„Wahrscheinlich werden wir eines Tages einen Präsidenten haben, dem es im höchsten Maße an staatsmännischen Qualitäten mangelt, einen, der egoistisch, impulsiv und von beschränkter Urteilskraft ist, der sich lediglich ins Rampenlicht drängt und bereit ist, den Wohlstand, ja die Freiheit seines Landes für den kurzzeitigen Applaus der Volksmenge zu verschachern.
Statt einer mächtigen Nation, groß an physischer Stärke und größer noch an moralischen Qualitäten, werden wir ein sich brüstendes, ein vereinnahmendes, ein schrilles, ein sich einmischendes Vaterland vorfinden.“
(Samuel Walker McCall (von 1916 bis 1919 Gouverneur von Massachusetts, zitiert in der Autobiographie von Mark Twain)
Wieviel politische Voraussicht braucht man für eine solche Prophezeihung? Oder ist das nicht eine Trivialität innerhalb (je)der demokratischen Entwicklung?
1. “Calimala”
Calimali, nicht zu verwechseln mit dem griechischen „καλή μαλή“ (gutes Kleines) oder dem Roman „Via mala“ von John Knittel, hieß ab dem ausgehenden Mittelalter die Tuchhändler-Zunft in Florenz. In „Calimali“ sind wir also Tuchhändler, besorgen uns die Tuche, liefern sie per Karren oder Schiff in sechs vorgegebene europäische Städte, verkaufen sie dort und spendieren den Gewinn in Form von Rohmaterial (Holz, Eisen und Marmor) oder als Kunstwerke zur Fertigstellung von vier florentinischen Prachtbauten.
Im Laufe des Spiels kommt es zu 15 verschiedenen Wertungen, die in variabler Reihenfolge und abhängig vom Spielfortschritt ausgelöst werden. Dabei wird mit jeweils drei (zwei bzw. einem) Siegpunkten bedacht, wer aktuell
am meisten (zweitmeisten bzw. drittmeisten) Tuche in die gerade zu wertende Stadt geliefert hat.
insgesamt die meisten () Tuche per Schiff bzw. per Karren verfrachtet hat
die meisten () Teile des gerade zu wertenden Rohstoffes zu den Prachtbauten geliefert hat.
die meisten () Kunstwerke gespendet hat
die in Summe meisten () Materialien zum gerade zu wertenden Prachtbau gespendet hat.
Am Ende gibt es noch einmal fünf, drei oder einen Siegpunkt für die meisten Ablieferungen zu ausgewählten Prachtbauten und / oder Städten.
Welche Wertung jeweils als nächste drankommt, ist allen Spielern sichtbar. Im ganzen Spiel geht also darum, seine ganze Zugpotenz dafür einzusetzen, in der nächsten (allenfalls in der übernächsten) Wertung im entscheidenden Kriterium die Mehrheit zu besitzen.
Dabei ist für die jeweilige Zugauswahl eines Spielers eine hübsche „Aktions-Engine“ erfunden worden: Die möglichen Aktionen (Rohstoffe bzw. Tuche erwerben, Handelshäuser oder Schiffe bauen, Tuche liefern, Materialen spenden) sind an den 9 Schnittpunkten einer 3 mal 3 Matrix untergebracht. Der aktive Spieler legt einen Aktionsstein (insgesamt hat er 12 davon) auf die Linie zwischen zwei Aktionen und darf sie dann beide in beliebiger Reihenfolge ausführen. Alle Steine bleiben zunächst an Ort und Stelle liegen. Wenn ein Spieler (derselbe oder ein anderer) später die gleichen beiden Aktionen ausführen will, so legt er seinen Aktionsstein ÜBER den bereits dort liegenden Stein, und bewirkt damit, dass er UND EBENFALLS der Besitzer des Steins darunter die beiden Aktionen noch einmal ausführen darf. Liegen bereits zwei Steine an Ort und Stelle, so dürfen für beide Steine die definierten Aktionen noch einmal ausgeführt werden. Fazit für gutes Spiel: Die wichtigsten Aktionskombinationen als Erster besetzen, so dass die Mitspieler uns zu kostenlosen Zweit- und Dritt-Aktionen verhelfen.
Erst wenn bereits drei Steine auf einer Aktions-Kombination liegen und der vierte Stein daraufgelegt wird, wird der unterste Stein entfernt und nur die beiden darüberliegenden Steine bekommen den Aktions-Bonus. Der entfernte Stein löst seinerseits die nächste der in Reih und Glied ausliegenden Wertungen aus.
Da die Spieler oft genug nicht gerade die richtigen Ressourcen haben, um bestimmte Aktionen einfach und ggf. sogar mehrfach ausführen zu können, z.B. wenn ihnen über die Züge ihrer Mitspieler gestattet wird, weitere Schiffe zu bauen oder Tuche zu liefern, und sie haben kein Holz für den Schiffbau oder keine Tuche zum Liefern, dann dürfen sie von einem verdeckten Stapel zufällige„Aktionskarten“ ziehen, quasi Aktionen im Wartezustand, die sie bei jeder passenden Gelegenheit anwenden dürfen. Mit den sporadischen Engpässen an Ressourcen ist also kein Frust verbunden, und den potentiell bösen Mitspielern wird somit auch keine Miesnickeligkeit geboten, einen solchen Frust auszulösen. Gut so! Das machst das Spiel auch schneller, als wenn wir bei jedem unserer Züge auch noch analysieren müssten, welchen Mitspieler wir jetzt am meisten ärgern können, weil er seine Bonus-Aktionen nicht ausführen kann. Das Spiel in unserer 3er Runde hat auch so schon zwei Stunden gedauert. Ein bisschen weniger hätte der Spielfreude keinen Abbruch getan.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (wegen des fehlenden Themas eigentlich nur 5; von den Regeln her überschaubar und schnell gespielt; alles dreht sich um die Micro-Optimierungen, deren Konsequenzen in ihrer Gesamtkeit nicht vorhersehbar sind), Günther: 7 (für unsere 3er Runde; einfache Regeln; er fand sich thematisch absolut als Florentiner Tuchhändler wieder), Walter: 6 (der gesamte Spielreiz liegt in der Micro-Optimierung, das ist vielleicht ein bisschen wenig, zumindest trifft das nicht meine Spiel-Leidenschaft).
2. “Wooden Heart”
Als zweites legte uns Aaron einen Prototypen vor, den er auf dem Münchener Autoren Treffen kennengelernt hatte. Der Spielname, selbst der Arbeitsname und der Spielmechanismus sind noch streng geheim. Nur wir durften jetzt unter die Decke schauen.
Die Regeln sind blitzschnell erklärt und verstanden, der Weg zu erfolgreichem Spielen – und es gibt bestimmt einen (!) – bleibt aber noch eine ungelöste Herausforderung. Freude dominiert, Neid muss ggf. gemeistert werden, Zufall ist gegeben, Kingmakerei nicht ausgeschlossen. Aber alles ist in einer sehr gefälligen Dosis, der Ansatz zu einem großen Wurf für ein kleines Spiel. Nur das Ende muss noch etwas runder gestaltet werden.
Alle waren von dem Spiel angetan.
Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.
3. “AZUL”
Noch nie wurde in diesem schnellen, gefälligen Absackerspiel so lange nachgedacht wie heute. Sogar gestänkert wurde, um dem Standardsieger ans Zeug zu flicken. Mit Erfolg. Der „Als-Erster-aus-der-Mitte-Nehmer“ gewann NICHT! Welch ein Segen für AZUL, dass es durch eine so einfache Strategie nicht gleich aus den Angeln gehoben werden kann. Es gewann Aaron, als ständiger Zweiter hinter dem „Als-Erster-aus-der-Mitte-Nehmer“. Diese Rolle kann man zwar nicht an sich reißen, aber nutzen.
WPG-Wertung: Keine neue Wertung für ein 7,5 Punkte Spiel.
Walter hatte das Spiel von Steffi, der charmanten Tochter einer Bridgepartnerin zur Begutachtung am Westpark geliehen bekommen. Schon beim Lesen der Spielregeln kamen ihm die Zweifel, ob er dieses Spiel seinen WPG-Genossen überhaupt vorsetzen könne. Er fühlte per eMail vorsichtig vor („ziemlich ödes – kooperatives Karten-Auslege- / Anlegespiel“). Aaron erlöste ihn aus der Verlegenheit, einer jungen Dame einen Korb geben zu müssen: Er hatte das Spiel vor einem Jahr in Brixen als Prototypen kennengelernt und war „daran interessiert, was daraus geworden ist“.
Das eigentlich reine Kartenspiel ist in eine spannende Flucht-vor-dem-Mörder-Geschichte eingepackt, und es wird ein bemerkenswertes, aufwändig konstruiertes, mehrfach aufklappbares Spielbrett dazu geliefert, auf dem unser Fluchtweg eingezeichnet ist, sowie die Plätze für die verschiedenen Karten-Zieh- und Ablagestapel vorgegeben sind.
Aus einem Handset von jeweils acht Karten spielen wir reihum in beliebiger Reihenfolge und Quantität zwei Arten von Karten aus. Die „Bewegungskarten“ erlauben uns, mit dem einen, gemeinsamen Pöppel eine bestimmte Anzahl von Feldern vorwärts zu ziehen. Wir dürfen allerdings erst vorwärts ziehen, wenn wir die Bewegungskarte erfüllt haben. Dazu müssen wir ihr eine jeweils vorgebene Anzahl von „Erfüllungskarten“, zwei bis sechs Stück, in einer vorgegebenen Farbzusammensetzung beilegen. Mit aufsteigenden Zahlenwerten zwischen 1 und 15. Jeder darf bei jedem Mitspieler an die bereits ausliegenden Bewegungskarten anlegen. (Bei uns hatte jeder Spieler die von ihm ausgespielten Bewegungskarten vor sich selber liegen. Eigentlich hätten wir sie alle der besseren Übersicht wegen auch in die Mitte legen können.)
Warum ziehen wir eigentlich vorwärts? Wir wollen / müssen mit unserem Pöppel eine bestimmte Anzahl von Feldern zurückgelegt haben, bevor der uns Mörder einholt und abmurkst. Der Mörder bewegt sich auf dem gleichen Fluchweg hinter uns her. Er geht vorwärts, wenn wir beim Nachziehen von Erfüllungskarten auf dort in zufälligem Abstand hineingelegte „Mörderkarten“ stoßen. Die Mörder-Schrittweite liegt in der Regel zwischen 1 und 3, kann aber bei einer unglücklichen (bzw. blödsinnigen) Auslage von Bewegungskarten 5 und mehr Felder betragen. Mit solchen Riesenschritten hätte der Mörder in Windeseile den Start-Abstand Felder zwischen sich und unserem Pöppel bewältigt und das Spiel ist aus. Alle haben verloren. Wenn wir beim Anlegen unserer Erfüllungskarten in arithmetische oder farbliche Schwierigkeiten geraten und zu langsam spielen, holt uns der Mörder ebenfalls ein, er darf nämlich alle 2 Minuten ein Feld vorwärts ziehen. Für die Zeitmessung ist eigens eine Sanduhr mitgeliefert; aber selbstverständlich haben wir es uns nicht nehmen lassen, die zugehörige Mördermusik aus dem Internet herunterzuladen und uns die 2-Minuten Zeitabstände per Hornsignal zuliefern zu lassen.
Zweimal versuchten wir, das „Safehouse“ zu erreichen. Beides Male ist es uns nicht geglückt. Warum?
Natürlich muss man die Tücken dieses Spieles einmal kennengelernt haben, um bestimmte Fehler zu vermeiden.
Man sollte keine Bewegungskarte erfüllen, wo unser Pöppel auf einem Feld landet, das auch dem Mörder erlaubt einen Schritt vorwärts zu gehen. (Trivial! Aber beim ersten Versuch haben wir hier zweimal nicht aufgepasst.)
Da der Mörder, egal, welchen Vorsprung unser Pöppel erzielt hat, viermal – bei jedem Kapitelende – wieder auf einen festen, von Kapitel zu Kapitel sogar abnehmenden Abstand zu uns wieder neu aufgesetzt wird, sollten wir nicht mit allzu überflüssigem Vorsprung das Kapitelende angehen. Dann lieber eine fast-erfüllte Bewegungskarte aufheben und damit beim Kapitelwechsel sofort unseren Abstand auf eine sicherere Größe erhöhen. Da muss man aber erst einmal draufkommen: Ei des Kolumbus. Aaron kam drauf, er verriet uns diese zündende Idee allerdings erst, als wir – partiell emotionslos – zweimal verloren hatten.
Es gibt bestimmte Mörderkarten, nach denen der Mörder soviele Felder vorwärts – oder sogar noch ein Feld mehr – gehen darf, wie wir unerfüllte Bewegungskarten vor uns liegen haben. Vier Mitspieler, jeder wollte mindestens eine Karte vor sich liegen haben, da konnte der Verfolger beim Aufdecken dieser Mörderkarten gleich 5 Felder vorwärts gehen. Wenn man das begriffen hat – das ist ja nicht schwer – dann koordiniert man das Auslegen von Bewegungskarten, d.h. man fragt seine Mitspieler, ob man noch eine weitere solcher Karten legen soll. – Aber wann fragt man schon am Westpark sich gegenseitig, wie man spielen soll?!
Die Planungen nach Punkt 2 und 3 erfordern natürlich eine gewisse Abstimmungszeit. Eigentlich müsste man in Ruhe jede einzelne Bewegungskarte, ihre Erfüllungschancen, die aktuell verfügbaren Erfüllungskarten, den Abstand bis zum Kapitelende und den Abstand des Mörders von unserem Pöppel gegeneinander abwägen. Dagegen spricht aber die Uhr, der 2-Minutentakt, nach dem der Mörder automatisch vorwärts geht. Wer entsprechend veranlagt ist, genießt diese hektische Koordinationsplanung. Wir in Summe nicht.
