Archiv der Kategorie: Spieleabende

13.02.2013: Bohnenstangen in Oddville

  • Zeige keine böse Laune, wenn Du schlechte Karten bekommst oder wenn Du verlierst. Wer im Spiele nie verlieren will, der muss sich auf Blindekuh beschränken.
  • Spiele nicht so unerträglich langsam, daß Deinen Mitspielern der Geduldsfaden reißt.
  • Sei nicht aufgebracht, wenn Deine Mitspieler Fehler machen.
  • Zeige keine laute Freude, wenn Du gewinnst. Das tut denjenigen, die verloren haben, noch mehr weh als der Verlust selbst.
  • Nötige niemand zum Spielen, wenn er nicht gern oder oder wenn er schlecht spielt.

Diese Regeln sind kein Ausschnitt aus dem Kodex der Westpark-Gamers; sie schrieb vor bereits 225 Jahren ein gewisser Adolphe Freiherr von Knigge – der KNIGGE – in seinem klugen Buch „Über den Umgang mit Menschen“.

1. “Pandora und Titania”
Letzte Woche lag Bernd Eistensteins Neu-Entwicklung zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch (siehe Session-Report vom 6.2.13). Wir schicken unsere Leute auf den Markt und zur Gilde, um Waren zu erstehen, zu verbessern und sie bei Gelegenheit (gegen Siegpunkte) zu verkaufen. Wir schicken unsere Leute in die Vorstadt, in die Kaserne, ins Bergwerk oder auf das Schlachtfeld, um sie gegen den (siegpunktträchtigen) Lebenskampf mit Munition zu versorgen und dann auch kämpfen zu lassen. Wir gehen auf die Agora, um neue Leute anzuheuern und wir schwitzen im Ackerbau, um unsere Belegschaft zu ernähren. Frivole Leute gehen auch noch in den Tempel, um dort die Büchse der Pandora zu öffnen und eine (siegpunkt-beeinträchtigende) Plage auf die Menschheit loszulassen.

Trotz eines umfangreichen Briefwechsels mit dem Autor hatten wir beim ersten Mal die Kampfregeln nicht richtig verstanden und falsch gehandhabt. Ein weiterer Klärungsdialog hat jetzt endgültig die letzten Unklarheiten beseitigt: Zuversichtlich gingen wir in eine neue Runde mit dem aus zahlreichen Elementen großzügig ausgestatteten Produkt.

Bevor die anderen ihr Pulver getrocknet hatten, ritt Aaron schon ins Schlachtfeld, hatte keine Mühe, die wehrlosen Gegner niederzustrecken und heimste beängstigend viele Siegpunkte ein. Günther stieg unverzüglichl ebenfalls auf die Schlachtfeldschiene um (von welcher Anfangstaktik eigentlich?). Dort mauschelten beide (Aaron und Günther) – in der weisen Überlegung, keine lachenden Dritten zu generieren – höchst effiziente Nicht-Verteidigungsabsprachen aus, d.h. sie kämpften jeweils gegeneinander und der jeweils Angegriffene wehrte sich nicht (gar nicht!), so dass mit minimalen Einsatzmitteln, ja sogar noch mit Kampfmittelgewinn, für jeden je eine belanglose Niederlage und ein lukrativer Sieg heraussprangen.
Walter versuchte sein Glück zuerst mit Waren, liebäugelte dann auch ein bisschen mit Pandora, sein Umstieg auf Titanium kam zu spät.

Ausgerechnet unser Krieger Moritz ließ sich von dem Gedränge auf dem Schlachtfeld beeindrucken und suchte sein Heil bis zur bitteren Neige in einer friedlichen Nische für friedliche Siegpunkt-Quellen. Nicht sehr überzeugend und auch nicht sehr erfolgreich. Hinterher bekannte er, dass ihm die eleganten Kampfwürfel abgegangen seien.

Kritikpunkte der Westpark-Gamers:

  • Das Thema ist nicht wirklich präsent, „Pandora und Titania“ ist ein rein abstraktes Workerplacement-Spiel.
  • Im Spiel werden zwei total unterschiedliche Spielweisen (Handel oder Kampf) angeboten, die leider total unabhängig nebeneinander herlaufen. Eine stärkere Verzahnung würde eine einheitlichere Stimmung mit mehr Variablität und Spannung fördern.
  • Die nach den Regeln noch zugelassenen Mauscheleien auf dem Schlachtfeld unterlaufen den notwendigen (und sicherlich vom Autor gewünschten) massiven Materialeinsatz beim Kampf. Das darf so nicht sein.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Oddville”
Wir bauen eine Stadt.
Dazu spielen wir eine von vier „Arbeiterkarten“ (aus einem für jeden Spieler identischen Set) aus und erhalten dafür Geld, verschiedene Rohstoffe (teils gegen Geld) oder Baupläne. Die vier Arbeiterkarten unterscheiden sich lediglich in der Menge des Geldes, im Wert der Rohstoffe und in der Auswahl der Baupläne. Hier sei schon einmal angemerkt, dass wir dieses Vorschalten von Aktionskarten vor unsere eigentliche Aktion ziemlich überflüssig fanden.

Die erforderliche Kombination von zwei oder drei Rohstoffen erlaubt uns, einen Bauplan zu realisieren, d.h. die Stadt um eine Rechteckfläche (mit zueinanderpassenden Häusern und Wegen) zu erweitern. Diese Rechteckfläche gehört uns und liefert am Ende – abhängig vom Gesamtausbau der Stadt – Siegpunkte, z.B. für die Anzahl angrenzend bebauter Rechtecke, für die Anzahl von Rechtecken in der gleichen horizontalen oder vertikalen Linie oder für die Anzahl gleichartiger Rechtecke in der gesamten Stadt.

Für das Bauen einer Rechteckfläche erhalten wir auch noch bestimmte Vergünstigungen („Charakterkarten“), z.B. dürfen wir dann Rohstoffe beliebig gegeneinander tauschen, Baupläne mit der offenen Auslage tauschen, Geld direkt in Baupläne verwandeln oder gleichzeitig mit einem Mitspieler eine Rechteckfläche bauen.

Diese einmal erworbenen Vergünstigungen sind uns aber nicht fest zugeordnet. Wenn von einem Kartentyp keine Charakterkarte mehr ausliegt (das passiert blitzschnell), dann werden alle Charakterkarten eingezogen und die ehemals Privilegierten müssen wieder bodenständig arbeiten. Auch die Siegpunkte, die mit den Charakterkarten verbunden sind, gehen flöten. Ein bißchen Chaos gehört in ein italienisches Brettspiel schon hinein.

So verpufft die Planbarkeit. Die Abhängigkeit der eigenen Siegpunktausbeute von den weitgehend willkürlichen Bauaktivitäten der Mitspieler macht es überflüssig, über gute oder schlechte Spielzüge nachzudenken. Obwohl man es tun könnte und das am Westpark sogar versucht.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel ist nicht kaputt), Günther: 5 (diese Note ist ja noch kein Gütesiegel), Moritz: 4 (Man glaubt zu planen, aber nichts ist haltbar, auf nichts kann man bauen), Walter: 5 (locker, flüssig).

3. “Würfel-Bohnanza”
„Bohnanza“ klingt gut und der Autor „Uwe Roselberg“ auch. Doch die positiven Erwartungen, in „Würfel-Bohnanza“ irgendetwas bohnanza-artiges zu finden, werden betrogen. (Oder habt Ihr etwas gefunden ausser dem Farb-Design der Schachtel?)

Walter hinter Würfel-Bohnanza
Walter hinter Würfel-Bohnanza

Wir wurden unwillkürlich an „Bingo“ erinnert. Statt eines Wettscheins mit Zahlenkombinationen, die zentral von einem Meister mit einem Würfel ausgewürfelt werden, bekommt jeder Spieler eine „Erntekarte“ mit Würfelmuster-Kombinationen, die reihum dezentral von den Mitspielern mit sieben Würfeln ausgewürfelt werden. Jeder Wurf gilt für alle Spieler. Wenn die geworfenen Würfel das aktuelle unterste Würfelmuster der Erntekarte treffen, ist eine Ernte-Bedingung erfüllt. Wenn drei, vier oder fünf Ernte-Bedingungen erfüllt sind, darf man seine Erntekarte einstreichen und erhält dafür ein, zwei oder drei Siegpunkte.

Der aktive Würfler – nur er – hat das Recht, auf eine bestimmte Würfelkombination hinzuarbeiten, d.h. einzelne Würfel auszusondern und mit den restlichen Würfeln nachzuwürfeln. So lassen sich – mit einem gewissen stochastischen Glück – auch mal seltene Würfelmuster erwürfeln.

Wenn uns das aktive unterste Würfelmuster zu kompliziert erscheint (die Wahrscheinlichkeit dafür, es zu erwürfeln, als zu gering), dann können wir unsere Erntekarte mit dem aktuellen Ertrag (oder Nicht-Ertrag) weglegen und uns eine neue besorgen. Im Bingo entspricht das einem Abkassieren der aktuellen unvollständigen Teiltreffer auf unserem Wettschein, das Lösen eines neuen Wettscheins, und ein neues Hoffen auf Fortunas Würfelgunst für die neue Ernte-Kombination. Moritz brachte es auf den Punkt: „Man muss warten, bis sie kommt!“ und löste damit zu später Stunde noch ein homerisches Gelächter aus.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (durchgehend spannend), Günther: 6 (eine angemessene geistige Herausforderung, höchst interaktiv), Moritz: 2 (langweilig), Walter: 3 (stimmiges Würfelspiel).

