26.02.2014: Cuba mon amour

„Wenn ich Freude daran hätte, mit Nüßchen und Kreiseln zu spielen, warum nicht? Das Vergnügen kennt keinen Ehrgeiz. Es dünkt sich aus sich selbst reich genug und begehrt nicht zusätzlich Ruhm und Ehre.“ (Michel de Montaigne)

1. “Cuba Libre”
Kuba fasziniert immer (noch). Zuckerrohr, Rum, Samba-Rhythmen und heiße Tänze werden auch heute noch zu einem bewegenden Buena Vista gebündelt. Und selbst Kubas Politik läßt uns schon seit mehr als 50 Jahren staunen, bewundern, fürchten und beten.

Cuba libre - die Roten warten auf ihren Einsatz
Cuba libre – die Roten warten auf ihren Einsatz

In „Cuba libre“ wird die Politik von aller Hintergrundlastigkeit befreit und wir können in vier verschiedenen Parteiungen der Reinkultur der demokratischen Korruption, des Casino-Kapitalismus, des revolutionären Terrors und des studentischen Protests frönen.

Jede Partei darf eigene Operationen ausführen: neue Mitglieder, Polizei, Armee oder Guerillas ins Spiel bringen, Stützpunkte bzw. Casios bauen oder zerstören, sich gegenseitig enttarnen, abspenstig machen oder abmurksen, Terroranschläge inszenieren und damit die öffentliche Unterstützung für die Roten oder Blauen auf die eine oder andere Seite kippen lassen.

Bemerkenswert ist die Auswahl der jeweiligen Operationen. Im eingeschwungenen Zustand agieren pro Runde jeweils zwei Spieler, die anderen beiden erholen von ihrem gerade getätigten Zug. Es wird jeweils eine „Ereigniskarte“ aufgedeckt, die individuelle konstruktive oder destruktive Aktionen erlaubt. Zusätzlich definiert diese Ereigniskarte, in welcher Reihenfolge die Spieler handeln dürfen. Der Erstziehende darf wählen, ob er die spontane Ereignis-Aktion ausführt oder eine seiner Standard-Operationen, die er auch noch mit Spezial-Aktivitäten verstärken kann. Der Zweitziehende ist im Aktionsradius eingeschränkt und muss sich auch noch mit dem halben Effekt begnügen.

Man kann als aktiver Spieler auch passen und verzichtet damit in der aktuellen Runde auf seinen Zug. Dafür ist man dadurch nicht abgeschlafft, sondern ist kann sich im Vollbesitz seiner luderischen Kräfte auf die Abhandlung der nächsten Ereigniskarte stürzen. Dort darf man dann ggf. mit Priorität einen besonders wirksamen Schlag gegen Regierung oder Castraner ausführen.

Jede Partei hat ein eigenes Spielziel. Die Regierung muss alle Städt kontrollieren und ein bestimmtes Zustimmungsniveau erreichen. Castros Bewegung des 26. Juli muss im gesamten Land ein bestimmtes Oppositionspotential überschreiten. Das Syndiakat muss 8 Casinos eröffnet haben und damit eine bestimmte Gewinnsumme erzielen. Das Direktorium muss einen vorgegebenen Einfluss innerhalb der Bevölkerung erworben haben.

In einer guten halben Stunde hatte Moritz die Regeleinführung hinter sich gebracht und jeder wußte, welche Züge er machen konnte. Doch welche davon die aktuell wirksamsten waren, dazu brauchten wir noch eine Hilfestellung. Moritz spielte die Regierung, gab aber bereitwillig auch Castro und dem studentischen Protest uneigennützigste Ratschläge.

Er hätte jedem Spieler auch den Wegweiser in die Hand drücken können, wie die entsprechende Partei agieren soll, falls sie von keinem Spieler geführt wird. Solche Anleitungen sind dem Spiel nämlich beigelegt, so dass man in einer Solo-Variante auch ganz alleine seine Verdienste um die Befreiung Kubas erwerben kann. Klar, dass die Regierung, die über reichlich Geldmittel verfügt, ständig Truppen requirieren muss, um damit Städte und Wirtschaftszentren zu schützen. Klar, dass Castro’s wichtigsten Aktionen die Terroranschläge sind. Das Direktorium zieht mit Aufklärung durch das Land, und das Syndikat baut und schützt Casinos und seine Einnahmen.

Man kann mit vollster Leidenschaft seine Partei führen und entsprechend lustvoll auf die gegnerischen Gruppierungen draufschlangen. Man kann das Ganze aber auch wie eine Filmfiktion von Alain Resnai („Hiroshima mon amour“) und Steven Spielberg („Catch Me If You Can“) an sich vorbeilaufen lassen und darüber staunen, mit welcher Virtuosität Moritz die Regierung, das Kapital, die Revolution und die Aufklärung gegeneinander ausspielt. (Der Life-Ticker mit den Szenen zwischen Real Madrid und Schalke war nicht einmal halb so befriedigend!)

WPG-Wertung: Aaron: keine Note (die rein abstrakten Mechanismen funktionieren, besitzen aber keinerlei Thema; [Moritz:] als Herr des Syndikates war Aaron leider die langweiligste Rolle des Spiels zugefallen), Günther: 4 (kein Freund von Simulationsspielen; das Spiel lebt von den Karten, die man toll finden muss. [Oder es eben nicht tut.]), Moritz: 8 (mag dieses Genre. Fasziniert von Material und Mechanismen), Walter: 4 (es war höchst entspannend, sich von Moritz in allen kritischen Entscheidungen an der Hand führen zu lassen; wenn Castro gewonnen hätte, hätte das Spiel noch einen Punkte mehr bekommen …).

Günther’s Einsicht: „Spiele, die eine Solo-Variante beinhalten, sind mit Vorsicht zu genießen!“
Bei BGG wird „Cuba libre“ hoch gehandelt. 308 mal wurde es bewertet und kommt dabei einen Durchschnitt von 7,99 Punkten. Einer der wenigen 2-Punkte-Werter schrieb dazu: „Ich liebe das Thema, finde das Spiel aber extrem langweilig.“
Hallo Ralf, wir waschen unsere Hände in Unschuld!

2. “Blueprints”
Ein lockeres Bauspiel mit Würfeln.
Jeder Spieler bekommt einen eigenen Bauplan für ein Gebäude, das aus sechs zusammenhängenden Würfeln besteht. Aus einer Auslage von 7 Würfeln (in den Farben grün, orange, schwarz und weiß) muss er jeweils einen Würfel herauspicken und damit sein Gebäude sukzessive vervollständigen. Dabei ist lediglich darauf zu achten, dass ein Würfel, der auf einen anderen gelegt wird, mindestens die gleiche Augenzahl besitzt.

