21.10.2015: Die Welt der fahrenden – Pioniere – mit Hang zum Individuellen

Friedemann Friese ist ein äußerst fleißiger, sehr begabter Spieleautor. Für unsere Leser ist diese Aussage nichts Neues, eher ein FEulen nach FAthen tragen. Nachweislich Luding sind bis heute von ihm – teilweise in Zusammenarbeit mit anderen Autoren – 44 verschiedene Spiele erschienen, plus weitere 25 Spiele-Modifikationen. 1992 hat er mit „Wucherer“ sein erstes Spiel herausgebracht, das gleich ein Verkaufsschlager wurde. Anfang dieses Jahrtausends (wer weiß das schon so genau?) kam sein „Funkenschlag“ heraus, mit dem er in der gehobenen Welt der prämierten Spiele landen konnte, einem gelungenen „1830“-Derivat auf Stromnetz-Basis, das auch in unserer mehr als eintausend Einträge starken ewigen Besten-Liste einen einstelligen Spitzenplatz einnimmt. Es ist bis heute sein Flaggschiff und hat insgesamt 16 Erweiterungen erlebt, die letzte davon, „Funkenschlag: Die Aktiengesellschaften“, erst in diesem Jahr.

Auch wenn nicht alles glänzt, was Friedemann’s Fold ist, so zeigt doch jedes Spiel die reife Handschrift des Meisters, Spielers, Experimentierers und Humoristen; jedes Spiel ist allemal eines Kennenlernens würdig.

Warum diese Einleitung? Das kriegen wir gleich …

1. “504”

Das, was Friedemann Friese (sic!) hier in der Schachtel anbietet, ist eigentlich kein Spiel, sondern eine Spiele-Factory: Spielmaterial und methodische Anleitung, um sich aus insgesamt neun Spiele-„Modulen“ selber ein Spiel mit den gewünschte Eigenschaften zusammenzustellen. 9 x 8 x 7 = “Fünfhundertvier”, die Anzahl der zulässigen Kombinationen; daher der Name des Pakets. Sicherlich hat Friedemann Friese an den Kombinationsmöglichkeiten solange gedreht, bis eine Fünfhunderterzahl herausgekommen ist. Warum? Ihr habt das schon vorher gewusst!

FF hat hier sein großes Wissen als Spiele-Erfinder und als Analyst fremder Spiele zusammengetragen, die Kernbestandteile der verschiedensten Spiel der Welt (Transport, Wettlauf, Privilegien, Militär, Entdecken, Straßen, Mehrheiten, Produktion und Aktien) herauskristallisiert, formalisiert, harmonisiert und so aufeinander angepasst, dass jedes Teil mit jedem kombiniert werden kann. Ein gigantisches Unterfangen, eine gewaltige Arbeit, und ein bemerkenswertes Ergebnis, wie immer man die Details im Einzelnen bewerten möchte.

WPG-Wertung: Das kriegen wir später.

1a. ” Die Welt der fahrenden Pioniere mit Hang zum Individuellen “

„504“ – gemeinsamer Kampf um Aufbau und Regelverständnis
„504“ – gemeinsamer Kampf um Aufbau und Regelverständnis

Dies ist die Einstiegskombination, mit denen Neulinge das Prinzip, die Technik und das Spielmaterial von „504“ kennenlernen sollen.

Mit 61 Hexagons (mit abgerundeten Kanten. Warum? Damit die Teile nicht so leicht auseinanderrutschen! Wie wahr, wie wahr! 1 Pluspunkt für FF!) bauen wir auf der Tischmitte unser Spielfeld auf. Aus dem in der Übermenge angebotenem Spielmaterial aus Pöppeln, Würfeln, Kasernen, Waren, Privilegien, Aktien, Einkommensplättchen, Kursmarkern, Abdeckern, Hauptquartieren, Siegpunktchips, Straßenstrichen, Stadtkarten, Transportwagen, Laderäumen, Spielgeld und vielen weiteren Komponenten (ein Schiff ist auch dabei, das aktuell in 0 % aller Spiele benötigt wird) suchen wir das für unsere Spielkombination notwendige heraus und verteilen es auf Tischdecke und Mitspieler.

Nachdem wir Westparker mit dem ganzen Material noch nicht vertraut waren, und uns die Unterscheidungen z.B. zwischen Bewohnern und Siedlungen erst erarbeiten mussten, dauerte es eine geschlagene Stunde, bis wir mit dem Aufbau fertig waren. Jetzt müssen wir nur noch den Spielablauf kennenlernen. Das dauert glücklicherweise nur noch eine halbe Stunde, schließlich haben wir uns beim Spielaufbau schon darüber Gedanken machen können, wie das alles zusammenwirkt. Allerdings verplempern wir während der nun folgenden fünf (eigentlich kurzen) Spielrunden die Hälfte der Zeit mit Regel-Rückfragen an den armen Regelerklärer Günther, weil wir den zuweilen seltsam konkurrierenden bzw. seltsam nicht-konkurrierenden Spielmechanismen nicht glauben können.

Im Prinzip geht es um eine Transport-Optimierung. Wir bewegen unseren Transportwagen über die Landschaftshexagons zu den Stadthexagons, liefern dort benötigte Ware ab und laden neue Ware auf, um sie zu anderen Städten zu bringen. Die meisten Lieferungen auf dem kürzesten Wege sind der Schlüssel zum Erfolg. Unser Geschäftseinkommen wächst ständig, und wir erweitern damit fortlaufend die Reichweite und die Ladekapazität unseres Transportwagens. Beim Bewegen über das Spielfeld gibt es keinerlei Konkurrenz, jedes Hexagon darf jederzeit von allen Spieler betreten werden, jeder bekommt hier gleichermaßen Einkommen. Beim Abliefern von Waren ist dagegen erhebliche Konkurrenz, da jede Stadt von jeder Warenart während des gesamten Spiels nur ein einziges Stück abnimmt. Wenn ein Mitspieler zur Stadt A gerade einen Fisch abgeliefert hat, können wir dort nicht auch abladen, sondern müssen mit unserem fische-beladenen Transportwagen zu einer der nächsten fische-bedürftigen Städte weiterziehen.

Das alles verläuft für alle Spieler ziemlich unisono bis monotono. Daran ändert auch nichts, dass jeder Spieler pro Zug ein individuelles Privileg kaufen kann, dass ihm Vergünstigungen in Bewegung, Einnahmen, Kosten oder direkten Siegpunkten bringt. Die Herausforderung des Spiels liegt in der Auswahl des Ausgangspunktes für alle seine Transportaktivitäten, und in einer ausgewogener Kombination beim Ausbau von Reichweite und Kapazität. Da die Kapazität aber nur von 1 auf 2 gesteigert werden kann, und man zu Beginn nicht genügend Kapital hat, diese Steigerung zu finanzieren, bleibt zu Beginn nur die Reichweite übrig. Damit hält sich diese Herausforderung in engen Grenzen. Eine weitere, entscheidende Herausforderung ist natürlich das optimierte Herumfahren auf dem Spielfeld, um Waren zu laden und abzuliefern. Hier ist man allerdings früher oder später komplett dem Mitspielerchaos ausgeliefert. Wem das Spaß macht, dem macht das Spaß.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (4 Punkte für das Spiel, plus 1 Fleisspunkt für den Autor; Thema fehlt, die Mechanik ist dürftig), Günther: 4 ([kam da noch ein Sympathiepunkt für den Autor hinzu?] kein Spielspaß, könnte in eine ätzende Riesenrechnerei ausarten), Moritz: 4 (3 Punkte, plus 1 für die Gesamtidee des Autors; der Anfang ist ein einfaches Abklappern der Anlaufstationen, hinterher versinkt alles im Mitspielerchaos), Walter: 5 (4 Punkte für das Spiel, plus 1 Punkt für die Ingenieurleistung; die Mechanismen funktionieren, aber alle wirken ein bisschen kastriert.)

1b. “Die Welt der kampfeslustigen Aktiengesellschaften mit Verbindungen”

„504“ verdient einen weiteren Versuch. Vielleicht bringen die komplexeren Kombinationen etwas mehr Pfeffer in die Linearität. Schließlich gibt es in „504“ auch Verkehrsnetze, Gesellschaftsanteile und Dividenden wie bei „1830“, die man dann auch noch mit dem Militär-Modul aggressiv aufpäppeln kann. Moritz freute sich schon darauf, mit seinen Panzern und Bomben die Bahnhöfe seiner Konkurrenten in Schutt und Asche zu legen. Wir erarbeiteten uns die Kombination 496.

Doch das Durchdringen der Materie ist selbst (oder gerade?) für einen WPG-Normalverbraucher kein Zuckerschlecken. Die Regel-Querverweise auf Regelfragmente in anderen Modulen machen das Verständnis schon ziemlich sauer. Wie gerne hätte wir hier jetzt etwas mehr Linearität. Vielleicht hat sich FF die Formel ausgedacht:
Linarität (Spielablauf) + Linearität (Regel-Lesen) = konstant.

Als alte „1830er“ können wir uns keine Aktiengesellschaften ohne Einnahmen vorstellen! Im Regelheft heißt es dazu lapidar „Einnahmen … entsprechend des Moduls auf Top I“. Doch in „Top I“ finden wir keine Einnahmen, zumindest keine in unserem Verständnis von gut und schlecht wirtschaftenden Gesellschaften. Jede Gesellschaft bekommt unabhängig von ihrem Streckennetz und unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Lage pro Runde die konstante Summe von 20 DM. Kann das sein? In die Kreuz und in die Quer lesen wir uns hin und her. Und mit stummem Trauerblick, kehren wir zu Top II zurück.

„Die Bewohner dieser Welt gründen Gesellschaften.“ Sind wir Spieler die Bewohner oder sind die benutzten Pöppel die Bewohner? Haben wir Spieler sowohl Pöppel als auch Gesellschaften, oder haben wir nur Gesellschaften, und die Gesellschaften haben Pöppel; oder haben beide beides? Womit kämpfen wir denn? Mit unseren Spieler-Pöppeln oder mit denen der Gesellschaft. Alles ganz einfach, wenn man aus einer „504“-Welt kommt oder sie sogar geschaffen hat. Alles ziemlich schwer, wenn man mit einem vielfältigen Erbe von Spielerfahrungen anfängt. Weh’ Dir, dass Du ein Opa bist!

Eine Stunde lang durfte unser genialer Regelversteher Moritz mit dem Regelbuch, seinen Querverweisen und unseren Verständnisfragen kämpfen, dann übernahm Günther die Analyse. Es war aber schon klar, dass wir damit nicht fertig werden würden, bevor Moritz zur vorletzten U-Bahn abdüsen musste. Deswegen konnten wir locker, teils skeptisch, teils zynisch, teils tatsächlich gelöst-heiter das weitere Rätselraten über die kampfeslustigen Aktiengesellschaften über uns ergehen lassen.

Schließlich schlug Moritz ein „Leaning by doing“ vor: „Spielen wir doch einfach mal eine Runde!“ Gesagt getan. Jeder bekam 150 DM in die Hand gedrückt und im Nu waren die Aktien nach „1830“-Standard verkauft. Na ja, fast im Nu. Wir mussten uns noch darüber im Klaren werden, wohin das bezahlte Geld floss: In die Bank oder ins Gesellschaftskapital? Wie hoch ist das Startkapital einer Gesellschaft? Welche hat Priorität? Wie steigt der Kurs? Und ähnliche unbedeutenden Detailfragen.

Die Ausbreitung der Gesellschaften erfolgt bei allen Spielern identisch, zumindest in den Anfangszügen. Sicherlich hätten später die Kämpfe hier mehr Leben hineingebracht. Aber heute konnten wir ohnehin nicht mehr als ein anfängliches Aufblitzenlassen der Ideen erreichen.

Eine bemerkenswerte Änderung gegenüber dem „18xx“-Standard bestimmt das Vorgehen auf dem Aktienmarkt. Der Kurs der Gesellschaft, von der in der aktuellen Runde am meisten Aktien verkauft wurde, steigt um eine Stufe. Jetzt geht es also überhaupt nicht mehr darum, als „Empire-Builder“ den Kurs seiner Lieblingslinie auf eine stolze Höhe zu bringen, sondern an der Bewegung auf dem Aktienmarkt sein Geld zu machen.

  1. Sichere Dir den Priority-Deal
  2. Verkaufe das Aktenpaket mit den hohen Kurswerten – an dessen Kurssteigerungen Du hoffentlich gut mitverdient hast
  3. Kaufe Dich bei einer Gesellschaft ein, von der möglichst viele Aktien im Angebot liegen
  4. Vielleicht auch nicht

WPG-Wertung: FF hat einen total neuen Weg beschritten und eine anerkennenswerte, analytische Arbeit geleistet, um aus den Spielen der Welt 9 kombinierbare Prinzipen („Module“) herauszufiltern. Jedes Prinzip ist bekannt und erprobt, bietet für sich allein aber absolut nichts Neues, nichts Überraschendes, nichts Prickelndes. Die Regeln für die Kombinationen sind schwer zu lesen, wobei darinnen jedes einzelne Prinzip, der Kombinerbarkeit wegen, erheblich an Glanz und Gloria verliert.

Zwei Zitate eines ungenannt bleibenden Spielers:
„Oh, Friesemann, mir graut vor Dir!“ – Das war zweifellos im mephistophelischen Sinne positiv gemeint.

