Archiv der Kategorie: Spieleabende

14.02.2018: Tauchen im Meer, graben auf der Insel

Seit dem 10. Januar läuft in unserem Spielzimmer ein Luftbefeuchter. Heute hat Aaron bemerkt, dass bei unserer absolut normalen Zimmertemperatur die Fenster von innen beschlagen! Und das bei einer Warm-Wasserheizung ohne nennenswerten Alkohol- oder Wasserverbrauch durch die Anwesenden. – Ach richtig, der Luftbefeuchter! Wenn man ihm kein Limit vorgibt, dann spuckt er Wassertröpfchen und spuckt und spuckt, bis wir bei 100% Luftfeuchte wohl alle ertrinken …

1. “OTYS”

Die Spielregel malt eine düstere Szenerie: durch rücksichtslosen Kapitalismus haben wir (wer wir?) den Meeresspiegel so steigen lassen, dass alles Land überflutet ist. Wir verbringen unser Arbeitsleben mehr oder weniger als Taucher, um so vom Meeresboden die überlebenswichtigen Ressourcen zu holen. Metalle sind dabei, Treibstoff und Technologie: der Kapitalismus geht weiter.

Jeder Spieler ist Besitzer von acht „Tauchern“, von denen jeder eine eigene Aufgabe durchführt: Vier „Experten“ für das Erbaggern von je einer Ressource aus dem Meeresboden, einen „Händler“ zum Kaufen oder Verkaufen von Ressourcen im Laden um die Ecke, sowie einen „Ingenieur“, einen „Entdecker“ und einen „Spion“ für weitere technische Aufgaben.

Wir können unsere Taucher nicht in beliebiger Reihenfolge und Häufigkeit arbeiten lassen: nach jedem unter dem Meeresspiegel durchgeführten Auftrag muss ein Taucher auftauchen und sich mindestens 3 Perioden lang an Licht und Luft regenerieren. Zur Handhabung dieses Mechanismuses liegen Taucher in einer 8er Kette nebeneinander, fünf davon unter dem Meer, die jederzeit sofort eingesetzt werden können, drei davon über dem Meer, die müssen erst wieder Runde für Runde nach unten geschoben werden. Ein Taucher, der seine Aufgabe erfüllt hat, wird aus seinem aktuellen Platz in der Liegekette herausgenommen und am obersten Punkt wieder eingeklinkt, wo er also drei Runden lang nix tut. Fazit: „Ein Taucher, der nicht taucht, taucht nix!“

Je nach seiner Position innerhalb der Liegekette aktiviert ein Taucher vor Ausführung seiner Aufgabe einen der „Sponsoren“, die für Geld, Zusatz-Ressourcen, Batterien (das kriegen wir später) oder eine Verbesserung der Tauchausrüstung sorgen. Für ein gutes Spiel sollte man beim Einsatz seiner Taucher unbedingt darauf achten, welcher Sponsor ihm gerade zugeordnet ist, um so den optimalen Sponsoren-Beitrag abzugrasen. Diese Zuordnung ist nicht fest, sie ändert sich wrap-around bei bestimmten Tauchgängen der Spieler, sie ist also beeinflussbar, aber nicht so chaotisch, als dass man sie nicht gezielt einsetzen könnte.

Und wer gewinnt? Wer als Erster 18 Siegpunkte erzielt hat. Und wie macht man Punkte? Hin und wieder werden einzelne Siegpunkte als Nebenprodukt der Tauchtätigkeit ausgeschüttet, den größten Teil von ihnen erwirtschaften wir uns aber über Aufträge, d.h. über das Ertauchen und Abliefern einer vorgeschriebenen Menge und Auswahl von Ressourcen, die wir Stück für Stück in einer unserer fünf Lieferplattformen unter der Erde zusammengetragen haben. Die obersten Plattformen fassen nur drei Ressourcen, da muss man genau aufpassen, was man hier aus dem Meeresboden heranschafft, damit die Ware nicht auftragslos herumliegt und unsere Plattform blockiert. Die unterste Plattform fasst sechs Ressourcen, hier kann man schon mal auf Vorrat ansammeln, doch ist hier eine größere, vorgegebene Ressourcen-Lieferung auch am schwierigsten zu bewerkstelligen, weil z.B. ein Experte für eine bestimme Ressource am längsten braucht, zum nach dem Zwangsauftauchen wieder hierher zu kommen.

Hier setzte Günthers Skepsis ein, ob die Tauch-Plattformen 5 und 6 überhaupt funktionieren. Wir fanden aber eine ganze Latte von Nebenbedingungen, um auch diese untersten Plattformen zum Leben zu erwecken; z.B. kann man Nachbarschaftstaucher aktivieren oder mittels Batterien (voilà) Taucher für ein weiteres Arbeiten an der gleichen Stelle festhalten („mit neuem Sauerstoff versorgen“).

Noch ein Wort zu den Aufträgen: Drei Aufträge liegen öffentlich aus; wer die geforderten Ressourcen bereit hat, kann sich hier bedienen. Dieser Auftrag ist dann weg und es wird sofort ein neuer Auftrag öffentlich ausgelegt. Pech für den Mitspieler, der auch gerade auf diesen Auftrag spekuliert hat. Hoffentlich muss er seine gesammelten Ressourcen nicht in der Pfeife rauchen. Da zieht man sich doch besser Privat-Aufträge mittels „Spion“ an Land, die genauso viel wie öffentliche einbringen, aber langfristig zu kalkulieren sind.

So werkelt ein jeder lustig vor sich hin. Ins Gehege kommt man sich nur marginal im Tante Emma Lade für Ressourcen; das Wrap-around-Verschieben der Sponsoren-Zugänge ist eher nur ein geringes Hintergrundrauschen von Mitspielerchaos. Man kann „OTYS“ sehr gut alleine spielen. Mir hat es trotz seines starken Solitär-Charakters Spaß gemacht.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (obwohl es zu der von ihm ungeliebten Kategorie der Puzzle-Spiele gehört; es war besser als befürchtet, u.a. ist es angenehm kurz; den 7ten Punkte hat es wegen des Endekriteriums – Sudden Death nach Erreichen einer definierten Schwelle – NICHT bekommen), Günther: 6 (das Nicht-Zählen von Geld, Batterien und Ressourcen bei Spielende hätte besser gelöst werden sollen), Walter: 6 (viele verschiedene Spiel-Elemente, die bei der repetitiven Verwendung gut beherrschbar werden).

2. “Loot Island”

China hat geliefert, endlich konnte Aaron die deutsche Version seines jüngsten ausgetragenen Spielekindes vorlegen und jedem Westpark-Gamer auch ein eigenes Exemplar mit Autoren-Autogramm überreichen. Danke dafür.

22 mal lag dieses Spiel im Laufe seiner Entwicklung bei uns auf. Immer wieder wurden in einer sehr konstruktiven Zusammenarbeit mit „What’s Your Game“ Rädchen anmontiert, abmontiert oder verstellt. So lange, dass auch heute Aaron noch immer wieder im Regelheft nachschauen musste, wie jetzt dieses oder jenes Detail gehandhabt wird.

In jedem Fall 30 bis 60 Minuten intensivste Interaktion. Denken und Grübeln ist angesagt, aber immer nur kurzfristig, eher für den Augenblick als für eine mittelfristige Planung. Und weil jeder von jedem Zug seiner Mitspieler betroffen ist, geht auch bei längerem Nachdenken der Spannungsbogen nicht verloren. Die Auswertung der gesammelten und verfluchten Schätze am Spielende kann nochmals einige Überraschungen bieten. Spielerisch und kalkulierbar, aber mit einem wohldosierten Anteil für die Glücksgöttin Fortuna.

WPG-Wertung: Keine Änderung der bisherigen Notengebung, aber immerhin überlegt sich Walter, ob er seine 7 in Richtung WPG-Durchschnitt auf eine 8 anhebt.

3. “Texas Showdown”

Stichkartenspiele gibt es wie Sand am Meer. Sie arbeiten alle nach dem gleichen Prinzip: Jeder spielt reihum eine Karte zu einem Stich aus, alle ausgespielten Karten haben (pro Spiel oder pro Stich) eine wohldefinierte Rangfolge, die höchste Karte macht den Stich.

Für das Drumherum gibt es vielfältige Variationskriterien: einmal zählt der Inhalt (Skat), einmal nur die nackte Anzahl der Stiche (Bridge). Mal möchte man die meisten Stiche bekommen, mal die wenigsten und manchmal auch eine genau definierte Anzahl davon (Tarock).

Oft genug ist während des gesamten Ablaufs eines Spiels eine definierte Spielfarbe Trumpf, manchmal bestimmt auch die Farbe der jeweils ersten ausgespielten Karte zu einem Stich die Trumpffarbe. Der zuerst ausgespielten Farbe muss gefolgt werden; wer nicht bedienen kann, darf eine beliebige Karte zugeben. Die höchstwertige Karte in der Trumpffarbe macht den Stich.

In „Texas Showdown“ soll man die wenigsten Stiche bekommen. Die Besonderheit hierbei sind die Konsequenzen beim Nicht-Bedienen, d.h. beim Zugeben einer Karte, die nicht der ausgespielten Trumpffarbe entspricht. Die Farbe dieser Karte wird sogleich zu einer zweiten „Trumpf-Farbe“; die Mitspieler dürfen ab sofort zu diesem Stich auch Karten in dieser zweiten Farbe „bedienen“. Nachdem jeder Spieler eine Karte zugegeben hat, ist die Farbe mit den meisten Karten in diesem Stich letztendlich die ausschlaggebende Trumpffarbe. Die höchste Karte dieser Farbe bekommt den Stich. Man kann sich also nicht in Sicherheit wiegen und als „Kartenpflege“ irgendwelche unangenehmen Karten, d.h. solche mit hohem Stichpotential loswerden. Blitzschnell bedienen die restlichen Mitspieler in dieser Farbe und die leichtfertig losgewordene Karte entfaltet tatsächlich ihr unangenehmes Stichpotential.

Eine weitere hübsche Regel in „Texal Showdown“ ist, dass man dann, wenn man den Stich mit der höchsten Karte einer Farbe bekommen hat, wählen kann, wer zum nächsten Spiel ausspielen soll. In jeder Spielsituation kann das Ausspielen ein Vorteil sein, sehr oft ist es aber ein deutlicher Nachteil. Durch Kartenpflege, d.h. durch konsequenztes Zurückhalten (Nicht-Abwerfen) dieser Höchste-einer-Farbe-Karten kann man sich für das Endspiel, wenn die Kartenhände der Mitspieler ausgezählt werden können, eine Option offen halten, um den richtigen Spieler an den Stich zu bringen.

Es gibt viele Strategien (“Schienen”), eine Kartenhand optimal abzuspielen. Wenn wir zu Spielbeginn mit 15 Karten in der Hand anfangen, kann jeder zum ersten Stich durchschnittlich 3 Karten bedienen und, falls er nicht bedienen kann, durchschnittlich etwa 12 beliebige abwerfen. Wer den ersten Stich gemacht hat, hat für das Ausspielen zum zweiten Stich 14 verschiedene Möglichkeiten. Ist das keine Handlungsfreiheit?!

Günther hat hartnäckig behauptet, dass „Texas Showdown“ ein reines Glücksspiel sei. Das haben Westpark-Gamers auch schon bei anderen Stichkartenspielen behauptet, z.B. als sie die ersten (mehrere!) Male „6-nimmt“ gespielt haben. OK, das ist kein reines Stichkartenspiel, aber es ist damit verwandt. Aber auch beim reinen Stichkartenspiel „Flaschenteufel“ haben sich solche falschen Glückspiel-Ankläger gefunden. Dort würde das heute keine mehr behaupten wollen. Natürlich kann man nicht mit jeder Kartenhand gewinnen, aber auf die Dauer gewinnt der Beste. Frage ist: wie lange ist der Lernweg, wie lange dauert es, bis kluge Spieler alles verinnerlicht haben, was zu einem guten Spiel gehört, bis sie „der Beste“ geworden sind? Von und bis zu welcher Altersstufe funktioniert ihr Gedächtnis so gut, dass sie sich exakt merken können, welche Karten gefallen bzw. noch im Spiel sind, wer welche Farben nicht mehr bedienen konnte, und bei welchem Spieler notgedrungen die noch ausstehenden Karten einer Farbe sein müssen? Erst wenn alle Mitspieler in diesen Stichspiel-Kategorien den gleichen Genius-Level erreicht haben, wird „Texas Showdown“ wieder zu einem reinen Glücksspiel.

Zwischen Günther und Walter gab es auch unterschiedliche Auffassungen, ob das Spiel zu dritt besser beherrschbar ist als zu viert (oder zu fünft oder sechst). Günther glaubte im Mehr-Teilnehmer-Chaos an Durchsicht gewinnen zu können, Walter argumentierte strikt dagegen. Aber bis zu welchem Alter lässt man sich heutzutage noch bekehren.

Günther hat heute in drei Durchgängen nicht gewonnen. Ganz im Gegenteil. Doch dieses Faktum spricht keinesfalls dafür, das „Texas Showdown“ nur ein Dödelspiel ist. Ich bin gespannt auf die nächste Stichprobe.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu dritt spielt es sich „sicherlich“ am schlechtesten), Günther: 4 (für die 3-Personen-Runde, bei mehr Spielern könnte das Spiel mehr Punkte bekommen), Walter: 6 (er liebt Stichkartenspiele jeglicher Art; dieses hier ist schnell und pfiffig, und in einer 3er Runde noch äußerst hoffnungsvoll zu kalkulieren).

07.02.2018: Im Wandel der Zeiten – Das Kartenspiel

Jeder Wohneigentümer, der ein Stückchen Bürgersteig sein eigen nennt, kennt das Problem: den Schnee wegzuschippen, der uns auch in unseren heutigen klimagewandelten Zeiten zuweilen noch schauerartig vor die Füße fällt.

In unserem Reihenhaus am Westpark stehen etwa 6 Meter in unserer Verantwortung, und weil das Schneeschippen, zumindest zu einer Zeit, wo wir nichts Besseres zu tun haben, auch Spaß macht, nehmen wir gerne auch noch die 6 Meter des rechten und des linken Nachbarn unter unsere Fittiche.

Der rechte Nachbar ist ebenfalls verantwortungsfreudig, und schippt seinerseits auch für uns. Er morgens und wir abends. Manchmal nimmt er sogar noch den Bürgersteig unseres linken Nachbarn mit. Der linke Nachbar ist hingegen etwas bewegungsscheu; selten dass seine Schneeschaufel den Weg auch nach rechts findet, vor allem, wenn seine unbeeindruckten Kinder schippen. Noch seltener findet er den Weg bis zu unserem rechten Nachbarn, seinem rechten Übernachbarn. Dafür bedankt er sich aber lautstark für unser Schneeschippen, auch wenn das zufällig der Nachbar besorgt hat. Und wenn das dieser sogar mithört.

