23.04.2014: Sonnengott und Glasperlenspiel

Walter hat von seinem Sohn eine Eismaschine geerbt und probiert jeden Tag eine neue Rezeptur aus. Heute gab es „Walnussparfait“ nach einem Vorschlag von www.chefkoch.de. Es wurde auch gleich zur Einstimmung am Westpark serviert.

Doch Aaron kann man mit lucullischen Erzeugnissen nicht überraschen. Er kennt einfach alles. Seine feine Zunge verriet ihm auch sofort, dass die Walnüssen mit Hasennüssen verlängert worden waren. Und dass vorher ein Krokant daraus gekocht worden war.

Natürlich besitzt auch er eine Eismaschine. Und sein Lieblingseis ist Pistazieneis. Nach einer Kostprobe in Frankreich selbst nach-er-empfunden: u.a. Pistazien kleinhacken, in Milch auskochen, absieben – und das Abgesiebte dann wegwerfen! Die teuren Pistazien! Ja, was ein richtiger Gourmet-Koch ist, der wirft unheimlich viel weg. Eine tüchtige Hausfrau könnte davon noch eine zehnköpfige Familie ernähren …

Günther kämpft sich durch das Material der Glasstraße
Günther kämpft sich durch das Material der Glasstraße
1. “Die Glasstraße”
Günther hatte das Spiel schon letzte Woche angedroht. Zwar der übliche Rosenberg-Schinken (= „tausenderlei Materialien zum Umwandeln und Hochrüsten“), aber ein Kennenlernen sind diese gigantischen Konstruktionen allemal wert. Noch dazu wo „die Glasstraße“ bei BGG als Neuzugang praktisch aus dem Nichts heraus in höchste Wertungsebenen emporgestoßen ist. Einführungstrost für alle: „Die Glasstraße“ ist ein „minimalistischer (+) Rosenberg (-)“, d.h. die relative Zurückhaltung in der gewohnt üppigen Ausstattung macht das Spiel auch für uns noch genießbar.

Jeder Spieler bekommt ein Landschaftstableau mit sehr viel Urwald und ein bißchen Nutzfläche in Form von Sandgruben, Tümpeln und Büschen. Der Wald muss gerodet und ebenfalls in Nutzfläche umgewandelt werden. Die Nutzfläche liefert Erträge, als da sind: Lehm, Holz, Kohle, Wasser und Nahrung. Wenn genügend davon beisammen ist, muss man daraus Glas herstellen oder Ziegel brennen. Mit diesen Materialen errichtet man schließlich Gebäude, die sich am Ende in Siegpunkte auszahlen.

Unsere Aktionen wählen wir in Form von Berufskarten aus einem für alle Spieler identischen Handset aus. Z.B. gewinnt der „Brandroder“ aus dem Urwald Holz und Nahrung, und der „Muldenarbeiter“ wandelt ein gerodetes freies Feld in eine Sandgrube um und gewinnt aus jeder bereits vorhandenen Sandgrube wahlweise Sand oder Lehm. Aus fünfzehn Berufen besteht das Handset. Fünf Berufskarten davon dürfen wir pro Runde vorauswählen, von diesen aber nur drei nutzen. Die anderen vorausgewählten Berufe treten nur dann in Aktion, wenn ein Mitspieler zufällig den gleiche Beruf ausgewählt hat und ausspielt. Dann partitionieren (!) wir an seinem Zug und schmälern gleichzeitig den Nutzeffekt des Mitspielers. Ein gewollter Zufallseinfluß! Gut oder schlecht, das ist hier die Frage! Ohne diesen Mechanismus wäre die „Glasstraße“ ein dröges Optimierungsspiel. Mit diesem Mechanismus ist es ein unberechenbares Optimierungsspiel. Verschlimmbesserung?

Sehr geistreich sind die Resourcen-Rondells konstruiert, nach denen man Primär-Rohstoffe in die veredelten Rohstoffe Ziegel und Glas verwandeln kann (oder muss!). Die Rohstoffe liegen innerhalb zweier ziffernblattartiger Kreise. Je zwei Zeiger teilen jedes Ziffernblatt in zwei Sektoren. In dem einem Sektor befinden sind sich die Zählmarker für die Rohstoffe, im anderen die für die Edelstoffe. Kommt eine Rohstoffeinheit hinzu, so wird der entsprechende Zählmarker im Uhrzeigersinn vorwärts geschoben; wird eine Rohstoffeinheit verbraucht, wird rückwärts gezogen. Sobald vom geringsten Rohstoff wenigstens eine Einheit vorhanden ist, muss der Sektorenzeiger weitergedreht werden. Dabei wird von jedem Rohstoff automatisch eine Einheit abgezogen, und vom Edelstoff kommt automatisch eine Einheit hinzu. Eine hübsche Idee. Schon allein sie ist für die Freaks unter den Spielern eine Anschaffung des Spiels wert.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (fast 8, die Spiellänge stimmt; etwas zu solitär, das Thema ist rein abstrakt; er konnte sich für die Zufälle bei der Berufszufall nicht erwärmen. [A.b.N: Wären es sonst wohl 10 Punkte geworden?]), Günther: 6 (fand das Glückselement eher lustig), Walter: 6 (sammeln und bauen, hoffen und leiden. Ein Nochmals-Spielen wäre rein zum Zeitvertreib).

Aaron gewann mit 21 Siegpunkten. Das zeigt, dass man hier mit jedem Punkt geizen muss. Frage an die erfahrenen Glasstraßer: Ist das jetzt normal“ oder haben wir in unseren vier Runden ungewöhnlich wenig Siegpunkte eingefahren?

2. “Helios”
Wir sind „Hohepriester“ in einer „entfernten Welt“ und suchen „Ruhm“ für einen „Eintrag in die Geschichtsbücher“. Na, wenn das kein konkretes Thema ist!

Wie in der „Glasstraße“ bekommt jeder Spieler ein Landschaftstableau, das er sukzessive mit Landschaftsplättchen ausbaut. Diemal sind die Plättchen aber nicht rechteckig sondern hexagonal. Die Erträge bestehen auch nicht aus Lehm, Holz oder Wasser, sondern aus grauen, grünen, blauen, braunen oder schwarzen Holzklötzchen. (Ehrlich gesagt, die abstrakten Farben gefallen mir hier mindestens genauso gut wie irgendwelche zusammengefaselten konkreten Begriffe.)

Mit den geernteten Holzklötzchen dürfen wir in einer Tempelstadt Tempel errichten, die unseren weiteren Landschaftsbau fördern, uns Mana (in Form von roten Plastik-Knöpfen) spenden, Siegpunkte einfahren und unseren Sonnenwagen auf Touren bringen.

Mit der Mana kaufen wir Personenkärtchen, die uns – nach Aktivierung über entsprechende Rohstoffzahlung – weitere Siegpunktquellen eröffnen. Beispielsweise bringt uns die „Prophetin“ am Ende für jedes Hexagon in unserem Landschaft zwei zusätzliche Siegpunkte ein. Eine wahre Feldsche Siegpunkt-Suppe im Kallenborn & Prinzschen Pelzmantel.

Und der Sonnenwagen? Das ist überhaupt die geilste Idee in „Helios“. Jeder Spieler hat einen Sonnenwagen (gelber Knopf), mit dem er um seinen Landschaftsgarten herumfahren kann. Jedes Landschaftsplättchen, das er dabei berührt, trägt Früchte. (Rohstoffe in den bereits genannten Farben). Hat der Sonnenwagen die Landschaft einmal umkreist – das geht natürlich schneller a) je größer seine Geschwindigkeit und b) je kleiner unser Garten ist -, gibt es ebenfalls Siegpunkte.

Die Aktionen der Spieler – Landschaftsbau, Tempelbau und Helios-Bewegung – sind nicht frei wählbar. Pro Runde wird von jeder Aktion eine begrenzte Anzahl freigegeben. Die Spieler greifen reihum zu. Und wenn eine bestimmte Aktion vergriffen ist, muss man sich – in dieser Runde – mit einer anderen begnügen. Das kann u.U. sehr peinlich werden, besonders wenn man seinen Sonnenwagen nicht mehr bewegen kann, so dass in dieser Runde keine Rohstoffe mehr nachwachsen.

Auch bei der Auswahl der farbigen Landschaftsplättchen herrscht große Konkurrenz. Jeder Farbe ist nur einmal vorhanden. Und da man für den Tempelbau bestimmte Farben vordringlich braucht, gibt es immer eine große Nachfrage nach den besonders einträglichen Farben. Dieses deutliche Interaktionselement ist aber eher defensiv als aggressiv: Es geht nicht darum, einem Mitspieler eine Aktion oder eine Farbe wegzuschnappen, man schielt nicht nach fremden Plänen, um sie zu durchkreuzen. Die Spielzüge haben eher zum Ziel, sich selber die unbedingt notwendige Aktionen für die eigene Weiterentwicklung abzusichern. Absolut familientauglich. Auch wenn das Spiel erst ab zehn Jahre empfohlen wird.

Walter suchte sein Glück als Speedy mit dem Sonnenwagen und ganz kleiner Landwirtschaft. Doch ohne ein Mindesteinkommen an Brot und Wein läßt sich nicht gut beten. Weit abgeschlagen wurde er Letzter. Günther ging sofort auf das Mana los, riß sich – mit Mana-Priorität – die besten Personenkarten unter den Nagel, und machte sich dann konsequent an den Ausbau seiner Latifundien. So wurde er mit 122 Siegpunkten Sieger vor Aaron mit 108 Punkten.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (einfaches rundes Spielchen, mit leider hunderttausend Siegpunktquellen und leider entsprechend umfangreichem Regelwerk), Günther: 7 (deutlich mehr Konkurrenz und Interaktion als beim Rosenberg), Walter: 7 (das Spiel ist schnell und funktioniert).

Frage am Rande: Warum heißt in „Helios“ der Sonnengott AHAU? Wäre MaKaMaPri (nach dem Autoren-Duo) nicht ein viel sinnigerer Name gewesen?

3. “Abluxxen”
Unsere Wahl zum „Spiel des Monats“ steht vor der Tür, und wir haben erst wenige Kandidaten zur Auswahl. Da sollten wir uns mit „Abluxxen“ (Spielbericht vom 1. April) doch noch mal einen der beiden Titelanwärter unter die Lupe nehmen.

Im ersten Spiel gab es eine üppige offene Auslage und keiner gönnte dem anderen das Nachziehen. Fast unbehelligt brachte jeder peut-a-peut seine Kartenhand im eigenen Auslage-Stapel unter. Aaron machte fertig und bekam 13 Siegpunkte; Günther und Walter hatten noch eine bzw. zwei Karten auf der Hand und bekamen entsprechend weniger.

Dann wurde uns allen bewußt, dass man nur dann gut punkten kann, wenn man die Anzahl seiner Handkarten systemmatisch erhöht. Und das geht nur durch Abluxxen: ein spannender Kampf um die höchsten und dicksten Kartenmultitupel begann. Höchstmaß an Interaktion. Bei jedem Zug, auch dem der Mitspieler, ist man involviert. Und der Glücksgöttin ist auch ein hübsches Plätzchen eingeräumt. Aber nach dem Gesetz der großen Zahl gleicht sich der Glückseinfluß früher oder später wieder aus. Wie beim Skat.

Aaron: „Das Spiel hat etwas von der Qualität von „6 nimmt“. Immerhin eines unsere beliebtesten Absacker-Spiele.

WPG-Wertung: Aaron, Günther und Walter erhöhten unisono ihre Wertungsnoten um einen Punkt auf je 8. Das nächste Spiel des Monats scheint gesichert.