Wieweit die obigen Wertungskommentare alle ernst gemeint waren, weiß nur der Kuckuck!

08.02.2013: Nachholspiele

Peter und Loredana hatten zum Spieleabend eingeladen, um endlich einige der von ihnen in den letzten 12 Monaten verpassten Spieleperlen auszuprobieren.

1. Québec
Wie schon vor etwas über einem Jahr löste der bonbonfarbene Spielplan Stirnrunzeln bei den Gastgebern aus. An Stadtviertelplanung und -bebauung denkt man wohl als Letztes, wenn man den Plan zum ersten Mal sieht. Wenn er denn wenigstens funktionell wäre, aber selbst da tun sich Schwächen auf, denn ab und zu wurde von einem Spieler die Zuordnung Farbe zu Sonderaktion eines Bauplatzes verwechselt.

Aber dies ist in Anbetracht des gebotenen Spielspaßes nur eine Marginalie. Über vier Perioden hinweg spielt sich Québec flüssig und bis zum Ende spannend. Die zwei Stunden Spielzeit vergingen wie im Fluge und das Erstaunen war groß, als zum Schluss zwischen der Sieger gerade einmal 5 Siegpunkte mehr hatte als der Spieler mit den wenigsten Punkten. Ist das der Beweis, dass Québec besonders gut ausbalanciert ist?

WPG-Wertung: Loredana: 8 (kurzweilig), Peter: 10 (ein echtes Ystari-Spiel), Aaron u. Günther bleiben bei ihrer 8er-Wertung

2. Rapa Nui
Rapa Nui wurde vor ebenfalls einem Jahr von uns mit einer Durchschnittswertung von 7,8 bedacht. Das stimmige, runde Spiel

  • ist flott
  • enthält einen hübschen Spannungsbogen
  • mischt Glück und Planbarkeit in einer spielerischen Kombination
  • ist sehr interaktiv

schrieb Walter in seinem damaligen Spielbericht. Leider konnten wir Peter und Loredana von diesen Qualitäten nicht überzeugen. Schon nach wenigen Runden saßen beide gelangweilt bis missmutig vor der Kartenauslage und wünschten sich das Spielende herbei. So sah dann auch ihre Wertung aus.

WPG-Wertung: Loredana: 6, Peter: 7.

3. Love Letter
Dieses minimalistische Kartenspiel mit Bluff- und Deduktionselementen sorgte schon vor einem Vierteljahr für geteilte Meinungen wegen des großen Glückelements. Dabei bietet das Spiel mit minimalem Erkläraufwand und kurzer Spieldauer durchaus viel Spaß. Walters damaliger Vergleich mit „Mensch ärgere Dich nicht“ hinkt insoweit, als bei „Love Letter“ eben nicht nur das Glück zählt. Den Spaß, den wir in den vorherigen Runden hatten, konnten Peter und Loredana allerdings nicht so recht nachvollziehen. Gelacht wurde diesmal, glaube ich, kein einziges mal.

WPG-Wertung: Loredana: 5, Peter: 5.

4. Zoff im Zoo
P&Ls Lieblings-Absacker musste nach den beiden vorhergehenden Flops (aus ihrer Sicht) einfach auf den Tisch. Lag’s am Wetter, an den zwei Stunden Sport unmittelbar vor dem Spieleabend oder am vielen Haribo-Konfekt? Jedenfalls schaffte Aaron in den ersten drei Durchgängen gerade einmal 9 Punkte und sicherte sich damit bei Spielende den letzten Platz. Bemerkenswert.

WPG-Wertung: keine neue Wertung.

Apropos Haribo-Konfekt: Peter behauptet, dass das in Bayern nicht viel gekauft wird, dafür in Norddeutschland umso mehr. Soll am Lakritzanteil liegen. Günther und Aaron (beide aus dem Norden) teilten sich daraufhin die 500gr-Packung.

06.02.2013: Erfinder in El Paso

Aarons war jetzt erstmals als Spieleerfinder auf der Spielemesse in Nürnberg. Seine Erkenntnis:

“Spieleautoren hatten es schon immer schwer, mit ihrer Arbeit Geld zu verdienen. Zu viele Spielideen treffen auf zu wenige Verlage in einem gesättigten Markt. Leider verschlechtert sich die Situation zusätzlich, denn in den großen Verlagen gibt es in den oberen Etagen immer weniger Leute, die aus der Spieleszene kommen und immer mehr “Jungspunde”, die reine Manager sind. Noch dazu gibt es leider genug Autoren, die auch noch die schlechtesten Verträge unterschreiben, nur damit ihr Spiel überhaupt veröffentlicht wird.”

Moritz konstatierte eine entsprechende Tendenz auch in der Musik:

„Ja, auch in der Musikszene gibt es Leute, die für einen Appel und einen Ei (oder umsonst) Musik für Ensembles und Orchester schreiben, nur damit sie überhaupt aufgeführt werden. Es gilt aber auch bei uns [Musikschaffenden] das Gesetz, dass die, die sich nicht anbiedern und Geld verlangen, eher als begehrt gelten, das ist dann meistens die bessere Taktik.“

1. “Pandora und Titania”

Pandora und Titania
Pandora und Titania

Mit Pandora verknüpfen Freunde der griechischen Mythologie gewöhnlich eine Frau, aus deren Dose allerlei böse Plagen auf uns Menschen herausgekommen sind. Titania hingegen ist für Schöngeister die verwirrte Ehefrau des Elfenkönigs Oberon, für unpathetische Naturwissenschaftler ein chemisches Element, für pathetische Radfahrer das Leichtmetall, aus dem die geilsten Fahrradrahmen der Welt hergestellt werden, und für Brettspieler der dreijährige Sprössling von Rüdiger Dorn, erschienen bei Hans-im-Glück.

Der Doppelname dieser beiden Frauengestalten (bzw. Frauen & Metall-Gestalten) ist der Arbeitstitel von Bernd Eisensteins neuester Schöpfung, das er in diesem Jahr auf seinem Stand in Essen seinem Spielensemble von „Peloponnes“, „Pergamemnon“, „Pax“ und „Porto Carthago“ hinzufügen will. (Hallo Bernd, liegt in der konsequenten Verwendung des Anfangsbuchstabens „P“ eine Methode?) Wir am Westpark durften einen schon recht weit gediehenen Prototyp unter die Lupe nehmen.

In einem Workerplacement-Spiel lassen wir unsere Gefolgsleute auf zehn verschiedenen Aktionsfeldern des Spielbretts werkeln. Zwei grundsätzlich verschiedene Schienen werden angeboten. Auf der friedlichen Schiene erwerben wir Waren, verscherbeln sie an Händler oder Reeder und machen damit Siegpunkte. Auf der kriegerischen Schiene schwängern wir unsere Mannschaft mit Siegpunkt-Embryos, und schicken sie mit einem reichlichen Vorrat an Titanium (was immer das ist, im Plural heißt es wohl „Titania“) in den Geschlechterkampf. Mit Titanium lassen sich auch Pandoras Plagen, die wir gezielt oder frivol über die Menschheit hereinbrechen lassen, heil überstehen, ja sogar in Siegpunkte ummünzen.

Unabdingbar ist die Stärkung unserer Leute für den Konkurrenzkampf durch Brot und Muckies.

Walter hatte sich gut vorbereitet und durfte eine Stunde lang in den Spielablauf einführen. Die vielen verschiedenartigen, vielleicht sogar gewöhnungsbedürftigen, Spielelemente, ihre Sinnhaftigkeit und gegenseitigen Abhängigkeiten machen es nicht kürzer. Gut zwei Stunden lang verlustifizierten wir uns damit, Pandora und Titania unterzukriegen. Es war ein kurzweiliges Vergnügen, auch wenn am Ende mit Bedauern festgestellt wurde, dass die Mengen an Titan, die jeder auf seiner Seite angescheffelt hatte, keinen Pfifferling mehr wert waren.

WPG-Wertung (prophylaktisch für ein noch reifendes Spiel): Günther: 7 (wenn die Kampf-Mechanismen noch befriedigend geklärt werden), Horst: 6 (die Auswirkungen der Kämpfe – selbst wenn der Mechanismus funktioniert – sind zu krass), Melanie: 5 (die „Pandora“ ist ein unbefriedigendes Element), Walter: 7 (Vorschußlorbeeren bezüglich letzter Klärungen).

2. “El Paso”
In einem hübschen kleinen Würfel-Zockerspiel sind wir Banditen und plündern Wild-West-Städte von Abilene bis El Paso. Plündern heißt: Jeder spielt eine Karte für das Objekt seiner Begierde aus, sei es in Bank, Saloon, Goldmine, Rinderweide, Hotel oder Pferdekoppel. Erbeutet wird, solange der Vorrat reicht. Dann würfeln wir – zu Beginn mit fünf, später mit immer weniger Würfeln – darum, ob Rinderweide und Saloon überhaupt betreten werden dürfen, und ob nicht Sheriffs auftauchen, vor denen wir rechtzeitig geflohen sein sollten.

Wenn auch der letzte Würfel einen Sheriff zeigt, muss eine Stadt geräumt sein. Wer das versäumt hat, muss seine komplette bis dahin gemachte Beute stehen und liegen lassen und mit leeren Händen in die nächste Stadt ziehen.