Zu der knappen Zeit kam bei uns noch hinzu, dass Walter nicht die empfohlene Einführungsversion spielen wollte, sondern gleich den „Big Thrill“. Ihm war bereits nach dem Regelstudium klar geworden, dass er das Spiel nur ein einziges Mal am Westpark spielen würde. Da wollte er der charmanten Steffi doch schon ein etwas fundierteres Urteil über die Elemente und das Spielgefühl von „Safehouse“ mitgeben können.
In der „Big Thrill“ Variante haben die Spieler nicht nur die Aufgabe, das „Safehouse“ zu erreichen, sie müssen mit ausgespielten Erfüllungskarten auch noch 20 von 25 Chips verschiedener Typen jeweils genau eine ungerade Zahl oft umdrehen, bis von jedem Typ nur noch ein einziger nicht-umgedrehter (oder eine gerade Anzahl oft umgedrehter) Chip übrig ist. Die unterschiedlichen Chips sind sehr schwer zu erkennen, genauso die Angabe der Chips (1 bis 3 Stück), die pro Erfüllungskarte umgedreht werden müssen. Allein das Suchen und Finden der einzelnen Chip-Positionen hat uns mehr Zeit gekostet, als wir uns für eine zielführende Planung gönnen wollten.
Es kam ein aggressive Stimmung auf. Aaron hätte Walter fast die Augen ausgekratzt, als dieser eine rote 9 als die vorletzte Erfüllungskarte gelegt hat. Walter fühlte sich zu Unrecht angegriffen, denn wenn es noch 5 höhere rote Erfüllungskarten gibt als seine 9, und durchschnittlich jeden Moment ein Drittel aller Erfüllungskarten in den Händen der Spieler sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass mindestens ein Mitspieler eine der höheren Karten hat, doch deutlich über 60 Prozent.
Nach dem Spiel gab es einen weiteren aggressiven Disput zwischen Aaron und Walter, ob das Spiel jetzt trivial ist oder nicht. Aaron plädierte vehement für die Nicht-Trivialität, schließlich hätten wir zweimal verloren. Walter plädierte ebenso vehement für die Trivialität, schließlich geht es bei den einfachen Anlegeregeln nur um die Beherrschung des Zahlenraums von 1 bis 15. Erste Klasse Grundschule. Und schlussendlich ist auch Lotto unbestritten ein triviales Spiel, obwohl er noch nie dabei einen Sechser erzielt hat.
Um Walters Triviatäten-Aussage zu stürzen (mit „r“), berief sich Aaron auch noch auf Walters angeblich schlechte Benotung von „Hanabi“. Ein Blick in unsere Rangfolgetabelle konnte diese Aussage aber umgehend als verleumderische Unterstellung abschmettern.
Günther und Moritz hörten sich stillschweigend aber überrascht bis entsetzt diesen Disput an, bis Moritz dazu drängte, das nächste Spiel aufzulegen.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (der Wiederspielwert ist gering; das Chips-Handling fummelig), Günther: 4 (das Spiel ist nix für mich), Moritz: 4 (spieltechnisch langweilig, die Musik dazu macht mich krank; lieber lege ich eine Patience), Walter: 3 (Kooperativ!! Zeitlimit!! Fieslig!! Trivial!!).
Am Tag nach dem Spielabend fand Günther im Internet eine enthusiastische Kritik zu „Safehouse“ und fragte sich und uns, ob wir wirklich dasselbe Spiel gespielt haben. Dazu kam dann von Aaron folgende Antwort:
Haben wir, und wenn ihr mich vorher um meine Meinung (allerdings zum Prototyp) gefragt hättet, hätte ich ähnlich reagiert. Im Westpark funktionieren mit ganz wenigen Ausnahmen aber keine kooperativen Spiele. Das wurde gestern durch Kommentare wie “Ich habe nicht gespielt um zu gewinnen” und “Die Spielzüge sind läppisch, da brauchen wir uns nicht abstimmen.” Wohl sehr deutlich. Zweimal gespielt und zweimal verloren war die Konsequenz.
Eine grundsätzliche Aussage zu kooperativen Spielen im Allgemeinen und Safehouse im Besonderen:
Kooperative Spiele sind, sollen sie gut sein, immer so angelegt, dass nur optimale Züge zum Sieg führen, Durchschnittszüge MÜSSEN zum Verlust führen sonst funktioniert das Spiel nicht, weil zu einfach oder zu schwer. Mit Statistik statt Absprache kommt man nicht weit (“Mit 70% Wahrscheinlichkeit hat jemand anderes noch eine passende Karte”), denn damit spielt man durchschnittlich und gewinnt oder verliert immer.
Safehouse ist da besonders knifflig, weil es zum Sieg notwendig ist, mit einem Minimum an Karten zu spielen. Das gelingt nur, wenn
Die Spieler sich bei der Auslage von Kapitelkarten abstimmen. Karten mit hohen Anforderungen haben ein besseres Karten zu Schritte Verhältnis als solche mit niedrigen (Günther hatte das gestern als einziger bemerkt), sind also besser. Allerdings muss man sich hier vor dem Ausspielen absprechen, damit nicht zu viele davon offen liegen, denn sie brauchen ja länger, um erfüllt zu werden.
Das Spielen von Karten auf den Kapitelstapel(?) braucht gutes Timing. Hier frühzeitig Karten zu spielen führt nur dazu, dass unnötigerweise wieder neue Karten (und damit potenzielle Täterkarten) ins Spiel kommen. Eigentlich bietet sich das nur für Notfälle an (auch hier biete sich eine Absprache an, wer denn gerade die notwendige Anzahl Karten auf der Hand vorhält, das können auch mehrere Spieler sein).
Karten frühzeitig auf den Sonderstapel für die 2. Schwierigkeitsstufe zu legen, ist kontraproduktiv. Diese Karten sind aus dem Spiel und reduzieren damit die Anzahl der “guten” Karten im Nachziehstapel. Besser ist es, die auf der Hand zu halten und sich laufend darüber abzusprechen, wer welche Plättchen im letzten oder vorletzten Kapitel damit umdrehen wird.
Was haben wir gestern falsch gemacht:
keinerlei Absprache
gleich die 2. Schwierigkeitsstufe gewählt, obwohl wir noch nicht einmal die Mechanismen der 1. verstanden hatten
unnötig viele Karten rausgehauen und damit nach dem Neumischen das Verhältnis guter zu schlechten Karten verschlechtert (Konsequenz von 2.)
Zeit hatten wir in beiden Spielen genug, d.h. wir hätten uns durchaus abstimmen können.
Ist alles meine Meinung und meine Interpretation von vielleicht 6 Spielen, die ich insgesamt gespielt habe. In anderen Runden funktioniert’s jedenfalls und macht auch Spaß.
Diese Positionierung kommentierte Günther mit folgender Stellungnahme:
Für kooperative Spiele der Art „optimale Lösung/Weg etc“ (wie bei Safehouse) gelten deine Aussagen auf jeden Fall! (Es gibt aber natürlich auch andere koop. Spiele).
Was aber nicht sein muss, ist die Hektik (insbesondere dann nicht, wenn die Zeit sowieso ausreicht). … Also Zeitbegrenzung weglassen!
Die unlesbaren Scheiben (2. Stufe) weglassen oder anders lösen (Da wurde wieder das Thema priorisiert und nicht die Spielbarkeit).
„Man darf nur ungenau über seine Karten reden“: ist generell ein Problem. Warum ist das überhaupt nötig?
Aber das ist nur meine Meinung/Geschmack – in anderen Runden mag das gut funktionieren.
2. “Texas Showdown”
In der heutigen 4er Runde haben die Strategen von letzter Woche ihren Frieden mit dem Spiel gemacht. Kartenpflege und Winkelzüge schienen ihnen in der größeren Runde leichter anbringen zu sein. In einer Statistik-Beziehung haben sie auf alle Fälle recht: Während in der 3er Runde der durchscnittliche Frustfaktor bei 33 Prozent liegt, ist er in der 4er Runde auf 25 Prozent gefallen. In einer 6er Runde, für soviel Mitspieler geht das Spiel nämlich, sind es sogar nur 16 Prozent, während 84 Prozent aller Spieler sich bei jedem einzelnen Stich, und dann auch noch einmal in der Gesamtheit der Stiche, darüber freuen, dass es einen anderen erwischt hat.
Wir haben zumindest viel gelacht und die aggressive Stimmung aus „Safehouse“ war wie weggeblasen.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (1 Punkt mehr als letzte Woche), Günther: 6 (2 (ZWEI Punkte mehr als letzte Woche), Moritz: 6 (das Spiel ist OK, die KI sollte leicht zu programmieren sein, es gibt immer wieder den besten Zug. [AbN: Hallo Moritz, kannst Du auch noch einen Satz über die Programmierbarkeit der KI für „Safehouse“ abgeben]), Walter: 7 (1 Punkt mehr als letzte Woche, das schnelle Spiel mit seinen pfiffigen Karten-Rangfolge-Regeln besitzt einfach eine recht hohe Spaß / Kosten Relation.)
3. “OTYS”
Moritz durfte heute auch dieses Spiel von letzter Woche noch kennenlernen. Wir anderen drei kannten uns schon mit dem Mechanismus aus und konnten eine Stunden lang unsere Taucher, den Fahrstuhl, mit dem sie sich zwischen Meer und Erdoberfläche bewegten, die Sponsoren und ihre Mitgifte, sowie die anderen rationalen Spielelemente von „OTYS“ planen und einsetzen. Moritz war aber schnell von Begriff und schaffte auf Anhieb den zweiten Platz.
Sieger wurde Walter, der durch eine günstige Start-Konstellation von seinen Tauchern und dem Upgrade-Sponsor sogleich seine Händlerin upgraden konnte, und damit auf dem Markt ohne größere Mühe seine Liquiditätsprobleme lösen konnte, während für alle anderen Mitspieler der Geldmangel stets ein Handicap blieb.
Was können wir allerdings zur die intellektuelle Herausforderung von „OTYS“ sagen, wenn Günther nicht aufs Treppchen kam? Und wenn alle Spiele bis zum Schluss dicht beieinander lagen?
WPG-Wertung: Moritz reihte sich mit seinen 6 Punkten in die Phalanx der anderen WPGler ein (das Spiel ist nicht schlecht, die Steuerung ist etwas mühsam, aber ich würde es – mit meinem jetzigen Know How – gerne noch einmal spielen).
4. “AZUL”
Als Moritz schon in der U-Bahn saß, gönnten wir uns noch eine Runde mit unserem neuen Absacker-Favoriten. Wieder bewies es sich als Gewinner-Stratgie, so schnell wie möglich die ersten Mosaiken aus der Tischmitte zu holen. Den dabei zugeschustert bekommenen einen Strafpunkt kann man beruhigt außer Betracht zu lassen. Der Vorteil, in der nächsten Runde als Erster, und statistisch gesehen auch am häufigsten, zugreifen zu können, wiegt den einen Strafpunkt bei weitem auf.
Seit dem 10. Januar läuft in unserem Spielzimmer ein Luftbefeuchter. Heute hat Aaron bemerkt, dass bei unserer absolut normalen Zimmertemperatur die Fenster von innen beschlagen! Und das bei einer Warm-Wasserheizung ohne nennenswerten Alkohol- oder Wasserverbrauch durch die Anwesenden. – Ach richtig, der Luftbefeuchter! Wenn man ihm kein Limit vorgibt, dann spuckt er Wassertröpfchen und spuckt und spuckt, bis wir bei 100% Luftfeuchte wohl alle ertrinken …
1. “OTYS”
Die Spielregel malt eine düstere Szenerie: durch rücksichtslosen Kapitalismus haben wir (wer wir?) den Meeresspiegel so steigen lassen, dass alles Land überflutet ist. Wir verbringen unser Arbeitsleben mehr oder weniger als Taucher, um so vom Meeresboden die überlebenswichtigen Ressourcen zu holen. Metalle sind dabei, Treibstoff und Technologie: der Kapitalismus geht weiter.
Jeder Spieler ist Besitzer von acht „Tauchern“, von denen jeder eine eigene Aufgabe durchführt: Vier „Experten“ für das Erbaggern von je einer Ressource aus dem Meeresboden, einen „Händler“ zum Kaufen oder Verkaufen von Ressourcen im Laden um die Ecke, sowie einen „Ingenieur“, einen „Entdecker“ und einen „Spion“ für weitere technische Aufgaben.
Wir können unsere Taucher nicht in beliebiger Reihenfolge und Häufigkeit arbeiten lassen: nach jedem unter dem Meeresspiegel durchgeführten Auftrag muss ein Taucher auftauchen und sich mindestens 3 Perioden lang an Licht und Luft regenerieren. Zur Handhabung dieses Mechanismuses liegen Taucher in einer 8er Kette nebeneinander, fünf davon unter dem Meer, die jederzeit sofort eingesetzt werden können, drei davon über dem Meer, die müssen erst wieder Runde für Runde nach unten geschoben werden. Ein Taucher, der seine Aufgabe erfüllt hat, wird aus seinem aktuellen Platz in der Liegekette herausgenommen und am obersten Punkt wieder eingeklinkt, wo er also drei Runden lang nix tut. Fazit: „Ein Taucher, der nicht taucht, taucht nix!“
Je nach seiner Position innerhalb der Liegekette aktiviert ein Taucher vor Ausführung seiner Aufgabe einen der „Sponsoren“, die für Geld, Zusatz-Ressourcen, Batterien (das kriegen wir später) oder eine Verbesserung der Tauchausrüstung sorgen. Für ein gutes Spiel sollte man beim Einsatz seiner Taucher unbedingt darauf achten, welcher Sponsor ihm gerade zugeordnet ist, um so den optimalen Sponsoren-Beitrag abzugrasen. Diese Zuordnung ist nicht fest, sie ändert sich wrap-around bei bestimmten Tauchgängen der Spieler, sie ist also beeinflussbar, aber nicht so chaotisch, als dass man sie nicht gezielt einsetzen könnte.