Es lohnt sich offenbar doch, ein funktionierendes Spiel noch ein zweites Mal auf den Tisch zu bringen. Man kann dabei gelungene Details entdeckten, die einem beim ersten Mal schlichtwegs entgangen sind.

“El día de la bestia”

Ein Spiel von heute. Aber nicht auf dem Spieltisch am Westpark. “La Marca“ schrieb dazu im Internet:«Otra vez ellos, los alemanes. Otra vez él, Josep Guardiola. Otra vez el Bayern de Múnich, actual rey de Europa. »

Horst war deswegen extra zuhause geblieben, um am Fernseher die Bestie zubeißen zu sehen. Irgendwie war sie dann doch ziemlich zahnlos. Schaun wir mal, was am kommenden Dienstag passiert. Auch die Bayern tienen cojones. Hoffentlich.

17.04.2014: Frieden mit Robinson Caruso

Unsere Wertungsnoten für Spiele sind von Jahr zu Jahr schlechter geworden. Die beigefügte Graphik suggeriert zwar ein buntes Auf und Ab, aber die mathematische Umsetzung zeigt unisono eine abfallende Trend-Linie. Eine Ausnahme hier bildet lediglich Peter, aber der hat umständehalber zwei Jahre lang nahezu total pausiert.

WPG-WertungstrendSind unsere Noten schlechter geworden, weil wir älter geworden sind? Kritischer? Weil uns viele neue Spielideen zwangsläufig als „alte Hüte“ vorkommen müssen? Oder sind die Spiele, die Jahr für Jahr herauskommen, tatsächlich von Jahr zu Jahr schlechter geworden? Oder nur die Auswahl auf unserem Tisch?

Zweifellos gibt es in jedem Jahrgang gute und sehr gute Spiele. Aber offensichtlich ist es bei den heutigen Hilfsmitteln für Erfinder leichter geworden, ein Spiel auf den Markt zu bringen, auch wenn es weniger gut gelungen ist. Notfalls im Eigenverlag. Oder als Kickstarter. – Unter denen haben wir ja überhaupt noch kein akzeptabel gutes Spiel gefunden. Günther schrieb: ”Die Qualität des Spielemarktes wird leider verwässert durch eine Unmenge von mittelmäßigen Spielen.“ Und damit hat er zweifellos recht.

Lösung: Weniger spielen? Nur Top-Spiele vorknöpfen? (Aber wie findet man die?) Häufiger mal in die Schatztruhe der Vergangenheit zurückgreifen! Unsere lange Liste von den „Spielen-des-Monats“ könnte helfen.

1. “Robinson Crusoe”

Nach der Verlagsauskunft „einer der Spielehits der SPIEL in Essen 2012.“. Doch als kooperatives Solitärspiel – man kann es schon ab 1 Spieler spielen! – besitzt es gleich zwei Eigenschaften, die am Westpark ziemlich verpönt sind. Moritz hatte das Spiel schon im Vorfeld vorgeschlagen, und gleich gingen die Mail-Wogen hoch. Dem verzweifelten User-Feedback: „Habe das Spiel zu Weihnachten bekommen und wir verzweifeln dran. Zunächst einmal ist die Anleitung super kompliziert, aber da habe ich mich durchgekämpft, doch nun schaffen wir das 1. Szenario einfach nicht“ stellte Moritz eine ganze Latte von euphorirschen BGG-Wertungen entgegen:

  • The best co-op game I’ve ever played.
  • Incredible genial game!!!… wow
  • “Dream come true” game!
  • Und noch eine längere Phrase, hier nach der Google-Übersetzung zitiert:
    Viel Variabilität im Setup. Spielbar mit 1-4 und skaliert gut. Schwierige Koop-Spiel, wie es sein sollte. Jede Entscheidung, die Sie machen, ist wichtig (sic!). Geschichte entfaltet sich organisch und versteckt die Mechanik geschickt als jede mechanische Aspekt macht Sinn kontextuell. Erstaunlich Spiel!
Robinson und Caruso auf vertauschten Sitzplätzen
Robinson und Caruso auf vertauschten Sitzplätzen

Vier Stunden hatte sich Moritz auf die heutige Spieleinführung vorbereitet. Das wollten wir ihm honorieren.

Ein Schiffbruch wirft uns an Land und wir müssen uns gemeinsam aufraffen, um unsere Überlebenschancen zu wahren oder zu verbessern. Wir können und müssen:

  • das Land um uns herum erkunden, und dabei hoffen auf etwas Essbares zu stoßen, ohne gleich von wilden Tieren selber angefressen zu werden
  • peut a peut Werkzeuge finden oder erfinden, die uns im Existenzkampf gegen natürliche Unbilden Vorteile bringen.
  • Holz sammeln, einen unabdingbaren Energiespender für jeglichen zivilisatorischen Fortschritt.
  • unser Lager in neue und bessere Gegenden versetzen, es ausbauen und verstärken, um gegen wilde Tiere, Regen und Schnee und Ähnliches geschützt zu sein.

Pro Runde hat jeder Spieler zwei Aktionssteine, die er beliebig auf dem großen Tableau der Aktionsmöglichkeiten einsetzen kann. Setzt er beide Aktionen für eine einzige Aktion ein, darf er diese unbedingt ausführen. Setzt er nur einen Stein (und den zweiten Stein woanders hin), dann muss er noch würfeln, ob ihm die Aktion erlaubt ist. Mit 5/6 Wahrscheinlichkeit haben wir dabei Glück, allerdings handeln wir uns dabei mit einer fast genauso großen Wahrscheinlichkeit Verletzungen ein (nach ca. 12 Verletzungen ist der Ofen aus), und wir müssen weitere Problem-Karten in das Kartendeck einreihen, die uns im Laufe des Spiels das Leben immer schwerer machen.

Im Prinzip agiert jeder für sich, doch da es nur ein gemeinsames Schicksal gibt – alle gewinnen oder alle verlieren – so entspringen die Züge einer gemeinsamen Ratio. Ratschläge über beste Züge sind notwendig und selbstverständlich.

Reicht die Nahrung nicht für alle, so müssen einige hungern. Wer das im einzelnen ist, entscheidet die Solidarstrategie. Einem Dreiviertel-Verhungerten wird eher noch ein Brosam zugeteilt als einem nur Halbverhungerten. Ohne jede Widerrede! Auch setzen wir unsere individuellen Spezialkräfte als Koch oder Zimmermann (oder als was auch immer) jederzeit dafür ein, den Schwächsten am Leben zu erhalten. So eine ausgeprägte Selbstlosigkeit jeder für jeden hat es in 15 Jahren Westpark noch nie gegeben. Ein einträchtiger spannender Kampf aller miteinander gegen die Macht des Schicksal.

Doch eigentlich sind die jeweils nächsten Schritte ziemlich prädestiniert: Es gilt, mit allen Mitteln den Mangel an Nahrung und Holz zu überwinden. Und die Möglichkeiten dazu sind äußerst begrenzt. Zudem hat überall auch noch der Zufall ein Wörtchen mitzureden.

Peter war für ein Maximum an Aktionen, alle mit dem bekannten Risiko behaftet. Er drängte uns auch dazu, unsere eigenen Aktionen nach dem gleichen Gieskannenprinzip über das Aktionentableau zu verstreuen. Aaron war zwar nicht dabei, hatte uns aber sein Würfel-Pech überlassen. So förderten die Risiko-Aktion weit häufiger als vermutet eine Kalamität nach der anderen zutage. Drei Runden brauchten wir allein dazu, das Messer zu erfinden. Und die bösen Auswirkungen der Risiko-Würfe übten im Laufe des Spiels einen immer stärker werdenden Druck auf unsere nacktes Überleben aus: Tiere fressen unsere Nahrung weg, ein Lagerbrand vernichtet das gesammelte Holz oder eine Überschwemmung zwingt uns, das schönste Lager mit dem dicksten Zaun drumherum und den weichesten Teppichen drinherin zu verlassen und in einer unwirtlichen neuen Gegend die Zivilivation von Neuem zu versuchen.

Wir haben gewonnen, wenn wir alle überlebt haben, und es bis zur zehnten Runde schaffen, ein riesiges Lagerfeuer zu entfachen (, das von vorbeifahrenden Schiffen gesehen wird, so dass es an Land kommt und uns rettet). Hoffnungsvoll hatten wir Runde für Runde Nahrung gesammelt, tapfer alle wilden Tiere besiegt, eifrig Holz für das Lagerfeuer gesammelt, und unsere Werkzeugkiste gefüllt. Eis und Frost hätte uns nichts mehr anhaben können. Mit unseren Waffen hätten wir Elefanten jagen können und der Zaun um unser Lager hätte einer ganzen Division von Leoparden widerstanden. Doch wir hatten versäumt, unserem Lager ein schützendes Dach zu verpassen. Der Monsun trieb einen gewaltigen Platzregen her, vier gewürfelte Regenwolken brachten dreien von uns den Tod. Günther überlebte als einziger, schwer verwundet. Seine fleißig gehortete Entschlossenheit konnte er in der Pfeife rauchen.

WPG-Wertung: Günther: 5 (Adventure-Spiele sind nicht mein Fall), Moritz: 8 (zugegeben, es gibt eigentlich nur eine einzige gemeinsame Entscheidung, aber: die thematische Umsetzung ist äußerst gelungen; die Spieldesign-Entscheidungen machen alle Sinn), Peter: 8 (hat mir sehr gut gefallen: Würde ich sofort noch einmal spielen – bis ich es einmal geschafft habe, zu gewinnen), Walter: 5 (es ist allemal wert, so ein Spiel im WPG-Kreis kennenzulernen; der Zufallseinfluß ist in die Überlebensplanungen gut integriert; die jeweils notwendigen Züge zum Überlegen sind allerdings recht einsichtig (= trivial)).

Abschließender Kommentar von Peter: „Solitätspiele haben die Eigenschaft, dass man sie nur solange spielt, bis man das Problem gelöst hat.“ Dazu drei Anmerkungen:

1) Es soll Leute geben, die eine einmal gefundene Lösung immer wieder wiederholen. Wie es die Goldhamster im Käfig vormachen!
2) „Robinson Crusoe“ ist mit unendlich vielen unterschiedlichen Szenarien üppig ausgestattet; da kann sich jeder jeden Tag einer neuen Herausforderung stellen.
3) Am Westpark werden Spiele in der Regel eh’ nur einmal gespielt, da ist es dann egal, ob man eine Lösung gefunden hat oder nicht.

2. “Pax”
Günther war in den zwei Stunden bis Mitternacht noch für ein weiteres Monster-Solitärspiel aufgelegt. Er hatte Uwe Rosenbergs „Die Glasstrasse“ auch schon aus seiner Tasche ausgepackt. Doch die allgemeine Stimmung war bereits auf Vor-Absacker eingestellt. Peter kramte „Pax“ von Bernd Eisenstein aus dem Regal hervor. Vor vier Jahren waren wir hier als Tester involviert gewesen. Am 18. Dezember 2011 lag das fertige Spiel dann zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch. Doch für Moritz und Peter war das Spiel noch unbekannt.

Seltsamerweise scheuten sich alle „Bekannten“, die Regeln vorzutragen. Der Wust von inneren Abhängigkeiten sollte ja nicht einfach runtergelesen, sondern merkbar und verständlich dargelegt werden. Neuling Peter durfte dies dann aus dem Stegreif tun. Sein didaktisches Talent ist einfach unerreicht. Auch wenn Bernd es nicht so leicht gemacht hat, die im Prinzip einfachen Mechanismen auch einfach rüber zubringen.