El Paso
El Paso

Solange die Sheriffs nicht zugeschlagen haben, darf jeder seine Beutestücke in Goldnuggets (sprich: Siegpunkte) umtauschen und / oder eine bestimmte Anzahl davon mit in die nächste Stadt nehmen. Die Umtauschrate steigt von Ort zu Ort, allerdings sind die Taschen sehr klein: wer als erster eine Stadt verläßt, kann nur ein einziges Beutestück mitnehmen, der zweite kann zwei mitnehmen, und so weiter.

Das Zocken besteht also darin, in einer Stadt solange auszuharren, bis der Erwartungswert für zusätzliche Beute und dem Verlust der gesamten Beute kleiner als Null ist. Wer nichts zu verlieren hat, der bleibt. Wer ohnehin Letzter ist, oder wer Zweiter ist und unbedingt noch Erster werden will (und kann), der bleibt auch. Schnell und schmerzlos.

WPG-Wertung: Günther: 5, Horst: 6 (Der Spannungsbogen ist nicht so groß wie erwartet), Melanie: 6 (macht Spaß, ist locker und gibt Raum für ein bißchen taktische Überlegungen, Abstriche für das Design: die Bonus- und Malus-Kategorien in den verschiedenen Städten sind nur schwer zu erkennen), Walter: 6 (stimmiges Würfelspiel, doch die Steigerung der Siegpunkt-Ausbeute in der letzten Stadt ist selbst für ein Zockerspiel zu krass.)

3. “Bluff”
Aufgrund des dringenden Bedürfnisses unseres charmanten Gastes Melanie erfanden wir eine weibliche Bluff-Variante: Man darf die Würfel-Vorgaben des Vorgängers beliebig erhöhen oder ERNIEDRIGEN.

Günther brachte ein weiteres Regelkuriosum zur Diskussion: Darf der Startspieler einige Würfel rauslegen und nachwürfeln, bevor er seinen allerersten Tip abgibt? Mir kommt das vor wie die Erweiterung der natürlichen Zahlen bis zur Null. Für einen Mathematiker ist das eine triviale natürliche Extrapolation, Pythagoras hätte sich der Magen umgedreht.

WPG-Wertung: Unsere super Bluff-Noten verwässerte Melanie mit einer 7.

30.01.2013: Graben und Drehen

Vor drei Jahren, am 26.5.2010, wurde Aarons erste Eigenentwicklung zum ersten Mal bei uns erwähnt. Damals ging es noch um eine schnelle 18xx-Variante, deren zulässige Aktionen wie Gleise-Legen und Städte-Verbinden erst in jeweils vorgeschalteten Bietrunden ersteigert werden mußten.

Im Laufe der Entwicklung wurden aus Lokomotiven Händler und aus Eisenbahngleisen historische Handelsrouten. Unter dem Arbeitsnamen „Manipur“ siedelte Aaron die Szenerie zunächst in Ostindien an und verlegte sie später auf Anregung von Peer Sylvester – hiermit sei ihm gedankt – unter dem Namen „Yunnan“ auf das Hochland zwischen China und Tibet, wo schon vor Jahrhunderten chinesischer Tee und tibetanischer Pferde ausgetauscht wurden.

Fünfmal stand „Yunnan“ nachweisbar auf den Prüfständen am Westpark, bis es in der Vielfalt seiner Zugoptionen und den bewußt darin untergebrachten unterschiedlichen Gewinnstrategien genügend ausbalanciert war. Schnell war es auch noch, und variationsreich-überraschend im Spielverlauf.

Vor zwei Wochen stellte Aaron seine Version auf einem Autoren-Seminar vor. Unvermutet schnell biß ein Verlag an. „Argentum“ will das Spiel auf der diesjährigen Messe in Essen zu seinem Flagschiff machen. Vorgestern trudelte ein unterschriftsreifer Vertrag an. Aaron freut sich auf die Zusammenarbeit.
Ein Hoch auf und von A (Aaron) + A (Argentum) bis Y (Yunnan) und Z (Zusammenarbeit)!

1. “Diggers”
Wenn Aaron am kommenden Wochenende zur Messe nach Nürnberg fährt, hat er noch drei weitere Eigenkonstruktionen in der Tasche. Eines davon ist ein kleines Kartenspiel, das als „Kickstarter“ und als „Inkubator“ auch schon bei uns vorgestellt worden war. Heute heißt es „Diggers“ und hat als Leitmotiv Zwerge, die in Bergwerken nach Erzen graben. Doch gleich zu Beginn verraten: Das höchst taktische, schnelle Kartenspiel ist viel zu abstrakt (reizvoll abstrakt), als dass es mit der großmütterlichen Zwergenszenerie gut bedient wäre.

Es ist ausgereift, funktioniert super, könnte sofort in Produktion gehen, nur das darunterliegende Thema findet noch nicht aller Wohlgefallen. (Achtung, Spieleautoren, genauso gehört es sich – für ein Eurospiel – : erst muss es funktionieren, dann darf auch noch ein Thema her. Bitte nicht umgekehrt!)

DiggersNach der heutigen Zwergen-Terminologie liegen in der Mitte des Tisches drei „Schaufeln“, mit den heute, morgen oder übermorgen in die Grube gefahren werden soll. Wir schicken unsere „Zwerge“ reihum zu den Schaufeln und wenn rechtzeitig genügend (vier) Zwerge eines Stammes ankommen, fährt die Schaufel los und die mitfahrenden Zwergenbesitzer bekommen dynamisch steigende Siegpunkte.

Der Reiz liegt einmal im schnellen Spiel. In 10 Minuten ist ein Durchgang durch. Der Reiz liegt aber auch innerhalb des reichlich gebotenen Taktierens: Schicke ich nur einen Zwerg oder gleich die benötigten vier Zwerge zu einer Schaufel. Belege ich prophylaktisch schon mal Zukunfsschaufeln (für die ich ggf. eine höhere Siegpunktzahl bekomme) oder verhelfe ich der Schaufel von heute zur Wertung, wo jeder nachfolgende Mit- und Unterzwerg den Wert der Zuerstgekommenen erhöht. Blockiere ich eine Schaufel, um die hier lockenden dynamisch bereits hoch geschaukelten Siegpunkte dem Erstbieter noch durch die Lappen gehen zu lassen, und um sie woanders für mich selbst einzuheimsen. Betreibe ich „Zwergenpflege“, indem ich mich von weniger aussichtsreichen Stämmen trenne und mich den – vermeintlich – lukrativeren zuwende.

Welche Taktik zum Ziel führt ist a priori nicht abzusehen und – glücklicherweise – auch mit einem Schuß Zufallsglück versehen. Sogar unser Dr. phil. Dr. Math. fühlte sich „überfordert“. „Das Spiel ist ja richtig kompliziert!“ (Als klares Lob zu verstehen!)

Nach der ersten Runde und der darauf folgenden Manöverkritik schlug er eine sofortige Wiederholung vor. Wieder mit Reiz, mit Taktik, mit Überraschungen und Vergnügen. Auch dies kann ein großer Wurf von Aaron werden. (Ist es ja schon, sucht nur noch einen Verleger.)

Noch keine WPG-Wertung, aber – hoffentlich – bald eine offizielle.

2. “Tzolk’in”
Gerade mit einem Durchschnitt von 8 Punkten zu unserem „Spiel des Monats“ gekürt, sollte es sich dieses Werturteil von Peter und Loredana nochmals bestätigen lassen. Die älteren Hasen Aaron und Walter schauten schon etwas kritischer auf Details-Fehler.

  • In der Tempelwertung soll es eine „niedrigere linke“ und eine „höhrere rechte“ Punktezahl geben. Doch beim rechten Göttertempel steht die höhrere Zahl rechts und die niedrigere links. Ist das Absicht? Peter sah dahinter zunächst eine gewollte Logik zur Asymmetrie, doch dann setze sich doch die Wörtlichkeit der Spielregel durch.
  • Der allererste Startspieler hat einen erheblichen Vorteil beim Besetzten der Plätze. Dafür müßte er eigentlich irgendwie irgendwo mit einem Handicap belegt werden. Ist aber nicht.
  • Wofür soll jeder Spieler die geernteten Mail- und Holz-Plättchen an sich nehmen, wenn sie hinterher keine Bedeutung mehr haben?

Beckmesserei? Vielleicht. In einem großen Spiel mit vielen neuen Ideen und einer riesigen, mnemotechnisch sehr gekonnt ausgefeilten Palette von Abhängigkeiten sollte man über die Späne, die beim Hobeln anfallen, großzügig hinwegsehen.

Doch der heutige Spielgenuß war bei weitem nicht so ungetrübt wie bei den vorangegangenen Spielen. Das Spiel zog sich viel zäher über die mehr als zwei Stunden Spielzeit hin. Vielleicht lag es auch an unserem falschen taktischen Herangegehen.