So lässt dessen Lust an der Linksorientierung gewaltig nach. Und ich stehe in Skrupeln da, wenn gerade unser Bürgersteig und der des rechten Nachbarn geschaufelt ist, der des linken Nachbarn aber nicht. Soll ich dann selber noch zur Schaufel greifen und beim Linken tun, was der Rechte verweigert hat?

Klarer liegt der Fall hingegen, wenn dieser Nachbar vorbeikommt und direkt um einseitiges Schneeschippen bittet, weil ihm gerade eine genähte Wunde am Rücken aufgeplatzt ist. Noch klarer, wenn der übernächste Nachbar vorbeikommt und uns um diese Gefälligkeit biettet, weil er gerade seine Hand verstaucht hat. Heute ist gleich beides vorgekommen. – Wie schön, dass wir gesund sind, und dass Schneeschippen Spaß machen kann.

Nebenbei: Aaron hat glaubhaft versichert, dass unsere Haftpflichtversicherung zahlt, wenn niemand geschippt hat, und ein braver Bürger sich auf unserem Bürgersteig den Hals bricht.

1. “Race to the Moon”

Günther zeigt Aaron den Weg zum Mond

Zur heutigen Einstimmung ließ uns Aaron die 0.4te Überarbeitung seiner Neuentwicklung kosten. Wir fliegen immer noch zum Mond. Das Thema wird es aber wohl nicht bis zum Ende durchhalten, bei „Mondlandungen“ winken die Verleger gleich ab; sie fordern reißerischere Themen. Welche betörende Neuentwicklung wird auf der Zielgeraden wohl den Mond verdrängen?

Hat die bisherige Konstruktion genug Substanz? Reicht es, im Spielablauf, so wie er sich bisher präsentiert, nur an ein paar Einstellungsschräubchen zu drehen, die gewollte asymmetrische Ausstattung zu Spielbeginn auszutarieren und eine funktionelle Siegpunkt-Balance einzustellen? Wohl kaum! Das Spiel besitzt zwar eine akzeptable Dynamik, d.h. eine im Laufe des Spiels sich steigernde Aktionspotenz und nichtlineare Siegpunkterlöse. Doch sollten z.B. nicht nur die bitter notwendigen, aber wenigen Würfel am Anfang und die statistisch überflüssig vielen Würfel am Ende noch in eine rundere Korrelation zueinander gebracht werden.

Wir haben vorgeschlagen, dass den Spielern eine Aktion angeboten werden solle, mit denen sie ein aktuelles Würfelergebnis bei Bedarf verbessern können. Doch der bezüglich seines Thema sehr puristische Aaron fragt, wie man diese Würfel-Modifikation thematisch in seinem Mondrennen unterbringen könnte. Habt Ihr eine Idee?

Das Spiel soll locker sein. Locker ist auch der augenblickliche Sudden-Death, wenn der erste Spieler eine bemannte Mondlandung fertig gebracht hat und mit den dadurch erhaltenen Siegpunkt-Prämien praktisch unschlagbarer Sieger wird. Doch dem Autor gefällt das nicht:

Wenn einer mit Besatzung kaum
geflogen ist durch Zeit und Raum
zum Mond, und glaubt, dass er nun Sieger wär;
so irrt sich der!

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “Im Wandel der Zeiten – Das Kartenspiel”

Alle hundert Karten des Spiels haben eine A-Seite und eine B-Seite. Die A-Seite ist sozusagen Geld-wert, die B-Seite ist ideell. Die Karten werden pyramidenförmig auf den Tisch gelegt, die billigeren Karten auf den unteren Rängen. Jeder Spieler bekommt 5 dieser Karten als Startausstattung auf die Hand.

Pro Zug legt nun jeder Spieler je eine Handkarte auf die A- und eine auf die B-Seite vor sich aus. Mit den Geld-werten A-Seiten kann man, wenn man genug davon aufgedeckt hat, sich die unterste Karte der Pyramide kaufen. (Höher liegende Karten kann man ebenfalls kaufen, aber dafür muss man einen zusätzlichen Obolus bezahlen, und wer tut das schon freiwillig? Bei uns kam es heute nur ganz selten vor.) Die gekauften Karten müssen mit der B-Seite in die private Auslage gelegt werden. Der Kaufpreis wird entrichtet, indem die Karten von der A-Seite auf die B-Seite gedreht werden.

Beim Auslegen einer Handkarte auf die B-Seite löst man einen karten-spezifischen Effekt aus. Diese Effekte gehen im Wesentlichen in die Richtung: Lege eine oder zwei Karten von der B-Seite auf die A-Seite. Oder auch umgekehrt. Der Trick des Spiels besteht also darin, seine Karten in der richtigen Reihenfolge mit der richtigen Seite auszulegen, um möglichst viele (besser: die RICHTIGEN!) A-Seiten aufgedeckt zu haben, mit den man in der Pyramide shopping geht.

Günther fand noch eine weitere Verwendung: Auf der B-Seite gibt nämlich auch Angriffs-Effekte, mit denen man seine Mitspieler um siegpunkt-trächtige Weltwunder-Karten erleichtern kann, wenn sie diese gerade im Schweiße ihres Angesichts durch geniales A-B-Seiten-Taktieren an Land gezogen haben.

Günther war auch – wie üblich – der genialste Maschinenbauer, der sich mit seiner Seiten-Umkehr-Maschine den Lorbeerkranz holte. Mit genauso vielen Siegpunkten wie Aaron und Walter zusammen.

„Das Kartenspiel lässt euch die Geschichte der Menschheit in weniger als einer Stunde nachempfinden“, steht als Einführung im Regelheft. Da hat einer tatsächliche das triviale Agieren unserer Politiker seit Menschheitsdenken auf den Punkt gebracht: Sie drehen ständig die A-Seite auf die B-Seite und umgekehrt, heimsen dafür Diäten ein und nehmen zuweilen der Gegenseite ein Weltwunder ab.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (mit Grüblern würde ich hier wohl wahnsinnig werden, nicht schlecht, aber nicht mein Spiel; die kleingedruckten Effekte machen das Spiel zäh), Günther: 6 (ich hab’s erst einmal gespielt; vielleicht ist es auch 7 Punkte wert), Walter: 3 (nicht mein Spiel, es ist nur ein läppisches A-Seite-B-Seite-Drehen, um damit möglichst gute Karte aus der Pyramide einkaufen zu können – und zwar bevor sie ein Mitspieler kauft).

Zur (vielleichtigen) Ehrenrettung des Spiel sei gesagt, dass wir nur die „Einführungsversion“ und nur mit der „leichteren“ Hälfte der Karten gespielt haben. Mit der „schwereren“ Hälfte kommen auch solche Effekte hinzu wie das Umdrehen der gegnerischen Karten von A nach B. Außerdem kann man in der Expertenversion neben den Karten in der Pyramide auch Karten in danebenliegenden Stapeln kaufen. Zumindest Walter wird diese Version niemals kennenlernen. Die Basisversion auch nicht noch einmal.

3. “Azul”

Zu jeder Zeit ein gefälliges Spielgefühl.

Bemerkenswert: Sowohl Aaron als auch Walter mussten je einmal eine ganze Latte von Steinen (6 oder 7 Stück) aus der Tischmitte nehmen und ALLE auf ihrem Strafkonto verbuchen. Nur Günther blieb von diesem Desaster verschont. Er wurde trotzdem nicht Erster! Was kann man daraus schließen? Nicht was Ihr jetzt denkt, dass „Azul“ ein Nobrainer wäre. Nein, das ist es keineswegs. Aber in diesem Spiel gilt zumindest eines:

Keine Angst vor Strafpunkten!

Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte-Spiel.

31.01.2018: Ungeborenes, Vergessenes und Erleuchtetes

„Trans Europa“, ein rundes Familienspiel und am Westpark zugleich ein beliebter Absacker, hält den 6ten Platz in unserer „ewigen Häufigsten-Liste“. 18 mal lag es bisher bei uns auf dem Tisch. „Und wie sieht hier die Grafik aus?“ wurde Aaron gefragt, als er zu Tür herein kam. Er wusste es genauso wenig wie der Gastgeber. Wenn das Spiel funktioniert, dann ist die Grafik eigentlich nebensächlich.

Nicht aber für Christof Tisch, Spielautor und Spielegrafiker, der heute unser Ehrengast war. Er hat nämlich den Auftrag bekommen, die Grafik von „Trans Europa“ für eine Neuauflage zu überarbeiten. Die Symbole auf den Städtekarten sind doch zu läppisch, von einer plakativen Gestaltung des Spielbretts ganz zu schweigen. Wir wünschen ihm dazu das gewohnte glückliche Händchen, damit das verdiente 8-Punkte-Spiel auf dem Markt noch erfolgreicher wird.

1. “Race to the Moon”

Christof studiert den Weg zum Mond

Eine Neuentwicklung von Aaron, die nicht nur für Christof, sondern auch für den Stamm der Westpark-Gamers noch unbekannt war. Christof hatte natürlich ein besonderes Interesse daran, zu erfahren, wie Aaron seine Spielentwicklung angeht. Aber auch für die anderen ist eine Neuheit jederzeit willkommen.

Wir sollen eine oder mehrere bemannte oder unbemannte Raketen zum Mond fliegen. Dazu müssen wir unsere Aktionsfreiheit dafür nutzen, die Teile für die verschiedenen Raketententypen zusammen zu fügen (Holzklötzchen), das nötige technische Know-How aufzubauen (Würfel) und geeignete Landeplätze ausfindig zu machen.

Als „spielerisches“ Beiwerk können wir anstelle von ordentlich arbeitenden Wissenschaftlern Spione einsetzen, die das Know-How nicht selber erarbeiten, sondern es von der Konkurrenz stehlen. Und wir können Gegenspione einsetzen, damit die Spione kein allzu leichtes Spiel haben, (Ein etwas unglückliches Design-Prinzip: Erst erfindet man einen mehr oder weniger guten Spielmechanismus und dann erfindet man einen weiteren Spielmechanismus, der den ersten konterkariert.)

Die Gesamtidee ist ganz schön, das Aufbauspiel hat die Entwicklungsphase 0.3 allerdings noch nicht hinter sich gelassen. Vieles läuft noch unrund und ist nicht ausbalanziert. Das ist in dieser Phase kein Wunder und kein Unglück. Aber damit das Spiel später mal am Westpark punkten kann, muss es einen klaren Charakter bekommen: Logische Aufbau-Strategien – „mehrere ganz verschiedene“ (Moritz) – mit kalkulierbarem Risiko oder das Gegenteil dazu, ein reines, lockeres Mitspieler- respektive Würfelchaos.

Es gibt noch viel zu tun. Aaron sollte sich auf seine riesige Spieler-, Spielekritiker- und Spielerdesigner-Erfahrung verlassen, und sich nicht allzuschnell von außeridrischen Beobachtern semi-funktionale Schnörkelelemente reindrücken lassen.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Patchistory”


„Patchistory“ – Moritz macht uns den Günther

Aaron holte das „bisher von uns noch ungespielte“ Spiel aus der Tasche und Moritz durfte die Regeln vortragen. Doch während Moritz die Patchwork-Elemente erklärte, mit denen wir unsere Einkommensverhältnisse gestalten, dämmerte Walter, dass wir das Spiel schon einmal gespielt haben mussten. Und zwar am Westpark, da hier die einzige Station ist, an er der Brettspiele spielt. Ständig pochte er auf das Wiedererkennen. Moritz widersprach eifrig, das Spiel müsse für uns absolut neu sein.

Was war die Lösung? Walters Altersdemens konnte es nicht sein! Da vergisst man ja eher etwas Bekanntes als dass einem etwas Unbekanntes einfällt. Und für Moritz in vollem Saft und Kraft seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten war es ebenfalls ausgeschlossen, dass er ein bereits gespieltes Spiel vergaß.

Aaron schaute in unseren Tabellen nach, und siehe da: Vor zweieinhalb Jahren, am 26.06.2015, war das Spiel bereits am Westpark gespielt worden. MIT Walter aber OHNE Moritz. So leicht reimt sich das zusammen.

Damals hieß es im Report: „Moritz würde seine helle Freude daran gehabt haben. Wir hatten sie nicht.“ – Ujj, ein ganz schlechtes Vorzeichen! Wollen wir uns nochmals durch die “Unmenge von Mechanismen“ hindurchquälen, “von denen ein Großteil aber nicht funktioniert“.

Nach zwei Spielzügen warf Walter das Handtuch. Zwei Stunden Kampf mit den Regel- und Verständnisschwächen, sowie mit den gerade zu Beginn äußerst limitierten Aktionsmöglichkeiten wollte er nicht auf sich nehmen, um danach gerade mal erst ein Drittel des Spiels absolviert zu haben. Bei der ersten Begegnung hatten wir nach dieser Zeit nämlich dem Spiel ein Ende gesetzt. „Ohne dass einer dazu aufgerufen hatte. Es war allen einfach genug.“

Heute ging es darum, dass Moritz und auch Christof ein neues Spiel kennenlernen sollten und wollten. Im Verein mit Aaron – der hinterher bekannte, ebenfalls gerne an dieser Stelle abgebrochen zu haben – spielten sie das erste Zeitalter zu Ende

WPG-Wertung: Den bisherigen 3,75 Punkte-Durchschnitt hoben Christof und Moritz mit ihren je 5 Punkten über die 4-Punkte Grenze. „Jedes Element hat man leider so ausgeschmückt, dass es nicht mehr funktioniert.“

Kleine Insider-Frage am Rande: Christof saß auf Moritz’ Platz und Moritz machte uns den Günther. Bei der Auswürfelung des Startspielers wurde eine 1 gewürfelt. Wer durfte jetzt anfangen?

3. “Abluxxen”

Für eine gelöste, positive, spielerisch-erfüllte Stimmung und als Abschluss eines „trotz allem“ gelungenen Spielabends noch ein paar Runden „Abluxxen“. Ein Super-Spiel, dass es auf unserer 1052 Einträge enthaltenden „ewigen Häufigsten-Liste“ schon auf den 8ten Platz geschafft hat. Weiter so! Ein zweiter Platz ist erreichbar; der erste Platz, 247 mal „Bluff“, hingegen eher nicht.

WPG-Wertung: Christof vergibt 10 Punkte. Vielleicht können sich unsere vielen 8-Punktigen hieran ein Beispiel nehmen und auch noch etwas aufstocken.

