1. “The Thing”
Moritz schlug das Spiel vor. Kurzer Wortwechsel zu Beginn: “Eine super Umsetzung des Films!” Aaron: “Das muss nicht unbedingt gut sein!” Moritz: “Ein legendärer Film!” Anmerkung bei Nachschrift: “Muss das dann besser sein?”
Schauen wir uns erst mal an, was im Internet zum Film steht.
“Unter die Mitglieder einer antarktischen Forschungsstation mischt sich ein Alien, das die Forschungsarbeit sabotiert und die Gruppe systematisch infizieren und damit auf seine “böse” Seite ziehen will. Das Alien ist nicht erkennbar, vor allem ist später auch nicht erkennbar, welches Mitglied der Gruppe bereits infiziert ist und damit die böse Rolle mitspielt. Der Stromgenerator wird sabotiert, Vorräte werden zerstört, die ganze Station wird Stück für Stück unbrauchbar. Hunde laufen herum und erhöhen das Infektionsrisiko.
Bald würde in der gesamten Station tödliche Kälte herrschen und das Alien könnte überdauern, bis die Rettungsmannschaft eintrifft. Die Gruppe beschließt, die gesamte Station in die Luft zu jagen. Am Schluss treffen die letzten beiden Überlebenden zusammen und haben sich bis zuletzt argwöhnisch im Auge, sehen aber ohnehin dem offensichtlich sicheren Tod im Eis entgegen. Die Frage, ob einer der beiden Männer vom Alien infiziert worden ist, bleibt für den Zuschauer offen.“
Die Kritik schreibt dazu: “Der seine Horroreffekte perfekt setzende Film wurde in erster Linie eine Demonstration der verblüffenden Möglichkeiten der Tricktechniken des modernen Hollywood-Kinos. Doch angesichts der damit produzierten Ekelszenen, Blutorgien und Leichensezierereien mag man solche Trickkunst kaum würdigen. Der Regisseur begnügt sich mit der Sensation; innere Spannung und ironische Brechungen kommen zu kurz.”
Zum Spiel. Wir Spieler begeben uns (unseren Pöppel) frei wählbar in die verschiedenen Räume der Forschungsstation, um dort Schäden zu reparieren, Essen zu kochen, Generator und Heizung für Licht und Wärme zu betreiben, sowie nach Waffen und Hilfsmitteln zu suchen, mit denen wir infizierte Mitglieder identifizieren und unsere Kampf-Chancen gegen sie erhöhen können. Vor allem aber müssen wir die Radar-Station funktionsfähig kriegen, den Hubschrauber holen und ALLE Gesunde vollständig damit abtransportieren.
Die Aktionen, die wir tun können:
1) an Ort und Stelle Schäden beseitigen.
2) die Funktion des jeweiligen Raumes nutzen.
3) oder auch einfach bösartigerweise Sabotage anstellen.
Die Aktionen wählen wir mittels Karten, die wir verdeckt dem “Leader” geben, der sie sammelt, mischt und zufällig den einzelnen Personen zuteilt, die sich in der Forschungsstation aufgestellt haben. Es ist nicht so, dass jeder von jedem Typ Aktionskarte mindestens eine auf der Hand hält; wer Pech hat, hält als “Gutmensch” nur Sabotage-Karten oder ggf. als “Böser” nur Reparier- oder Nutz-Karten.
Wer in einem Raum ohne Schaden eine “repair”-Karte zugeteilt bekommt, hat nix zu tun, die Karte verfällt. Wer in einem schadhaften Raum eine “use”-Karte zugeteilt bekommt, kann ebenfalls nix ausrichten, der Schaden muss zuerst beseitigt werden. Wer aber gar eine Sabotage-Karte ausgeteilt bekommt (von einem bösen Mitspieler eingebracht oder als Zusatzkarte unter die Aktionskarten gemischt), muss nolens volens den Schaden tun.
Haben zwei Spieler absichtlich oder unabsichtlich den gleichen Aktionsort gewählt, müssen sie ein definiertes Identifizierungsritual ausführen. Dabei kann es geschehen, dass ein “Gesunder” von einem “Bösen” infiziert und unverzüglich “umgedreht” wird.
