20.02.2013: Der Westpark im Asyl

Unser Malermeister Stefan werkelt wieder am Westpark. Jetzt werden die Treppen geschliffen und gestrichen. Dank modernster Staubsauger hält sich der anfallende Staub in Grenzen, doch als Spiellokalität kann die Baustelle nicht benutzt werden. Peter und Loredana sprangen als Gastgeber ein und luden in ihre wunderschöne Wohnung nach Schwabing ein. Nach zwölf Jahren gemeinsamen Westparkgamerns war Walter erstmals dort zu Gast.

1. “Yunnan”

Yunnan - Tee- und Pferderoute
Yunnan – Tee- und Pferderoute

Argentum hat Aarons Eigenentwicklung fest in den Griff genommen, um es dieses Jahr in Essen herauszubringen. Es kommt nochmals ein ganz neuer Wind hinein, wenn ein Profi-Verlag den letzten Schliff an einer Spieleentwicklung übernimmt. Das Neudesign des Spielbretts mit seinen spieltechnischen Merkhilfen hat auch in unseren Augen eine ganze Stufe neuer Qualität hinzugewonnen. Die verschiedenen Stärken und Schwächen der Mitspieler-Entwicklung sind jetzt auf einen Blick für jedermann erkennbar. Ein Teil der unvermeidlichen Rechenarbeit (Additionen und Multiplikationen im unteren Zahlenraum) wird von Tabellen übernommen.

Eine ganze Reihe Testgruppen von Gelegenheits- bis zu Vielspielern durften bei Argentum ihren Senf abgeben. Nach Ansicht des Verlags „verlief jede Partie anders“. Was zweifellos als Qualitätsmerkmal anzusehen ist. Zu groß ist das Angebot alternativer Gewinnstrategien, von denen sich jede einzelne innerhalb eines bestimmten Mitspielerchaos’ (= im positiven Gewurl der verschiedenen Mitspieler-Ambitionen) als überaus erfolgreich erweisen kann, und mit der man zum Sieg schießt. Das Schießen liegt aber nicht an einer ausufernden Balance, sondern an der Vielzahl aussichtsreicher Zug-Optionen. Aaron hast die verschiedenen Möglichkeiten nicht ausgebremst, um die Mitspieler auf einen goldenen Mittelweg zu zwingen, sondern er hat sie gefördert, so dass jede einzelne für sich die Chance auf einen Gesamtsieg bietet. Und für das nächste Spiel Überlegungen herausfordert, diesen Siegespfad entweder selber zu nutzen oder den anderen zu verbauen.

Auf dem Aktionen-Tableau, wo die einzelnen Spieler um ihre Entwicklungsfortschritte an Masse und Beweglichkeit, an Stärke und Resourcen bieten, findet ein regsamer Verdrängungswettbewerb statt. Ein sicheres Indiz für eine wohlporportionierte Bilanz von Angebot, daraus resultierenden Vorteilen und vorhandener Geldmasse. Und wenn zu viele Mitspieler sich hier einmal ambitioniert verausgaben, dann lohnt sich ein einmaliger, schneller Gang zur Bank, um für die nächsten paar Runden alle Geldsorgen loszuwerden.

Nach einer knappen Stunde Spielzeit ist die Schlacht geschlagen. Neuling (und Hausherr) Peter gewann. Vor Günther. Entweder ein Zeichen für seine überragende Intelligenz und Spielplanung, oder ein Zeichen für die vielen netten Überraschungen, die Yunnan bereithält. Alle Verlierer wußten oder ahnten, dass sie etwas falsch gemacht hatten. Nur Aaron hatte alles richtig gemacht. Er war der Non-playing-Protokollführer und sammelte Erfahrungspunkte für neue Detailgespräche mit dem Argentum Verlag.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklung.

2. “T-Rex”
Gastgeber Peter forderte nostalgischen Spielgenuß und legte eine ganze Latte alter und antiquierter Spiele aufs Parkett. „San Juan“ : das geht doch bloß zu viert! „Bluff“ : doch nicht den ganzen restlichen Abend! „Havoc“ : etwas zu pokerig, und was der Spiele und der Ablehungsslogans noch mehr sind. Schließlich landeten wir bei „T-Rex“, vor 10 Jahren gleich zweimal von Aaron und Moritz mit einem englisch-sprachigen Report bedacht.
Jeder Spieler hat das gleiche Set von Karten, von dem er aber immer nur einen zufällig ausgewählten Teil zum Spielen auf der Hand hält; die restlichen Karten liegen als verdeckte Nachziehstapel auf dem Tisch.