  • Der technische Fortschritt wurde kaum ein Angriff genommen. Deswegen gab es ständig Mangel am Grundnahrungsmittel Mais. Loredana und Walter büßten beide sogar in der Ernährungsphase einen erheblichen Teil ihrer bis dahin gewonnenen Siegpunkte ein.
  • Wir schauten mehrmals in der Spielregel nach, ob man Rohstoffe zu jedem beliebigen Zeitpunkt ohne Rahmenbedingung in Mais verwandeln kann. Das hätte öfters aus der Patsche geholfen und den Spielablauf beschleunigt. Doch dieses Hintertürchen bleibt regelrecht verschlossen.
  • Sehr selten wurde das Rad für die Rohstoffe genutzt. Vielleicht war das auch der Grund, warum kaum Gebäude und kein einziges Monument errichtet werden konnten.
  • Das Engagement bei den Tempeln hielt sich in engen Grenzen. Walter mußte wegen Brandrodung – zwecks Ernährung – sogar mehrmals den Zorn der Götter auf sich nehmen. Klarer Spielfehler.

Trotz allem: Das Spiel ist verdientes „Spiel des Monats“, auch wenn die vielfältigen guten Zugmöglichkeiten und ihre Abhängigkeiten erst noch in den Griff bekommen werden müssen.

WPG-Wertung: Loredana: 5 (langatmig; war mit der Startspieler-Konstruktion nicht zufrieden), Peter: 7 (viele nette Ideen), Aaron und Walter blieben bei ihren jeweils 8 Punkten.

“Tzolk’in” ist unser Spiel des Monats

Rechtzeitig zur Apokalypse brachte der Verlag Czech Games Edition letztes Jahr das Spiel „Tzolk’in” mit dem Maya Kalender als zentrales Spielelement heraus. Was zuerst wie eine geschickte Marketing Aktion dank Thema und dem fünfteiligen Zeitrad aussah, entpuppte sich schnell als elegantes, strategisches Vielspieler-Spiel.

Viele, nicht unbekannte, aber sehr gut funktionierende Spielelemente wurden zu einer neuen, sehr gelungenen Mixtur zusammengebraut. Es gibt genug zu denken und zu planen und genügend Freiheitsgrade beim konstruktiven, schöpferischen Optimieren. Jeder Spieler ist irgendwie an jeder Aktion, auch der Mitspieler beteiligt, und selbst das Verfolgen von deren Denkprozessen ist spannend. Eine runde, gelungene Sache.

23.01.2013: Aufbau in Japan, Zerfall im Weltraum

Ruppichteroth ist ein Eldorado für angehende Spieleautoren. Christwart Conrad bietet dort eine Platform zum Testen von Prototypen an. Aaron, unsere Autorenhoffnung war dabei, zusammen mit zwanzig Gleichgesinnten, von denen jeder zwei bis vier Eigenentwicklungen dabei hatte. „Sehr viele außergewöhnlich gute Spiele“.
Kein Wunder, dass Deutschland ein Paradies für (gute) Brettspiele ist. Und ein Paradies für Spieleverlage. Zumindest was die Anzahl der ihnen angebotenen Spiele ist. Weniger ein Paradies für Spieleautoren, die auch für ganz tolle, „produktionsreife“ Spiele keinen Verlag finden (werden).

1. “Goblins”
Vor sechs Jahren hatten wir mit „Galaxy Trucker“ ein hübsches Raumschiff-Bauen-damit-Transportieren-und-zerstört-Werden-Spiel kennengelernt und unisono zu unserem Spiel-des-Monats gekürt.
Jetzt hat der gleiche Verlag Czech Games Edition Gründzüge des Spiels nochmal aufgegriffen und als „Goblins Inc.“ präsentiert.

Immer noch

  • liegen auf einem großen Haufen verdeckt Bauteile, die wir aufgreifen, umdrehen und daraus unsere Raumschiffe (mit Mannschaft, Motoren, Waffen und Panzerung) auf einem vorgegebenen Grundriß zusammenbasteln
  • fliegen wir mit unserem selbstgebastelten Raumschiff durch den Weltraum, werden beschossen und verlieren peut-a-peut Mannschaft und Bauteile, bis wir arg gebeutelt, evtl. sogar totgeschossen das Spielende erreichen.
  • fallen unsere Bauteile, die nicht mehr niet- und nagelfest mit der Kommandozentrale verbunden sind, samt allen daranhängenen Teilen ab und verlieren sich im Weltraum.
  • hat der gewonnen, der am Ende überlebt und aus dem Restwert seines Raumschiffs sowie aus den Beschädigungen beim Gegner die meisten Siegpunkte erhält.

Unterschiedlich zu Galaxy-Trucker ist:

  • Die vom Stapel verdeckt gezogenen Bauteile dürfen nicht wieder zurückgelegt werden. Sie MÜSSEN irgendwie beim Raumschiffbau untergebracht werden, auch wenn sie mangels Festigkeit schon vor dem Start wieder abfallen werden. Einziger Spielraum beim Bauen: 2 von 5 gezogene Bauteile werden an die Feinde zur Verwendung übergeben. Dafür bekommt man von denen auch 2 – am wenigsten brauchbare – Bauteile zugeschustert. Wieweit damit gewisse Baublockaden in der Konstruktion überwunden werden können, bleibt dahingestellt.
  • Das Raumschiff (hier: der Roboter) wird ohne Zeitlimit gebaut. Wer meint, für seine fünf Bauteile pro Bauphase eine superoptimale Konstruktion auf die Beine stellen zu müssen, kann seine Mitspieler schon mal ganz schön nerven.
  • Wir werden nicht von zufällig auftretenden Meteoriten und ähnlichen Weltraumobjekte beschossen, sondern ganz gezielt von den Gegenspielern, die bei der Trefferquote auch noch würfeln müssen, ob und wohin sie schießen, damit die Zerstörungen nicht ganz so berechenbar sind.
  • Immer zwei Spieler arbeiten in einem Pseudo-Team zusammen. Sie bauen nur ein einziges gemeinsames Raumschiff, agieren – d.h. fahren, zielen und treffen – aber unabhänging voneinander. Außerdem haben sie individuelle Siegbedingungen „Geheimpläne“ genannt. Beispielsweise können abgeschossene / übrig gebliebene Bauplättchen, zerstörte Panzerungen oder getötetes / überlebendes Personal gewertet werden, wodurch nur einer von ihnen gewinnt.

Aaron las die Spielregeln mehr oder weniger wörtlich vom Blatt ab. Der Verlag hat durch eingebaute Textwitzchen („Hihi, jetzt wird’s lustig!“) versucht, den Spielgenuss zu fördern. Ausgerechnet unser Thema-Fanatiker Moritz unterbrach hier mehrmals: „Aaron, laß den Flavour-Text weg!“ Ja, liebe Prototypen-Tester von Idee und Umsetzung, das Thema muss im Spielablauf enthalten sein, aber doch nicht in Ballermann-Formulierungen vom Regelheft!

Aaron zeigt seine Edo-Begeisterung
Aaron zeigt seine Edo-Begeisterung

Moritz und Walter bildeten ein Team. Unter dem Schutzschild eines geborenen Wargamers läßt sich gut segeln. Auch wenn dieser seinen Pseudo-Partner mit dreisten Lügen über die strategisch besten Ziele verarschen wollte. Allen Logik und Solidarität heuchenlden Beteuerungen zum Trotze ist für jedem Schützen nur genau dasjenige Bauplättchen das beste Ziel, wofür ER ALLEIN die meisten Siegpunkte bekommt.

Durch einen einzigen Treffer auf ein Schlüsselteil flog Aarons und Günthers Raumschiff total auseinander. Lediglich die Kommandokapsel mit einer billigen Schreckschußpistole blieb übrig. Nur noch mit Fasten und Beten konnten sie bis das Ende der erste Runde ausharren. Mit 3:1 Stimmen war das dann auch das Ende des gesamten Spiels. Wir verzichteten weise auf einen weiteren Teil der Reise. Nur Moritz war enttäuscht: „Mir macht es Spaß!“

WPG-Wertung: Aaron: 4 (das Spiel lebt von der Stimmung der jeweiligen Spielrunde; zu wenig Spaßelemente), Günther: 4 (zu viele Spielemente, wo schlußendlich doch nur der Kampfwürfel alle anderen konstruktven Elemente dominiert), Moritz: 7 (schnell, das Thema kommt sehr gut rüber), Walter: 5 (wohlwollend, weil im Windschatten eines professionellen Wargamers segelnd).

Zu „Galaxy-Trucker“ hatte Aaron in seiner Rezension geschrieben: Das Spiel “is a very enjoyable game and definitely one of the best sci-fi games I have played since a long time.“ Wir sind inzwischen natürlich alle sechs Jahre älter (weiser und reifer) geworden, aber daran liegt es bestimmt nicht, sondern eher an den Spiel-Veränderung zu mehr Zufall und Chaos, dass „Goblins“ bei weitem nicht an sein Vorbild herankommt.

2. “Edo”
Edo ist eine Burg, die sich vor 400 Jahren zu einem Fischerdorf entwickelte, aus dem später Tokyo entstand. Die Aktivitäten zur Stadtgründung werden dem Spiel „Edo“ als Thema unterlegt. Wir zeugen Beamte, mutieren sie zu Samurais, schicken sie in die Prärie um Baustoffe (Holz und Stein) zu besorgen, mit denen wir später Häuser, Kontore und Festungen bauen. Daneben müssen wir immer mal wieder Reis ernten, damit unsere Samurais weiter werkeln und nicht wieder zu hungerlosen Beamten zurückmutieren.