Und wer gewinnt? Wer als Erster 18 Siegpunkte erzielt hat. Und wie macht man Punkte? Hin und wieder werden einzelne Siegpunkte als Nebenprodukt der Tauchtätigkeit ausgeschüttet, den größten Teil von ihnen erwirtschaften wir uns aber über Aufträge, d.h. über das Ertauchen und Abliefern einer vorgeschriebenen Menge und Auswahl von Ressourcen, die wir Stück für Stück in einer unserer fünf Lieferplattformen unter der Erde zusammengetragen haben. Die obersten Plattformen fassen nur drei Ressourcen, da muss man genau aufpassen, was man hier aus dem Meeresboden heranschafft, damit die Ware nicht auftragslos herumliegt und unsere Plattform blockiert. Die unterste Plattform fasst sechs Ressourcen, hier kann man schon mal auf Vorrat ansammeln, doch ist hier eine größere, vorgegebene Ressourcen-Lieferung auch am schwierigsten zu bewerkstelligen, weil z.B. ein Experte für eine bestimme Ressource am längsten braucht, zum nach dem Zwangsauftauchen wieder hierher zu kommen.
Hier setzte Günthers Skepsis ein, ob die Tauch-Plattformen 5 und 6 überhaupt funktionieren. Wir fanden aber eine ganze Latte von Nebenbedingungen, um auch diese untersten Plattformen zum Leben zu erwecken; z.B. kann man Nachbarschaftstaucher aktivieren oder mittels Batterien (voilà) Taucher für ein weiteres Arbeiten an der gleichen Stelle festhalten („mit neuem Sauerstoff versorgen“).
Noch ein Wort zu den Aufträgen: Drei Aufträge liegen öffentlich aus; wer die geforderten Ressourcen bereit hat, kann sich hier bedienen. Dieser Auftrag ist dann weg und es wird sofort ein neuer Auftrag öffentlich ausgelegt. Pech für den Mitspieler, der auch gerade auf diesen Auftrag spekuliert hat. Hoffentlich muss er seine gesammelten Ressourcen nicht in der Pfeife rauchen. Da zieht man sich doch besser Privat-Aufträge mittels „Spion“ an Land, die genauso viel wie öffentliche einbringen, aber langfristig zu kalkulieren sind.
So werkelt ein jeder lustig vor sich hin. Ins Gehege kommt man sich nur marginal im Tante Emma Lade für Ressourcen; das Wrap-around-Verschieben der Sponsoren-Zugänge ist eher nur ein geringes Hintergrundrauschen von Mitspielerchaos. Man kann „OTYS“ sehr gut alleine spielen. Mir hat es trotz seines starken Solitär-Charakters Spaß gemacht.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (obwohl es zu der von ihm ungeliebten Kategorie der Puzzle-Spiele gehört; es war besser als befürchtet, u.a. ist es angenehm kurz; den 7ten Punkte hat es wegen des Endekriteriums – Sudden Death nach Erreichen einer definierten Schwelle – NICHT bekommen), Günther: 6 (das Nicht-Zählen von Geld, Batterien und Ressourcen bei Spielende hätte besser gelöst werden sollen), Walter: 6 (viele verschiedene Spiel-Elemente, die bei der repetitiven Verwendung gut beherrschbar werden).
2. “Loot Island”
China hat geliefert, endlich konnte Aaron die deutsche Version seines jüngsten ausgetragenen Spielekindes vorlegen und jedem Westpark-Gamer auch ein eigenes Exemplar mit Autoren-Autogramm überreichen. Danke dafür.
22 mal lag dieses Spiel im Laufe seiner Entwicklung bei uns auf. Immer wieder wurden in einer sehr konstruktiven Zusammenarbeit mit „What’s Your Game“ Rädchen anmontiert, abmontiert oder verstellt. So lange, dass auch heute Aaron noch immer wieder im Regelheft nachschauen musste, wie jetzt dieses oder jenes Detail gehandhabt wird.
In jedem Fall 30 bis 60 Minuten intensivste Interaktion. Denken und Grübeln ist angesagt, aber immer nur kurzfristig, eher für den Augenblick als für eine mittelfristige Planung. Und weil jeder von jedem Zug seiner Mitspieler betroffen ist, geht auch bei längerem Nachdenken der Spannungsbogen nicht verloren. Die Auswertung der gesammelten und verfluchten Schätze am Spielende kann nochmals einige Überraschungen bieten. Spielerisch und kalkulierbar, aber mit einem wohldosierten Anteil für die Glücksgöttin Fortuna.
WPG-Wertung: Keine Änderung der bisherigen Notengebung, aber immerhin überlegt sich Walter, ob er seine 7 in Richtung WPG-Durchschnitt auf eine 8 anhebt.
3. “Texas Showdown”
Stichkartenspiele gibt es wie Sand am Meer. Sie arbeiten alle nach dem gleichen Prinzip: Jeder spielt reihum eine Karte zu einem Stich aus, alle ausgespielten Karten haben (pro Spiel oder pro Stich) eine wohldefinierte Rangfolge, die höchste Karte macht den Stich.
Für das Drumherum gibt es vielfältige Variationskriterien: einmal zählt der Inhalt (Skat), einmal nur die nackte Anzahl der Stiche (Bridge). Mal möchte man die meisten Stiche bekommen, mal die wenigsten und manchmal auch eine genau definierte Anzahl davon (Tarock).
Oft genug ist während des gesamten Ablaufs eines Spiels eine definierte Spielfarbe Trumpf, manchmal bestimmt auch die Farbe der jeweils ersten ausgespielten Karte zu einem Stich die Trumpffarbe. Der zuerst ausgespielten Farbe muss gefolgt werden; wer nicht bedienen kann, darf eine beliebige Karte zugeben. Die höchstwertige Karte in der Trumpffarbe macht den Stich.
In „Texas Showdown“ soll man die wenigsten Stiche bekommen. Die Besonderheit hierbei sind die Konsequenzen beim Nicht-Bedienen, d.h. beim Zugeben einer Karte, die nicht der ausgespielten Trumpffarbe entspricht. Die Farbe dieser Karte wird sogleich zu einer zweiten „Trumpf-Farbe“; die Mitspieler dürfen ab sofort zu diesem Stich auch Karten in dieser zweiten Farbe „bedienen“. Nachdem jeder Spieler eine Karte zugegeben hat, ist die Farbe mit den meisten Karten in diesem Stich letztendlich die ausschlaggebende Trumpffarbe. Die höchste Karte dieser Farbe bekommt den Stich. Man kann sich also nicht in Sicherheit wiegen und als „Kartenpflege“ irgendwelche unangenehmen Karten, d.h. solche mit hohem Stichpotential loswerden. Blitzschnell bedienen die restlichen Mitspieler in dieser Farbe und die leichtfertig losgewordene Karte entfaltet tatsächlich ihr unangenehmes Stichpotential.
Eine weitere hübsche Regel in „Texal Showdown“ ist, dass man dann, wenn man den Stich mit der höchsten Karte einer Farbe bekommen hat, wählen kann, wer zum nächsten Spiel ausspielen soll. In jeder Spielsituation kann das Ausspielen ein Vorteil sein, sehr oft ist es aber ein deutlicher Nachteil. Durch Kartenpflege, d.h. durch konsequenztes Zurückhalten (Nicht-Abwerfen) dieser Höchste-einer-Farbe-Karten kann man sich für das Endspiel, wenn die Kartenhände der Mitspieler ausgezählt werden können, eine Option offen halten, um den richtigen Spieler an den Stich zu bringen.
Es gibt viele Strategien (“Schienen”), eine Kartenhand optimal abzuspielen. Wenn wir zu Spielbeginn mit 15 Karten in der Hand anfangen, kann jeder zum ersten Stich durchschnittlich 3 Karten bedienen und, falls er nicht bedienen kann, durchschnittlich etwa 12 beliebige abwerfen. Wer den ersten Stich gemacht hat, hat für das Ausspielen zum zweiten Stich 14 verschiedene Möglichkeiten. Ist das keine Handlungsfreiheit?!
Günther hat hartnäckig behauptet, dass „Texas Showdown“ ein reines Glücksspiel sei. Das haben Westpark-Gamers auch schon bei anderen Stichkartenspielen behauptet, z.B. als sie die ersten (mehrere!) Male „6-nimmt“ gespielt haben. OK, das ist kein reines Stichkartenspiel, aber es ist damit verwandt. Aber auch beim reinen Stichkartenspiel „Flaschenteufel“ haben sich solche falschen Glückspiel-Ankläger gefunden. Dort würde das heute keine mehr behaupten wollen. Natürlich kann man nicht mit jeder Kartenhand gewinnen, aber auf die Dauer gewinnt der Beste. Frage ist: wie lange ist der Lernweg, wie lange dauert es, bis kluge Spieler alles verinnerlicht haben, was zu einem guten Spiel gehört, bis sie „der Beste“ geworden sind? Von und bis zu welcher Altersstufe funktioniert ihr Gedächtnis so gut, dass sie sich exakt merken können, welche Karten gefallen bzw. noch im Spiel sind, wer welche Farben nicht mehr bedienen konnte, und bei welchem Spieler notgedrungen die noch ausstehenden Karten einer Farbe sein müssen? Erst wenn alle Mitspieler in diesen Stichspiel-Kategorien den gleichen Genius-Level erreicht haben, wird „Texas Showdown“ wieder zu einem reinen Glücksspiel.
Zwischen Günther und Walter gab es auch unterschiedliche Auffassungen, ob das Spiel zu dritt besser beherrschbar ist als zu viert (oder zu fünft oder sechst). Günther glaubte im Mehr-Teilnehmer-Chaos an Durchsicht gewinnen zu können, Walter argumentierte strikt dagegen. Aber bis zu welchem Alter lässt man sich heutzutage noch bekehren.
Günther hat heute in drei Durchgängen nicht gewonnen. Ganz im Gegenteil. Doch dieses Faktum spricht keinesfalls dafür, das „Texas Showdown“ nur ein Dödelspiel ist. Ich bin gespannt auf die nächste Stichprobe.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu dritt spielt es sich „sicherlich“ am schlechtesten), Günther: 4 (für die 3-Personen-Runde, bei mehr Spielern könnte das Spiel mehr Punkte bekommen), Walter: 6 (er liebt Stichkartenspiele jeglicher Art; dieses hier ist schnell und pfiffig, und in einer 3er Runde noch äußerst hoffnungsvoll zu kalkulieren).
Jeder Wohneigentümer, der ein Stückchen Bürgersteig sein eigen nennt, kennt das Problem: den Schnee wegzuschippen, der uns auch in unseren heutigen klimagewandelten Zeiten zuweilen noch schauerartig vor die Füße fällt.
In unserem Reihenhaus am Westpark stehen etwa 6 Meter in unserer Verantwortung, und weil das Schneeschippen, zumindest zu einer Zeit, wo wir nichts Besseres zu tun haben, auch Spaß macht, nehmen wir gerne auch noch die 6 Meter des rechten und des linken Nachbarn unter unsere Fittiche.
Der rechte Nachbar ist ebenfalls verantwortungsfreudig, und schippt seinerseits auch für uns. Er morgens und wir abends. Manchmal nimmt er sogar noch den Bürgersteig unseres linken Nachbarn mit. Der linke Nachbar ist hingegen etwas bewegungsscheu; selten dass seine Schneeschaufel den Weg auch nach rechts findet, vor allem, wenn seine unbeeindruckten Kinder schippen. Noch seltener findet er den Weg bis zu unserem rechten Nachbarn, seinem rechten Übernachbarn. Dafür bedankt er sich aber lautstark für unser Schneeschippen, auch wenn das zufällig der Nachbar besorgt hat. Und wenn das dieser sogar mithört.
So lässt dessen Lust an der Linksorientierung gewaltig nach. Und ich stehe in Skrupeln da, wenn gerade unser Bürgersteig und der des rechten Nachbarn geschaufelt ist, der des linken Nachbarn aber nicht. Soll ich dann selber noch zur Schaufel greifen und beim Linken tun, was der Rechte verweigert hat?
Klarer liegt der Fall hingegen, wenn dieser Nachbar vorbeikommt und direkt um einseitiges Schneeschippen bittet, weil ihm gerade eine genähte Wunde am Rücken aufgeplatzt ist. Noch klarer, wenn der übernächste Nachbar vorbeikommt und uns um diese Gefälligkeit biettet, weil er gerade seine Hand verstaucht hat. Heute ist gleich beides vorgekommen. – Wie schön, dass wir gesund sind, und dass Schneeschippen Spaß machen kann.
Nebenbei: Aaron hat glaubhaft versichert, dass unsere Haftpflichtversicherung zahlt, wenn niemand geschippt hat, und ein braver Bürger sich auf unserem Bürgersteig den Hals bricht.
1. “Race to the Moon”
Zur heutigen Einstimmung ließ uns Aaron die 0.4te Überarbeitung seiner Neuentwicklung kosten. Wir fliegen immer noch zum Mond. Das Thema wird es aber wohl nicht bis zum Ende durchhalten, bei „Mondlandungen“ winken die Verleger gleich ab; sie fordern reißerischere Themen. Welche betörende Neuentwicklung wird auf der Zielgeraden wohl den Mond verdrängen?