Reihum spielt jeder Spieler eine Karte aus und darf dann

  • ein bis drei Karten nachziehen

oder

  • eine Wertung einleiten

Ist eine Wertung eingeleitet, darf jeder Spieler noch genau eine Karte spielen (mit den gleichen Effekten wie oben). Ist eine der nachgespielten Karten wiederum Wertung-einleitend und mit zwar mit höheren Wert als die aktuelle Karte, so wird die Wertungseinleitung prolongiert, d.h. jeder Spieler darf / muss jetzt noch eine Karte spielen. Danach wird geschaut, wer die höchstwertige Karte vor sich liegen hat. Dieser Spieler bekommt ein einfarbiges Kuckucksei. Wer am Ende die meisten Eier hat, hat gewonnen. Gleichfarbige Eier bringen eine quadratische steigende Siegpunktquote.

Eine Mischung aus Glück und Mitspielerchaos führen zum Sieg. Man kann das auf zweierlei Weise angehen:
Ernsthaft: dann geht das Ganze ziemlich verkniffen über die Bühne
Locker: dann ist das ein reiner Zeitvertreib.

Wir spielten es überwiegend locker. Unsere begleitenden locker-lästerlichen Kommentare veranlaßten Peter zum leidensvollen Kommentar: „Mit Euch spiele ich das nicht mehr!“

WPG-Wertung: Aaron: reduzierte seine vor 10 Jahren vergebenen 7 Punkte auf 5, Günther: gesellte sich mit erstmal vergebenen 5 Punkten dazu, die anderen blieben bei ihrer im Schnitt 2 Punkte höhreren Wertung.

3. “Traumfabrik”
Aaron suchte mittels seines „Spielefinder“ (ein Menue-Punkt links auf unserer Internet-Seite) ein 5-Personen-Spiel, das Loredana glücklich macht. Die ehemals ausgiebig getesteten 2-Personen-Spiele mit Peter werden schon lange nicht mehr kommentiert. Wir landeten bei der „Traumfabrik“, vor 9 ½ Jahren letztmals am Westpark aufgelegt, mit 10 Punkten von Peter und 9 von Loredana höchlichst eingestuft.

Aaron kramte etwas süffisant unsere damalige Spielkritik hervor:

Dabei handelt es sich doch nur um ein simples Versteigerungsspiel. Keine großen Strategien, keine rätselhaften Abenteuer, keine tödlichen Gladiatoren-Kämpfe, lediglich trivialer Geldeinsatz zum Anwerben von Personal für die Realisierung von Filmprojekten.“ und „Jeder verfolgt seine eigene Strategie des ersten Anscheines, ohne viele Gedanken daran zu verschwenden, welcher Blumentopf dabei herausspringen könnte. Zum Glück, denn wenn alle die wahre, geprüfte und für gut befundene Strategie einschlagen, dann ist Traumfabrik nur noch ein Versteigerungsspiel. Ein simples.“

Zweifellos muss man das Prinzip loben, wie die gebotenen Summen für Regisseure, Kamera, Schauspieler, Spezialeffekte und Musik wieder unter die Leute gebracht werden. Einer guten Designidee entsprechen auch die beiden Felder, in denen die Filmrollen nicht versteigert werden, sondern von denen jeder Mitspieler genau eine Rolle kostenfrei bekommt, so dass auch ein Spieler, der sich bei einer Versteigerung gerade total verausgabt hat, nicht rundenlang nur passiv zuschauen muss.

Und die Querwirkungen von aktuellem Besitztum und Startspielerposition auf Bonuspunkte und Zugriffsvorteile stellen sogar eine planerische Herausforderung dar. Daneben sind Filmtitel wie „Vom Winde verweht“ und Schauspieler wie „Marilyn Monroe“ durchaus von cineastischer Attraktivität.

WPG-Wertung: Aaron reduzierte schon wieder seine vor 10 Jahren vergebenen 7 Punkte auf 5, Loredana reduzierte auf 7, die anderen wollten Peters 10-Punkte-Euphorie nicht weiter beschädigen.

4. “Bluff”
Heiße Diskussion um das regelgerechte Nachwürfeln. In der „Spielerweiterung für ultracoole Zocker“ heißt es dazu wörtlich: „Während eines Durchgangs hat jeder Spieler die Möglichkeit, neu zu würfeln.“ Gilt diese Zusatzregel auch für den Startspieler? Darf auch der Startspieler würfeln, die Würfel anschauen, einen oder mehrere Würfel offen herauslegen, eine beliebige erste Vorgabe machen und dann die restlichen Würfeln nachwürfeln? Ist dem Startspieler diese Option genommen, oder gilt das „während“ im Regelheft – in älteren Auflagen sogar noch unterstrichen – auch für dem Beginn eines Durchgangs? Günther plädierte aus Symmetriegründen heftig für das Recht des Startspielers auf eine im Prinzip unsinnige und bei uns noch nie praktizierte Zusatzaktion.