Wir ziehen reihum Karten zu sieben verschiedenen Kategorien vom einem verdeckten Stapel und nehmen sie entweder auf die Hand oder legen sie offen beliebig an einen der fünf öffentlich ausliegenden Stapeln an. Auf die Hand nehmen ist immer gut. Auf die öffentlichen Stapeln legt man sie nur aus taktischen Gründen: Nach dem Karten-Ziehen darf sich der Spieler, der am Zug ist, auch noch alle Karten eines Stapels kaufen. Und je mehr Karten dort liegen, desto teurer wird das, so dass sich die nachfolgenden Spieler einen Stapel mit begehrten Karten-Kategorien bei dem grundsätzlich knappen Geld schon bald nicht leisten können.

Als letzte Aktion eines Zuges legen wir Karten aus unserer Hand nach Kategorien sortiert offen vor uns ab, jeder in seine eigene private Kartenauslage. Beliebig viele Karten. Allerdings wird das umso teurer, je mehr Karten wir auf einen Schlag ablegen. Quadratische Progression. Anschließend bekommen wir eine Rückvergütung, abhängig von der Anzahl der Karten in unserer Lieblingskategorie.

Beim Auslegen sind bestimmte Bedingungen einzuhalten: „Armeen“ und „Flotten“ dürfen nur abgelegt werden, wenn man bereits eine entsprechende Anzahl „Land“-Karten vor sich abgelegt hat. Wer einen „Senator“ legt, bekommt erhöhte Einnahmen. Wer eine „Intrige“ legt, bekommt gar nichts. Allerdings wird der Spieler mit den meisten ausliegenden Intrigenkarten Startspieler. Und er gewinnt, wenn das gemeine Rom am Ende nicht genügend eigene Kategorien-Karten ausliegen hat.

Eine ganze Reihe gegenläufiger Interessen müssen in dem sehr abstrakten Ablagemechanismus unter einen Hut gebracht werden. Karten

  • auf die Hand nehmen, oder nicht?
  • auf den öffentlichen Stapel ablegen? Auf welchen?
  • vom öffentliche Stapel kaufen? Welchen Stapel? Kosten-Nutzen-Relation.
  • von der Hand in die private Ablage legen? Welche? Wieviele?

Das A und O ist die private Ablage. Hier in der richtigen Dosierung vom Zufall begünstigt die richtigen Karten zu ziehen macht (leider) den Sieg aus. Nicht unbedingt planbar. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Und schnell geht das Ganze ohnehin.

Günther wollte zuerst in die Rolle des Intriganten schlüpfen und Rom gegen den Rest der Welt gewinnen lassen. Dann zog Peter in einem einzigen Schwung drei Intriganten nach und übernahm mit Wohlgefallen die Rolle des Primus Conspiratus. Doch in der schnellen Runde mit 4 Spielern hatte Rom keine Chance, die geforderte Dominanz zu erreichen. Den „normalen“ Sieg erzielte der Spieler mit der am besten bewerteten Auslage. Das war Günther. Haushoch. Warum auch immer.

WPG-Wertung: Peter: 4 (Die Sonder-Mechanismen greifen nicht; Die Vorteile der verschiedenen Karten-Kategorien können – mangels Masse – kaum genutzt werden), Moritz: 5 (ein lockeres Kartenspiel, in einer 4er Runde leider etwas zu kurz, man bräuchte doppelt so viele Karten). Günther und Walter blieben bei ihren Noten von 6 bzw. 7 Punkten. Für die außergewöhnliche Ablagetechnik. Und in memoriam der erfolgreichen 3er Runden.

3. “Bluff”

Günther stand mit 3 Würfeln im Endspiel gegen Moritz mit 2 Würfeln. Seine Vorgabe von 2 mal die Fünf war statistisch gesehen auf der sicheren Seite. Moritz hob ohne nachzuwürfeln auf 3 mal die Fünf. Dieser starke Tobak hätte selbst Günther von seinem Dreispänner geholt: beide hatten geblufft, keine einzige Fünf war unter den beiden Bechern.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

09.04.2014: Denken, Husten und Stechen

Bridge ist ein Stichkartenspiel wie viele andere. Ein wesentlicher Unterschied zu allen anderen Stichkartenspielen besteht darin, dass man den ganzen Abend mit einem festen Partner zusammenspielt. Die Stiche zählen nur gemeinsam und entsprechend reizt man nicht ausschließlich sein eigenes Blatt reizt, sondern man muss partnerorientiert vorgehen, um den Kontrakt zu finden, der zur unbekannten Kartenhand des Partners am besten passt.

Natürlich wäre es hilfreich, durch Grimassen oder Gesten a la „Watten“ dem Partner Hinweise über die Besonderheiten in der eigenen Kartenhand zu geben. Doch das ist strengstens verboten. Und damit sich auch betrügerische Naturen unter den Spielern an dieses Gesetz halten müssen, werden bei bedeutenderen Turnieren Sichtschirme quer über die Spieltische aufgestellt, so dass die jeweiligen Partner auf getrennten Seiten sitzen, sich nicht sehen und dementsprechend keine versteckten Signale austauschen können.

Jetzt wurden zwei Bridgespieler, „the German Doctors“ Elinescu und Wladow, Senioren-Weltmeister des Jahres 2013, vom Welt-Bridge-Verband überführt, sich über die Sichtschirme hinweg geheime Informationen zu den Kartenverteilungen übermittelt zu haben: durch HUSTEN! Einmal Husten bedeutet eine Kürze in Kreuz, zweimal Husten eine Kürze in Karo usw. … Offensichtlich reichte dieser geringe zusätzliche Informationsaustausch dafür aus, Weltmeister zu werden.

Ein Entsetzensschrei geht durch die Bridge-Welt. Man kann es noch gar nicht fassen! Ist der Husten-Code – mittels Video-Aufzeichnungen bei mehr als 20 Austeilungen dokumentiert – zweifelsfrei nachgewiesen oder doch nur Zufall? Der Welt-Bridge-Verband ist sich sicher. Letzte Woche wurden die beiden in erster Instanz für internationale Turniere lebenslänglich gesperrt. http://neapolitanclub.altervista.org/wp-content/uploads/2014/03/Hearing21-22March2014.pdf. Der Deutsche Bridge Verband ist aufgerufen, dieses Urteil unverzüglich für den nationalen Bereich zu übernehmen.

Wie schrieben wir noch ganz naiv vor vier Wochen in unseren Session-Report: „Bevor ich so bin wie Du, bin ich lieber zweiter Sieger!“

1. “UGO!”

Ein Stichkartenspiel. Fünf Kartenfarben mit Zahlen zwischen 0 und 8. Man muss bedienen. Die höchste Zahl bekommt den Stich. So weit so gut.

Jeder Spieler sortiert die pro Stich gemachten Karten und legt sie offen auf (maximal) fünf Farbstapeln („Königreiche“ genannt) vor sich aus. Die Karten der nachfolgenden Stiche können zwar in sich beliebig geordnet werden, doch sie müssen immer oben auf die bereits ausliegenden gleichfarbigen Königreiche draufgelegt werden. Z.B. müsste eine in einem späteren Stich gewonnene rote Null auf eine vorher gewonnene rote Acht gelegt werden. Warum ist das von Bedeutung? Weil am Ende ausschließlich die obersten Zahlen in jedem Königreich als Siegpunkte gewertet werden.

Die ersten beiden Königreiche zählen hierbei grundsätzlich positiv, die weiteren drei Königreiche liefern zunächst mal Minuspunkte, falls dort eine gewonnene Karte liegt: sogar gleich ganze 10, 15 bzw 20 Stück davon! Erst durch das Platzierung einer Anzahl von Bauern in den negativen Königreichen bringen hier liegende Karten Pluspunkte ein. Dementsprechend muss man im Laufe eines Spieles unbedingt zwei, fünf oder mehr „Bauern“ gewinnen, um die hohen Minuspunkt-Zuteilungen zu verhindern.

Und wie gewinnt man Bauern? Das ist die eigentliche geniale Idee des Spieles. Wer einen Stich mit einer Drei oder Vier gewinnt, bekommt zwei Bauern. Wer einen Stich mit der fünf, sechs oder sieben gewinnt, bekommt einen Bauern. Wer eine Eins oder Zwei ausspielt und ein andere Spieler bekommt den Stich (was bei diesen Zahlenwerten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Fall sein dürfte), bekommt keinen, einen oder zwei Bauern, je nachdem ob der Stich mit der gleichen Farbe gewonnen wurde oder mit einer anderen.

Durch diese Technik erhält jede der Zahlenkarten 0 bis 8 eine eigene, und durchaus spannende Bedeutung: Mit hohen Karten kann (manchmal auch „muss“) man Stiche machen. Sie bringen in den positiven Königreichen auch entsprechend viele Siegpunkte. Die niedrigen Karten sind Laviermasse. Wenn man sie nicht zwangsweise zum „falschen“ Stich zugeben muss, bringen sie garantierte Bauern. Zudem können sie einem Mitspieler ein hochgerüstetes Königreich versauen. Die mittleren Karten sind Hoffnungsträger. Sie können Bauern einbringen, aber nur mit etwas Glück: Glück in der gesamten Kartenausteilung und Glück in der Reihenfolge, wie zu den einzelnen Stichen ausgespielt wird.

In jedem Fall eine neue, hübsche Spielidee.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (extrem glückslastig durch die Quantensprünge in der Punktwertung), Günther: 6, Moritz: 5 (man trifft keine spannenden Entscheidungen), Walter: 6 (lockeres Glücksspiel mit erträumbarer Planbarkeit).

Bau-Szenerie von "Trains" - wer sieht die Gleise liegen?
Bau-Szenerie von “Trains” – wer sieht die Gleise liegen?

2. “Trains”
„Dominion für Eisenbahnfreunde“ kündete Günther das Spiel an.

Jeder Spieler bekommt ein Kartendeck, von dem er pro Zug jeweils fünf Karten – zufällig und wrap-around gezogen – nutzen kann.

Es gibt „Baukarten“ (Gleisbau, Brückenbau, Bahnhofsbau), die eine entsprechende Bau-Aktion erlauben, Geld-Karten (die hier seltsamerweise „Zug“-Karten heißen: Regionalzug, Fernzug, etc.), mit denen man seine Bau-Aktionen bezahlen muss, oder mit denen man Karten aus einer offenen Auslage zur Erweiterung seines Kartendeckes kaufen kann – bessere Züge, Sonderkarten für Siegpunkte und Kartenpflege und ähnliches – und die nachgekauften Sonderkarten, z B. eine Mülldeponie, mit der man Nieten aus seinem Kartendeck entfernen kann.

Wie kommen die „Nieten“ auf die Hand? Jede Bau-Aktion erzeugt unausweichlich Müll, den man in Form von Müll-Karten in sein Kartendeck aufnehmen muss. Eine lobenswerte ökologische Einsicht. Müllkarten haben keinerlei Nutzeffekt, weder plus noch minus. Wenn man bei der zufälligen Auswahl seiner fünf Karten für einen Spielzug lauter Müllkarten gezogen hat, kann man gar nichts tun, den Spielzug vergessen und auf den nächsten Spielzug warten. Der glücklicherweise relativ schnell kommt, denn allen Spielern steht mit ihren gezogenen Spielzug-Karten nur eine recht begrenzte Auswahl an Zugmöglichkeiten zur Verfügung.

  • Mal dürfte man bauen, hat aber kein Geld.
  • Mal hat man Geld, darf aber nicht bauen.
  • Mal hat man Mülldeponien, aber keinen Müll.
  • Meist hat man Müll aber keine Mülldeponien.
  • Mal kann man mit dem gezogenen Geld gerade eine einzige der ausliegenden Sonderkarten kaufen.
  • Und was dergleichen unglücklicher Fügungen mehr sind.