24.01.2018: Nix Genaues weiß man nicht

Beim Stöbern in den Archiven meines Rechners kam folgender 15 Jahre alter Briefwechsel zum Vorschein. Ist das Problem heute noch aktuell oder hat es sich mehr in die Richtung der „me too“-Ereiferer verschoben?

Von Moritz, 12. April 2003

Liebe Freunde,

Was ich euch noch nicht erzählt habe: Seit einigen Tagen führe ich eine Email-Diskussion mit einem afroamerikanischen Spieler (Curtis Anderson), den ich einmal auf der Boardgamegeek-Seite anschrieb, weil er einen Kommentar zu deutschen Spielen abließ… dass diese oft “rassistisch” seien (ich staunte nicht schlecht, als ich dies las)! (“So many games about Africa, so few games about Africans”).

Ich war darüber zutiefst verwundert, und begann eine Diskussion mit ihm, die dann in einer Differenzierung seiner Kritik mündete (er sah nämlich ein, daß amerikanische Spiele meist wesentlich rassistischer sind). Natürlich betonte ich, dass die deutsche Spielerszene, die ja größtenteils eher linksliberal oder ökologisch orientiert ist (wenn ich mir so die oft bärtigen, Birkenstocktragenden deutschen Spieledesigner anschaue), fern jeglicher rassistischer Tendenzen ist.

Die Basis seiner Kritik war mir dann jedoch irgendwann einsichtig: Deutsche Spiele benutzen oft historische Themen (natürlich für, wie wir wissen, oft gänzlich abstrakte Spielmechanismen), ohne die nötige “Sensibilität” für das Subjekt aufzubringen (lies auch: “political correctness” – Curtis scheint ein starker Vertreter dieser Richtung zu sein).

Als Beispiele hierfür nannte er zum Beispiel “El Grande” (die Spieler stellen ja historisch effektiv Inquisitoren und Judenvernichter dar, wenn man die Epoche betrachtet), “Puerto Rico” (die braunen Arbeiterpöppel sind effektiv afrikanische Sklaven), “Im Zeichen des Kreuzes” (das muss ich wohl nicht erklären warum) und skurrilerweise auch “Vom Kap bis Kairo” (der Ausbau des afrikanischen Eisenbahnnetzes fand unter menschenverachtenden Bedingungen statt – für die schwarzen Arbeiter).

Mein Einwand dagegen war, daß viele dieser Spiele Epochen oft aus rein graphischen Designgründen gewählt werden, und keinesfalls, wie in den amerikanischen “Simulationsspielen” ,WIRKLICH dargestellt werden. “Puerto Rico” spielte ja als Prototyp auf einer Raumbasis, und wurde dann erst aus Verkaufsgründen in eine exotische, aber reale Umgebung transportiert. “El Grande” ist ja nun wirklich ultraabstrakt, und “Vom Kap bis Kairo” natürlich auch.

Mein zweiter Einwand war, daß es unmöglich wäre, IRGENDEINE historische Epoche zu nehmen, die nicht auch eine Geschichte der Unterdrückung irgendeiner Minderheit ist. Und natürlich, daß die “reale” Darstellung einer Epoche zum Beispiel bei “El Grande” beinhalten müsste, daß die Judenvernichtung spielerisch dargestellt wird, was ja nun äußerst geschmacklos sei. Soll man also nur noch Fantasyspiele oder Märchenspiele wie “Hase und Igel” machen? Das könnte ja nun auch nicht die Antwort sein….

Ein Argument war mir jedoch einleuchtend: Er sagte, daß es ihm wirklich schwer fallen würde, einem afroamerikanischen Freund ein Spiel wie “Puerto Rico” schmackhaft zu machen, da ja effektiv Sklaven als wichtiges Spielmaterial verwendet würden (und die Pöppel sind halt auch wirklich braun!), und das würde einfach abschrecken.

D.h. also hier ist wirklich Bedarf zum Diskutieren, vor allem, wie Spiele gestaltet sein müssten, die historische Themen behandeln, OHNE eventuell anzuecken.

Hier sein Statement:
“I would just point out that when designing a game that includes a historical theme, a designer is representing a situation or a society that has a moral dimension. Game designers and their games should not ignore this moral dimension. To address it, we should ask some questions: Are the players pretending to be people or groups of people who benefited from victimizing others? How bad were these people? Are they worthy of representation as protagonists in a game? Is the game concept worthy of the historical period, or does it ignore unpleasant realities that shouldn’t be forgotten? Most of all, people should remember that history is important, even when it is presented in a “pasted-on” game theme. What’s history to us was the present for people in the past, and those people’s experiences should not be forgotten.” (Curtis Anderson).

Viele Grüsse, Moritz

Von Hans, 13. April 2003

Lieber Moritz,

ich gebe Deinem Freund völlig recht – in der Hinsicht, dass die kulturellen Gemeinplätze, die ein Spiel werbewirksam verkaufbar machen, aus der gleichen Richtung kommen wie die Abenteuer-Filmschinken, Abenteuerbücher usw., die vergangene Epochen aus eurozentrischer Sicht romantisieren, heroisieren und glorifizieren.

Mit “unseren” harmlosen Gesellschaftsspielen kann man aber niemand politisch aufklären, genausowenig, wie mit bösen Ideologien impfen. Deswegen ist es höchst sinnlos, diesen Spielen nur “korrekte” Themen erlauben zu wollen. Das ist einfach der falsche Kampfplatz für soziale Gerechtigkeit !

Deine Frage war ja, wie Spiele gestaltet sein müssen, um keine Gefühle zu verletzen (denn das ist ja unbestreitbar der Fall gewesen, bei Deinem Freund):
Da kann ich nur sagen: Augen auf. Bei der Autoindustrie wird der weltweite Vertrieb in der Modellpolitik berücksichtigt – keine unangenehmen Assoziationen mit dem Modellnamen auf allen Märkten weltweit ! (siehe “Pajero”)

Und, um es zu wiederholen: an den gesellschaftlichen Verhältnissen ändert ein “korrekter” Autoname oder ein “korrektes” Spielethema nichts.

Gruß, Hans.

1. “Carcosa”

Vater und Sohn in „Carcosa“

Bei der hunderttausendsten Expansion von „Carcassone“ (CE) haben sich die Autoren die Lizenzgebühren bei Hans-im-Glück gespart und ihr Werk lieber unter einem neuen Namen erscheinen lassen. Auch wenn hier in der Einleitung etwas von der „Heimat des Königs in Gelb“ gefaselt wurde, und Moritz im Spielmechanismus sogar Anlehnungen an diese Kultistengeschichte gefunden haben wollte, ist „Carcosa“ (CA) ein reinrassiger Ableger von „Carcassone“. Genau wir dort decken wir reihum je ein Plättchen – mit absolut ähnlichen Strukturen wie bei CE – von ausliegenden Stapeln auf, legen es passend zu den dort bereits liegenden Plättchen in die Tischmitte und erzeugen so eine Landschaft aus Städten („Bezirken“), Wegen („Kraftlinien“) und Wiesen („Wasser“). In Klammern die Bezeichnungen aus CA.

Wir platzieren bei Gefallen eines unser Manschgerl auf den entstehenden geographischen Objekten, und kassieren später Punkte und/oder Gratifikationen, wenn die Objekte fertig abgeschlossen sind.

Natürlich gibt es eine Reihe von Unterschieden und Erweiterungen gegenüber CE. Z.B darf man das Plättchen, das man legen möchte, nicht umdrehen und die Vorderseite anschauen. Es bleibt auf der Rückseite, auf der man vage (!) die Struktur erkennen kann, an welche Stelle der bereits vorhandenen Landschaft das neue Stück hinpasst. Erst wenn ein Weg oder eine Stadt abgeschlossen wurde, werden alle zugehörigen, bisher noch verdeckten Plättchen umgedreht und man findet auf der Vorderseite neben der bereits bekannten Struktur noch geheime Zeichen, die angeben, ob das betreffende Objekt überhaupt Wertungspunkte bringt oder nicht. Wer Pech hat, hat auf Sand gebaut und geht leer aus. Es kann sogar passieren, dass beim Aufdecken eine falsche Nonne erscheint, die unser Manschgerl direkt in die Hölle befördert, so dass wir den Rest des Spiels mit einem Manschgerl weniger auskommen müssen.

Überhaupt unsere Manschgerl. Zu Spielbeginn haben wir nur ganze zwei Stück zur freien Verfügung. Davon ist einer noch „irre“ und muss sich erst in der „Nervenheilanstalt“ sanieren lassen. Es soll Möglichkeiten geben, weitere Manschgerl zu rekrutieren. Wenn man irgendwie sehr konsequent, sehr erfolgreich agiert, funktioniert das sogar. Bei uns ist das nur Moritz geglückt, und das auch nur ein einziges Mal. Günthers eine Manschgerl wurde gleich in der Anfangsphase von der falschen Nonne eliminiert, sein zweites, einziges noch verbliebendes Manschgerl stand einsam und hoffnungsvoll auf einer entstehenden Stadt, war damit aber blockiert bis die Stadt fertiggestellt war. Wenn Günther in seinem aktuellen Zug diese Stadt nicht erweitern oder fertigstellen konnte (die Auswahl der zu legenden Plättchen ist sehr begrenzt), konnte er nur versuchen, seinen Mitspielern möglicherweise genehme Stücke vor der Nase wegzuschnappen und sie in die Prärie zu legen. Oder mit unförmigen Plättchen ihre angefangenen Objekte zu verunstalten.

Miesnickeligkeit diktiert von vorne bis hinten unweigerlich das Spielgeschiehen in CA. Was soll man auch sonst tun, wenn der Freiheitsgrad, etwas Gutes für sich selber zu tun, in der Größenordnung von Null ist? Wir müssen irgend etwas falsch gespielt haben. Es kann doch nicht sein, dass Günther in diesem hochgeistigen Spiel weit abgeschlagen als Letzter geendet hat. Das Regelheft – gleich mit einer ganzen Reihe von Erweiterungen ausgeliefert, von denen wir einige auch übernommen haben – strotzt nur so vor Zugmöglichkeiten, die uns heute alle verschlossen geblieben sind. So blieb nur der Eindruck übrig, den Moritz formulierte: „Das ist schon ein merkwürdiges Spiel. Man hat alle Mechanismen von Carcassone hergenommen und so weit es ging schlechter gemacht.“

Was soll man denn von folgender Passage im Abschnitt „Geheimes Wissen“ halten? Frage: „Wer hat die handschriftlichen Notizen in diesem Regelheft verfasst? War es der Autor? Der König? Der Fremde?“ Antwort: „Es gibt keine handschriftlichen Notizen in diesem Regelheft.“ Ist hier irgendeiner vorzeitig aus der „Nervenheilanstalt“ ausgebrochen.

WPG-Wertung: Günther: 3 ([! Für ihn fast ein Negativ-Rekord!] Da würde ich doch lieber mal wieder Carcassone spielen), Milo: 5 (das Spiel enthält einige unnötige Elemente, hübsch sind die Ritualsteine), Moritz: 4 (ich habe diesen Kickstarter nur wegen des Themas gekauft. Vieles ist einfach misslungen. Selbst das Design sieht wirklich „Sch ..“ aus, während bei Carcassone das Design doch elegant ist), Walter: 3 (keine Handlungsfreiheit, und das bisschen, was man hat, macht der Zufall kaputt.).

2. “Azul”

Wir brauchten jetzt alle unbedingt etwas zum Auflockern. Da kam „Azul“ gerade recht (siehe unsern Report vom 07.12.2017). Hübsch, eine Interaktion, die weit über das übliche Konkurrenzgehabe hinausgeht, spielerisch, taktisch, planerisch, mit einem perfekt integrierten Zufallseinfluss.)

3. “Elemental”

„Elemental“ mit „Azul“-Steinen
Das Bild ist leicht getürkt. Wer findet den Fehler?

Hier hat sich ein Autor mal wieder an die unlösbare Aufgabe gemacht, ein funktionierendes, abstraktes, rein strategisches, zufallsfreies Kampfspiel aller gegen alle zu erfinden. “Unlösbar” bezieht sich auf “funktionierend”, wohlgemerkt!

Nach Go-Manier platzieren wir reihum jeweils einen unserer Setzsteine auf einer karierten Spielfläche. Sobald wir mit unseren Setzsteinen bestimmte Muster gelegt haben, können wir damit Aggressionen anwenden. Vier Steine in einem gleichschenkligen Dreieck (drei Steine als Basis, ein vierter Stein in der Mitte) bilden einen „Feuerball“ und schießen alle gegnerischen Steine auf der Höhenlinie weg. Vier Steine als die Ecken eines Parallelogramms bilden eine “Welle”, die sich pro Zug um ein Feld weiterbewegt und alle gegnerischen Steine, über die sie sich bewegt, in den Orkus befördert. Zwei mal zwei Steine auf einer Linie bilden einen “Wechselwind” und schießen alle gegnerischen Steine ab, die sich dazwischen befinden. Und ähnliche Muster.

Vier Steine in einem Quadrat bilden einen „Berg“ und sind geschützt.

Ziel des Spiels ist es, eine symmetrische Rose aus 14 aneinanderliegenden Steinen zu bilden. Wer das geschafft hat, hat gewonnen.

Was funktioniert hier in einer 4er Runde nicht? Der Letzte im Bunde kommt nie auf einen grünen Zweig! Bevor er nur seinen vierten Stein gesetzt hat, um irgend ein aggressives Muster erzeugt zu haben, sind drei Spieler vor ihm am Zug gewesen und haben ihm die Beine unterm Hintern weggeschossen. Kann mir einer erklären, wie so ein armer Tropf wieder auf die Füße kommen soll?

Als jeder gerade mal fünf Steine platziert, Moritz und Walter bereits je eine Welle gebaut und die Spielsteine von Günther und Milo je zweimal dezimiert hatten, war klar: das Spiel funktioniert nicht. So nicht! Wir brachen ab.

Vielleicht sollte man vor dem nächsten Versuch lange, lange studieren und analysieren, welche Überlebenschancen so ein armes hinterhertrabendes Schwein hat. Bei unserer begrenzten menschlichen Lebenszeit sollte man wohl auch noch dicke Bücher über Elemental-Analysen durcharbeiten, in denen andere Elementalisten ihr reiches, fundiertes Wissen niedergelegt haben, um die strategische Vielfalt dieses Spiels zu erkennen und zu goutieren. Doch nach unserem heutigen allseitigen Vorurteil halten wir solche Analysen für einen Sisyphus-Job. Wobei der bekannte Stein wohl nicht mal bis zu einem Bruchteil des Hügel nach oben gerollt werden kann.

