13.04.2016: Platon im Ruhrgebiet

Im ersten Spielbericht des Jahres habe ich noch ohne jeden Hintergedanken geschrieben: „Keine Angst, liebe Spielkritiken-Leser-Gemeinde, die Westpark-Gamers sind noch nicht auseinandergebrochen.“ Und kaum eine Woche später war es dann soweit: Ein tiefer, offensichtlich nicht überbrückbarer Riss ging mitten durch unsere Spielerrunde. Einer (ein einziger) wollte mit einem anderen (einem einzigen) nichts mehr zu tun haben.

Anlässe, Hintergründe und Motive sind bei solchen persönlichen Auseinandersetzungen für Außenstehende rational oft nicht ganz nachzuvollziehen. Schon vor fast zweitausendfünfhundert Jahren schrieb Platon in seinen Dialogen: „Das Gerechte und das Ungerechte, das Schöne und das Hässliche, das Gute und das Böse, das sind Gegenstände, bei denen Meinungsunterschiede, dahin führen können, dass wir einander feind werden.“ Und weiter schreibt er: „Bei Diskussionen über unterschiedliche Meinungen ist es für die Beteiligten nicht leicht, sich über feste Begriffsbestimmungen zum Gegenstand ihrer Erörterungen zu verständigen, sich darüber zu belehren bzw. belehren zulassen, und so in Frieden voneinander zu scheiden. Wenn sie über etwas streiten, wirft der einem der eine dem anderen Unrichtigkeit in seinen Behauptungen vor; sie werden ärgerlich und glauben, dass sich der Gegner in seinen Ausführungen nur von Gehässigkeit gegenüber ihnen leiten lässt und nur rechthaberisch seinen Standpunkt zu behaupten sucht, nicht aber die betroffene Sache selbst zu erledigen strebt. In manchen Fällen nimmt die Sache den widerwärtigsten Abschluss: sie trennen sich, nachdem sie sich gegenseitig geschmäht und sich gegenseitig Dinge gesagt haben, die sie mit Scham erfüllen.“

Wir (fast) Unbeteiligten haben in der Zwischenzeit natürlich fleißig weitergespielt, aber die Lust an lockeren Sessionreports war mir ein Weilchen vergangen. Jetzt habe ich mich langsam vom ersten Scheck erholt. Heute geht es erstmals weiter.

1. “Haspelknecht”

Worker-Placement Szenerie in "Haspelknecht"
Worker-Placement Szenerie in “Haspelknecht”

Nach „Ruhrschifffahrt“ und „Kohle & Kolonie“ das dritte Spiel einer Trilogie um Geographie, Geschichte und Technik der Kohleförderung im Ruhrgebiet. Intensiv hat sich der Autor Thomas Spitzer mit den Begriffen und Spezifika des Kohleabbaus beschäftigt und sie in ein Spiel gegossen, das thematisch überzeugt, einen ausgereifen Workerplacement-Mechanismus präsentiert und hohen spielerischen Anforderungen genügt.

Wir beschäftigen einen Bauern, einen Knecht und bei Bedarf einen Leiharbeiter, später, wenn der Übertagebau erschöpft ist, auch noch einen Hauer (= Profi-Kohlehacker) und einen Haspelknecht (= nach Wikipedia, ein Transportarbeiter im Bergbau), um Kohle zu hacken und ans Tageslicht zu fördern, die in die Tiefe wachsenden Kohlestollen abzustützen und das allfällige Wasser abzupumpen. Unser Bauer kann sich anstatt im Kohlebergbau auch in der Landwirtschaft betätigen und für alle Beteiligten das notwendige Brot erzeugen.

Die bemerkenswerteste Erfindung in „Haspelknecht“ ist der Mechanismus, mit dem die einzelnen Spieler die Aktionen auswählen, die sie im folgenden Spieleabschnitt durchführen wollen. Auf drei Resourcenfeldern liegen je sechs Aktionssteine in zufälliger Zusammensetzung der Farben schwarz, braun und gelb. Schwarze Steine braucht man für Kohleabbau und Wasser-Abpumpen, braune Steine bringen Holz zum Abstützen der Stollen, und gelbe Steine erlauben Landwirtschaft oder ernähren direkt oder indirekt Leiharbeiter. Reihum darf sich jeder Spieler alle Aktionssteine einer Farbe auf einem Resourcenfeld nehmen. Wer Glück hat, findet gleich fünf Steine einer Farbe auf einem Feld und kann sich mit einem Schlag diese fünf Aktionssteine aneignen. Für die Nachziehenden bleibt hier dann wenig bis nichts mehr übrig.

Das Glück der vielen Aktionssteine im ersten Zug wird allerdings doppelt getrübt: Einmal ist fünf die Höchstzahl an Aktionssteinen, die sich ein Spieler aneignen kann. Wer bereits im ersten Zug seine Aktions-Scheuer füllen konnte, muss im zweiten Zug passen, während die Zu-kurz-Gekommenen des ersten Zuges noch ein zweites Mal zugreifen dürfen. Zweitens aber bestimmt der Wert der Aktionssteine beim ersten Zugreifen die Spielerreihenfolge. Wer hier am wenigsten nahm bzw. bekam, darf im nächsten Spielabschnitt als Erster wählen. Es ist durchaus sinnvoll, beim ersten Zugreifen etwas bescheidener zu sein, wenn man erkennen kann, dass man beim zweiten Zugreifen mit Sicherheit noch all die Aktionssteine bekommen wird, die man für seine Zugplanung braucht.

In jedem Fall ist der mit dieser Resourcen-Auswahl gekonnt ins Spiel hinkonstruierte Zufall eine schöne Erfindung: Einerseits ein spielerisches Zufallselement, und andererseits doch eine meisterbare Herausforderung. Man spuckt sich, im Gegensatz zu einem unkalkulierbaren Mitspielerchaos, nicht gegenseitig in die Suppe, sondern jeder wählt aus den angebotenen Chancen nach seinem kurz- und mittelfristigen Gusto die passendste heraus, hat damit aber einen sicheren, nicht mehr nullizifierbaren Besitz. Das sollten sich andere Zufalls-Ingenieure hinter die Ohren schreiben (lassen)!

Der Rest des Spiels läuft dann allerdings leider ziemlich autistisch ab. Nahezu unbeeinflusst voneinander wickelt jeder seine Aktionen ab, sät und erntet, baut und baut ab, und zahlt Steuern.

Mit den Aktionssteinen werden nicht nur die Arbeiter in Bewegung gesetzt, man beteiligt sich damit auch auf dem Feld der „Errungenschaften“ und erwirbt Eimer, Seile, Hacken, Leitern, Schubkarren und ähnliche nützliche Dinge. Sie liefern sofortige Prämien an Siegpunkten und Resourcen, und erhöhen später in der Endwertung auch noch die Faktoren, nach denen das Gesamt-Besitztum in Siegpunkte umgerechnet wird.

Moritz profitierte von unseren ersten Regelunsicherheiten: er fütterte den „Leiharbeiter“ doppelt und ließ ihn dafür gleich zwei Schichten pro Tag arbeiten. Es sah gut für ihn aus. Walter, der an solche multi-malocher Spiele gewöhnlich recht unbedarft herangeht, konnte mit den ersten reifen Prämien-Pflaumen in Führung gehen, doch sie waren, wie uns schon eine Binsenweisheit sagt, madig. Man muss beim Abwägen der sofortigen gegenüber den zukünftigen Vorteilen schon scharf hinschauen, um das Optimum zu finden. Günther fand es. Wie immer.

WPG-Wertung: Günther: 6 (bis 7, „am Ende lagen alle ziemlich nahe beieinander, selbst Walter mit seinem Un-Peil, das macht mich stutzig“), Moritz: 7 („dass Günther noch gewonnen hat, ärgert mich“), Walter: 6 (runde und schöne Erfindung, etwas zu lang und zu repetitiv; die vielen ausbalanzierten Rädchen sind ohnehin nicht mein Fall).

2. “Chimera”

Eine Tichu-Variante für drei Personen. In einem Quasi-Stichspiel legt der Spieler, der den aktuellen Stich gemacht hat, aus seiner Kartenhand eine der zulässigen Kartenkombinationen zum nächsten Stich vor; die anderen Spieler müssen bedienen, d.h. die gleiche, aber höherwertige, Kombination ablegen, oder passen. Zulässig sind ein Pärchen, ein Drilling, zwei Pärchen, zwei Drillinge, Drillinge mit Zusatzzahl, Straße und noch eine ganz Latte von poker-orientierten Kartenkombinationen.

Ein Spieler ersteigert das Alleinspiel, bekommt drei zusätzliche Karten aus dem Talon und muss sich dann gegen die beiden anderen Mitspieler durchsetzen. Die Mitspieler haben erstens den Vorteil, ein oder zwei Karten miteinander tauschen zu dürfen, zweitens können sie auch beim Ausspiel, beim Stechen oder Nicht-Stechen auf den Partner Rücksicht nehmen.

Durch die gegenüber Tichu wesentlich komplizierteren ablegbaren Kartenkombinationen ist die Bewertung der eigenen Kartenhand deutlich erschwert worden. Walter schaffte letzte Woche – in einer etwas anderen Spielerzusammensetzung – spielend einen Kantersieg von 250 Siegpunkten gegenüber plus und minus 40 Punkten seiner Konkurrenten, diesmal landete er weit abgeschlagen auf dem letzten Platz. Die „Bomben“ seiner Mitspieler ließen alle seine Träume platzen, auch wenn die Bomben in Chimera „Fallen“ heißen.

Moritz: „Die komplexen Kartenkombinationen kommen leider nur einmal zu Beginn eines Durchgangs zum Tragen. Hier muss sehr viel geplant werden. Hinterher spielt jeder ohne viel zu denken seine geplanten Kombinationen ab; höchst selten ordnet er sie anhand des Spielverlaufes spontan um.“ Fazit: Denken und Planen in Chimera gegenüber Spielen und Reagieren in Tichy. Das wird selbst am Westpark nicht honoriert.

WPG-Wertung: Aaron: 6 ([letzte Woche, für Tichu: 5], „es ist kein schlechtes Spiel, aber nicht mein Fall“), Günther: 9 ([für Tichu: 10], ich bin halt ein Tichu-Freak), Moritz: 6 ([noch keine Tichu-Wertung!], „I like it“ – tönte es immer wieder, wenn er eine überraschend gute Kartenkombination ausspielen konnte, „das Bietsystem um den Alleinspieler ist OK, aber das Rad wurde hiermit nicht neu erfunden.“), Walter: 7 ([für Tichu: 9], es ist ein gutes Spiel, aber in der Herausforderung, mit einer zufälligen Kartenhand zurecht zu kommen, noch lange kein Skat.)

03.02.2016: Statt eines Session-Reports

Der geheimnisvolle fremde Engel:
“Das Menschengeschlecht lebt ein Leben ständigen und ununterbrochenen Selbstbetruges. … Von dem Dutzend guter Eigenschaften, die zu besitzen es sich voller Stolz einbildet, hat es in Wirklichkeit kaum eine einzige. Es hält sich für Gold und ist doch nur Messing. … Es ist immer gleich bei der Hand, für sich in Anspruch zu nehmen, was es nicht hat, und sein Gramm Messingschrapsel für eine Tonne Goldstaub zu halten. Ihr habt einen Bastardbegriff von Humor, weiter nichts; die meisten von euch haben den. Die meisten sehen die komische Seite von tausend drittrangigen und banalen Dingen – zur Hauptsache platte Ungereimtheiten: Grotesken, Absurditäten, Klamauk – mit wieherndem Gelächter. Die zehntausend hochgradig komischen Dinge, die es in der Welt gibt, sind ihrem trüben Blick verschlossen.

Ob einmal der Tag kommt, da das Menschengeschlecht entdeckt, wie ulkig diese Kindereien sind, und darüber lacht – und sie durch dieses Lachen überwindet? Denn trotz eurer Armut habt ihr zweifellos eine wirklich wirksame Waffe: das Lachen. Macht, Geld, Überzeugungskraft, Bitten und Verfolgungen – sie können einem kolossalen Humbug ein bisschen Boden wegnehme – ihn ein Stück beiseite schieben – ihn im Laufe der Jahrhunderte etwas abschwächen; aber nur das Lachen vermag ihn mit einem einzigen Ausbruch in Fetzen und Atome zersprengen. Dem Angriff des Lachens kann nichts standhalten.“
(aus Mark Twain: Der geheimnisvolle Fremde)

Teilnehmer:
Günther
Peter
Walter

Gespielte Spiele:

    • Spyrium : Peter vergibt 9 Punkte.