Eine geile Kartenkombination ist Glücksache. Oder natürlich Resultat von außergewöhnlicher Genialität beim Zukaufen der Sonderkarten. Moritz verfolgte hier konsequent einen ausgeklügelten Deck-Building-Plan. Vor allem konnte er mit seiner „Schutthalde“ auf Teufel-komm-raus bauen, ohne neue Müllkarten aufnehmen zu müssen. Mit 26 Siegpunkten wurde er unangefochten Erster. Walter hatte keinerlei Peil und fühlte sich bis zum Spielende gespielt. Mit 23 Punkten landete er weit abgeschlagen am Ende. Dazwischen verloren sich Günther und Aaron.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (1 Punkte mehr als „Dominion“. – für die Bau-Szenerie. Bei allen Deck-Building-Spielen müsste man zuerst alle Karten studieren; das ist bei Spielbeginn leider zu zeitaufwendig; und wenn man das ausgiebig getan hat, ist das Spiel hinterher trivial), Günther: 7 (Dominion-Freak; war ständig am Verteidigen des Spielprinzips gegenüber Walters Meckereien über die 0-Freiheiten-Situationen. Wird vielleicht eine Analyse der Karten durchführen und publizieren. Oder auch nicht), Moritz: 9 (ich hatte einen Plan; mir hat es Spaß gemacht; das einzige Eisenbahnspiel, das mit gefällt), Walter: 4 (hätte lieber unten im Wohnzimmer gesessen und sich im Fernsehen den Sieg vom FC Bayern angeschaut, anstatt Runde für Runde seine 0-Freiheiten-Züge abwickeln zu müssen).

3. “Schokoly”

Jeder bekommt vier quadratische 2-mal-2 Plättchen in die Hand, bei denen jedes Teilquadrat in einer von drei Farben eingefärbt ist. (Da wir mit Schokolade spielen, sind die Farben schokoladig passend: Vollmilch, Zartbitter und Hell.) Jeder Spieler wählt eine Farbe als seine Siegpunktfarbe aus.

Reihum legt nun jeder Spieler jeweils ein Plättchen zu einer gemeinsamen großen Fläche auf den Tisch. Dadurch entsteht ein Mosaikmuster mit mehr oder weniger großen zusammenhängenden Farbformationen. Wessen Siegpunktfarbe die größte zusammenhängende Fläche bildet, der hat gewonnen.

Damit das ganze aber seine topologische Planbarkeit (a la „Go“ oder „Twixt“) verliert, darf man Plättchen auch in einer zweiten Ebene über die bereits gebaute Fläche drüberbauen. Damit kann man jedes vorhandene Muster zerstören und der Konkurrenz den schönsten Kontinent in lauter kleine Inseln zerfallen lassen.
Soll man wirklich bei jedem Zug überlegen,

  • mit welchem seiner vier Plättchen an welchem Platz man kurz-, mittel- und langfristig die größte Flächenwirklung erzielen kann?

oder

  • mit welchem der ungezählten Plättchen die Gegner unsere wohlgeplante und wohlgebaute Fläche zum Zerfallen bringen können?

Jeder einzelne Zug könnte Jahre dauern! Da lassen wir doch lieber das Denken sein, und legen mit Hoffnung und Gefühl unsere Plättchen, eines nach dem anderen, auf den Tisch! Doch wer von uns kann schon das Denken sein lassen? Und ist das überhaupt im Sinne der Erfinder von „Schokoly“? Wohl kaum.

Wir nutzten sogar noch die „Chili“-Erweiterung: Jeder Spieler bekommt zu Beginn ein Chili-Plättchen, mit dem er noch mehr Unfug auf der ausgelegten Fläche anstellen kann: Plättchen drehen, vertauschen oder wegnehmen. Überflüssig wie ein Kropf. Oder noch mehr Unberechenbarkeit in ein von Grundprinzip her als Planspiel angelegtes Spiel. Offensichtlich gibt es unter den Brettspielern doch weitaus mehr Chaoten als Strategen.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (für die 4-Personen-Variante), Günther: 6 (davon 1 Punkt für die Schololade), Moritz: 3 (für jeden Mitspieler einen Punkt) , Walter: 3 (es könnte ein schönes, kontemplatives Topologie-Spiel sein, wenn nicht durch die zweite Legeebene dem totalen Chaos Tür und Tor geöffnet worden wäre).

4. “Scharfe Schoten”
Das 5-Punkte-Spiel “Scharfe-Schoten” von letzter Woche setzte sich heute gegen das 7-Punkte „Abluxxen“ durch! Zumindest Walter kann sich zu dieser Entscheidung bekennen, da er von Moritzens mitgebrachtem Single Malt und vom Zittersieg des FCB schon ziemlich abgeschlafft war, und ihm jetzt der Sinn eher auf einem No-Brainer stand. Man sieht, selbst – von uns – abqualifizierte Spiele können hin und wieder deutliche Positionsvorteile gegenüber – von uns – qualifizierten Spielen aufweisen.

WPG-Wertung: Moritz: 4 (mit einem „gefällt mir nicht“ schwang er sich auf sein Fahrrad und verschwand)

5. “Skat”

Ja richtig, ein stinknormales Skat bildete den Absacker. Es ging darum, zu demonstrieren, ob ein durchschnittliches Skat-Spiel – einschließlich Mischen und simultanem Palavern – in drei Minuten absolviert werden kann.

Im ersten Spiel bekam Günther einen Null. Seine einzige Schwäche war Kreuz B 10 9 8. Aaron spielte Pik-8 aus und Günther warf den Kreuz-Buben ab. Offensichtlich hatte er zwei Piks gedrückt. Zum zweiten Stich spielte Walter Kreuz 7 von A und 7 aus. Aaron musste die Dame legen, und Günther hatte gewonnen.

Vielleicht hätte es hier noch eine Möglichkeit gegeben, dass Aaron eine seiner beiden Kreuz-Karten abwerfen kann, Walter dann zuerst das Kreuz As spielt und anschließend Günther mit der 7 zu Fall bringt. Doch soviel Zeit für die Post-Mortem-Analyse leisteten wir uns nicht. 2 Minuten 45 Sekunden.

Im zweiten Spiel bekam Günther einen Grand mit Dreien. Super Hand, lediglich zwei Herz-Luschen im Blatt. Beidesmal konnte Walter hierauf eine Zehnen schmieren – Schneider frei, immerhin. Nach dem vierten Stich claimte Günther. Zeitsumme: 6 Minuten.

Im dritten Spiel bekam Walter ein ziemlich dünnes 5-Trumpf-Herz-Spiel ohne Zwei. Seine Nebenfarben waren gut, die Trümpfe standen 3:3 und und die Karo-Schwäche blieb bis zur Trumpf-Elimination unentdeckt. Zeitsumme: 9 Minuten 40 Sekunden.

Fazit: 3 Minuten pro Spiel sind nicht unrealistisch. Allerdings darf hier keiner ständig lästig nachfragen „Wer muß geben / Wer muß reizen / Wer spielt aus?“. Vom unendlichen Nachdenken über zwei-drei Spiel- und Ausspiel-Alternativen ganz zu schweigen.

Offen blieb die Frage: Wieviel Punkte würden wir für „Skat“ vergeben, wenn wir es heute zum ersten Mal kennenlernen würden. Eine Menge „neuer“ Spielelement gegenüber ALLEN anderen Stichspielen hat es auf jeden Fall. Man spielt auch ausschließlich gegen die Raffinessen des Mitspieler und nicht gegen die Fallstricke in den Regeln. Zudem ist es ein ständiger Quell von Freude und Schadenfreude. Warum sollte es nicht 10 Punkte wert sein?

Keine WPG-Wertung.

02.04.2014: Stichspiele resp. Scharfe Schoten ablutschen

„Könnten wir nicht vielleicht ausgeglichenere, ausgefülltere, glücklichere Menschen sein, weniger gehetzt, weniger überarbeitet, weniger gestresst, weniger infarktgefährdet, weniger neurotisch, weniger zu Depressionen und innerer Einsamkeit neigend, wenn wir auf etwas Geld, etwas Wohlstand, etwas Karriere, etwas Macht und Einfluss, etwas gesellschaftliches Prestige verzichten und zum Beispiel mehr spielen würden?“
(aus Warwitz / Rudolf : „Vom Sinn des Spielens“)
Und warum spielen wir? Dazu geben Warwitz / Rudolf auch gleich eine Antwort:

  • weil wir viel Lebensenergie und Dynamik in uns verspüren
  • weil wir nach harter Arbeit nach Entspannung und Erholung verlangen
  • weil wir uns mit neuen Geräten, Menschen und Techniken spielerisch vertraut machen wollen
  • weil wir uns von latenten Ängsten befreien wollen
  • weil wir einer unbefriedigenden Lebensrealtität entfliehen wollen
  • weil wir einen angeborenen Spieltrieb haben

Also auf, Ihr dynamischen, schwer malochenden, unerfahrenen, verängstigten Trieb-Träumer, auf zum Spiel!

1. “Skull King”
„Schädel-König“ nennt sich dieses „piratenstarke Stichspiel“, aber es bekennt gleich in der Einleitung, dass es sich hier nicht um Mord und Totschlag auf den Weltmeeren, sondern um harmlose Stiche auf dem Spieltisch handelt. Wie beim „Tarock“ oder „Wizard“ und einigen anderen gleichgelagerten Spielen geht es darum, vorherzusehen und vorherzusagen, wieviele Stiche man bei einer bestimmten Kartenausteilung bekommt.

Gespielt wird mit Zahlenkarten in vier Farben. Eine Farbe davon ist Trumpf. Reihum spielt jeder Mitspieler zu einem Stich aus. Farben muss man bedienen; wenn man nicht bedienen kann; darf man jede andere beliebige Karte zugeben. Wie man das von einem normalen Stichkartenspiel erwartet, bekommt derjenige den Stich, der von der ausgespielten Farbe die höchste zugibt; ist eine Trumpfkarte dabei, dann bekommt der höchste Trumpf den Stich.

Gewürzt wird das ganze durch ein paar Sonderkarten, die das vorhersehbare Stichpotential etwas aufmischen, und die man unter Umgehung des Bediengebotes jederzeit spielen darf:

  • Die „Escape“-Karten sind die niedrigste Karten, mit der macht man nie einen Stich. (Außer alle Spieler spielen ausschließlich „Escape“-Karten zu einem Stich).
  • Die “Mermaid”-Karten sind die zwei-höchsten Karten, höher als jede Farbkarte; sie werden aber noch von den „Piraten“-Karten überboten.
  • Eine „Scary Mary“-Karte kann entweder als „Escape“ oder als „Pirat“ eingesetzt werden. (Nun ja, das macht das Kraut auch nicht mehr fett.)
  • Der „Skull-King“ sticht die Piraten und bringt in diesem Fall auch noch Sonderpunkte ein. Um das Versteckspiel noch etwas zu intensivieren, stehen die „Mermaid“-Karten über ihm: also King vor Piraten vor Mermaid vor King ….

Die Sonderkarten bringen etwas verschlungene Würze in die lineare Stich-Logik. Wir haben deutlich mehr Freiheiten beim Abspielen unserer Kartenhand. Kalkulieren ist gut, gegenläufige Ambitionen sind schlecht, und der Zufall lacht dazu. Der lockere Charakter des Spiel zeigt sich schon in der ersten Runde, wo nur eine Karte je Spieler ausgeteilt wird. Hier die höchste Karte zu haben und das auch noch richtig zu erraten, ist reine Glückssache. Als lockeres Glücksspiel sollte man den Schädel-König ansehen, selbst wenn der Anteil an individueller Spieltaktik für eine erfolgreiche Stich-Vorhersage bei steigender Kartenzahl deutlich zunimmt.
Schadenfreude spielt eine große Rolle, weil man oft genug einem Mitspieler seine Stich-Vorhersage willentlich vermaseln kann. Und das ist doch auch schon was.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (2 Punkte weniger als „Wizard“), Günther: 6 (ein Wizard-Clone, nicht besser, nicht schlechter), Peter: 6 (weil es lustig ist), Walter: 7 (eigentlich weniger Punkte, weil die Idee nicht neu ist, doch die Balance zwischen Planen-Können und Zufalls-Entscheidung ist gut gelungen.)