Ändert sich der Spielcharakter, wenn der Startspieler nach seinem ersten Wurf einen Würfel herauslegt und nachwürfelt? Alle hielten den Unterschied für „minimal“, nur Peter empfand ihn als „monströs“ und versuchte dies leidenschaftlich bis verzweifelnd seinen vernagelten Mitspielern klar zu machen. Endlich ging der Versammlung das Licht auf: Legt der Startspieler einen Würfel heraus und würfelt nach, so sind die Augenzahlen aller verdeckten Würfel stochastisch gleichverteilt. Selbst für einen dummen Computer wäre es ein Kinderspiel, die Wahrscheinlichkeiten für Erhöhen oder Anzweifeln zu berechnen. Das Bluff-Element ist gleich Null!

Leitet der Startspieler aber anhand lediglich seines Erstwurfes die Zocker-Sequenz ein, dann wird das Spiel seinem Namen gerecht, erst dann hat das überaus reizvolle psychologische Bluff-Element seinen würdigen Platz bekommen! Wirklich ein monströser Unterschied!

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

“Die Paläste von Carrara” is our Game of the Month

Die Paläste von CarraraThis is the first game containing a surprise bag. This alone makes it a candidate for our “Game of the Month” title.

But there is more to this game: buying stone from the ingenious dial, using these to erect buildings and scoring these for money to buy more stone and victory points. And at the same keeping an eye on what the other players are doing as the game ends sooner than one expects! And the surprise bag? Have a look for yourself…

“Die Paläste von Carrara” ist unser Spiel des Monats

Die Paläste von CarraraDies ist das erste Spiel,  dem eine versiegelte Wundertüte beiliegt. Allein deswegen hätte es schon den begehrten Titel Spiel des Monats verdient.

Aber auch der Rest des Spieles überzeugt: Auf der genialen Drehscheibe Bausteine kaufen, damit Gebäude bauen, mit deren Wertung dann neues Geld für neue Steine und wichtige Siegpunkte erwerben! Dabei seine Mitspieler nicht aus den Augen lassen, denn das Spielende kann früher kommen, als man denkt! Und die Wundertüte? Schaut doch selbst…

13.02.2013: Bohnenstangen in Oddville

  • Zeige keine böse Laune, wenn Du schlechte Karten bekommst oder wenn Du verlierst. Wer im Spiele nie verlieren will, der muss sich auf Blindekuh beschränken.
  • Spiele nicht so unerträglich langsam, daß Deinen Mitspielern der Geduldsfaden reißt.
  • Sei nicht aufgebracht, wenn Deine Mitspieler Fehler machen.
  • Zeige keine laute Freude, wenn Du gewinnst. Das tut denjenigen, die verloren haben, noch mehr weh als der Verlust selbst.
  • Nötige niemand zum Spielen, wenn er nicht gern oder oder wenn er schlecht spielt.

Diese Regeln sind kein Ausschnitt aus dem Kodex der Westpark-Gamers; sie schrieb vor bereits 225 Jahren ein gewisser Adolphe Freiherr von Knigge – der KNIGGE – in seinem klugen Buch „Über den Umgang mit Menschen“.

1. “Pandora und Titania”
Letzte Woche lag Bernd Eistensteins Neu-Entwicklung zum ersten Mal bei uns auf dem Tisch (siehe Session-Report vom 6.2.13). Wir schicken unsere Leute auf den Markt und zur Gilde, um Waren zu erstehen, zu verbessern und sie bei Gelegenheit (gegen Siegpunkte) zu verkaufen. Wir schicken unsere Leute in die Vorstadt, in die Kaserne, ins Bergwerk oder auf das Schlachtfeld, um sie gegen den (siegpunktträchtigen) Lebenskampf mit Munition zu versorgen und dann auch kämpfen zu lassen. Wir gehen auf die Agora, um neue Leute anzuheuern und wir schwitzen im Ackerbau, um unsere Belegschaft zu ernähren. Frivole Leute gehen auch noch in den Tempel, um dort die Büchse der Pandora zu öffnen und eine (siegpunkt-beeinträchtigende) Plage auf die Menschheit loszulassen.

Trotz eines umfangreichen Briefwechsels mit dem Autor hatten wir beim ersten Mal die Kampfregeln nicht richtig verstanden und falsch gehandhabt. Ein weiterer Klärungsdialog hat jetzt endgültig die letzten Unklarheiten beseitigt: Zuversichtlich gingen wir in eine neue Runde mit dem aus zahlreichen Elementen großzügig ausgestatteten Produkt.