WPG-Wertung: Günther: 4 (Hoffnung auf eine Strategie, die vom Himmel fällt; Hoffnung auf Kooperation der Morituri und ein Sich-gegenseitig-Zerfleischen der Caesaren), Milo: 4 (5 Punkte für das 2-Personenspiel), Moritz: 5 (die Spielidee ist originell; bei mehr „Erkenntnis“ ist das Spiel – vielleicht – sogar mehr Punkte wert), Walter: 2 (glaubt nicht an die Existenz einer funktionierenden 4-Personen-Strategie; das Schönste am Spiel waren die Azul-Steine, mit denen wir gespielt haben.).

4. “Azul”

Bei der Alternativ-Entscheidung zwischen „Bluff“ oder „Azul“ als Absacker, plädierte Milo für Azul. Alle schlossen sich diesem Vorschlag an.

Im ersten Spiel war Milo Startspieler und Moritz demnach im ersten Durchgang Zweiter geworden. Ob gewollt oder zufällig, er biss dreimal in den nur vermeintlich sauren Apfel des ersten Ziehers-aus-der-Tischmitte und wurde locker Sieger.

Jetzt im zweiten Spiel, wurde Walter Startspieler und nahm regelmäßig, fast schon in seinem zweiten Zug, passende Steine aus der Tischmitte (da gibt es immer passende Steine) und wurde ebenfalls Sieger.

Der Vorteil, in einem Durchgang als erster wählen zu dürfen, zusammen mit dem statistischen Vorteil, damit auch durchschnittlich häufiger am Zug zu sein als seine Mitspieler, ist deutlich mehr wert als der eine Minuspunkt, den man sich dafür einheimst.

In „Azul“ sollte die Leiste mit den Minus-Punkten neu justiert werden. Der erste Aus-der-Tischmitte-Zieher sollte 5 Minuspunkte bekommen; die Minus-Punkte für nicht platzierbare Steine können bleiben.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

10.01.2018: Oh Donna Clara

Unser Spielzimmer am Westpark hat eine Grundfläche von etwa 30 qm. Eine Wand ist schräg, geht aber dann bis zu einer Höhe von 3 m. Der Raum fasst also etwa 60 cbm. Im Winter ist die Luft ziemlich trocken. Aaron fängt nach kurzer Zeit das Niesen an, obwohl schon sein Jahren keine Katze mehr ins Haus kommt; der Gastgeber hat regelmäßig ab Dezember eine verstopfte Nase. Jetzt hat er sich einen Luftbefeuchter zugelegt. Wieviel Wasser sollte er regelmäßig in dieses Gerät einfüllen?

Aaron hat mit einem Luftfeuchtigkeitsrechner im Internet (https://rechneronline.de/barometer/luftfeuchtigkeit.php) ausgerechnet, dass
– wenn in einem Raum von 60 m3
– bei einer Raumtemperatur von 22 °
– Luft von 25% relativer Feuchte hereinkommt
– und diese ohne Luftaustausch auf 50% luftbefreuchtet werden soll
dass dabei 291 ml, also weniger als ein Drittel Liter Wasser benötigt wird.

Wenn jetzt aber 4 Spieler 6 Stunden lang in diesem Zimmer sitzen, dabei 3 Liter Wasser, 1 Flasche Rotwein und 100 ml Whisky verbrauchen, um wieviel Liter Wasser wird dann der Luftbefeuchter entlastet?

1. “Santa Maria”

Spielerquartett mit „Santa Maria“

Ein Workerplacementspiel mit Würfeln. – Haben wir das nicht gerade gehabt? Natürlich, letzte Woche mit „Lorenzo, dem Prächtigen“. Und kurz davor mit „Rajas of the Ganges” ebenfalls! Was hat Aaron damals dazu gemeint? „Dieses Spiel hat es nicht gebraucht, solche Spiele gibt es wie Sand am Meer.“ Was wird er wohl diesmal zu „SM“ sagen?

Offiziell sind wir Kolonialherren des 16ten Jahrhunderts und senden Kolonisten und Missionare aus, um Gold aus dem Boden zu holen und um Christengold in die Seele der Indios einzuhauchen. Von dieser Geschichte ist, um es gleich vorweg zu sagen, rein gar nichts zu spüren. Das Spiel ist eine rein abstrakte Rechnerei. Moritz meinte: „die schlechteste Themenumsetzung meines Leben“.

OK, nicht alle brauchen ein Thema, um an einem Spiel Spaß zu finden. Ein hübsch designtes, ausbalanziertes Worker-Placement-Spiel ist allemal ein gute Ingenieursleistung. „Santa Maria“ ist zweifellos auch eine solche.

Herzstück ist eine 6 mal 6 Quadrat-Felder große Landschaftsfläche auf den individuellen Spielertableaus. Von vornherein sind hier bereits ein paar Aktionsfelder aufgedruckt. Weitere hier passgerecht einzufügende Landschaftsteile müssen sich die Spieler Stück für Stück nachkaufen. Bezahlt wird mit Holz oder Getreide, das man entweder für Geld kaufen, oder – viel günstiger – in seinem Landschaftsgarten abernten kann.

Dazu kommen jetzt die Würfel ins Spiel. Zu Beginn des Spiels besitzt jeder Spieler einen privaten Würfel, den er würfelt und dessen Augenzahl ihm allein gehört. Zusätzlich gibt es für alle Spieler nochmals je drei öffentliche Würfel, die alle zusammen einmal pro Runde geworfen werden, und woraus jeder Spieler bei Bedarf und Gefallen pro Zug jeweils einen Würfel an sich nehmen und die entsprechende Würfelaktion ausführen darf.

Diese besteht darin, entsprechend der Augenzahl (die man auch noch per Geld beliebig nach oben oder unten verschieben kann) eine Spalte bzw. eine Reihe in seinem Landschaftgarten auszuwählen und alle daraufliegenden Aktionen auszuführen. Das kann sein:

  • Holz fällen
  • Getreide oder Zucker ernten
  • Edelsteine ausbuddeln
  • Kolonisten ausschicken (die finden früher oder später Gold und bringen bei Mehrheit in jeder Runde Siegpunkte)
  • Missionare aussenden (die bringen zusätzliche private Würfel und machen Missionare, mit denen man sich Privilegien oder Siegpunkte-Prämien in der Endwertung sichern kann)
  • Schiffe ausrüsten (die pro Rundenende Geld, Siegpunkte, Kolonisten oder Missionare einbringen und am Ende nochmals Siegpunkte; für Schiffe werden Gold, Edelsteine und Zucker gebraucht, so dass der Run auf diese Güter durchaus lohnenswert ist).

Der Puls der Lebens in „Santa Maria“ geht also darum, über Geld oder Ernte Rohstoffe zu beschaffen, mit Rohstoffen Landschaftsplättchen für seinen Landschaftsgarten zu erwerben, über die Würfel bestimmte Ernte-, Kolonisten- oder Missionars-Aktionen in seinem Landschaftsgarten zu aktivieren, Schiffe auszurüsten und nach insgesamt drei Runden die meisten Siegpunkte auf seinem Konto zu haben.

Es gibt eine Menge Knobelmöglichkeiten:

  • Welche Würfel ziehe ich in welcher Reihenfolge auf meine Seite?
  • Wie verfahre ich mit meiner Liquidität beim Kauf und Verkauf von Rohstoffen und beim Modifizieren von Würfelergebnissen?
  • Nach welcher STRATEGIE fülle ich meinen Landschaftsgarten; die End-Topologie hat nämlich erheblichen Einfluss auf Siegpunkt-Prämien?
  • Und einiges mehr.

Als alle bereits gepasst hatten, überlegte Moritz allein zehn Minuten an seinen allerletzten Zügen, um noch die richtigen Rohstoffe zu kaufen und verkaufen, mit seinem Restgeld die richtigen Sonderaktionen in seinem Landschaftsgarten zu finanzieren, und noch zwei siegpunktträchtige Schiffe vom Stapel zu lassen. Mit 73 Punkte reichte es zum Sieg über Walter, der durch einen mehr oder weniger glücklichen Landschaftsausbau und Kolonisten-Mehrheiten auf 72 Punkte gekommen war.

Moritz schaute auf das Spielmaterial mit den riesigen ausgelobten Siegpunkten und meinte: „die 100-Punkte-Siegpunkt-Chips machen mich krank“! – Für diese Summen hätten wir insgesamt halt noch mehr als die 2 Stunden und 5 Minuten planen und nachdenken müssen, als wir es heute nach der 1 Stunde und 10 Minuten Regeleinführung getan haben.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (einschließlich 1 Punkt für die Balance; „nach der ersten Runde hatte ich schon keine Lust mehr“, das Kleinzeug müsste unbedingt thematisiert werden), Günther: 7 (langatmig, der Würfelmechanismus ist hübsch, höchst thematisch kann ich Mönche beten und Kolonisten ackern lassen), Moritz: 7 (fickerich, Null-Thematik; es gibt Spiele, deren Thema den Einstieg in das Spiel erleichtern, hier nicht), Walter: 6 (einschließlich 1 Punkt für die Balance, zu lang).

Wie wichtig ist die Thematik für ein Spiel? Im Prinzip nicht unbedingt notwendig. Bei einem Worker-Placement-Spiel, vor allem bei der Fülle von Spielen dieser Art, die in dieser unserer Spielewelt ihr Dasein fristen, muss ein Spiel aber schon reichlich thematische Analogien aufweisen, um bei uns punkten zu können.

„Sante Maria“ brachte uns jetzt sogar soweit, darüber zu philosophieren, warum wir überhaupt spielen. Mit offenem Ergebnis.

2. “Azul”

„Azul“ : Deadlock nach 13 von 25 Steinen

Nach dem trockenen Knobel-Kampf mit Seiner Majestät lechzten wir alle nach einem lockern, leichten, spielerischen Absacker. Da kam uns „Azul“ gerade zurecht. Welch ein Glück, dass es Günther heute wieder dabei hatte.

Natürlich haben wir diesmal wieder die „Anfängerversion“ gewählt. Eine vorgegebene Farbschablone ist viel spielerischer und lässt die Spieler sich auf den Kern des höchst interaktiven Kachel-Sammel- und Einpass-Mechanismus konzentrieren.

Unsere Diskussion über die Deadlockmöglichkeiten (siehe Spielbericht vom 13.12.2017) ging hinter den Kulissen noch weiter. Walters dortiger Beweis für das Non-Deadlocking war viel zu kurz geschossen. Inzwischen haben wir eine Füllung gefunden, wo gerade mal 13 Felder des 5 mal 5-Quadrates gefüllt sind, und kein weiterer Stein mehr gelegt werden kann (siehe Bild) Gibt es noch extremere Einfüllungen?

Ich halte Azul für eines der schönsten Spiele dieses Jahrgangs und werde es mir unverzüglich zulegen, so dass es Günther nicht immer Hin- und Herschleppen muss. Das Spiel ist für jung und alt gleichermaßen geeignet; demnächst kommen die Enkelkinder dran. Allerdings deutet das Internet an, dass das Spiel nicht mehr lieferbar ist. Bei Amazon gibt es schon Angebote für 99 Euro und mehr, für ein Spiel, das im Herbst letztes Jahres in Essen für glatte 40 Euro zu erstehen war.

WPG-Wertung: Keine Änderung für ein 7,5 Punkte-Spiel.

03.01.2018: Ein prächtiger Christbaum

Ein Christbaum ist ein geschmückter Nadelbaum, der zur Weihnachtszeit in Wohnungen oder im öffentlichen Straßenraum aufgestellt wird und meist mit Lichterketten, Kerzen, Glaskugeln, Lametta, Engels- oder anderen Figuren geschmückt ist. Dieser Weihnachtsbrauch verbreitete sich im 19. Jahrhundert von Deutschland aus über die ganze Welt. Der deutschstämmige Harvard-Professor Karl Follen brachte als Erster den Christbaum in die USA, der deutsche Albert von Sachsen-Coburg und Gotha brachte für Königin Viktoria den ersten Weihnachtsbaum nach England. Auch die Niederlande, Russland und Italien verdanken ihren Weihnachtsbaum den Deutschen.

Geschmückte Bäume gibt es allerdings schon seit Menschengedenken. So sollen bereits die alten Ägypter, Chinesen und Hebräer immergrüne Bäume, Kränze und Girlanden als Sinnbild des ewigen Lebens verwendet haben. Im Mithras-Kult wurde durch das Schmücken eines Baums zur Wintersonnenwende der Sonnengott geehrt, in nördlichen Gegenden wurde damit den bösen Geistern das Eindringen ins Haus erschwert.

In Österreich ist es in den letzten Jahrzehnten Tradition geworden, Christbäume an verschiedene Einrichtungen und Organisationen im Ausland als Geschenke zu überbringen. Auch der Christbaum auf dem Marienplatz in München stammte im Jahre 2011 aus Österreich. Allerdings war es ein „Problembaum“, bei starkem Wind hätte er auf die Straße stürzen können. Auch wollte man es den Umweltschützern recht machen und keine Schönheit, sondern eher ein rachitisches Exemplar fällen. Es bekam beim Empfänger auch sofort den Namen „Hunger-Fichte“.

Der diesjährige Marienplatz-Christbaum stammt aus aus Burghausen. Bereits seit 15 Jahren stand die oberbayerische Stadt auf der Warteliste, um München einen Baum zu spenden. Es ist offensichtlich noch schwerer, der Stadt einen Christbaum zu spenden als im Oktoberfestaufzug mitzumarschieren …

Was passiert mit dem Münchener Christbaum nach der Verwendung auf dem Christkindlmarkt? Am 6.1.2018 wird er wieder abgebaut und bei gutem Zustand als Maibaum weiterverwendet. Vielleicht ist es der ersten Maibaum, der den neu aufgeputzten Luise-Kieselbach-Platz schmücken wird.

1. “Christmas Tree”

Szenerie in „Christmas Tree“

Christbäume gibt es seit Jahrhunderten auch schon in Ungarn. Sie sind dort so stark behängt, dass man vor lauter Geschenken die Zweige nicht mehr sieht. („Jaj de pompás fa a karácsonyfa. Nincs árnyéka, csak játéka, jaj de pompás fa!“) Davon hat Balázs Nagy sich zu seinem Erstlingswerk inspirieren lassen.

Eine Weihnachtsbaum-Schablone ist in lauter Rautenfelder unterteilt, auf die wir rautenförmigen Christbaumschmuck (Sterne, runde und längliche Kugeln [Frage: müssen Kugeln immer Kugelform haben?], Lebkuchen und besonders die ungarische Christbaumschmuck-Spezialität: szaloncukor [Günther hielt das zugehörige Muster für „Pralinen“]) legen müssen.