 

    • Thurn und Taxis : das Spiel des Jahres 2006 hat nichts von seinem Glanz eingebüßt. Bei uns würde es eher noch einen Punkt mehr bekommen.

 

  • Poison : rund und schön

06.01.2016: Lewis und Clark in Molthar

Keine Angst, liebe Spielkritiken-Leser-Gemeinde, die Westpark-Gamers sind noch nicht auseinandergebrochen. Es gibt halt noch andere Beschäftigungen auf dieser Welt, die das Leben schön und lebenswert machen. Aaron sielte sich erst in den Niederungen des Transvaal, jetzt im Augenblick auf dem Hochplateau der Spielwarenmesse in Nürnberg, Andrea schrieb ein neues Buch, Moritz eine neue Oper, und Günther eine neue Application zum Berechnen der WPG-Wertungsnoten für weniger als einmal gespielte Spiele. Walter schrieb gar nichts, denn er wartete vergeblich auf den Musenkuss. Bleiben noch Peter, der im Vatikan Leichen ausgräbt, und Horst arbeitet wie immer hart und zahlt die Steuern, die die Regierung momentan so dringend benötigt!

Immerhin bekam Walter jetzt doch endlich einen zaghaften Kuss. (Von der Muse!) Denn auch im Neuen Jahr haben wir schon einmal gespielt. Datum: siehe oben! Teilnehmer: ein Trio, siehe unten!

1. “Die Portale von Molthar”

Horst spielt – wie die meisten von uns – nicht nur am Westpark, sondern er hat noch private Kreise, in denen er seine Spielleidenschaft ausleben kann. Nicht immer wird dort ein so harte Gebräu verkostet wie am Westpark. Manche, wahrscheinlich die meisten Mägen der Kurz- oder Mittelstreckenspieler, sind nur leichtere Kost gewöhnt. Für so einen Leichtludistenkreis hat Horst im Internet zwei Spiele vom Autor Johannes Schmidauer-König bestellt, und sie am Westpark auf ihre Verdaulichkeit testen lassen.

“Die Portale von Molthar” ist ein zweistufiges Kartensammelspiel.

  1. Zuerst nehmen wir reihum vom offenen Auslagestapel eine “Zahlenkarte” nach der anderen auf die Hand,
  2. dann reservieren wir uns eine der beiden öffentlich ausliegenden “Siegpunktkarten”.(Dies geht auch in umgekehrter oder in gemischter Reihenfolge.)
  3. Und zum Schluss aktivieren wir unsere reservierten “Siegpunktkarten”, indem wir genau diejenigen “Zahlenkarten” hinblättern, die für die “Siegpunktkarte” gefordert sind, das kann sein:- eine oder mehrere Zahlenkarten mit fest vorgegebenen Wert

    – ein Paar, Drilling oder Vierling gleicher Zahlenkarten

    – Zahlenkarten, derer Werte zusammen eine vorgegebene Summe ergeben

    – drei gerade oder drei ungerade Zahlenkarten

    – und was der Zahlenkombinationen mehr sind

(Das sieht jetzt wie ein dreistufiges Spiel aus, ist es aber nicht. Die beiden Stufen sind: 1. Zahlenkarten sammeln und 2. für Zahlenkarten Siegpunktkarten kaufen.)

Ein paar Limits (für die Anzahl von Zahlenkarten auf der Hand und für die Anzahl reservierter Siegpunktkarten) lassen von dem breiten Weg zum Himmelreich nur noch einen schmalen Pfad übrig, ohne dass das Ganze aber zu einer hochgeistigen Herausforderung ausartet.

Aktivierte Siegpunktkarten haben zudem noch den angenehmen Nebeneffekt, z.B. dass wir damit an den Werten unserer Zahlenkarten drehen dürfen (aus fünf mach sex), oder dass wir damit automatisch für jeden Zug eine zusätzliche virtuelle Zahlenkarte mit einem festen Wert zur Verfügung haben.

Strategie? Das muss doch nicht sein! Manche Spielerkreise kommen auch ohne aus. Man zieht die Karten nicht vorausschauend planbar, sondern von der Hand in den Mund: die Zahlenkarten hoffnungsvoll je nach den Siegpunktkarten in der Auslage und die Siegpunktkarten illusionslos je nachdem, was man sich mit seinen Zahlenkarten gerade leisten kann.

Am Westpark uns könnte das schnelle Spiel (15 Minuten) für 2 bis 5 Mitspieler ab 10 Jahren (na ja!) zuweilen durchaus als Absacker in Aktion treten.

WPG-Wertung: Günther: 5 (in einer lockeren Runde mehr Punkte wert), Horst: 6 (abhängig von der Runde, in der man spielt; stellt keine großen Ansprüche, aber das ist nicht tragisch), Walter: 5 (schnell, locker, leichtgewichtig).

2. “Discoveries”

DiscoveriesDer Spielidee liegt die historische Expedition von Meriwether Lewis und William Clark zugrunde, die auf Anweisung von US Präsident Jefferson vom Mississippi bis zum Pazifik vordrangen. Und zurück. Diese Expedition war auch schon Vorbild für das Spiel „Lewis & Clark“ von Cédrick Chaboussit (WPG-Durchschnittsnote 5,8). Diesmal wird viel gewürfelt, mit fünf eigenen und mit einer variablen Anzahl neutraler bzw. von den Mitspielern temporär erbeuteter Fremdwürfel.

Jeder Spieler würfelt mit seiner aktuellen Würfelpopulation und platziert das Ergebnis in seinem Würfelvorrat. Danach nutzt er daraus alle Würfel mit einer frei wählbaren, einheitlichen Augenzahl (auf den Hexawürfeln sind dafür Symbole aufgedruckt) und platziert sie auf Aktionsfeldern in seinem Tableau, für die die entsprechende Augenzahl vorgesehen ist. Hat er in einem Aktionsfeld alle vorgeschriebenen Würfel platziert, darf bzw. muss er den damit definierten Zug ausführen.

Züge bestehen in der Regel darin, zu Fuß bzw. per Pferd ein paar Pfade an Land oder mit dem Kanu ein paar Flüsse zu erkunden. Schafft es ein Spieler, mit seinen Erkundungszügen die auf offen ausliegenden „Entdeckungskarten“ vorgeschriebene Anzahl von Land- und Fluß-Erkundungen in der richtigen Reihenfolge alle zu durchzuführen, darf er sich diese Entdeckungskarte aneignen. Aus den während des Spiels angesammelten Entdeckungskarten ergeben sich in der Endwertung die Spiegpunkte eines Spielers.

Neben den Erkundungszügen gibt es „Freundschaftszüge“ (anderen Augenzahlen zugeordnet), mit denen man sich Ratschläge von Indianern einholen kann. Diese bestehen aus Zusatzwürfeln (wie schön!) sowie aus Aktionskärtchen, die ganz analog wie die vorgegebenen Aktionsfelder auf dem Spielertableau zum Platzieren von Würfeln dienen. Die Herausforderung des Spieles besteht also darin:

  • gut zu würfeln
  • seine Würfel auf optimale Aktionsfelder zu platzieren
  • die Aktionsfelder in der richtigen Reihenfolge zu vollenden, damit daraus eines der ausliegenden Entdeckungskarten fällig wird
  • freundschaftlich zu den Indianern zu sein, um seinen Würfelvorrat zu vergrößern und weitere Aktionsfelder zu generieren
  • gut zu würfeln, um mit vielen einheitlichen Augenzahlen möglichst viele und zwar die richtigen Aktionsfelder komplettieren zu können.
  • siehe oben …

Das klingt vielleicht leichter als getan oder zufälliger als man planen kann, ist aber eine echte geistige Herausforderung, die beim ersten Spielen garantiert noch nicht beherrschbar ist. Beim Strecken nach der Decke (mit den geworfenen Augenzahlen) auch noch die richtigen Seiteneffekte der zusätzlichen Aktionskärtchen zu berücksichtigen, und sich auf diejenigen Entdeckungskärten zu konzentrieren, die in der Summe hinterher am meisten einbringen, überforderte alle unsere guten Geister.

Man kann grübeln, braucht aber nicht! Gelacht wird hingegen auf keinen Fall.

WPG-Wertung: Günther: 7 (schwankt zwischen 6 und 7, möchte die Herausforderungen des Spiels noch besser studieren), Horst: 8 (mag generell die Würfelkombinatorik, „ich liebe es, mit Würfeln zu hantieren“), Walter: 6 (schwankt zwischen 6 und 7, begrenzte Interaktion).

3. “Träxx”

Das hübsche, kleine Kartenspiel zum Ziehen der schnellsten Verbindungen zu lukrativen Zahlen und zum möglichst vollständigen Ausfüllen des farbigen Routen-Blattes lag am 18. November letzten Jahres zum ersten Mal auf. Horst kannte es noch nicht und durfte heute seinen Senf dazu geben. Es wurde sogar gelacht.

WPG-Wertung: Horst hob den bisherigen WPG-Schnitt von 5,5 mit einer glatten 7 über die 6-Punkte-Schwelle (simpel, schnell, ein Spiel für meine „andere“ Runde!).

16.12.2015: Mobiles vom Eisenstein und Immobiles aus New York

Es war einmal eine Familie, die gern in den Urlaub fuhr und immer in denselben hübschen Hotels abstieg. Irgendwann fing die Familie gag-halber an, für ein Hotelbewertungsportal Bewertungen zu schreiben. Das kam gut an.
Dann fuhr sie nicht mehr in die paar guten Hotels, sondern klapperte jede Absteige ab, “denn man muss ja alle mal gesehen haben, und wir müssen Bewertungen schreiben”.
(Anfangskapitel aus Peters „Die Tragik der Westpark-Gamers“.)

1. “Phalanxx”

Die Phalanx erschrickt den Weihnachtsmann
Die Phalanx erschrickt den Weihnachtsmann

Als Vorweihnachtsgeschenk hat uns Bernd Eisenstein sein neuestes Produkt zum Testen übergeben. Seit 2003 sind Bernds Spiele bei Luding registiert. Am Anfang hat er noch „gesündigt“ und dafür Namen quer durchs Alphabet vergeben („Maya“ war sein erstes Spiel, „Zack & Pack“ kam 2008, später „Alea Iacta Est“ und „Artifact“ zusammen mit Jeffrey D. Allers). Seitdem er unabhängig ist, und die Spiele im Eigenverlag herausbringt, fangen die Namen seiner Spiele alle mit „P“ an (z.B. „PAX“, „Porto Carthago“ „Palmyra“, „Peloponnes“ und „Pergamemnon“.) Das ist sicher kein Zufall und vielleicht eine von FF abgeschaute Marotte, auch wenn Bernd nicht Pernd Peisenstein heißt. Vielleicht wird er mal den Algorithmus zu seiner Namensvergabe verraten. Vielleicht hat er ja eine heimliche Liebe Penelope. Seine VOR-Lieben liegen zumindest alle im griechisch-antiken Raum.

In „Phalanxx“ breiten sich alle Spieler von gegebenen Startpunkten in die kleinasiatische (bzw. in irgend eine abstrakte Hexagon-) Landschaft aus. Die ersten Züge sind friedlich, dann kommen sich die Spieler gegenseitig in die Quere und verdrängen sich. Wer stärker ist kann seinen Gegner jederzeit ohne irgendwelche Kampfenscheidungen nach Hause schicken. Der eigentliche Kampf geht darum, rechtzeitig stärker zu sein als der Nachbar, dessen Felder man sich unter den Nagel reißen möchte.

Eigentlich kriegerisch, aber doch nicht so tödlich-peinlich, wie es auf den ersten Blick aussieht, denn die Anzahl der Krieger eines jeden Spielers ist stark begrenzt. Wer seine Soldaten alle verschossen hat, kann sich nur noch zahnlos auf den Feldern der Siegpunkt-Ehren tummeln und warten, bis das Spielende eintritt. Für die nach Hause geschickten Pöppel der Mitspieler dagegen gibt es nahezu bis zur Schlussrunde unbegrenzt neue Betätigungsfelder.

Die Stärke eines Spielers ist gleichzeitig die Anzahl seiner Siegpunkte, mit denen er am Ende aufs Treppchen steigt. Zum Siegpunkte-Sammeln muss man sich aus einer angebotenen Auslage von Stärke-Karten, die in sich eine Menge Abhängigkeiten in Bezug auf Zulässigkeit und Wirkung besitzen, in der richtigen Reihenfolge die besten heraussuchen. Hier hat Bernd in seiner bekannten, gekonnten Manier die weitsichtige Planbarkeit mit kurzsichtigem Zufall verheiratet. Vor allem aber sein aus Würfeln basierter Zugmechanismus ist neu, elegant, und in sehr interessanten Aspekten antagonistisch.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “New York 1901”

Dreimal im Monat Dezember lag dieses Spiel jetzt bei uns auf dem Tisch. (Siehe frühere Reports.) Wenn man es spielerisch und GAAANZ locker nimmt, ist es eine hübsche Entspannungsübung nach einem schweren Tobak. Doch wer will, kann dabei auch denken! Hoffentlich nur wohldosiert denken, sagte doch schon der alte Paracelus, dass es die Dosis macht, ob etwas Gift oder kein Gift ist.