Für jeden herausgepickten Würfel wird ein neuer Würfel ins Spiel gebracht, die anderen bleiben in Farbe und Augenzahl unverändert.

Nach sechs Zügen hat jeder Spieler sein Gebäude fertiggestellt. (In seltenen Fällen, wenn zufällig für die oberen Etagen eines Gebäudes keine ausreichenden Augenzahlen ausliegen, ist eine Gebäudevorgabe auch nicht erfüllt.) Dann kommt die Wertung. Fertiggestellte Gebäude bringen Punkte ein. Dazu liefert jede Würfelfarbe noch eigene Beiträge für die Gesamtwertung: Grüne Würfel zählen, wenn besonders viele dafür verwendet wurden; bei gelben Würfeln zählt die Anzahl von Nachbarn, schwarze Würfel bringen besonders in den oberen Etagen viele Punkte, bei weißen Würfeln zählt die eingesetzte Augenzahl. Wer die höchste Gebäudewertung erzielt hat, bekommt eine Goldmedaille mit drei Siegpunkten, der zweite erhält zwei und der dritte einen Siegpunkt.

Weiterhin gibt es Sonderprämien für spezielle Topologien, z.B. lauter gleiche Augenzahlen oder lauter gleiche Würfelfarben.

Blitzschnell ist ein Durchgang zu Ende; die Siegpunkte werden notiert, neue Baupläne verteilt. Der Spieler mit der geringsten Wertungszahl wird neuer Startspieler.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (belanglos), Günther: 5 (das erfolgreiche Bauen ist zu nebensächlich, das hätte man stärker betonen sollen), Moritz: 6 (kurz und schnell; ein lockeres Familienspiel; durch das umfangreiche Bewertungssystem ist die hübsche Spielidee leider etwas überfrachtet), Walter: 6 (freut sich auf ein Spiel mit seinen Großneffen).
Moritz: Das Säckchen, woraus man die Würfel nachzieht, ist zu klein.

3. “Bluff”
Bei insgesamt 15 eingesetzten Würfeln zweifelte Günther Aarons Vorgabe von 12 mal die Fünf an. (Die Wahrscheinlichkeit dafür ist geringer als ein Promille.). Später zweifelte er bei insgesamt 8 Würfeln die Vorgabe von 6 mal den Stern an (Die Wahrscheinlichkeit dafür ist etwas größer als ein halbes Promille!) Beide Male kostete das ihn und Walter einen Würfel. Aaron erfocht einen Kantersieg.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

19.02.2014: Bruxelles vs. Arsenal

Champions-League-Spiele gehen nicht spurlos an unseren Spielabenden vorbei. Aaron grummelt über die Unruhe am Spieltisch, wenn immer mal wieder per Lifeticker der Spielstand abgefragt wird. Horst legt größten Wert auf diese Information; heute ist er sogar eigens zuhause geblieben, um sich doch lieber das 2:0 vom FC Bayern bei Arsenal reinzuziehen. Moritz möchte ebenfalls auf keine Online-Information verzichten; an Fußball-Abenden hat gewöhnlich sein Tablet vor sich liegen, auf dem die entsprechenden Szenerien angezeigt werden. (Auch sonst ist sein Handy höchst aktiv.) Peter ist beruhigt, wenn das Match nicht in der Arroganz-Arena stattfindet. Dann kann er in der Nacht nach Hause kommen, ohne von den „Fußball-Prolls“ in U-Bahn und Leopoldstraße behelligt zu werden. (Dieser Horror-Eindruck stammt noch aus den Zeiten des „Sommermärchens“.) Günther ist der einzige unbewegte Beweger. Und seine Frau freut sich, dass er außer Haus ist und ihr mit seinen dummen Sprüchen nicht den Fussballabend versaut.

1. “Bruxelles 1893”
Die belgische Hauptstadt wurde 1893 zur Wiege des Jugendstils. So steht es im Regelheft. Am Material, Design und Spielablauf ist davon allerdings nicht viel zu spüren. Kein Wunder, wenn sogar Martin Klein, ein professioneller Brüssel-Erklärer bei YouTube (http://youtu.be/PMvGUfBYq1Q) von Jugendstil-Architektur noch nie etwas gehört hat.

Bruxelles 1893 - keine Angst vor dem "Knast"
Bruxelles 1893 – keine Angst vor dem “Knast”

Wir setzen unsere Arbeiter auf – je nach Zufallsauswahl – zehn bis zwanzig Einsatzfelder und

  • besorgen Baustoffe
  • bauen daraus Häuser – angeblich im Jugendstil
  • schaffen Kunstwerke
  • verkaufen unsere geschaffenen Kunstwerke an stets kaufwillige Liebhaber
  • besorgen uns Geldmittel auf dem freien Markt (falls unsere Kunst zuwenig Geld eingebracht hat)
  • heuern Helfer an
  • nehmen die Dienste unserer Helfer in Anspruch (für Geld, Siegpunkte, neue Arbeiter, erhöhte Faktoren für die Siegpunke-Prämien u.ä.)

Alles hängt zusammen, überall sprudelt es, überall fließen uns Siegpunkte zu. Die Baupreise sind variabel, die Kunsterlöse flexibel, der Einsatz auf Geld- und Arbeitsmarkt multibel, die Prämien für unser Arbeiter auf Jugendstil- und Brüssel-Spielplan konkurrabel. Beim ersten Mal ist das Ganze nicht beherrschbar. Beim zweiten Mal ein bißchen. Beim dritten Mal kann man vielleicht schon einen Plan haben. Aber dann macht das Ganze schon keinen Spaß mehr. (Vielleicht!)

Interaktion? Ist bei der extremen Verzahnung der Spielelemente gar nicht zu vermeiden. Und immer mal wieder muss ein Spieler nolens volens (oder nativ vor sich hinspielend) seinem Nebenmann eine steile Vorgabe zuschustern. Aaron bedauerte, dass er nicht hinter Walter, sondern hinter Peter saß. Da wurden deutlich weniger Vorgaben losgetreten.