Bevor die anderen ihr Pulver getrocknet hatten, ritt Aaron schon ins Schlachtfeld, hatte keine Mühe, die wehrlosen Gegner niederzustrecken und heimste beängstigend viele Siegpunkte ein. Günther stieg unverzüglichl ebenfalls auf die Schlachtfeldschiene um (von welcher Anfangstaktik eigentlich?). Dort mauschelten beide (Aaron und Günther) – in der weisen Überlegung, keine lachenden Dritten zu generieren – höchst effiziente Nicht-Verteidigungsabsprachen aus, d.h. sie kämpften jeweils gegeneinander und der jeweils Angegriffene wehrte sich nicht (gar nicht!), so dass mit minimalen Einsatzmitteln, ja sogar noch mit Kampfmittelgewinn, für jeden je eine belanglose Niederlage und ein lukrativer Sieg heraussprangen.
Walter versuchte sein Glück zuerst mit Waren, liebäugelte dann auch ein bisschen mit Pandora, sein Umstieg auf Titanium kam zu spät.

Ausgerechnet unser Krieger Moritz ließ sich von dem Gedränge auf dem Schlachtfeld beeindrucken und suchte sein Heil bis zur bitteren Neige in einer friedlichen Nische für friedliche Siegpunkt-Quellen. Nicht sehr überzeugend und auch nicht sehr erfolgreich. Hinterher bekannte er, dass ihm die eleganten Kampfwürfel abgegangen seien.

Kritikpunkte der Westpark-Gamers:

  • Das Thema ist nicht wirklich präsent, „Pandora und Titania“ ist ein rein abstraktes Workerplacement-Spiel.
  • Im Spiel werden zwei total unterschiedliche Spielweisen (Handel oder Kampf) angeboten, die leider total unabhängig nebeneinander herlaufen. Eine stärkere Verzahnung würde eine einheitlichere Stimmung mit mehr Variablität und Spannung fördern.
  • Die nach den Regeln noch zugelassenen Mauscheleien auf dem Schlachtfeld unterlaufen den notwendigen (und sicherlich vom Autor gewünschten) massiven Materialeinsatz beim Kampf. Das darf so nicht sein.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entwicklungsphase.

2. “Oddville”
Wir bauen eine Stadt.
Dazu spielen wir eine von vier „Arbeiterkarten“ (aus einem für jeden Spieler identischen Set) aus und erhalten dafür Geld, verschiedene Rohstoffe (teils gegen Geld) oder Baupläne. Die vier Arbeiterkarten unterscheiden sich lediglich in der Menge des Geldes, im Wert der Rohstoffe und in der Auswahl der Baupläne. Hier sei schon einmal angemerkt, dass wir dieses Vorschalten von Aktionskarten vor unsere eigentliche Aktion ziemlich überflüssig fanden.

Die erforderliche Kombination von zwei oder drei Rohstoffen erlaubt uns, einen Bauplan zu realisieren, d.h. die Stadt um eine Rechteckfläche (mit zueinanderpassenden Häusern und Wegen) zu erweitern. Diese Rechteckfläche gehört uns und liefert am Ende – abhängig vom Gesamtausbau der Stadt – Siegpunkte, z.B. für die Anzahl angrenzend bebauter Rechtecke, für die Anzahl von Rechtecken in der gleichen horizontalen oder vertikalen Linie oder für die Anzahl gleichartiger Rechtecke in der gesamten Stadt.

Für das Bauen einer Rechteckfläche erhalten wir auch noch bestimmte Vergünstigungen („Charakterkarten“), z.B. dürfen wir dann Rohstoffe beliebig gegeneinander tauschen, Baupläne mit der offenen Auslage tauschen, Geld direkt in Baupläne verwandeln oder gleichzeitig mit einem Mitspieler eine Rechteckfläche bauen.

Diese einmal erworbenen Vergünstigungen sind uns aber nicht fest zugeordnet. Wenn von einem Kartentyp keine Charakterkarte mehr ausliegt (das passiert blitzschnell), dann werden alle Charakterkarten eingezogen und die ehemals Privilegierten müssen wieder bodenständig arbeiten. Auch die Siegpunkte, die mit den Charakterkarten verbunden sind, gehen flöten. Ein bißchen Chaos gehört in ein italienisches Brettspiel schon hinein.

So verpufft die Planbarkeit. Die Abhängigkeit der eigenen Siegpunktausbeute von den weitgehend willkürlichen Bauaktivitäten der Mitspieler macht es überflüssig, über gute oder schlechte Spielzüge nachzudenken. Obwohl man es tun könnte und das am Westpark sogar versucht.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel ist nicht kaputt), Günther: 5 (diese Note ist ja noch kein Gütesiegel), Moritz: 4 (Man glaubt zu planen, aber nichts ist haltbar, auf nichts kann man bauen), Walter: 5 (locker, flüssig).