Ein aufmerksamer Spiel-Logiker kann jetzt natürlich fragen, warum ein Spieler sich überhaupt zu einem anderen Mitspieler zugesellen sollte? Dafür gibt es mehrere Gründe. Erstens braucht man zwei Personen, um einen der bösen herumlaufenden Hunde zu fangen; zweitens verstärkt sich die Wirkung von Aktionen überproportional mit der Anzahl der Anwesenden; drittens liegt das Sich-Zugesellen natürlich im Bestreben der “Bösen”, andere zu identifizieren, und die Guten können nicht verhindern, dass sich ein nachziehender Böser ihnen zugesellt. Das einzige Mittel dagegen ist die Spielerreihenfolge im Auge zu haben. Der “Leader” zieht immer als Letzter, und diese Rolle kann man gewollt auf sich nehmen.
Jetzt Schluss mit der Regel-Präsentation. Moritz brauchte in einem einigermaßen strukturierten Vortrag anderthalb Stunden, um uns mit dem Spiel vertraut zu machen. Bei uns wurde Günther der Alien. Als erstes infizierte er Aaron, dann Walter. Moritz blieb als einziger Gutmensch übrig. Selbst mit den Händen voller Maschinengewehre und Flammenwerfer wäre es ihm nicht gelungen, einen intakten Hubschrauber zu betreten und zu flüchten. Günther ließ ihn noch ein paar Runden drehen, bis er auch ihn zu sich (uns) in die ewigen Jagdgründe hinüberzog.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (es geht in die Richtung eines Party-Spiels, sehr viele Zwänge, sehr viele chaotische Elemente), Günther: 5 (als Startup-Alien hatte ich eine klare Strategie und Taktik), Moritz: 8 (die Mechanismen stimmen, vor allem fasziniert mich die Umsetzung des Films), Walter: 4 (alles Zufall; ich habe keinerlei Peil für ein gutes taktisches oder strategisches Vorgehen).
Am nächsten Morgen studierte Aaron noch einmal die Regeln und fand einen gravierenden Fehler in unserer Handhabung:
“1) Uns war gestern dieser merkwürdige Mechanismus aufgestoßen wonach die Zuordnung der Aktionen zu den Charakteren zufällig erfolgt. Dies ist falsch! Der Leader deckt zuerst die oberste Aktionskarte auf und weist dann diese Aktion einem Character zu. Damit gibt es dort also gar kein Glückselement und stattdessen bekommt die Rolle des Leaders noch mehr Gewicht (nach der Spielreihenfolge jetzt also auch noch die Entscheidung, wer was macht).
2) Die „Schadens-Token“, die das Thing mitführt, nachdem es entdeckt wurde (oder sich selber offenbart hat), wirken in den Räumen auch als Sabotage. Der Thing Spieler kann also gezielt Räume sabotieren, auch wenn dort dann später kein anderer Spieler hingehen sollte. Das macht das Thing allerdings noch stärker als es sowieso schon ist.
Ich ziehe damit meine Wertung von gestern erst einmal zurück, da das Spiel grundlegend anders funktioniert als wir es gestern gespielt haben. Ob es wirklich besser ist bezweifle ich allerdings wegen Punkt 2.”
2. “Prinz & Prinzessin”
Obwohl das Spiel letzte Woche durchgefallen war, versuchten wir es in einer Vierer-Runde noch einmal. Vielleicht würde Moritz uns hier in die Geheimnisse von Prinz&Prinzessinnen-Lust&Spaß einführen können.
Sein erstes Statement: “Ich bestehe auf’s Reden”, d.h. wir sollten alle zum Kartentausch laut ein von uns verpöntes: “Ich bin die Prinzessin und suche den Fisch” – oder so ähnlich – von uns geben, denn “das ist ein wesentliches Spielelement” & “das ist genau das Interessante daran“. Geschmäcker sind verschieden. Das, was bei uns am Westpark überhaupt nicht ankommt, soll vom Autor also als Kernelement in das Spiel hineindesaint worden sein?