Hat die bisherige Konstruktion genug Substanz? Reicht es, im Spielablauf, so wie er sich bisher präsentiert, nur an ein paar Einstellungsschräubchen zu drehen, die gewollte asymmetrische Ausstattung zu Spielbeginn auszutarieren und eine funktionelle Siegpunkt-Balance einzustellen? Wohl kaum! Das Spiel besitzt zwar eine akzeptable Dynamik, d.h. eine im Laufe des Spiels sich steigernde Aktionspotenz und nichtlineare Siegpunkterlöse. Doch sollten z.B. nicht nur die bitter notwendigen, aber wenigen Würfel am Anfang und die statistisch überflüssig vielen Würfel am Ende noch in eine rundere Korrelation zueinander gebracht werden.
Wir haben vorgeschlagen, dass den Spielern eine Aktion angeboten werden solle, mit denen sie ein aktuelles Würfelergebnis bei Bedarf verbessern können. Doch der bezüglich seines Thema sehr puristische Aaron fragt, wie man diese Würfel-Modifikation thematisch in seinem Mondrennen unterbringen könnte. Habt Ihr eine Idee?
Das Spiel soll locker sein. Locker ist auch der augenblickliche Sudden-Death, wenn der erste Spieler eine bemannte Mondlandung fertig gebracht hat und mit den dadurch erhaltenen Siegpunkt-Prämien praktisch unschlagbarer Sieger wird. Doch dem Autor gefällt das nicht:
Wenn einer mit Besatzung kaum
geflogen ist durch Zeit und Raum
zum Mond, und glaubt, dass er nun Sieger wär;
so irrt sich der!
Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.
2. “Im Wandel der Zeiten – Das Kartenspiel”
Alle hundert Karten des Spiels haben eine A-Seite und eine B-Seite. Die A-Seite ist sozusagen Geld-wert, die B-Seite ist ideell. Die Karten werden pyramidenförmig auf den Tisch gelegt, die billigeren Karten auf den unteren Rängen. Jeder Spieler bekommt 5 dieser Karten als Startausstattung auf die Hand.
Pro Zug legt nun jeder Spieler je eine Handkarte auf die A- und eine auf die B-Seite vor sich aus. Mit den Geld-werten A-Seiten kann man, wenn man genug davon aufgedeckt hat, sich die unterste Karte der Pyramide kaufen. (Höher liegende Karten kann man ebenfalls kaufen, aber dafür muss man einen zusätzlichen Obolus bezahlen, und wer tut das schon freiwillig? Bei uns kam es heute nur ganz selten vor.) Die gekauften Karten müssen mit der B-Seite in die private Auslage gelegt werden. Der Kaufpreis wird entrichtet, indem die Karten von der A-Seite auf die B-Seite gedreht werden.
Beim Auslegen einer Handkarte auf die B-Seite löst man einen karten-spezifischen Effekt aus. Diese Effekte gehen im Wesentlichen in die Richtung: Lege eine oder zwei Karten von der B-Seite auf die A-Seite. Oder auch umgekehrt. Der Trick des Spiels besteht also darin, seine Karten in der richtigen Reihenfolge mit der richtigen Seite auszulegen, um möglichst viele (besser: die RICHTIGEN!) A-Seiten aufgedeckt zu haben, mit den man in der Pyramide shopping geht.
Günther fand noch eine weitere Verwendung: Auf der B-Seite gibt nämlich auch Angriffs-Effekte, mit denen man seine Mitspieler um siegpunkt-trächtige Weltwunder-Karten erleichtern kann, wenn sie diese gerade im Schweiße ihres Angesichts durch geniales A-B-Seiten-Taktieren an Land gezogen haben.
Günther war auch – wie üblich – der genialste Maschinenbauer, der sich mit seiner Seiten-Umkehr-Maschine den Lorbeerkranz holte. Mit genauso vielen Siegpunkten wie Aaron und Walter zusammen.
„Das Kartenspiel lässt euch die Geschichte der Menschheit in weniger als einer Stunde nachempfinden“, steht als Einführung im Regelheft. Da hat einer tatsächliche das triviale Agieren unserer Politiker seit Menschheitsdenken auf den Punkt gebracht: Sie drehen ständig die A-Seite auf die B-Seite und umgekehrt, heimsen dafür Diäten ein und nehmen zuweilen der Gegenseite ein Weltwunder ab.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (mit Grüblern würde ich hier wohl wahnsinnig werden, nicht schlecht, aber nicht mein Spiel; die kleingedruckten Effekte machen das Spiel zäh), Günther: 6 (ich hab’s erst einmal gespielt; vielleicht ist es auch 7 Punkte wert), Walter: 3 (nicht mein Spiel, es ist nur ein läppisches A-Seite-B-Seite-Drehen, um damit möglichst gute Karte aus der Pyramide einkaufen zu können – und zwar bevor sie ein Mitspieler kauft).
Zur (vielleichtigen) Ehrenrettung des Spiel sei gesagt, dass wir nur die „Einführungsversion“ und nur mit der „leichteren“ Hälfte der Karten gespielt haben. Mit der „schwereren“ Hälfte kommen auch solche Effekte hinzu wie das Umdrehen der gegnerischen Karten von A nach B. Außerdem kann man in der Expertenversion neben den Karten in der Pyramide auch Karten in danebenliegenden Stapeln kaufen. Zumindest Walter wird diese Version niemals kennenlernen. Die Basisversion auch nicht noch einmal.
3. “Azul”
Zu jeder Zeit ein gefälliges Spielgefühl.
Bemerkenswert: Sowohl Aaron als auch Walter mussten je einmal eine ganze Latte von Steinen (6 oder 7 Stück) aus der Tischmitte nehmen und ALLE auf ihrem Strafkonto verbuchen. Nur Günther blieb von diesem Desaster verschont. Er wurde trotzdem nicht Erster! Was kann man daraus schließen? Nicht was Ihr jetzt denkt, dass „Azul“ ein Nobrainer wäre. Nein, das ist es keineswegs. Aber in diesem Spiel gilt zumindest eines:
„Trans Europa“, ein rundes Familienspiel und am Westpark zugleich ein beliebter Absacker, hält den 6ten Platz in unserer „ewigen Häufigsten-Liste“. 18 mal lag es bisher bei uns auf dem Tisch. „Und wie sieht hier die Grafik aus?“ wurde Aaron gefragt, als er zu Tür herein kam. Er wusste es genauso wenig wie der Gastgeber. Wenn das Spiel funktioniert, dann ist die Grafik eigentlich nebensächlich.
Nicht aber für Christof Tisch, Spielautor und Spielegrafiker, der heute unser Ehrengast war. Er hat nämlich den Auftrag bekommen, die Grafik von „Trans Europa“ für eine Neuauflage zu überarbeiten. Die Symbole auf den Städtekarten sind doch zu läppisch, von einer plakativen Gestaltung des Spielbretts ganz zu schweigen. Wir wünschen ihm dazu das gewohnte glückliche Händchen, damit das verdiente 8-Punkte-Spiel auf dem Markt noch erfolgreicher wird.
1. “Race to the Moon”
Eine Neuentwicklung von Aaron, die nicht nur für Christof, sondern auch für den Stamm der Westpark-Gamers noch unbekannt war. Christof hatte natürlich ein besonderes Interesse daran, zu erfahren, wie Aaron seine Spielentwicklung angeht. Aber auch für die anderen ist eine Neuheit jederzeit willkommen.
Wir sollen eine oder mehrere bemannte oder unbemannte Raketen zum Mond fliegen. Dazu müssen wir unsere Aktionsfreiheit dafür nutzen, die Teile für die verschiedenen Raketententypen zusammen zu fügen (Holzklötzchen), das nötige technische Know-How aufzubauen (Würfel) und geeignete Landeplätze ausfindig zu machen.
Als „spielerisches“ Beiwerk können wir anstelle von ordentlich arbeitenden Wissenschaftlern Spione einsetzen, die das Know-How nicht selber erarbeiten, sondern es von der Konkurrenz stehlen. Und wir können Gegenspione einsetzen, damit die Spione kein allzu leichtes Spiel haben, (Ein etwas unglückliches Design-Prinzip: Erst erfindet man einen mehr oder weniger guten Spielmechanismus und dann erfindet man einen weiteren Spielmechanismus, der den ersten konterkariert.)
Die Gesamtidee ist ganz schön, das Aufbauspiel hat die Entwicklungsphase 0.3 allerdings noch nicht hinter sich gelassen. Vieles läuft noch unrund und ist nicht ausbalanziert. Das ist in dieser Phase kein Wunder und kein Unglück. Aber damit das Spiel später mal am Westpark punkten kann, muss es einen klaren Charakter bekommen: Logische Aufbau-Strategien – „mehrere ganz verschiedene“ (Moritz) – mit kalkulierbarem Risiko oder das Gegenteil dazu, ein reines, lockeres Mitspieler- respektive Würfelchaos.
Es gibt noch viel zu tun. Aaron sollte sich auf seine riesige Spieler-, Spielekritiker- und Spielerdesigner-Erfahrung verlassen, und sich nicht allzuschnell von außeridrischen Beobachtern semi-funktionale Schnörkelelemente reindrücken lassen.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.
2. “Patchistory”
Aaron holte das „bisher von uns noch ungespielte“ Spiel aus der Tasche und Moritz durfte die Regeln vortragen. Doch während Moritz die Patchwork-Elemente erklärte, mit denen wir unsere Einkommensverhältnisse gestalten, dämmerte Walter, dass wir das Spiel schon einmal gespielt haben mussten. Und zwar am Westpark, da hier die einzige Station ist, an er der Brettspiele spielt. Ständig pochte er auf das Wiedererkennen. Moritz widersprach eifrig, das Spiel müsse für uns absolut neu sein.
Was war die Lösung? Walters Altersdemens konnte es nicht sein! Da vergisst man ja eher etwas Bekanntes als dass einem etwas Unbekanntes einfällt. Und für Moritz in vollem Saft und Kraft seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten war es ebenfalls ausgeschlossen, dass er ein bereits gespieltes Spiel vergaß.
Aaron schaute in unseren Tabellen nach, und siehe da: Vor zweieinhalb Jahren, am 26.06.2015, war das Spiel bereits am Westpark gespielt worden. MIT Walter aber OHNE Moritz. So leicht reimt sich das zusammen.
Damals hieß es im Report: „Moritz würde seine helle Freude daran gehabt haben. Wir hatten sie nicht.“ – Ujj, ein ganz schlechtes Vorzeichen! Wollen wir uns nochmals durch die “Unmenge von Mechanismen“ hindurchquälen, “von denen ein Großteil aber nicht funktioniert“.
Nach zwei Spielzügen warf Walter das Handtuch. Zwei Stunden Kampf mit den Regel- und Verständnisschwächen, sowie mit den gerade zu Beginn äußerst limitierten Aktionsmöglichkeiten wollte er nicht auf sich nehmen, um danach gerade mal erst ein Drittel des Spiels absolviert zu haben. Bei der ersten Begegnung hatten wir nach dieser Zeit nämlich dem Spiel ein Ende gesetzt. „Ohne dass einer dazu aufgerufen hatte. Es war allen einfach genug.“
Heute ging es darum, dass Moritz und auch Christof ein neues Spiel kennenlernen sollten und wollten. Im Verein mit Aaron – der hinterher bekannte, ebenfalls gerne an dieser Stelle abgebrochen zu haben – spielten sie das erste Zeitalter zu Ende
WPG-Wertung: Den bisherigen 3,75 Punkte-Durchschnitt hoben Christof und Moritz mit ihren je 5 Punkten über die 4-Punkte Grenze. „Jedes Element hat man leider so ausgeschmückt, dass es nicht mehr funktioniert.“
Kleine Insider-Frage am Rande: Christof saß auf Moritz’ Platz und Moritz machte uns den Günther. Bei der Auswürfelung des Startspielers wurde eine 1 gewürfelt. Wer durfte jetzt anfangen?
3. “Abluxxen”
Für eine gelöste, positive, spielerisch-erfüllte Stimmung und als Abschluss eines „trotz allem“ gelungenen Spielabends noch ein paar Runden „Abluxxen“. Ein Super-Spiel, dass es auf unserer 1052 Einträge enthaltenden „ewigen Häufigsten-Liste“ schon auf den 8ten Platz geschafft hat. Weiter so! Ein zweiter Platz ist erreichbar; der erste Platz, 247 mal „Bluff“, hingegen eher nicht.
WPG-Wertung: Christof vergibt 10 Punkte. Vielleicht können sich unsere vielen 8-Punktigen hieran ein Beispiel nehmen und auch noch etwas aufstocken.
Beim Stöbern in den Archiven meines Rechners kam folgender 15 Jahre alter Briefwechsel zum Vorschein. Ist das Problem heute noch aktuell oder hat es sich mehr in die Richtung der „me too“-Ereiferer verschoben?
Von Moritz, 12. April 2003
Liebe Freunde,
Was ich euch noch nicht erzählt habe: Seit einigen Tagen führe ich eine Email-Diskussion mit einem afroamerikanischen Spieler (Curtis Anderson), den ich einmal auf der Boardgamegeek-Seite anschrieb, weil er einen Kommentar zu deutschen Spielen abließ… dass diese oft “rassistisch” seien (ich staunte nicht schlecht, als ich dies las)! (“So many games about Africa, so few games about Africans”).
Ich war darüber zutiefst verwundert, und begann eine Diskussion mit ihm, die dann in einer Differenzierung seiner Kritik mündete (er sah nämlich ein, daß amerikanische Spiele meist wesentlich rassistischer sind). Natürlich betonte ich, dass die deutsche Spielerszene, die ja größtenteils eher linksliberal oder ökologisch orientiert ist (wenn ich mir so die oft bärtigen, Birkenstocktragenden deutschen Spieledesigner anschaue), fern jeglicher rassistischer Tendenzen ist.