Zwei erfahrene New Yorker wollten ohne die Kinkerlitzchen von Aktionskarten spielen. Sie stören nur innerhalb der Lockerungsübungen und geben den mutwilligen Denkern auch noch unnötigen Stoff zur Ablaufverlangsamung. Tonkünstler Moritz hingegen wollte „puristisch“ nach den Regeln spielen und die Aktionskarten auf jeden Fall dabei haben. Er mag es auch nicht, wenn man an seinem „Hämmerklavier“ herumoptimiert und bewusst einzelne Takte weglässt. Das Genie setzte sich durch.

Am Ende gingen die Grundstückskarten nicht auf! Es gab noch zwei Stück in der Auslage ohne passende Bauplätze auf dem Spielbrett! Wer hat hier falsch gespielt? – Wen interessierte das auch schon? – Unser Genie natürlich! Glücklicherweise kann man in „New York 1901“ anhand der gesammelten Grundstückskarten eines Spielers und in Relation zu seinem Immobilienbesitz rekonstruieren, bei wem etwas falsch gelaufen ist. Walter, dem häufiger so ein Unglück passiert, und dem von Elitespielern sogar unterstellt wird, dass das nicht immer ohne Absicht geschieht, war froh, dass nicht er der Schuldige war.

Moritz gewann mit Günthers Siegstrategie als „Bronze-Baron“. Es gehört ein gewisse Selbstbeherrschung dazu, seine bronzenen Basis-Gebäude nicht zu überbauen und für seine höherwertigen Gebäude jeweils neue Bauplätze zu erwerben und zu warten, bis sie groß genug sind. Moritz nahm sich das vor und er schaffte es auch. Die dafür ausgelobte Prämie von 15 Siegpunkten brachte ihm – wie auch letzte Woche unserem Günther – den Sieg.

Aaron, der für das Spiel immerhin 6 gute Punkte vergeben hat, gab kund: „Ich brauche das Spiel kein viertes Mal zu spielen!“

Und noch eine allgemeine Kritik: Die Farbgebung für die Grundstücke in den Karten und auf dem Spielbrett ist äußerst unglücklich: gelb, orange und pink sind im Lichterschein vom Westpark nur schwer voneinander zu unterscheiden. Außerdem sind die gestrichelten Linien auf den Grundstücken absolut kontraproduktiv: sie erschweren ganz klar das Erkennen der Grundstücksgrenzen. Absicht oder nicht: es ist schlecht und unterstützt die Verwechslungsgefahr.

WPG-Wertung: Zum bisherigen WPG-Schnitt von 6 Punkten vergab Horst deren 7 (das Spiel hat einen gewissen Wiederspielreiz. [Er hat das Spiel heute zum ersten Mal gespielt.])

Wir wünschen allen unseren Mitgliedern, Freunden und Lesern ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein glückliches Neues Spielejahr!

09.12.2015: Deutscher Adel

Ein chinesischer Pastorensohn hat vor achtzig Jahren in Amerika eine Formel für den Nationalcharakter von Völkern entwickelt. Aus den Elementen R (= Realitätssinn), T (= Träumerei bzw. Idealismus), H (= Humor) und S (= Sensitivität), zusammen mit dem Mengenbezeichnungen 4 = ungewöhnlich stark, 3 = stark, 2 = durchschnittlich und 1 = schwach hat er für DIE Deutschen herausgefunden:

deutsch = R3T4H1S2

Fast so ein Bullshit, wie ihn Goldhagen sechzig Jahre später auf seine Art verzapft hat. In dreißig Jahren werden sich eine halbe Millionen eingeflüchteter, heimisch gewordener Syrier unter diese Formel beugen müssen!

Wir haben ja schon unlösbare Schwierigkeiten, die deutschen Spieler, eine kleine Teilmenge von R3T4H1S2 unter einen Hut zu bringen. Die einen wollen in ihrem Spielvergnügen eine reine, klare, logische Spielidee meistern, die anderen brauchen dazu mindestens noch einen Würfel, etwas Chaos und viel Glück, und die dritten benötigen drum herum ein Brimborium von Lametta und nach Möglichkeit auch noch einen Eimer voll Dreck, mit dem sie ihre Mitspieler ideell bewerfen können.

Solange wir nur Spieler sind, können wir uns als Mitspieler Gleichgesinnte heraussuchen und mit ihnen dem Spielvergnügen frönen, das alle für gut und schön empfinden. Sind wir aber Spieleautoren, die nicht nur für ihren eigenen kleinen Kreis Spiele erfinden, sondern am Markt eine gewisse Akzeptanz suchen, dann müssen wir schon eine Menge Kompromisse machen mit dem, was wir selber für gut und richtig halten und dem, was Markt und (Verlags-)Meinung uns aufs Auge drückt. Aaron weiß ein Lied davon zu singen.

1. “Celestia”

Eine Weiterentwicklung bzw. eine simple Expansion von „Cloud 9“ vom gleichen Autor Aaron (ein anderer) Weissblum. Wir sitzen im gleichen Ballon wie von „Cloud 9“; der pro Fortschritt wechselnde Pilot würfelt mit zwei bis drei Würfeln die Unbilden des Wetters aus und muss sie mit den ihm zugeteilten „Ausrüstungskarten“ meistern. Wer fürchtet, dass der Pilot die aktuellen Herausforderungen nicht schafft, darf aussteigen und bekommt eine Siegpunktkarte gemäß seinem Ausstiegspunkt. Schafft der Pilot es tatsächlich nicht, so stürzt der Ballon ab und alle übrig gebliebenen Passagiere einschließlich Pilot bekommen gar nichts. Schafft es der Pilot, so rückt der Ballon auf das nächste, an Siegpunkten progressiv ertragreichere Feld vor.

Der simplen Idee von „push your luck“ bzw. „Can’t stop“ sind in „Celestia“ noch ein paar „Machtkarten“ hinzugefügt worden, mit denen man in den normalen Spielablauf eingreifen kann:

  • Mit dem “Raketenrucksack” überlebt ein Passagier auch einen Ballon-Absturz und bekommt die Siegpunkte entsprechend dem letzten Aufstiegspunkt. – Für Warmduscher.
  • Mit dem “Unfreiwilligen Aussieg” darf jeder Passagier willkürlich einen anderen Mitspieler aus dem Ballon drängen. – Für Miesnickel und Kingmaker!
  • Die “Alternative Route” erlaubt dem Kapitän, seine Wetter-Würfel nochmals neu zu würfeln. Der “Kaputte Antrieb” zwingt ihn dazu, seine Wetter-Würfel neu zu würfeln – Das eine ist gut gegen schlechte Würfe, das andere, eher in der Hand von bereits ausgestiegenen Passagieren, gut gegen gute Würfe.
  • Mit dem “Magischen Fernglas” kann der Kapitän unabhängig von seinen Ausrüstungskarten alle über ihn hereingebrochenen Wetterunbilden meistern.

Der Kapität MUSS die Wetterunbilden meistern, falls er die entsprechenden Ausrüstungskarten hat. Jokerkarten DARF er dabei beliebig einsetzt, muss aber nicht. Der Geburtsfehler von „Cloud 9“, dass der Pilot nicht beweisen muss, dass er die benötigten Ausrüstungskarten nicht besitzt, ist auch in „Celestia“ nicht beseitigt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (eigentlich ein 5er Spiel, aber mit schöner Grafik), Günther: 5 (so richtig hat es mich nicht begeistert), Moritz: 5 (repetitiv, die Situationen im Spiel sind alle sehr ähnlich, die statistischen Erfolgs-Chancen sind nicht abzusehen), Walter: 4 (ohne „Machtkarten“ wären es 5, aber die Machtkarten machen das bisschen statistisch-psychologische Hoffnung kaputt und fördern dazu noch bösartige Mitspieler-Willkür – igittigitt!)

2. “Nobiles”

Nobile: Der Vater und sein Kind
Nobile: Der Vater und sein Kind

Unter der Woche hatten Aaron und Walter daran gearbeitet, in Aaron’s Neuentwicklung ein paar Weichen neu zu stellen, das heutige Quartett sollte das Ergebnis begutachten.

Die reine Spielidee ist der Kampf um Unterstützung oder Verweigerung bei der Bekämpfung von Natur-Katastrophen an Frieslands Küste (oder wo auch immer), den jeder Mitspieler mit sich selber auszufechten hat. Wird der Kampf gewonnen, bekommen alle Mitspieler viele Siegpunkte und der Häuptling am meisten. Wird der Kampf verloren, so bekommen ein paar wenige Mitspieler wenige Siegpunkte, andere gar nichts.

Fazit: Die Balance zwischen den Erträgen für Häuptling und Fußvolk, zwischen Aufwand und Ertrag, sowie innerhalb der Belohnungen bei Erfolg oder Misserfolg ist schon sehr gut eingestellt. Die einen mögen jetzt noch mehr Lametta, die anderen mehr Zufall und die dritten eine stärkere Konzentration auf des Pudels Kern. Und der Autor möchte noch dazu, dass das Spiel schneller über die Bühne geht. Eine nur schwer lösbare Aufgabe innerhalb von R3T4H1S2, die nur mit Kompromissen und Enttäuschungen in die eine oder andere Richtung zu bewältigen ist.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

3. “New York 1901”

Das Spiel hat letzte Woche mit 5,5 Punkte nur begrenzte Zustimmung gefunden. Allerdings hatten wir uns da noch eine falsch verstandene Bau-Fessel angelegt. Heute, nachdem drei der vier Mitspieler sieben Tage lang die Abläufe überschlafen und verinnerlicht hatten, bekam es noch eine Chance, und Moritz sollte Oberschiedsrichter sein.

Günther hatte insbesondere den Bronze-Meister zutiefst verinnerlicht und ließ sechs seiner Bronze-Wolkenkratzer bis zum Schluss unüberbaut stehen. Mit den dafür erzielten 15 Bonus-Punkten schoss er vom letzten Platz auf den ersten Platz vor. (Frage: Wie groß war maximal der Punktabstand zwischen dem ersten und dem letzten Spieler bei Spielende?)

Moritz war mit dem Spielausgang sicherlich nicht ganz zufrieden, auf jeden Fall aber mit dem Spiel. Beim nächsten Mal würde er einiges anders machen. Wenn es denn – für “New York 1901” – am Westpark ein nächstes Mal gibt.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (bleibt, obwohl er diesmal noch mehr das Gefühl hatte, dass er gespielt wird. „entweder wurden mir alle begehrten Baupläne vor der Nase weggenommen, oder sie tauchten überhaupt nicht erst auf), Günther: 6 (bleibt), Moritz: 7 (flott, nicht überbrainy, ziemlich OK), Walter: 6 (ein Punkt mehr; auch wenn es nicht vom Hocker reißt, ist es doch eine recht saubere Konstruktion)

02.12.2015: Sprachverwirrung in New York

CEMS ist ein weltweiter Zusammenschluss von Universitäten zur Ausbildung von Führungspersönlichkeiten globale Unternehmen für künftige Generationen in einer mehrsprachigen, multikulturellen und vernetzten Geschäftswelt. CEMS fördert einen Kosmopolitismus mit Schwerpunktsetzung auf Spitzenleistungen unter hohen ethischen Standards, auf Verständnis und Unterstützung der kulturellen Vielfalt unserer Welt, sowie auf Verantwortung für die Gesellschaft als Ganzes.

Unser (Ex-)WPG-Kücken Basti hat jetzt auf dem CEMS Annual Events 2015 in einem Pulk mit 500 weiteren europäischen Studenten seinen Master entgegengenommen. Zusammen mit den Angehörigen, u.a. mit unserem Aaron, sind mehr als zweitausend Menschen zusammengekommen, um an der feierlichen Verleihung dieses Titels teilzunehmen. Im Mariinskiy-Theater von St. Petersburg (Hans-im-Glück lässt grüßen)! Jawohl, in Putins St. Petersburg. Die freundschaftliche Zusammenarbeit im univeritären Bereich klappt offensichtlich trotz politischer Hetze und wirtschaftlichem Boykott vorzüglich.