In drei Runden erhält jeder Spieler jeweils 8 Rauten, die er sich – nach der Technik von „7 Wonders“ und vielen anderen Spielen durch 7 mal 1 Stück auswählen und den Rest weitergeben – peu a peu zusammenstückeln muss, und von denen er insgesamt 7 Rauten auf seinen Christbaum legt. Nach jeder Runde wird der aktuelle Baum nach variierenden Kriterien bewertet. Es kann z.B. Siegpunkte für jede angehängte Kugel einer gegebenen Farbe geben, oder für Zweier-, Dreier- und Viererkombinationen bestimmter Schmuckstücke in Reih’ und Glied, vorwärts, rückwärts, seit und bei! Lebkuchen zählen besonders viel, wenn sie an ihren vier Kanten mit den vorgeschriebenen Schmuckstücken eingeschlossen sind.

Jeder Spieler erhält zu Spielbeginn vier Karten mit möglichen Siegpunkt-Kriterien. Für jeder Runde wählt er eine davon aus und legt sie offen in die Tischmitte. Das gewählte Kriterium gilt dann für alle Spieler.

Bei Spielende werden zusätzlich noch gelungene Lichter-Kombinationen honoriert: das sind farblich passende Kanten an den Rändern der Rauten-Schmuckstücke.

Die Herausforderung des Spiels ist

  • die zum erhaltenen Set an Schmuck-Rauten jeweils am besten passende Kriterien-Karte auswählen und auslegen.
  • die richtige Auswahl der 8 Schmuck-Rauten zu bewerkstelligen. Merken was da so alles in Umlauf ist!
    Zur Klarstellung der Reihenfolge: Man wählt eine Schmuck-Raute aus seiner Hand aus, legt sie auf seinen Christbaum und gibt dann alle restlichen Schmuck-Rauten an seinen linken Nachbarn weiter! Panta rhei, alles fließt einem nur so aus den Händen.
  • beim sequentiellen Auslegen der Schmuck-Rauten alle möglichen, vor allem aber die real existierenden Kriterien-Karten im Auge zu behalten.
  • die reichlich belohnten Lebkuchen-Kombinationen und den Lichterglanz bei Spielende als permanente Nebeneffekte nicht zu vergessen.

Ganz schön viele Herausforderungen, die das gefällige Schmücken eines Christbaums zu einer intellektuellen Knobelei ersten Ranges werden lassen. Günther bedauerte, dass wir gleich mit dem Spiel für Fortgeschrittene eingestiegen sind. „Wir hätten doch das Kinderspiel spielen sollen.“ Vielleicht kommt bei weniger und nur einfachen Siegpunkte-Kriterien tatsächlich mehr Freude an den erzielten und honorierten Kombinationen auf. So war es eher ein (leicht) frustriertes Bedauern der – unweigerlich – verpassten Gelegenheiten.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (wohlwollend, weil Ungarn im Hause sind, „Knobelspiele sind nicht mein Fall“), Günther: 6 (für die Kinderversion, die eher ein lockeres Familienspiel ist), Walter: 6 (wegen der Ungarin und dem Szaloncukor, jede Reduzierung der Querbezüge in der Siegpunktausschüttung wäre dem Thema des Christbaum-Schmücken und damit einem mehr spielerischen Ablauf förderlich gewesen).

2. “Lorenzo, der Prächtige”

Szenerie in “Lorenzo, der Prächtige”

Ein Workerplacementspiel mit Würfeln.

Jeder Spieler hat vier Worker in den Farben weiß, schwarz, gelb und farblos, und alle Spieler zusammen haben drei Würfel in den Farben weiß, schwarz und gelb. Die drei Würfel werden pro Durchgang einmal gewürfelt und bestimmen damit die Potenz der farblich entsprechenden Worker. Das ist für alle Spieler gleich. Dem farblosen Worker ist kein Würfel zugeordnet, er hat zunächst mal die Potenz 0. Durch Abgabe von „Dienern“ kann ein Spieler aber die Potenz jedes Workers beliebig erhöhen, so bekommt auch der Nullinger ein gewisses Stichpotential.

Und was machen dann die Worker? Hier ist jetzt die gesamte Palette von üblichen Placements gegeben:

  • neue Diener beschaffen
  • Geld beschaffen
  • Rohstoffe beschaffen
  • Militärpunkte erwerben
  • grüne Karten für landwirtschaftliche Produktionen erwerben
  • die landwirtschaftlichen Produktionen aktivieren
  • gelbe Karten für vorindustrielle Produktionen erwerben
  • die vorindustriellen Produktionen aktivieren
  • blaue Karten für Spielvorteile und Prämien erwerben
  • lila Karten für direkte Siegpunkte erwerben.

Die verschiedenfarbigen Karten werden mit einer gewissen Konkurrenz zueinander erworben; der erste Spieler der die Karten einer bestimmten Farbe erwirbt, muss nur die Kosten für die Karte (Geld und/oder Rohstoffe und/oder Militärpotenz) bezahlen, jeder weitere Spieler muss zusätzlich noch 3 Geldeinheiten bezahlen. Neben den Kosten benötigt man zum Kartenerwerb auch noch eine vorgeschriebene Augenzahl für den Worker, die entweder durch den Würfel allein oder durch eine dazugelegte Anzahl von Dienern erbracht wird. Großer Vorteil für den Startspieler! Natürlich ist in „Lorenzo“ auch ein taktischer Mechanismus für die Vergabe der Startspielerpositionen eingebaut.

Konkurrenz gibt es genug. Auch beim Aktivieren von Produktionen spielt die Augenzahl des eingesetzten Worker und das Erster-Sein eine nicht unbedeutende Rolle.

Alles ist sauber beschrieben, alles ist leicht erkennbar, alles ist abgestimmt, alles wirkt in wohldefinierter, ausgewogener Weise aufeinander ein. Man muss sich spezialisieren, weil bestimmte erreichte Summen in der Endwertung hoch honoriert werden; man muss aber auch differenzieren, denn wenn man z.B. jede Menge Holz und Steine produziert, aber keine Produktion hat, in der man diese auch verbraucht, kleckern sie am Ende nur ein paar Siegpunkte hervor, obwohl sie während des Spiele solche klotzen sollten.

Um das Spiel zu beherrschen, müsste man es wohl ziemlich oft spielen, damit man den relativen Nutzeffekt einer jeden Karte genau einschätzen kann. Wir haben heute taktisch und strategisch wohl eher von der Hand in den Mund gelebt. Günther ärgerte sich über seine einseitige Produktionsmaschine, konnte am Ende aber doch noch sein gesamtes Holz vor der Hüttn loswerden und erreichte nicht zuletzt mittels der hohen Max-Grüne-Karten-Prämie den Spitzenplatz auf dem Siegertreppchen.

Aaron und Walter hatten mehr zufällige, opportunistische Produktionen aufgebaut, mit denen sich zwar gut leben ließ – in Lorenzo kann man mit jeglichem Spielzug gut leben – , aber ein Pappenstiel ist halt noch lange kein Spitzenplatz. Am Ende der über 2 ½ Stunden Spielzeit war bei beiden der emotionale Spannungsbogen auch schon etwas abgeschlafft.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (1 Punkte weniger als „Valetta“, dieses Spiel hat es nicht gebraucht, solche Spiele gibt es wie Sand am Meer), Günther: 6 (vorerst; um hinter die Schönheiten dieses Spiels zu kommen, muss man es häufiger spielen. Was soll man heute auch noch erfinden?), Walter: 6 (sauberes Design, gute Balance, reichlich Konkurrenz, lauter gute Spiel-Eigenschaften, am Ende aber doch nur ein Gewurl von undurchschaubaren Optionen und ihren schwer berechenbaren langfristigen Effekten).

20.12.2017: Die wohlgebaute Venus

„Nichts ist tapferer als die Kühnheit. Wer kämpft wohl mit größerer Kühnheit, als der Liebende für den Geliebten? Die übrigen Götter übertrifft Mars an Tapferkeit, weil er die Menschen tapferer macht. Ihn aber bezähmt Venus.
Wenn nämlich Mars im zweiten oder achten Haus der Naivität steht, so droht er den Neugeborenen mit Unheil. Venus aber besänftigt zuweilen seine Bosheit, und zwar wenn sie zu ihm in Konjunktion oder Opposition, im Gedritt- oder Sextilschein steht.
Mars aber bezwingt niemals die Venus. Wenn Mars zu ihr in Konjunktion tritt, so macht er durch seine Hitze das Ungestüm der Venus nur noch glühender.“

Marsilio Ficino : De amore

1. “Terraforming Mars: Venus Next”

Terraforming Mars – Venus Erweiterung

Schon vor einem halben Jahr lag die Urversion von „Terraforming Mars“ zum ersten Mal bei uns auf, und schon damals tat es mir von Herzen leid, dass ich all die reichen Ideen, die wunderschönen Gaben, die harmonische Balance, das konstruktive Spielgefühl auf meine alten, spielerischen Tage nicht mehr so richtig schätzen konnte.

Hallo Günther, willst Du Dich nicht mal erbarmen und einen richtig geilen Spielbericht über TM schreiben?

Heute ging es um die „Venus Erweiterung“. Für die Freaks reicht es ja nicht, wenn sie mit 150 Entwicklungskarten kämpfen, hier kurz- mittel- und langfristig die besten für sich heraussuchen und im geeigneten Moment (bei entsprechend gefüllter Börse) zur Wirkung bringen. Sie wollen auch nicht ständig immer nur auf der Vorderseite des Mars nach Wasser graben, Grünflächen anlegen und früher oder später Städte bauen. Sie möchten auch in mehr als fünf Meilensteinen und in mehr als fünf Auszeichnungen sich mit ihren Mitspielern messen. Auf alle diese Wünsche geht die Venus ein. Dazu bringt sie einen weiteren globalen Parameter, die „Venus-Bereitschaft“, den es zu entwickeln und zu nutzen gilt.

Walter meinte, mit diesen zusätzlichen Elementen sei das Spiel (noch) komplexer geworden. Günther roch hierin die Kritik heraus und legte eifrig Widerspruch ein. Die Gesamtzahl der Karten, die wir im gesamten Spielverlauf erwerben, habe sich durch die Erweiterung wohl kaum geändert. Und wenn wir von der Hand in den Mund leben, d.h. die Karten in ihrem Gesamtzusammenhang sowieso nicht richtig einschätzen können und bei jeder Karte, die uns angeboten wird, ohnehin wie ein Ochs vorm Berg stehen, dann hat er vielleicht recht. Wenn wir „komplex“ aber in der Bedeutung von „verflochten, vielschichtig, zusammenhängend“ betrachten, dann ist TM mit der Venus-Erweiterung verflochtener, vielschichtiger, zusammenhängender, mit anderen Worten: komplexer.

Aaron suchte ohne eine vorgefasste Strategie das jeweils Beste aus den angebotenen Karten zu machen. Flexibilität ist in TM immer lohnenswert. Es reichte – trotz später nachlassender Leidenschaft – fast zum Sieg.

Walter sprang früher oder später auf die Energieschiene. Konsequent betrieben mag das erfolgreich sein, doch er hatte sich gleich in den ersten Zügen mit Nebensächlichkeiten verzettelt, z.B. eine ganze Energieproduktion für den miesnickeligen Hacker-Zug verschenkt. Letzter!

Moritz hatte jede Gelegenheit genutzt, seine Kartenhand zu füllen. Per Aktionskarten durfte er jede Runde eine Zusatzkarte für 2 statt 3 Gulden erwerben, und er konnte regelmäßig die oberste Karte vom Nachziehstapel anschauen und sie sich bei Gefallen zulegen. Doch in Summe kam bei ihm nicht das erhoffte Kartenensemble zusammen. Die erhöhte Komplexität der Venus ist hier noch schwerer zu bändigen als die 150 Karten der Basisversion. Zwischen Aaron und Walter.

Sieger wurde natürlich Günther, der sich – gewollt? gekonnt? zufällig? flexibel? probehalber? – auf Städte und Grünflächen spezialisierte und in der Endwertung damit noch einmal gehörig absahnen konnte.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (bleibt), Günther: 8 (bleibt, „der gleiche Stiefel“), Moritz: 9 (bleibt), Walter: 7 (bleibt, wohlwollend; die Venus bietet keinen Mehrwert für einen braven Normalspieler).

2. “Startups”

Vor einem Monat schrieben wir: „Ein kleines, reizvolles Kartenspiel mit einigen alten, aber auch einer zündenden neuen Idee.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. Vielleicht noch Moritz’ Bemerkung: „Vielleicht ist Mau-Mau taktischer, aber als Mini-Game ist „Startups“ OK.

WPG-Wertung: Keine Reduzierung (!) der hohen Punktevergabe mit einem Schnitt von 7.5.

Wir wünschen allen Westpark-Gamers, unseren Freunden, Lesern und Kritikern sowie allen Brettspielern dieser unserer Welt ein gesegnetes Weihnachtsfest.

13.12.2017: Rajas und andere königliche Hoheiten

Weihnachten steht vor der Tür. Zum Fest der Liebe ein paar Richtungstendenzen für ein erfolgreiches Liebesspiel

  • wie mit einem Ball, den wir uns zuwerfen
  • wie einen Dialog von Shakespeare oder ein Duett von Mozart, also etwas aufführen
  • wie Schach, mit dem Ziel, den anderen unter zu kriegen
  • wie ein Spiel: spielerische Ausprobierens bevor es gemeinsam ans Regelstudium geht.

1. “Rajas of the Ganges”


Rajas – Szenerie: Ein Elefant als Startspielermarker

Ein üppiges Workerplacement-Spiel mit einem pfiffigen integrierten Würfelnutzmechanismus. Wir setzen unsere zunächst 3, später bis zu 5 Worker pro Runde auf insgesamt 32 (vielleicht habe ich mich verzählt) verschiedenen Arbeitsplätzen ein, um sie dort für uns werkeln zu lassen. Um unsere Arbeiter aber irgendwo einsetzen zu dürfen, brauchen wir in der Regel noch einen Würfel, meist mit einer bestimmten Farbe und / oder einer bestimmten Augenzahl.