3. “Würfel-Bohnanza”
„Bohnanza“ klingt gut und der Autor „Uwe Roselberg“ auch. Doch die positiven Erwartungen, in „Würfel-Bohnanza“ irgendetwas bohnanza-artiges zu finden, werden betrogen. (Oder habt Ihr etwas gefunden ausser dem Farb-Design der Schachtel?)

Walter hinter Würfel-Bohnanza
Walter hinter Würfel-Bohnanza

Wir wurden unwillkürlich an „Bingo“ erinnert. Statt eines Wettscheins mit Zahlenkombinationen, die zentral von einem Meister mit einem Würfel ausgewürfelt werden, bekommt jeder Spieler eine „Erntekarte“ mit Würfelmuster-Kombinationen, die reihum dezentral von den Mitspielern mit sieben Würfeln ausgewürfelt werden. Jeder Wurf gilt für alle Spieler. Wenn die geworfenen Würfel das aktuelle unterste Würfelmuster der Erntekarte treffen, ist eine Ernte-Bedingung erfüllt. Wenn drei, vier oder fünf Ernte-Bedingungen erfüllt sind, darf man seine Erntekarte einstreichen und erhält dafür ein, zwei oder drei Siegpunkte.

Der aktive Würfler – nur er – hat das Recht, auf eine bestimmte Würfelkombination hinzuarbeiten, d.h. einzelne Würfel auszusondern und mit den restlichen Würfeln nachzuwürfeln. So lassen sich – mit einem gewissen stochastischen Glück – auch mal seltene Würfelmuster erwürfeln.

Wenn uns das aktive unterste Würfelmuster zu kompliziert erscheint (die Wahrscheinlichkeit dafür, es zu erwürfeln, als zu gering), dann können wir unsere Erntekarte mit dem aktuellen Ertrag (oder Nicht-Ertrag) weglegen und uns eine neue besorgen. Im Bingo entspricht das einem Abkassieren der aktuellen unvollständigen Teiltreffer auf unserem Wettschein, das Lösen eines neuen Wettscheins, und ein neues Hoffen auf Fortunas Würfelgunst für die neue Ernte-Kombination. Moritz brachte es auf den Punkt: „Man muss warten, bis sie kommt!“ und löste damit zu später Stunde noch ein homerisches Gelächter aus.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (durchgehend spannend), Günther: 6 (eine angemessene geistige Herausforderung, höchst interaktiv), Moritz: 2 (langweilig), Walter: 3 (stimmiges Würfelspiel).

Wieweit die obigen Wertungskommentare alle ernst gemeint waren, weiß nur der Kuckuck!

08.02.2013: Nachholspiele

Peter und Loredana hatten zum Spieleabend eingeladen, um endlich einige der von ihnen in den letzten 12 Monaten verpassten Spieleperlen auszuprobieren.

1. Québec
Wie schon vor etwas über einem Jahr löste der bonbonfarbene Spielplan Stirnrunzeln bei den Gastgebern aus. An Stadtviertelplanung und -bebauung denkt man wohl als Letztes, wenn man den Plan zum ersten Mal sieht. Wenn er denn wenigstens funktionell wäre, aber selbst da tun sich Schwächen auf, denn ab und zu wurde von einem Spieler die Zuordnung Farbe zu Sonderaktion eines Bauplatzes verwechselt.

Aber dies ist in Anbetracht des gebotenen Spielspaßes nur eine Marginalie. Über vier Perioden hinweg spielt sich Québec flüssig und bis zum Ende spannend. Die zwei Stunden Spielzeit vergingen wie im Fluge und das Erstaunen war groß, als zum Schluss zwischen der Sieger gerade einmal 5 Siegpunkte mehr hatte als der Spieler mit den wenigsten Punkten. Ist das der Beweis, dass Québec besonders gut ausbalanciert ist?

WPG-Wertung: Loredana: 8 (kurzweilig), Peter: 10 (ein echtes Ystari-Spiel), Aaron u. Günther bleiben bei ihrer 8er-Wertung

2. Rapa Nui
Rapa Nui wurde vor ebenfalls einem Jahr von uns mit einer Durchschnittswertung von 7,8 bedacht. Das stimmige, runde Spiel

  • ist flott
  • enthält einen hübschen Spannungsbogen
  • mischt Glück und Planbarkeit in einer spielerischen Kombination
  • ist sehr interaktiv

schrieb Walter in seinem damaligen Spielbericht. Leider konnten wir Peter und Loredana von diesen Qualitäten nicht überzeugen. Schon nach wenigen Runden saßen beide gelangweilt bis missmutig vor der Kartenauslage und wünschten sich das Spielende herbei. So sah dann auch ihre Wertung aus.