„Das Ganze ist vielleicht als Parodie gedacht. Damit wird dokumentiert, wie ein Großteil der heute herausgebrachten Spiele erfunden wird.“

Und hier ein paar Eindrücke von unserer Diskussion über das Spiel:

23.09.2015: Entspannte Konferenzen

Es kommt selten vor, dass wir statt am Westpark im 3-Mühlen-Viertel spielen und noch seltener in einer Zweier-Runde. Was bot sich also mehr an, als eines von Moritzen’s vielen GMT-Spielen auf den Tisch zu bringen, die oft genug nicht so ganz dem Westpark-Mainstream-Geschmack treffen.

Churchill

Vor uns liegt ein Spielplan, dessen linke Hälfte an die Speichen einer kleinen Raumstation erinnert, während die komplette linke Hälfte eine abstrakte Darstellung der Kriegssituation im 2. Weltkrieg zu sein scheint. Hmm, ein amerikanisches War Games, vielleicht gar eine Kriegssimulation? Etwas was am Westpark garantiert noch nie ankam? Was auf den ersten Blick aussieht wie ein typisches War Game ist aber laut Spielbeschreibung eine Zusammenspiel von politischer Kooperation und Wettbewerb zwischen den 3 alliierten Mächten im 2. Weltkrieg.

KonferenzenDas zentrale Element des Spiels sind die Konferenzen zwischen den Alliierten. Diese werden auf der linken Seite des Spielplans ausgetragen. Jeder Spieler übernimmt die Rolle einer der drei Mächte. Motor der Verhandlungen dort sind 22 Karten je Spieler, die damaligen Konferenzbeteiligte zeigen. Je nach gewälltem Szenario läuft das Spiel über 3, 5 oder 10 Konferenzen (Runden). Für jede Konferenz gibt es eine Konferenzkarte, die die für die aktuelle Runde geltenden Sonderbedingungen festlegt. Welche Konferenzkarte wann gespielt wird, entscheidet der Zufall. Ebenso zufällig werden von jedem Spieler 7 seiner Beteiligten-Karten gezogen, deren „Verhandlungsstärke“ zwischen 1 und 5 variiert. Zusätzlich bietet jede Karte noch eine Sonderfähigkeit an, die sich an der jeweiligen historischen Person orientiert.

Worum geht es überhaupt in einer Konferenz? Zuerst legen die Spieler auf die Themen fest, die behandelt werden. Hier schlägt jeder Spieler 2 Themen vor und der Startspieler als Bonus noch ein drittes. Diese Themen landen in der Mitte des „Konferenztisches“ und jeder Spieler versucht im Laufe der Konferenzphase, ein für ihn wichtiges Thema durch Ausspielen einer seiner Handkarten (Beteiligten-Karten) in Richtung seines Platzes zu ziehen. Die Verhandlungsstärke der ausgespielten Karte bestimmt, ergänzt um eventuelle Sondereigenschaften, wie weit das Thema in Richtung eigener Position gezogen wird. Danach darf ein anderer Spieler Widerspruch einlegen. Dies geschieht ebenfalls durch Ausspielen einer Beteiligten-Karte und erlaubt das Ziehen des Themas weg vom aktiven Spieler. In großer Not darf ein Spieler auch sein Staatsoberhaupt (Churchill, Roosevelt, Stalin) mit besonders großer Verhandlungsstärke einsetzen, riskiert dabei aber mit einer durch einen Würfelwurf bestimmten Wahrscheinlichkeit ein Handikap für die folgenden Runden.

So pendeln die Themen zwischen den 3 Alliierten hin- und her, bis alle Spieler ihre 7 Karten gespielt haben. Nun wird geschaut, wer welches Thema auf seine Seite gebracht hat. Dieser Spieler entscheidet dann, welche Auswirkungen das Thema auf das weitere Geschehen hat. Um das zu verstehen, schauen wir uns die wesentlichen Themen grob an:

  • Global: Hier entscheidet der Konferenzgewinner über Auswirkungen auf alle beteiligte Nation. In der Regel werden dadurch Konflikte zwischen den Alliierten erschwert.
  • Atombombe: Hier forschen die UDSSR und die USA in Konkurrenz zueinander.
  • Produktion: Jede alliierten Nationen hat eine festgelegt Produktionskapazität, die für verdeckte militärische oder politische Aktionen oder für Streitkräfte eingetauscht werden kann. Über die Produktion kann sich eine Nation die Produktionskapazität einer anderen Nation sichern.
  • Gerichtete Offensive: Hier bestimmt der Gewinner, dass ein anderer Spieler eine seiner Militäreinheiten an einer ganz bestimmten Front einsetzen muss.
  • Politische & militärische Macht: Hier erhält der Gewinner die Möglichkeit, verdeckte Operationen in unbeteiligten oder besetzen Ländern auszuüben oder dort sogar die politische Macht zu übernehmen.

MilitärUnd damit kommen wir zur rechten Seite des Spielplans und dem nicht unwichtigen Kriegsgeschehen dort. Abhängig vom gespielten Szenario sind insgesamt 7 Fronten unterschiedlich weit fortgeschritten. Im Pazifik kämpfen die Alliierten an insgesamt 4 Fronten gegen die Japaner, in Europa an 3 Fronten gegen die Deutschen.

Jeder Spieler entscheidet für sich, wie viele Militäreinheiten und wie viel Macht er für seine verfügbare Produktion erwirbt. Dann setzt er die Einheiten für verdeckte Operationen in Ländern und die politische Macht ein. Hierfür gibt es nicht unwesentlich viele Siegpunkte. Dann werden die Militäreinheiten an die 7 Fronten verteilt. Haben alle Spieler ihre Einheiten verteilt, wird für die beiden Achsenmächte per Würfelwurf entschieden, an welchen Fronten sie mit wie vielen Einheiten kämpfen. Danach werden die Kämpfe an den Fronten entschieden: jede Einheit einer Achsenmacht entfernt zuerst eine alliierte Einheit. Dann wird die Stärke der verbleibenden Einheiten ermittelt und geschaut, ob die Alliierten in der Überzahl sind. Nur wenn dies der Fall ist und je nach Größe der Überzahl noch passend gewürfelt wird, rückt die Front vor.

Das geschieht jetzt wiederholt über die mit dem Szenario festgelegte Anzahl Runden, es sei denn das Spiel endet dadurch, dass sich beide Achsenmächte vorher ergeben. Dann folgt eine Schlusswertung. Hier gibt es zusätzliche Siegpunkte für jede alliierte Nation für das Erreichen definierter Bedingungen wie z.B. der Erfindung der Atombombe oder dem Erreichen bestimmter militärischer Ziele.

„Churchill“ ist ein Spiel für 1 bis 3 Spieler. Wenn weniger als 3 Spieler spielen, werden die übrigen Alliierten von geskripteten Bots gespielt, d.h. hier ist vordefiniert, wie sich diese Non-Player-Nationen verhalten. Bei uns wurde die UDSSR von einem Bot gespielt. In dieser Konstellation dauerte das Spiel knappe 3 Stunden mit dem 5-Runden Szenario.

Wie spielte sich das Ganze nun? Gleich in der ersten Runde zeigte Churchill, wo der Hammer hing. Er brachte die Themen für politische und militärische Macht zusammen mit dem globalen Thema auf seine Seite. Das ermöglichte ihm in der Militärphase zum einen verdeckte Operationen und gleichzeitig den dauerhaften Schutz seiner Kolonien vor eben diesen. Roosevelt dagegen verzettelte sich an zu vielen Fronten und wurde hoffnungslos von den Achsenmächten geschlagen. Etwas frustrierend ist hier, dass es nicht planbar ist, wie viele Truppen man an welcher Front sinnvoll einsetzen sollte, da die gegnerische Truppenstärke zufällig und erst nach dem Setzen der alliierten Truppen erfolgt.

Aber Roosevelt war lernfähig und folgte Churchills Beispiel in den folgenden Runden. So entspann sich ein Kampf um verdeckten Einfluss unter dem allerdings der Kampf an den Fronten deutlich litt. Bei Spielende waren deshalb die Fronten kaum vorwärts gekommen. Überraschenderweise lagen die USA und UK punktgleich (42), gefolgt von der UDSSR mit einem 9-Punkte-Abstand. Da die USA bei Spielende Gleichstände auflösen dürfen, erklärten sie sich zum Sieger. Daran änderte sich auch nichts mehr durch die noch notwendigen abschließenden 3 Würfelwürfe, falls die Achsenmächte nicht besiegt wurden. Die fielen nämlich tatsächlich so aus, dass der Endstand erhalten blieb. Interessanterweise hätten die Würfe aber auch die Reihenfolge komplett auf den Kopf stellen können, mit der UDSSR als Sieger, den USA als 2. (tiebreaker) und UK als Schlusslicht.

Resümee von meiner Seite: „Churchill“ hat trotz der langen Spieldauer Spaß gemacht, auch wenn ich es nicht unbedingt noch einmal spielen möchte. Dazu ist es zu glückslastig und dauert zu lange. Aber das ist sicherlich Geschmackssache. Der Konferenzmechanismus wirkte nur am Anfang interessant, denn er verkommt leicht zu einem Hin- und Hergeschiebe der wichtigen Themen und der Ausgang wird dann von der zufälligen Kartenhand bestimmt. Kooperation ist hier zwar möglich und auch notwendig, aber nur bedingt sinnvoll, da das Konkurrenzsituation doch überwiegt. Gleiches gilt für den Truppeneinsatz. Hier hat man als einzelner Spieler kaum eine Chance, eine Front weiterzubewegen, selbst wenn man alle verfügbaren Truppen auf eine Front konzentriert. Aber da an jeder Front unterschiedliche Siegpunktbedingungen für die einzelnen Alliierten hängen, schneidet man sich hier auch gerne mal ins eigene Fleisch. Die Mischung von Kooperation und Konfrontation ist für mich hier nicht wirklich stimmig, genauso wenig wie das Verhältnis von Glück und Spieldauer.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (zu lang für den alten Mann, 5 Punkte bei 3 Spielern), Moritz: 8 (schöne historische Simulation)

Im Nachgang gab es noch einen kleinen Mailaustausch zwischen mir und Moritz, den ich hier in Auszügen wiedergebe:

Moritz: Warum gibst Du ihm weniger Punkte für 3 Spieler? Ich denke Mal ohne Bot ist es noch wesentlich besser zu spielen und wirklich ein hervorragendes 3er Spiel (was selten ist). Ich gebe ihm 8 Punkte (Abstriche eigentlich nur wegen der etwas uninteressanteren Kriegsmechanik).

Ich persönlich finde den Siegpunktmechanismus hier gar nicht so schlimm, denn wir wurden hier dafür bestraft, den Krieg zu sehr vernachlässigt zu haben. Man weiß ja vorher, dass dann der Zufall eine Rolle spielen wird. Wenn man seine Chancen auf den Sieg erhöhen will, muss man sehr darauf achten, den Krieg auch zu gewinnen, denn nur dann gewinnt ja automatisch der höchste Score (wenn nicht zu weit von den anderen entfernt, was man aber durchaus steuern kann).

Bei dieser Art von Spielen ist das Gewinnen eigentlich Nebensache, sondern der Wunsch zu Gewinnen erzeugt nur die Dynamik, sich mit einer historischen Simulation auseinanderzusetzen, etwas über Geschichte zu lernen und einfach Spaß zu haben. In dieser Hinsicht sind mir Eurogames oft zu verkrampft und einseitig, weil manchmal der pure Spaß am Spielen und an der Phantasie verloren geht, wenn man endlos Aktionen und Siegpunkte maximiert. Bei Spielen wie „Churchill“ ist es im Design eingeplant, dass Spieler Fehler machen und überraschende Situationen und Wendungen entstehen, ich habe damit keinerlei Problem. Es ist auch eine Art Rollenspiel, und da finde ich die sehr unterschiedlichen Rollen der historischen Führer hervorragend ausgearbeitet, ich habe auf jeden Fall durchaus den Simulationscharakter als sehr unterhaltend empfunden.

Aaron: Weniger Punkte für 3 Spieler, weil es dann vermutlich 4 Stunden, statt der 3, die wir gespielt haben, dauern wird, und das ist einfach ein bisschen zu lang für das, was das Spiel hergibt. Das ist auch der Grund für meine eher niedrige Wertung: ich finde, das Spiel würde durch eine kürzere Spielzeit gewinnen.

Moritz: Ich glaube mit 3. Spielern wird das nicht länger sondern kürzer – eigentlich gehen die individuellen Spielerrunden ja sehr schnell, Karte ausspielen in der Verhandlungsrunde, ein paar Einzelentscheidungen für die Production, dann läuft vieles automatisch ab. Das Nachgucken was der Bot macht dauert länger!

Auch darfst Du nicht vergessen, dass das Spiel 3 Szenarien hat, die alle unterschiedliche Spieldauern haben, das „Training“-Szenario dauert 3 Konferenzen und braucht ca. 90 Minuten, da kann man eigentlich nicht meckern. All diese Szenarien sind absolut gleichwertig vom Spielspaß, haben also nicht „weniger“ Action. Ich hatte einfach Lust auf das Standardszenario, sonst hätten wir auch das kürzere spielen können.