Zu Beginn ist jeder Spieler mit 4 Würfeln ausgestattet; diese Würfel sind aber blitzschnell verbraucht, und deshalb sind alle Spieler ständig darum bemüht, sich neue Würfel zu besorgen. Trivial sind dazu die „würfellosen“ Arbeitsplätze auf der „Terrasse“: hier setzt man einen Worker ein und bekommt dafür dann einen Würfel in einer beliebig wählbaren Farbe. Oder man setzt einen Worker und einen Würfel mit definierter Farbe ein und bekommt dafür zwei Würfel einer anderen, definierten Farbe. Magere Bilanz: ein Würfel pro Worker. Doch in diesen sauren Apfel müssen aller Spieler früher oder später beißen, öfters als es ihnen bei den sonstigen verlockenden Angeboten auf dem Spielplan lieb ist.

Etwas lukrativer ist die „Tänzerin“ im „Palast“. Sie muss allerdings mit einem Würfel der Augenzahl 2 bedient werden. Dann spuckt sie zwei Würfel von frei wählbaren Farben aus (also auch nur 1 Würfel mehr, als man eingesetzt hat); zusätzlich aber bekommt man noch ein verdeckt gezogenes „Ertragsplättchen“ mit einem Sonderbonus, das in fast 50% aller Fälle aus einem weiteren Würfel besteht, oder aber aus 3 Geldeinheiten, die eine ebenfalls sehr begehrenswerte Entwicklungshilfe darstellen. Günther gab jedenfalls die Devise aus, dass die Tänzerin die beste Investition des gesamten Spiels darstellt; entsprechend wurde sie in jeder Runde sofort als erstes besetzt, sofern wenigstens einer der Spieler einen Würfel mit der Augenzahl 2 besaß.

Worum geht es überhaupt in Rajas? Um Geld und um Siegpunkte. Beides ist gleich viel wert; sobald ein Spieler in der Summe von beiden 120 Einheiten besitzt, ist das Spielende eingeläutet oder bereits erreicht.

Siegpunkte erzielen wir, wenn wir unsere Worker als Freimaurer einsetzen und mit ihrer Hilfe (sowie mit „Würfelgeld“) auf unserem privaten Spielertableau Landschaftsplättchen mit Wegen, Gebäuden und Märken errichten lassen. Je nach unserem individuellem „Wertungspegel“ bekommen wir für einen gebautem Gebäudetyp 2 bis 4 Siegpunkte auf unserem Konto gutgeschrieben. Manche Landschaftsplättchen erhalten gleich zwei Gebäude, die können dann u.U. auch gleich doppelt so viele Siegpunkte einbringen.

Geld erhalten wir, wenn wir – irgendwann mal im Laufe des Spiels – auf unserem Landschaftsplättchen „Märkte“ errichtet haben und unsere Worker als Handler losschicken, um unsere Waren zu verkaufen. Es gibt bescheidene feste Preise dafür, kein schnelles Wuchergeld, aber Kleinvieh macht auch Mist. Wer die „Geldstrategie“ gefahren ist und sich viele Märkte zugelegt hat, der kann ab dem Mittelteil des Spiels schon mal leicht 8 oder 10 Geldeinheiten pro Worker in die Scheune bringen; dafür braucht er nicht einmal übermäßig hohe Augenzahlen auf seinen Würfeln.

Um dem Würfelglück noch ein Schnippchen schlagen zu können, gibt es einen Arbeitsplatz, auf dem man beliebig viele seiner Würfel nochmals neu auswürfeln darf. Man bekommt als Trostpreis dazu sogar noch zwei Geldeinheiten geschenkt. Wem das Neuwürfeln zu risikoreich ist, darf auch eine Karma-Einheit opfern, um einen Würfel auf seine Kehrseite zu drehen: aus 1 mach’ 6 oder aus 2 mach’ 5.

Geld, Siegpunkte und Würfel werden aber nicht nur durch hartes Malochen erworben, sie werden auch als Geschenke für das Erreichen bestimmter Grenzwerte an Punkten oder Geld kostenslos unter die Leute gebracht. Hier muss vor allem auch der „Ganges“ erwähnt werden, der sich wie ein Geschenkband über das Spielbrett windet, und wo für jeden Abschnitt, den man hier – per Worker plus Würfel im „Hafen“ – vorwärtspaddelt, neue hübsche Geld-Siegpunkt-Würfel-Belohnungen auf uns warten.

Alles ist weihnachtlich gestimmt, es gibt nur gute Züge, keine Aggression und nur sehr beschränkte Konkurrenz. Hübsch und friedlich.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (der Würfelmechanismus ist hübsch, das Spiel aber zu fieselig, es gibt zu viele – kleinliche – Mechanismen, auf die [auf deren Erträge] man achten muss), Günther: 8 (kein echter Aufbaumechanismus, die Steigerung ist eher linear, man sollte sich auf wenige – der vielen angebotenen – Mechanismen konzentrieren), Walter:7 (konstruktiv, hübsche Designerarbeit, gut ausbalanciert, allerdings mit nur beschränkter Interaktion; als Solitär-Spiel bekäme das Spiel 8 bis 9 Punkte).

2. “Azul”

Nach dem friedlichen „Raja“ in einer friedlichen Dreierrunde wollte Walter jetzt noch einmal die hübschen Azul-Edelsteine von letzter Woche als friedliche Händeschmeichler auf den Tisch bekommen. Allseitiges friedliches Einverständnis.

Wir fingen auch in unserer heutigen 3er Runde mit 9 Tellern an, doch bald dämmerte uns, dass dadurch mit den 36 neuen Steinen pro Runde die Kapazität unserer Lager wohl die einzige Herausforderung des Spiels geworden sei. 45 Plätze gibt es insgesamt, davon ist zu Beginn jeder Runde wohl die Hälfte noch belegt: da wird ausschließlich Glück und Erfolg beim Vermeiden der Schutthalde über Sieg oder Niederlage entscheiden.

Das kann doch nicht der Sinn von „Azul“ sein! Ist es auch nicht! Bei 3 Spielern gibt es nur 7 Teller, und mit den jetzt nur noch 28 neuen Steinen pro Runde konnte jeder wieder konstruktiv nach einer optimalen Füllung seiner Lager ausschauen. Und wieder bewährte es sich, den Strafpunkt für das erste Sich-Bedienen aus der Tischmitte nicht allzu tragisch zu nehmen; eine einigermaßen passend gefüllte Tischmitte und der Vorteil des Startspieler-Seins in der nächsten Runde, ist wesentlich mehr wert.

Wir spielten mit der „Expertenregel“: die Farben im Wandmosaik waren nicht fest vorgegeben, sondern konnten in beliebiger Kombination eingefüllt werden. Für die Mathematiker stellte sich damit sofort die Frage: Kann es, bei unglücklichem Füllen des Wandmosaiks, zu einem Deadlock kommen, d.h. zu einer Situation, bei der man die letzte Kachel nicht mehr in das Mosik einfügen kann, weil die dafür vorgesehene Farbe in den benachbarten Zeilen oder Spalten bereits vorgesehen ist?

Kann es nicht! Hier der Gegenbeweis. (Für Dich,Günther):

Ohne Beschränkung der Allgemeinheit kann man diese diskriminierende Situation abbilden als eine Situation, wo in den ersten vier Spalten der ersten Zeile des Mosaiks die Farben F1 bis F4 untergebracht sind, das Feld in der fünften Spalte ist das noch freie kritische Feld, und in der fünften Spalte der zweiten Zeile liegt die Farbe F5; die restlichen Felder x des Mosaiks seien passend gefüllt (Bild 1).

Damit wären alle weiteren Felder der Zeile 2 und der Spalte 5 für die Farbe F5 gesperrt (rote Felder in Bild 2).

Damit müssten in den drei Zeilen 3 bis 5 (grüne Felder in Bild 3) viermal die Farbe F5 untergebracht sein, und zwar so, dass sie in keiner Zeile doppelt vorkommt. Das ist ein Widerspruch. Daraus folgt, die geschilderte Ausgangssituation ist nicht möglich. Daher gibt es keinen Deadlock. Q.e.d.

WPG-Wertung: keine Änderung unserer Noten zwischen 7 und 8 Punkten.

3. “Majesty: For the Realm”

In der Tischmitte liegen in Reih und Glied 6 Berufskarten, davon dürfen wir uns pro Zug eine nehmen. Die erste kostet nix, die zweite 1 Geld, etc, die sechste kostet 5 Geld. Insgesamt haben hat jeder von uns 5 Geld. Nehmen wir also die teuerste Berufskarte, so sind wir zunächst mal pleite und müssen in unseren nächsten Zügen bis auf Weiteres die kostenlose erste Karte nehmen. Nicht nur die Schwaben unter uns Spielern nehmen hier vorzugsweise die billigste (= kostenlose) Karte.

Die gewählte Berufskarte legen wir in dasjenige unserer privaten Gebäude, das für diese Berufsgruppe vorgesehen ist: die Müllerin kommt in die Mühle, der Brauer in die Brauerei, die Hexe ins Hexenhaus, der Wächter in den Wachtturm, der Soldat ins Mordhaus, der Gastwirt in die Taverne und die Prinzessin ins Schloss.

Und jetzt kommt das Spannende. Beim Einfügen der Berufskarten in das jeweilige Gebäude werden vorgegebene Effekte ausgelöst: jede Müllerin (bereits vorhandene und die neue) bringt 2 Siegpunkte, jeder Brauer bringt 2 Siegpunkte plus 1 Geldeinheit und für alle Spieler, die bereits eine Müllerin besitzen, 2 Siegpunkte. Der Mordbube bringt 3 Siegpunkte und zugleich schlägt er bei allen Mitspielern, die zu wenig Wächter haben, eine Berufskarte lazarettreif. Jede Hexe bringt für jede Müllerin, jeden Brauer und jede weitere Hexe 2 Siegpunkte, außerdem heilt sie eine Berufskarte aus dem Lazarett. Und so weiter und so fort.

Jede neu gekaufte Berufskarten löst die Effekte aus, die Spieler kassieren ihre Siegpunkte, bringen sich ins Lazarett oder wieder heraus, und am Ende hat einer gewonnen.

Wer? Natürlich der, der die meisten Siegpunkte angehäuft hat, wobei gut gefüllte Gebäude am Ende ebenfalls noch erhebliche Mengen von Siegpunkten abwerfen. Doch wie häuft man die meisten Siegpunkte an?

Die Hexen-Strategie scheint recht erfolgsversprechend zu sein, immerhin schüttet sie – zusätzlich zur Heilung aus dem Lazarett – für drei verschiedene Berufskarten Siegpunkte aus. Die Königsklasse ist auch nicht schlecht. Zumindest wenn man die B-Seite der Gebäude spielt und eine Menge Halbtoter im Lazarett hat, die werden nämlich von Prinzessinen besonders geschätzt. (Nicht erst seit den Zeiten von Tristans Vater.) Dagegen verbreitet die Mordbuben-Strategie keinen größeren Terror. Die Hexe bringt alles wieder ins Lot.

Und wie fährt man die Hexen-Strategie? Man mischt die Berufskarten und legt sie derart aus, dass immer dann, wenn man am Zug ist, eine passende Hexenkarte an zugreifbarer Stelle liegt, die aber von allen anderen Mitspielern als unberührbar eingeschätzt wurde. Und in seinem allerletzten Zug rechnet man aus, welche der erschwinglichen Karten für einem selbst die meisten Pluspunkte und für den schärfsten Konkurrenten die meisten Minuspunkte einbringt. Diese nimmt man dann. Das kann natürlich eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen, aber für Majestäten darf man diese ausnahmsweise mal opfern. Vielleicht macht es den Mitspielern sogar Spaß, hier mitzuhelfen und mitzurechnen.

Walter hat in seinem allerletzten Zug nur seine eigenen Pluspunkte maximiert, nicht aber die Summe mit den damit verbundenen mörderischen Minuspunkten für Günther. So wurde Günther Sieger. Spricht das für die intellektuelle Herausforderung von „Majesty“? Eher nicht.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spielgeschehen wird mehr oder weniger ausschließlich vom Glücksfaktor bestimmt, wann die verschiedenen Karten auftauchen), Günther: 5 (nur mit guten Willen), Walter: 5 (läppisches Spielgeschehen, keine Herausforderung, man lebt von der Hand in den Mund).

Einen ganzen Punkt weniger als die bisher schlechteste Wertung für ein HiG-Spiel. Das ist das unausweichliche Schicksal eines Verlages, der mal wieder auf die Prämie zum „Familienspiel des Jahres“ schielt. Und dann sage noch mal jemand, wir seinen HiG-minded!

Bei genauerem Nachschauen in unserem Archiv, habe ich jetzt aber doch noch vier HiG-Spiele entdeckt, die noch schlechter bewertet wurden als „Majesty“. Die beiden letzten Plätze nehmen ein:
„Maestro“ von Rudi Hoffmann mit 3,3 Punkten, für das Moritz eine wunderschöne Kritik am musikalischen Material geschrieben hat, „Fjorde“ von seligen Franz-Benno Delonge, das Günther (!) mit 4 Punkte in die Pfanne gehauen hat. Ohne Report.

Aber ansonsten können wir ruhig zugeben, das der Charakter der bei HiG erschienenen Spiele in der Regel unserem Geschmack entspricht. Trotz „Maestro“ und „Fjorde“ liegt der Durchschnitt aller HiG-Spiele auf unserer Seite bei 6,75 Punkten.

06.12.2017: Gut und schlecht – mit Ausreißern

1. “Illimat”

Ein simples Kartensammelspiel, bei dem am Ende derjenige gewinnt, der im Laufe seiner Spielzüge die meisten Karten einsammeln konnte, unterwegs dabei auch noch ein paar assoziierte Prämien einstreichen und winterliche Minuspunkte vermeiden konnte.

Das Spielbrett ist ein quadratisches Spieltuch, das in vier Felder eingeteilt ist, auf der in variabler Anzahl und variabler Stückelung Zahlenkarten mit den Werten von 1 bis 14 liegen. Jeder Spieler hat 4 Zahlenkarten der gleichen Sorte auf der Hand, spielt reihum eine Karte und zieht anschließend vom Nachziehstapel eine Karte nach. Dabei kann er beim Ausspielen mit seiner Karte drei verschiedene Aktionen ausführen:

1. säen : Man legt die Karte aus der Hand auf eines der vier Felder auf dem Tuch.
Das ist die dümmste Aktion. Erstens bekommt man durch diesen Zug keinen einzigen Punkt, und zweitens reichert man mit seinem Saatgut nur die Ernte der Konkurrenz an: in weniger als einem Viertel aller Fälle – was der rechnerische Durchschnitt wäre – kann selber ernten können. Beweis? Drei Spieler dürfen vor einem zulangen, und angereicherte Saatfelder werden halt schneller und leichter abgeerntet als bereits an- oder abgegraste Saatfelder.