Warum sind denn die Spitzenpolitiker aller Staaten immer so bescheuert und glauben, mit Drohungen, mit Konfrontation und mit Bomben eine bessere, demokratischere, friedlichere Welt schaffen zu können. Und das setzen uns unsere obrigkeitsorientierten Journalisten und Medien auch noch täglich als der Weisheit letzten Schluss vor …!

1. “New York 1901”

Der Kampf der Regelhefte in „New York 1901“
Der Kampf der Regelhefte in „New York 1901“
Wolkenkratzer sind angesagt. Jeder Spieler beginnt mit einem kleinen Grundstück in Manhattan, zu dem er regelmäßig neue hinzukauft und früher oder später Wolkenkratzer (Papp-Plättchen) darauf baut, zuerst nur billige bronzene, später silberne und zum Schluss die siegpunktträchtigsten goldenen.

„Hinzukaufen“ ist zu kapitalistisch ausgedrückt, man bekommt sie kostenlos. Vier Gründstückskarten liegen jeweils aus; pro Zug darf ein Spieler sich eines davon nehmen. Die Grundstücke liegen in definierten, farblich unterschiedenen Gebieten. Um später goldene Wolkenkratzer darauf bauen zu können, muss man schon drei oder vier benachbarte Grundstücke erworben haben. Die bösen Mitspieler können die goldenen Träume allerdings vereiteln, indem sie sich selber die Nachbargrundstücke unter den Nagel reißen. Glücklicherweise hält sich diese Miesnickeligkeit in Grenzen, da jeder für seine eigene Entwicklung sich ja selber möglichst abseits gelegene Grundstücke aussucht.

Eigentlich ist der Spielablauf von „New York 1901“ ganz einfach; die Regel sind auf zwei, noch dazu bebilderten Seiten beschrieben. Doch der Teufel steckt im Detail. Beispiel: „Neue Wolkenkratzer können nur alte Wolkenkratzer einer älteren Entwicklungsstufe ersetzen“. Offensichtlich heißt das, dass neue Wolkenkratzer keine bestehenden Wolkenkratzer einer gleichen oder höheren Entwicklungsstufe überbauen dürfen. Heißt das aber auch, dass Wolkenkratzer einer höheren Entwicklungsstufe nicht auf dem blanken Boder erbaut werden dürfen? Nichts Genaues weiß man nicht. Aaron suchte im englischen Regelheft (“Demolished skyscrapers can only be replaced by skyscrapers from a more advanced generation”) und Peter im französischen (“Les nouveaux gratte-ciel ne peuvent remplacer que de gratte-ciel d’une technologie plus ancienne”). Nirgendwo steht, dass höhere Wolkenkratzer nicht gebaut, sondern damit nur überbaut werden darf. “Replaced” schließt doch ein “placed” nicht aus, und “remplacer” kein “placer”. Diese Interpretation fanden Aaron und Günther, Walter enthielt sich einer Wertung, Peter aber, wie konnte es anders sein, pochte mit seinem französischen „Original-Regelheft“ auf sein besseres Wissen und minorisierte die Mehrheit!

Über eine Stunde zog sich die Diskussion über diese und weitere Regeldetails hin. Offensichtlich bringt das am Westpark nicht nur Frust, sondern macht auch Spaß, sonst würde wir ja uns ja nicht regelmäßig dieser Prozedur unterziehen. Trotzdem, liebe Verlage, ist es denn so schwer, in einfacher Sprache klare Abläufe eindeutig zu beschreiben. Die ganze halbe Seite mit den „Regeln für Wolkenkratzer-Entwicklungsstufen“ könnte auf den nackten Satz gebracht werden: “Wolkenkratzer einer höheren Entwicklungsstufe müssen mindestens einen Wolkenkratzer der nächst-niedrigeren Entwicklungsstufe überbauen.” Oder, falls das Gegenteil gemeint ist: “Wolkenkratzer einer höheren Stufe dürfen auf den blanken Boder gebaut werden oder Wolkenkratzer von niedrigeren Stufen überbauen.”

Vorteile des Startspielers sind nicht wegzudiskutieren. Walter bekam als Startspieler in der ersten Runde sogleich den einzigen Drei-Felder-Bauplatz. Ebenso einen in der zweiten Runde. Damit erreichte er schnellstmöglich die 6-Punkte-Marke, womit er seine bronzenen 3er-Wolkenkratzer auch sogleich mit silbernen (vielleicht sogar mit goldenen!?) überbauen durfte. Außerdem schonte er damit seinen Vorrat von im Endspiel wichtigen 2er Wolkenkratzer. Er hatte als einziger keinerlei Engpässe bei der Auswahl seiner Gebäude in der Endphase des Spiels. Da Peter den Schluss einläutete, und Walter so auch noch den letzten Zug durchführen durfte, hatte er als einziger einen Zug mehr als allen anderen. Es reichte zum Sieg. Wer schon bestreiten will – was bei uns durchaus der Fall war -, dass der Startspieler einen Vorteil hat, der soll sich nur diesen Spielausgang vor Augen führen. Günther wurde Letzter; soviel zur intellektuellen Herausforderung von „New York 1901“!

Noch eine Kritik an den Aktionskarten, die Doppelzüge erlauben. Sie sind absolut überflüssig. Das Spiel läuft so überschaubar linear-stetig ab, dass der Durchbruch dieser Linearität durch Doppelzüge nur mehr Unberechenbarkeit, aber keine zusätzliche Spielfreude mit sich bringt.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (der Spielspaß ist eher bescheiden. Was ist überhaupt die Herausforderung?), Günther: 6 (das Spiel besitzt keinen besonderen Clou, aber innerhalb der Spielzüge eine gewisse taktische Vielfalt), Peter: 5 (1 Punkt mehr aus Frankophilie, man hat sein Glück nicht selber in der Hand, weil jeder Mitspieler die trächtigsten Pläne vermaseln kann), Walter: 5 (das Spiel funktioniert und ist schnell [kann schnell sein], der Spielablauf ist allerdings ziemlich schlicht und [wahrscheinlich] schnell ausgelutscht).

2. “Regenbogen Schlange”

Tischauslage der Regenbogen-Schlange
Tischauslage der Regenbogen-Schlange
Alle Spieler verlangten nach unseren 45 Minuten allgemeines Anfangspalaver, 75 Minuten Kampf mit New Yorks Regelauslegung und 60 Minuten Immobilien-Management ein schnelles, lockeres Kartenspiel zur Entspannung. Walter fand in seinem Schrank eine noch jungfräuliche „Regenbogen Schlange“, im Jahre 1999 geboren und zehn Jahre später reinkarniert. Alle WPG waren sofort dafür, und Aaron durfte die Regeln erklären. Schon beim ersten Satz des Regelhefte fiel ihm die Kinnlade herunter: „Alle Spieler versuchen, möglichst lange Regenbogenschlangen zu bilden. Eine Schlange besteht immer aus einem Kopf, mindestens einem Mittelteil und einem Schwanz.“ Das ist exakt das Prinzip von seiner neuesten Neu-Entwicklung „Worms“, mit der er immer noch stark schwanger geht.

Der Rest der Regenbogen-Schlange ist allerdings grundsätzlich anders als seine Würmer. Jeder Spieler hat nur eine einzige Karte mit Kopf, Schwanz oder Mittelteil einer Schlage auf der Hand. Die Tierteile sind in den Farben des Regenbogens gestaltet, wobei in jedem Schlangen-Mittelteil eine Farbe in eine andere übergeht: grün in blau, blau in violett, violett in rot etc. Diese eine Handkarte muss der Spieler farbgerecht an eine der bestehenden Schlangen-Torsos auf dem Tisch anlegen oder damit einen neuen Schlangen-Torso anfangen. Freiheitsgrad Null. Da man allerdings u.U. ein zweifarbiges Mittelteil mit jeder seiner beiden Endfarben anlegen kann – auch wenn das für den Anleger selbst keinen erkennbaren Nutzeffekt hat – , ist der Freiheitsgrad leicht größer als 0.

Wer einen bestehendes Schlangen-Torso mit einem Kopf- bzw. Schwanzstück abschließen kann, darf alle Schlangenkarten als Siegpunkte an sich nehmen. Da man beim Legen eines Mittelstückes, wenn es denn farblich ausgeht, auch zugleich zwei passende Schlangen-Torsos verbinden kann, ist damit sogar eine gewisse optische Herausforderung bei der Betrachtung der Torso-Auslage auf dem Tisch gegeben. Für 4-Jährige gerade richtig.

Aaron muss glücklicherweise seine „Worms“ nicht einstampfen. Walter wird das Spiel hoffentlich in Erinnerung behalten, wenn seine jetzt zweijährige Enkeltochter im nächsten Jahr die Farben gelernt hat.

Keine WPG-Wertung für ein Klein-Kinder-Spiel.

3. “Hamsterbacke”

Ebenfalls ein lockeres Kartenspiel, immerhin für Erwachsene ab 8 Jahre. Der Zahlenraum von 1 bis 4 muss beherrscht werden.

Im September dieses Jahre lag das Spiel schon zweimal bei uns auf dem Tisch, das erste Mal mit Wohlwollen betrachtet, beim zweitem Mal mit leicht reduzierter Lust. In Session-Report vom 2. 9. steht schon genug über die Regeln, das können wir uns hier jetzt sparen.

Kontrovers war die Diskussion, ob „Hamsterbacke“ nach Peters Sofort-Einschätzung ein reines Glücksspiel ist, oder nicht. Nein, rein ist das Glück gewiss nicht, aber den Glücksfaktor für „Hamsterbacke“ genauso hoch einzuschätzen wie für „6 nimmt!“, das halte ich für ein reines Sakrileg!

WPG-Wertung: Peter vergab 6 Punkte (lustig, nett, daher mehr als 5, aber zu chaotisch, daher keine 7), Walter reduziert seine bisherigen 7 Punkte auf 6 (man ist in seinen theoretischen Freiheitsgraden im Kartenmanagement durch das regelmäßige Schröpfen des Spielers mit den meisten Karten in der Praxis doch erheblich eingeschränkt), Aaron und Günther blieben bei ihren 7 Punkten.

4. “6 nimmt”

Da in der Diskussion um „Hamsterbacke“ das Stichwort „6 nimmt“ gefallen war, musste dieses Spiel gleich anschließend antreten, um seine Qualitäten zu zeigen. Es wurde viel mehr gedacht als bei „Hamsterbacke“, es wurde auch viel mehr gelacht, aus tiefstem Herzen der Erleichterung, wenn der Kelch an uns vorüber gegangen war, und ein anderer Spieler die Reihen mit den teuren Strafkarten an sich nehmen musste. Schadenfreude gab es bei „Hamsterbacke“ auch, aber keinesfalls diese Freude der Erleichterung!

In jedem Fall ist „6 nimmt“ ein taktisches Spiel. Kein Wunder, dass diesmal Günther mit hohem Abstand gewann. Ich will hier nicht schon wieder anführen, wo er bei „Hamsterbacke“ gelandet ist …

Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte-Spiel, in dem lediglich Peter mit 6 Punkten deutlich nach unten abkackt.

5. “Nobiles”

Peter war diesmal schon mit der fast letzten U-Bahn abgedüst, als Aaron die übrig gebliebenen Mitspieler um eine Begutachtung der allerneueste Version seines „Nobiles“ bat. Selbstverständlich waren alle zur Unterstützung einer Spielentwicklung bereit.

Neu wurde ein Würfel ins Spiel gebracht, um vordefinierte Kalamities in leicht randomisierte Kalamities zu verwandeln. Höfe, Deiche, Kreißsäle etc. wurden neu dimensioniert. Ebenfalls wurde an den Schrauben für Siegpunkte gedreht. „Viel Lob, großes Lob!“ – das hatte es gegeben, als die vorletzte Überarbeitung im Juni dieses Jahres für Moritz und Peter aufgelegt wurde. Diese Euphorie kam bei der diesmal aufgetischten Version nicht auf. Es ist halt nicht so leicht, es allen recht zu machen. Spieletester nördlich des Mains gehen offensichtlich anders an Spiele heran als wir. Und wir am Westpark haben sowieso keine markt-relevante Meinung.

Keine WPG-Wertung für Spiel in der Entwicklungsphase.

18.11.2015: Porta Nigra und mehr

„Ich spiele nicht, um mir Freunde zu machen. Das Leben ist einfach zu kurz, um Züge auszulassen, die die anderen ärgern.“ (unknowns)

1. “Porta Nigra”

Ein ERC-Nachwuchs-Historiker erforscht die Porta Nigra
Ein ERC-Nachwuchs-Historiker erforscht die Porta Nigra

Die modernen Eurogame-Klassiker heißen nicht mehr „Paris“, sondern „Notre Dame“, nicht mehr „London“, sondern „Tower“, und nicht mehr „München“, sondern „Hofbräuhaus“. Ein ganz neues Namens-Portal tut sich da auf. Dahinter ist allerdings immer noch der alte Dreh: Wir sind Adelige, Architekten, Baumeister, Ritter oder Tod und Teufel und wetteifern um die siegpunktträchtigste Entwicklung in Stadt oder Land.