Aaron: Mit 3 Spielern eher kürzer? Das kann ich mir nicht vorstellen. Da der Bot, abgesehen von seinen Würfelwürfen, ein vorbestimmtes Verhalten hat, kann man sich gut darauf einstellen. Selbst wenn ein 3. Spieler etwas kürzer für seinen Zug braucht als der Bot (warum eigentlich, ich fand das ging immer recht schnell), müssen die Spieler ohne Bot mehr bei ihren Zügen überlegen, da es mehr Zugmöglichkeiten des Gegners gibt. Ein gutes Beispiel sind die Konferenzen. Hier weiß ich ziemlich genau, was der Bot macht und kann mich darauf einstellen, insbesondere da ich ja seine Karten kenne. Was das Spiel zu Dritt vermutlich wirklich länger machen wird, sind die Verhandlungen bei den Konferenzen. Wenn die funktionieren sollen, müssen die Spieler über ihre Zugmöglichkeiten diskutieren, sonst endet das immer in sinnlosen Hin- und Herschiebereien und am Ende bestimmt der mit den besseren Karten auf der Hand den Endstand. Allianzen scheinen mit hier wichtig zu sein, auch wenn sie nur temporär sein können. Das ist eigentlich ein schönes Element in dem Spiel.

Leider wird das Positive wieder aufgewogen durch die Mechanismen im „theatre of war“: Die Allierten müssen grundsätzlich ihre Truppen den Fronten zuordnen bevor die Verteilung der Truppen der Achsenmächte beginnen. Das macht das Geschehen dort unkalkulierbar und viel zu glückslastig. Ein bisschen Planbarkeit wäre da wirklich besser gewesen.

Nun zu den Szenarien: wir haben das mit den 5 Konferenzen gespielt. Wenn ich mich richtig erinnere gibt es noch das „volle Programm“ mit 10 Konferenzen und dann das mit nur 3en. 3 Konferenzen lassen sich sicherlich in 1 ½ bis 2 Stunden spielen, aber ich befürchte, da ist der Glücksfaktor noch größer als bei 5en. An 10 Konferenzen mag ich gar nicht denken, da sprechen wir ja wohl von 5 bis 6 Stunden und am Ende entscheidet möglicherweise wieder ein einziger Würfelwurf bei der Endabrechnung über Sieg oder Niederlage. Überhaupt ist das meine hauptsächliche Kritik an dem Spiel, es ist zu lang für den hohen Glücksfaktor.

Zu meiner Punktvergabe: Verstehe mich nicht falsch, mir hat das Spiel Spaß gemacht, was zu einem großen Teil auch an der entspannten Atmosphäre lag. 6 Punkte heißen bei mir, es ist ein durchschnittliches bis gutes Spiel, ich möchte es aber nur gelegentlich spielen. Eine 8er-Wertung heißt für mich, ich spiele es gerne und es darf jederzeit wieder auf den Tisch kommen.

16.09.2015: Gelegenheit für „Nord“

Kleine WPG-Spielestatistik

Nachweislich unserer Session-Reports, die allerdings erst einige Jahre nach Beginn unserer regelmäßigen Spieleabende angefangen wurden, haben wir am insgesamt 745 verschiedene Spiele am Westpark gespielt. Gut 70% davon nur ein einziges Mal, knapp 20 % wenigstens ein zweites Mal. Spitzenreiter mit riesengroßen Abstand ist „Bluff“, das 210 mal auf den Spieltisch gekommen ist. Dahinter folgen „Flaschenteufel“ mit 32, und das Peter-protegierte „Zoff im Zoo“ mit 17 Präsenzen. Aarons Eigenentwicklungen „Yunnan“ und „Nobiles“ lagen immerhin je 11 mal auf, und sein aktuelles Austragskind „Diggers“ sogar 16 mal.

Kurz und gut: Es sogar ein einziges zweites Mal auf den Tisch am Westpark gebracht zu haben, hebt ein gemeines Spiel bereits über zwei Drittel seiner Brüder und Schwestern heraus!

1. “Nord”

Die Spiele-Schmiede hat unseren „Verriss“ von letzte Woche mit Humor getragen und sehr konstruktiv darauf reagiert. Der initiale „Stänkerer“ von letzter Woche war heute zuhause geblieben, und jeder einzelne des heutige Trios hatte in den sieben Tagen und Nächten seit dem letzten Spielabend über das „Nord“-Ereignis nachgedacht und empfunden, dass das Spiel es wert wäre, uns seine Geheimnisse in einer zweiten Session zu offenbaren. Jeder hatte daran gedacht, und Moritz hatte das Spiel sogar mitgebracht. Ab heute hat es am Westpark die Weihe der zweiten Nacht.

Hallo, Ihr „Nord“-Experten: Mit wieviel Einheiten ist Moritzens blaue Kämpfer-Pyramide versorgt?
Hallo, Ihr „Nord“-Experten: Mit wieviel Einheiten ist Moritzens blaue Kämpfer-Pyramide versorgt?

Wir besiedeln mit unseren Setzsteinen ein selbstgebasteltes, aus quadratischen Feldern bestehendes Asgard, breiten uns von unseren frei gewählten Startlöchern in alle Richtungen aus, nehmen im Vorbeigehen die auf den einzelnen Feldern liegenden Schatzplättchen mit, und klopfen bei den neutralen oder gegnerischen Jarls an, um ihnen ein Bündnis aufzudrängen.

Bemerkenswert sind die Effekte von solchen Bündnissen. Auf der Verbindungsstrecke zwischen zwei Partnern werden alle Steine des handelnden Spielers entfernt und auf die Felder vom Start und Ziel verteilt. Allerdings werden der zweite, der vierte, und alle weiteren ab dem sechsten Spielstein als erschlagene Helden auf ein „Drachenboot“ zur Fahrt nach Walhall gepackt. Sind beispielsweise auf einer Verbindungsstrecke nur zwei Spielsteine des handelnden Spielers, so gelangt einer davon ins Ziel, der andere wird ersatzlos vom Brett genommen: Erfolgsquote: 50 Prozent. Sind auf der Verbindungsstrecke aber drei Spielsteine, so landet einer auf dem Zielfeld, einer auf dem Startfeld und einer in Walhall. Überlebensquote: 66%. Es ist also effizienter, Jarls in einer Entfernung von drei Steinen anzugreifen als in einer Entfernung von zwei. Freilich sind die Entfernungen zwischen den Jarls eine topologische Konstante, und wenn wir es da mit einer geraden Anzahl Feldern haben, so müssen wir halt in den sauren Apfel beißen.

Alle Spieler bauen friedlich an diesen Bündnissen und besiedeln die ausgewählten Jarl-Plätze des Spielfeldes mit ihren Bündnis-Kämpfern. Jetzt (oder wann immer man will) wird auf Krieg umgeschaltet. Wer bereits mit einem fremden Jarl verbündet ist und nochmals eine Verbindung zu diesem Kerl aufgebaut hat, darf ihn erschlagen und kassiert erhebliche Siegpunkte dafür. Voraussetzung ist allerdings, dass das Objekt der Begierde nicht mit anderen Mitspielern in der gleichen Quantität verbündet ist wie wir.

Wir brauchen aber keine Jarls zu erschlagen, um das Spiel zu gewinnen. Jedesmal wenn das Drachenboot mit abgeräumten Helden voll ist, was beim Aufbau von Bündnissen (glücklicherweise) sehr schnell vonstatten geht, wird eine Wertung ausgelöst. In der ersten und dritten Wertung werden unsere wohlpositionierten Setzsteine auf Waldgebieten und Bergfeldern honoriert. In der zweiten und vierten Wertung werden unsere beim eigenen oder bei fremden Jarls schmarotzenden Kämpfer honoriert, und zwar quadratisch mit der Anzahl der an einem Ort lebenden Figuren: ein Kämpfer an einem Fleck bringt einen Siegpunkt, vier Kämpfer auf einem Fleck gleich sechzehn Stück davon. Die Siegpunkte für Wälder und Berge in der ersten und dritten Wertung sind also marginal im Vergleich zu den horrenden Summen, die man für gehäufte Kämpfer einstreichen kann.

Viele Kämpfer auf einem einzigen Fleck zu konzentrieren ist allerdings gar nicht so einfach. Wer bereits mit allen Jarls verbündet ist, der hat sein Pulver verschossen: er kriegt keinen einzigen Kämpfer mehr unter. Er kann nur noch durch die Abgabe bestimmter Schatzplättchen einzelne Jarls umsetzen. Die Majorität eines anderen Mitspielers ist damit nur schwer zu brechen. Das Spiel verzeiht keine Fehler.

Bei uns hatte Walter zwischen der zweiten und der dritten Wertung alle seine Spielsteine auf dem Brett und konnte keine Steine mehr setzen. Nach den Regeln muss er jetzt statt eines Setzzuges eine Wertung auslösen. So kam die dritte, und gleich darauf auch die vierte und die Schlusswertung zustande. Übrigens eine gute Idee für Spieler, die das Spiel schnellstmöglich beenden wollen: Sie setzen alle ihre Spieler auf „sichere“ Plätze, wo sie nach den Wertungen nicht abgeräumt werden, und schon geht es schnurstracks dem Ende zu.

Bei uns wurde ein solches Ende nicht provoziert. Eine Stunde lang lief das Spiel recht flott über die Bühne. Selbst Moritz spiele ohne langes Nachdenken. Er konzentrierte sich auf Unmengen von Kämpfern in seiner Heimatbasis, deren Versorungsaufgaben er elegant in den dunklen Hintergrund der Spielregeln schob, die ihn aber mit ihren quadratischen Punktesegen alle seine Mitspieler überrunden ließ. Da hätte er gar nicht auch noch den Mord an einem Jarl begehen müssen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu dritt spielt es sich deutlich besser), Moritz: 7 (das Spiel gehört zu der seltenen Gattung von abstrakten Setzspielen, die zu dritt funktionieren), Walter: 5 (wenn man es flüssig spielt, wird man seinen Geheimnissen nicht gerecht, wenn man es denkerisch-analytisch spielt, kann es sehr zäh werden.).

2. “Gelegenheit macht Diebe”

Unverdrossen, trotz unserer keineswegs üppig-wohlwollenden Kritiken, versorgt uns der Gmeiner Verlag regelmäßig mit seinen neuesten Produktionen. Meist handelt es sich um Kartenspiele, die im Kriminalisten Milieu angesiedelt werden. Sogar der Altmeister Rainer Knizia hat hier schon mit „Sieben unter Verdacht“ sein Glück versucht.

„Gelegenheit macht Diebe“ ist offiziell ein „Krimi-Kartenspiel für raffinierte Langfinger“, in Wirklichkeit aber ein reines Stichkartenspiel, das alle Spieler zumindest am Anfang in der vom Autor gewollten Unsicherheit lässt, ob er einen Stich machen soll oder nicht, ob der Stich Pluspunkte bringt oder desaströs alles zunichte macht.

Vier Kartenfarben hat das Spiel, man muss die ausgespielte Farbe bedienen, man kann mit einer von vier Jokern den Stich an sich reißen, und man darf jede beliebige Karten zugeben, wenn man nicht bedienen kann. Wer einen Stich gemacht hat, spielt zum nächsten Stich beliebig aus. Das ist alles Standard.

Innerhalb der Karten eines Stiches zählt nur eine einzige Farbe, die sogenannte „Diebesgut-Farbe“: sie bringt Siegpunkte pro Karten, die man davon innerhalb seiner Gesamt-Stichen hat, und sie kostet Siegpunkte, wenn man nicht genügend Karten davon ergattern konnte. Die Diebesgut-Farbe ist bei Spielbeginn nicht bekannt. Erst wenn ein Spieler die erste von vier „Deal“-Karte gespielt hat, darf er die „Diebesgut-Farbe“ benennen und damit alle Spieler aus ihrer Unsicherheit befreien. Die „Deal“-Karte darf aber erst gespielt werden, wenn irgend ein Spieler vorher eine „Choice“-Karte gespielt hat. Ganz schön kompliziert, nur damit die üblichen logischen Mechanismen eine Stichspiels, das Planen beim Ausspielen und Zugeben der Karten außer Kraft gesetzt werden.

Innerhalb von drei Stop-Punkten im Spiel bieten die Spieler darum, nach welcher Umrechnungstabelle sie später ihre Diebesgut-Karten in Siegpunkte umgerechnet haben möchten. Man kann 2 oder auch 3 Punkte pro Karten bekommen, wird allerdings auch mit 5 bzw. 10 Minuspunkten bestraft, wenn man zu wenige Diebesgut-Karten in seinen Stichen hat. Ab lukrativsten ist hier die Umrechnungstabelle der „Versicherung“: Hier bekommt man leicht 15 bis 19 Punkte für nur zwei Diebesgut-Karten und erhält nur 5 Minuspunkte, wenn man keine zwei solcher Karten zusammengebracht hat. Es gibt dann auch noch Loser-Tabellen, z.B. die des „unbeteiligten Besuchers“, wo man lediglich 5 dünne Punkte bekommt, wenn man – durch Glück und Können – überhaupt keine Diebesgut-Karte eingesackt hat.

Weil es bei den Umrechnungstabellen so eindeutige Favoriten gibt, die sich alle Spieler natürlich gerne an Land ziehen würden, setzen die Regeln hierfür Grenzen: Innerhalb von sechs Durchgängen darf jeder Spieler jede Tabelle nur maximal zweimal für sich in Anspruch nehmen, und dabei nicht zweimal hintereinander in zwei folgenden Durchgängen.