Peter heuerte zu Beginn – geplant oder zufällig – einen Helfer an, der seinen Faktor für Gebäudeprämien in den fünf Spielrunden von 3 auf den Maximalwert 10 hochhievte. Dazwischen errichtete er alle seine sechs Häuser. Allein für dieses Besitztum kassierte er in der Schlußabrechnung 60 Siegpunkte. Fast so viel wie Günther im ganzen Spiel. Von Aaron und Walter ganz zu schweigen. Das scheint in „Bruxelles 1893“ die Siegesschiene zu sein. Man kann einem Spieler dieser Zielrichtung allerdings in die Suppe spucken.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (unkalkulierbar, kurzweiliger als “Madeira”, 1 Punkt mehr), Günther: 6 (habe es heute zum dritten Mal gespielt; jedesmal ist die Note besser geworden; scheint aber jetzt am oberen Anschlag zu sein), Peter: 6 (zu viele Schräubchen; Schmetterlingseffekte – gemäß Chaos-Theorie; es hat heute Spaß gemacht, besonders, weil ich gewonnen habe. Aber noch einmal möchte ich es nicht spielen), Walter: 6 (wie bei Madeira: 4 Punkte für den Spielspaß und 8 Punkte für die reife Ingenieursleistung).

Hallo Ralf, im Prinzip hast Du recht: Weil uns „Madeira“ nur bedingt gefallen hat, hätten wir von „Bruxelles 1893“ von vornherein gleich „die Westpark-Games-Finger lassen“ können. “Auch hier sind ebenso nur diverse Spielmechanismen aufeinandergeschichtet, um daraus eine verschachtelte Optimierungsaufgabe zu machen!“ Aber Du hast natürlich ebenso unrecht, denn – wie Aaron treffend kommentiert hat – unseren Spielspaß ziehen wir aus dem Kennenlernen an sich. Das Spiel kriegt dann – vielleicht zum Leidwesen von Autor und Verlag – keine Höchstnoten, aber der Spieleabend hat sich für jeden einzelnen von uns trotzdem gelohnt. Wissen macht Spaß! Host mi?

2. “Nobiles”
Wir sind nicht in Italien und auch nicht bei Umbertos umstrittenen Polarfahrten. Aaron fünfte Eigenentwicklung spielt in Ostfriesland. Wir kämpfen gegen natürliche Unbilden wie Sturmfluten und Quallen. Wenn wir sie besiegen, bekommen wir Land, Deiche und ähnliche Besitztümer; und die Nobiles des Landes, als da sind Richter und Häuptling, bekommen dafür Siegpunkte. Wenn wir die Sturmfluten nicht besiegen, geht Land unter, und der Häuptling wird abgesetzt.

Gegensätzliche Interessen von Bürgern und Nobiles beim Besiegen der Elemente, sowie eine Semi-Kooperation und Semi-Konkurrenz innerhalb der freien Aktionen der Mitspieler sind die Leitmotive des Designs. Doch bis zur gelungenen Balance von Kosten und Nutzen, von Einsatz und Gewinn, Mangel und Überfluss, sowie von Beteiligung und Sabotage ist noch ein weiter Weg.

Noch keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

3. “Bluff”
Peter schielte schon auf die vorletzte U-Bahn und wollte nur noch kibitzen. Günther war allerdings noch vor der U-Bahn-Abfahrt ausgeschieden. Reihum krottenschlechte Würfe aller Spieler hatten ihm das Genick gebrochen. Mit 5:5-Würfeln gingen Aaron und Walter ins Endspiel. Schlagartig wendeten sich die Würfel. Bei der Vorgabe 10 mal die Fünf (alle zehn Würfel Fünf oder Stern!) verlor Aaron seinen ersten Würfel. Der Anfang vom Ende.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

“Kohle & Kolonie” ist unser Spiel des Monats

Noch nie war ein Spiel des Monats bei uns so umstritten – man kann mit Fug und Recht sagen, dass 50% der Westpark-Gamers das Spiel hassen, und 50% es abgöttisch lieben. Wie man sieht, haben sich die begeisterten 50% durchgesetzt.

Was nach Ansicht der Verehrer für K&K spricht:

–          Innovatives und thematisch stimmiges Spieldesign
–          Schneller Spielfluss mit wachsender Spannungskurve
–          Genügend Interaktion ohne Kingmaking und Fiesheiten
–          Viele Strategien führen zum Sieg, auch flexible

Was nach Ansicht der Verächter gegen K&K spricht:

–          Zu komplex, zu lang
–          Zu wenige Aktionen
–          Zu langes Warten auf den nächsten Zug (sic!)
–          Zu viele Detailregeln die nichts bringen

Ob man das Spiel nun also mag oder nicht, ist sicherlich Geschmackssache. Es soll aber betont sein, dass die, die das Spiel bei uns mochten, K&K nicht nur für gut befanden, sondern sogar für herausragend gut. Und das will wirklich was heißen.

“Kohle & Kolonie” is our Game of the Month

Never was a game of the month more discussed than this game. 50% of us hated it, 50% loved it to bits. As you can see the latter 50% have prevailed.

What speaks for K&K in the view of its admirers:

– Innovative and thematically consistent design
– Fast flow with growing tension towards the end
– Enough interaction without kingmaking or “take that” – shenanigans
– Many strategies lead to victory, also flexible ones

What speaks against K&K in the view of its detractors:

– Too complex and long
– Too few actions
– Too much waiting for your move (sic! Apparently this is very subjective….)
– Too many details and unnecessary chrome

If you like the game or not will therefore definitely be a matter of taste. But it should be noted that the ones of us that liked this game not only loved K&K….but loved it to bits. And that is quite revealing.

13.02.2014: Der Untergang von Madeira

Dort sitzen die Verbrecher
Dort sitzen die Verbrecher
Diese Woche hat man versucht, den Zugang zu unserer Internet-Seite zu knacken. Glücklicherweise erfolglos. Von unserem Provider erhielten wir die Mitteilung:
3 ungültige Anmeldeversuche von IP: 178.35.177.242
Letzter Anmeldeversuch erfolgte mit dem Benutzernamen: walter
IP wurde gesperrt für 20 Minuten.

Das gleiche auch noch ein paar Stunden später unter dem Benutzernamen „günther“.
Nachforschungen über www.utrace.de ergaben, dass der Betrugsversuch aus Kolumbien kam. Was wollten die Betrüger? Unsere Informationen über Spiele und Spielen zerstören? Pornos oder Schleichwerbung unterbringen? Wer weiß!