Tatsächlich: Moritz fing an und rief in die Runde: “Ich bin der Prinz, wer ist die Prinzessin”. Unabhängig davon, was Moritz gesagt hatte oder gesagt hätte meldete sich Walter als Prinzessin. Die einzige gesicherte statistische Aussage zu dem Spiel ist doch wohl, dass man umso mehr Punkte machen kann, je häufiger man tauscht. Jetzt war Walter aber in Wirklichkeit der “böse Zauberer” und Moritz der “gute Zauberer”; und schon konnte sich Moritz triumphierend ob seiner erfolgreichen Gewinnstrategie einen Siegpunkt zugute schreiben.
In der nächsten Runde fing Aaron lautstark an und rief: “Ich bin der Prinz, wer ist …” oder so ähnlich. Walter bedachte wieder – ohne Aarons Aussage auch nur zu verinnerlichen – die statistischen Gewinnaussichten und meldete sich sogleich unter dem gewünschten Namen. Und siehe da, Duplizität der Ereignisse, statistisch schon etwas außerhalb des normalen Rahmens, Aaron war die gute Hexe, Walter die böse, und Aaron konnte einen Siegpunkt verbuchen.
Man registriere das Spiel-Design: Bevor Günther auch nur den ersten Muckserer von sich geben konnte, hatten Moritz und Aaron bereits je einen Siegpunkt – ein Drittel zum Gesamt-Sieg – verbuchen können. Auch im Weiteren spielte der Zufall sein Spiel, die nächsten beiden Runden dauerten ebenfalls nur 1 bzw. 2 Züge und Aaron konnte sich zwei weitere Siegpunkte gutschreiben. Das Spiel war – Gott-sei-Dank – zu Ende.
Es schloss sich eine Diskussion über diese Gaudi-fördernde (? in welchen Spieler-Kreisen?) marktschreierische Lügerei an. Hat man taktische Vorteile, wenn man schreit oder nicht? Moritz bestand darauf, dass man “wie beim Poker” nach einer gewissen Erfahrung seine Mitspieler “lesen” könne. Er erbot sich sogar, eine Excel-Tabelle aufzustellen, nach der man als Person X mit der Wahrscheinlichkeit p sich als Person Y ausgeben und mit der Wahrscheinlichkeit q nach der Person Z fragen soll. Diese Tabelle sollte dann die Siegchancen des Marktschreiers gegenüber einem Schweiger signifikant erhöhen.
Selbst unser Mathematiker Günther, der aus der Spieltheorie heraus solche Wahrscheinlichkeits-Matrizen zur Genüge kennt, schlug sich auf Moritz’ Seite. Vergeblich brachte Walter vor, dass die jeweilige Suchfrage – wenn “richtig”, d.h. unsystematisch vorgegangen wird – Null Relation mit der Wirklichkeit hat, und dementsprechend auch GAR NICHTS zu den Siegchance beitragen kann. Aber er blieb ein einsamer Rufer in der Wüste.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (das Spiel ist mit einem zufälligen Ausgang zu Ende, bevor man ein (Teil-)Wissen über die Karten-Personen-Verteilung erworben hat und ausnutzen kann), Günther: 4, Moritz: 5, Walter: 3 (ein reines Zeit-Totschlagen, und so viel davon habe ich nicht mehr!)
3. “Kameloot”
Eine Art Quartett-Spiel, vollgepackt mit Chaos-Elementen. Das Spiel besteht aus 6 verschiedenen Kartenarten, auf denen die Zahlen 2 bis 7 aufgedruckt sind. Alle Spieler sind zufällig den Fraktionen A oder B zugeteilt. Wer am Zug ist, zieht seine Kartenhand vom verdeckten Stapel auf 4 Karten auf und legt dann beliebig viele davon offen in eine seiner Sammlungen. Eine Sammlung ist vollständig, wenn sie – abhängig von der Kartenart – aus 2, 3 … oder 7 Karten besteht.