Die Regeln und die Material-Unterstützung für diese Bieten ist ziemlich ungeschickt. Erstens wird das – normalerweise / hoffentlich flüssige – Stichspiel unergonomisch unterbrochen, und zweitens muss man eigenhändig schriftlich notieren, welcher Spieler bisher welche Tabellen ersteigert hat. Mit all den Fehlerquellen beim Erstellen und Verfolgen der Einträge. Moritz schlug hier einen ganz einfachen, viel besseren Spiel-Mechanismus vor: Für jede Umrechungstabelle gibt es eine eigene Leiste, auf die ein Spieler, der diese Tabelle wählt, einen Spielstein hinlegt. Gewählt wird einmal und zwar nach der Kartenverteilung. Das wäre alles. Wer zuerst kommt, malt zuerst. Schnell und einfach, und jedermann kann jederzeit erkennen, welche Tabellen er bereits hatte, welche er zuletzt hatte und welche er noch ersteigern darf. Dieser Auswahlmechanismus wäre genauso gerecht und ungerecht wie das bisherige komplizierte Bieten mit den sieben Setzsteinen zu unterschiedlichen Zeitpunkten.

Nach drei (von sechs) friedlichen Durchgängen stand durchaus die Frage im Raum, ob wir damit unsere Erfahrung mit dem Diebesgut beenden wollen. Doch die Spannung war noch nicht ganz abgeklungen, und zudem lag Walter in Führung, was Moritz keineswegs freiwillig so hinnehmen konnte. So zogen wir uns auch die zweite Hälfte zu Gemüte, ließen uns die Suggestion gefallen, dass jeder mit seiner Kartenhand sein eigenes Schicksal in der Hand hat, und wurden drei weitere Runden gespielt. Moritz hat gewonnen, Walter wurde Letzter!

WPG-Wertung: Aaron: 4 (wenig Pfiff), Moritz: 4 (die Tabellen-Selektion ist shit, langweiliges Stichspiel ohne Thema, ein Stichspiel, d.d.W.n.b.), Walter: 4 (habe überhaupt keine Ahnung, wie man eine Kartenhand analysieren und spielen soll).

3. “7 Worms”

Vor einem Monat stand Aaron mit seiner Neu-Entwicklung kurz vor dem Abgrund. Heute ist er schon einen Schritt weiter. Scherz beiseite: Die Würfel wurden abgeschafft, die verschiedenen Wurm-Teile zum Erzeugen eines Wurms werden jetzt über Plättchen realisiert. Die Würmer hoppeln schon gewaltig, bald werden sie auch noch das Fliegen lernen.

07.09.2015: Nord im Gegenwind

Liebe treue Leser unserer Seite, Ihr braucht jetzt nicht weiter zu lesen, dies ist nicht einer unserer üblichen Session-Reports. Die Betreuung der Enkeltochte hat die normale Rentnerfreizeit für Spielkritiken erheblich eingeschränkt. Zudem hat Moritz die Beschreibung unseres spielerischen Hauptprogramms gleich wieder mit nach Hause genommen, so dass jede lustvoll-böse Kritik leicht ins Auge gehen kann. Nur damit die Kontinuität über die Berichterstattung zu unseren Spielabenden – wer war da und was wurde gespielt – gewahrt bleibt, hier eine kurze Zusammenfassung zum letzten Mittwoch.

1. “Nord”

„Nord“ : Kämpfe mit dem Aufbau, Kämpfe mit dem Kampf!
„Nord“ : Kämpfe mit dem Aufbau, Kämpfe mit dem Kampf!

Moritz hatte das Spiel schon im Vorfeld vorgeschlagen. In der Kronberger Spieleschmiede wurde es entwickelt. Unser Freund Christoph Tisch hat die Graphik gemacht. Der Autor (?) Roland Goslar hatte sich gewünscht, dass wir es einmal spielen. Was war seine Motivation? Sollten wir unsere Freude daran haben? Sollten wir unsere Kritiker-Meinung dazu abgeben? Sollten wir seinen Geschäftserfolg fördern? Wer weiß!

„Nord“ hat einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Erst rund und schön, dann unausgegoren und broken. Da, wie gesagt, Moritz vergessen hat, das Spiel hier am Westpark zu lassen, kann ich hier nur ganz oberflächlich darüber schreiben, was subjektiv in der Erinnerung hängen geblieben ist.

  • In 60 Minuten soll das Spiel über die Bühne sein. Solange brauchten wir allein, um das Spielbrett zusammen zu bauen! Eigentlich ganz einfach: Acht orthogonale Polygonflächen, die Feld, Wald und Wiese-Landschaften enthalten, sollen in beliebiger Ausrichtung aneinander gelegt werden. Eine Sekundenaufgabe. Doch die leichten lockeren Lösungen scheitern alle an den Randbedingungen, die so nach und nach auftauchen. Da müssen Mindestabstände eingehalten, Land- und Seegrenzen beachtet, und unklare Verteilungsvorschriften für „Schatzkästchen“ berücksichtigt werden. Ständig mussten wir unsere aktuelle Zusammensetzung modifizieren, um neu entdeckten Bedingungen zu genügen. (Oder war hier nur unser Moritz bei der Interpretation des Regelheftes überfordert?)
  • Ausgehend von frei gewählten Start-Städten bevölkert jeder Spieler sein Umland, zieht mit seinen Nordmännern zu seinem Nachbarn oder zu den neutralen Jarls, die wie die Moai-Köpfe auf den Osterinseln in der Landschaft herumstehen: zuerst friedlich und Wege bahnend, dann erobernd und Siegpunkte einheimsend.
    Theoretischer Konstruktionsfehler: Der Startspieler! Wer bestimmte Felder zuerst besetzt, mahlt zuerst. Er kann seinen Mitspielern ganz schön das Wasser abgraben. Wenn er dann noch als erstes genug Masse für seine Heldenkämpfe beisammen hat und eine Schlacht beginnt, löst er eine Wertung aus, bei der er natürlich am besten dran ist. Da der Startspieler dazu auch noch als Erster sich die strategisch beste Start-Stadt aussuchen kann, hat er von seinem Privileg ausschließlich Vorteile. Das dürfte bei einem “gerecht” ausbalancierten Spiel grundsätzlich nicht so sein!
  • ”Nord” ist ein Denkerspiel. Kronsberger behauptet sogar “ohne große Glückselemente”. Warum liegen dann die Schatzkästchen, deren passende Sortierung eine quadratisch steigende Punkteausbeute mit sich bringt, verdeckt auf dem Spielplan herum, so dass es reine Glücksache ist, ob man dreimal nur einen Punkt oder einmal gleich zehn Punkte dafür kassiert?
  • Bei einem Denkerspiel sollten der Aufbau und die Entwicklung des Spielgeschehens recht “stetig” von sich gehen. In “Nord” kann mit einem einzigen Zug die gesamte Position eines Mitspielers zunichte gemacht werden. So geschehen, als Moritz den ersten Kampf absolvierte, seinen hoffnungsvollen Nachbarn Horst dabei in jeder Beziehung übertrumpfe, gleich sieben Siegpunkte einstrich und Horst mit null Wertungspunkten in die Röhre schauen ließ. Das ist reines Mitspielerchaos und sollte durch einfache, lustige, zufällige Winkelzüge ausgelöst werden, aber nicht durch erzwungene Denkprozesse mit dem Pseudo-Eindruck von Planbarkeit.
  • Warum liegen eigentlich auf dem Walboot, das die erschlagenen Helden nach Walhall bringt, ständig ein paar Geister-Jarls herum? Zuviel übriges Spielmaterial oder haben wir da etwas falsch gemacht? Vielleicht steht darüber etwas im Regelheft.

Kurz und gut, nach der ersten Wertung bekundete Horst, dass er KEINERLEI Spaß an diesem Spiel habe. Unter Rücksichtnahme auf unseren Kriegerfreak Moritz gestanden wir noch eine Fortsetzung bis zur zweiten Wertung zu, dann brachen wir ab.

Das Kampfprinzip in „Nord“ ist zweifellos neuartig und bemerkenswert. Doch eine Balance von Aufwand und Nutzen, eine Stimmigkeit von Mitteln und Effekten ist nicht erreicht!

Die Spielregel empfiehlt drei Mitspieler. Eine bessere Formulierung: „Zu viert nicht spielbar“! Zumindest nicht am Westpark

WPG-Wertung: Aaron: 4 (bis ich wieder am Zug bin, ist so viel passiert, wogegen ich mich nicht schützen kann), Horst: 3 (ich hasse diese Art von Spielen, langweilig, ich habe keinerlei Motivation, hier irgend einen Zug zu machen), Moritz: 8 (fand das abstrakte erst Verbindungen-Schaffen dann Angreifen sehr gelungen), Walter: 4 (leider extreme Effekte in chaotische Richtungen)

Das nordgermanische Thema fanden wir nicht wieder. Horst erkannte darin eher die Rotten von syrischen (islamischen!) Flüchtlingen wieder, die das christliche Abendland (München) überrollen. Eine heiße Debatte über Gefahren und Gebaren der bundesdeutschen Flüchtlingspolitik schloss sich an, die der Gastgeber mit einer Runde

2. “Looping Louis”

erfolgreich abkühlen konnte. Zehn Minuten mechanisches Tasten-Drücken, um zu verhindern, dass ein routierenes Flugzeug nicht die eigenen Chips abschießt, sondern eher die der Mitspieler, bringt selbst die erregtesten cholerisch angehauchten Hitzewallungen wieder in ein normales Mentalgleis.

Keine neue WPG-Wertung für ein 7,2 Punkte Spiel.

3. “Hamsterbacke”

Noch ein kleiner Absacker, diesmal nicht mechanischer Art sondern als richtig gehendes Kartenspiel. Letzte Woche zum ersten Mal gewogen und keineswegs für zu leicht befunden, sollte es diesmal den Trend der ansteigende Spiellust-Kurve weiter fördern. Was nur mit Einschränkungen gelang; die Notengebung der Neulinge konnte mit der Euphorie der ersten Nacht nicht mithalten.

WPG-Wertung: Die bisherigen unisono 7 Punkte von Aaron, Günther und Walter wurden um eine ganze Stufe nach unten gedrückt: Horst: 6 (es plätschert unkompliziert vor sich hin; es fehlt die Herausforderung; ragt aus der Masse der vielen konstruierten Kartenspiele nicht heraus), Moritz: 5 (nicht so prickelnd; zu eindimensional; die Spannung hält nicht bis zum Schluss).

4. “Diggers”

Aarons Eigenentwicklung ist unter Dach und Fach. Vertragsgemäß musste er bis Ende August alle Änderungswünsche des Verlags bedienen. Jetzt ist der Startschuss für Beschreibung, Design und Produktion gegeben. Im Januar nächsten Jahres auf der Messe in Nürnberg soll das Spiel der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Produktionsphase. Doch ganz gewiss wird Horst nicht sagen können, dass es nur eines der „vielen konstruierten Kartenspiele“ ist. Es enthält eine Menge Pfiff, ist spielerisch, gibt Raum für Planung und Kartenpflege, gewährt dem Zufall einen angemessenen Einfluss, und ist absolut stimmig in Zeit und Idee.

02.09.2015: Verhexte blaue Hamsteraugen

1. “Farbige Sprache”

Da nennt ein schwarzer Minister einen anerkannten Parteifreund ohne jeglichen Arg völlig zutreffend einen „Neger“, und schon erhebt sich ein gewaltiger Proteststurm in öffentlichen Netzen. Man spricht von einer „Verrohung unserer Sprache“, und ein Roter fordert gar den Rücktritt des Ministers. Kant, Herder, Schiller und Kleist haben den Begriff „Neger“ ganz neutral ohne jegliche Rassendiskriminierung verwendet, und meine Mutter hat es mich mit dem gleichen Zungenschlag gelehrt wie „Chinese“ und „Eskimo“. Wer ist es eigentlich, der uns einen inhaltlich veränderten Gebrauch unserer Muttersprache so aggressiv vorschreiben will?

Das Meyersche Konversationslexikon von 1897 definiert schlicht: „Neger: (von lat. niger = schwarz) alle afrikanischen Völker vom Südrande der Sahara südwärts bis zum Gebiet der Hottentotten und Buschmänner mit dem gemeinsamen Merkmal einer beharrlichen Dunkelung der Haut in vielen Abstufungen vom rötlichen Braun bis zum tiefsten Dunkelbraun.“ Und dazu sollen wir jetzt „Schwarzer“ oder „Farbiger“ (= rot und grün und gelb und blau …) sagen? Wenn es um die Hautfarbe geht, wäre „Brauner“ noch am angemessendsten, aber diese Farbe haben schon andere Weiße für sich in Beschlag genommen.

Wir lesen auch heute noch „Es war einmal eine süße kleine Dirne, die hatte jedermann lieb“, obwohl sie keinesfalls das horizontale Gewerbe betrieb und sich höchstenfalls von einem Wolf hatte vernaschen lassen.

1. “Auge um Auge”

Henning Poehl nimmt sich für seine Spieleideen gerne realistische Allerweltsthemen vor, seien sie nur unappetitlich („Popeln“) oder religiöse Wahnvorstellungen („Hexenhammer“). In „Auge um Auge“ geht es um halbstarke Schlägerbanden, die sich gegenseitig die Augen blau schlagen. Jeder Spieler führt eine Bande aus sechs Mitgliedern, jeder darf auf jeden draufschlagen, Angreifer und Verteidiger dürfen dazu jede Mitspieler-Bande zum Mitschlagen einladen.