Leider läßt sich oft genug nicht verhindern, dass man säen muss; mit lauter niedrigen Karten in der Hand, die sich mit den in den vier Feldern ausliegenden Karten nicht kombinieren lassen – siehe unter „ernten“ –, bleibt einem gar nichts anderes übrig. Und wenn die eine nachgezogene Karten ebenfalls niedrig ist, muss man in seinem nächsten Zug schon wieder nur säen!

2. ernten : Man nimmt sich beliebige Karten von einem der Felder, die einzeln oder deren Werte in Summe genau der eigenen gespielten Karte entsprechen, und legt sie auf seinem Erntestapel ab. Hurra, damit werden Siegpunkte gemacht. Der einzige lukrative Spielzug!

3. anfüttern : Man fasst beliebige ausliegende Karten eines Feldes zu einem Paket zusammen, und legt seine Handkarte, deren Werte genau der Wertesumme des Paketes entsprechen muss, noch dazu.
Dieser Zug ist fast noch dümmer als das säen, denn auf diese Weise hat man ein Paket geschnürt, auf das alle Mitspieler sogleich wie eine fette Beute lauern; das zusammengefasste Paket hätte man mit seiner Handkarte doch auch gleich ernten können, und zwar noch mit dem Vorteil, dass man bei seinem nächsten Zug nicht mehr oder weniger gezwungen ist, auf dieses Paket zu lauern – falls es nicht bereits ein Mitspieler abgeerntet hat – , sondern frei auf andere Beutezüge ausgehen kann. Oder haben wir hier ein Regeldetail nicht verstanden.

Bei uns hat im ganzen Spiel – zwei Durchgänge – nur genau einmal Moritz angefüttert, und er hatte Glück, das kein Mitspieler eine Karte auf der Hand hatte, mit der er ihm das geschnürte Paket hätte wegschnappen können.

Damit dieser triviale Karten-Aktionismus noch den Anstrich eines Spiels bekommt, treten beim Abernten eines kompletten Feldes Randeffekte auf: die „Luminaries“ erscheinen und verschwinden wieder. Durch ihr Auftreten werden die Felder mit zusätzlichen Zahlenkarten angereichert oder die Aktionsmöglichkeiten der Spieler werden temporär erweitert, z.B. dürfen sie auf dem vom „Changeling“ beleuchteten Feld eine Karte gegen eine Handkarte austauschen, bevor sie ihren Zug ausführen. Damit kann man immerhin kleine, weniger erträgliche Karten loswerden.

Freiheitsgrad in der Nähe von 0. (Nein, Entschuldigung, ein Mehrfaches davon!) Mittels einer einfachen EXCEL-Logik könnte man den jeweils besten Zug ausrechen. Eine solche Logik hat den Herausforderungsgrad eines „Nobrainer“, falls dieses Wort schon in die deutsche Sprache eingegangen ist.

WPG-Wertung: Aaron: 3 (viel zu aufwendiges Regelwerk für den mageren Spielablauf; absolut unintuitiv; abgestrippt zu einem Mau-Mau hätte es wenigstens 5 Punkte bekommen), Günther: 4, Moritz: 6 (spielt sich relativ locker), Walter: 3 (sperrige Regeln – zumindest kam uns das so vor – für nix und wieder nix).

Vielleicht bekommt das Kartenspiel milderne Umstände, wenn man erfährt, wie es entstanden sein soll. Die Band „The Decemberists“ überbrückte die Auszeiten auf ihren Touren oft genug durch Brettspiele; dabei fassten sie eines Tages den Vorsatz, diesem „seltsamen brettspiellosen Brettspiel“ Leben einzuhauchen. Es sollte den Eindruck eines merkwürdigen, längst vergessenen Kartenspiels vermitteln, das selbst moderne Spieler noch zu fesseln vermag. Ist es ihnen gelungen?

2. “Les Poilus”

Nach dem Warming-Up mit einem 3-Punkte Spiel, waren wir alle innerlich gefestigt genug, uns noch einen weiteren 3-Punkte-Flopp anzutun, und damit etwas für Moritz’ Spielebildung zu tun. „Les Poilus“ hatten wir letzte Woche ohne ihn mit diesem mageren Ergebnis eingespielt, inzwischen war Aaron auf dem „DinxCon“ in Brixen eines Besseren belehrt worden und hat seine vergebenen Punkte glatt verdoppelt. Bei dreimaligen Spielen in 4er und 5er Runden war jedesmal ausreichend großer Spielespaß aufgekommen. Sind wir am Westpark alle so sauertöpfige Naturen, dass sich diese positiven Emotionen bei uns oft genug nicht einstellen?

Aaron durfte Moritz (und nach Möglichkeit auch unseren übrigen Teilnehmern) seine Südtiroler Euphorie rüberbringen. „Sieht nach Ersten Weltkrieg aus! Ist schon mal cool!“ war Moritz’ erster Kommentar. Damit war die Euphorie aber auch schon vorbei.

WPG-Wertung: Moritz siedelte sich mit 4 Punkten im heutigen WPG-Durchschnitt an (kein Schützengraben-Feeling; der Rückhalt ist langweilig; gegen Ende wird das Spiel immer beherrschbarer [: …, wenn, wie diesmal bei uns, sehr schnell der Boden auf dem Bedrohungsstapel sichtbar wird].)

3. “Azul”

Wir sind Fließenleger. Oder Kachel-Künstler. Auf dem Tisch liegen 9 Teller mit je 4 „Kacheln“ („azulejos“) in 5 verschiedenen Ausführungen. (Wirklich schönes Spielmaterial!) Jeder Spieler bekommt ein Tableau, das er im Laufe des Spiels mit den Kacheln füllen muss. Er wählt einen beliebigen der gefüllten Teller, nimmt daraus alle Kacheln einer bestimmten Ausführung und legt sie in sein „Lager“. Die nicht-gewählten Kacheln kommen in die freie Tischmitte. Diese Tischmitte wird danach wie ein Teller behandelt: man darf sich von ihr genauso bedienen wie von einem Teller, die hiervon nicht-gewählten Kacheln bleiben liegen.

In seinem Lager hat jeder Spieler 5 verschieden große Lagerräume: je einen mit den Kapazitäten von 1 bis 5. Passen die entnommenen Kacheln nicht alle in einen der Lagerräume, so müssen die überzähligen auf die „Schutthalde“ geworfen werden und geben beim Rundenende Minuspunkte.

Am Ende einer Runde wird jeweils eine Kachel aus vollständig gefüllten Lagerräumen auf ein definiertes Feld im 5 mal 5 großen Quadrat an der „Wand“ geklebt. Hier fließen dann die Siegpunkte: Jede geklebte Kachel bringt einen Siegpunkt, zusätzlich gibt es Siegpunkte für bereits geklebte Kacheln in der unmittelbaren Nachbarschaft waagrecht oder senkrecht zum neuen Stück.

Herausforderung des Spiels ist es also, die richtige Farbe aus dem richtigen Teller zu wählen, damit den richtigen Lagerraum – peu a peu – zu füllen, um bei Rundenende möglichst viele gefüllte Lagerräume und möglichst wenig Kacheln auf der Schutthalde zu haben.

Keine Angst vor der Schutthalde: die Siegpunkte, die beim Bekleben der Wand sprudeln, stehen in keinem Verhältnis zu den Strafpunkten auf der Halde. Aaron hatte das als erster begriffen und sah bald wie der sichere Sieger aus. Moritz konnte ihn aber noch in der Schlußrunde abfangen, weil er beim geklebten Wandmuster die meisten Zusatzprämien einstreichen konnte. „I had a plan!“

Hätte Walter in seinem letzten Zug nicht nur auf seine eigene Wand geschaut, sondern auch noch darauf, wieviele Siegpunkte die beiden nächsten Mitspieler mit den übrigen Kacheln einfahren konnten, hätte er den beiden erhebliche Prämien aus dem Rachen reißen, und insbesondere Moritz’ Plan durchkreuzen können. – Es ist doch nur ein Spiel.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (einfache Regeln, schnell gespielt; am Ende ist [leider] Kingmakerei möglich und – für entsprechende Spieler – ein langes Ausrechnen ihres letzten Zuges geboten, ansonsten hätte das Spiel 8 Punkte bekommen), Günther: 8 (spannend, Mini-Interaktion [im Kampf um die besten Kacheln, akzeptabel mini]), Moritz: 7 (unterhaltsam, ein nettes Familienspiel, und trotzdem „deep enough“), Walter: 8 (leicht, spielerisch, angenehm in der Handhabung, der Umgang mit den Kacheln ist allein schon eine komboloi-artige psychische Beruhigung).

4. “The Pyramids Deadline”

Würfel und Bauteile in “The Pyramids Deadline”

Aus einfachen geometrischen Gebilden (Quadrat, Rechteck, Trapez, sowie großen und kleinen Dreiecken) mit Einheitsmaßen baut jeder an seiner Pyramide. Die Bauteile liegen zuhauf auf dem Tisch. Mit fünf Würfeln (einem mehr als Spieler), auf denen die Bauteile abgebildet sind, wird gewürfelt; der Startspieler wählt einen Würfel und das zugehörige Bauteil aus und fügt es unter Einhaltung bestimmter Bauregeln in seine Pyramide ein. Der nächste Spieler folgt, etc., bis jeder ein Bauteil eingefügt hat bzw. bis nur noch ein Würfel übrig ist. Dann wechselt der Startspieler und es wird erneut gewürfelt.

Wenn eine vorgegebene Anzahl von Quadraten verbaut wurden (abhängig vom Würfel und der Wahl der Spieler), ist das Spiel zu Ende und die Pyramiden werden bewertet. Pyramiden mit einem Stück „Flachdach“ scheiden aus, ebenso auch Pyramiden, die eine Steilwand von mehr als einer Einheit aufweisen. Es steckt also ein gewisses Risiko in zu üppiger Bau-Kreativität: wer am Ende nicht mehr die notwendigen Bauteile ausgewürfelt bekommt, um sein Dach dicht zu kriegen oder seine zu steilen Mauern abzuflachen, der hat mit 0 Punkten das Nachsehen.

Man darf jederzeit, wenn die eigene Pyramide eine gerade akzeptable Form und Größe hat, freiwillig passen, auf weiteres Bauen verzichten und die Würfel seinen Mitspielern überlassen. Die haben dann pro Würfelwurf einen Würfel, sprich ein Bauteil, mehr, das sie in ihre Pyramide einfügen können. Allerdings gehen dann meist auch schon die Quadrate aus und das Bauen wird ohnehin beendet.

In zwei Durchgängen wurden bei uns nur insgesamt zwei Pyramiden fertiggestellt. Lehre: „Bescheidenheit ist eine Zier, und bei Deadline kommt man weiter mit ihr!“

WPG-Wertung: Moritz: 2 (häßlich vom Material her, reines, witzloses Gewürfel), Aaron: 3 (ich stimme Moritz voll zu), Günther: 6 (als Bau-Geschichtl ganz nett), Walter: 7 (lassen wir das Material mal beiseite, die geometrische Herausforderung, zusammen mit der feinen Dosierung seiner Bescheidenheit schafft eine hübsche Spannung innerhalb einer konstruktiven Aufgabe.- [Welch ein Glück, wir können uns doch noch begeistern! Jeder für etwas anderes!)

29.11.2017: Eisenbahnen zum Überleben

Nochmals Bridge.
Da wurden vor etwa drei Jahren zwei deutsche Bridgespieler Senioren-Weltmeister. Anschließend hat man sie des Betruges überführt: Entgegen dem Regelwerk und entgegen jeglicher Sportsmoral habe sie sich mittels Hüsteln über die Screens hinweg unerlaubte Informationen über ihre jeweilige Kartenhand ausgetauscht. Motto: „einmal Hüsteln ist Karo, zweimal hüsteln ist Pik!“ Ein offizielles Video, das den gesamten Finalkampf festgehalten hatte, war der Beweis. Die World Bridge Federation (WBF) hat ihnen Titel aberkannt und sie lebenslang gesperrt, als Paar noch einmal zu einem Bridge-Turnier antreten zu dürfen. Zähneknirschend hat der Deutsche Bridge Verband (DBV) diese Sperre übernommen.

Die beiden Spieler sind sofort in die Revision gegangen und haben diese Urteile vor einem deutschen Gericht angefochten. Ein Spieler sei Asthmatiker, da sei das Hüsteln leider unvermeidlich. Zudem sei in Bali, wo das Finale ausgetragen wurde, die Luft so feucht, dass das Hüsteln quasi überlebensnotwenig sei. Und überhaupt: das Beweisvideo sei gefälscht.

Drei Jahre lang hat sich der Prozess hingezogen, jetzt wurden sie freigesprochen, ohne überhaupt auf das Video oder die Beweislage einzugehen. Ja sogar WBF und DBV wurden verklagt, den beiden Spielern alle ideellen und materiellen Verluste aus dem Verband-Vorgehen zu ersetzen!

Wie dieses Urteil gegenüber dem WBF durchgesetzt werden kann, das wissen die Juristen. Oder auch nicht. Der der DBV könnte dabei pleite gehen, zumindest wenn die Ersatzansprüche von einem amerikanischen Gericht festgesetzt würden. Oremus!

1. “Mini Rails”

Aktions-Auslage und Spielbrett in „Mini Rails“
Ein hübsches kleines Eisenbahn-Aktienspiel ohne Aktien und ohne Eisenbahnlinien. In 6 Spielrunden dürfen wir uns je eine „Aktie“ einer vor 6 Eisenbahngesellschaften kaufen, d.h. eine runde Holzscheibe in einer von sechs Gesellschaftsfarben von der offenen Auslage auf unser privates Kurstableau legen. Pro Runde dürfen wir außerdem einmal den Kurs einer Gesellschaft steigen oder fallen lassen. Dazu nehmen wir eine weitere Holzscheibe in einer der sechs Gesellschaftsfarben von der Auslage, legen sie auf das große gemeinsame Spielbrett, bedecken damit ein Feld mit Werten von 1 bis 5 im Plus- oder Minus-Bereich, und verändern damit entsprechend den Kurs der Gesellschaft.

In welcher Reihenfolge wir „kaufen“ oder „Kurs ändern“ ist frei wählbar. Geld fließt keines. Eine frisch gekaufte Holzscheibe kommt immer auf das Feld 0 in unserem Kurstableau. Beim Ändern des Aktienkurses müssen alle Spieler ihre Holzscheiben mit der betroffenen Farbe entsprechend dem überdeckten Wert eine Anzahl von Einheiten nach oben oder unten verschieben.