Scharfe Schotten zwischen Wein und Gummibärchen
Scharfe Schotten zwischen Wein und Gummibärchen

2. “Scharfe Schoten”
Wir spielen mit einem ganz gewöhnlichen Romme-Canasta-Bridge-Spiel. Jeder Spieler gibt rundum eine Karte zu einem Stich zu; man muss bedienen; die höchste Karte gewinnt. Wie beim Bridge gilt: Pik sticht Herz sticht Karo sticht Kreuz. Die Asse aller Farben sind die höchsten Karten.

Jeder Spieler muss vorhersagen, von welchen Farben er am Ende die meisten und die wenigsten Karten in der Summe seiner Stiche hat. Richtiges Raten bringt Siegpunkte. Eine große Differenz zwischen den meisten und den wenigsten der richtig geratenen Kartenfarben ebenfalls. Soweit so gut

Doch „Scharfe Schoten“ wird nicht mit einem ganz gewöhnlichen Romme-Canasta-Bridge-Spiel gespielt. Die Karten haben die abstrakten Farben rot, grün, gelb und blau. Die Farbreihenfolge wird bei jedem Spiel neu ermittelt. Zufällig. Außerdem sind nicht die Asse die höchsten Karten, sondern von jeder Farbe ein eigener, ebenfalls pro Runde neu ermittelter zufälliger Kartenwert. So muss man bei jedem Spiel – für nix und wieder nix – umdenken, und kämpft mit der jeweilig neuen Rangfolge anstatt mit der eigenen und den fremden Kartenhänden.

Schadenfreude kommt selten auf. Schließlich kann man ja nicht wissen, welchen Wert ein Stich für einen Mitspieler am Ende bedeutet. Meist muss man zu einem Stich zugeben und hat ohnehin keine Wahl für Taktik und Kartenpflege. Und welche Farben die bösen Mitspieler uns zu einer hochwertigen Karte, zu einem stichbringenden As dazugeben, das haben wir auch nicht in der Hand. Reiner Zeitvertreib. Als Hinweis, was man mit einem ganz gewöhnlichen Romme-Canasta-Bridge-Spiel auch noch anfangen kann, wäre es ein marginaler Dienst an der spielenden Menschheit gewesen. So ist es – böse formuliert – lediglich ein überflüssiger Beitrag auf dem globalen Markt für Spielmaterialien!

Aaron hatte schon in der Testphase des Spiels mitgewirkt. Damals hieß es noch „Alles Kacke“ und auf den „Scharfen-Schoten“-Plättchen waren lauter entsprechende Häufchen abgebildet. Vielleicht war die „Kacke“ aber bereits patentiert und man hat in der Terminologie von der zweiten auf die dritte Phase der Menschwerdung umgeschaltet. Zumindest Peter sah in den Schoten von Karotten, Meerrettich und Paprika lauter Phalloi. Vielleicht ist dies der Mehrwert von Autor und Verlag.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (nach zuerst 7 [sieben] Punkten! [Alle fragten sofort mehr oder weniger aggressiv nach: „Warum 7 Punkte?“. Peter argwöhnte: „Weil du Tester gewesen bist?“; Entrüstetes Zurückweisen. Eine verbale Begründung für sein Wohlwollen wollte Aaron nachliefern, doch bis zum Ende des Spielabends haben ihm dazu die Worte gefehlt; vielleicht reicht er sie als Kommentar nach]), Günther: 5 (bringt etwas Neues, das aber leider nur chaotisch ist), Peter: 5 (das Spiel läuft sehr mechanistisch ab, möchte es nicht noch einmal spielen), Walter: 4 (noch mehr denken, noch mehr Abhängigkeit vom zufälligen Geschehen bei den Schotten)

3. “Abluxxen”
Wie heute bereits zweimal gehabt besteht das Spiel aus Karten mit den Zahlen 1 bis 13. Von jeder Zahl gibt es acht Stück. Dazu noch 5 Joker.

Jeder Spieler bekommt 13 Karten auf die Hand; sechs weiter kommen in eine offene Auslage, die restlichen Karten bilden den verdeckten Nachziehstapel. Jeder legt reihum eine Kartenkombination aus seiner Hand vor sich aus. Erlaubt sind einzelne Karten und jedes beliebige Vielfache der gleichen Zahl. Fast wie bei Romme. Am Ende zählt jede ausgelegte Karte als ein Spiegpunkt, jede noch in der Hand behaltene Karte als Minuspunkt. Ebenfalls fast wie bei Romme.

Jetzt kommt der Kniff: Legt ein Spieler bei seinem Zug genauso viele Karten ab, wie einer oder mehrere seiner Mitspieler gerade als oberstes Päckchen in ihrer Auslage haben, und wenn die neu gelegten Karten einen höhere Zahlenwert aufweisen als die bereits auf den Tisch liegenden, so muss der Spieler diese Päckchen von allen betroffenen Spielern entweder auf seine Hand nehmen oder zerstören. Die betroffenen Mitspieler dürfen/ müssen dann aus der offenen allgemeinen Auslage oder vom verdeckten Nachziehstapel entsprechend viele Karten nachziehen. Das „dürfen“ im vorstehenden Satz gilt für den Spielanfang und bei lukrativen Karten in der Auslage: da wird das Nachziehen als positiv empfunden: mit den nachgezogenen Karten kann man gegebenenfalls hübsche Kombinationen in seiner Kartenhand aufbauen. Bei Spielende, oder wenn man gerade eine hohe Kombination gleicher Zahlen abgelegt hat, gilt für das Nachziehen nach dem „Abluchsen“ eher ein „müssen“: Man bekommt einen Haufen Einzelkarten auf die Hand. Anstatt weniger, sorgsam gesammelter gleicher Zahlenkarten, die man in seinem nächsten Zug alle auf einmal ablegen wollte um das Spiel mit 0 Minuspunkten zu beenden, hat man auf einmal eine ganze Menge lästiger Einzelkarten aufgehalst bekommen, von denen bei Spielende garantiert noch ein erheblicher Anteil als Minuspunkte auf der Hand bleiben wird.

Wir spielten mit großem Lerneffekt:
In der ersten Runde versuchten wir uns sich gegenseitig möglichst viel abzuluchsen und – unter Inkaufnahme jeglichen Chaoses – möglichst viele Karten in die eigene Auslage zu bekommen.
In der zweite Runde trat das Abluchsen deutlich in den Hintergrund. Jeder versuchte jetzt in seiner Hand einen kleinen, Bestand weniger gleichen Zahlenkarten zu sammeln, mit denen er später in ein oder zwei unangefochtenen Zügen das Rundenende herbeiführen wollte. Das Aufnehmen von dicken Päckchen aus der Nachbarablage wurde auf einmal zu einem Risiko.
Nachdem Walter hier sehr erfolgreich agieren konnte (und auch erfolgreich agiert wurde), ging es ihm in der letzten Runde nur noch darum, möglichst ungeschoren die Karten seiner Hand ablegen zu können, ohne durch Abluchsen ein hohes Minuspunkt-Konto aufgehalst zu bekommen. Ein einziger Pluspunkt in dieser Runde reichte zum unangefochtenen Sieg.

WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7 (ganz lustig), Peter: 6 (“weil ich immer Straßen hatte”), Walter: 7 (ein Romme mit Kampfcharakter).

4. “Trans Europa”
Kurz vor seinem Tod 2007 hat uns der geniale Franz-Benno Delonge – Gott habe ihn selig – noch schnell ein hübsches Spielchen beschert. Auf Europas Weiten legen wir Gleise und bauen damit ein – früher oder später – zusammenwachsendes, gemeinsames Netz zu den individuellen Pflichtstädten, die jeder Spieler verbinden muss. Ein klare hübsche neue Spielidee. Spielerisch, konstruktiv, intuitiv und mit Bluff-Elementen.

Schon 14 mal habe wir das am Westpark gespielt. Als Absacker ist es genauso geeignet wie zum Aufwärmen. Auch hübsch und erfrischend für eine Runde zwischendurch. Oder für eine spielerische Aufklärungsstunde mit den nicht-spielenden Nachbarn, sowie als Betthupferl für und mit den (hoffentlich bald 8 jährigen) Enkeln.

Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte Spiel. [Warum ist das bei uns eigentlich nie „Spiel des Monats“ geworden? Tragik der Koinzidenz!]

5. “Bluff”
Mit einer Minderheit von 4 Würfeln stand Peter im Endspiel gegen Günthers 5. Durch gutes Würfeln und taktisch richtiges Setzen konnte er 5 mal hintereinander dem (die erste Runde) Führenden je einen Würfel abluchsen. Im letzten Wurf würfelte er sogar noch zwei Sterne nach. Günther blieb einen Würfel schuldig.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

26.03.2014: Schadenfreude

“Der schlechteste Zug in der menschlichen Natur bleibt aber die Schadenfreude, da sie der Grausamkeit enge verwandt ist.” Diese Behauptung von Arthur Schopenhauer greift viel zu kurz. Der Superlativ darin ist ohnehin falsch. Auch nette Menschen kennen Schadenfreude. Dabei geht es keineswegs um Häme oder um eine „psychische Entlastung durch die Aufwertung eines Selbst gegenüber einem vermeintlichen Überflieger.“ Oft geht es einfach um die – zweifellos freudige – Tatsache, dass ein unvermeidliches Unglück nicht uns sondern einen anderen getroffen hat.

34 mal in unseren Session-Reports kommt das Wort „Schadenfreude“ vor. Meist mit einem durchaus positiven Touch. Hier eine kleine Auswahl:

Verflixxt! : Ein Garant für Freude und Schadenfreude. – Ganz offen zu sehen; alle können sich unmittelbar mitfreuen. Das Offensichtliche und die spontane Mitfreude aller Unbeteiligten, ein Mitlachen selbst bei den Beteiligten, das sind überhaupt die wesentlichsten Charakteristika für die positiven Seiten der Schadenfreude.

Via Romana: beim Gleichstand an Meilensteinen bekommt keiner was. Diese kleine Quelle reiner Schadenfreude ist für reifere Semester wohl das bemerkenswerteste Element von “Via Romana”. – Zugestanden, nicht jede Schadenfreude wird von jedem geteilt.

Sankt Petersburg: Günther lag das ganze Spiel über auf dem letzten Platz. Es erhob sich schon eine allgemeine Schadenfreude mit oder gegen den erfahrenen Entwickler der PC-Version. – OK; hier geht es eher schon in Richtung gegen einen Überflieger.

Trias : Die Herden auf dem Hexagon fallen ins Wasser und müssen von dem jeweiligen Herdenbesitzer explizit auf Nachbarhexagons gerettet werden, wenn sie nicht untergehen sollen. Reichlich Stoff für spielerische Freude und Schadenfreude. – Unbeabsichtigtes Ins-Wasser-Fallen: schon seit tausend Jahren wird dieser Gag in den Filmen der Welt mit garantiertem Lacherfolg aufgestischt.

„Bei uns Westpark-Gamers darf gelacht werden. Schadenfreude wird von Siegern und Verlieren gleichermaßen akzeptiert und getragen.“ – Nun da, da war vielleicht auch Wunsch der Vater des Gedankens.