In „Porta Nigra“ lassen uns die Altmeister Kramer & Kiesling auf unserem Papppferd um den Marktplatz von Trier herumreiten. Jeder Schritt kostet einen Schilling. Wir kaufen in den vier verschiedenen Steinbrüchen rote, grüne, gelbe oder schwarze Bausteine und beteiligen uns damit an den vier Baustellen der Stadt. Jede Bausteinfarbe hat einen anderen Preis. Es ist genau vorgeschrieben, welche Bausteinpakete in Anzahl und Farbe an den verschiedenen Baustellen zulässig sind. Nach jeder durchgeführten Baumaßnahme bekommen wir unverzüglich Siegpunkte dafür, abhängig von der Anzahl und dem Wert der eingesetzten Bausteine. Zusätzlich werden bei Spielende alle unsere Beteilungen an allen Bauplätzen der Länge, Breite und Höhe nach mit denen unserer Mitspieler verglichen; wer in den verschiedenen Dimensionen die größte hat, bekommt weitere Siegpunkte; die zweitgrößte bekommt auch noch was, die anderen gehen leer aus.

Unter zwölf verschiedenen Mehrheiten gilt es, sich die besten herauszusuchen; kleckern bringt gar nichts, klotzen auch nicht, gerade mit minimaler Portion besser zu sein als die anderen und ansonsten lieber gar nicht beteiligt zu sein, darin liegt das Geheimnis zum Sieg. Aber welche Mitspieler halten schon so schön still und schenken uns Mehrheiten?

Wie wickeln wir unsere Züge ab? Jeder Spieler hat ein identisches Set von sieben Aktionskarten, die ihm zwei bis drei Aktionen pro Zug gestatten. Im Wesentlichen sind das a) Bausteine kaufen, b) Bausteine verbauen und c) Geld kassieren. Das Geld brauchen wir für den Bausteinkauf sowie für unseren Ritt um den Marktplatz. Im Unwesentlichen sind das d) Fackeln, mit denen wir eine weitere Aktion der Karte ausführen dürfen oder e) Nudelwalzen, die uns zum Sondereinkauf von Bausteinen, Geld, Fackeln, Bauhonorare oder Siegpunkte berechtigen.

Zu Spielbeginn mischt jeder Spieler seine Aktionskarten und zieht davon verdeckt zwei Stück zum Agieren. Pro Zug darf er eine davon nutzen; danach legt er sie ab und zieht verdeckt eine neue Aktionskarte nach. Bis alle sieben Karten durchgespielt sind. Für die letzte Karten gibt es natürlich keine Auswahlmöglichkeit mehr.

Jedes Kartenset wird zweimal durchgespielt. Nach dem ersten Durchspielen gibt es eine Zwischenwertung, in der der aktuelle Besitzstand ermittelt und in frei wählbarer Stückelung in Siegpunkten oder als Geld ausgeschüttet wird. „Wie bei Yunnan“ bemerkte Aaron. In leicht dödelnder Stimmung wurde „Porta Nigra“ als „Mischung aus Yunnan und Monopoly“ apostrophiert; aber man darf nicht alles ernst nehmen, was vom Westpark nach außen dringt.

Die Fülle an Siegpunktquellen in „Porta Nigra“ ist schlichtweg „unübersichtlich“, ein Begriff, der heute ganz deutlich von „chaotisch“ abgegrenzt wurde. Die genaue Begriffsklärung überlasse ich Peter, sinngemäß geht „unübersichtlich“ in die Richtung von „schwerfällig“, während „chaotisch“ durchaus auch noch ein spritziges Element enthält. Jedes Bauen in “Porta Nigra” löst eine ganze Reihe Nebeneffekten aus, die zwar logisch konstruiert und angenehm zu nutzen sind, ein erfolgreich-geplantes Spiel aber zu einer langweiligen (für die anderen) Rechnerei ausarten lassen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viel, als dass es Spaß macht), Günther: 6 (etwas zu lang, sonst wäre das Spiel noch mehr Punkte wert), Peter: 5 (ein Eurogame [= positiv], aber ein modernes [= negativ]), Walter:5 (beim Mehrheiten-Wettlauf in 12 Disziplinen kommt ein älterer Herr leicht außer Atem; er bekommt immer mehr Sympathie für Moritz seine Bomben).

2. “Träxx”

Lebenslinien in Träxx
Lebenslinien in Träxx

Bingo mit Farben! Jeder Spiel bekommt eine Tafel, auf der 61 bunte Hexagons (rot, grün, gelb, blau, weiß und grau) mit einem Startpunkt aufgedruckt sind. Für alle Spieler sind die Tafeln identisch, die Startpunkte verschieden. Die meisten Felder der Tafel sind leer, einige Felder enthalten eine Zahl zwischen 2 und 10.

Jetzt wird von einem verdeckten Stapel jeweils eine Fahr-Karte gezogen, die vier bis fünf bunte Hexagons aufzeigt. Für jedes rote Hexagon auf der Fahr-Karte dürfen wir von unserem Startpunkt auf unserer Tafel aus (bzw. von den Endpunkten der Linie, die wir inzwischen gezogen haben) eine Linie zu einem benachbarten roten Feld auf unserer Tafel ziehen. Für jedes blaue Hexagon dürfen wir auf ein benachbartes blaues Feld ziehen, usw. Die Reihenfolge, in der wir die farbigen Hexagons der Fahr-Karte nutzen, ist beliebig. Wir dürfen farbige Hexagons auslassen, aber wir dürfen die Linie auf unserer Tafel nicht durch ein Feld ziehen, das auf der Fahr-Karte nicht angegeben ist.

Wer als Erster eines der Zahlenfelder auf seiner Tafel erreicht, bekommt den Wert als Pluspunkte gutgeschrieben, Wer erst zu einem späteren Zeitpunkt das gleichen Zahlenfeld erreicht, bekommt nur noch den halben Wert an Pluspunkten. Wenn alle 15 Fahr-Karten des Spiels gezogen sind, endet das Spiel. Die Summe der Punkte für die angefahrenen Zahlenfelder wird addiert und davon die Anzahl der unbefahrenen Felder auf der Tafel als Minuspunkte abgezogen. Wer die meisten Punkte hat, ist Sieger. Eine weit vorausschauende Planung auf der Farb-Topologie der Tafel zum Befahren möglichst aller Felder ist von Nutzen. Er kommt parallel einher mit dem möglichst schnellen Anfahren der höchsten Zahlenwerte einer Tafel. Spielerisch und anspruchsvoll! Weitaus anspruchsvoller als Bingo!

Walter fragte nach dem Glücksfaktor von „Träxx“ und warf gleich die Schätzung „80 %“ in die Waagschale. Günther war mit „70 bis 80 %“ dabei, und Aaron steuert noch kopflastige „110 %“ bei. Da konnte sich selbst Peter nicht zurückhalten, sein Schätzwert war Pi (π). Warum Pi? „Die Antwort würde Dich verunsichern!“ – Eine Universal-Antwort, die so manchen Klugscheißer aus den Angeln heben könnte …

WPG-Wertung: Aaron: 5 (schnelles Dödelspiel, für mich zu dödelig), Günther: 6 (netter Zeitvertreib), Peter: 5 (unterhaltsam, man kann es sogar alleine spielen!), Walter: 6 (100% mehr als „Bingo“; kann immer mal wieder Spaß machen, Punkteinbuße durch das Malen mit Spezialstiften auf die Papp-Tafel. Hat ihm schon bei „Dampfross“ nicht gefallen).

3. “Qwixx – Big Points”

Das hübsche, kleine Würfelspiel (siehe Spielbericht vom 2. Januar 2013) ist mit einem neuen Wertungsbogen versehen worden. Zwischen die aufsteigende rote und gelbe Zahlenreihe sowie zwischen die absteigende grüne und blaue Zahlenreihe ist jeweils eine weitere Zwischen-Zahlenreihe eingezogen werden, auf denen nach dem gleichen Schema Würfelergebnisse eingetragen werden dürfen wie auf den benachbarten Zahlenreihen auch. Einzige Einschränkung: ein Feld der neuen Zwischen-Zahlenreihen darf erst dann benutzt werden, wenn auf mindestens einer der beiden Nachbarreihen die gleiche Zahl bereits eingetragen ist.

Bei der Endwertung zählt jede Eintragung auf der Zwischen-Zahlenreihe für beide Nachbarzahlenreihen. Auf diese Weise kann man bei der quadratisch steigenden Wertungsskala leicht (oder auch nicht so leicht) auf Werte von über 100 Punkten kommen. Daher der Name „Big Points“.

WPG-Wertung: Das Spiel ist immer noch hübsch, und hat einen deutlich niedrigeren Glücksfaktor als „Träxx“. Allerdings hat das Spiel durch die zusätzlichen Zahlenreihen nicht wesentlich etwas dazugewonnen. Es bleibt beim Schnitt von 7,2 Punkten.

11.11.2015: Antarktisches Mombasa

Der Europäische Forschungsrat (European Research Council – ERC) ist eine von der Europäischen Kommission eingerichtete Institution zur Finanzierung von grundlagenorientierter Forschung. Unser Peter hat jetzt den ERC Starting Grant erhalten, die angesehenste aller Auszeichnungen für exzellente Nachwuchswissenschaftler. Die Universität Bamberg präsentiert Peter stolz als den ersten Wissenschaftler der Universität Bamberg, der diese Finanzierung erhält. Gefördert wird damit sein Projekt „The Proceedings of the Ecumenical Councils from Oral Utterance to Manuscript Edition as Evidence for Late Antique Persuasion and Self-Representation Techniques”. Mit anderen Worten: „Wie entwickelte sich in den frühen Ökumenischen Konzilien Selbstbewusstsein und Selbstdarstellung der Kirche.“ Für jeden Historiker ein fesselndes Thema. Mal sehen, welche schlafenden Hunde damit geweckt werden!

Peter, wir sind stolz auf Dich!

1. “Mombasa”

Wo liegt eigentlich Mombasa? Darf man dazu noch Schwarzafrika sagen oder muss das heutzutage schon Coloured-Africa nennen? Im Zeitalter der politikal Überkorrektness war Pegaus Spiele bei der Namensvergabe gar nicht so wohl. Explizit schließen sie jegliche Ähnlichkeiten ihres Spiels mit Geschichte und Szenerien des realen Mombasa aus. War aber gar nicht nötig.

Günther freut sich schon auf das Abmurksen des nächsten Schwarzen
Günther freut sich schon auf das Abmurksen des nächsten Schwarzen

Mombasa ist ein abstraktes Aufbau- und Optimierungsspiel. Aktien spielen eine Rolle und ein pfiffiger Kartennutzungs-Mechanismus ebenfalls. Jeder hat zunächst den gleichen Satz von Aktionskarten, mit denen er seine Spieleraktionen bestimmt. Später kann man aus einer offenen Auslage weitere Aktionskarten dazukaufen, und so die Auswahl seiner Aktionen flexibler und effizienter machen.

Verdeckt wählt jeder drei Aktionskarten aus seiner Hand aus und legt sie in einer definierten Reihenfolge vor sich ab. Alle Spieler decken dann alle gemeinsam ihre Karten auf und führen sie der Reihe nach aus. Jeder Spieler immer eine davon, bis alle möglichen Aktionen durchgeführt sind. Dann werden die Aktionskarten auf je drei verschiedene, der Kartenreihenfolge zugeordneten Ablagestapeln abgelegt. Vorher – vor dem Ablegen der aktuellen Karten – darf jeder Spieler noch die Karten eines seiner Ablagestapels auf die Hand nehmen. Eine aktuell genutzte Aktionskarten kann also niemals zweimal hintereinander genutzt werden. Dies stellt durchaus eine nicht zu geringe Anforderung an die Vorausplanung der Spielzüge dar.

Und welche Aktionen kann man ausführen? Leider viel zu viele!