Pro Zug stellen wir drei Aktionen anhand von drei „Erlaubniskarten“ geheim ein. Auf jeder Erlaubniskarte werden vier unterschiedliche Aktionen angeboten, insgesamt stehen also zwölf Aktionen zur Verfügung. Allerdings sind sie nicht frei kombinierbar, von jeder Erlaubniskarte darf nur eine Aktion gewählt werden.
Als „Aktionen“ gibt es neben dem schon erwähnten Baustoff-Besorgen, Reis-Ernten, Bauen etc. noch Geld-Eintreiben, einen Händler-Engagieren, um Geld in Rohstoffe oder Geld plus Rohstoffe in Siegpunkte umzusetzen, oder zusätzliche Erlaubniskarte-Erstehen, um damit mehr und lukrativeren Aktionsspielraum zu erhalten.

Verschiedene Zielrichtungen können zum Erfolg führen.

  • Zusätzliche Beamte für mehr Mehrfach-Aktionen
  • Bauen ist immer lukrativ, insbesondere der Festungsbau
  • Konsequenter Handel mit vorausschauender Rohstoffgewinnung
  • Zusätzliche Erlaubniskarten zur Nutzung von dynamischen Vorteilen
  • Gezielte Samurai-Zucht in der Schlußphase

Ein paar mehr Beamte sind unerlässlich und auch ein gewisser Häuserbau ist obligatorisch. Doch die anderen unterschiedlichen Vorgehensmöglichkeiten sind so gut austariert, dass es ziemlich gleichgültig ist, in welcher Richtung man seinen restlichen Freiraum nutzt, es kommt am Ende (fast) die gleiche Anzahl an Siegpunkten heraus: unser Sieger hatte 12 Siegpunkte, die dahinter Liegenden 11. Unabhängig von ihrem mittelmäßig-gutem bis grottenschlechtem Vorgehen beim erstmaligen Spielen eines unbekannten Spiels! Für 10 Spielrunden ist diese Siegpunktzahl noch dazu erschreckend gering: nur ca. EINEN EINZIGEN Siegpunkt gab es pro Runde. Kein Wunder, dass die fast zwei Stunden Spielzeit immer ermüdender wirkten.

Das Workerplacement-Aufbauspiel enthält eine balancierte Kombination von mehr oder weniger üblichen Mechanismen, aber keine bemerkenswerte eigenständige neue Idee.
Vielleicht kann man als Empfehlung werten, dass das Spielmaterial sehr ordentlich, robust und mnemotechnisch gut durchdesigned ist.

WPG-Wertung: Aaron:4 (ein Punkt weniger für den engen Siegpunkt-Einlauf, keine Spannung, das Spiel wird von Runde zu Runde langweiliger), Günther: 6 (überschaubare Mechanismen [A.b.N: das zählt als Pluspunkt]), Moritz: 5 (mühevolles Vorwärtsschieben auf der Siegpunktleiste), Walter:5 (funktioniert, weiß aber immer noch nicht, wie ein taktisch erfolgreiches Vorgehen aussehen müßte).

16.01.2013: Familienplanung

„Von ihren Bräuchen ist folgender der gescheiteste [, der sich, wie ich höre, auch bei den illyrischen Enetern finden soll]. Einmal in jedem Jahr werden in jedem Dorf alle Mädchen, die in das mannbare Alter gekommen waren, zusammengeholt und auf einem Platz versammelt. Um sie im Kreis herum scharten sich die Männer. Dann ruft der Herold auf und verkaufte sie, eine nach der anderen. Zuerst die schönste von allen, dann die zweitschönste usw. … Wenn der Herold mit dem Verkauf der schönsten Mädchen zu Ende war, rief er die häßlichste auf. Er schlug sie dem zu, der sie für den geringsten Preis haben wollte. Dann die zweithäßlichste usw. .. Das Gold als Zugabe für die häßlichen wurde von dem Erlös für die schönen Jungfrauen genommen.“
(Herodot, um 450 v. Chr.)
Ist dieses Versteigerungsprinzip schon als Mechanismus in einem Spiel eingebaut worden? Hallo Maximilian, kannst Du davon nichts gebrauchen?

1. “La Familia – noch in der Planung”
Maximilian Thiel ist ein blitzschneller Baumeister bemerkenswerter Spiele. In drei Tagen hat er ein spielerisches Rom gebaut, zwei Stunden später hat er es wieder eingerissen und eine weitere halbe Stunde später ein Byzanz daraus gemacht.

Ein Teil der Familie
Ein Teil der Familie

An Weihnachten hat er mit seinem Bruder „Risiko“ gespielt. Dabei vermißte er eine strategische Komponente. Schnell hat er eine hinzugefügt (eine? Hunderte!), mit Bruder und anderen Risiko-Konsorten ausgetestet und sich jetzt am Westpark gemeldet, um es auch den dortigen strategischen Wölfen vorzuwerfen.
Als Thema könnte die Mafia untergelegt werden. Nicht die Welt wird verteilt, sondern nur der italienische Stiefel. Der Arbeitsname ist “La Familia”.
Wie ging nochmal „Risiko“? Ach ja, wir besitzen Armeen, würfeln damit die Armeen der Nachbarländer tot, kriegen neue und mehr Armeen, machen noch mehr Nachbarländer platt, bis wir schließlich die Welt erobert (Entschuldigung: befreit!) haben. Oder wenigstens als erster unsere Siegbedingung erfüllen.
Was sind jetzt Maximilians stragegische Balkone?

  • Der Startspieler wechselt reihum. Nun ja, nur bedingt strategisch. Oder gab es das auch schon bei Risiko?
  • Wir können uns nicht einfach mit Geld neue Armeen kaufen, wir müssen dazu erst Lizenzen erwerben.
  • Mit den Lizenzen dürfen wir auch nicht sofort auf den Militärmarkt gehen, wir müssen erst unser Lizenz-Nutzungs-Limit erhöhen.
  • Angriffe auf Nachbarländer erfolgen nicht reihum und direkt, sondern mit verdeckt gelegten “Befehlsmarkern”, die Angriff, Verteidigung oder Steuereinnahmen (für neue Lizenzen oder Armeen) signalisieren. Nun ja, so ganz strategisch ist diese neue Technik wohl nicht.
  • Wir bauen Städte und Hauptstädte, um Steuereinnahmen und militärische Stärke zu erhöhen.
  • Wir legen uns Kanonen und Schutzwälle zu, ebenfalls zur Förderung unserer militärischen Potenz.
  • Wir engagieren uns in der Lobby, um auch politischen Einfluß zu bekommen. Erst die Summe aus Politik und militärischer Präsenz macht am Ende den Sieg aus.

Unverändert beibehalten hat Maximilian das elegante Kampfwürfelsystem von “Risiko”. Die Anzahl der Angreifer-Armeen bestimmt die Anzahl der Würfel, mit denen wir unsere Nachbarn plattmachen. Oder auch nicht. Leider ist dieses Element bei allem Drum-Rum von Einfluß, Lizenzen, Limits, Kanonen und Schutzwällen immer noch recht dominant. Der Risiko-Freund findet sich schnell zurecht, der Stratege weiß (noch) nicht so recht, wo er dran ist. Es wird viel geplant, ausgewählt, gekauft, aufgerüstet, aufmarschiert – am Ende entscheidet doch noch im Wesentlichen der Würfel über Erfolg oder Mißerfolg jedes Vorgehens.
20 Minuten lang bauten Maximilian und Aaron das Spiel auf, eine gute Stunde lang erklärte Maximilian – häufig genug von den üblichen Westpark-Fragern unterbrochen – die Spielregeln. In 20 Minuten führten wir unsere Spielzüge für die Startaufstellung durch. Dann fing das Spiel mit der ersten von maximal sechs Spielrunden an. Eine halbe Stunde dauerte die erste Runde. Die zweite vielleicht noch länger, schließlich gab es mehr Objekte zu bedienen und mehr Konfliktsituationen zu bewältigen. Nach zwei Stunden war das Spiel eingeschwungen, ein Sieger stand noch nicht fest, aber der weitere Spielablauf ließ sich extrapolieren. Ziemlich linear. Höchste Zeit aufzuhören und Bilanz zu ziehen.
Die Steuereinnahmen müssen kräftiger sprudeln. Die Verteidigung darf – durch den Würfelbonus – nicht so leicht gemacht sein, die Angriffe müssen erfolgversprechender werden. Zivile Einrichtungen müssen effizienter, der Einfluß der Lobby muß stärker werden. Es bleibt zu befürchten, dass mit diesen Änderungen die zarten Ansätze der Dynamik-Steigerung noch nicht hoch genug fliegen; dann muss auch an diesen Schrauben noch gedreht werden.
Und der gesamte Spielverlauf muss beschleunigt werden. Mit weniger statt mit mehr. Wie auch immer. Ideen sind viele diskutiert werden. Maximilian wird’s schon richten. Morgen wird „La Familia“ schon gestuzt und/oder gewachsen sein. Dann werden vielleicht schon Paten die neuen Drahtzieher geworden sein. Und sie werden in drei statt in vier Stunden den Stiefel unter sich aufgeteilt haben.
Keine WPG-Wertung für ein Spiel im Umbruch..