Die Basis seiner Kritik war mir dann jedoch irgendwann einsichtig: Deutsche Spiele benutzen oft historische Themen (natürlich für, wie wir wissen, oft gänzlich abstrakte Spielmechanismen), ohne die nötige “Sensibilität” für das Subjekt aufzubringen (lies auch: “political correctness” – Curtis scheint ein starker Vertreter dieser Richtung zu sein).
Als Beispiele hierfür nannte er zum Beispiel “El Grande” (die Spieler stellen ja historisch effektiv Inquisitoren und Judenvernichter dar, wenn man die Epoche betrachtet), “Puerto Rico” (die braunen Arbeiterpöppel sind effektiv afrikanische Sklaven), “Im Zeichen des Kreuzes” (das muss ich wohl nicht erklären warum) und skurrilerweise auch “Vom Kap bis Kairo” (der Ausbau des afrikanischen Eisenbahnnetzes fand unter menschenverachtenden Bedingungen statt – für die schwarzen Arbeiter).
Mein Einwand dagegen war, daß viele dieser Spiele Epochen oft aus rein graphischen Designgründen gewählt werden, und keinesfalls, wie in den amerikanischen “Simulationsspielen” ,WIRKLICH dargestellt werden. “Puerto Rico” spielte ja als Prototyp auf einer Raumbasis, und wurde dann erst aus Verkaufsgründen in eine exotische, aber reale Umgebung transportiert. “El Grande” ist ja nun wirklich ultraabstrakt, und “Vom Kap bis Kairo” natürlich auch.
Mein zweiter Einwand war, daß es unmöglich wäre, IRGENDEINE historische Epoche zu nehmen, die nicht auch eine Geschichte der Unterdrückung irgendeiner Minderheit ist. Und natürlich, daß die “reale” Darstellung einer Epoche zum Beispiel bei “El Grande” beinhalten müsste, daß die Judenvernichtung spielerisch dargestellt wird, was ja nun äußerst geschmacklos sei. Soll man also nur noch Fantasyspiele oder Märchenspiele wie “Hase und Igel” machen? Das könnte ja nun auch nicht die Antwort sein….
Ein Argument war mir jedoch einleuchtend: Er sagte, daß es ihm wirklich schwer fallen würde, einem afroamerikanischen Freund ein Spiel wie “Puerto Rico” schmackhaft zu machen, da ja effektiv Sklaven als wichtiges Spielmaterial verwendet würden (und die Pöppel sind halt auch wirklich braun!), und das würde einfach abschrecken.
D.h. also hier ist wirklich Bedarf zum Diskutieren, vor allem, wie Spiele gestaltet sein müssten, die historische Themen behandeln, OHNE eventuell anzuecken.
Hier sein Statement: “I would just point out that when designing a game that includes a historical theme, a designer is representing a situation or a society that has a moral dimension. Game designers and their games should not ignore this moral dimension. To address it, we should ask some questions: Are the players pretending to be people or groups of people who benefited from victimizing others? How bad were these people? Are they worthy of representation as protagonists in a game? Is the game concept worthy of the historical period, or does it ignore unpleasant realities that shouldn’t be forgotten? Most of all, people should remember that history is important, even when it is presented in a “pasted-on” game theme. What’s history to us was the present for people in the past, and those people’s experiences should not be forgotten.” (Curtis Anderson).
Viele Grüsse, Moritz
Von Hans, 13. April 2003
Lieber Moritz,
ich gebe Deinem Freund völlig recht – in der Hinsicht, dass die kulturellen Gemeinplätze, die ein Spiel werbewirksam verkaufbar machen, aus der gleichen Richtung kommen wie die Abenteuer-Filmschinken, Abenteuerbücher usw., die vergangene Epochen aus eurozentrischer Sicht romantisieren, heroisieren und glorifizieren.
Mit “unseren” harmlosen Gesellschaftsspielen kann man aber niemand politisch aufklären, genausowenig, wie mit bösen Ideologien impfen. Deswegen ist es höchst sinnlos, diesen Spielen nur “korrekte” Themen erlauben zu wollen. Das ist einfach der falsche Kampfplatz für soziale Gerechtigkeit !
Deine Frage war ja, wie Spiele gestaltet sein müssen, um keine Gefühle zu verletzen (denn das ist ja unbestreitbar der Fall gewesen, bei Deinem Freund):
Da kann ich nur sagen: Augen auf. Bei der Autoindustrie wird der weltweite Vertrieb in der Modellpolitik berücksichtigt – keine unangenehmen Assoziationen mit dem Modellnamen auf allen Märkten weltweit ! (siehe “Pajero”)
Und, um es zu wiederholen: an den gesellschaftlichen Verhältnissen ändert ein “korrekter” Autoname oder ein “korrektes” Spielethema nichts.
Gruß, Hans.
1. “Carcosa”
Bei der hunderttausendsten Expansion von „Carcassone“ (CE) haben sich die Autoren die Lizenzgebühren bei Hans-im-Glück gespart und ihr Werk lieber unter einem neuen Namen erscheinen lassen. Auch wenn hier in der Einleitung etwas von der „Heimat des Königs in Gelb“ gefaselt wurde, und Moritz im Spielmechanismus sogar Anlehnungen an diese Kultistengeschichte gefunden haben wollte, ist „Carcosa“ (CA) ein reinrassiger Ableger von „Carcassone“. Genau wir dort decken wir reihum je ein Plättchen – mit absolut ähnlichen Strukturen wie bei CE – von ausliegenden Stapeln auf, legen es passend zu den dort bereits liegenden Plättchen in die Tischmitte und erzeugen so eine Landschaft aus Städten („Bezirken“), Wegen („Kraftlinien“) und Wiesen („Wasser“). In Klammern die Bezeichnungen aus CA.
Wir platzieren bei Gefallen eines unser Manschgerl auf den entstehenden geographischen Objekten, und kassieren später Punkte und/oder Gratifikationen, wenn die Objekte fertig abgeschlossen sind.
Natürlich gibt es eine Reihe von Unterschieden und Erweiterungen gegenüber CE. Z.B darf man das Plättchen, das man legen möchte, nicht umdrehen und die Vorderseite anschauen. Es bleibt auf der Rückseite, auf der man vage (!) die Struktur erkennen kann, an welche Stelle der bereits vorhandenen Landschaft das neue Stück hinpasst. Erst wenn ein Weg oder eine Stadt abgeschlossen wurde, werden alle zugehörigen, bisher noch verdeckten Plättchen umgedreht und man findet auf der Vorderseite neben der bereits bekannten Struktur noch geheime Zeichen, die angeben, ob das betreffende Objekt überhaupt Wertungspunkte bringt oder nicht. Wer Pech hat, hat auf Sand gebaut und geht leer aus. Es kann sogar passieren, dass beim Aufdecken eine falsche Nonne erscheint, die unser Manschgerl direkt in die Hölle befördert, so dass wir den Rest des Spiels mit einem Manschgerl weniger auskommen müssen.
Überhaupt unsere Manschgerl. Zu Spielbeginn haben wir nur ganze zwei Stück zur freien Verfügung. Davon ist einer noch „irre“ und muss sich erst in der „Nervenheilanstalt“ sanieren lassen. Es soll Möglichkeiten geben, weitere Manschgerl zu rekrutieren. Wenn man irgendwie sehr konsequent, sehr erfolgreich agiert, funktioniert das sogar. Bei uns ist das nur Moritz geglückt, und das auch nur ein einziges Mal. Günthers eine Manschgerl wurde gleich in der Anfangsphase von der falschen Nonne eliminiert, sein zweites, einziges noch verbliebendes Manschgerl stand einsam und hoffnungsvoll auf einer entstehenden Stadt, war damit aber blockiert bis die Stadt fertiggestellt war. Wenn Günther in seinem aktuellen Zug diese Stadt nicht erweitern oder fertigstellen konnte (die Auswahl der zu legenden Plättchen ist sehr begrenzt), konnte er nur versuchen, seinen Mitspielern möglicherweise genehme Stücke vor der Nase wegzuschnappen und sie in die Prärie zu legen. Oder mit unförmigen Plättchen ihre angefangenen Objekte zu verunstalten.
Miesnickeligkeit diktiert von vorne bis hinten unweigerlich das Spielgeschiehen in CA. Was soll man auch sonst tun, wenn der Freiheitsgrad, etwas Gutes für sich selber zu tun, in der Größenordnung von Null ist? Wir müssen irgend etwas falsch gespielt haben. Es kann doch nicht sein, dass Günther in diesem hochgeistigen Spiel weit abgeschlagen als Letzter geendet hat. Das Regelheft – gleich mit einer ganzen Reihe von Erweiterungen ausgeliefert, von denen wir einige auch übernommen haben – strotzt nur so vor Zugmöglichkeiten, die uns heute alle verschlossen geblieben sind. So blieb nur der Eindruck übrig, den Moritz formulierte: „Das ist schon ein merkwürdiges Spiel. Man hat alle Mechanismen von Carcassone hergenommen und so weit es ging schlechter gemacht.“
Was soll man denn von folgender Passage im Abschnitt „Geheimes Wissen“ halten? Frage: „Wer hat die handschriftlichen Notizen in diesem Regelheft verfasst? War es der Autor? Der König? Der Fremde?“ Antwort: „Es gibt keine handschriftlichen Notizen in diesem Regelheft.“ Ist hier irgendeiner vorzeitig aus der „Nervenheilanstalt“ ausgebrochen.
WPG-Wertung: Günther: 3 ([! Für ihn fast ein Negativ-Rekord!] Da würde ich doch lieber mal wieder Carcassone spielen), Milo: 5 (das Spiel enthält einige unnötige Elemente, hübsch sind die Ritualsteine), Moritz: 4 (ich habe diesen Kickstarter nur wegen des Themas gekauft. Vieles ist einfach misslungen. Selbst das Design sieht wirklich „Sch ..“ aus, während bei Carcassone das Design doch elegant ist), Walter: 3 (keine Handlungsfreiheit, und das bisschen, was man hat, macht der Zufall kaputt.).
2. “Azul”
Wir brauchten jetzt alle unbedingt etwas zum Auflockern. Da kam „Azul“ gerade recht (siehe unsern Report vom 07.12.2017). Hübsch, eine Interaktion, die weit über das übliche Konkurrenzgehabe hinausgeht, spielerisch, taktisch, planerisch, mit einem perfekt integrierten Zufallseinfluss.)
3. “Elemental”
Hier hat sich ein Autor mal wieder an die unlösbare Aufgabe gemacht, ein funktionierendes, abstraktes, rein strategisches, zufallsfreies Kampfspiel aller gegen alle zu erfinden. “Unlösbar” bezieht sich auf “funktionierend”, wohlgemerkt!
Nach Go-Manier platzieren wir reihum jeweils einen unserer Setzsteine auf einer karierten Spielfläche. Sobald wir mit unseren Setzsteinen bestimmte Muster gelegt haben, können wir damit Aggressionen anwenden. Vier Steine in einem gleichschenkligen Dreieck (drei Steine als Basis, ein vierter Stein in der Mitte) bilden einen „Feuerball“ und schießen alle gegnerischen Steine auf der Höhenlinie weg. Vier Steine als die Ecken eines Parallelogramms bilden eine “Welle”, die sich pro Zug um ein Feld weiterbewegt und alle gegnerischen Steine, über die sie sich bewegt, in den Orkus befördert. Zwei mal zwei Steine auf einer Linie bilden einen “Wechselwind” und schießen alle gegnerischen Steine ab, die sich dazwischen befinden. Und ähnliche Muster.
Vier Steine in einem Quadrat bilden einen „Berg“ und sind geschützt.
Ziel des Spiels ist es, eine symmetrische Rose aus 14 aneinanderliegenden Steinen zu bilden. Wer das geschafft hat, hat gewonnen.
Was funktioniert hier in einer 4er Runde nicht? Der Letzte im Bunde kommt nie auf einen grünen Zweig! Bevor er nur seinen vierten Stein gesetzt hat, um irgend ein aggressives Muster erzeugt zu haben, sind drei Spieler vor ihm am Zug gewesen und haben ihm die Beine unterm Hintern weggeschossen. Kann mir einer erklären, wie so ein armer Tropf wieder auf die Füße kommen soll?
Als jeder gerade mal fünf Steine platziert, Moritz und Walter bereits je eine Welle gebaut und die Spielsteine von Günther und Milo je zweimal dezimiert hatten, war klar: das Spiel funktioniert nicht. So nicht! Wir brachen ab.
Vielleicht sollte man vor dem nächsten Versuch lange, lange studieren und analysieren, welche Überlebenschancen so ein armes hinterhertrabendes Schwein hat. Bei unserer begrenzten menschlichen Lebenszeit sollte man wohl auch noch dicke Bücher über Elemental-Analysen durcharbeiten, in denen andere Elementalisten ihr reiches, fundiertes Wissen niedergelegt haben, um die strategische Vielfalt dieses Spiels zu erkennen und zu goutieren. Doch nach unserem heutigen allseitigen Vorurteil halten wir solche Analysen für einen Sisyphus-Job. Wobei der bekannte Stein wohl nicht mal bis zu einem Bruchteil des Hügel nach oben gerollt werden kann.
WPG-Wertung: Günther: 4 (Hoffnung auf eine Strategie, die vom Himmel fällt; Hoffnung auf Kooperation der Morituri und ein Sich-gegenseitig-Zerfleischen der Caesaren), Milo: 4 (5 Punkte für das 2-Personenspiel), Moritz: 5 (die Spielidee ist originell; bei mehr „Erkenntnis“ ist das Spiel – vielleicht – sogar mehr Punkte wert), Walter: 2 (glaubt nicht an die Existenz einer funktionierenden 4-Personen-Strategie; das Schönste am Spiel waren die Azul-Steine, mit denen wir gespielt haben.).