Günther sichtet die Ernte aus dem Würfelturm
Günther sichtet die Ernte aus dem Würfelturm
1. “Amerigo”
Aus 16 Kartonteilen zu je 5 mal 5 Quadratfeldern stellen wir zu Beginn des Spiels eine variable Landschaft mit Inseln und Meeresarmen zusammen. Anschließend

  • fahren wir mit unseren zwei Schiffen durch die Gegend und gründen Häfen,
  • planen und bauen Landschaften,
  • treiben Forschung (gut für die Potenz),
  • kaufen Waren (gut für die Siegpunktwertung am Schluß),
  • laden Kanonen (gut gegen die in wachsender Zahl auftretenden Piraten),
  • rangeln ums um die Spielerreihenfolge.

Welche Aktionen wir (und unsere Mitspieler gleichfalls) tun dürfen, wird nach einem neuartigen Auswahlverfahren bestimmt, das auf einer altartigen Spiele-Erfindung basiert: einem Würfelturm. Jede der sieben möglichen Aktionen wird durch eine bestimmte Farbe vorgegeben; kleine Holzwürfelchen mit den entsprechenden Farben werden nach einer vorgegebenen Stückelung in einen Würfelturm geworfen; alle Aktionen, für die mindestens ein zugehöriges Farbwürfelchen wieder herausgefallen ist, dürfen anschließend ausgeführt werden. Mit welche Quantität, das bestimmt die höchste Anzahl an gleichfarbigen Würfeln irgend einer Farbe.

Alles ist konstruktiv. Engpässe gibt es nicht. Dass dringend gewünschte Aktionen gerade nicht zuässig sind, kommt im Prinzip nicht vor. Höchstenfalls muss man darauf einen Zug warten. Aber ohne deshalb merkliche Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Alles bringt uns vorwärts. Alles liefert Siegpunkte. Mal früher mal später. Mal mehr, mal weniger.

Hafengründungen bringen Brinkel, vollständig mit Landschaftsplättchen überbaute Inseln bringen Brot. Fische liefern die Rohstoff- und Warenmarker, die wir uns gezielt oder ungezielt das ganze Spiel über zugelegt haben; Butter bei die Fische resultiert aus den verschiedenen Entwicklungsfortschritten, die stufenweise immer mal wieder etwas abwerfen. Alles ist rund und macht satt.

Am Ende nehmen die Zugoptionen deutlich ab. Die Häfen sind alle entdeckt und die Schiffahrt kann eingestellt werden. In den Skalen für Entwicklungsfortschritt ist das Ende erreicht, Waren und Rohstoffe sind abgegrast. Mehr oder weniger oft muss man konstruktive Amerigonismen verfallen lassen und sich mit zwei Goldstücken Ersatz begnügen. Weniger Spielrunden hätten dieses Manko vermeiden und dazu noch Zeit sparen helfen! Wir brauchten in einem relativ flotten Spiel ca. 2 ½ Stunden für die ausgeschriebenen fünf Spielrunden.

Moritz hatte gleich zu Beginn seine nautischen Fähigkeiten entwickelt. Dann raste er mit seinen getunten Rennbooten durch die Kanäle und setzte seine Duftmarken in alle erreichbaren Hafengegenden. Punktemäßig lag er lange Zeit ziemlich zurück, doch er hatte mit seinem Vorgehen das größte Landgebiet unter seine Kontrolle gebracht. Schlußendlich konnte er hierauf die ertragreichsten Plantagen errichten und die sprudelnsten Siegpunktquellen erschließen, während die Konkurrenz sich schon längst mit den Ersatzgoldstücken hatte zufriedengeben müssen.

WPG-Wertung: Günther: 7 (verteidigte, dass die Piraten heute etwa zu luschig waren), Moritz: 8 (Origineller Aktions-Auswahl-Mechanismus, es gibt viele verschiedene Strategien und alle haben Erfolgschancen. Bei Spielende landen alle Spieler – problemlos – oben auf den verschiedenen Entwicklungsskalen. [Das wird jetzt als Schwäche gewertet.]), Peter: 6 (tolle, unterschiedliche Spielelemente, am Ende öde), Walter: 6 (mal wieder die nackte Ingenieursleistung honoriert; kein Spannungsbogen; für ein Wiederholungsspiel fehlt der Anreiz des „to have a plan“.)

Bei “Russian Railroads” kritisierte Christoph meine Kritik der „zu vielen Optionen“. Kennst Du eigentlich den Unterschied zwischen „viele“ und „zu viele“? Die gleiche Kritik möchte ich nämlich auch in „Amerigo“ anmelden. Es gibt zu viele einträgliche Zugoptionen. Für ein zeitvertreibliches Drauflosspielen und Schwelgen im Übermaß von Zugoptionen mag das angehen. Ein ein wohlstrukturiertes Vorgehen in einem überschaubaren Entwicklungsraum, in dem auch der aktuelle Besitzstand der Mitspieler jederzeit klar überschaubar ist, erfordert Beschränkungen. In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister. Beim Machen und beim Nachmachen!

PS: in „Amerigo“ gibt es keine Schadenfreude. Überhaupt keine. Das ist leider ein Manko.

2. “Poison”
Dieses kleine Kartenspiel setzte sich heute als Vorabsacker gegen den Würfelsacker „Quixx“ durch. Schon im August 2009 hatte es zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch gelegen und wurde damals auch gleich zu unserem „Spiel des Monats“ gekürt.

Wie kam man doch mit kleinen Sachen, Spielern eine Freude machen. Karten – nichts Neues unter der Sonne. Karten auf gemeinsame Stapel auslegen und ab einem gewissen Stapel-Limit dafür Plus- oder Minuspunkte bekommen – auch das ist nicht keine Erfindung von Reiner Knizia. Aber mit wenigen bekannten oder unbekannten Spielelementen so hübsch zu jonglieren, dass ein schnelles, unkompliziertes Spielchen mit einen hohen Grad an Interaktion herauskommt, das ist allemal ein hohes Lob wert.

Welch eine gelungene Schadenfreude, wenn der Nachfolger unweigerlich einen der drei vergifteten 13-Punkte-Stapel an sich nehmen muss. Und hierbei erkennt man eine psychologisch verständliche und soziologisch durchaus akzeptierte Motivation der Schadenfreude: Wir stehen alle unter der ständigen Spannung, dass so eine Misere auch uns treffen kann. Und gerade dadurch, dass es einen anderen getroffen hat, sind wir davongekommen. Wenn das kein Grund zur Freude ist.

Keine neue WPG-Wertung für ein 7,17 Punkte Spiel.

3. “Bluff”
Walter war schon nach dem zweiten Spiel herausgekickt worden und sein verabschiedender Verlust von 4 Würfel wurde mit großem (schadenfreudigem!) Hallo quittiert. Moritz musste im Endspiel mit einem Würfel gegen zwei Würfel von Günther und Peter antreten. Nicht mit zaghaftem Den-Schwanz-Einziehen, nur mit frisch-frech-fröhlichem Kämpferherz kann man Lady Fortuna beeindrucken. 3 mal die Vier war seine mutige Vorgabe. Zuversichtlich zweifelte Günther mit zwei gewürfelten Luschen an. Doch sein Strahlen wandelte sich unmittelbar darauf in ein vierfaches schallendes Gelächter (reine Freude und Selbst-Schaden-Freude bei Beteiligten und Unbeteiligten), als Peter zwei Vieren aufdeckte. Mit 1:1:1 ging es also in das endgültige Endspiel.

Moritz begann mit 1 mal die Fünf. Günther hob auf 1 mal den Stern. Peter ging auf 2 mal die Eins, was Moritz auf 2 mal die Fünf steigerte. … Endergebnis: Nochmals schallendes Gelächter am Westpark.

Fragen (ohne Wein-Prämie): Wer hat gewonnen? Wer hatte welche Augenzahl unter dem Becher? Wer hatte bei dieser Konstellation (einschließlich Moritz’ erster Vorgabe) – eigentlich – die besten Chancen auf den Sieg?

Weitere Post-Mortem-Frage an Peter: Wo war bei Deiner Vorgabe von „2 mal die Eins“ eigentlich Dein Witz und Dein Spielwitz?

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

19.03.2014: Hysterie of the World

Seit dem Friedensdiktat von Versailles jammern wir Deutsche dem uns vorenthaltenen Selbstbestimmungsrecht der Völker hinterher. Wie konnten wir nur den honigtriefenden 14-Punkten von Wilsons Friedens-Programm auf den Leim gehen! Insbesondere dem Punkt 5 der bei allen territorialen Ansprüchen der Herrschaften die Interessen der betreffenden Bevölkerungen („the interests of the populations concerned“) gleichberechtigt berücksichtigt haben möchte.

Jetzt ist Vladimir Putin hingegangen und hat in der seit Urdenken (zumindest soweit meine Ahnentafel zurückreicht) russischen Krim abstimmen lassen, ob sie sich von einer feindlich gesinnten Zentral-Regierung oder lieber von den Brüdern und Schwestern in Moskau regieren lassen möchte. Und der gesamte Westen, alle unsere Massen-Medien ziehen darüber her, als ob Putin der Mephisto und Vitali Klitschko das Gretchen wäre.

Ja wenn das ganze nur ein großes Derblecken wäre! Da könnte man vielleicht noch darüber lachen und auf einen Deus ex Angela hoffen. Doch die Schreiberlinge und Kommentatoren meinen ihre Hetze ernst. Systematisch werden wir mental auf den nächsten Krieg eingestimmt. Verdammte Politik!

Freundschaftliche Stimmung beim Rätsel-Romme
Freundschaftliche Stimmung beim Rätsel-Romme
1. “Mystery Rummy”
Nach dem Regelheft wird uns hiermit „ein absolut neues Spiel-Konzept“ geboten, das „die Machenschaften eines klassischen Detektivspiels“ mit den „traditionellen Strategie-Elementen eines Romme“ verbindet.

Wie von dorther gewohnt werden die Karten werden gemischt und jeder Spieler erhält neun Karten auf die Hand. Wie beim stinknormalen Romme ziehen wir – sofern wir nichts Besseres zu tun haben – jeweils eine Karte vom verdeckten Nachziehstapel auf die Hand und legen eine Karte aus der Hand auf den offenen Ablagelagestapel ab.

Wie beim stinknormalen Romme können wir zusätzlich drei oder mehr passende Karten vor uns ablegen. Der Einfachheit gelten beim „Mystery Rummy“ alle Zahlenkarten einer Kartenfarbe als passend, z.B. bilden also auch die Karten Zwei, Sieben und Zehn ein ablegbares Trio.

Wer Zahlenkarten einer Kartenfarbe auf den Hand hat, von der ein Mitspieler bereits ein Trio vor sich liegen hat, darf diese Karten in beliebiger Stückelung ebenfalls ablegen. Im Gegensatz zum Original-Romme aber nicht an das Trio des Mitspielers, sondern als Einzelkarten vor sich selbst.

Asse, Könige und Damen etc. heißen „Verdacht“, „Opfer“, „Tatort“, „Indiz“ und „Alibi“. Sie erschweren mit diesen Kriminal-Namen aber nur einem biederen Bridgespieler das Verständnis über die trivialen Abläufe und Funktionalitäten. Bilden wir die Karten und ihre Effekte doch besser auf die ganz normalen Romme-Karten ab!

Alle Damen , Buben und Könige können einzeln abgelegt werden. Wer einen Buben ablegt, kann sich die zugehörige Dame, falls sie schon irgendwo auf dem Tisch liegt, angeln und daneben legen. Oder umgekehrt, die Dame angelt den Buben.