09.01.2013: Von Carrara in die fremden Federn von Siberia

Ein Maler war am Westpark und hat dem Spielzimmer sein schönstes Weiß zurückgegeben. Erstaunlich, wie stark sich ein Altweiß von einem Neuweiß unterscheiden kann. Der Meister hat super gearbeitet und die überall herumliegenden Spiele – und all den anderen Krusch – säuberlichst geschont. Ich kann ihn bestens weiterempfehlen: Stefan Weilnböck!
Bei dieser Gelegenheit wurden die Spiele von ganz oben – die von noch über dem Bücherregal – heruntergeholt, abgestaubt und begutachtet. Bemerkenswert, was sich da alles gefunden hat:

  • Scotland Yard (+), ein Spiel, mit dem die Westpark-Gamers begründet wurden. Gleich in zwei gebrauchten Exemplaren. Eines davon kann abgegeben werden.
  • Civilizatilon (-) von Avalon Hill, mit dem Aaron mich in die Gefilde der mehrstündigen Brettspiele eingeführt hat.
  • Freibeuter (+) : ein taktisches Seefahrerspiel mit wunderschönen Schiffsmodellen.
  • Peloton (+), ungebraucht, ein gelungenes Spiel des tschechischen Templum Verlages. Leider noch mit einer Schachtel aus vorrevolutionären Zeiten.
  • Halunken und Spelunken (+) von Kosmos : funktioniert, ist bei uns auch in einem Session-Report beschrieben, aber leider – via im richtigen Leben – sind die Geschmäcker verschieden.
  • Downtown (von Weber und Abacus, nicht das chaotische Kartenspiel von Lee Brimmicombe-Wood und GMT) (+) : Ach Du meine Güte, dazu haben wir ja noch gar nicht unseren WPG-Senf vergeben!
  • Das Börsenspiel (+), von einem Ex-Kollegen geliehen und nie mehr zurückgegeben. Wie hieß er nur? Wo wohnt er nur?
  • Heimlich und Co (-) : Das Spiel von Hans im Glück, mit dem der Verlag aus seinem Garagendasein ins Rampenlicht der Welt-Spiel-Öffentlichkeit getreten ist.
  • El Grande und El Caballero (-) : Der dritte Großerfolg von Hans im Glück, noch eingeschweißt. Demonstrationsobjekt für die deutsche Spielkultur des letzten Jahrhunderts.
  • Die Fürsten von Florenz (-) : Vater bzw. Mutter einer ganzen Generation von ähnlichen hervorragenden Spielen.
  • Die Macher (-) von Hans im Glück : Ein komplexes Polit-Spiel, das seiner Zeit um Generationen voraus war.
  • Rumis (-) : Das erste Spiel mit unserem Westpark-Gamers-Logo „Spiel des Jahres“ auf der Schachtel. Natürlich hat jeder von uns ein eigenes Exemplar dieses Spieles in seiner Sammlung. Irgendwann wird sich schon ein Empfänger-Spieler finden, der dieses Duplikates wert ist.
  • Das Erbe des Maloney (+) von Ravensburger : Aus der Zeit, wo Ravensburger noch ein Synonym für die besten deutschen Brettspiele war.
  • Abalone (+) : Eine hexagonale Schachtel mit schönen Glaskugeln für ein abstraktes taktisches 3-Personen Spiel. Leider ist die grundsätzliche Problematik einer Trio-Taktik (einer profitiert immer von den Fehlern des Dümmsten) nicht ausreichend gelöst.
  • Meisterwerke (+) von Parker : Ein Versteigerungsspiel um echte und falsche Kunstwerke. Damit alle Objekte wenigstens einen Mindestreiz beim Bieten haben, haben wir ein paar trübe William Turners durch zündende Van Goghs ersetzt.
  • 1830 (-) von Avalon Hill, noch originalverpackt. Soll mich dereinst in die ewigen Spielgründe begleiten.
  • Imuri (-), ein heißgeliebtes Zweipersonenspiel, eine Empfehlung von meiner Schwester, zuletzt mit unserem ach so kranken Hans gespielt. Leider ist es nur eine – später verbotene – Raubkopie von Randolph’s „Twixt“.

(Die mit „+“ gekennzeichneten Spiele können am Westpark kostenlos abgeholt werden. Wer zuerst kommt, malt zuerst.)

1. “Die Paläste von Carrara”Carrara
Uns Westpark-Gamern wird zuweilen der Vorwurf einer Hans-im-Glück-Lastigkeit gemacht. Es ist auch eine Tatsache, dass einige von uns regelmäßig an den von der Brunnhofer-Familie veranstalteten Spielabenden teilnehmen, aber dieser Verlag kann es einfach. Von dort kam noch niemals eine Gurke heraus. Peter konnte ohne langes Nachdenken seine Präferenzen für das erste Spiel des Abends erkennen und durchsetzen.
In „Carrara“ kaufen wir nach einem sehr pfiffigen Preis-Verfalls-Mechanismus (allein der ist schon einen Pluspunkt wert) Bausteine, errichten damit verschiedene angebotene Gebäude in verschiedenen Städten Italiens, lassen an mehreren frei wählbaren Zeitpunkten unsere Gebäudetypen oder die Gebäudesubstanz in einer definierten Stadt bewerten, und bekommen dafür neues Geld (für neue Bausteine) oder Siegpunkte.
Eine hohe Interaktion bei Angebot und Preis für die Bausteine, beim Zugriff auf die gewünschten Gebäude und bei der Städtewertung sorgen für einen erheblichen spielerischen Druck. Eine gute Balance der verschiedenen Prämienarten erfordert eine wohlausgewogene Balance zwischen Konzentration und Diversifizierung unserer Investitionen.
Man muss sehr zielstrebig vorgehen. Nicht einfach seinen Zug in die nur oberflächlich als günstigst erscheindenen Alternativen verplempern. Um zu gewinnen muss man genau diejenigen Bausteine erwerben, die für das nächste Bauvorhaben benötigt werden und genau zum richtigen Zeitpunkt das richtige Gebäude in der richtigen Stadt errichten, damit Geld und Siegpunkte in genau der richtigen Dosierung fließen. (Wobei für die drei „richtig“ hier noch keine gesicherten Spieltips gegeben werden können.)
Spielerisch stimmig, taktisch herausfordernd, Westparkgamerisch gelungen!
WPG-Wertung: Aaron: 8 (schnell, wenige aber klare Mechanismen), Günther: 8, Peter: 8 (gut austariert, das zeigt sich schon daran, dass alle Endebedingungen so ziemlich gleichzeitig erfüllt wurden), Walter: 8 (stimmig).
Als Gag ist in dem Spiel ein versiegelter Umschlag „Nicht öffnen“ enthalten. Dieser Umschlag – er enthält Erweiterungskarten – soll nach Aufdruck erst dann geöffnet werden, wenn man mindestens zwei Partien des Grundspiels gespielt hat. Günther sah in diesem Gag eine unzulässige Bevormundung. Verständliche Mißbilligung eines geborenen Experten.

2. “Fremde Federn”
Friedemann Frieses Ideenanleihe bei gelungenen Spielen der Welt sollte Peters Bedürfnis nach bewährten Spielen weiterhin Rechnung tragen. In dem von seiner Hauptidee als Deckbuidling-Spiel ausgerichten „Fremde Federn“ (siehe Session-Report vom 14.11.12) zieht jeder verdeckt fünf Karten aus seinem Stapel und macht damit Siegpunkte und/oder kauft sich damit weitere, mächtigere Karten, mit denen er seinen Kartenstabel anreichtert, um für die nächsten Runden noch potentere Karten zu ziehen und noch mehr Siegpunkte zu machen oder noch lukrativere Karten einzukaufen.

Offensichtlich verdient diese Dame zu wenig!
Offensichtlich verdient diese Dame zu wenig!

Den Spielraum seiner zunächst zufällig gezogenen Karten kann jeder Spieler mittels Aktionsfelder erweitern (mehr Geld erhalten, weitere Karten nachziehen, Karten tauschen oder abwerfen) um mit seiner Kartenauslage doch noch die nächste, beste, wichtigste, ausliegende Kaufkarte erstehen zu können. Doch diese Möglichkeiten sind eng begrenzt.
Zu erfolgreichen Kaufsaktionen, vor allem zu einer ganzen Sequenz von erfolgreichen Kaufsaktionen, gehört natürlich auch eine Menge Glück. Vielleicht zuviel für das viele Drumrum der Deckbuilder-Taktik.
Nach wenigen Runden lag Aaron ganz hinten und haderte mit seiner sprichwörtlichen Benachteiligung als Fortunas Favorit. Günther mahnte Geduld an und versicherte, dass das Spiel noch kippen könne. Aaron war skeptisch. Doch dann bekam er – Glück oder Können – die stärkste Karte des Spieles: „Landesweites Fernsehen“, mit 6 Siegpunkte pro Runde, in der er diese Karte ziehen konnte. Wenn er dazu noch ein Karten-Verdopplerfeld belegen konnte, brachte das Fernsehen gleich 12 Siegpunkte ein, mehr als alle anderen Optionen zusammen. Aaron setzte jetzt alles auf diese Karte und wählte konsequent die Aktionsfelder zum Nachziehen von unendlich vielen Karten nachzuziehen und zum Tauschen von unendlich vielen Karten. So konnte er tatsächlich noch dreimal das Fernsehen aufdecken und dreimal den doppelten Fernsehbonus einkassieren. Das reichte für genau einen Punkt Vorsprung zum Sieg vor dem stark gestarteten und später stark nachlassenden Günther. Happy End?
Peter lag auch schnell weit zurück. Auch er bekam irgendwann einmal ein „Landesweites Fernsehen“ in seinen Kartenstapel. Doch ansonsten fand er bis zum Spielende keinen richtigen Peil. (Hallo Peter, habe ich da eine taktische Genialität von Dir übersehen?) Noch dazu wurde er vom Nachziehglück auch noch statistisch übersignifikant im Stich gelassen und landete – ach das will ich jetzt nicht hinschreiben. Mit seinen frühzeitig einsetzenden und permant durchgehaltenen Negativ-Parolen hatte er wohl auch nichts Besseres verdient.
Nur Günther lies sich auch durch seinen zweiten Platz nicht verdrießen: „Ein Superspiel, ich habe echt Freude daran!“ Wahrscheinlich sogar daran, dass er von Aaron totz dessen Unkenrufen auf der Zielgeraden noch abgefangen wurde.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (kein Freund von Deckbuilder-Spielen; hat seine ursprüngliche 5 noch um einen Punkt erhöht, weil das Spiel gut ausbalanciert ist und auch einem Spätstarter noch Siegchancen einräumt), Günther: 8 (bleibt), Peter: 3 (niedriger Wiederspielwert. Warum das Spiel für ihn offensichtlich auch einen niedrigen Erstspielwert besitzt, hat er nicht mitgeteilt), Walter: 8 (bleibt für eine 3er Runde; in einer 4er Runde eher ein 7 Punkte Spiel).

