böse Vorahnung ertragen.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.
3. “Bluff”
Zum ersten Mal haben wir erkannt und auch praktiziert, dass selbst die einleitenden, nichts-sagenden, fast provokativen 1-mal-die Eins-Eröffnungen angezweifelt werden können. Erfolgreich.
Walter war mit 4:2 gegen Günther im Endspiel. Mit kleinen feinen Bluffs, die aber wegen extrem kontraproduktiver Würfe seiner Mitspieler nicht akzeptiert wurden, hatte Günther seine Würfel eingebüßt. Er ist aber auch in Unterzahl immer noch ein angsteinflößender Gegner. In einem eingeschüchterten Blackout zweifelte Walter 1 mal die Fünf an, obwohl er selber eine 5 unter dem Becher hatte. Da Günther nur ebenfalls eine Fünf gewürfelt hatte, kostete dieser Ausrutscher nur einen Würfel.
Beim 3:1-Stand fing Walter mit 1 mal die Eins an. Günther wusste, dass er nur eine einzige Chance hatte: er musste einen von Walters 3 Würfeln finden und – unabhängig von seinem eigenen Würfel, geblufft oder nicht – auf 2 mal diese Zahl setzen. Er probierte es mit der Drei und Walter hatte tatsächlich eine Drei unter dem Becher. Was tun?
Hinterher ist man klüger. Anzweifeln wäre die beste Gegenstrategie gewesen, denn Günthers letzter Würfel war nur mit Ein-Drittel-Wahrscheinlichkeit eine Drei oder ein Stern. Aber Walter vertraute auf seine Macht durch Masse, legte seine Drei heraus und würfelte mit zwei Würfeln nach. Um NOCH EINE Drei zu würfeln war die Wahrscheinlichkeit ebenfalls zwei Drittel.
Günther fing an zu frohlocken. Er hatte nämlich geblufft und selber keine Drei sondern eine Eins gewürfelt. Jetzt standen seine rechnerischen Chance zum Erreichen der nächsten Runde auf acht Neunteln, also bei knapp 90 Prozent.
Walter machte ein langes Gesicht. Aber als er seinen Nachwurf-Becher hob, lagen zwei Sterne darunter. Gewonnen! Wenigsten der eine.
So viele spannenden, überraschenden, ständig mit spielerischen Bluff- und Rechenwürze angereicherten Szenen bietet das Spiel-des-Jahren 1993.