Wer ein As ablegt, darf sich aus dem Ablagestapel eine beliebige Karte aussuchen und auf die Hand nehmen.

Sobald ein Spieler alle Karten seiner Hand ablegen konnte, ist wie beim stinknormalen Romme ein Spiel zu Ende. Alle abgelegten Karten geben Siegpunkte, alle noch in der Hand verbliebenen Karten liefern Minuspunkte. Die Kartenfarbe, die am häufigsten auf dem Tisch liegt, zählt doppelt; außer wenn von dieser Kartenfarbe auch der König auf dem Tisch abgelegt wurde.

WPG-Wertung: Es wurde vergessen, die Wertungen abzufragen. Peter hat eine 6 nachgereicht, Moritz grübelt noch, von Walter gibt es eine 5 (für eine funktionierende Romme-Variante).

2. “A Brief History of the World”
Fünf Jahre alt ist dieses schnelle Spiel um den ganz normalen Wahnsinn der Geschichte unserer Menschheit. Über drei Jahrtausende hinweg entstehen Völker in allen Enden und Ecken der Erde, breiten sich aus, schlagen ihre Nachbarn tot, bauen Festungen (um von der nächsten Generation nicht allzu leicht selbst erschlagen zu werden) und errichten Monumente (um über deren Glanz und Gloria wir ein paar Siegpunkte mehr abstauben zu können).

Strategische Herausforderung ist sechsmal die richtige Auswahl 1 aus n (n = Spielerzahl) zu treffen, d.h. aus dem jeweiligen Angebot das schlagkräftigste Volk zu wählen, mit der man möglichst viele Nachbarn totschlagen und möglichst viele Regionen unter die eigene Fuchtel bringen kann. Strategisch ist ebenfalls, die richtigen Nachbarn totzuschlagen. Denn dazu muss man würfeln. Und wenn man in die falsche Richtung würfelt, klappt das mit dem Totschlagen nicht so ratz-fatz, wie man sich das vorgestellt hat.

Intellektuell ist das Wissen um die friedlicheren Teile der Welt. Wer z.B. rechtzeitig in Südamerika ein singuläres Inkareich gründen konnte, das die Spanier auch noch blind links liegen lassen, kann damit eine ganze Weile ganz unbehelligt sein Siegpunktsüppchen kochen. Mit etwas Glück bis in die neueste Neuzeit hinein. Wer weiß, dass Australien nicht im Schwerpunkt der asiatischen Völkerwanderungen liegt, kann auch dort ein paar Langzeit-Homos ansiedeln, die sich zwar nicht vermehren, aber doch regelmäßig Siegpunkte zeugen können.

„Das Spiel ist super! Man wird seine Alltags- und Zukunftssorgen los!“ Diesen Aspekt nehmen wir Westparker leider viel zu selten bis gar nicht in Augenschein. Zweifellos verdient diese unsere Ignoranz ein „Schuldig“ in Namen der großen, weltweiten Spielergemeinde.

WPG-Wertung: Peter gesellte sich mit 8 Punkten („ich mag das“) ganz nahe an Moritz ungebrochene 10 Top-Punkte. Walter erhöhte seine Note aus dem unteren Bereich nochmals um einen Punkt auf jetzt 5 (erstens für die 3er Runde und zweitens eine Honorierung der Fleißarbeit der Autoren über die sachlich richtige Lokalität und Reihenfolge vom Entstehen und Vergehen menschlicher Zivilisationen sowie deren Umsetzung in ein erduldbares Totschlage-Spiel).

3. “Bluff”
Walter war als erster ausgeschieden und konnte das 1:1-Endspiel Moritz gegen Peter beobachten. Peter begann mit 1 mal die Eins, und Moritz hob vorsichtig auf 1 mal die Zwei. Jetzt sprang Peter absolut überraschend auf 2 mal die Vier! Was war das? Hatte er einen Stern unter seinem Becher und versuchte die Flucht nach vorne?

Und Moritz zweifelte nicht an, sondern hob auf 2 mal die Fünf! Hatte er etwa auch einen Stern gewürfelt? Wäre dann nicht 2 mal „Stern“ eine bessere Steigerung gewesen?

Walter kam das alles höchst mysteriös vor. Unerklärlich! Dabei gibt es dafür eine ganz einfache Lösung! Es wird mal wieder eine Flasche Wein für die erste richtige Lösung dieser rätselhaften Setz-Sequenz ausgesetzt! Achtung: Die Lösung liegt weniger auf der logischen, als vielmehr auf einer obskuren Ebene!

Im zweiten Durchgang standen wieder Moritz und Peter im 1:1-Endspiel. Moritz überlegte sehr lange, ehe er 1 mal die Fünf vorgab. Er hatte tatsächlich eine Fünf unter dem Becher und wurde Sieger. Peter wunderte sich: „Warum hast Du so lange überlegt?“ Mit einer gewürfelten Fünf sollte man doch immer mit 1 mal die Fünf anfangen!

Doch nach Günthers ausführlichen spieltheoretischen Rechnereien ist das falsch. Hallo Günther, kannst Du mit ganz simplen Worten einem Laienspieler klarmachen, warum man bei „Bluff“ mit einer Fünf unter dem Becher im 1:1-Endspiel als bester Stratege NICHT IMMER mit 1 mal die Fünf anfängt?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

13.03.2014: Enkel und Großväter

Es erben sich Gesetz’ und Rechte
Wie eine ew’ge Krankheit fort;
Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlechte,
Und rücken sacht von Ort zu Ort.
Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage;
Weh dir, daß du ein Enkel bist!

Nach Wikipedia will der alte Goethe darin ein zweifaches Bedauern ausdrücken: Die von den Vorgängern angehäuften Kulturschöpfungen seien eine Bürde, weil sie in solche Menge vorhanden sind, dass a) ihre Bewältigung unsere Energie überfordert und dass b) die darin enthaltenen Großtaten schon nicht mehr zu übertreffen seien.

Diese Interpretation ist schlichtweg falsch. Genauso falsch wie meine unwillkürliche Gedankenverknüpfung an diesen mephistophelischen Leitspruch, wenn wir neu herausgebrachte Spiele spielen, deren Elemente uns vor Jahren einmal hübsch und innovativ vorkamen, die heutzutage für uns aber nur noch ausgelutscht und lästig sind. Richtig müsste es heißen:

Es erben sich Spielbrett und Karten
wie eine geile Neuheit fort;
dabei sind’s stets die gleichen Arten
das wird uns langsam schon zum Tort.
Idee wird Abklatch, Glanz wird trübe;
Weh’ dir, dass du ein Opa bist.

Concordia – Eintracht, trotz ungewohnter Sitzordnung
Concordia – Eintracht, trotz ungewohnter Sitzordnung
1. “Concordia”
Auf einer sechs-seitigen Beilage macht uns der Verlag zunächst mit den römischen Göttern, den antiken Provinzen und der Geschichte des römischen Reiches bekannt. Auf den ersten Blick kein Plagiat aus den sattsam bekannten Quellen im Internet. (Einen zweiten Blick haben wir uns erspart.) Zur Erklärung von Spielmaterial und Spielregeln braucht es dann nur noch vier Seiten. Ausreichend und erschöpfend. Angesichts dieser Art von Aufbauspielen sogar höchst erfreulich. Allerdings ist alles schon einmal dagewesen, keine einzige neue Spielidee wird uns präsentiert.

  • Aus wieviel Spielen kennen wir nicht die antike Mittelmeer-Szenerie zwischen Spanien und Kleinasien? Lieber nicht nachzählen, das Leben ist kurz!
  • Aktionskarten, von denen jeder das gleiche Anfangsset hat, und die wir zur Auswahl unserer Züge sequentiell ausspielen … Das soll vorkommen. Es kommt sogar vor, dass man eine dieser Karten ausspielen muss, um alle bisher gespielten Aktionskarten wieder auf die Hand zu nehmen. „Nichts neues unter der Sonne“ hätte auch schon der Prediger Salomo gesagt, wenn er den „Diplomaten“ von “Concordia” entdeckt hätte, mit der man die letzte Aktion eines beliebigen Mitspielers wiederholen darf.
  • Schiffe und Pöppel, die wir auf festgelegten Routen durch Länder und Provinzen bewegen … OK, irgend eine Bewegung sollte in einem Entwicklungsspiel ja wohl erlaubt sein.
  • Häuser bauen, um unsere Präsenz zu beweisen und in unseren Vorgärten angebautes Getreide und Wein ernten zu können … Auch Steinzeitmenschen haben das schon so gehalten.
  • Handel treiben und unsere Waren in Geld einzutauschen oder umgekehrt Geld in Waren … Schön, wenigstens gibt es keinen Engpass an einer bestimmten benötigte Waren, wenn wir sie in unseren eigenen Vorgärten nicht selber produzieren können.
  • Neue Aktionskarten erwerben … Keine neue Aktionsqualität und unwesentliche Verbesserung der Aktionsquantität. Die Musik hierin steckt lediglich in der daraus resultierenden Vervielfältigung unserer Siegpunkt-Einzelposten. Immerhin.

Immerhin ist das Spielmaterial hübsch und solide. Die Aktionskarten sind großzügigerweise sogar in zwei verschiedenen Sprachausgaben beigelegt, so dass wir mit einer einzigen Ausstattung gleich zwei getrennte Fünferrunden in Eintracht versammeln können.

Ein Spieltipp: Baut Häuser und legt euch, falls angeboten, die Jupiter-Aktionskarten zu. Rein theoretisch winken Euch damit 120 Siegpunkte; mehr als Peter heute zum Sieg gereicht haben. Oder besiedelt verschiedene Provinzen und haltet Euch an Saturn. Im Extremfall warten dann 84 Siegpunkte auf euch. Und wenn ihr alle Euere Kolonisten aufs Spielbrett gebracht und alle Mars-Aktionskarten an Land gezogen habt – eine der leichteren Übungen – dann wird das mit 60 Siegpunkten belohnt.

Günther ging das Spiel ungewohnt locker an. Er propagierte sogar mehrfach die Lockerheit zur ersten (für ihn zweiten) Kennenlernpartie. Das war sein Fehler. Ganz locker hatte er alle Kolonisten aktiviert, aber ebenso locker den Mars komplett an sich vorüberziehen lassen. Zwei winzig kleine Mars-Karten hätten ihm zum Sieg genügt.

WPG-Wertung: Günther: 7 (man kann es locker spielen [WS: wenn man nicht unbedingt gewinnen will]) , Moritz: 6 (das Spiel sieht interessanter aus, als es ist. Letzlich ist es vollkommen wurscht, was man tut. Es fehlt ein Rondell!), Peter: 6 (genau! Es fehlt ein Bordell!) Walter: 6 (rund und schön und ausgelutscht).

2. “Verflixxt!”
Ein simples Würfelspiel. Es funktioniert fast wie das bald tausendjährige „Mensch-ärgere-Dich-nicht!“ Wir würfeln unsere drei Pöppel vom Start zum Ziel. Dabei können wir uns nicht gegenseitig rauswerfen und nicht der erste hat gewonnen, sondern wer unterwegs die meisten, besten Spielfelder abgeräumt hat. Das ganz normale (und im Sinne einer lockeren Spielerei auch wünschenswerte)) Würfelglück ist gepaart mit einer gerade richtig großen Handlungsfreiheit für taktische Rechnereien. Freude bei kleinen Zwischenerfolgen gemischt mit Schadenfreude beim Vermaseln solcher Erfolge bei der Konkurrenz addieren sich, ohne auf der Gegenseite Frust auf kommen zu lassen.