Ist das Internet tatsächlich so schutzlos Verbrechern ausgeliefert? Kann der Gesetzgeber nicht vorschreiben, dass jeder Provider eine Identifikation für alle Sender in seinem Netz bereithalten muss? Und gegebenenfalls verantwortlich ist für alles, was seine Kunden tun? Gibt es keine internationale Zusammenarbeit für die Bekämpfung solcher Machenschaften? Können die öffentlichen Behörden keine Kriminal-Zentrale einrichten, an die sich die wehrlosen Bürger wenden können, wenn sie von solchen Verbrechern geschädigt wurden?

Ich könnte solchen Leuten glatt den Hals rumdrehen. Aber vorher noch die Gesetzgebung der Scharia anwenden! Hat Mohammed nicht schon verordnet, dass Einbrecher in fremde Portale mit 100 Stockhieben auf die nackten Fußsohlen zu bestrafen sind …

1. “Madeira”
Im Vorfeld gab es schon Positionskämpfe darum, ob wir das von Moritz mündlich protegierte „Cuba Libre“ oder das von Horst schriftlich gewünschte „Madeira“ auflegen sollen. Bei einer im Internet prognostizierten Spieldauer von je 3 bis 6 (sechs) Stunden konnte heute nur eines davon aufgelegt werden. Die Schrift gewann.
Ach Gott, was soll ich jetzt über das Spiel schreiben? Ein riesiges Räderwerk von Würfeln, Pöppeln, Schiffen, Zählscheiben, Waren, Feldern, Ernten, Städten, Gilden, Charakterplättchen, Aufträgen, Belohnungen und Piraten. Alles hängt zusammen, alles wird für alles benötigt, alles bringt alles als Ertrag hervor.

  • Aus Würfel + Pöppel + Arbeiter + Felder + Ernte mache Holz, Getreide, Zuckerrohr oder Wein.
  • Aus Würfel + Pöppel + Ware mache Gilden.
  • Aus Getreide + Windmühle mache Brot zur Ernährung deiner Pöppel.
  • Aus Würfel + Pöppel + Holz + Kommandant mache Schiffe und Geld und – früher oder später – Waren und Siegpunkte.
  • Aus Aufträgen + Geld v Gilden v Schiffe v Mehrheiten mache Siegpunkte.
  • und vieles mehr

Madeira. Viel Holz vor der Hüttn. Im Hintergrund verfolgt Moritz den Untergang des HSV
Madeira. Viel Holz vor der Hüttn.
Im Hintergrund verfolgt Moritz den Untergang des HSV
Aaron hatte vorgeschlagen, die Spielanleitung nicht komplett vorzutragen, sondern nach einer kurzen Einführung in Material und Spielbrett das Spiel einfach zu beginnen. Jeder solle dann irgendeinen erlaubten Zug machen, die Querwirkungen würden wir ohnehin auf Anhieb nicht (alle) verstehen. Der Vorschlag wurde angenommen. Aber schon bein ersten Zug tauchte unweigerlich die Frage auf: Soll ich jetzt irgendeinen Scheißzug machen, oder soll mein Zug eine vernünftige Weichenstellung bewerkstelligen? Was ist mit „to have a plan“? Zurück zum Regelheft!

(Das wäre für Walter aber nicht notwendig gewesen. Er hat ohnehin die vielen Rädchen des Spiels nicht begriffen. Bis jetzt nicht. Das Spiel lief total an ihm vorbei. Der Satz im Live-Ticker der Sportschau: „Die Hamburger kommen überhaupt nicht an den Ball“ traf genau auch seine eigene mentale Situation.)

Nach knapp zwei Stunden (Madeira-)Spielzeit hatte Robben gerade das 3:0 für den FC Bayern geschossen, wir hingegen hatten erst zwei von fünf Madeira-Runden absolviert. Und es war kein Land in Sicht. Walter war zu einem Abbruch bereit, Aaron stand einem solchen neutral gegenüber, Horst hätte gerne noch die dritte Runde angehängt. Nur Moritz wollte das Spiel bis zu bitteren Neige auskosten: „Ich möchte schon wissen, wie am Ende die dicken Punkte verteilt werden!“

Wir kämpften uns noch durch eine weitere Spielrunde, dann wurde dreimal das Handtuch geworfen und Moritz fügte sich, erst noch zögerlich, später dann aber auch mit Überzeugung.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel hat kein Thema – im Gegensatz zu Kohle & Kolonie; eine gute Balance aber kein Spielspaß, es würde 7 Punkte bekommen, wenn es jetzt – nach der dritten Runde – zu Ende wäre), Horst: 5 (noch eine Spur konstruierter als K&K, dabei kommt jeglicher Spielspaß abhanden), Moritz: 5 (der Würfel-Aussuchen-Mechanismus ist sehr gut gelungen, ansonsten fehlt eine Steigerung), Walter: 6 (4 Punkte für den Spielespaß, 8 Punkte für die Ingenieursleistung).

Horst versteht die Freak-Spieler nicht: je komplexer desto hyper! Das kann doch nicht das einzige Kriterium für die Güte eines Spieles sein! „Es sollten pro Spiel eine A- und eine B-Note vergeben werden, für Technik und Ausstrahlung.“ … „Wie bei Frauen!“ „Technik allein macht es nicht.“ „Aber auch Technik für sich hat eine gewisse Ausstrahlung.“ „Doch ohne Ausstahlung zählt selbst die beste Technik nicht!“ Jeder der Westparker hatte hier eine eigene Weisheit zum Besten gegeben. (Die einzelnen Sprecher werden nicht aufgeschlüsselt.)
Über unsere anschließend ausgetauschten Eindrücke von den Liebedienerinnen auf den verschiedenen Kontinenten dieser Erde schweigt des Sängers Höflichkeit.

“Cub Libre”
Moritz trauerte immer noch seinem verschmähten Spielvorschlag nach. Was wäre „Cuba Libre“ gegenüber einem „Madeira“ gewesen! Soviel wie ein Bankraub gegenüber der Gründung einer Bank. Leider kann man an einem Abend nicht beides haben.

Als Trost tischten wir uns einen „Cuba Libre“ in flüssiger Form auf. Hier das Rezept:

4 cl Cuba-Rum
Saft von einer Limette (heute taten es Zitronen)
etwas Rohrzucker (harte Männer können darauf verzichten)
Cola zum Ausfüllen (seit Weihnachten vom Schwiegerfreund noch zufällig im Haus)

Die – nicht abgefragten – WPG-Wertungsnoten lagen zwischen 8 und 10 Punkten.