4. “Azul”
Bei der Alternativ-Entscheidung zwischen „Bluff“ oder „Azul“ als Absacker, plädierte Milo für Azul. Alle schlossen sich diesem Vorschlag an.
Im ersten Spiel war Milo Startspieler und Moritz demnach im ersten Durchgang Zweiter geworden. Ob gewollt oder zufällig, er biss dreimal in den nur vermeintlich sauren Apfel des ersten Ziehers-aus-der-Tischmitte und wurde locker Sieger.
Jetzt im zweiten Spiel, wurde Walter Startspieler und nahm regelmäßig, fast schon in seinem zweiten Zug, passende Steine aus der Tischmitte (da gibt es immer passende Steine) und wurde ebenfalls Sieger.
Der Vorteil, in einem Durchgang als erster wählen zu dürfen, zusammen mit dem statistischen Vorteil, damit auch durchschnittlich häufiger am Zug zu sein als seine Mitspieler, ist deutlich mehr wert als der eine Minuspunkt, den man sich dafür einheimst.
In „Azul“ sollte die Leiste mit den Minus-Punkten neu justiert werden. Der erste Aus-der-Tischmitte-Zieher sollte 5 Minuspunkte bekommen; die Minus-Punkte für nicht platzierbare Steine können bleiben.
Unser Spielzimmer am Westpark hat eine Grundfläche von etwa 30 qm. Eine Wand ist schräg, geht aber dann bis zu einer Höhe von 3 m. Der Raum fasst also etwa 60 cbm. Im Winter ist die Luft ziemlich trocken. Aaron fängt nach kurzer Zeit das Niesen an, obwohl schon sein Jahren keine Katze mehr ins Haus kommt; der Gastgeber hat regelmäßig ab Dezember eine verstopfte Nase. Jetzt hat er sich einen Luftbefeuchter zugelegt. Wieviel Wasser sollte er regelmäßig in dieses Gerät einfüllen?
Aaron hat mit einem Luftfeuchtigkeitsrechner im Internet (https://rechneronline.de/barometer/luftfeuchtigkeit.php) ausgerechnet, dass
– wenn in einem Raum von 60 m3
– bei einer Raumtemperatur von 22 °
– Luft von 25% relativer Feuchte hereinkommt
– und diese ohne Luftaustausch auf 50% luftbefreuchtet werden soll
dass dabei 291 ml, also weniger als ein Drittel Liter Wasser benötigt wird.
Wenn jetzt aber 4 Spieler 6 Stunden lang in diesem Zimmer sitzen, dabei 3 Liter Wasser, 1 Flasche Rotwein und 100 ml Whisky verbrauchen, um wieviel Liter Wasser wird dann der Luftbefeuchter entlastet?
1. “Santa Maria”
Ein Workerplacementspiel mit Würfeln. – Haben wir das nicht gerade gehabt? Natürlich, letzte Woche mit „Lorenzo, dem Prächtigen“. Und kurz davor mit „Rajas of the Ganges” ebenfalls! Was hat Aaron damals dazu gemeint? „Dieses Spiel hat es nicht gebraucht, solche Spiele gibt es wie Sand am Meer.“ Was wird er wohl diesmal zu „SM“ sagen?
Offiziell sind wir Kolonialherren des 16ten Jahrhunderts und senden Kolonisten und Missionare aus, um Gold aus dem Boden zu holen und um Christengold in die Seele der Indios einzuhauchen. Von dieser Geschichte ist, um es gleich vorweg zu sagen, rein gar nichts zu spüren. Das Spiel ist eine rein abstrakte Rechnerei. Moritz meinte: „die schlechteste Themenumsetzung meines Leben“.
OK, nicht alle brauchen ein Thema, um an einem Spiel Spaß zu finden. Ein hübsch designtes, ausbalanziertes Worker-Placement-Spiel ist allemal ein gute Ingenieursleistung. „Santa Maria“ ist zweifellos auch eine solche.
Herzstück ist eine 6 mal 6 Quadrat-Felder große Landschaftsfläche auf den individuellen Spielertableaus. Von vornherein sind hier bereits ein paar Aktionsfelder aufgedruckt. Weitere hier passgerecht einzufügende Landschaftsteile müssen sich die Spieler Stück für Stück nachkaufen. Bezahlt wird mit Holz oder Getreide, das man entweder für Geld kaufen, oder – viel günstiger – in seinem Landschaftsgarten abernten kann.
Dazu kommen jetzt die Würfel ins Spiel. Zu Beginn des Spiels besitzt jeder Spieler einen privaten Würfel, den er würfelt und dessen Augenzahl ihm allein gehört. Zusätzlich gibt es für alle Spieler nochmals je drei öffentliche Würfel, die alle zusammen einmal pro Runde geworfen werden, und woraus jeder Spieler bei Bedarf und Gefallen pro Zug jeweils einen Würfel an sich nehmen und die entsprechende Würfelaktion ausführen darf.
Diese besteht darin, entsprechend der Augenzahl (die man auch noch per Geld beliebig nach oben oder unten verschieben kann) eine Spalte bzw. eine Reihe in seinem Landschaftgarten auszuwählen und alle daraufliegenden Aktionen auszuführen. Das kann sein:
Holz fällen
Getreide oder Zucker ernten
Edelsteine ausbuddeln
Kolonisten ausschicken (die finden früher oder später Gold und bringen bei Mehrheit in jeder Runde Siegpunkte)
Missionare aussenden (die bringen zusätzliche private Würfel und machen Missionare, mit denen man sich Privilegien oder Siegpunkte-Prämien in der Endwertung sichern kann)
Schiffe ausrüsten (die pro Rundenende Geld, Siegpunkte, Kolonisten oder Missionare einbringen und am Ende nochmals Siegpunkte; für Schiffe werden Gold, Edelsteine und Zucker gebraucht, so dass der Run auf diese Güter durchaus lohnenswert ist).
Der Puls der Lebens in „Santa Maria“ geht also darum, über Geld oder Ernte Rohstoffe zu beschaffen, mit Rohstoffen Landschaftsplättchen für seinen Landschaftsgarten zu erwerben, über die Würfel bestimmte Ernte-, Kolonisten- oder Missionars-Aktionen in seinem Landschaftsgarten zu aktivieren, Schiffe auszurüsten und nach insgesamt drei Runden die meisten Siegpunkte auf seinem Konto zu haben.
Es gibt eine Menge Knobelmöglichkeiten:
Welche Würfel ziehe ich in welcher Reihenfolge auf meine Seite?
Wie verfahre ich mit meiner Liquidität beim Kauf und Verkauf von Rohstoffen und beim Modifizieren von Würfelergebnissen?
Nach welcher STRATEGIE fülle ich meinen Landschaftsgarten; die End-Topologie hat nämlich erheblichen Einfluss auf Siegpunkt-Prämien?
Und einiges mehr.
Als alle bereits gepasst hatten, überlegte Moritz allein zehn Minuten an seinen allerletzten Zügen, um noch die richtigen Rohstoffe zu kaufen und verkaufen, mit seinem Restgeld die richtigen Sonderaktionen in seinem Landschaftsgarten zu finanzieren, und noch zwei siegpunktträchtige Schiffe vom Stapel zu lassen. Mit 73 Punkte reichte es zum Sieg über Walter, der durch einen mehr oder weniger glücklichen Landschaftsausbau und Kolonisten-Mehrheiten auf 72 Punkte gekommen war.
Moritz schaute auf das Spielmaterial mit den riesigen ausgelobten Siegpunkten und meinte: „die 100-Punkte-Siegpunkt-Chips machen mich krank“! – Für diese Summen hätten wir insgesamt halt noch mehr als die 2 Stunden und 5 Minuten planen und nachdenken müssen, als wir es heute nach der 1 Stunde und 10 Minuten Regeleinführung getan haben.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (einschließlich 1 Punkt für die Balance; „nach der ersten Runde hatte ich schon keine Lust mehr“, das Kleinzeug müsste unbedingt thematisiert werden), Günther: 7 (langatmig, der Würfelmechanismus ist hübsch, höchst thematisch kann ich Mönche beten und Kolonisten ackern lassen), Moritz: 7 (fickerich, Null-Thematik; es gibt Spiele, deren Thema den Einstieg in das Spiel erleichtern, hier nicht), Walter: 6 (einschließlich 1 Punkt für die Balance, zu lang).
Wie wichtig ist die Thematik für ein Spiel? Im Prinzip nicht unbedingt notwendig. Bei einem Worker-Placement-Spiel, vor allem bei der Fülle von Spielen dieser Art, die in dieser unserer Spielewelt ihr Dasein fristen, muss ein Spiel aber schon reichlich thematische Analogien aufweisen, um bei uns punkten zu können.
„Sante Maria“ brachte uns jetzt sogar soweit, darüber zu philosophieren, warum wir überhaupt spielen. Mit offenem Ergebnis.
2. “Azul”
Nach dem trockenen Knobel-Kampf mit Seiner Majestät lechzten wir alle nach einem lockern, leichten, spielerischen Absacker. Da kam uns „Azul“ gerade zurecht. Welch ein Glück, dass es Günther heute wieder dabei hatte.
Natürlich haben wir diesmal wieder die „Anfängerversion“ gewählt. Eine vorgegebene Farbschablone ist viel spielerischer und lässt die Spieler sich auf den Kern des höchst interaktiven Kachel-Sammel- und Einpass-Mechanismus konzentrieren.
Unsere Diskussion über die Deadlockmöglichkeiten (siehe Spielbericht vom 13.12.2017) ging hinter den Kulissen noch weiter. Walters dortiger Beweis für das Non-Deadlocking war viel zu kurz geschossen. Inzwischen haben wir eine Füllung gefunden, wo gerade mal 13 Felder des 5 mal 5-Quadrates gefüllt sind, und kein weiterer Stein mehr gelegt werden kann (siehe Bild) Gibt es noch extremere Einfüllungen?
Ich halte Azul für eines der schönsten Spiele dieses Jahrgangs und werde es mir unverzüglich zulegen, so dass es Günther nicht immer Hin- und Herschleppen muss. Das Spiel ist für jung und alt gleichermaßen geeignet; demnächst kommen die Enkelkinder dran. Allerdings deutet das Internet an, dass das Spiel nicht mehr lieferbar ist. Bei Amazon gibt es schon Angebote für 99 Euro und mehr, für ein Spiel, das im Herbst letztes Jahres in Essen für glatte 40 Euro zu erstehen war.
WPG-Wertung: Keine Änderung für ein 7,5 Punkte-Spiel.
Ein Christbaum ist ein geschmückter Nadelbaum, der zur Weihnachtszeit in Wohnungen oder im öffentlichen Straßenraum aufgestellt wird und meist mit Lichterketten, Kerzen, Glaskugeln, Lametta, Engels- oder anderen Figuren geschmückt ist. Dieser Weihnachtsbrauch verbreitete sich im 19. Jahrhundert von Deutschland aus über die ganze Welt. Der deutschstämmige Harvard-Professor Karl Follen brachte als Erster den Christbaum in die USA, der deutsche Albert von Sachsen-Coburg und Gotha brachte für Königin Viktoria den ersten Weihnachtsbaum nach England. Auch die Niederlande, Russland und Italien verdanken ihren Weihnachtsbaum den Deutschen.
Geschmückte Bäume gibt es allerdings schon seit Menschengedenken. So sollen bereits die alten Ägypter, Chinesen und Hebräer immergrüne Bäume, Kränze und Girlanden als Sinnbild des ewigen Lebens verwendet haben. Im Mithras-Kult wurde durch das Schmücken eines Baums zur Wintersonnenwende der Sonnengott geehrt, in nördlichen Gegenden wurde damit den bösen Geistern das Eindringen ins Haus erschwert.
In Österreich ist es in den letzten Jahrzehnten Tradition geworden, Christbäume an verschiedene Einrichtungen und Organisationen im Ausland als Geschenke zu überbringen. Auch der Christbaum auf dem Marienplatz in München stammte im Jahre 2011 aus Österreich. Allerdings war es ein „Problembaum“, bei starkem Wind hätte er auf die Straße stürzen können. Auch wollte man es den Umweltschützern recht machen und keine Schönheit, sondern eher ein rachitisches Exemplar fällen. Es bekam beim Empfänger auch sofort den Namen „Hunger-Fichte“.
Der diesjährige Marienplatz-Christbaum stammt aus aus Burghausen. Bereits seit 15 Jahren stand die oberbayerische Stadt auf der Warteliste, um München einen Baum zu spenden. Es ist offensichtlich noch schwerer, der Stadt einen Christbaum zu spenden als im Oktoberfestaufzug mitzumarschieren …
Was passiert mit dem Münchener Christbaum nach der Verwendung auf dem Christkindlmarkt? Am 6.1.2018 wird er wieder abgebaut und bei gutem Zustand als Maibaum weiterverwendet. Vielleicht ist es der ersten Maibaum, der den neu aufgeputzten Luise-Kieselbach-Platz schmücken wird.
1. “Christmas Tree”
Christbäume gibt es seit Jahrhunderten auch schon in Ungarn. Sie sind dort so stark behängt, dass man vor lauter Geschenken die Zweige nicht mehr sieht. („Jaj de pompás fa a karácsonyfa. Nincs árnyéka, csak játéka, jaj de pompás fa!“) Davon hat Balázs Nagy sich zu seinem Erstlingswerk inspirieren lassen.