WPG-Wertung: Loredana: 6, Peter: 7.

3. Love Letter
Dieses minimalistische Kartenspiel mit Bluff- und Deduktionselementen sorgte schon vor einem Vierteljahr für geteilte Meinungen wegen des großen Glückelements. Dabei bietet das Spiel mit minimalem Erkläraufwand und kurzer Spieldauer durchaus viel Spaß. Walters damaliger Vergleich mit „Mensch ärgere Dich nicht“ hinkt insoweit, als bei „Love Letter“ eben nicht nur das Glück zählt. Den Spaß, den wir in den vorherigen Runden hatten, konnten Peter und Loredana allerdings nicht so recht nachvollziehen. Gelacht wurde diesmal, glaube ich, kein einziges mal.

WPG-Wertung: Loredana: 5, Peter: 5.

4. Zoff im Zoo
P&Ls Lieblings-Absacker musste nach den beiden vorhergehenden Flops (aus ihrer Sicht) einfach auf den Tisch. Lag’s am Wetter, an den zwei Stunden Sport unmittelbar vor dem Spieleabend oder am vielen Haribo-Konfekt? Jedenfalls schaffte Aaron in den ersten drei Durchgängen gerade einmal 9 Punkte und sicherte sich damit bei Spielende den letzten Platz. Bemerkenswert.

WPG-Wertung: keine neue Wertung.

Apropos Haribo-Konfekt: Peter behauptet, dass das in Bayern nicht viel gekauft wird, dafür in Norddeutschland umso mehr. Soll am Lakritzanteil liegen. Günther und Aaron (beide aus dem Norden) teilten sich daraufhin die 500gr-Packung.

06.02.2013: Erfinder in El Paso

Aarons war jetzt erstmals als Spieleerfinder auf der Spielemesse in Nürnberg. Seine Erkenntnis:

“Spieleautoren hatten es schon immer schwer, mit ihrer Arbeit Geld zu verdienen. Zu viele Spielideen treffen auf zu wenige Verlage in einem gesättigten Markt. Leider verschlechtert sich die Situation zusätzlich, denn in den großen Verlagen gibt es in den oberen Etagen immer weniger Leute, die aus der Spieleszene kommen und immer mehr “Jungspunde”, die reine Manager sind. Noch dazu gibt es leider genug Autoren, die auch noch die schlechtesten Verträge unterschreiben, nur damit ihr Spiel überhaupt veröffentlicht wird.”

Moritz konstatierte eine entsprechende Tendenz auch in der Musik:

„Ja, auch in der Musikszene gibt es Leute, die für einen Appel und einen Ei (oder umsonst) Musik für Ensembles und Orchester schreiben, nur damit sie überhaupt aufgeführt werden. Es gilt aber auch bei uns [Musikschaffenden] das Gesetz, dass die, die sich nicht anbiedern und Geld verlangen, eher als begehrt gelten, das ist dann meistens die bessere Taktik.“

1. “Pandora und Titania”

Pandora und Titania
Pandora und Titania

Mit Pandora verknüpfen Freunde der griechischen Mythologie gewöhnlich eine Frau, aus deren Dose allerlei böse Plagen auf uns Menschen herausgekommen sind. Titania hingegen ist für Schöngeister die verwirrte Ehefrau des Elfenkönigs Oberon, für unpathetische Naturwissenschaftler ein chemisches Element, für pathetische Radfahrer das Leichtmetall, aus dem die geilsten Fahrradrahmen der Welt hergestellt werden, und für Brettspieler der dreijährige Sprössling von Rüdiger Dorn, erschienen bei Hans-im-Glück.

Der Doppelname dieser beiden Frauengestalten (bzw. Frauen & Metall-Gestalten) ist der Arbeitstitel von Bernd Eisensteins neuester Schöpfung, das er in diesem Jahr auf seinem Stand in Essen seinem Spielensemble von „Peloponnes“, „Pergamemnon“, „Pax“ und „Porto Carthago“ hinzufügen will. (Hallo Bernd, liegt in der konsequenten Verwendung des Anfangsbuchstabens „P“ eine Methode?) Wir am Westpark durften einen schon recht weit gediehenen Prototyp unter die Lupe nehmen.

In einem Workerplacement-Spiel lassen wir unsere Gefolgsleute auf zehn verschiedenen Aktionsfeldern des Spielbretts werkeln. Zwei grundsätzlich verschiedene Schienen werden angeboten. Auf der friedlichen Schiene erwerben wir Waren, verscherbeln sie an Händler oder Reeder und machen damit Siegpunkte. Auf der kriegerischen Schiene schwängern wir unsere Mannschaft mit Siegpunkt-Embryos, und schicken sie mit einem reichlichen Vorrat an Titanium (was immer das ist, im Plural heißt es wohl „Titania“) in den Geschlechterkampf. Mit Titanium lassen sich auch Pandoras Plagen, die wir gezielt oder frivol über die Menschheit hereinbrechen lassen, heil überstehen, ja sogar in Siegpunkte ummünzen.