"Auge um Auge": Günther weist dezent auf den gemeinsamen Feind hin
“Auge um Auge”: Günther weist dezent auf den gemeinsamen Feind hin

Der Kampf wird über Würfel ausgetragen. Für jedes Bandenmitglied, das noch mindestens ein nicht-blaues Auge besitzt, kommt ein Würfel ins Spiel. Der Angreifer würfelt, kann mit Hilfe von Zaubereigenschaften seiner Bandenmitglieder noch ein bißchen an den Augenzahlen herumdrehen, und entscheidet dann aus freien Stücken, mit welcher Augenzahl er ein der Augenzahl zugeordnetes Bandenmitglied des Gegners bearbeitet. Alle assoziierten Banden würfeln jetzt gleichfalls und müssen mit allen gleichen Augenzahlen wie der spielführende Erst-Angreifer auf das gleiche gegnerische Individuum einschlagen. Dagegen würfelt jetzt der Verteidiger sowie die ihn unterstützenden Banden und patten mit jedem Würfel, der die gleiche Augenzahl wie die Angreifer aufweist, einen Angreiferwürfel aus. Bleiben am Ende nicht-ausgepattete Angreiferwürfel übrig, bekommt das angegriffene Bandenmitglied des Verteidigers ein bis zwei blaue Augen und ist entsprechend gehandicapt: Er geht seiner Zaubereigenschaft verlustig oder scheidet sogar ganz aus den folgenden Kämpfen aus. Der Angreifer und/oder die unterstützenden Banden bekommen Siegpunkte. Wer zuerst acht Siegpunkte errungen hat, ist Sieger.

Das Spiel ist als Würfelspiel ordentlich komponiert. Der Verteidiger kann sich gegenüber einer erdrückenden Angreiferzahl kampflos zurückziehen und bekommt dafür nur ein einziges blaues Auge. Er darf dann auch frei wählen, welche der angreifenden Banden den Siegpunkt bekommt; damit kann er versuchen, Zwietracht unter seine Gegner zu säen. Wer am meisten lädierte Bandenmitglieder hat, hat bei den in die Kämpfe eingeschobenen Phasen des Wunden-Leckens auch statistisch gesehen die größte Chance, seine blauen Augen wieder zu heilen. Es geht also mit einem schwächeren Spieler nicht automatisch immer steiler bergab. Auch können die Angreifer u.U. alle die gleiche Augenzahl werfen und damit nur einem einziges Mitglied des Gegners Schaden zufügen.

In unserer Runde gab Günther per Fingerzeig gleich zu Beginn das Motto aus: „Alle gegen Aaron“. Walter griff das Motto willig auf, es gibt ja noch einige offene 1830-Rechnungen gegen Aaron zu begleichen. Außerdem kann es ja wohl nicht moralisch verwerflich sein, als gestandener Opa ein Schlägerei-Spiel für Halbstarke etwas atypisch bis absurd anzugehen. Aaron wehrte sich zwar tapfer, hatte aber gegen seine vereinigten Gegner keine Überlebenschance. („Was für ein Scheiß-Spiel!“) Bis ihm dann auf dem Titelbild des Regelheftes der rettende Satz ins Auge fiel: „Auge um Auge“ geht nur für 4 bis 6 Spieler. Als Trio waren wir nicht nur vom Alter her a priori die falsche Besetzung.

WPG-Wertung (über eine Extrapolation auf die zulässige Spielerzahl): Aaron: 5 (aus Sympathie für Henning und sein Bier- & Bretzelspiel; „man kann es nur spielen, wenn man ordentlich was intus hat“), Günther: 5 (eigentlich nur 4, aber mit einer Zaubereigenschaft auf 5 gedreht), Walter: 5 (ein paar hübsche, neue Ideen beim Würfelkampf; man könnte ja mal ordentlich was intus haben).

2. “Hexemonia”

Das alte Griechenland oder eine Bantusteppe, was spielt das schon für eine Rolle! Jeder Spieler baut um seine Heimatbasis herum eine Fläche aus hexagonalen Landschaftsteilen zusammen, und wer am Ende die siegpunkt-trächtigste Fläche beisammen hat, ist Sieger.

Von den zu bauenden Landschaftsteilen liegen jeweils vier offen aus. Pro Zug dürfen wir ein bis zwei Stück davon auf die Hand nehmen und anschließend aus der Hand beliebig viele an unseren Landbesitz anlegen. Wir müssen dafür nur die notwendigen Rohstoffe in Form von weißen, roten oder gelben Holzwürfeln beisammen haben. Einen dieser Würfel dürfen wir uns pro Zug kostenlos aus der offenen Börse nehmen, die anderen müssen auf unseren ausliegenden Ländereien bereits irgendwo vorhanden sein; wir dürfen beliebig viele davon über beliebig weite Strecken zu den jeweils neu angelegten Landschaftshexagons hintransportieren.

Rohstoffe wachsen zu unterschiedlichen Quanten und in unterschiedlicher Zusammensetzung auf unseren verschiedenen Ländereien. Dazu müssen wir in der Aktionsphase unseres Zuges die Option „Produzieren“ wählen. Es produzieren aber nur die „aktiven“ Felder, d.h. die Felder, auf denen wir eine vorgeschriebene Art und Anzahl von Holzwürfeln platziert haben. Beim Zusammenkratzen der Rohstoffe auf den neu zu bauenden Feldern machen wir in der Regel allerdings eine erhebliche Anzahl unserer Landschaftsteile „inaktiv“.

Anstelle des Produzierens können wir auch die Option „Strategie“ wählen und damit die Rohstoffe so verteilen, dass möglichst viele aktive Felder entstehen. So können wir dann beim nächsten „Produzieren“ maximal viele neue Rohstoffe generieren.

Wer kriegerisch veranlagt ist, kann seine Rohstoffe unter der Option „Strategie“ aber auch auf einem einzigen Feld konzentrieren, um im nächsten Zug von dort aus einen „Krieg“ zu beginnen. Damit kann er in der Aktionsphase beliebig viele Gegner sequentiell angreifen und ihnen je ein schwach verteidigtes Landschaftshexavon wegnehmen und seinen eigenen Ländereien einfügen.

Wir waren alle sehr friedlich gestimmt und bauten alle sehr autistisch an unseren eigenen Ländereien, ohne uns groß um das Gehabe und das Besitztum der Mitspieler zu scheren. Wir lächelten über die drei Seiten im Regelheft, in denen die Kriegführung detailliert beschrieben wird, genauso wie wir über die einhundert Milliarden Euro im Militärhaushalt der Bundesrepublik schon lange nicht mehr lächeln.

Nur im allerletzten Zug nutzte Aaron seine herumlungernden Krieger, um Günther noch eine Mythenlandschaft (Verlust: 8 Siegpunkte resp. 38 Prozent seiner Gesamtsiegpunktzahl), und um Walter noch einen Stadtlandschaft (Verlust; 4 Siegpunkte resp. 19 Prozent seiner Gesamtsiegpunkte) zu rauben. Aaron wurde Sieger. Günther landete weit abgeschlagen auf dem letzten Platz. Was sagt das über „Hexemonia“? Was sagt das über Günther?

Wir haben das Spiel beim ersten Kennenlernen alle (zumindest ich) schlichtweg sehr anfängerhaft gespielt. Wir haben sehr vorsichtig agiert, und in unseren Aktionen eher geklunkert als geklotzt. Wer produzieren will, muss bereits im vorhergehenden Zug die „Strategie“-Option wählen und möglichst viele seiner produktiven Landschaftsteile auf aktiv setzen. Im nächsten Zug darf man dann ggf. auch gar nicht bauen, sondern muss alle seine vorher aktivierten Felder im Zustand aktiv halten. Das spätere Bauen ist überhaupt kein Problem, denn, wie gesagt, wir können in jedem Zug ja beliebig viele neue Landschaftsteile anlegen. Was wir immer auch tun sollten. Einen Rohstoff statt eines Feldes zu nehmen, sofern das nicht unbedingt notwendig ist, erscheint deutlicher weniger opportun.

Vielleicht hat Aaron alles richtig gemacht. Er hat zwar in seinem letzten Kriegszug selber keine Punkte hinzugewonnen, sondern lediglich seinen Kontrahenten welche weggenommen, aber er hat ganz systematisch seine Ländereien erweitert, ständig seine Produktionen am Laufen gehabt, und konnte bis zu seinem Sieg sogar zweimal erhebliche Verluste durch Revolutionen verkraften.

Wir hätten seine ungeschützten Ländereien häufiger angreifen sollen. Kriege führen bzw. mit Krieg zu drohen ist ein verdammt guter Zug. Allerdings besteht das Spiel dann zu 95 Prozent der Spielzeit darin, die ständig wachsende Anzahl von Feldern mit sich ständig extrem ändernder Potenz komplett nach leicht angreifbaren Feldern abzuscannen, um die eigenen besser zu schützen und die fremden nahezu verlustfrei zu erobern. Vielleicht macht das Spaß. Wir müssen das noch einmal verifizieren.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (viele Optionen, Downtime bei mehr Mitspielern grenzwertig), Günther: 6 (knapp), Walter: 6 (entweder ist das Spiel stark autistisch und ohne echte Interaktion, oder es versandet in einer permanenten Bilanzierung von Stärken und Schwächen der ausliegenden Felder).

3. “Hamsterbacke”

In einem flotten kleinen Kartenspiel nehmen wir Karten von der offenen Auslage auf die Hand, legen sie zu Sets ab und punkten mit abgelegten Sets. Das ist der ganze Witz.

Acht offene Stapel liegen kreisförmig in der Mitte des Tisches. Jeden von ihnen dürfen wir komplett auf die Hand nehmen. Dann wird an deren Stelle sofort eine neue Karte vom verdeckten Nachziehstapel hingelegt. Zusätzlich erhalten die beiden im Uhrzeigersinn folgenden Stapel ebenfalls eine Karte.

Auf den Karten sind die Ziffern 1 bis 4 aufgedruckt. Eine Karte mit der Ziffer 1 ist bereits ein komplettes Set, zwei Karten mit der Ziffer 2 und drei Karten mit der Ziffer 3 ebenfalls. Frage: Wie viele Karten mit der Ziffer 4 bilden ein Set?

Aus unserer Hand können wie beliebig viele Sets auf einmal offen auslegen. Die Sets werden aber erst gewertet, wenn wir in einem eigenen Zug das Set umdrehen. Dann muss als Nebeneffekt der Mitspieler mit den meisten Handkarten uns noch so viele Karten abgeben, wie die oberste Karte der umgedrehten Sets angibt.

Es geht also darum:

  • möglichst viele Karten aus den offenen Stapeln auf die Hand zu nehmen, damit man Verfügungsmasse auf der Hand hat
  • möglichst gleichartige Karten aus den offenen Stapeln zu nehmen, damit man unverzüglich komplette Sets ablegen kann
  • möglichst Karten mit hohen Zahlenwerten aus den offenen Stapeln auf die Hand zu nehmen, damit man beim Werten der eigenen offenen Stapel von einem Mitspielern möglichst viele Karten abstauben kann.

Die einfachen Auswahlkriterien beißen sich mit dem Bestreben, möglichst wenig Karten auf der Hand zu haben, damit man beim Werten der Stapel eines Mitspielers nicht selber geschröpft wird.

Alles locker, alles leicht, alles schnell, alles rund. Und wenn man in der Stimmung ist, ist alles auch lustig. Man behauptet, Glück und Strategie sollten sich bei “Hamsterbacke” die Waage halten. Einen Vergleich mit dem ungekrönten Absackerkönig “Bluff” wollen wir hier aber lieber nicht anstellen.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (für das, was es ist, ist es lustig), Günther: 7 (locker, kein Skat), Walter: 7 (angenehm schnell, eine Planung ist leider immer nur für einen Zug voraus möglich, darunter könnte der Wiederspielreiz leiden.).

26.08.2015: Kreide fressen im Pax Porfiriana

“Macht auf, ihr lieben Kinder, eure Mutter ist da und hat jedem von euch etwas mitgebracht!” sagte der Wolf, als er bei den sieben jungen Geißlein an die Tür klopfte. Aber die Geißlein hörten an der rauen Stimme, dass es der Wolf war. “Wir machen nicht auf”, riefen sie, “du bist unsere Mutter nicht, die hat eine feine und liebliche Stimme; aber deine Stimme ist rau, du bist der Wolf!” Da ging der Wolf fort zu einem Krämer und kaufte ein großes Stück Kreide, die aß er und machte damit seine Stimme fein.

Nach Wikipedia bezeichnet die „Kreide“ hier wohl „Kirschkreide“, im Preußischen eine Bezeichnung für Kirschmus, das möglicherweise – ähnlich wie Honig – Heiserkeit lindern soll. „Kreide fressen“ bedeutet umgangssprachlich: sich zurückhalten, sich beherrschen und Friedfertigkeit vorspielen, sich scheinbar umgänglich geben.

1. “Pax Porfiriana”

Peter hatte im Vorfeld „mal wieder etwas Klassisches“ vorgeschlagen, z.B. “Wikinger” oder “Turmbau von Babel” oder “Seeland”? Doch nach unserem Selbstverständnis sollte jeden Abend auch etwas Neues auf den Tisch kommen. So fand sich keine Gegenstimme als Moritz „zur Einleitung“ ein kleines 13 x 13 Zentimeter großes Kartenspiel einbrachte.

Friedensfürsten in „Pax Porfiriana“
Friedensfürsten in „Pax Porfiriana“

„Pax Porfiriana“ heißt auf deutsch „Der Frieden des Porfirio“ und ist, wie bei solchen Namen üblich, ein reinrassiges Kriegspiel. Es geht um Mexiko und den Diktator Porfirio Diaz, der um die letzte Jahrhundertwende (de facto ist es doch egal, um welches Jahrhundert es sich hier handelt) mit eiserner Hand das Land regierte, bis er in einer Revolution gestürzt wurde.