Besonderheit 1: Es zählen nicht nur die Karten in den eigenen Sammlungen, sondern auch die in denen der Mitspieler, die zur gleichen Fraktion gehören. Es bringt also nichts ein, 5 wunderschöne 6er Karten in seine Sammlung zu legen und auf die erfüllende 6te zu warten: wenn ein Mitspieler diese Karte auf der Hand hat und sie zeitlich vor uns auslegt, wird die Sammlung vollständig und gehört dem Mitspieler, also dem, er als letztes eine oder mehrere zugehörige Karten auslegen konnte.
Besonderheit 2: Die Karten in einer vollständigen Sammlung zählen als Siegpunkte. Allerdings gehören sie nicht dem, der sie vervollständigt hat, auch nicht anteilig entsprechend den beigesteuerten Karten, sondern sie werden einzeln reihum im Uhrzeigersinn unter den Mitspielern der gleichen Fraktion verteilt. Dabei bekommen auch diejenigen Mitspieler etwas ab – genauso viel wie die anderen –, die überhaupt KEINE Karte zu Vervollständigung der Sammlung beigetragen haben. Einziger Vorteil des Vervollständigers: das Verteilen fängt bei ihm an, so dass er mindestens genauso viele Karten bekommt, wie die Mitspieler, und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch (maximal) eine Karte mehr als die Letzten in der Verteilungsrunde.
Alle Karten haben aber noch einen Nebeneffekt, und jeder Spieler kann bei seinem Zug wählen, ob er Karten in seine Sammlungen gibt oder (exklusiv) eine Karte auf den Ablagestapel gibt und stattdessen deren Nebeneffekt ausnützt. Nebeneffekte können sein: Die eigene Fraktion zu wechseln, einen fremden Spieler zu zwingen, die Fraktion zu wechseln, eine seiner Sammlungen mit einer Sammlung eines beliebigen Mitspielers zu tauschen, aus dem Ablagestapel alle Karten einer Kartenart herauszusuchen und in seine Sammlung übernehmen, und dergleichen mehr, was einer linearen Quartett-Sammeltechnik zuwiderläuft.
Wir haben uns keine Gedanken darüber gemacht, wie man das Spiel gut spielt. Ganz sicher kann man taktisch gut oder schlecht ablegen und tauschen; man kann in der Auswahl seiner Sammlungskarten und in der Anzahl der jeweils dort liegenden Karten taktisch vorgehen. Und natürlich kann man beim Nutzen der Nebeneffekte – soweit sie einem das Schicksal in die Hände gegeben hat – geschickt oder weniger geschickt vorgehen. Beim ersten Kennenlernen des Spiels haben wir uns einfach den zufälligen Ereignissen hingegeben und waren öfters gelustet als gefrustet. Das ist doch schon mal ein Pluspunkt für ein Gaudi-Spiel.
Vielleicht steckt im Verteilungsmechanismus ein Bug. Er ist zu gleichförmig. Am Ende hatten 3 von 4 Spielern exakt die gleiche Punktzahl. Da gab es natürlich dreifache Freude, anstatt nur eine bei nur einem Sieger. Aber ist das gut? Wofür soll man sich dann anstrengen, wenn die eingebaute Gleichmacherei hinterher alles wieder nivelliert?
WPG-Wertung: Aaron: 6 (die Gleichmacherei könnte ein Problem sein), Günther: 6 (machte sich Gedanken über eine mögliche Fraktions-Strategie), Moritz: 6 (lockeres Sammelspiel), Walter: 6 (gelungenes Chaos-Spiel, das nicht mehr verlangt und nicht mehr verspricht, als es hergibt).
4. “Bluff”
Endlich mal wieder ein reales Bluff am realen Spieltisch.
Moritz ging mit 4 :2 gegen Günther in das Endspiel. Aber er überschätzte seinen Würfelbecher. Mit seinen Vorgaben 4 mal die Fünf, 2 mal Stern und 3 mal Fünf verlor er jedes Mal einen Würfel.
Im Endspiel 1 : 1 wandte er die überlegene Immer-4-Strategie an. Ausgerechnet gegen Günther, der als Erfinder der Immer-5-Strategie mit deren Schwächen am besten zurechtkommt.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.