2. “Panthalos”
Bernd Eisenstein hat seine Spielentwicklung “Pandora und Titania”, die er uns letztes Jahr zum Testen überlassen hatte, für Essen-2013 nicht rechtzeitig fertig gebracht. Jetzt hat er das Spiel überarbeitet und will es dieses Jahr als „Panthalos“ herausbringen. Wir durften am Beta-Test (Abnahme der Produktionsreife) teilnehmen.

Gestern hatten Aaron und Walter das Spiel in einer Zweier-Runde ausgiebig studiert. Zu aller Zufriedenheit. Heute war auch die Vierer-Runde davon sehr angetan. Nach der vorhergegangenen ermüdenden Holzhackerei waren wir nach der ersten Eingewöhnungsrunde schnell wieder auf dem Dampfer. Alle. Vielleicht lag es auch am Cuba-Rum!

Noch keine WPG-Noten, dafür aber kommentierende Wertungen: Aaron: (erfrischend; wenige, aber sehr gut funktionierende Elemente), Horst: (Klasse; es fehlt nur noch eine entsprechende Graphik; natürlich müssen auch noch die dicken Pappkärtchen des Prototypes in dünne professionelle Spielkarten umgesetzt werden, dann ist es ein hübsches Freak-Spiel), Moritz: (flott; keine Schwachstelle; das Thema ist etwas aufgesetzt), Walter: (rund und schön).

04.02.2014: Adel in der Grube

23 Kommentare hat unser letzter Spielbericht mit „Kohle & Kolonie“ als Hauptdargestelltem provoziert. Unsere Notengebung reicht von deutlicher Ablehnung (Aaron, 4 Punkte) bis zu fast uneingeschränkter Euphorie (Peter: 9 Punkte). Selten gingen unsere Meinungen derart auseinander. Wirklich selten?

Ein kleiner analytischer Blick auf unsere Rangliste bringt zutage: Unter den aktuell aufgeführten 811 Spielen gibt es 48 Spiele mit einer Differenz von 5 oder mehr Punkten zwischen der besten und der schlechtesten Wertung. Bei diesen „bescheuerten“ Wertungen liegt Moritz auf der „guten Seite“ mit 25 Einträgen an der Spitze, Walter führt die „schlechte Seite“ mit 17 Einträgen an.

Naturgemäß gibt es demnach auch die meisten Kombinationen mit Walter als schlechtestem, und Moritz als bestem Werter. Insgesamt 6 mal kommt das vor. Kein Wunder: alternder Mathematiker gegenüber himmelsstürmendem Künstler. Immerhin kommt es aber auch 5 mal vor, dass Peter die schlechteste Note abgegeben hat, wo Moritz der beste war. Obwohl beide als anerkannte Hochgeister bei herausfordernden Spielen meist auf der gleichen Seite der Waagschale zu finden sind.

Es wäre doch mal interessant – zum besseren Verständnis beider Spielerseelen – zu untersuchen, warum bei den Spielen, „Meuterer“, „Princess Ryan’s Star Marines”, “Robo Rally”, “When Darkness Comes: The Awakening” und “Cosmic Encounter” Peter jeweils die schlechteste und Moritz die beste Note vergaben. Und warum es bei „Hanabi“ gerade umgekehrt war. Vielleicht könnt Ihr beide dafür am besten eine Begründung finden …

1. “Glück auf”
Obwohl das Bergbau-Thema gerade erhebliche animositäre Wogen hat hochschlagen lassen, konnte sich „Glück Auf“ als Starter heute problemlos durchsetzen. Das Autoren-Paar Kramer-Kiesling bürgt einfach für gleichbleibend gute Qualität.

Endstand bei „Glück auf“. Günther hat nicht gewonnen. Er konnte auch nicht mit seiner Lieblingsfarbe spielen! Warum gibt es kein Gelb?
Endstand bei „Glück auf“. Günther hat nicht gewonnen. Er konnte auch nicht mit seiner Lieblingsfarbe spielen! Warum gibt es kein Gelb?

In einem Worker-Placement-Spiel schicken wir unsere Arbeiter aus, um

  • Aufträge zum Abliefern von Kohle zu erwerben
  • Loren unterschiedlicher Kapazität, vollgeladen mit gelber, brauner, grauer oder schwarzer Kohle, zu kaufen
  • Die Kohle ans Tageslicht zu fördern
  • Die Kohle auftragsgemäß abzuliefern. (Das gibt leider kein Geld, sondern nur Siegpunkte.)
  • Geld von der Bank zu holen.

Die Aktionsplätze, zu denen wir unsere Arbeiter schicken, sind kein Monopol. Alle Spieler dürfen sich hier engagieren, jeder Spieler sogar mehrfach. Allerdings steigt der Preis: Man muss jedesmal einen Arbeiter mehr investieren als der Vorgänger, um die entsprechende Aktion ausführen zu dürfen.

In drei Wertungen wird die ausgeführte Steigerei bewertet:

  • In der ersten Wertung werden nur die abgelieferten Kohlesorten belohnt. Wer am meisten von einer Sorte abgeliefert hat, bekommt zwischen 2 und 5 Siegpunkten, der zweite bekommt 1 oder 2 Siegpunkte. Alle anderen gehen leer aus.
  • In der zweiten Wertung werden die Kohlesorten genauso wie oben belohnt. Zusätzlich noch die verschiedenen Lieferungsarten. Für die meisten Handwagen, Pferdekutschen, Lastwagen oder Eisenbahnen gibt es zwischen 6 und 9 Punkten, für die zweitmeisten wiederum jeweils die Hälfte.
  • In der dritten Wertung werden zusätzlich zu den Kohlesorten und den Lieferungsarten noch die verschiedenfarbigen Loren belohnt. Für die meisten Loren einer Farbe gibt es dann zwischen 10 und 13 Siegpunkten. Hier spielt die Musik.

Alles ist konstruktiv, alles verläuft rund. Ein ausgewogener Kampf zwischen Konzentration und Diversifizierung. Bei der Konzentration auf einen einziges Element wie Kohle, Lieferung und Loren können wir Rationalisierungseffekte nützen, durch die Diversifizierung sind wir an mehreren Siegpunktquellen beteiligt. Allerdings nur dann, wenn wir dabei jeweils mindestens die zweitbeste Position erreicht haben.

Ein bißchen Zufall ist durch die Verschiedenheit der ausliegenden Lieferungsaufträge eingebaut, der Rest ist solide Mitspieler-Aktion.