Wir sind Großgrundbesitzer, kaufen und bebauen Land, erhöhen seine Fruchtbarkeit, verbessern seine Transportwege, schützen es gegen Rebellion oder rebellieren selber dagegen, und bekämpfen ausgebrochende Revolten. Das Ganze wird über offen ausliegende Aktionskarten gesteuert, von denen wir uns pro Zug eine aussuchen dürfen: die Karten am unteren Ende kosten nichts, nach oben hin, dorthin, wo neue Karten nachgelegt werden, steigt der Preis in der Potenz von Zwei. Die Karteneffekte sind einigermaßen von gleicher Größenordnung, so dass man selten bei den teueren Regionen zugreifen muss; man kann in der Regel abwarten, bis eine Karte von selber billiger geworden ist.

Außer den Land-Kauf-Angreif-Schutz-und-Befreiungs-Karten gibt es individuelle Raub- und Zerstörungskarten (mit einer gewissen political correctness „bandits, INDIANs und strikers“ genannt), die fremdes Hab und Gut in unsere eigenen Hände bringen können (oder umgekehrt), und es gibt globale Ereigniskarten, die allen Spielern gemeinsam Schaden (meist) oder Nutzen (selten) bringen.

Schaden und Nutzen ist nicht immer eindeutig zu erkennen. Wer z.B. von fremden Revolutionären an seinem Einkommen geschädigt wurde, erhält im Gegenzug dafür „Revolutionspunkte“, die er bei politischer „Anarchie“ für seinen Sieg geltend machen kann. Banditen, Streikende und anderes Gesindel verpassen uns als Nebeneffekt „Empörungspunkte“, die wir im Falle einer „US Invasion“ zu unserem Gunsten einreichen können. Banken, Investoren und Monopolisten teilen „Loyalitätspunkte“ aus, die von der „Friedensregierung“ des Diktators Diaz persönlich honoriert werden. Regierungs- und Rebellionstruppen bringen „Kommandopunkte“ ein, die uns im Falle von „Kriegrecht“ punkten lassen.

Und wie gewinnt man das Spiel? Wer eine der vier, gegen Spielende auftauchenden Aufruhrkarten kaufen kann, und dann, abhängig von der Regierungsform „Anarchie“, „US Invasion“, „Pax Porfiriana“ oder „Kriegrecht“ in den Kategorien „Revolution“, „Empörung“, „Loyalität“ oder „Kommando“ mindestens drei Prestigepunkte mehr besitzt als in Summe die beiden Mitspieler mit den wenigsten Punkten in dieser Kategorie, der beendet das Spiel als sofortiger Sieger. Sind alle vier Aufruhrkarten durch das Spiel geschleust worden, ohne dass es zu einem Sieger gekommen ist, so gewinn der Spieler mit dem meisten Geld.

Das Spiel ist sauber komponiert und sauber ausbalanciert. Jeder gegen jeden, alle gegen einen. Viel Handlungsfreiheit, viel Chaos, viel Planbarkeit. Nicht ganz so viel Durchsetzbarkeit. Es gibt immer etwas zu tun, immer ein vages Ziel, immer eine Hoffnung, trotz vielen Aufs und Abs keinen einzigen spielerischen Engpass. Wer in einem Zug alle seine Mittel verpulvert hat, kann immerhin noch kostenlos spekulieren.

Wir lernen eine Menge über die Geschichte Lateinamerikas. Wir erfahren, dass Teddy Roosevelt, Cousins fünften Grades vom Franklin D. Roosevelt, im Jahre 1910 die US Invasion befahlt, um die „chronischen Rechtsverletzungen“ in Mexiko zu beenden. Und wir erfahren, dass die Katholische Kirche, personifiziert durch den Erzbischof Eulogio Gregorio Clemente Gillow y Zavalza, die Arbeiterbewegung und somit indirekt die Revolution unterstützte.

Wir erfahren noch 220 weitere Details aus dem politischen Leben des vorrevolutionären Mexiko, denn aus soviel Karten besteht “Pax Porfiriana”. Alle mit eigenem Text und eigenen Effekten. Und wenn wir alle studiert, verstanden, gemerkt und verinnerlicht haben, können wir noch mehr planen und vielleicht sogar noch mehr durchsetzen. Aber vielleicht ist das gar nicht das Ziel des Spiels. Drei Stunden lang aufbauen und zerstören, sammeln und zerstreuen, Mehrheiten suchen und verhindern : das ist Sinn und Zweck des Spiel.

Sein einziges Problem heute war bei uns, dass Peter eigentlich etwas „Klassisches“ wollte und Moritz eigentlich nur ein kleines Kartenspiel auf den Tisch gelegt hatte. Dass Walter daneben noch sein Privat-Problem hatte, nämlich weder fähig noch lustig war, sich auf 220 verschiedenen Spielkarten einen Reim zu machen, dass ihm schon nach dem dritten Zug die Lust am Spiel vergangen war, als Günther Rebellentruppen auf sein einziges Grundstück schickte, so dass er fünf Runden lang nichts anderes zu tun hatte, als diese wieder los zu werden, und dass der – ansonsten vorzüglich vorbereitete – Moritz die wichtige Regel übersehen hat, nämlich dass jeder Spieler auch ohne ein funktionierendes Grundstück pro Runde Einkommen erhält, das ist eine andere Geschichte. Walters Stimmung wurde nur leicht gehoben, so dass er sich ohne mentale Frustationsbefleckung die drei Stunden bis zum Ende durchschleppen konnte, als er im anarchistischen Mittelspiel UNVERSEHENS um ein Haar als Rebellenführer zum Sieger gekürt worden wäre.

WPG-Wertung: Günther: 5 (gewaltige Einschränkung schon vom Handling der vielen verschiedenen Karten her), Moritz: 8 (da steckt wahnsinnig viel drin, alles in eine so kleine Schachtel gebracht, reifes Design, Preis-Leistung stimmt), Peter: 6 (es hat was, nette Idee, dass böse Karten gute Effekte haben, leider zu lang und nichts von dem gewünschten Klassischen“), Walter: 5 (für langweilende Kriegsspieler ein vorzüglicher Zeitvertreib).

2. “Der Turmbau zu Babel”

Jetzt bekam Peter endlich seinen Klassiker. Vor zwölf Jahren vom Großmeister Reiner Knizia quasi als letztes seiner Spiele für Erwachsene erfunden und bei Hans-im-Glück herausgebracht. Das elfte „Spiel des Monats“ in unserer langen WPG-Geschichte.

Wir feilschen um Baurechte und Baubeteiligung an den sieben bis acht Weltwundern der Antike. Wir helfen unseren Mitspielern bei der Vollendung eines Bauabschnittes, und wir lassen sie dabei zuweilen auch im Regen stehen. Hilfsangebote sind gut, abgelehnte Hilfsangebote sind ebenfalls gut. Alles ist gut.

Alles ist rund, alles ist ausbalanciert, alles ist Knizia. Zu mehr Informationen verweise ich auf unseren Session-Report vom 30. März 2005.

Keine neue WPG-Wertung für ein glattes 7-Punkte Spiel. Walter überlegte kurz, einfach um den Alterstrend zu stoppen, seine bisherigen 6 Punkte auf 7 aufzustocken. Aber dafür fehlt ihm in Babylon mindestens noch eine Hure.

3. “Bluff”

Günther stand mit 2:1-Würfeln gegen Walter im Endspiel und bekam die – offensichtlich blind gewählte – Standardvorgabe einmal die Vier vorgesetzt. Nach längerem, sicherlich nicht von Bluff-Gedanken bestimmtem Überlegen setzte er auf zweimal die Drei.

Welche Würfel hatte er unter seinem Becher, wenn er damit die GEWINNchancen seines Gegners von unter 50 Prozent auf – in erster Näherung – zwei Drittel anhob?

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

05.08.2015: Looping mit dem Drachen

„Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen“, sagte schon Goethe. Sagt doch mal selbst, Ihr nordischen Teutonen, geht Euch dieses „geile“ Sommerwetter nicht auch schon längst auf den Keks? Für den Balaton, wo mich ab morgen die Urlaubssonne bescheint, zeigt der Wetterbericht ununterbrochen bis zum bitteren Ende 33 bis 35 Grad im Schatten an. Ohne ein einziges Wölkchen, ohne einen einzigen Tropfen Regen. Hoffentlich wird der Plattensee in dieser Zeit nicht total platt …

Kein Bock zum Denken, Lesen oder Session-Report-Schreiben. Nur der anstehende Urlaub zwingt mich jetzt an die Computer-Tasten. Da freut man sich doch schon auf den Winter. Oder wenigstens auf den Herbst. Auf das Oktoberfest. Das glücklicherweise ja schon im September beginnt. Nur noch vierzig mal schlafen …

1. “Looping Louie”

Freudestrahlende Gesichter beim „Looping Louie“
Freudestrahlende Gesichter beim „Looping Louie“
Vor drei Monaten stand es schon auf dem Tisch, als die Westpark-Gamers bei Moritz im Glockenbackviertel antraten und zunächst mal „Spielen mit dem Nachwuchs“ auf dem Programm stand. (Günther konnte sich heute an gar nichts mehr erinnern!)

Ein batteriegetriebener Mechanismus dreht ein Flugzeug an einer Stange im Kreis. Wenn seine Flugbahn unsere Lebensscheiben kreuzt, fallen sie um – eine nach der anderen. Wenn unsere letzte umgefallen ist, sind wir ausgeschieden.

Heute spielten wir die „Turnierversion“: Wir scheiden nicht aus, wenn unsere drei Lebensscheiben umgefallen sind, sondern wir spielen mehrere Runden bis zur letzten Scheibe des letzten Mitspielers. Wer jeweils als Letzter übrig geblieben ist, muss eine Lebensscheibe abgeben und tritt die nächste Runde mit einer Scheibe weniger an. Wer es schafft, mit einer einzigen, letzten Scheibe in die Runde zu gehen und gegen die ggf. mehreren Scheiben aller Mitspieler zu überleben, hat gewonnen.

Wie kann man sein Überleben beeinflussen? Sehr hübsch: In die Bahn des kreisenden Flugzeuges ist für jeden Spieler eine Wippe eingebaut; wer hier zum richtigen Zeitpunkt draufdrückt, schnellt das Flugzeug hoch in die Luft und weit weg von seinen zu beschützenden Lebensscheiben. Wenn das Flugzeug dann auch noch im unmittelbar anschließenden Sturzflug direkt und unvermeidbar die Lebensscheibe eines Mitspieler mit sich mitreißt, dann hat sich das Aufstehen gelohnt. „Da lachen ja die Hühner“ steht zu Recht auf der Schachtel.

“Looping Louie” von Hasbro ist ein tolles Spiel, überall nur Bestnoten.

  • Es bietet einen ganz neuen, ungewöhnlichen Spielablauf.
  • Die Regeln sind schnell erklärt und verstanden.
  • Es kann ohne jegliche Genusseinbuße von 1 bis 4 Spielern skaliert werden.
  • Eine Runde ist blitzschnell gespielt, ein Turnier kann aber problemlos auch zu einem abendfüllenden Programm ausgedehnt werden.
  • Interaktion ist ganz groß geschrieben.
  • Es kann sowohl kompetitiv als auch kooperativ gespielt werden, alles sowohl hintereinander als auch gleichzeitig.
  • Das Spielmaterial ist gefällig und solide.
  • Das Thema ist überzeugend und keineswegs aufgepfropft.

Eigentlich müsste man nach unserer Skala hier 11 Punkte vergeben. Ganz ohne Risiko gibt der Verlag eine „Geld-zurück-Garantie“ : Wer innerhalb von zwei Wochen nach dem Kauf dieses Spiel zurücksendet, erhält anstandslos Kaufpreis und Rücksende-Porto ersetzt. Das sollen mal die heute marktüblichen Spiele nachmachen können!

WPG-Wertung: Aaron: 8 (1 Punkt mehr als letztes Mal), Günther: 8 (2 Punkte mehr!), Peter: 7, Walter: 7.

Das Spiel wird morgen die Reise zum Balaton mitmachen. Es ist eine geniale Alternative zum üblichen „tocado y hundido“ mit meinem katalanischen Schwiegersohn!

2. “Dragonscroll”

Zoologie a la "Dragonscroll"
Zoologie a la “Dragonscroll”
Schon vor einem halben Jahr im Glockenbachviertel gespielt, haben wir damals die WPG-Noten vergessen. Auch dieses Spiel ist von höchstem Reiz, wenn man es nachts spielt, und zwar nicht „in der Gluthitze von Walters Dachgeschoss“ sondern auf der lindwarmen Terrasse, wo das laute Gelächter und Geschrei den linken Nachbarn nicht stört, weil der von unserer Männerrunde fasziniert ist, den rechten Nachbarn nicht stört, weil der in Urlaub ist, und nur den überrechten Nachbarn stört, aber soviel Toleranz muss sein …

Wir bauen Stück für Stück unsere Märchenwelt auf, lassen darauf Orks, Zauberer, Ritter, Zwerge, Elfen und Ziegen entstehen, Töten die Bösen, Fressen die Guten und erweitern unsere Fähigkeiten zu mehr Töten; mehr Fressen können wir ohnehin. Wenn die vollständige Märchenwelt entstanden ist, hat der Spieler mit der größten Potenz gewonnen.

Eine Besonderheit des Spiels ist der wunderbare Feuerturm, mit dem wir den Kampf gegen die Bösen bestreiten. Hier werfen wir eine an unseren individuellen Fortschritt angepasste Anzahl von Kugeln hinein, und je nachdem, auf welcher Seite sie wieder herauskommen, haben wir einen Ork, Zauberer, etc … getötet. Falls ein solches Vieh überhaupt in greifbarer Nähe stand.