  1. Mit einer oder mit mehreren Warenkarten kann man neue Aktionskarten erwerben. Übersteigt der Wert der eingesetzten Warenkarten den Preis für die neue Aktionskarten, darf man mit dem überschüssigen Preis auf einer oder mehren der Aktien-Besitz-Leisten (ABL) vorwärts ziehen. [Hallo: das mit dem überschüssigen Preis haben wir doch glatt übersehen!]
  2. Mit einer oder mit mehreren Warenkarten (Kaffee, Bananen oder Baumwolle) darf man – ohne auf Einkaufstour zu gehen – gleich auf einer oder mehreren ABL dem Warenwert entsprechend viele Felder vorwärts ziehen. [Haben wir eigentlich realisiert, dass man den Wert auf verschiedene ABL aufteilen kann?]
  3. Mit Ausbreitungskarten darf man eine der vier verschiedenen Handelsgesellschaften (rot, orange, schwarz und weiß) sich in die Nachbarfelder ausbreiten lassen. Das Ausbreiten an sich ist dabei gar nicht so wichtig; wichtig ist vielmehr, dass dabei Markierungsfelder in der Heimatbasis der aktiven Gesellschaft offengelegt werden, und damit den Wert der Handelsgesellschaft erhöhen.
    Wenn die Handelsgesellschaften an den Grenzflächen aneinander geraten, kommt es zum Verdrängen: die verdrängten Handelseinheiten müssen zurück in die Heimatbasis, verdecken dabei wieder die geldigen Markierungsfelder, und reduzieren den Wert der Gesellschaft.
    Dass beim Ausbreiten auch noch die Topologie des Untergrundes berücksichtigt werden sollte, weil damit jeweils unterschiedliche Vorteile verbunden sind (Geld, Diamanten, Bücher und Fortschritt auf der ABL), ist ein additives Design-Element. Eines von den ungezählt vielen, die in „Mombasa“ berücksichtigt werden müssen.
  4. Mit der Buchhalterkarte (und den erforderlichen Warenkarten) darf ein Spieler den Marker auf seiner individuellen Bücherleiste vorwärts ziehen. Für vordere Positionen werden in der Schlusswertung beträchtliche Siegpunkte ausgeschüttet. Zudem darf man ab einem gewissen Pegelstand bei den Büchern einen zusätzlichen Aktions-Slot beginnen, d.h. man darf jetzt pro Runde drei statt nur vier Aktionskarten ausspielen. [Hallo Freunde, dieser Zusatz-Slot ist mir mindestens dreimal entgangen!]
  5. Mit der Diamantenhändlerkarte darf ein Spieler den Marker auf seiner individuellen Diamanten-Leiste vorwärts schieben und zusätzlich noch Geld einkassieren. Die Anzahl von Feldern, die er vorwärts ziehen kann, wird durch die Größe des zugeordneten Handelsgebietes erheblich beeinflusst. Ein hübsches Zubrot. Wie beim Buchhalter werden bei Spielende auch für vordere Positionen des Diamanten-Markers beträchtliche Siegpunkte ausgeschüttet, und ab einem bestimmten Pegelstand ist ein weiterer Aktions-Slot zugelassen.
    Diamonds are Günther’s best friend!
  6. Wenn wir mit unseren ausgelegten Aktionskarten in einer Warensorte den höchsten (Summen-)Wert ausgelegt haben – oder wenn, nachdem die Mitspieler ihre Waren so peut a peut verbraucht haben, unsere noch nicht verbrauchten Karten plötzlich den höchsten Wert besitzen – dürfen wir einen unserer beiden Bonusmarker auf das zugehörige Max-Feld stellen, und als Belohnung dafür auf einer der ABL vorwärtsschreiten, sowie weitere Geld- oder Sach-Prämien in Empfang nehmen.
  7. Für unsere Bonusmarker stehen noch sieben weitere Profit-Felder zur Verfügung: Wir können uns die Startspieler-Position unter den Nagel reißen. (Sie hat nur Vorteile, wenn bei Rundenbeginn neue, begehrenswerte Aktionskarten zum Kauf angeboten werden.) Wir dürfen eine Aktionskarten mit Geld anstatt mit Warenwerten bezahlen, wir dürfen eine Aktionskarte in Geld umsetzen, … Ach ja, und noch vier weitere Möglichkeiten.
    Ein Vorteil dieser Bonus-Züge ist, dass wir damit unsere Aktionskarten nicht verbrauchen, beim Abwickeln unserer Spielzüge also Tempo gewinnen. Wer zuletzt lacht, lacht am besten!

Das Spiel wird im Wesentlichen über den Aktienbesitz entschieden. Der Fortschritt auf der ABL ist gleichbedeutend mit dem Besitz von immer mehr Aktien. Wenn wir dann noch unsere Aktionskarten dafür nutzen, der von uns favorisierten Handelsgesellschaft eine riesige Ausbreitung zu verschaffen, so können wir allein mit sechs Aktien im Wert von zwölf Pfund (= Siegpunkten) pro Stück insgesamt 72 Siegpunkte erzielen. Für Günther waren das 95% seines heutigen Sieges. Den Rest gaben ihm seine Diamanten.

“Mombasa” ist ein riesiges Räderwerk mit ungezählten Rädchen, über die man seine Züge optimieren muss. Jede Kartenwahl, jede Festlegung der Reihenfolge, jede Nutzung, jeder Zukauf, jede Ausbreitung, jeder Schritt auf der ABL muss über mehrere Runden in die Zukunft vorausgeplant werden. Für eine bestimmte Spielergemeinde ist das absolut geil! Äußerst sauber designed, ausblanciert, gerecht, konstruktiv, herausfordernd ist das Spiel allemal, eine reife Leistung von Autor und Verlag. Das muss selbst einer anerkennen, für den die gewaltige Optimiererei nur einen beschränkten Spielspaß bereitet. Einer wie ich.

Aarons Bewertungsmaßstab: „Spiele mit vielen Rädchen sind handwerklich; Spiele mit wenigen Rädchen sind elegant!“

WPG-Wertung: Aaron: 6 (besser als bei der Masse des Materials auf den ersten Blick befürchtet; trotzdem zu viele Rädchen; möchte es – wegen der befürchteten Totzeit – nicht zu viert spielen; der Zugmechanismus ist eine nette Idee), Günther: 7 (nicht so [progressiv-] kumulativ wir beim Rosenberg; die Fast-Linearität der Effekte ist positiv; die vielen Rädchen dienen der Verschleierung der Spielidee), Walter: 6 (sauberes Material, sauberes Design, aber die.elendige Optimierung ist nicht sein Fach)

Reflexion auf „504“: Alle Spielmechanismen in „Mombasa“ sind sehr gut aufeinander abgestimmt. Nach der Geburt der Spielidee hat sicherlich noch ein langer Balancierungsprozess stattgefunden, im dem die verschiedenen Teile ineinander eingepasst wurden. Hingegen hat bei allen künstlichen Spiele-Synthesen, die „504“ anbietet, eine solche Feinabstimmung naturgemäß nicht stattgefunden. Eines der Fakten, warum die fünfhundertundvier kombinierbaren Spiele von „504“ zwar eine Quantität, aber keines davon eine Qualität darstellen.

2. “Antarctica”

Vor Kurzem, im Jahre 2011, hat Sunny Games ein brandneues Spiel namens „Antarctica“ herausgebracht. Da müssen wir mit Patrouillenbooten um den Südpol herumfahren und Babyrobben sowie Babypinguine vor dem Zugriff böser Jäger schützen. Jetzt, gerade mal viel Jahre später, hat der Argentum Verlag ein neues, ganz anderes „Antarctica“ herausgebracht, und der Laie fragt sich, a) gibt es denn nur so wenige zugkräftige Spielenamen, und b) sind solche Namen denn nicht geschützt? Wann kommt ein Verlag auf die zündende Idee, seine neue Spielidee unter dem Namen „Monopoly“ zu vermarkten …?

In Argentums „Antarctica“ fahren wir ebenfalls mit unseren Schiffen um den Südpol herum, allerdings retten wir keine Pinguine, sondern errichten Camps, Forschungsstationen, Laboratorien, Fabriken, Schiffswerften, Kräne, Fördertürme für Kohle und Öl, Windräder und ähnlichen zivilisatorischen Schnickschnack, um damit an die Vorräte der Antarktis heranzukommen.

Bemerkenswert an unserer Aufbauleistung ist, dass sie grundsätzlich allen Mitspielern zugute kommt. Das entspricht in etwa dem Geist des internationalen Antarktisvertrages, der festlegt, dass die unbewohnte Antarktis ausschließlich friedlicher, wissenschaftlicher Nutzung vorbehalten bleibt. Wer thematisch guten Willens ist, findet diesen Geist in „Antartica“ wieder: Keines der dort errichteten Bauwerke gehört uns, jeder darf alles kostenlos nutzen.

Wie nutzen wir diese Bauwerke:

  • In Camps kriegen wir Kinder, d.h. wir dürfen neue Pöppel (Wissenschaftler) aus der öffentlichen Reserve in unseren persönlichen Vorrat nehmen. Je mehr Pöppel bzw. je mehr Schiffe wir in der Camp-Region haben, desto mehr neue Wissenschaftler werden uns geboren.
  • Beim Errichten von Bauwerken dürfen wir Pöppel aus unserem Vorrat in die Antarktis bringen. Zusätzlich dürfen wir damit auf einer von drei (oder vier) Fortschrittsleisten vorwärts ziehen. Dafür bekommen wir am Ende Siegpunkte, aber das kriegen wir später.
  • In Gebieten mit Schiffswerft dürfen wir jeweils ein neues Schiff bauen. Über die Schiffe wird ermittelt, wer den nächsten Zug machen darf. Viel Schiff – viel Zug. Aber das kriegen wir ebenfalls erst später.
  • Wir dürfen uns auch entscheiden, nichts zu tun. Das Regelheft sieht das vor und merkt dazu an, dass dieser Zug “fast immer nicht empfehlenswert” ist. Vielleicht wird damit der Ausweg aus einer Sackgasse im Spielgeschehen geschaffen, den der Autor nicht anders hinkriegen konnte. Wer weiß!
  • Innerhalb eines Zuges dürfen wir einen unserer arbeitenden Wissenschaftler oder ein Schiff in Rente schicken. Wir bekommen dafür sofort einen neuen Pöppel aus der öffentlichen Reserve in unseren Vorrat. [Diese Möglichkeit haben wir heute zwar nicht genutzt, aber haben wir auch realisiert, dass dies ein Zusatzzug zu unserem normalen Zug ist, und dass wir dafür neue Wissenschaftler rekrutieren dürfen?] Vor diesem Zug wird im Regelheft ebenfalls gewarnt: “Wenn wir unser letztes Schiff in Rente schicken, kommen wir im weiteren Spielverlauf NIE mehr zum Zug!” – Dumm gelaufen!

Jetzt zum Zugmechanismus, der zweifellos ansprechend ist. Der Südpol ist in acht Gebiete unterteilt. In jedem Gebiet gibt es Platz für maximal drei Schiffe. Diese haben die Rangfolge Erstes, Zweites und Drittes. Reihum wird aus dem jeweils nächsten Gebiet das Schiff gezogen, das an erster Stelle liegt. Der Spieler, dem dieses Schiff gehört, darf damit beliebig viele Felder vorwärts ziehen, solange im Zielfeld noch eine Position frei ist. Dort löst er eine der oben genannten Aktionen oder Nutzeffekte aus. In seinem Ausgangsfeld rücken alle verbleibenden Schiffe in der Rangfolge nach oben.

Wie weit soll man ziehen? Natürlich auf die Felder, auf denen für uns der größte Bonus wartet. Wenn dieses Feld allerdings sehr weit vorne steht, kommen wir erst sehr viel später damit wieder zu Zug. Außerdem ist es natürlich vorteilhaft, auf ein Feld zu ziehen, auf dem kein weiteres Schiff oder höchstenfalls nur eines steht. Damit besetzten wir eine höhere Rangfolge und kommen ebenfalls schneller wieder dran. (Und wenn wir, wie schon gesagt, uns in der Werft haben zusätzliche Schiffe bauen lassen, kommen wir ebenfalls häufiger und schneller wieder zum Zug.) Alles hübsch überschaubar und planbar.

Aber dann kommt die Siegpunkt-Ausschüttung! Ja kruzitürken, Herrschaftszeiten nochamoi! Alle acht Gebiete um den Südpol, alle drei (oder vier) Fortschrittsleisten, sowie eine Anzahl weiterer Kategorien werden alle nach dem gleichen Schema abgehandelt: Wer hier führt, bekommt für alle Einheiten, die er und alle Mitspieler in Summe hier angehäuft haben, einen Siegpunkt; der Zweite bekommt einen Siegpunkt für alle Einheiten des Ersten und sonst nix, der Dritte bekommen einen Siegpunkt für alle Einheiten des Zweiten, usw.