Geld ist knapp. Man bekommt es in Stückelungen zwischen 3 und 6 Mark von der Bank. Eine Lore mit zwei schwarzen Kohlen kostet aber bereits 8 Mark. Da muss man schon etliche Arbeiter zur Bank geschickt haben, um diese Summe heimzuholen. Die Bank-Konkurrenz ist am schärfsten. Der Startspieler tut gut daran, seinen ersten Arbeiter gleich auf das 6-Mark-Feld zu placieren.

Weiterhin tut man gut daran, in jeder Runde der Startspieler zu sein. Dazu muss man die meisten Arbeiter in der Lorenfabrik stehen haben. Bei uns war Moritz dreimal Startspieler: das erste Mal zu Spielbeginn per Zufallsentscheidung, die beiden anderen Male durch konsequentes Agieren bei den Loren. Dadurch konnte er sich in der Schlußrunde aus einer relativ abgeschlagenen Position noch an die Spitze setzen. Allerdings lag das Feld ziemlich dicht beeinander. Nur jeweils 1 Punkt Abstand zwischen den einzelnen Spielern. Ist das vielleicht ein Manko – im Sinne von zuviel Gleichförmigkeit – im „Glück auf“?

WPG-Wertung: Aaron: 6 (Multiplayer-Solitärspiel mit ein bißchen Konkurrenz. Soll man sich alles merken, was die Mitspieler erworben haben, um hier eine eigene Prioriätenlinie fahren zu können!? Das Spiel wäre vor fünf Jahren vielleicht auf die Auswahlliste zum „Spiel des Jahres“ gekommen. Heute nicht mehr!), Günther: 6, Moritz: 6 (das Spiel ist OK, die Mechanismen erinnern etwas an „Coloretto“; es fehlt ein Spannungsbogen), Walter: 6.

PS: Der hübsche Förderturm aus gediegener Pappe hat sich leider etwas gewellt. Das wurde auch schon bei Boardgamegeek bemängelt. Dazu unsere Insider-Information: Das Spielmaterial wurde erst wenige Tage vor Essen ausgeliefert und mußte noch feucht eingetütet werden … Ein Bügeleisen kann hier noch Abhilfe schaffen.

2. “Legacy”
Wörtlich sollte man „Legacy“ wohl mit Erbe, Vermächtnis übersetzen. Im Spiel geht es um Familienpolitik innerhalb von drei Generationen.

In 9 Aktionsrunden mit je 2 bis 3 Aktionen dürfen wir heiraten, Kinder kriegen und unseren privaten Pool von Heiratskandidaten erweitern oder austauschen. Auf dem öffentlichen Markt erwerben wir Titel und Schlösser, initiieren Projekte, unternehmen „Missions“ (was immer das sein soll), oder engagieren uns in der Wohlfahrt. Alles dient der Steigerung unseres Ansehens und des zukünftigem Einkommens.

Ein paar Heiratskandidaten in „Legacy“
Ein paar Heiratskandidaten in „Legacy“

Alle Spieler können ziemlich das Gleiche tun. Die einzige Varianz kommt mit den Heiratskandidaten ins Spiel. 75 Stück gibt es davon und alle unterscheiden sich durch die Kosten, die ihre Heirat verursacht, den Zuwachs an Einkommen und Ansehen, der eine Allianz mit ihnen einbringt, und weitere vorteilhafte Sondereigenschaften. Die richtige Mischung macht’s.

Allerdings ist es – für nüchterne Spielertypen – auch ein höchst lästiges Vorgehen, sich aus dem reichlichen Angebot an Kandidaten den jeweils den besten Schwiegersohn heraussuchen zu müssen. Und genauso lästig ist es, diesen Auswahlvorgang bei den Mitspielern abwarten zu müssen. Glücklicherweise hielten sich diese siegentscheidene Prozeduren heute in Grenzen. Aber wenn man das wirklich ernst nehmen würde …

WPG-Wertung: Aaron: 5 (nette Idee, zu clumsy [= bayrisch „dodschert“], die Sonderprämien für die „Missions“ sind unausgewogen, zu viele verschiedene Personen-Eigenschaften), Günther: 5 (riecht verdächtig nach einem Solospiel; das suggeriert auch eine entsprechende Passage im Regelhelft), Moritz: 6 (dauert zu lang, verbraucht – für die Generationenablage – sehr viel Spielfläche, würde es aber nochmals spielen), Walter: 3 (möchte es nicht noch einmal spielen; hat keine Lust, in die tausenderlei Qualitäten der Jet-Set-Heiratskandidaten tiefer einzusteigen).

29.01.2014: Müh-seliger Bergbau

Ein den Westpark-Gamers nahestehender junger Mann arbeitet an einem Vertriebskonzept für ein neues Verhütungsmittel. Uns spielenden Laien fällt dazu nur eines ein: Vögeln, vögeln und nochmals vögeln.
Vielleicht hat unsere intelligente Leserschaft dazu noch weitere Ideen. Kluge Tips werden von unserem Web-Master empfangsfreudig entgegengenommen. Eine mögliche Prämierung ist noch offen.

1. “Kohle & Kolonie”
Unser Kohle-Meister von letzter Woche mußte diesmal wegen Überfüllung aussetzen. Moritz, der letzte Woche während Günthers Regelerklärung das englische Regelheft parallel-las, sprang diesmal ein, um die Neulinge Aaron und Horst in den Bergbau-Kapitalismus im Ruhrgebiet einzuführen.

Moritz erklärt „Kohle&Kolonie“. Such' die Andrea!
Moritz erklärt „Kohle&Kolonie“. Such’ die Andrea!

Sein didaktisch überaus wohlstrukturierter Vortrag dauerte ebenfalls eine Stunde. Dann ging es ans Werk. Den Neulingen war klar, dass sie allein aus der Theorie für K&K heute noch keineswegs den für einen Erfolg notwendigen strategische Ansatz finden konnten. Mitspielen und kennenlernen war die Devise. Das ging sogar relativ schnell. Sehr viel schneller (gefühlt) als beim letzten Mal, wo drei geborene Strategen noch die letzen Promille aus ihrer Zugplanung herausquetschen wollten.