Eine Weihnachtsbaum-Schablone ist in lauter Rautenfelder unterteilt, auf die wir rautenförmigen Christbaumschmuck (Sterne, runde und längliche Kugeln [Frage: müssen Kugeln immer Kugelform haben?], Lebkuchen und besonders die ungarische Christbaumschmuck-Spezialität: szaloncukor [Günther hielt das zugehörige Muster für „Pralinen“]) legen müssen.
In drei Runden erhält jeder Spieler jeweils 8 Rauten, die er sich – nach der Technik von „7 Wonders“ und vielen anderen Spielen durch 7 mal 1 Stück auswählen und den Rest weitergeben – peu a peu zusammenstückeln muss, und von denen er insgesamt 7 Rauten auf seinen Christbaum legt. Nach jeder Runde wird der aktuelle Baum nach variierenden Kriterien bewertet. Es kann z.B. Siegpunkte für jede angehängte Kugel einer gegebenen Farbe geben, oder für Zweier-, Dreier- und Viererkombinationen bestimmter Schmuckstücke in Reih’ und Glied, vorwärts, rückwärts, seit und bei! Lebkuchen zählen besonders viel, wenn sie an ihren vier Kanten mit den vorgeschriebenen Schmuckstücken eingeschlossen sind.
Jeder Spieler erhält zu Spielbeginn vier Karten mit möglichen Siegpunkt-Kriterien. Für jeder Runde wählt er eine davon aus und legt sie offen in die Tischmitte. Das gewählte Kriterium gilt dann für alle Spieler.
Bei Spielende werden zusätzlich noch gelungene Lichter-Kombinationen honoriert: das sind farblich passende Kanten an den Rändern der Rauten-Schmuckstücke.
Die Herausforderung des Spiels ist
die zum erhaltenen Set an Schmuck-Rauten jeweils am besten passende Kriterien-Karte auswählen und auslegen.
die richtige Auswahl der 8 Schmuck-Rauten zu bewerkstelligen. Merken was da so alles in Umlauf ist!
Zur Klarstellung der Reihenfolge: Man wählt eine Schmuck-Raute aus seiner Hand aus, legt sie auf seinen Christbaum und gibt dann alle restlichen Schmuck-Rauten an seinen linken Nachbarn weiter! Panta rhei, alles fließt einem nur so aus den Händen.
beim sequentiellen Auslegen der Schmuck-Rauten alle möglichen, vor allem aber die real existierenden Kriterien-Karten im Auge zu behalten.
die reichlich belohnten Lebkuchen-Kombinationen und den Lichterglanz bei Spielende als permanente Nebeneffekte nicht zu vergessen.
Ganz schön viele Herausforderungen, die das gefällige Schmücken eines Christbaums zu einer intellektuellen Knobelei ersten Ranges werden lassen. Günther bedauerte, dass wir gleich mit dem Spiel für Fortgeschrittene eingestiegen sind. „Wir hätten doch das Kinderspiel spielen sollen.“ Vielleicht kommt bei weniger und nur einfachen Siegpunkte-Kriterien tatsächlich mehr Freude an den erzielten und honorierten Kombinationen auf. So war es eher ein (leicht) frustriertes Bedauern der – unweigerlich – verpassten Gelegenheiten.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (wohlwollend, weil Ungarn im Hause sind, „Knobelspiele sind nicht mein Fall“), Günther: 6 (für die Kinderversion, die eher ein lockeres Familienspiel ist), Walter: 6 (wegen der Ungarin und dem Szaloncukor, jede Reduzierung der Querbezüge in der Siegpunktausschüttung wäre dem Thema des Christbaum-Schmücken und damit einem mehr spielerischen Ablauf förderlich gewesen).
2. “Lorenzo, der Prächtige”
Ein Workerplacementspiel mit Würfeln.
Jeder Spieler hat vier Worker in den Farben weiß, schwarz, gelb und farblos, und alle Spieler zusammen haben drei Würfel in den Farben weiß, schwarz und gelb. Die drei Würfel werden pro Durchgang einmal gewürfelt und bestimmen damit die Potenz der farblich entsprechenden Worker. Das ist für alle Spieler gleich. Dem farblosen Worker ist kein Würfel zugeordnet, er hat zunächst mal die Potenz 0. Durch Abgabe von „Dienern“ kann ein Spieler aber die Potenz jedes Workers beliebig erhöhen, so bekommt auch der Nullinger ein gewisses Stichpotential.
Und was machen dann die Worker? Hier ist jetzt die gesamte Palette von üblichen Placements gegeben:
neue Diener beschaffen
Geld beschaffen
Rohstoffe beschaffen
Militärpunkte erwerben
grüne Karten für landwirtschaftliche Produktionen erwerben
die landwirtschaftlichen Produktionen aktivieren
gelbe Karten für vorindustrielle Produktionen erwerben
die vorindustriellen Produktionen aktivieren
blaue Karten für Spielvorteile und Prämien erwerben
lila Karten für direkte Siegpunkte erwerben.
Die verschiedenfarbigen Karten werden mit einer gewissen Konkurrenz zueinander erworben; der erste Spieler der die Karten einer bestimmten Farbe erwirbt, muss nur die Kosten für die Karte (Geld und/oder Rohstoffe und/oder Militärpotenz) bezahlen, jeder weitere Spieler muss zusätzlich noch 3 Geldeinheiten bezahlen. Neben den Kosten benötigt man zum Kartenerwerb auch noch eine vorgeschriebene Augenzahl für den Worker, die entweder durch den Würfel allein oder durch eine dazugelegte Anzahl von Dienern erbracht wird. Großer Vorteil für den Startspieler! Natürlich ist in „Lorenzo“ auch ein taktischer Mechanismus für die Vergabe der Startspielerpositionen eingebaut.
Konkurrenz gibt es genug. Auch beim Aktivieren von Produktionen spielt die Augenzahl des eingesetzten Worker und das Erster-Sein eine nicht unbedeutende Rolle.
Alles ist sauber beschrieben, alles ist leicht erkennbar, alles ist abgestimmt, alles wirkt in wohldefinierter, ausgewogener Weise aufeinander ein. Man muss sich spezialisieren, weil bestimmte erreichte Summen in der Endwertung hoch honoriert werden; man muss aber auch differenzieren, denn wenn man z.B. jede Menge Holz und Steine produziert, aber keine Produktion hat, in der man diese auch verbraucht, kleckern sie am Ende nur ein paar Siegpunkte hervor, obwohl sie während des Spiele solche klotzen sollten.
Um das Spiel zu beherrschen, müsste man es wohl ziemlich oft spielen, damit man den relativen Nutzeffekt einer jeden Karte genau einschätzen kann. Wir haben heute taktisch und strategisch wohl eher von der Hand in den Mund gelebt. Günther ärgerte sich über seine einseitige Produktionsmaschine, konnte am Ende aber doch noch sein gesamtes Holz vor der Hüttn loswerden und erreichte nicht zuletzt mittels der hohen Max-Grüne-Karten-Prämie den Spitzenplatz auf dem Siegertreppchen.
Aaron und Walter hatten mehr zufällige, opportunistische Produktionen aufgebaut, mit denen sich zwar gut leben ließ – in Lorenzo kann man mit jeglichem Spielzug gut leben – , aber ein Pappenstiel ist halt noch lange kein Spitzenplatz. Am Ende der über 2 ½ Stunden Spielzeit war bei beiden der emotionale Spannungsbogen auch schon etwas abgeschlafft.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (1 Punkte weniger als „Valetta“, dieses Spiel hat es nicht gebraucht, solche Spiele gibt es wie Sand am Meer), Günther: 6 (vorerst; um hinter die Schönheiten dieses Spiels zu kommen, muss man es häufiger spielen. Was soll man heute auch noch erfinden?), Walter: 6 (sauberes Design, gute Balance, reichlich Konkurrenz, lauter gute Spiel-Eigenschaften, am Ende aber doch nur ein Gewurl von undurchschaubaren Optionen und ihren schwer berechenbaren langfristigen Effekten).
„Nichts ist tapferer als die Kühnheit. Wer kämpft wohl mit größerer Kühnheit, als der Liebende für den Geliebten? Die übrigen Götter übertrifft Mars an Tapferkeit, weil er die Menschen tapferer macht. Ihn aber bezähmt Venus.
Wenn nämlich Mars im zweiten oder achten Haus der Naivität steht, so droht er den Neugeborenen mit Unheil. Venus aber besänftigt zuweilen seine Bosheit, und zwar wenn sie zu ihm in Konjunktion oder Opposition, im Gedritt- oder Sextilschein steht.
Mars aber bezwingt niemals die Venus. Wenn Mars zu ihr in Konjunktion tritt, so macht er durch seine Hitze das Ungestüm der Venus nur noch glühender.“
Marsilio Ficino : De amore
1. “Terraforming Mars: Venus Next”
Schon vor einem halben Jahr lag die Urversion von „Terraforming Mars“ zum ersten Mal bei uns auf, und schon damals tat es mir von Herzen leid, dass ich all die reichen Ideen, die wunderschönen Gaben, die harmonische Balance, das konstruktive Spielgefühl auf meine alten, spielerischen Tage nicht mehr so richtig schätzen konnte.
Hallo Günther, willst Du Dich nicht mal erbarmen und einen richtig geilen Spielbericht über TM schreiben?
Heute ging es um die „Venus Erweiterung“. Für die Freaks reicht es ja nicht, wenn sie mit 150 Entwicklungskarten kämpfen, hier kurz- mittel- und langfristig die besten für sich heraussuchen und im geeigneten Moment (bei entsprechend gefüllter Börse) zur Wirkung bringen. Sie wollen auch nicht ständig immer nur auf der Vorderseite des Mars nach Wasser graben, Grünflächen anlegen und früher oder später Städte bauen. Sie möchten auch in mehr als fünf Meilensteinen und in mehr als fünf Auszeichnungen sich mit ihren Mitspielern messen. Auf alle diese Wünsche geht die Venus ein. Dazu bringt sie einen weiteren globalen Parameter, die „Venus-Bereitschaft“, den es zu entwickeln und zu nutzen gilt.
Walter meinte, mit diesen zusätzlichen Elementen sei das Spiel (noch) komplexer geworden. Günther roch hierin die Kritik heraus und legte eifrig Widerspruch ein. Die Gesamtzahl der Karten, die wir im gesamten Spielverlauf erwerben, habe sich durch die Erweiterung wohl kaum geändert. Und wenn wir von der Hand in den Mund leben, d.h. die Karten in ihrem Gesamtzusammenhang sowieso nicht richtig einschätzen können und bei jeder Karte, die uns angeboten wird, ohnehin wie ein Ochs vorm Berg stehen, dann hat er vielleicht recht. Wenn wir „komplex“ aber in der Bedeutung von „verflochten, vielschichtig, zusammenhängend“ betrachten, dann ist TM mit der Venus-Erweiterung verflochtener, vielschichtiger, zusammenhängender, mit anderen Worten: komplexer.
Aaron suchte ohne eine vorgefasste Strategie das jeweils Beste aus den angebotenen Karten zu machen. Flexibilität ist in TM immer lohnenswert. Es reichte – trotz später nachlassender Leidenschaft – fast zum Sieg.
Walter sprang früher oder später auf die Energieschiene. Konsequent betrieben mag das erfolgreich sein, doch er hatte sich gleich in den ersten Zügen mit Nebensächlichkeiten verzettelt, z.B. eine ganze Energieproduktion für den miesnickeligen Hacker-Zug verschenkt. Letzter!
Moritz hatte jede Gelegenheit genutzt, seine Kartenhand zu füllen. Per Aktionskarten durfte er jede Runde eine Zusatzkarte für 2 statt 3 Gulden erwerben, und er konnte regelmäßig die oberste Karte vom Nachziehstapel anschauen und sie sich bei Gefallen zulegen. Doch in Summe kam bei ihm nicht das erhoffte Kartenensemble zusammen. Die erhöhte Komplexität der Venus ist hier noch schwerer zu bändigen als die 150 Karten der Basisversion. Zwischen Aaron und Walter.
Sieger wurde natürlich Günther, der sich – gewollt? gekonnt? zufällig? flexibel? probehalber? – auf Städte und Grünflächen spezialisierte und in der Endwertung damit noch einmal gehörig absahnen konnte.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (bleibt), Günther: 8 (bleibt, „der gleiche Stiefel“), Moritz: 9 (bleibt), Walter: 7 (bleibt, wohlwollend; die Venus bietet keinen Mehrwert für einen braven Normalspieler).
2. “Startups”
Vor einem Monat schrieben wir: „Ein kleines, reizvolles Kartenspiel mit einigen alten, aber auch einer zündenden neuen Idee.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Vielleicht noch Moritz’ Bemerkung: „Vielleicht ist Mau-Mau taktischer, aber als Mini-Game ist „Startups“ OK.
WPG-Wertung: Keine Reduzierung (!) der hohen Punktevergabe mit einem Schnitt von 7.5.
Wir wünschen allen Westpark-Gamers, unseren Freunden, Lesern und Kritikern sowie allen Brettspielern dieser unserer Welt ein gesegnetes Weihnachtsfest.
Weihnachten steht vor der Tür. Zum Fest der Liebe ein paar Richtungstendenzen für ein erfolgreiches Liebesspiel
wie mit einem Ball, den wir uns zuwerfen
wie einen Dialog von Shakespeare oder ein Duett von Mozart, also etwas aufführen
wie Schach, mit dem Ziel, den anderen unter zu kriegen
wie ein Spiel: spielerische Ausprobierens bevor es gemeinsam ans Regelstudium geht.
1. “Rajas of the Ganges”
Ein üppiges Workerplacement-Spiel mit einem pfiffigen integrierten Würfelnutzmechanismus. Wir setzen unsere zunächst 3, später bis zu 5 Worker pro Runde auf insgesamt 32 (vielleicht habe ich mich verzählt) verschiedenen Arbeitsplätzen ein, um sie dort für uns werkeln zu lassen. Um unsere Arbeiter aber irgendwo einsetzen zu dürfen, brauchen wir in der Regel noch einen Würfel, meist mit einer bestimmten Farbe und / oder einer bestimmten Augenzahl.