Unabdingbar ist die Stärkung unserer Leute für den Konkurrenzkampf durch Brot und Muckies.

Walter hatte sich gut vorbereitet und durfte eine Stunde lang in den Spielablauf einführen. Die vielen verschiedenartigen, vielleicht sogar gewöhnungsbedürftigen, Spielelemente, ihre Sinnhaftigkeit und gegenseitigen Abhängigkeiten machen es nicht kürzer. Gut zwei Stunden lang verlustifizierten wir uns damit, Pandora und Titania unterzukriegen. Es war ein kurzweiliges Vergnügen, auch wenn am Ende mit Bedauern festgestellt wurde, dass die Mengen an Titan, die jeder auf seiner Seite angescheffelt hatte, keinen Pfifferling mehr wert waren.

WPG-Wertung (prophylaktisch für ein noch reifendes Spiel): Günther: 7 (wenn die Kampf-Mechanismen noch befriedigend geklärt werden), Horst: 6 (die Auswirkungen der Kämpfe – selbst wenn der Mechanismus funktioniert – sind zu krass), Melanie: 5 (die „Pandora“ ist ein unbefriedigendes Element), Walter: 7 (Vorschußlorbeeren bezüglich letzter Klärungen).

2. “El Paso”
In einem hübschen kleinen Würfel-Zockerspiel sind wir Banditen und plündern Wild-West-Städte von Abilene bis El Paso. Plündern heißt: Jeder spielt eine Karte für das Objekt seiner Begierde aus, sei es in Bank, Saloon, Goldmine, Rinderweide, Hotel oder Pferdekoppel. Erbeutet wird, solange der Vorrat reicht. Dann würfeln wir – zu Beginn mit fünf, später mit immer weniger Würfeln – darum, ob Rinderweide und Saloon überhaupt betreten werden dürfen, und ob nicht Sheriffs auftauchen, vor denen wir rechtzeitig geflohen sein sollten.

Wenn auch der letzte Würfel einen Sheriff zeigt, muss eine Stadt geräumt sein. Wer das versäumt hat, muss seine komplette bis dahin gemachte Beute stehen und liegen lassen und mit leeren Händen in die nächste Stadt ziehen.

El Paso
El Paso

Solange die Sheriffs nicht zugeschlagen haben, darf jeder seine Beutestücke in Goldnuggets (sprich: Siegpunkte) umtauschen und / oder eine bestimmte Anzahl davon mit in die nächste Stadt nehmen. Die Umtauschrate steigt von Ort zu Ort, allerdings sind die Taschen sehr klein: wer als erster eine Stadt verläßt, kann nur ein einziges Beutestück mitnehmen, der zweite kann zwei mitnehmen, und so weiter.

Das Zocken besteht also darin, in einer Stadt solange auszuharren, bis der Erwartungswert für zusätzliche Beute und dem Verlust der gesamten Beute kleiner als Null ist. Wer nichts zu verlieren hat, der bleibt. Wer ohnehin Letzter ist, oder wer Zweiter ist und unbedingt noch Erster werden will (und kann), der bleibt auch. Schnell und schmerzlos.

WPG-Wertung: Günther: 5, Horst: 6 (Der Spannungsbogen ist nicht so groß wie erwartet), Melanie: 6 (macht Spaß, ist locker und gibt Raum für ein bißchen taktische Überlegungen, Abstriche für das Design: die Bonus- und Malus-Kategorien in den verschiedenen Städten sind nur schwer zu erkennen), Walter: 6 (stimmiges Würfelspiel, doch die Steigerung der Siegpunkt-Ausbeute in der letzten Stadt ist selbst für ein Zockerspiel zu krass.)

3. “Bluff”
Aufgrund des dringenden Bedürfnisses unseres charmanten Gastes Melanie erfanden wir eine weibliche Bluff-Variante: Man darf die Würfel-Vorgaben des Vorgängers beliebig erhöhen oder ERNIEDRIGEN.

Günther brachte ein weiteres Regelkuriosum zur Diskussion: Darf der Startspieler einige Würfel rauslegen und nachwürfeln, bevor er seinen allerersten Tip abgibt? Mir kommt das vor wie die Erweiterung der natürlichen Zahlen bis zur Null. Für einen Mathematiker ist das eine triviale natürliche Extrapolation, Pythagoras hätte sich der Magen umgedreht.

WPG-Wertung: Unsere super Bluff-Noten verwässerte Melanie mit einer 7.