Trotzdem brauchten wir zwei Stunden für die ersten drei der insgesamt fünf Runden. Andrea und Moritz hatten die Regeln konsequent verinnerlicht und freuten sich auf das dicke Ende. Walter hatte – von vorne herein – die Stimmung mitgebracht, seine bisherigen 6 Wertungspunkte geduldig über die Runden zu tragen. Horst wurde von den Grubenunglücken überdurchschnittlich oft (über die 3-Sigma-Grenzen hinaus) getroffen, jedesmal sogar als einziger. Seine Spiellaune sank unter den Nullpunkt. Aarons gebremste Begeisterung kann man an seiner Notengebung (siehe unten) ablesen. Wir brachen ab. Nicht ganz einvernehmlich aber friedlich. Mit einer Drei-Viertel-Mehrheit – bei einer Enthaltung.

Warum muss man in das Spieldesign so viel detaillierte Variation reinbringen. Z.B. bei der Versicherung gegen Grubenunglücke: Warum geht es zweimal nur mittels eines Arbeiters, zweimal nur mit Geld und zweimal alternativ mit Arbeiter oder Geld? Warum verdoppeln sich ab einem variablen, von den Mitspielern beeinflussten Zeitpunkt die Preise für das Einsetzen von Arbeitern oder Ingenieure? Durch das Spielmaterial sind diese Regeldetails zwar aufwändig und sinnvoll unterstützt, aber bringt das dem Spielablauf etwas? Wir haben unsere Zweifel. Nach Aarons Einschätzung ist „die Hälfte der Spielelemente überflüssig“. Obwohl er dahinter ein ausgiebiges Balance-Tuning vermutet.

WPG-Wertung: Der bisher gute Notendurchschnitt von 8,0 wurde von Aaron und Horst total verwässert. Aaron: 4 (zu viele Elemente, zu fummelig, alles mühsam und undurchsichtig, es fehlt das Spielerische), Horst: 5 (habe mich schon lange nicht mehr so gelangweilt, bezüglich der Spieleraktionen ein Mangelspiel; beim Warten auf den nächsten Zug keinerlei Interaktion, humorlos. In abgespeckter Version wäre das Spiel vielleicht der Renner der Saison, so nicht).

Christoph mag unsere Wertung hier wieder als „bescheuert“ einordnen. Wir stehen dazu.
Als Trostpflaster für Thomas Spitzer ein Kommentar von Moritz: „K & K ist ein wunderschönes Spiel mit vorzüglich ausgewogenen Mechanismen.“

Gerade als wir beim Abräumen waren, schoss Thiago das hinreißende Siegestor für den FC Bayern gegen den VfB. Horst war fast dazu geneigt, noch einen Wertungpunkt zuzulegen.

2. “Diggers”
Aaron hatte sein „Diggers“, ein schnelles Karten-Ablege-Spiel, bei dem man oft genug zur richtigen Zeit der Erste gewesen sein sollte, auf dem Spiele-Workshop in Ruppichteroth auf den Prüfstand legen lassen. Herausgekommen ist eine neue Progression in den Punkte-Wertungen, eine längere Rundendauer bis zur Abrechung eines Saison, vor allem aber die Einführung von „Schicksalskarten“, die etwas Unberechenbarkeit in den ansonsten weitgehend planbaren Spielablauf bringen.

Wie schon häufiger erfahren, scheiden sich hier die Geister der verschiedenen Spielertypen. Der chaotische Auto-Emphat freut sich, dass er mittels einer ihm zufällig zugeteilten Zauberkarte das Glück zu seinen Gunsten drehen kann; die Frustration der Mitspieler ist ihm dabei wurscht. Der linear ausgerichtete Psychotherapeut betrachtet bei jedem Zug die Summe allen Spielerglücks und ist keineswegs amused, wenn hier der Erwartungswert negativ wird. Man kann es nicht allen recht machen.
Noch keine WPG-Wertung

“Russian Railroads” is our Game of the Month

Russian RailrodasHelmut Ohley and Leonhard Orgler are well known names to the connoisseurs of railroad games: so is “Russian Railroads” just a new offspring of the 18xx series? No, even though we are building railroad lines, upgrading tracks and buy better engines: this is a pedigree worker placement game of the more complex kind.

Each player is a railroad mogul developing lines and industries into a possible lucrative empire, competing for resources, engineers and industry developments with his team-mates.

At the end of each round, victory points are granted for the current status of each empire – in the first round most likely less than five, in the seventh, and last, often more than one hundred! We haven’t seen such a dynamic since a long time! So jump on-board before your fellow players may leave you behind!

“Russian Railroads” ist unser Spiel des Monats

Russian RailrodasDem Kenner von Eisenbahnspielen sind die Namen Helmut Ohley und Leonhard Orgler wohl bekannt: Handelt es sich bei „Russian Railroads“ also um einen neuen Ableger der 18xx Reihe? Nein, auch wenn wir an Eisenbahnstrecken bauen, die Gleisstrecken aufrüsten und immer bessere Loks kaufen: Wir haben es hier mit einem reinrassigen, komplexen Worker Placement Spiel zu tun.

Jeder Spieler entwickelt als Eisenbahnmogul auf seinem eigenen Tableau Strecken und Industrien zu einem möglichst ertragreichen Imperium und rangelt sich mit seinen Mitspielern um Ressourcen, Ingenieure und Industrieentwicklungen.

Am Ende jeder Runde gibt es Siegpunkte für den aktuellen Status des eigenen Imperiums – in der ersten Runde vermutlich weniger als fünf, in der siebten und letzten häufig mehr als Einhundert! Eine solche Dynamik hat man schon lange nicht mehr erlebt! Also schnell einsteigen, bevor eure Mitspieler alleine abgefahren sind!

22.01.2014: Tunnelbrand und Grubenunglück

Peter war pünktlich. Um 18:59 stand er auf der Matte am Westpark. Von Odeonsplatz aus hatte er sich ein Taxi genommen. Er konnte froh sein, dass er überhaupt eines erwischen konnte. Moritz und Andrea konnten lange keines erwischen. Ein Tunnelbrand an der Münchener Freiheit hatte die U-Bahn lahmgelegt und hunderttausend Fahrgäste suchten verzweifelt ein Weiterkommen. Erst 20 Minuten später trudelten sie – ebenfalls per Taxi -am Westpark ein. Immerhin.

Wenn das morgen passiert, habe ich keine Chance, den Bridgeclub noch rechtzeitig zu erreichen. Dann müssen sich Partner und Komplementäre ungespielt wieder nach Hause begeben. Noch dazu ohne U-Bahn …

1. “Kohle & Kolonie”
Nach „Ruhrschifffahrt“ das zweite Spiel von Thomas Spitzer um die Kohleförderung an Rhein und Ruhr. Ein drittes Werk zu dieser Thematik hat er bereits in der Backröhre liegen.