Zu Beginn ist jeder Spieler mit 4 Würfeln ausgestattet; diese Würfel sind aber blitzschnell verbraucht, und deshalb sind alle Spieler ständig darum bemüht, sich neue Würfel zu besorgen. Trivial sind dazu die „würfellosen“ Arbeitsplätze auf der „Terrasse“: hier setzt man einen Worker ein und bekommt dafür dann einen Würfel in einer beliebig wählbaren Farbe. Oder man setzt einen Worker und einen Würfel mit definierter Farbe ein und bekommt dafür zwei Würfel einer anderen, definierten Farbe. Magere Bilanz: ein Würfel pro Worker. Doch in diesen sauren Apfel müssen aller Spieler früher oder später beißen, öfters als es ihnen bei den sonstigen verlockenden Angeboten auf dem Spielplan lieb ist.
Etwas lukrativer ist die „Tänzerin“ im „Palast“. Sie muss allerdings mit einem Würfel der Augenzahl 2 bedient werden. Dann spuckt sie zwei Würfel von frei wählbaren Farben aus (also auch nur 1 Würfel mehr, als man eingesetzt hat); zusätzlich aber bekommt man noch ein verdeckt gezogenes „Ertragsplättchen“ mit einem Sonderbonus, das in fast 50% aller Fälle aus einem weiteren Würfel besteht, oder aber aus 3 Geldeinheiten, die eine ebenfalls sehr begehrenswerte Entwicklungshilfe darstellen. Günther gab jedenfalls die Devise aus, dass die Tänzerin die beste Investition des gesamten Spiels darstellt; entsprechend wurde sie in jeder Runde sofort als erstes besetzt, sofern wenigstens einer der Spieler einen Würfel mit der Augenzahl 2 besaß.
Worum geht es überhaupt in Rajas? Um Geld und um Siegpunkte. Beides ist gleich viel wert; sobald ein Spieler in der Summe von beiden 120 Einheiten besitzt, ist das Spielende eingeläutet oder bereits erreicht.
Siegpunkte erzielen wir, wenn wir unsere Worker als Freimaurer einsetzen und mit ihrer Hilfe (sowie mit „Würfelgeld“) auf unserem privaten Spielertableau Landschaftsplättchen mit Wegen, Gebäuden und Märken errichten lassen. Je nach unserem individuellem „Wertungspegel“ bekommen wir für einen gebautem Gebäudetyp 2 bis 4 Siegpunkte auf unserem Konto gutgeschrieben. Manche Landschaftsplättchen erhalten gleich zwei Gebäude, die können dann u.U. auch gleich doppelt so viele Siegpunkte einbringen.
Geld erhalten wir, wenn wir – irgendwann mal im Laufe des Spiels – auf unserem Landschaftsplättchen „Märkte“ errichtet haben und unsere Worker als Handler losschicken, um unsere Waren zu verkaufen. Es gibt bescheidene feste Preise dafür, kein schnelles Wuchergeld, aber Kleinvieh macht auch Mist. Wer die „Geldstrategie“ gefahren ist und sich viele Märkte zugelegt hat, der kann ab dem Mittelteil des Spiels schon mal leicht 8 oder 10 Geldeinheiten pro Worker in die Scheune bringen; dafür braucht er nicht einmal übermäßig hohe Augenzahlen auf seinen Würfeln.
Um dem Würfelglück noch ein Schnippchen schlagen zu können, gibt es einen Arbeitsplatz, auf dem man beliebig viele seiner Würfel nochmals neu auswürfeln darf. Man bekommt als Trostpreis dazu sogar noch zwei Geldeinheiten geschenkt. Wem das Neuwürfeln zu risikoreich ist, darf auch eine Karma-Einheit opfern, um einen Würfel auf seine Kehrseite zu drehen: aus 1 mach’ 6 oder aus 2 mach’ 5.
Geld, Siegpunkte und Würfel werden aber nicht nur durch hartes Malochen erworben, sie werden auch als Geschenke für das Erreichen bestimmter Grenzwerte an Punkten oder Geld kostenslos unter die Leute gebracht. Hier muss vor allem auch der „Ganges“ erwähnt werden, der sich wie ein Geschenkband über das Spielbrett windet, und wo für jeden Abschnitt, den man hier – per Worker plus Würfel im „Hafen“ – vorwärtspaddelt, neue hübsche Geld-Siegpunkt-Würfel-Belohnungen auf uns warten.
Alles ist weihnachtlich gestimmt, es gibt nur gute Züge, keine Aggression und nur sehr beschränkte Konkurrenz. Hübsch und friedlich.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (der Würfelmechanismus ist hübsch, das Spiel aber zu fieselig, es gibt zu viele – kleinliche – Mechanismen, auf die [auf deren Erträge] man achten muss), Günther: 8 (kein echter Aufbaumechanismus, die Steigerung ist eher linear, man sollte sich auf wenige – der vielen angebotenen – Mechanismen konzentrieren), Walter:7 (konstruktiv, hübsche Designerarbeit, gut ausbalanciert, allerdings mit nur beschränkter Interaktion; als Solitär-Spiel bekäme das Spiel 8 bis 9 Punkte).
2. “Azul”
Nach dem friedlichen „Raja“ in einer friedlichen Dreierrunde wollte Walter jetzt noch einmal die hübschen Azul-Edelsteine von letzter Woche als friedliche Händeschmeichler auf den Tisch bekommen. Allseitiges friedliches Einverständnis.
Wir fingen auch in unserer heutigen 3er Runde mit 9 Tellern an, doch bald dämmerte uns, dass dadurch mit den 36 neuen Steinen pro Runde die Kapazität unserer Lager wohl die einzige Herausforderung des Spiels geworden sei. 45 Plätze gibt es insgesamt, davon ist zu Beginn jeder Runde wohl die Hälfte noch belegt: da wird ausschließlich Glück und Erfolg beim Vermeiden der Schutthalde über Sieg oder Niederlage entscheiden.
Das kann doch nicht der Sinn von „Azul“ sein! Ist es auch nicht! Bei 3 Spielern gibt es nur 7 Teller, und mit den jetzt nur noch 28 neuen Steinen pro Runde konnte jeder wieder konstruktiv nach einer optimalen Füllung seiner Lager ausschauen. Und wieder bewährte es sich, den Strafpunkt für das erste Sich-Bedienen aus der Tischmitte nicht allzu tragisch zu nehmen; eine einigermaßen passend gefüllte Tischmitte und der Vorteil des Startspieler-Seins in der nächsten Runde, ist wesentlich mehr wert.
Wir spielten mit der „Expertenregel“: die Farben im Wandmosaik waren nicht fest vorgegeben, sondern konnten in beliebiger Kombination eingefüllt werden. Für die Mathematiker stellte sich damit sofort die Frage: Kann es, bei unglücklichem Füllen des Wandmosaiks, zu einem Deadlock kommen, d.h. zu einer Situation, bei der man die letzte Kachel nicht mehr in das Mosik einfügen kann, weil die dafür vorgesehene Farbe in den benachbarten Zeilen oder Spalten bereits vorgesehen ist?
Kann es nicht! Hier der Gegenbeweis. (Für Dich,Günther):
Ohne Beschränkung der Allgemeinheit kann man diese diskriminierende Situation abbilden als eine Situation, wo in den ersten vier Spalten der ersten Zeile des Mosaiks die Farben F1 bis F4 untergebracht sind, das Feld in der fünften Spalte ist das noch freie kritische Feld, und in der fünften Spalte der zweiten Zeile liegt die Farbe F5; die restlichen Felder x des Mosaiks seien passend gefüllt (Bild 1).
Damit wären alle weiteren Felder der Zeile 2 und der Spalte 5 für die Farbe F5 gesperrt (rote Felder in Bild 2).
Damit müssten in den drei Zeilen 3 bis 5 (grüne Felder in Bild 3) viermal die Farbe F5 untergebracht sein, und zwar so, dass sie in keiner Zeile doppelt vorkommt. Das ist ein Widerspruch. Daraus folgt, die geschilderte Ausgangssituation ist nicht möglich. Daher gibt es keinen Deadlock. Q.e.d.
WPG-Wertung: keine Änderung unserer Noten zwischen 7 und 8 Punkten.
3. “Majesty: For the Realm”
In der Tischmitte liegen in Reih und Glied 6 Berufskarten, davon dürfen wir uns pro Zug eine nehmen. Die erste kostet nix, die zweite 1 Geld, etc, die sechste kostet 5 Geld. Insgesamt haben hat jeder von uns 5 Geld. Nehmen wir also die teuerste Berufskarte, so sind wir zunächst mal pleite und müssen in unseren nächsten Zügen bis auf Weiteres die kostenlose erste Karte nehmen. Nicht nur die Schwaben unter uns Spielern nehmen hier vorzugsweise die billigste (= kostenlose) Karte.
Die gewählte Berufskarte legen wir in dasjenige unserer privaten Gebäude, das für diese Berufsgruppe vorgesehen ist: die Müllerin kommt in die Mühle, der Brauer in die Brauerei, die Hexe ins Hexenhaus, der Wächter in den Wachtturm, der Soldat ins Mordhaus, der Gastwirt in die Taverne und die Prinzessin ins Schloss.
Und jetzt kommt das Spannende. Beim Einfügen der Berufskarten in das jeweilige Gebäude werden vorgegebene Effekte ausgelöst: jede Müllerin (bereits vorhandene und die neue) bringt 2 Siegpunkte, jeder Brauer bringt 2 Siegpunkte plus 1 Geldeinheit und für alle Spieler, die bereits eine Müllerin besitzen, 2 Siegpunkte. Der Mordbube bringt 3 Siegpunkte und zugleich schlägt er bei allen Mitspielern, die zu wenig Wächter haben, eine Berufskarte lazarettreif. Jede Hexe bringt für jede Müllerin, jeden Brauer und jede weitere Hexe 2 Siegpunkte, außerdem heilt sie eine Berufskarte aus dem Lazarett. Und so weiter und so fort.
Jede neu gekaufte Berufskarten löst die Effekte aus, die Spieler kassieren ihre Siegpunkte, bringen sich ins Lazarett oder wieder heraus, und am Ende hat einer gewonnen.
Wer? Natürlich der, der die meisten Siegpunkte angehäuft hat, wobei gut gefüllte Gebäude am Ende ebenfalls noch erhebliche Mengen von Siegpunkten abwerfen. Doch wie häuft man die meisten Siegpunkte an?
Die Hexen-Strategie scheint recht erfolgsversprechend zu sein, immerhin schüttet sie – zusätzlich zur Heilung aus dem Lazarett – für drei verschiedene Berufskarten Siegpunkte aus. Die Königsklasse ist auch nicht schlecht. Zumindest wenn man die B-Seite der Gebäude spielt und eine Menge Halbtoter im Lazarett hat, die werden nämlich von Prinzessinen besonders geschätzt. (Nicht erst seit den Zeiten von Tristans Vater.) Dagegen verbreitet die Mordbuben-Strategie keinen größeren Terror. Die Hexe bringt alles wieder ins Lot.
Und wie fährt man die Hexen-Strategie? Man mischt die Berufskarten und legt sie derart aus, dass immer dann, wenn man am Zug ist, eine passende Hexenkarte an zugreifbarer Stelle liegt, die aber von allen anderen Mitspielern als unberührbar eingeschätzt wurde. Und in seinem allerletzten Zug rechnet man aus, welche der erschwinglichen Karten für einem selbst die meisten Pluspunkte und für den schärfsten Konkurrenten die meisten Minuspunkte einbringt. Diese nimmt man dann. Das kann natürlich eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, aber für Majestäten darf man diese ausnahmsweise mal opfern. Vielleicht macht es den Mitspielern sogar Spaß, hier mitzuhelfen und mitzurechnen.
Walter hat in seinem allerletzten Zug nur seine eigenen Pluspunkte maximiert, nicht aber die Summe mit den damit verbundenen mörderischen Minuspunkten für Günther. So wurde Günther Sieger. Spricht das für die intellektuelle Herausforderung von „Majesty“? Eher nicht.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spielgeschehen wird mehr oder weniger ausschließlich vom Glücksfaktor bestimmt, wann die verschiedenen Karten auftauchen), Günther: 5 (nur mit guten Willen), Walter: 5 (läppisches Spielgeschehen, keine Herausforderung, man lebt von der Hand in den Mund).
Einen ganzen Punkt weniger als die bisher schlechteste Wertung für ein HiG-Spiel. Das ist das unausweichliche Schicksal eines Verlages, der mal wieder auf die Prämie zum „Familienspiel des Jahres“ schielt. Und dann sage noch mal jemand, wir seinen HiG-minded!
Bei genauerem Nachschauen in unserem Archiv, habe ich jetzt aber doch noch vier HiG-Spiele entdeckt, die noch schlechter bewertet wurden als „Majesty“. Die beiden letzten Plätze nehmen ein:
„Maestro“ von Rudi Hoffmann mit 3,3 Punkten, für das Moritz eine wunderschöne Kritik am musikalischen Material geschrieben hat, „Fjorde“ von seligen Franz-Benno Delonge, das Günther (!) mit 4 Punkte in die Pfanne gehauen hat. Ohne Report.
Aber ansonsten können wir ruhig zugeben, das der Charakter der bei HiG erschienenen Spiele in der Regel unserem Geschmack entspricht. Trotz „Maestro“ und „Fjorde“ liegt der Durchschnitt aller HiG-Spiele auf unserer Seite bei 6,75 Punkten.