Herausragende Eigenschaften des Spiels:

  • Die Figuren (wenigstens einige) sind äußerst liebevoll gestaltet, wie immer bei den Spielen von Fragor Games.
  • Die Einführung in die schottische Ziegologie ist höchst bemerkenswert.
  • Die topologische Orientierung über den rechten Weg zur linken Elfe – gerade heute im Zeitalter der GPS-Navigatoren – stellt für alle Mitspieler eine hübsche, spielerische Herausforderung dar.
  • Die Anforderungen an das statistische Grundwissen zur Berechnung der erforderlichen Feuerstärke sind enorm. Deshalb wird “Dragonscroll” auch erst ab 13 Jahre empfohlen.
  • Auch die geforderte feinmotorische Feinfühligkeit zum erfolgreichen Beschicken des Feuerturms zielt auf eine reifere Altersgruppe unter den Spielern. Kein Wunder, dass beim letzen Mal im Glockenbachviertel unser Milo gewonnen hat.
  • Die Freude über eigene erfolgreiche Kämpfe sowie die Schadenfreude über fremde nicht-erfolgreiche Kämpfe hallt weit über den übernächsten Nachbarn hinaus.
  • Durch einen mehr oder weniger eifrigen Ausbau der Märchenwelt hat jeder Spieler einen entscheidenden Einfluss auf das Spielende.
  • Das schreckliche, märchenhafte Thema ist meisterhaft umgesetzt.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (wegen der Figuren), Günther: 4 (wegen der Figuren, das Spiel reicht fast an „Colt-Express“ heran), Peter: 4 (wegen der Figuren), Walter: 4 (auch ohne die Figuren)

3. “Abluxxen”

Jedesmal ein Staunen über die faszinierenden Abläufe eines im Grunde doch recht simplen Spielprinzips. Heute positiv aufgefallen: die langsame, vorbereitende Kartenpflege in der Einleitung und die plötzlich explodierende Dynamik am Ende.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

4. “Worms”

Aaron steht mit seiner Neu-Entwicklung immer noch ziemlich am Anfang. Aktuell kämpft er mit dem Antagonismus zwischen Besitzstandswahrung und Übernahme-Freuden.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

Side by Side Quiz: Gewinner und Auflösung

Hier ist die Auflösung unseres Rätsels; war doch nicht so schwer, oder?

Side by Side Rätsellösung

Als Gewinner des Quadron-Holzpuzzles wurde Carsten Birkelbach unten den richtigen Einsendungen ausgelost. Herzlichen Glückwunsch!

Aufgrund der geringen Anzahl an Teilnehmern werden wir aber keine weitere Runde des Wettbewerbs durchführen.
Wem diese Art von Zahlenrätseln gefällt, findet auf meiner Homepage http://www.rosenbaum-games.de/sw/sidebyside/  50 weitere Aufgaben zum Ausdrucken und natürlich auch Infos zum Download der Handy/Tablet-App!

Weiterhin viel Spaß damit,

Günther

29.07.2015: Lustiges Regelraten auf der Akademie

1. “Eine gegen Eine”

Eine gegen eine - einer hat gewonnen!
Eine gegen eine – einer hat gewonnen!

Das Spiel ohne Anleitung!. Auf dem Titelblatt steht: „Findet gemeinsam heraus, wie dieses Spiel funktioniert“!

Aaron verteilte jedem Mitspieler einen verschlossenen Umschlag mit dem spezifischen Spielmaterial. Jeder stanzte zuerst seine vier verschiedenfarbigen Karten aus, auf denen Textfetzen zu erkennen waren, die unschwer zu einem Du hast gewonnen“ zusammengesetzt werden konnten. Danach faltete jeder – nicht ohne gewiss Unsicherheits-Skrupel – den restlichen Karton aus seinem Umschlag an den perforierten Stellen zu einem Kartenhalterbänkchen und steckte seine vier Textfetzen-Karten hier auf.

Auf dem Bänkchen gab es fünf Spalten mit den Überschriften „Ziehe“, „Lass dir geben“, „Verlange Farbe“, „Feilsche“ und „Stecke beliebig um“. Darunter stand jeweils „Wenn hier keine Karte steckt …“. Noch wusste keiner, wie es geht und weitergeht. Ein Schlüsselkärtchen, das reihum zum jeweils nächsten Spieler gegeben wird, brachte Klarheit. Hier geht der untere Spalten-Unter-Text weiter: „… dann führe die obige Aktion aus.“, von einem Mitspieler also aktiv eine Karten ziehen, sich passiv eine Karte geben lassen, von einem Mitspieler eine Karte einer bestimmten Farbe fordern, etc.

Danach, so steht es auf dem Schlüsselkärtchen: “Falls Du eine Karte bekommst, stecke sie an diesen Platz und gib dem Mitspieler eine andere Karte zurück.”

Aha, es geht also um eine Art Quartett. Moritz zog von Aaron eine Karte und gab ihm eine andere. Aaron tauschte mit Günther eine Karte, Günther zog von Walter eine Karte und Walter forderte – erfolgreich – von Moritz eine Farbe. Jetzt feilschte Moritz mit Günther eine Karte, bekam Grün gegen Gelb und – Günther hatte gewonnen! Er hatte in fast der kürzest möglichen Zeit seinen gelben Rätseltext „Du hast gewonnen“ zusammengeschustert.

Nochmals spielen, jetzt, wo man weiß, wie es geht? Nicht unmöglich, aber selbst herausforderndere Spiele habe das am Westpark selten geschafft.

„Eine gegen Eine“ gibt es tatsächlich zu kaufen. Was würden wir – juxhalber – dafür ausgeben wollen? Walter bot gutmütig 5 Euro, Moritz akzeptierte mit dem akademischen Abschlag von 50 Cent. Und was kostet es in Wirklichkeit? 7,50 Euro. Fast richtig geraten!

WPG-Wertung: Haben wir vor freudiger Überraschung über unsere blitzschnelle Entschlüsselung ganz vergessen. Von mir bekommt es 3 Punkte – als Kinderspiel!

“DR Congo”

Nein, wir wollten es nicht noch einmal spielen. In keiner Variante. Aber Aaron schlug vor, dass wir noch einmal herzhaft darüber streiten sollten. Was dann auch geschah. Kurz und herzhaft.

2. “Medieval Academy”

Wenn wir nur zwischen Skylla und Charybdis zu wählen hätten, würden wir unseren Freiheitsgrad nicht gerade hoch einschätzen. In der Größenordnung von Null. Gehupft wie gesprungen. Wer als stinknormaler Hetero zwischen einer göttlichen Jungfrau und einer teuflischen Hexe – die garantiert auch keine verzauberte Prinzessin ist – zu wählen hätte, würde sich vielleicht über diese Auswahl freuen, rein spielerisch ist der Freiheitsgrad allerdings ebenfalls in der Größenordnung von Null. Ein andere als die sofort einsichtige, einzig logische Wahl ist Unsinn.

Unter dieser Prämisse schauen wir uns jetzt mal die Freiheitsgrade in „Medieval Academy“ ein, ein Spiel, das am 18. März zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch lag und von vier Mitspieler mit ordentlichen 7 Punkten bewertet wurde, von Walter hingegen nur mit abfälligen 5 Punkten.

Nach einem – nicht ganz neuen – Auswahlverfahren bekommen wir fünf Karten in den sieben Farben pink, hellblau, dunkelblau, braun, rot, grün und grau auf die Hand. Auf den Karten sind Zahlen aufgedruckt, die angeben, wieviele Schritte wir mit unseren Markierungsmarkern auf zugehörigen pinken, hellblauen, …, grauen Turniertafeln vorwärts gehen dürfen, wenn wir eine solche Karte spielen. Fünf ist die höchste Zahl, zwei die niedrigste.

  • Wer nach sechs Runden auf der roten Tafel am weitesten gekommen ist, bekommt 17 Siegpunkte; der zweiweiteste bekommt 10 und der drittweiteste 4. Ein einziger, zu einem nicht unerheblichen Teil vom Zufall bestimmter Punkt entscheidet über 7 oder gar 13 Siegpunkte. Das hat zwar nichts mit Freiheitsgraden zu tun, aber geradlinig berechenbar ist das nicht. Es zeigt a priori, dass wir es hier mehr mit einem Glücksspiel als mit einem Denkerspiel zu tun haben. Das ist zwar kein Charakterfehler des Spiels, aber es zeigt seinen schon mal die Tendenzen in seinem Charakter an.
  • Wer nach sechs Runden auf der grauen Tafel hinten liegt, bekommt 10 Minuspunkte; wer an vorletzte Stelle liegt, bekommt 5 Minuspunkte. Hier kann ein einziger Punkt über eine Differenz von 5 bzw. 10 Siegpunkten entscheiden. Am besten rückt man hier überhaupt nicht vor, nimmt die Strafpunkte in Kauf und engagiert sich in den anderen Farben. Ja, wenn das farbenselektive Engagement nur so leicht wäre. Aber das kriegen wir später.
  • Wer innerhalb von drei Runden auf der dunkelblauen Tafel mindestens 6 Felder weit gekommen ist, bekommt 6 Siegpunkte; wer mindestens 12 Felder weit gekommen ist, bekommt 12 Siegpunkte. Jeder. Das ist rechtschaffen und überschaubar, zumindest wenn man die Anzahl und Wertigkeit der blauen Karten, die man innerhalb von drei Runden bekommt, vorhersehen kann. Das kann man zwar nicht, aber wegen 6 Siegpunkten wollen wir uns jetzt nicht streiten.
  • Auf der brauen Tafel bekommt der Letzte in jeder Runde 3 Strafpunkte und der Vorletzte 1 Strafpunkt. Das sind Kinkerlitzchen, als brauner Ignorant kann man maximal 18 Siegpunkte verlieren ist, das stört doch keinen großen Geist. Ein Engagement hier ist ein emotionsloses Abspielen der brauen Handkarten, sofern man welche unvermeidbar auf der Hand behalten musste.
  • Wer auf der pinken Tafel am weitesten vorwärts gekommen ist, darf am Ende jeder Runde auf einer beliebigen Tafel seinen Markierungsstein noch drei Felder weiter bewegen; der zweite darf noch zwei Felder und der dritte noch ein Feld vorwärts. Damit können die Positionen auf verschiedenen Tafeln nochmals ganz erheblich durcheinander gebracht werden. Oder auch nicht. Schlecht sind diese Nach-Torschluss-Beförderungen auf keinen Fall. Aber wieviel Potenz soll man hierhinein opfern? (Sofern man welche hat!)
  • Auf den beiden hellblauen Tafeln geht es in jeder zweiten Runde um 8, 5 bzw. 2 respektive um 5, 3 bzw. 1 Siegpunkte für die ersten drei Plätze. Nicht schlecht. Sogar noch einigermaßen gerecht. Hohe hellblaue Karten sind nicht zu verachten. Doch wie komme ich an sie heran?

Jetzt kommt mein Plädoyer für die nicht vorhandenen Freiheitsgrade in „Medieval Academy“:
Pro Runde erhält jeder Spieler zu Beginn fünf Handkarten zufällig ausgeteilt. Was einem das Schicksal hier zugedacht hat, liegt nicht in unserer Hand. Jungfrau oder Hexe – reiner Zufall. Dass ich die Jungfrau behalte, ist doch so klar wie Kloßbrühe. Freiheitsgrad Null.

Doch möge uns das Schicksal vor zu vielen Jungfrauen in unserer 5-Karten-Hand bewahren, denn vier dieser Karten müssen wir an unseren Nebenspieler abgeben und bekommen dafür vom anderen Nebenspieler ebenfalls vier Karten. Natürlich die schlechtesten von dessen Hand. Aber wenn wir Glück hatten, bekam der gebende Nebenspieler gleich am Anfang zwei (oder mehr) Jungfrauen und muss (mindestens) eine davon an uns abgeben.

Diese Prozedur geht weiter: Von unseren jetzigen fünf Handkarten geben wir drei Karten an unseren Nebenspieler, dann zwei und zum Schluß noch eine. Die Auswahl wird immer schlechter, Jungfrauen bekommen wir keine mehr, nur noch schlichte Teufelsweiber. Wer Optimist ist, sieht darin sogar noch einen Freiheitsgrad. Wer Pessimist ist – zumindest was die kritische Analsyse von sinnvollen Zugmöglichkeiten betrifft -, sieht darin keinen. Keine nennenswerten!

Beispiel einer Kartenausteilung:
Zu Beginn bekam ich heute zwei rote und zwei dunkelblaue Dreien und eine braune Vier. Was hättet Ihr davon behalten? Na klar, die braune Vier! Ist zwar keine Jungfrau, aber wo gibt’s die heute denn noch! Von Günther bekam ich im Gegenzug eine hellblaue Zwei und Drei, sowie einen braune und eine graue Drei. Auch nicht gerade Jungfrauen! Welche davon soll ich behalten? Ach lassen wir das. Es ist müßig, über die rationalen und irrationalen Überlegungen bei der Auswahl aus fast gleichen oder aus fast krass ungleichen Karten nachzudenken. Am Ende des Verteilungsprozesses hatte ich eine braune Vier, eine graue Drei und Vier, sowie eine rosa und eine hellblaue Drei auf der Hand. Welche Karte hättest Ihr davon als erste ausgespielt? Und welche, wenn Ihr Euch zu Beginn des Karten-Ausspielens darüber überhaupt Gedanken macht, hättet Ihr am Ende als nicht-zu-spielen in der Hand zurückbehalten vorgehabt?