Kohle & Kolonie
Kohle & Kolonie

Die Szenerie zeigt Grubenfelder auf den Stadtgebieten um das heutige Essen und Bochum herum. Wir sind Investoren, und mache in Kohleminen oder Zechen. Zechen kosten Geld und benötigen lokale – in der Startaufstellung auf dem Spielbrett verteilte – Arbeiter. Ohne Arbeiter keine Zechen. Wenn die lokalen Arbeiter alle wegengagiert sind, müssen wir Siedlungen bauen und eigene Clansleute für diese Aufgabe heranziehen.

Zechen bringen Geld und Siegpunkte. Die Art und Höhe der Einnahmen können wir in gewissen Grenzen beeinflussen, indem wir unsere fünf „Übertage-Tableaus“ entwickeln: Arbeiter und Ingenieure darauf positionieren sowie mittels Geld und lokaler Arbeitskräfte verbesserte Gewinn-Umsetztabellen aktivieren.

Der Gewinn, den die Zechen abwerfen, steigert sich mit der Anzahl der Mitspieler, die sich hier als Investoren beteiligt haben. Es geht also nicht darum, in seiner kleinen und übersichtlichen Spielfeldecke ein Monoimperium aufzubauen. Ganz im Gegenteil, man muss mitten im Zentrum einsteigen und hoffen, dass auch die Mitspieler hier ihr Interesse bekunden.

Dem freien Unternehmertum sind allerdings scharfe Grenzen gesetzt. Maximal vier Anteile stehen pro Zeche zur Verfügung. Kleinzechen sind schon ausgebucht, wenn auch nur ein einziger Mitspieler hier eingestiegen ist. Viele Anteile komme auch erst im Laufe des Spiels ins Spiel. So gibt es in der ersten Runde nur insgesamt zwei Zechen, an denen sich überhaupt ein einziger weiterer Mitspieler beteiligen kann. Der zweite macht das Licht aus!

Und wer ist der Erste? In einem hübschen Bonusmarkerauswahlverfahren suchen sich die Spieler zu Beginn einer Runde reihum ein Bonus-Plättchen aus – es gewährt Geld-, Sach-, oder Aktionsvorteile – und legen damit gleichzeitig die jeweilige Position in der Zugreihenfolge fest. Klar, dass in jeder Runde bei der Auswahl der Bonunsmarker die umgekehrte Spielerreihenfolge der Vorrunde zum Zuge kommt.
Mehrere Teilhaber an einer Zeche sind zunächst also grundsätzlich von Vorteil. Bis in einer definierten späteren Runde die Zeche „konsolidiert“ wird. Hier werden sie dann auf einmal Konkurrenten um den Alleinbesitz der konsolidierten Zeche. Wer jetzt am meisten bietet, wird Alleinbesitzer der konsolidierten Zeche und kassiert die folgenden Rundenerträge für sich alleine; alle früheren Mitbesitzer erhalten aber eine vernünftige Entschädigung.

Was gibt es noch? Wir können unsere Clansleute in den Siedlungen mit der Eisenbahn auf Reisen schicken: jede Station enthält positive Überraschungen (an Geld, Arbeitern oder Siegpunkten) bereit. Und wenn wir eine der insgesamt vier Eisenbahnlinien vollständig abgegrast haben, erhalten wir weitere Siegpunkte gutgeschrieben.

Und dann gibt es pro Runde noch die unvermeidlichen Grubenunglücke. Davon sind die Zechen aller Spieler regelmäßig bedroht. Nach einem Zufallsverfahren wird ermittelt, welche Zechen konkret betroffen sind. Sie verlieren Arbeiter und bekommen Strafpunkte. Man kann sich dagegen versichern, doch das kostet Ressourcen. Die ganze Konstruktion ist einerseits gegen die Mehrheitsbesitzer gerichtet: je mehr einer besitzt, desto höher ist sein Versicherungsaufwand. Die Grubenunglücke sollen aber andererseits ein bisschen spielerischen Zufall in das ansonsten strikte Planspiel hineinbringen.

Ja, Planspiel! Eine Stunde brauchte Günther zu seiner sehr reif dargebotenen Spieleinführung. 28 gut gegliederte Seiten Regelheft galt es zu erläutern. Drei geschlagene Stunden dauerte hinterher dann das Spiel: Fünf Runden, in denen jeder Spieler je zwei Aktionen (Grube kaufen, Siedlung bauen, Arbeiter versetzen etc.) durchführen durfte. Achtzehn Minuten für eine Aktion! (OK, da in einigen der Bonusmarkern auch noch Aktionen enthalten waren, kam jeder Spieler also vielleicht alle fünfzehn Minuten zu einer Aktion.) Der Rest der Zeit vergeht mit dem Ausrechnen von Geld- und Siegpunkte-Einnahmen, mit dem Bieten innerhalb der Konsolidierungsprozesse und mit dem Warten auf das Planen und Ausrechnen der Mitspieleraktionen. Und wer in den ersten beiden Runden der ersten Stunde die richtigen Weichen gestellt hat, der kann in den beiden folgenden Stunden unabdrängbar seinem Sieg entgegendenken.

Peter optimierte am besten. In der letzten Runde optimierte er sogar noch die Differenz zu seinen stärksten Verfolger Günther. Mit 148 zu 130 Siegpunkten gingen sie weit vor den anderen Mitspielern durchs Ziel.

WPG-Wertung: Andrea: 8 (interaktiv, thematisch gelungen, großer Handlungsspielraum), Günther: 7 (das Spiel wäre mit ein paar abgestrippten Schnörkeln noch besser), Moritz: 8 (hübsche Konstruktion, erlaubt verschiedene Strategien und darin sogar noch einen fliegenden Wechsel), Peter: 9 (von der Komplexität her das schönste Spiel der letzten Jahre), Walter: 6 (hübsche Ideen, stimmige Abläufe, gelungene Balance, aber zu fieselig und zu rechenintensiv).
Vielleicht könnte Peter in seiner 9-Punkte-Euphorie noch mehr dazu schreiben, ich kann
es nicht.

PS: Worauf das Wort “Kolonie” im Titel anspielt, habe ich nicht herausbekommen.

Nichts mehr
Kein Bluff, kein Flaschenteufel, kein Diggers und kein Mau-Mau. Mitternacht war vorüber. Hoffentlich fährt die U-Bahn wieder.

"Was lag auf den Tisch?"