3. “Siberia – Das Kartenspiel”
Pro Zug spielen wir null-bis-drei Aktionskarten aus und ziehen ein-bis-zwei Aktionskarte nach. Auf jeder Karte gibt es je ein Symbol für einen von drei Berufen (Arbeiter, Verkäufer oder Investor) und für einen von fünf Rohstoffen (Kohle, Gas, Öl, Erz oder Gold).
Beim Ausspielen einer Karte wählen wir entweder das Berufs-Symbol und erweitern unser Personal (mehr Arbeiter fördern mehr Rohstoffe, Investoren erleichtern die Förderung und Verkäufer erhöhen die Preise), oder wir wählen den Rohstoff und eignen uns dementsprechend ausliegende Rohstoffkarten an. Am Ende gewinnt der Spieler mit der wertvollsten Ausbeute.
Bei einer Kartenhand von bis zu acht Aktionskarten hat man eigentlich eine recht große Handlungsfreiheit. Doch die Optimierung zwischen dem zeitgerechten Anheuern von Belegschaft und ihrem Einsatz bei der Rohstoffgewinnung riecht nur nach trockenem Schweiß. Und nach sonst nichts.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (schnell), Günther: 4 (muss es nie wieder spielen), Walter: 3 (kein Pfiff).

Westpark Games

Ein kleiner Hinweis in eigener Sache: inzwischen sind am Westpark mehrere Spiele-Prototypen entstanden und getestet worden. Für die Spiele, die Aaron entworfen hat gibt es seit Anfang des jahres einen eigenen Webauftritt, wo die Spiele und ihr jeweiliger Status genauer beschrieben werden.

Bei Interesse, hier einfach mal nachschauen: Westpark Games

02.01.2013: Einvernehmliche Abbrüche

In trauter Westpark-Gamers Runde feierten wir Aarons Geburtstag. Fast einen ganz runden. Er hat ihn aber auf 59’2 (Strich Zwei) abgebildet. Vorsicht: Liegt in dieser Notierung nicht eine sagenhafte Chance für die Renten-Politiker drin?

Vor ziemlich genau 10 Jahren durften wir alle an einer Geburtstagsüberraschung von Peter teilnehmen. Hier – mit freundlicher Genehmigung – sein Bericht von damals.

Heut’ morgen, ich dös’ im Bett, sieben war’s wohl, klingelt das Telefon (Festnetz).
Ich hatt’ den Dachauer Lampenverkäufer in Verdacht (“Bitte mailen Sie mir die Preisliste! Nicht anrufen! Mailen! B – i – t – t – e!”), aber als ich ans Telefon torkelte, war da eine Handynummer angezeigt. Naja, das hatte Zeit, ich ging zurück ins Bett.
Zwei Stunden später.
Abhören: “Sie haben eine Kurznachricht empfangen.” Aja. Festnetz-SMS. Ich erinnere mich, mal in einem Artikel vor ein paar Jahren geschrieben zu haben, dass die Nachts über nicht zugestellt werden, dafür am nächsten Tag ab 7. Ich glaub’, dass ich damals schon dazuschrieb, dass ich 7 asozial finde und 9 aufwärts fair sei. Ich hasse es, immer recht haben zu müssen.
Eine Frauenstimme flötet:
“Leider mag ich [unverstehbar] meine Email nicht verwenden. Deswegen Foto erst wenn ich wieder in B bin. Alrun.”
Tja, irgendein Berliner freut sich auf Alruns Foto, kriegt aber nicht, weil Alrun nicht mailen mag. Ob sie belästigende E-Mails erwartet? Und warum lässt sie dann ihre Handynummer anzeigen? Typisch Mädels, testen jeden Blödsinn wie Festnetz-SMS und wollen Fotos verschicken. Vermutlich schaut sie auch “Superstar”, die gute Alrun.
Und dann das ganze auch noch fälschlich an mich schicken und mich aus dem Bett holen. Grr…
Egal, alles nicht mein Bier.
Aber die Handynummer lässt mich nicht los. Verdammt, ich kenn’ die Nummer. Ich hab’ zwar eine Rückwärtssuche für ein paar Zehnmillionen deutscher Festnetznummern, aber nicht für Handynummern. Dennoch, ich kenn die Nummer.
Schnapp’ mir mein Notizbüchlein und werd’ auf Seite 1 bei “Aaron” fündig.
Moral von der Geschicht’:
1. Telekommunikationsdienste, die Aaron zu Alrun machen sind unbrauchbar.
2. Telekommunikationsdienste, die mich um 7:00 aufwecken, sind unbrauchbar.
3. Telekommunikationsdienste, die mich den ersten Satz auch nach 5 Abhören nicht verstehen lassen, sind unbrauchbar.
4. Meine Handynummer ist 017xxxxxxxx3. Nur, falls mal jemand SMSen will.

Ein paar Details zum besseren Verständnis:

Die Festnetz-SMS hatte Aaron aus Peking abgesendet. Er wollte eigentlich ein Handy-Bild versenden, doch die China Mobile erlaubte per Handy damals ausschließlich Anrufe und das Versenden / Empfangen von SMS.

Mit „B“ ist nicht „Berlin“ sondern ein „D“ wie „Deutschland“ gemeint. Aber was verstehen Chinesen schon vom deutschen Alphabeth? Oder umgekehrt?

1. “Qwixx”
Ein kleines, sauberes Würfelspiel nach Art von „Überbleibsel“ (Gott hab es selig), mit dem meine Eltern jahrzehntelang ihren Lebensabend verspielt haben.Quixx
Jeweils ein aktiver Spieler würfelt für alle. Die Augenzahl eines der vier Farbwürfeln (rot, grün, gelb und blau) wird zu der Augenzahl eines weißen Würfels addiert und die Summe in einer entsprechenden roten, grünen, gelben oder blauen Zahlenreihe notiert. Besonderheit: die Zahlen dürfen nur streng aufsteigend (bei rot und gelb) bzw. nur streng absteigend (bei grün und blau) eingetragen werden. Wer z.B. bei sich schon eine rote 9 angekreuzt hat, darf hinterher keine rote 8 (oder kleiner) mehr nutzen. Man sollte seine Zahlenreihe also möglichst ohne große Lücken füllen, denn desto mehr Einträge passen hinein, und desto höher ist hinterher die quadratisch steigende Siegpunkt-Prämie dafür.

Der aktive Würfler darf dann zusätzlich noch die beiden weißen Würfel nutzen, d.h. sie addieren und die Summe in einer beliebigen Farbreihe ankreuzen. Er ist auch der einzige, der pro Wurf mindestens eine Würfelsumme nutzen muss, entweder die aus den beiden weißen Würfeln oder die aus einem der weißen und einem beliebigen Farb-Würfel. Andernfalls bekommt er Strafpunkte. Die Mitspieler dürfen auf einen Eintrag verzichten.

Das alles läuft sehr überschaubar ab. Pro Wurf fallen ja nur wenige Einträge an. Wenn jeder noch laut seine gewählte Farb-Summe kundtut, können alle verifizieren, ob „man“ die Summierungsregeln verstanden hat. Diese Eintragungen sind deutlich weniger fehleranfällig als die unkoordinierten, und auch gegen absichtlichen oder unabsichtlichen Betrug nicht gefeiten Eintragungen bei „Überbleibsel“.

Nach dem ersten Spiel schlug Aaron eine sofortige Wiederholung vor. Unverzüglich wurde dem stattgegeben. Ein seltenes Ereignis am Westpark.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (etwas stumpfsinnig, zu wenig Taktik), Horst: 8 (spannend), Loredana: 8 (gefällig, schnell), Peter: 6 (hoher Glücksfaktor, dafür schnell), Walter: 8 (stimmig, locker).

2. “Libertalia”
Noch ein Spiel nach Vorschlag und Besitztum von Horst, der das Spiel auch erklären durfte.