Und jetzt kommen die hübschen Knackpunkte des Spiel-Designs:

1. Beim Kaufen dürfen die Spieler sich nicht irgendeine beliebige Holzscheibe aussuchen, sondern sie müssen eine aus der offenen Auslage wählen. Genauso können die Spieler beim Kurs-Ändern nicht eine frei wählbare Gesellschaft fördern oder schädigen, sondern sie müssen dafür ebenfalls eine Holzscheibe aus der offenen Auslage hernehmen. Das Angebot ist klar begrenzt, und es wird enger und enger.

2. Zu Beginn einer Runde wird in die offene Auslage eine Holzscheibe mehr gelegt, als für die beiden Aktionen aller Spieler benötigt werden. Diese letzte, übrig bleibende Holzscheibe kennzeichnet eine Gesellschaft, die “ordentlich ihre Steuern“ bezahlt” hat. Hat eine Gesellschaft bis zum Spielende keine Steuern bezahlt, so ist ihr Aktienkurs nichts wert, die besitzenden Spieler erhalten dafür keine Vergütung. Hat umgekehrt eine Gesellschaft bis zum Spielende wenigstens einmal Steuern bezahlt, so werden etwaige Kursverluste neutralisiert, die besitzenden Spieler bekommen für Aktienwerte im Minusbereich nichts abgezogen.

3. Hübsch ist auch der Zugreihenfolge-Effekt: die Holzscheiben in der offenen Auslage geben auch die Reihenfolge an, in der die Spieler in der nächsten Runde ziehen. Zuweilen ist es hilfreich, der Erste zu sein, um das beste Stück zu erwischen; zuweilen ist es aber noch wichtiger, der Letzte zu sein, um eine definierte Gesellschaft als Steuersünder bzw. Nicht-Steuersünder ausweisen zu können.

Einfach aber tricky! In zwei Durchgängen wurde Walter zweimal weit abgeschlagen Letzter. Er war sich keines Spielfehlers bewußt. Die Züge waren einfach abgefahren, bevor er aufgesprungen war. Doch seine Mitspieler bescheinigten ihm jede Menge Fehler, die er gemacht haben soll.

Moritz hatte den Weg zum Sieg sofort durchschaut. Er wollte ihn sogar beweisen können. „Bei jedem Kurs-Änderungszug kann ich genau ausrechnen, welchen Effekt er in der gegebenen Situation auf jeden Spieler ausübt, d.h. welcher Zug mir selber die meisten Punkte bringt oder den Mitspielern die meisten Punkte wegnimmt. Und das ist der beste Zug!

Während beim ersten Teil dieser Ausführung die Mitspieler noch mit trivial-zustimmenden Gemütern zuhörten, erfolgte zu seiner abschließenden Behauptung ein allseitiger Einspruch. Walter, der als Mathematiker allergisch ist gegenüber falschen Behauptungen und noch fälscheren Beweisen, wollte Moritz beim Wort nehmen und vor dessen Beweisführung eine genaue Formulierung seiner Behauptung niederschreiben. Dies führte fast zu einem Eklat, weil der eine auf eine exakte Formulierung der ursprünglichen Behauptung pochte, der andere aber schon kalte Füße bekommen hatte und windelweiche Ausreden suchte. Schlußendlich einigten wir uns auf Moritz’ Aussage: „Wenn wir die Wahrscheinlichkeiten in Ansatz bringen, mit denen die verschiedenen Holzscheiben auf die Auslage kommen, welchen Einfluß sie damit auf die Zugreihenfolge ausüben, dabei auch noch berücksichtigen, mit welcher Wahrscheinlichkeit die einzelnen Spieler für oder gegen eine Gesellschaft agieren, und dies alles noch in Relation zu den möglichen Wertefeldern auf dem großen Spielbrett sehen, dann sind wir mit großer Wahrscheinlichkeit klüger, als wenn wir das nicht tun.“

Welche Aussage er zur Auswahl beim Kaufen einer Aktie gemacht hatte, das habe ich vergessen.

Andere Zitate aus dem Spielverlauf:
„Ich muss jetzt einen fahren lassen.“
„Ich werden jetzt das Maximum an Punkten zerstören“
„Grau haben wir alle, bis auf NN, der hat zwei!“
„Ich nehme jetzt nur eine von den beiden mir-nichtsnutzigen aber NN-schädigenden gelben Scheiben, nimm’ du auch eine!“
„NN macht die ganze Zeit schlechte Züge!“
„Wenn NN nicht vorne ist, brauchst Du ihm auch nicht zu schaden.“
„Dieser Zug war die einzige Möglichkeit, nicht Dritter zu werden, sondern mit NN gemeinsam Zweiter.“

WPG-Wertung: Aaron: 9 (herrlich, ich wünschte, ich hätte das gemacht), Günther: 7 (erfordert eine Schach-ähnliche Berechnung [AbN: War das jetzt gut oder schlecht?]), Moritz: 5 (das Spiel funktioniert, man kann aber keine Strategien fahren, sondern nur taktisch auf die gegebene Situation reagieren), Walter: 7 (hat einige hübsche, neue Ideen umgesetzt und ist schnell, das sind eigentlich genau die Kritiken für gute neue Spieleerfindungen).

2. “Loot Island”

„Loot Island“ – Selbst der Autor muss im Regelheft nachschauen
Endlich lag Aarons Neuschöpfung als professionelles Produkt auf dem Tisch; 20 mal zuvor haben wir uns an den Prototypen versucht. Die jetzige offizielle Fassung war uns allen noch unbekannt.

Der ursprüngliche Dreh- und Angelpunkt, das Mitsetzen auf die Ausgrabungsstätte, in der nach Schätzen gebuddelt wird, ist geblieben und hat nichts von seiner Eleganz eingebüßt. Damit das Ganze aber nicht allzu denkerisch daherkommt, sondern ein spielerisch-chaotisches Element erhält, kann die Reihenfolge, nach der die Ausgrabungsstätten gewertet werden, per taktischem Spielzug verschoben werden. Wer sich zu solitär an einer Stelle engagiert, hat erhebliche Schwierigkeiten, hier seine Schäfchen ins Trockene zu bekommen.

Auch die Schätze, die jeweils gefunden werden, sind nicht mehr linear oder progressiv in ihrer Wertigkeit, sondern eine ganze Reihe von Sonderprämien sind damit verbunden, so dass jeder Spiele nach individuellen Prioritäten auswählen kann.

Jetzt sind die Schätze auch mit einer Unmenge von Flüchen versehen (das Spiel heißt ja auch nicht „Schatzinsel“ sondern „Insel der Flüche“), und es ist eine weitere Herausforderung des Spiels, diese bis zum Schluss alle wieder loszuwerden bzw. auf eine erträgliche Anzahl zu begrenzen.

Jede Menge spielerisches Beiwerk machte aus der ursprünglichen, höchst interaktiven Denkerarbeit eine höchst interaktive Spielerei. Für intelligente Familien durchaus geeignet.

WPG-Wertung: Aaron: (würde für sei eigenes Kind natürlich sehr gerne 10 Punkte vergeben, wollte sich diesbezüglich aber anders verhalten als Martin Wallace), Günther: 7 (hohe Interaktion, das Herzstück des Spiels, das gemeinsame Bauen, ist ein sehr gelungenes Element), Moritz: 8 (enthält viele ausgearbeitete Ideen, von den Rundenkarten angefangen, über die Auswahlkarten und die Spielkarten bis hin zu den Prämien, besitzt Dynamik und hohe Variabilität), Walter: 7 (sehr gute, spannende Interaktion, 8 Punkte für das gemeinsame und doch konkurrierende Bauen, 6 Punkte für die verfluchten Schätze und den darin ausgelobten Prämien.)

3. “Les Poilus”

Ein kooperatives Mau-Mau-Spiel mit Schikanen. In mehreren Runden müssen wir einen Vorrat von etwa 40 bis 60 Farbkarten loswerden. Mit 25 Karten fangen wir an, pro Runde kommen dann (mindestens) 3 weitere Karten dazu. Wieviele Karten pro Runde jeder Spieler auf die Hand bekommt, entscheiden wir von Fall zu Fall gemeinsam im Team. Zu Spielbeginn sind es 3 Karten pro Spieler.

Reihum wählt jeder Spieler jeweils eine Karte aus seiner Hand und legt sie entweder auf den gemeinsamen offenen Abwurfstapel oder in seine private Auslage.

Pro Karte ist vorgeschrieben, wohin sie abgelegt werden muss. Es gibt „Standardkarten“ in sechs verschiedenen Farben, die meisten davon sind zweifarbig, einige auch dreifarbig; diese Karten müssen auf den Abwurfstapel. Und es gibt „Sonderkarten“, diese muss ein Spieler nach dem Ausspielen in seine private Auslage nehmen. Zwei Grund-Abwurfregeln sind zu beachten:

1. Auf dem Ablagestapel dürfen kein drei Karten vorkommen, die die gleiche Farbe aufweisen, und

2. Kein Spieler darf vier Sonderkarten in seiner privaten Auslage haben.

Kann ein Spieler entsprechend diesen beiden Regel keine Karte mehr spielen, so muss er für diese Runde passen. Haben alle Spieler gepasst, so ist eine Runde „erfolgreich“ abgeschlossen: der offene Abwurfstapel wird beseitigt; die Spieler behalten die nicht gespielten Handkarten und bekommen dazu eine entsprechend der Team-Entscheidung definierte Anzahl neuer Karten. Zusätzlich kommen soviele Karten, wie die Spieler insgesamt nicht spielen konnten oder wollten, aus der Reserve in den Vorrat. Je mehr Runden wir spielen, desto mehr Karten müssen wir also insgesamt loswerden.

Eigentlich ganz einfach, und es sollte fast ein Kinderspiel sein, den Vorrat in 6 bis 7 Runden abgelegt zu haben. Aber jetzt kommen die Schikanen.

Auf den Sonderkarten stehen weitere Bedingungen für das Ablegen. Z.B. „Keiner darf passen, solange er noch eine Karte auf der Hand hat.“ Oder „der Spieler, der diese Karte in seiner Auslage hat, darf nur als Letzter passen.“ Was sind die Konsequenzen dieser Bedingungen? Die Grund-Abwurfregeln könnten verletzt werden. Z.B. kann ein Spieler dadurch gezwungen, die unerlaubte dritte Karte einer Farbe auf den Abwurfstapel zu legen. In diesem Fall ist eine Runde ebenfalls beendet, allerdings „ohne Erfolg“: der offene Abwurfstapel wird nicht beseitigt, sondern wird wieder in den Vorrat gemischt.

Falls ein Spieler über eine dieser Schikanen-Regeln sogar eine vierte Sonderkarte in seine private Ablage legen muss, so ist das Spiel aus und alle Spieler haben verloren. Gewonnen haben sie, wenn sie den gesamten Vorrat ablegen konnten ohne dabei gegen die Grund-Abwurfregeln verstoßen zu müssen.

Da mit dem gewöhnlichen Kartenmix ein totaler Abwurfsieg nur schwer zu erzielen ist, gibt es ein paar Warmduscher-Regeln:

1. Jedem Spieler ist eine definierte Farbe zugewiesen; er darf einmal pro Spiel eine Karte dieser Farbe vom offenen Abwurfstapel entfernen.

2. Die Spieler dürfen pro Runde einem beliebigen Spieler „Rückhalt“ gewähren, so dass er zwei Karten aus seiner privaten Ablage beseitigen darf.

Weil damit ein Sieg aber wiederum zu leicht würde, ist auf einigen Farbkarten noch ein „Handicap“ eingezeichnet. Wenn eine solche Karte gespielt wird, muss von der Reserve her eine zusätzliche Karte gespielt werden. Damit kann es passieren, dass damit bereits die dritte Karte eine Farbe auf den Abwurfstapel kommt und die Runde erfolglos beendet werden muss.

Sind wir den gesamten Vorrat losgeworden, so haben wir alle gemeinsam gewonnen. Sind alle Karten aus der Reserve ins Spiel gekommen, ohne dass wir den Vorrat abgearbeitet haben, so haben wir alle verloren. Aus die Maus.

Und warum heißt das Spiel „Les Poilus“? Nach Wikipedia (und nach dem Regelheft) bedeutet das französisch „der Behaarte“ und ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für einen französischen Frontsoldaten des Ersten Weltkrieges. Und was haben die französischen Frontsoldaten mit Mau-Mau zu tun? Spieleautoren und Spielverlag entschuldigt meine „Übersetzung“ eueres Spiels. Die Karten in „Les Poilus“ sind nämlich keine Farbkarten, sondern „Bedrohungskarten“ auf denen anstelle von Farben die „Bedrohungen“ Giftgas und Granate, sowie Wetterunbilden abgebildet sind. Die Sonderkarten sind „Schwere Schläge“, und jedem Spieler wird keine Farbe zugewiesen, sondern ein definierter Soldatentyp, der einmal eine der zugewiesenen Bedrohungen abwehren kann.

In der neuesten Spielbox schreibt doch tatsächlich ein Kritiker: „Obwohl das Thema düster und grauenvoll ist, und wohl das Ernsthafteste, das jemals auf den Tisch kam, ist die Qualität des Spiels nichtsdestoweniger herausragend. Mit einfachen Mitteln eines Kartenspiels ist es gelungen, die harte historische Realität einfühlsam darzustellen!“ Die Spielautoren selber bekunden: „Wir haben uns entschieden, diesen Massenwahnsinn aus der Sicht des Einzelnen zu betrachten, durch die Brille seiner täglichen Sorgen und Ängste. Für diese Menschen war die einzige Erleichterung ihr Zusammenhalt, ihre Brüderlichkeit und ihr Vermögen, sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen, einzeln und gemeinsam.“ – Oh mein Gott, und dass alles sollen wir spielerisch nachempfinden? Für mich wird damit eher die Mentalität für den nächsten wahnsinnigen Weltkriegseinsatz vorbereitet. Schaut euch doch mal den Film „Kolberg“ von Veit Harlan an und vergegenwärtigt euch, wer diesen Film und warum finanziert hat! Hat Sylvie Goulard vielleicht einen großen Batzen Geld zur Entwicklung von „Les Poilus“ beigesteuert?

WPG-Wertung: Aaron: 4 (nichts, was ich noch einmal spielen möchte, auch nicht in einer größeren Runde), Günther: 3 (Ich bin am grübeln …, warum musste man ausgerechnet dieses Kriegs-Schlamm-Thema zugrunde legen; der ganze Gag sind die … Effekte, und über diese wird man gespielt), Walter: 3 (kein Verständnis für diese Art von Kooperation, das Spiel könnte man besser als offenes Knobelspiel abwickeln.).