Keine neue WPG-Wertung für ein 7,5 Punkte Spiel. (Wenn Peter wüsste, dass er vor 9 Jahren nur 6 Punkte vergeben hat, würde er das schleunigst ändern.)

3. “Bluff”
Moritz fiel auf: „Irgendwann landen wir immer bei Fünf.“ Walter: „Schade, dass wir mit Bluff nicht bei Sex landen können.“ Peter: „Ich möchte zu Protokoll geben: Günther begann frivol zu stöhnen!“

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

“Glück Auf” ist unser Spiel des Monats

Das Thema Kohle lässt uns anscheinend nicht los – diesen Monat prämieren wir ein weiteres Spiel aus der Bergbaubranche, diesmal von einem der verlässlichsten Autorenduos der Spieleszene, Michael Kiesling und Wolfgang Kramer.

Auf und ab fährt der Fahrstuhl in die tiefen Regionen eines Bergwerks (hier leichte Punktabzüge für das störungsanfällige Spielmaterial), links und rechts graben wir in den Berg hinein, dabei auf das innere Gleichgewicht achtend. Natürlich gibt es auch Aufträge zu erfüllen, was Planung, Voraussicht und Zugmaximierung bedeutet.

Das Schöne an „Glück auf“: es ist von der Komplexität her bewusst niedrig gehalten, die Spielabläufe sind logisch und schnell verinnerlicht, damit ist es ein ideales Einsteigerspiel, das auch Profis Freude macht.

“Coal Baron” is our Game of the Month

The theme of coal mining apparently has us in its black grip – this month we give our award to yet another game about the mining business, this time created by one of the most reliable game author duos ever: Michael Kiesling and Wolfgang Kramer.

Up and down goes the elevator, probing deep into the nether regions of a coal mine (small reductions here for the accident-prone game material), left and right we dig into the mountain, trying to preserve the balance. Of course there are also missions to fulfill, which means planning ahead and maximizing one’s moves.

The nice trait of “Coal Baron” is its low complexity – the game mechanics are logical and easy to grasp, therefore it is an ideal introduction game that also keeps professionals happy.

05.03.2014: Nations und Nauschions

“Bevor ich so bin wie Du, bin ich lieber zweiter Sieger!” (Sportfreunde Stiller)

1. “Nations”
Michael Andersch hatte das Spiel schon letzte Woche bei seinem – am Ende gescheiterten – Besuch am Westpark mitbringen wollen. Die Erwartungen waren reserviert. „Kannst es ja mal mitbringen, wenn wir uns nicht gerade auf ein 3+ Stunden Card Drafting Spiel einlassen müssen …“. Michael konnte in bezug auf die zeitlichen Anforderungen beschwichtigen: „Zu viert haben wir es immer in so ca. 1:45 Stunden geschafft“. Aaron traf dann am Wochenende auf der Spieleerfinder-Messe in Haar ein paar Leute, die “Nations” in 15 Minuten erklären und es zu viert selbst beim ersten Mal in nur 2 Stunden spielen konnten. Deshalb heute also grünes Licht für ein großes Werk, was „Nations“ zweifellos ist.

Jeder Spieler erhält ein Tableau, das er im Laufe des Spieles mit Fortschrittskarten füllt und damit sein Potential zum Gewinnen von Stabilität, militiärischer Macht, Bildung, Geld, Nahrung und Kohle erhöht.

Die Fortschrittskarten liegen öffentlich aus und kosten je nach der Ebene, in der sie zufällig aufgedeckt wurden, ein, zwei oder drei Geldeinheiten. Zusätzlich hat jeder Spieler noch Arbeitskräfte, die er auf diesen Karten platzieren muss, um ihre Segnungen zu erhalten. Das Plazieren kostet Kohle, das Dort-Behalten nichts. Eigentlich könnte man seine Arbeiter ingesamt nur einmal zu Spielbeginn aussenden und dann in bewährter kapitalistischer Manier Runde für Runde ihren Mehrwert einstreichen. Doch mit immer den gleichen Monopol-Erzeugnissen kommt man in „Nations“ nicht zu Potte. Wir brauchen immer mal wieder Kohle UND Geld, Macht UND Stabilität, um effizient zu bestehen. Schon allein um ertragreiche Kolonie-Fortschrittskarten erwerben zu dürfen, müssen wir unsere militärische Stärke erheblich entwickelt haben.

Außerdem kann (und wird) der militärisch stärkste Spieler regelmäßig Kriegs-Fortschrittskarten aktivieren und damit jeden zögerlichen Pazifisten zwangsweise zur Kasse bitten: Geld, Nahrung oder auch Bildung werden dann geschröpft. Glücklicherweise sind diese Verluste aber tragbar. Wer sich in friedlichen Kategorien entsprechend hoch entwickelt hat, kann auch die Kriegsschäden einigermaßen glimpflich überstehen. Schließlich hat der Militarist für seine Aufrüstung ebenfalls erhebliche Investitionen tätigen und dabei seine zivile Entwicklung vernachlässigen müssen.

„Nations“ ist ein schwedisches Produkt. „Und das sind Gutmenschen!“ sagten Horst und Moritz beinahe unisono. So darf ein Spieler, der sich in seinem spielerischen Intellekt für stärker hält, als die anderen, freiwillig ein Handicap auf sich nehmen: Pro Runde erhält er dann weniger Standard-Einkommen als die anderen. In welchem Spiel der Neuzeit wurde je so etwas geboten? Welch’ ein Glauben an den bezwingbaren Siegeswillen eines jeden Brettspielers!

Fazit. Eine saubere Konstruktion. Vielfalt und Ausgewogenheit innerhalb der zahlreichen Fortschrittskarten. Umsteigmöglichkeiten (und Notwendigkeit dazu) innerhalb der verschiedenen Entwicklungsschienen. Das Spiel kommt grundsolide daher. Die Autoren zeigen deutliches Verständnis für die Schwierigkeiten von Einsteigern. „Um Spieler einzuführen, die mit längeren und komplexeren Spielen noch nicht vertraut sind”, kann ein Spiel auf zwei (statt vier) Runden begrenzt werden.

Wir sind in solchen Spielen zweifellos nicht unbewandert, doch dieser verständnisvolle Hinweis stand von vorneherin über unserm Einstieg bei „Nations“. Und ebenso über unserem Ausstieg. Nur Moritz, der sich von Beginn an konsequent und erfolgreich mit Wundern eingedeckt hatte, war nach den zwei Spielrunden noch voll dabei und hätte gerne zwei Stunden weitergespielt. Die anderen wunderten sich, dass sie nach der Hälfte des Spieles in bezug auf Einnahmen, Kohle, Geld, Nahrung und Siegpunkten gegenüber dem Anfangsbestand noch kaum etwas zugenommen hatten.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (für mehr Punkte ein Zeitalter zuviel), Horst: 7, Moritz: 8 (deutlich, logisch, einsichtig, ohne grundsätzliche Desaster, man kann seine Strategien umbauen, man kann alle Mankos irgendwie ausgleichen), Walter: 6 (Dynamik fehlt, vermißt Durchsichtigkeit im diffizilen Fortschrittskarten-Optimierungs-Labyrinth.)

2. “Nauticus”

Nauticus – Wer hat da seine Hand im Spiel?
Nauticus – Wer hat da seine Hand im Spiel?

Eine Spielidee von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling ist genauso krisenfest wie eine Gewürz-Boutique von Alfons Schubeck. Unbestritten ist ihre Designer-Begabung, reichhaltig ihr Repertoire an Spiel-Elementen und erfolgreich ihre Findigkeit, auch fremde Ideen zu adaptieren. Bei „Nauticus“ haben sie (in meinen Augen) zweifellos Anleihen bei „Die Werft“ von Czech Games Edition gemacht. Doch vielleicht liegt das Thema Schiffe-Bauen und damit Handel-Treiben quasi in der Brettspiel-Luft. Schließlich tummelt sich Aarons „Trawler“ ja auch in diesen Gefilden.

In „Nauticus“ bauen wir aus Heck-, Bug- und Mittelteilen unsere Schiffe zusammen, bestücken sie mit Masten, hängen Segel daran, laden Fracht auf, verkaufen sie im nächsten Hafen und bekommen am Spielende aus der Stattlichkeit unserer Flotte und aus Menge und Struktur unserer verkauften Waren Siegpunkte. Bekannt, bewährt, gut. Trivial!

Hübsch ist die Auswahl der Spieleraktionen mit dem Aktions-Rondell. Aus acht Segmenten, in denen die Aktionen Rumpfteile, Masten und Segel kaufen, Waren laden und transportieren, sowie Lager, Bank und Kronzeugung angeboten werden, wählt der Startspieler eines aus. Alle Spieler müssen dann die gleiche Aktion ausführen. Eine geglückte zeitliche Abstimmung der einzelnen eigenen und fremden Aktionen trägt wesentlich zur Effizienz bei. Was hilft eine Warenlade-Aktion, wenn die eigenen Schiffe gerade alle voll sind? Oder was hilft die Möglichkeit zum Mastkaufen, wenn man keinen passenden Schiffsrumpf dazu hat? Immerhin kann man bei jeder Aktion auch passen und bekommt dafür als Trostpreis immerhin ein paar Siegpunkte.

Der Startspieler erhält bei der Auswahl seiner Aktion noch einen zusätzlichen Bonus in Form von Arbeitskräften, Geld, Ware, Siegpunkten oder Schiffsbaumaterial. Dieser Bonus ist den einzelnen Aktionen flexibel zugeordnet, so dass jeder Spieler bei seiner Wahl die gewünschten Aktionseffekte, sein eigenes Entwicklungsstadium und die angebotenen Sonderprämien gegeneinander abwägen muss.
Leider ist es damit auch schon getan. Fünf Runden, neuzig Minuten.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (dröge und zäh; es tut ihm weh, dass dieses Spiel bei BBG versucht, seinem Yunnan den Rang abzulaufen), Horst: 5 (unspektakulär, unspannend, öde), Moritz: 6 (ach ja), Walter: 6 (vermißt die ganz normale Aggressivität eines Geschäftslebens).

Zu unserem Bild: Wer als erster mit einer plausiblen Begründung herausfindet, wem die Hand auf dem Bild gehört, bekommt eine Flasche Frankenwein.

3. “Bluff”
Aaron stand mit einem einzigen Würfel gegen zwei von Walter im Endspiel. Er hatte einen Stern gewürfel. Ein toller Wurf! Aber eigentlich bringt er nur Probleme. Schon bei der ersten Vorgabe?
Immer-4 oder Immer-5, das ist hier die Frage! Beider nur beschränkt zielführend! Bei jeder Reaktion des Gegenüber steht man vor neuen Problemen: nach der Antwort 2 mal die Vier bzw. 2 mal die Fünf ist man wohl verloren. Nach 2 mal die Eins, Zwei oder Drei könnte man sein Glück noch mit 3 mal Eins, Zwei oder Drei versuchen. Doch nichts ist sicher, das Spiel heißt ja „Bluff“.

Aaron versuchte als Startvorgabe ein 2 mal die Eins. Sein Gegenüber hatte keine Eins unter dem Becher und konnte leicht anzweifeln. Wie groß war Aaron’s Chance, mit dieser Vorgabe einen Würfel zu gewinnen? Wäre die Startvorgabe 2 mal die Fünf theoretisch (und praktisch) nicht besser gewesen?

Und wie steht es mit 1 mal die Eins?
Behauptung: Wer mit 1 mal die Eins anfängt und nach einer 1 mal die Zwei, Drei oder Vier-Antwort seines Gegenüber auf 1 mal die Fünf erhöht, hat einen Stern unter dem Becher!
(Der Beweis bleibt den Lesern überlassen.)

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

"Was lag auf den Tisch?"