Jeder Spieler bekommt das gleiche Kartenset von 30 „Piraten“, mit dem drei Kampagnen lang je sechs Schiffe gekapert, die dort vorhandenen Schätze unter den Piraten aufgeteilt und hinterher Beute und eingesetzte Mannschaft prämiert werden.

Pro Zug legt jeder Spieler verdeckt eine frei gewählte Piratenkarten in das Schiff. Es gibt

  • richtige Piraten-Nulliger wie z.B. den Schiffsjungen, der überhaupt nichts einbringt.
  • Raibacher wie den Koch, der bei der Beuteverteilung gleich zweimal zulangen darf, und damit mindestens einen der Mitpiraten leer ausgehen läßt.
  • einen Schläger, der andere Piraten auf dem Schiff in die ewigen Jagdgründe versetzt.
  • eine Piratenbraut Mata Hari, die zusätzliche Morgengaben einstreicht, aber nur, wenn sie die einzige Frau auf dem Schiff ist.
  • Schmarotzer, die für verschiedene Konstellationen von Piraten oder Beutestücken mit Dublonen belohnt werden.
  • einen absolut negativen Quartiermeister, der 8 Dublonen kostet, wenn er sich am Ende einer Kampagne noch in der Höhle vom Piratenboss befindet.
  • weitere ein- oder abträgliche Gesellen.

Nach dem Auslegen der Piratenkarten werden zunächst mal in aufsteigender Reihenfolge (der schwächste Pirat zuerst) die Sondereigenschaften wie Verdrängen und Abmurksen von Konkurrenten ausgewertet, dann dürfen sich die Überlebenden in absteigener Reihenfolge je ein (oder zwei) Beutestücke nehmen.

Die Beutestücke können positiv oder negativ sein, d.h. sich im Zuwachs oder im Abzug von Dublonen bemerkbar machen. Sie können aber auch einen direkten Eingriff in die Besitzstände der Mitspieler haben: „Töte einen Piraten in der Höhle deiner Nachbarn.“ (Ein großer Gänseschauer lief über Walters Rücken: „Meine Höhle gehört MIR!”)

In der zweiten Runde hatte Horst als erster seinen Schläger gespielt. Er tötete nicht Walters „Spieler“, der in der Kampagnenwertung 8 Dublonen wert war, sondern Aarons Ach-was-weiß-ich, weil Aaron in Führung lag. Peter ging dann mit dem zweiten Schläger doch noch auf Walters Spieler los, obwohl der immer noch am Schluss lag. Einsichtiger und konsequenter Spielzug eines Maximum-Damage-Strategen.

Wen zerstörte schlußendlich Walter mit seinem Schläger? Horsts Quartiermeister! Das ersparte dem Konkurrenten immerhin 8 Duplonen Abzug in der Kapagnenwertung, d.h. es brachte dem Gegner 8 Siegpunkte Gewinn! Warum diese Selbstlosigkeit? Hatte Walter das Spiel nicht verstanden? Nein! Wenn das Schlußergebnis ohnehin so stark zufallsabhängig ist und keinerlei Rückschlüsse auf Intelligenz, Planungssicherheit und Übersicht der Spieler zuläßt, konnte man sich schon mal zu Lebezeiten dankbar zeigen und Horsts ursprüngliche Solidarität honorieren.

Peter war sprachlos. Mehrmals versuchte er Walter auf das Widersinnige seines Schläger-Verhaltens hinzuweisen. Er hielt ihm die am Westpark verpönte Kingmakerei vor. Doch Walter lies sich nicht beirren. Bei so einem widersinnigen Spieler-Verhalten (in einem unberechenbaren Spiel!) schlug Peter einen Spielabbruch vor. Der Vorschlag wurde ohne jeglichen Vorbehalt einstimmig angenommen.
Die einzige gute Idee an dem Spiel ist die Auswahl der mehr oder weniger chancengleichen Piratenkarten: Jeder bekommt die pro Kampagne die gleiche Auswahl aus ursprünglich identischen Sets in die Hand. Nur durch den unterschiedlichen Gebrauch der Karten, durch unterschiedliches Zurückhalten, Töten und Wiederbeleben kommt in den letzten beiden Runde eine leichte Varietät ins Spiel. Doch das Design der unterschiedlichen Piratenkarten, ihre krassen unterschiedlichen Effekte, die beschänkte Auswahl unter den Beutestücken und ihre teilweise nichtsnutzigen Vorteile, unausweichliche Sachgassen und Dead-Horse-Mechanismen erschlagen selbst diese eine gute Idee.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (langes Denken wegen nix), Horst: 6 (atmosphärisch), Loredana: 4 (möchte es nicht noch einmal spielen), Peter: 5 (es gibt Schlimmers), Walter: 3 (Viel Brimborium und Pseudotaktik für reines Chaos).

3. “Evolution”
Das Spiel war letztes Jahr in Essen schon am ersten Tag ausverkauft und Aaron buchte zuversichtlich ein Exemplar der zweite Auflage.

Wieder ein Kartenspiel um den Kampf ums Dasein. Zu Beginn erhält jeder Spieler sechs Karten, die er mit ihrer Vorderseite als Tier (alle Tiere sind gleich) vor sich auf den Tisch legt, oder mit ihrer Rückseite als Spezialeigenschaft – Fleischfresser, Wassertier, Flieger, Schalentier (mit Rückzugsmöglichkeit), Parasit oder ähnliches – zu einem bereits ausliegenden Tier legt.
Anschließend wird gewürfelt, wieviel Nahrung ins Spiel kommt. Bei fünf Spieler werden dazu drei Würfeln benutzt: minmal kommen 3 Essensportionen auf den Tisch, maximal 18. Reihum nimmt sich jetzt jeder Spieler eine Nahrung und füttert die vor ihm ausliegenden Tiere. Oder er frißt mit einem seiner Tiere ein beliebiges offen ausliegendes Tier eines Mitspielers. Sofern er dazu berechtigt ist. Landtiere können keine Flieger fressen und zuweilen entpuppt sich das fremde Tier als „Anglerfisch“, der die Freßintentionen kurzerhand umkehrt.

Manche Tiere besitzen ein Fettgewebe und können übriggebliebene Nahrung dort für die nächste Runde aufsparen. Meist bleibt aber nichts übrig. Ganz im Gegenteil, die Nahrung reicht nicht für alle, der letzte beißt garantiert ins Gras. Und meist noch ein paar Vorletzte mit. Dieses blödsinnige Auslegen, Gefressen-Werden, Fressen-und-dennoch-Verhungern ging ganz schnell auf den Geist. Horst, der die Abwertung seines „Libertalia“ noch nicht ganz überwunden hatte, rief als erster (und wiederholt): „So ein Scheiß, ein 3-Punkte-Spiel!“. Sinngemäß schlossen sich in kurzer Zeit alle anderen diesem Refrain an.

Wir brachen ab. Die „Evolution“ hat keine Klientel am Westpark. Irgendwo auf der Welt könnte es die geben. Wenn man genug Memoiren von vor-napoleonischen Offizieren gelesen hat, ist das sofort einsichtig. Nach Horsts Meinung, könnte sich „Evolution“ mit hohen (realen Geld-)Einsätzen auch als als Turnierspiel eignen. Doch selbst bei Poker gibt es wenigstens noch ein bißchen Logik und Psychologie. Innerhalb der „Evolution“ leider nicht.

Nachträglich verriet Aaron, dass er heute nur verifizieren wollte, was sich bei seinem Probespielen in Essen auch schon herausgestellt hatte: Das Spiel funktioniert nicht! Damals wurde in einer Dreierrunde für den letzten Durchgang mit zwei Würfeln 2 mal die Eins gewürfelt. Nur zwei Mahlzeiten standen zur Verfügung, maximal zwei Tiere konnten überleben. Der Startspieler mit einem dicken Tier-Portfolio von Fleischfressern mußte alle seine Tiere zu Grabe tragen. Der Zweite in der Runde, der sich gerade erst ein einziges mickriges Tierchen zugelegt hatte, konnte es bescheiden durchfüttern und gewann. I like it!

WPG-Wertung: Aaron: 2, Horst: 2 (nachträglich reduziert, weil er nicht schon wieder über allen stehen wollte), Loredana: 2, Peter: 2, Walter: 2.

Zwei Spielabbrüche am Westpark an einem einzigen Abend. Ohne jedes böses Blut. Das gab es noch nicht. Peter bekannte am nächsten Tag sogar per Telefon, dass gerade auch die beiden einvernehmlich akzeptierten Spielabbrüche die Qualität der Runde am Westpark zeigte. Und dass es sich allein für ein Spiel wie „Quixx“ schon gelohnt habe, zum Spielabend anzureisen.

4. “Zoff im Zoo”
Eines von Peters Lieblingsspielen (nach „Tichu“), das fast immer als Absacker auf den Tisch kommt, wenn er in der Runde dabei ist. Horst war relativ neu und brachte nicht viel Boden unter seine Füße.

Peters Fazit nach dem Endstand: Das Ergebnis bestätigt die geistige Herausforderung, je größer die Erfahrung, desto mehr Punkte. Er wollte sich nicht als Klügster exponieren, sondern nur als der Erfahrenste.

Keine neue WPG-Wertung für ein gutes 8-Punkte-Spiel.

5. “Bluff”
Ein alter David gewann das Endspiel mit zwei Würfeln gegen zwei junge Goliathe mit je 4 Würfeln. Dabei wurde ihm kein einziges Haar mehr gekrümmt.

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.