Kann das Sinn machen? Natürlich, insofern: Jeder muss sich auf eine einzige Kategorie konzentrieren; irgendwo Zweiter oder Dritter zu sein, bringt nur noch einen Bruchteil. Allerdings macht dieses Abrechnungsprinzip bei einer gemischten Beteiligung überhaupt keinen Sinn!. Zumindest ist es weder logisch noch gerecht. Wenn die Besitzverhältnisse einigermaßen stabil sind, und der Erste nicht mehr von seiner Position verdrängt werden kann, dann bringt jede Einheit, die der in der Rangfolge zweite Spieler hier hineinsetzt, allen anderen Spielern gleichmäßig einen Punkt mehr ein. Nur er bekommt nichts dafür, gar nichts! Nicht mal ein Nullsummenspiel! Und ein Außenseiter, der sich bisher an einer bestimmten Stelle noch gar nicht engagiert hat, bekommt durch eine einzige Einheit, die er am Ende dort noch einsetzt, gleich so viele Punkte, wie der Vordermann Einheiten hat. Beispielsrechung: In einer Kategorie habe sich nur ein einziger Spieler engagiert und bekäme am Ende für seine 10 Einheiten 10 Siegpunkte dafür. Setzt jetzt ein weiterer Spieler noch eine Einheit hinein, so bekommt der Erste 11 Siegpunkte und der Nachrücker 10 Siegpunkte. Sind solche Zahlenverhältnisse Ausdruck einer planbaren Strategie? Nein, das sind sie nicht! Da kämpft und plant man zwei Stunden lang, wie man seine Schiffe um den Südpol herumfahren lassen soll, wo man sich engagiert, wo man seine Wissenschaftler zur Welt und zum Einsatz bringt, und hinterher ist der dafür erzielte Punktesegen ein unberechenbares Ergebnis chaotischer Beteilungen. Nein, das ist nicht ausgedacht. Hallo, Ihr Spielefreaks, könnt Ihr mir diese (Un-)Logik erklären? Jetzt schon ein herzliches Dankeschön für jedes Licht, das in die Dunkelheit leuchtet.

Wir haben nach einer guten Stunde und etwa der Hälfte der absehbaren Spielzeit abgebrochen. Ohne Emotionen. Die Diskussion über Design-Fehler und über die Unklarheiten im Regelheft war interessanter als das Weiterspielen …

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Thema hat ihn nicht von den Socken gerissen [außer, dass er in der Antarktis kalte Füße bekam], der Zugmechanismus ist interessant, der Wertungsmechanismus ist problematisch), Günther: 5 (alles ist ein bisschen alles oder nichts), Walter: 5 (das altruistische Bauen für alle könnte ein hübsches, neues Spielchen hervorbringen; diese Idee ist aber nicht ausgereift; für ein Planspiel ist die Wertung absolut nicht geeignet; für ein Chaos-Spiel erfordert es zu viel Planung und dauert es zu lang)

28.10.2015: Generäle, Entdecker und Robber-Barons

Sieben Tage lang hatten vier Westpark-Gamers Zeit, sich so ihre Gedanken über Friedemann Frieses Jahrhundertwerk zu machen. Die Enttäuschung über die eingeschränkten, themenlosen Spielmechanismen war vergessen, die Erinnerung an unser stundenlanges Zusammensuchen der Spielregeln und das Rätselraten darüber war verblasst. Nur die Eindrücke von dem gewaltigen Harmonisierungswerk, das sich in „504“ präsentiert, waren geblieben.

Schon am Sonntag Abend fing Moritz mit einer antastenden Mail an:
„Was seltsam ist: ich fand 504 spielerisch richtig öd, aber aus irgendeinem Grund möchte ich es besitzen und mich damit beschäftigen, eben weil es irgendwie so knapp daneben und dann eben doch interessant ist. Geht euch das auch so?“

Auch Walter kam beim näheren Beschäftigen mit den Spielregeln zur Einsicht:
„Je mehr ich in die Gesamt-Spielregeln einsteige, desto mehr bewundere ich Idee und Ausführung von FF.
Für Moritz ist ’504’ fast ein Muss!“

Aaron steuerte einen Internet-Link zu den am höchsten bewerteten Kombinationen bei:
„Wer’s noch nicht gesehen hat: http://504-2f.de/
Hier kann man die gespielten Kombinationen bewerten. 981 führt zur Zeit (allerdings mit nur wenigen Votes).“

Walter schlug vor, sich am kommenden Mittwoch (heute) nochmals mit „945“, der zweitbesten Kombination zu beschäftigen: „Die Welt der börsennotierten Generäle auf dem Weg ins Unbekannte!“ – Geld, Bomben und die schöne Unbekannte, was kann ein Spiel verlockenderes bieten? Keine Widerrede. – Gesagt, getan.

Wie muss das Spielfeld für „945“ aufgebaut werden?
Modul 9 liefert dazu die Aussage: „Siehe andere Module. Außer I; Spielplan 1 für 4 Personen – alle 5 Städte dürfen als Hauptstädte verwendet werden.“
Modul 4 verlangt: „IV: Spielplan 5. Gemeinsame Hauptstadt „1“ im Zentrum.“
Modul 5 lässt wählen: I ENTWEDER Spielplan 1, wenn ein anderes Modul II/III fordert, verschiedene Hauptstädte außer der Zentralstadt ODER Spielplan 4, wenn ein anderes Modul IV fordert. Gemeinsame Hauptstadt „1“.

Was denn nun? Spielplan 1, 4 oder 5? Und wenn, wie in Spielplan 4 oder 5 die ganze Latte an Hexagons ausgebreitet werden muss, werden sie dann offen oder verdeckt hingelegt? Dazu schweigt der Meister. Zumindest beim ersten Hinsehen. Wie kann ich in die schöne Unbekannte vorstoßen, wenn sie schon aufgedeckt vor mir liegt? Im Spielplan 1 gibt es für drei Spieler nur vier Hauptstädte. Eine davon ist tabu. Wie kann ich da die Hauptstädte für fünf Aktiengesellschaften unterbringen? Von den „beiden nicht gewählten Hauptstädten“ kann schon gar keine Rede sein. Walter passt und überlässt Moritz und Günther a) die Entscheidung, ob „504“ überhaupt auf den Tisch kommt und b) das Zusammensuchen und Interpretieren der Spielregeln.

1. ” Die Welt der börsennotierten Generäle auf dem Weg ins Unbekannte!”

Die Kompagnons ließen sich nicht so schnell entmutigen. Opfern wir erst mal eine halbe Stunden und schauen, ob wir gemeinsam, friedlich und konstruktiv den Regelfluss aus den verschiedenen Textquellen unter einen Hut bringen können. Das Labyrinth über die Auswahl des Spielplans entflechtete sich zu einem simplen: „Nehmt Spielplan 1, und zwar den für 4 Personen.“ Da sind 5 Hauptstädte drauf, genau eine für jede Aktiengesellschaft. Und die Bestandteile des Spielfeldes liegen offen daneben und müssen nach einem gewieften Algorithmus (Moritz sei dank für seine Entschlüsselung) Zirkel für Zirkel entdeckt und in unsere Welt eingebracht werden.

Welches sind die Prinzipien der Kombination „945“:

  1. Ein Spielfeld, das zunächst nur aus einem Minimal-Skelett von Stadt- und Wasser-Flächen besteht, aber recht schnell mit viel Fleisch aus Feld-Wald-Wiese-Landschaftsplättchen bestückt wird,
  2. Aktiengesellschaften, die sich von einem individuellen Startpunkt aus mehr oder weniger ringförmig ausbreiten. Je größer und vielgestaltiger die Fläche ist, die sie besitzen, desto höher sind ihre Einnahmen
  3. Personal, das von den Einnahmen einer Gesellschaft rekrutiert wird, und an ihren Aussengrenzen rüttelt, d.h. Stück für Stück weitere Felder friedlich dazunimmt oder kriegerisch erobert.

Zu den Aktien: Nein, in „504“ ist auch im Ansatz keine „18xx“-Variante enthalten. Es werden keine stolzen Linien gebaut, deren Aktienwert eine Korrelation mit ihrer Präsenz auf dem Spielplan haben. Die Einnahmen der Gesellschaften liegen aus verschiedenen Konstruktionsprinzipien her viel zu nahe beieinander, als dass ihre Höhe einen Einfluss auf ihre Begehrtheit hätte. Ihre Aktien sind im Wesentlichen nur etwas für Spekulanten: Eine schnelle Mark machen, das ist die Devise. Die billigste Aktien kaufen und von ihren überproportionalen Kursgewinnen profitieren, das liegt für den herzlosen Finanzhai geradezu auf der Flosse; ein herzhafter Empire-Builder (Günther!) wird sich damit immer schwer tun.

Der General entdeckt, bezahlt und kassiert.
Der General entdeckt, bezahlt und kassiert.
Noch etwas Grundsätzliches zum bösartigen Drücken von Aktienkursen: Bei allen 18xx-Spielen wie auch bei den 504-Kombinationen mit Aktien kann man den Kurs einer Aktie durch Verkaufen von Anteilen gezielt drücken. Aktien rechtzeitig einzukaufen, um sich diese taktische Option offen zu halten, gehört zu einem guten Spiel. Doch in jeder Runde seine Barmittel dafür einzusetzen, um erst mal von jeder fremden Gesellschaft eine Aktien zu kaufen und wieder zu verkaufen, nur um miesnickelig (nicht taktisch) die Kurse zu drücken, das kostet unnötig Zeit, bringt Frust und hat zudem einen massiven Kingmaker-Effekt. Das könnte – zumindest in „504“ – verhindert werden, indem Aktien regelgerecht nicht in der gleichen Runde verkauft werden dürfen, in der sie gekauft wurden. Marginalien!

Bei uns stand Moritz schon unmittelbar vor dem Hauptquartier der orangenen Gesellschaft und hätte nur eine einzige Aktie dieser Gesellschaft kaufen und wieder verkaufen müssen, dann wäre er in der Zugreihenfolge vor ihr beim Agieren dran gewesen, hätte das Hauptquartier mit vier eigenen Pöppeln angreifen können und wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit Sieger geworden. Dann wäre die orangene Linie vorm Spielfeld verschwunden, und er hätte seiner weißen Linie auf einen Schlag fünf neue Felder zuschustern können. Das wäre ein taktisch gelungenes Kurs-Drücken gewesen und hätte Moritz einen nicht mehr einholbaren Vorsprung gebracht. Glücklicherweise für Walter, den Betreiber der orangenen Linie, hat er das übersehen.

Auf der anderen Seite hatte sich Günther vor der letzten Bankrunde über irgendein Gebaren von Moritz geärgert und als Rache dafür Moritzens Aktien systematisch um je zwei Stufen gedrückt. Das war eher miesnickelig (oder systemimmanent für einen Finanzmarkt). Jedenfalls kostete es Moritz im Endeffekt mehr als 200 Mark, ein ganzes Viertel seines Vermögens; so ein Verlust fegt selbst ein so ausgefuchstes Finanz- und Militärgenie wie Moritz vom Treppchen.

Zum Entdecken: Wir haben fälschlicherweise die Regeln nach TOP I gespielt: „Jeder Bewohner darf nur ein einziges Umfeld entdecken“. Dadurch dauerte der Aufbau des Gesamtspielfeldes deutlich länger als FF das vorgesehen hatte, und unsere Ausbreitungsmöglichkeiten waren ebenfalls stark eingeschränkt. Den negativen Eindruck, den dieser Ablauf hinterlassen hat, haben wir uns ganz allein selber zuzuschreiben.

Zum Erobern: Angriffe sind (fast) immer von Vorteil. Mit durchschnittlich einem Treffer pro Angreifer schädigen wir unser Gegenüber. Er darf nur zurückschlagen, wenn er überhaupt Verluste erlitten hat, und selbst dann hat er nur eine Trefferwahrscheinlichkeit von zwei Dritteln. Der Eroberer geht aus einem Kampf trotz der Vorteile meist auch selber geschwächt hervor und sollte von einem „vernünftigen“ Gegenüber sofort wieder zurückgedrängt werden können. Auf diese Weise sind, wie in jedem Krieg, alle Beteiligten gegenüber den Unbeteiligten im Nachteil. Das sollte eigentlich eine friedliche Gebietserweiterung in neutrales Gebiet vorziehen lassen. Warum man das nicht tut, ist reine Charaktersache. Bei uns fing – natürlich – Moritz mit der Aggression an; wir wollen ihm dafür aber diesmal ein Lob aussprechen, seine Aktivitäten dienten ausschließlich dazu, FFs General-Potenz auszuloten.

Auch hier haben wir leider ein entscheidendes Regeldetail übersehen: Die verschiedenen Geländeformen geben in Angriff und Verteidigung unterschiedliche Würfelvorteile. Wenn also die gesamte Palette der Umgebungsfelder recht schnell zur Verfügung steht, und wir uns entsprechend unseren Gelüsten auf Eroberung oder Verschanzen systematisch darauf einstellen können, dann bieten diese Elemente deutlich mehr Herausforderung, als wir sie uns mit unserem falschen, gleichförmigen Regelverständnis geleistet haben. Asche auf unser Haupt!