Es gibt tatsächlich etwas zu überlegen. Manche Spieler halten sogar die Reihenfolge, in der sie ihre Karten spielen, für eine große taktische Leistung. Denn wer zuerst auf ein Feld kommt, und später darauf von einem nachziehenden Spieler bestiegen wird, liegt in der Siegpunkt-Vergabe hinter ihm. Doch wenn die eine Karte, die wir NICHT spielen wollen, fest liegt – und sie liegt im Großen und Ganzen fest -, dann sind die Endplätze, die wir am Ende einer Runde belegen, jetzt schon definiert. Und wenn wir demnach z.B. auf der roten Tafel unten liegen, so liegen wir auf der blauen Tafel oben. Oder umgekehrt. Alles liegt schon fest – und zwar keineswegs in unserer Hand. Die vielen Pseudofreiheiten, innerhalb der wir uns entscheiden dürfen, sind einzeln alle in der GRÖSSENORDNUNG von Null. Und in der Gesamtwirkung ebenfalls.

Das soll nicht heißen, dass „Medieval Academy“ kein hübsches Spiel ist. Für spielerisch veranlagte Leute, denen es Spaß macht, ihre Hoffnung auf 95% Glück und auf 5% Planung und Übersicht zu legen. Dazu gehöre ich leider nicht. Zumindest nicht wenn es sich um Skylla und Charybdis dreht.

Definition:
Eine Entscheidung, die eine einzige vernünftige Alternative beinhaltet, ist eine Null-Freiheitsgrad-Entscheidung!

Da gab es doch glatt einen Westpark-Gamer, der aufgrund dieser Defition das Skat-Spiel bei den Spielen mit Null-Freiheitsgrad einreihen möchte. Aber hallo! Im Skat kenne ich ALLE Karten, die ihm Spiel sind, nicht nur 15 von den 20 im Spiel, wobei von der Gesamtzahl von 52 Karten in „Medieval Academy“ 32 Stück erst gar nicht ins Spiel kommen. Von denen weiß ich auch nicht, ob sie in der nächsten Runde ins Spiel kommen.

Im Skat kann ich durch Reizung und Ausspiel die ersten Schlüsse auf die ungefähren Verteilungen meiner Mitspieler ziehen. Mit jedem weiteren Stich bekomme ich mehr Sicherheit über die exakten Verteilungen ALLER Hände, einschließlich der beiden Karten im Talon, und ich kann mein Abspiel darauf einstellen. Wer diesen grundsätzlichen Deduktionen beim 10-Handkarten-Skat mit dem läppischen 4-Karten-Spiel „Medieval Academy“ in einen Topf wirft, ist nichts anderes als ein Provokateur.

Keine neue WPG-Wertung für ein vier mal 7 Punkte und ein mal 5 Punkte Spiel.

3. “Poison”

Es war erst 21:30 Uhr, aber wir entschieden einmütig, nur noch „kleine“ Spiele zu spielen. Zuerst „Poison“. Von Knizia. Ein kleines Spiel von einem großen Meister Hübsch. Rund, schadenfreudig, viele Entscheidungen, gute und schlechte, immer spielerisch.

Keine neue WPG-Wertung für 8 Punkte Spiel.

4. “Abluxxen”

Noch ein kleines Superspiel. Von den Großmeistern Kiesling-Kramer. Ohne Fehl und Tadel. Aaron ließ einen Freudenseufzer los: „Ach was ist das für ein schönes Spiel!“ Womit er mal wieder recht hatte.

In der dritten Runde fotographierte Moritz nach der Kartenausteilung seine Kartenhand. Warum wohl? Super gut oder super schlecht? Hinterher konnte er demonstrieren: In den dreizehn Karten seiner Hand waren 12 verschiedene Zahlen. Kein Wunder, dass er damit keinen Pappenstil gewinnen konnte. Ganz im Gegenteil: drei Minuspunkte. In der Endwertung reichte es aber zum zweiten Platz hinter dem unangefochtenen Sieger Aaron.

Auch wenn „Abluxxen“ zu einem hohen Grad ein Glückspiel ist, so ist es doch stimmig, hat eine eigene Dynamik, eine progressie Spannung, bei jedem Zug einen hohen Freiheitsgrad und ist vor allem in jedem Augenblick lustig. Im Gegensatz zu so manchem anderen Kartenspiel.

Keine neue WPG-Wertung für 8 Punkte Spiel.

22.07.2015: Rebellion am Congo

Spielregeln sind falsch, wenn sie das Spielen verhindern. (Walter Ludin, Schweizer Journalist)

1. “DR Congo”

Theorie und Praxis in der „DR Congo“
Theorie und Praxis in der „DR Congo“

Letzte Woche haben wir uns von „DR Congo“ nur mit der Basisversion auseinandergesetzt, einer Suppe ohne Salz, wo wir konkurrierend aber brav und friedlich in den verschiedenen Provinzen des Kongo Industrien aufbauen, damit Geld machen, Städte entwickeln und schlussendlich aus unserem Gesamtbesitz an Mobilien und Immobilien unseren verdienten Anteil an Siegpunkten erhalten. Heute ging es um Salz und Pfeffer und die anderen Gewürze aus der Demokratischen Republik, die aus der faden Suppe noch ein peppiges Piri-Piri machen sollen.

Im Rebellionsspiel sind von Spielbeginn an alle Provinzen mit Rebellionen überzogen, die im Zustand „nicht unterdrückt“ jegliche zivilisatorische Bau- und Entwicklungstätigkeit verhindern. Wir müssen erst einmal „Friedenshüter“ dorthin ausschicken, um die Rebellion damit in den Zustand „unterdrückt“ zu bringen, bevor wir unsere Öltürme und Kohlegrube errichten dürfen. Und wir sollten früher oder später die Rebellen auch noch mittels ausreichend guten Würfel-Würfen siegreich bekämpfen, um ihre blockierende Wirkung total zu eliminieren.

Später erscheinen alle naslang in zufällig bestimmten Provinzen neue Rebellionen und binden aufs Neue Geld, Kräfte und Beweglichkeit der Spieler. Schwarze Rebellionen, aus political correctness heraus mittels grauen Aufständischen dargestellt, schlagen als Vorspiel sogleich los und murksen unsere Friedenshüter ab, wo sie nur welche zu Gesicht bekommen. Die weißen Rebellionen sind vergleichsweise harmlos, verhindern zwar den Entwicklungsfortschritt, sind aber deutlich leichter zu eliminieren und können durch einen einzigen passiven „Friedenshüter“ bereits im Zaume gehalten werden.

Im Regierungsspiel bieten wir um die drei Posten Innenminister, Verteidigungsminister und Finanzminister. Der Innenminister bekommt den öffentlichen Haushalt zugeteilt, darf daraus eine öffentliche Infrastruktur aufbauen (vorwiegend natürlich in der Region der Spielers, der ihn führt) und die Hälfte der so gemachten Kosten in die eigene Tasche stecken. Der Verteidigungsminister kontrolliert die Friedenshüter der Regierung, und kann so mithelfen, eine Rebellion zu unterdrücken bzw. die Rebellion vor der Haustüre eines Mitspielers weiterhin genüsslich schwelen zu lassen. Der Finanzminister dreht an den Preisen auf dem Markt.

Der Versteigerungsmechanismus der Regierungsämter ließ am Westpark eine halbstündige (!), teils erbittert geführte Diskussion um rechtes Regelverständnis entstehen. Der Regeltext dazu lautet: „Das erste Gebot ist immer automatisch das Höchstgebot. Um das Höchstgebot zu überbieten, muss ein Spieler dieses Gebot mindestens verdoppeln. Andernfalls kann jeder Spieler das Höchstgebot bliebig unterbieten …“

Der Sinn dieser Regelung ist, dass ein Spieler, der haarscharf kalkuliert hat, was ihm das höchste Regierungsamt wert ist, nicht mit einem läppischen Hunderter eines Mitspieler überboten wird; der Überbieter darf nicht kleckern, er muß schon klotzen.

Frage: Ist ein überbotenes Höchstgebot das neue Höchstgebot oder nicht? Wenn z.B. Walter als Startspieler 2000 Dollar hingeblättert hat und Moritz ihn mit 4000 Doller überboten hat, darf Aaron dann mit 4100 Dollar das nächste höhere Gebot abgeben, oder muss er mit 8000 Dollar wiederum verdoppeln?

Walter fing tatsächlich mit 2000 Dollar an, keiner wollte ihn überbieten, keine opferte 4000 Dollar für ein fragliches Regierungsamt, das ficht aber niemanden an, bei der Wahrheitsfindung über das Regelverständis eifrig mitzudiskutieren. Wie gesagt, eine geschlagene halbe Stunde lang! Aaron monierte hier auch noch eine Ungerechtigkeit im Bietprozess, nämlich dass sich Moritz – wie auch geschehen – mit 1900 Dollar den unangefochtenen zweiten Platz ersteigern konnte, während er und Günther hier zwangsläufig leer ausgehen mußten.

Heiß prallten die Meinungen aufeinander. Ist der zweite Platz bei den Regierungsämtern überhaupt 1900 Dollar wert? Sollten Aaron und Günther nicht froh sein, mit Null Dollar Einsatz und ganz ohne Regierungsamt davongekommen zu sein? Wechselt nicht ständig der Startspieler, so dass auch Aaron und Günther früher oder später in den Gemuß des jus primae licitationis (hi, Peter, richtig übersetzt?) kämen? Doch für die Wahrheit wurden schon ganze Völker ausgerottet; am Westpark wurden nur geschlagene 30 Minuten totgeschlagen. Und die Stimmung dabei ein bißchen aufgeheizt. Miesnickeliges Spiel ist bei uns ohnehin angesagt. Glücklicherweise bietet die „DR Congo“ nicht viele Angriffsflächen der Spieler untereinander, sonst wären heute die Fetzen geflogen …

Nach einer halben Stunde Regeleinführung, nach ständigem hartnäckigen Nachfragens bei vermeintlichem oder tatsächlich falschem Regelverständnis, und nach regelmäßigem, nahezu ununterbrochenem Nachstudierens des umfangreichen Regeltextes in Deutsch und Englisch waren wir nach drei Stunden Spielzeit mit der Hälfte des Spiels durch. Walter regte einen Spielabbruch an. Aaron enthielt sich der Stimme, Günther fand, dass wir jetzt sowieso nichts „Größeres“ mehr spielen konnten, und Moritz erkannte: „Jetzt läuft es doch gerade richtig an!“ Der Anlauf mit Nichts-Größerem setzte sich durch. Noch eine Runde, noch eine Stunde. Dann brachen wir „DR Congo“ trotzdem ab. Die vorletzte U-Bahn hupte bereits.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (unglückliche Mischung zwischen zuviel Strategielementen und Glückselementen), Günther: 5 (es ist interessanter als die Basisversion, doch durch das hinzugekommene Chaos wird das Spiel insgesamt nicht besser), Moritz: 7 (die Minister sind ein gutes Element, der Markt ebenfalls; die Rebellen sind blöd und können alles kaputtmachen; das Würfelsystem ist zu primitiv; er würde auch die Support-Karten weglassen), Walter: 5 (fand die Support-Karten gut, sie verleihen den planbaren Aktionen der Spielen eine gewisse Flexibilität, das Spiel enthält einige gute Ideen mit bewährte Mechanismen; das Rebellen-Prinzip liegt ihm aber überhaupt nicht, noch dazu hat es einen extremen Einfluss auf den Spielausgang; viel zu lang für die am Ende vollkommen vorhersehbare Entwicklung)

PS: Nach Redaktionsschluss für das Protokoll erreichte uns folgende Nachricht von Aaron:
„Nachdem wir [neben dem Fehler beim “Höchstgebot”] noch weitere Fehler gemacht haben, die vermutlich der Koagulation unserer Ganglien in der Gluthitze in Walters Dachgeschoss geschuldet sind, ziehe ich meine Wertung von gestern vorerst einmal zurück. … Ich möchte dem Spiel nicht Unrecht tun, auch wenn ich glaube, dass die Fehler nicht ausschlaggebend für meine schlechte Wertung sind.“

2. “Worms”

Worms,jpgNein, das ist nicht die Nibelungenstadt in der Pfalz, es ist auch keine Weiterentwicklung von Zochs „Heckmeck am Bratwurmeck“ (Gott bewahre!), es ist Aarons Arbeitstitel für eine neue Spielentwicklung. Aus den römischen Ziffern seines „Valeo“ sind auf unseren Spezialwürfeln jetzt bildliche Darstellungen von realen Wurmabschnitten geworden, und anstatt römische Zahlenwürmer zusammenzusetzen, setzen wir jetzt reale Würmer mit Kopf und Kragen zusammen. Wer den längsten hat, bekommt die meisten Siegpunkte. Natürlich gibt es einen Kampf um den Längsten und um den Besitzstand darin.

Kampf, Wertung, Profit, Quantität und Potential der Spielzüge: alles ist noch im Fluß. Hallo, Ihr Verlage, die Ihr schon mindestens zweimal aus bei uns skizzierten Spiel-Ideen oder Spiel-Titeln Anleihen genommen hat, bedient Euch. Noch ist nichts fertig, nichts patentiert und nichts veröffentlicht. Aber Potential ist in Aarons Würmern ausreichend vorhanden.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Zeugungsphase.

"Was lag auf den Tisch?"