WPG-Wertung: Günther: 5 (es funktioniert, macht aber keinen Spaß. Ein Pluspunkt für die Regeldiskussion zu Beginn; das ist wohl der Hauptreiz des Spiels. [WS: Hier spricht ein „1830“-Profi, für den ein Mahl aus Aktien und Würfeln nicht koscher ist.] Zudem „funktionieren“ für ihn nur dann Spielmechanismen, wenn sie auch „gerecht“ sind!), Moritz: 5 (fast 6 Punkte, die beste unserer drei gespielten Kombinationen; aber wenn das wirklich die Beste war, dann „nee“ zum Gesamtkomplex; die Kampf-Entscheidungs-Regeln sind leider zu billig), Walter: 7 (alle grundsätzlich verschiedenen Module passen gut zueinander; die Lust am Kampf auf dem Aktienmarkt ist ja unser Markenzeichen; Eroberer können sich austoben, wogegen selbst Pazifisten keine Einwände haben können, da lediglich abstrakte Gesellschaften, aber keine Mitspieler angegriffen werden; das Entdecker-Prinzip kommt etwas kurz; es wird auch nur benötigt, um beim Aufbau des Spielfeldes bestimmte Symmetrie-Vorstellungen einzuhalten).

Günther: Warum heißt das Spiel „504“? Weil es in den FAQ mindestens 504 Regelergänzungen geben wird …!

Lieber Friedemann, Dein Spiel ist eine gewaltige Leistung. Eine Vielspieler-Gemeinde kann sich jahrelang damit auseinandersetzen und die Regeln-Kombinationen zusammentragen und zusammenrätseln. Das kann genug Spaß bereiten. Spielen braucht man dann nicht mehr! Egal, ob man die Regeln verstanden hat oder nicht.

14.10.2015: Geld für Land, Würfel für Schläge, Zahlen für Punkte

Enkelkinder sind schön. Enkelkinder sind süß. Enkelkinder sind ein Geschenk Gottes. Alles richtig, alles wahr. Doch in einer tagelangen 24 stündigen Betreuung sind Enkelkinder auch eine Belastung, die am Abend bei den Großeltern ziemlich leere Batterien zurücklässt.

Günthers Ausbeute aus Essen
Günthers Ausbeute aus Essen

Letzte Woche sind Aaron und Günther mit dicken Paketen und vielen Eindrücken von der Spiel-2015 in Essen zurück- und am Westpark eingekehrt. Es gab einen reichhaltigen Spielabend. Doch dank der leeren Enkelkinder-Batterien gibt es erst heute den zugehörigen Session-Report.

1. “Isle of Skye”

Jeder Spieler baut aus quadratischen Plättchen, die in einem systematischen Muster Wasser-, Wald- und Wiese-Flächen aufweisen, vor sich einen Landschaftsgarten auf. Die Plättchen, die in einer Runde prinzipiell für alle Spieler zur Verfügung stehen, werden verdeckt aus einem Säckchen gezogen. Jeder Spieler zieht drei Plättchen und legt sie offen vor sich aus. Verdeckt kennzeichnet er dann ein Plättchen, das er auf den Müll werfen will, und bietet auf die anderen beiden Plättchen je einen beliebigen Betrag, den er bezahlen wird, wenn das Plättchen nach der nun folgenden Kaufrunde noch ihm gehört.

Gleichzeitig werden von allen Spielern die verdeckten Gebote offengelegt, und reihum darf jeder Spieler genau ein Plättchen eines seiner Mitspieler kaufen. Dafür muss er mehr bieten, als der Mitspieler selbst dem entsprechenden Plättchen zugeordnet hat. Wer Pech hat, bekommt alle beide seiner ausliegenden Plättchen abgekauft, hat dann zwar Geld aber weniger Land; wer Glück hat, darf seine beiden Plättchen behalten und kann sich zudem noch ein drittes Plättchen von einem Mitspieler kaufen. Im Durchschnitt kann jeder Spieler pro Runde zwei neue Plättchen legen.

Inhalt und Struktur jedes Landschaftsgartens bringen Runde für Runde Einkommen und Siegpunkte. Für die zu vergebenden Siegpunkte sind eine Reihe von Kriterien vorgesehen, von denen pro Spiel vier Stück zufällig ausgewählt werden; z.B. gibt es Siegpunkte für jedes Plättchen, das über eine Straße mit dem Zentrum verbunden ist, oder für jedes abgeschlossene Gebiet aus Wasser, Wald bzw. Wiese oder für je drei Plättchen, die in einer Reihe nebeneinander liegen.

Das Spiel geht über fünf oder sechs Runden, und jedes Wertungskriterium kommt in verschiedenen Runden insgesamt dreimal zur Geltung. Alle Spieler können von vorneherein abschätzen, wann und wofür die Siegpunkte ausgeschüttet werden. Allerdings sind wir bei dem konkreten Plättchen, das wir bei uns einbauen können, nicht Herr unseres Schicksals. Die eigenen Plättchen können wir uns nicht sichern, weil mit einer entsprechenden Geldsumme sie jeder Spieler wegkaufen kann. Geld alleine macht aber nicht glücklich, auch nicht auf der Isle of Skye. Auch ein bestimmtes, begehrtes fremdes Plättchen steht nicht 100 %ig zur Verfügung: ein Spieler, der vor uns in der Zugreihenfolge dran ist, kann sich ebenfalls dafür interessieren und es wegkaufen, bevor wir es tun können.

Fazit: Die richtige Summe auf unsere eigenen Plättchen setzen und die richtigen Plättchen von unseren Mitspielern abzukaufen, dass ist der ganze Witz des Spiels. Doch was ist hier schon richtig? Das einfache Setzen und Abkaufen macht das Spiel schnell (wenn wir erst einmal unsere eigenen Plättchen richtig taxiert haben), doch das optimale Auswählen der Plättchen bei den Mitspielern, d.h. das Ausrechnen, wie viele Siegpunkte jedes der sechs ausliegenden Plättchen beim Einbau in unseren Garten in dieser oder einer der nächsten Runden einbringen wird, und welche additiven Chancen es für zukünftige Erweiterungen eröffnet, das ist mühselig und keineswegs spielerisch.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (das Spiel funktioniert, auch wenn es nicht gerade wahnsinnig originell ist. In Essen gab es übrigens überhaupt keine wahnsinnig originellen Spiele!), Günther: 7 (alles ist offen, es gibt massig was zu berechnen, man muss auf Neben- und Chaos-Effekte höllisch aufpassen), Horst: 6 (das locker-flockige Spiel dauert nicht lange, es bietet allerdings nur beschränkte Einflussmöglichkeiten), Moritz: 7 (das Spiel hat mir gut gefallen [dieses Statement hat er von Loredana abgekupfert], die Biet- und Carcassonne-Elemente sind hübsch, wenn auch – zugegebenermaßen – nicht gerade originell), Walter: 6 (das Spiel ist sauber durchkonstruiert und alles funktioniert, er selber hat aber keinen nennenswerten Spaß an der Punkteklauberei).

2. “Auge um Auge”

Nach dem Fehlversuch in einer 3er Runde vor knapp zwei Monaten haben wir es diesmal in einer spielbaren 5er Runde gespielt. Wir würfeln, um uns bzw. unsere Bandenmitglieder gegenseitig totzuschlagen. (Im zivilen Europa reichen zwei blaue Augen, um eine Person außer Gefecht zu setzen.) Der Angreifer kann Mitspieler zum Draufschlagen (Draufwürfeln) einladen, der Angegriffene auch. Blaue Augen gibt es, wenn mehr Angreifer-Würfel mit einer bestimmten Zahl geworfen wurden als Angegriffenen-Würfel. Der Angegriffene tut gut dran, sich nicht zu verteidigen, d.h. die Angreifer-Würfel nicht auszupatten, sondern lieber seinerseits auf die Angreifer einzuschlagen. Denn nicht die heilen eigenen Bandenmitglieder zählen am Ende, sondern nur die Treffer auf fremdes Personal. Wer als Erster innerhalb aller sporadisch zu Gegnern deklarierten Mitspielern (egal ob es Angreifer oder Angegriffene waren) acht blaue Augen erzeugt hat, ist Sieger.

Mit Würfelmodifikationsoptionen (Neu-Würfeln, Augenzahl erhöhen oder erniedigen, Würfel auf beliebigen Wert setzen u.ä.) wird das Würfelglück eliminiert und zu einem uniformen Modifikationsbrei verschmiert. Wie gesagt: Es gewinnt der schnellste Blau-Äugler, wobei es ihm zugute kommt, wenn die Mitspieler ihrerseits – warum auch immer – am wenigsten auf ihn einschlagen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (ein echter Strategiebrüller: wir haben doch ein paarmal gelacht), Günther: 4 (mehrere Leute hatten am Ende gleichviel Punkte, das ist ein selbstverständliches Ergebnis dieses unzufälligen Würfelns), Horst: 3 (keinerlei Fun; für einen Nobrainer zu unlustig), Moritz: 5 (vom Würfelsystem her gar nicht so unausgewogen; die Kingmakereffekte sind allerdings nicht zu übersehen), Walter: 2 (gute Würfelidee, aber im dem angebotenen Würfelbrei einfach nur ein Zeitvertreib mit Zeittotschlagen).

3. “Qwinto”

Trotz einer Menge neuer Mitbringsel von der Spiel-2015 legte Günther ein Spiel aus dem Jahre 2003 (1994) auf. Rundum würfelt einer für alle. Jeder Spieler wählt dabei, ob er mit einem, zwei oder allen drei verschiedenfarbigen Würfeln würfelt. Es wird die Summe gebildet, die jeder ein seinem individuellen Formular vermerkt. Der aktive Würfler muss die Augensumme eintragen, die Mitspieler dürfen es, müssen es aber nicht.

In jedem Formular gibt es drei Zeilen mit neun Kästchen für die einzutragenden Augenzahlen. Die Augenzahlen müssen in jeder der drei Zeilen so eingetragen werden, dass eine streng aufsteigende Zahlenreihe entsteht. Wer eine Augenzahl nicht mehr in seinem Formular unterbringen kann, es als aktiver Würfler aber müsste, bekommt Strafpunkte.

Wenn der erste Spieler zwei seiner drei Zahlenreihen in seinem Formular komplett füllen konnte, ist das Spiel beendet. Dann werden die ausgefüllten Muster in jedem Formular nach einem vorgegebenen Punktesystem bewertet. Es gibt Sonderpunkte für Vollständigkeit sowie für bestimmte vertikale Eintragungs-Kombinationen. Wer die meisten Punkte bekommen hat, ist Sieger.

Das Spiel besitzt leider eine Regel für Warmduscher: Wer als aktiver Würfler sein Ergebnis nicht eintragen kann, oder wenn es ihm nicht gefällt, darf mit allen Würfeln nochmals würfeln. Eine unnötige Verlangsamung. Es wird doch gewürfelt, da sollte jeder Spieler problemlos mit Zufall, Risiko und Glück zurechtkommen können.

Das Spiel ist dem älteren „Choice“ aus dem Jahre 1989 verdammt ähnlich. Kein Wunder, hat es doch den gleichen Vater: Sid Sackson, einen genialen Spieleautor aus den 70er bis 90er Jahren. (Nach der Biographie bei Luding hat er mehrere hundert Spiele erfunden, von denen gut fünfzig in der ganzen Welt veröffentlicht wurden; u.a. bekam er 1993 für sein „Acquire“ die „Essener Feder“.)

Ich persönlich sehe in „Qwinto“ den erheblichen Nachteil, dass bewusste oder unbewusste Fehleintragungen der Spieler in ihrem individuellen Formular nicht entdeckt werden können. Auch wenn wir alle ehrlich spielen (wollen), so kann sich doch jeder irren, was bei den vielen Eintragungen in Qwinto sehr leicht geschehen kann. Eine solche Fehlerquelle darf in einem guten Spieldesign nicht enthalten sein. Bei „Choice“ konnte man wenigstens noch anhand der Anzahl aller eingetragenen Zahlen und anhand ihrer Summe, die in jedem Formular identisch sein musste, erkennen, ob ein Irrtum vorliegt.

WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 8, Horst: 7, Moritz: 8 (besser als „Choice“; [hi, ist Dir klar, dass Du für „Choice“ nur 5 Punkte vergeben hast?!]), Walter: 8.

Als kleines Schmankerl gibt es ein Video mit unserer Abschlussdiskussion über die beiden letzten Spiele:

"Was lag auf den Tisch?"