30.01.2013: Graben und Drehen

Vor drei Jahren, am 26.5.2010, wurde Aarons erste Eigenentwicklung zum ersten Mal bei uns erwähnt. Damals ging es noch um eine schnelle 18xx-Variante, deren zulässige Aktionen wie Gleise-Legen und Städte-Verbinden erst in jeweils vorgeschalteten Bietrunden ersteigert werden mußten.

Im Laufe der Entwicklung wurden aus Lokomotiven Händler und aus Eisenbahngleisen historische Handelsrouten. Unter dem Arbeitsnamen „Manipur“ siedelte Aaron die Szenerie zunächst in Ostindien an und verlegte sie später auf Anregung von Peer Sylvester – hiermit sei ihm gedankt – unter dem Namen „Yunnan“ auf das Hochland zwischen China und Tibet, wo schon vor Jahrhunderten chinesischer Tee und tibetanischer Pferde ausgetauscht wurden.

Fünfmal stand „Yunnan“ nachweisbar auf den Prüfständen am Westpark, bis es in der Vielfalt seiner Zugoptionen und den bewußt darin untergebrachten unterschiedlichen Gewinnstrategien genügend ausbalanciert war. Schnell war es auch noch, und variationsreich-überraschend im Spielverlauf.

Vor zwei Wochen stellte Aaron seine Version auf einem Autoren-Seminar vor. Unvermutet schnell biß ein Verlag an. „Argentum“ will das Spiel auf der diesjährigen Messe in Essen zu seinem Flagschiff machen. Vorgestern trudelte ein unterschriftsreifer Vertrag an. Aaron freut sich auf die Zusammenarbeit.
Ein Hoch auf und von A (Aaron) + A (Argentum) bis Y (Yunnan) und Z (Zusammenarbeit)!

1. “Diggers”
Wenn Aaron am kommenden Wochenende zur Messe nach Nürnberg fährt, hat er noch drei weitere Eigenkonstruktionen in der Tasche. Eines davon ist ein kleines Kartenspiel, das als „Kickstarter“ und als „Inkubator“ auch schon bei uns vorgestellt worden war. Heute heißt es „Diggers“ und hat als Leitmotiv Zwerge, die in Bergwerken nach Erzen graben. Doch gleich zu Beginn verraten: Das höchst taktische, schnelle Kartenspiel ist viel zu abstrakt (reizvoll abstrakt), als dass es mit der großmütterlichen Zwergenszenerie gut bedient wäre.

Es ist ausgereift, funktioniert super, könnte sofort in Produktion gehen, nur das darunterliegende Thema findet noch nicht aller Wohlgefallen. (Achtung, Spieleautoren, genauso gehört es sich – für ein Eurospiel – : erst muss es funktionieren, dann darf auch noch ein Thema her. Bitte nicht umgekehrt!)

DiggersNach der heutigen Zwergen-Terminologie liegen in der Mitte des Tisches drei „Schaufeln“, mit den heute, morgen oder übermorgen in die Grube gefahren werden soll. Wir schicken unsere „Zwerge“ reihum zu den Schaufeln und wenn rechtzeitig genügend (vier) Zwerge eines Stammes ankommen, fährt die Schaufel los und die mitfahrenden Zwergenbesitzer bekommen dynamisch steigende Siegpunkte.

Der Reiz liegt einmal im schnellen Spiel. In 10 Minuten ist ein Durchgang durch. Der Reiz liegt aber auch innerhalb des reichlich gebotenen Taktierens: Schicke ich nur einen Zwerg oder gleich die benötigten vier Zwerge zu einer Schaufel. Belege ich prophylaktisch schon mal Zukunfsschaufeln (für die ich ggf. eine höhere Siegpunktzahl bekomme) oder verhelfe ich der Schaufel von heute zur Wertung, wo jeder nachfolgende Mit- und Unterzwerg den Wert der Zuerstgekommenen erhöht. Blockiere ich eine Schaufel, um die hier lockenden dynamisch bereits hoch geschaukelten Siegpunkte dem Erstbieter noch durch die Lappen gehen zu lassen, und um sie woanders für mich selbst einzuheimsen. Betreibe ich „Zwergenpflege“, indem ich mich von weniger aussichtsreichen Stämmen trenne und mich den – vermeintlich – lukrativeren zuwende.

Welche Taktik zum Ziel führt ist a priori nicht abzusehen und – glücklicherweise – auch mit einem Schuß Zufallsglück versehen. Sogar unser Dr. phil. Dr. Math. fühlte sich „überfordert“. „Das Spiel ist ja richtig kompliziert!“ (Als klares Lob zu verstehen!)

Nach der ersten Runde und der darauf folgenden Manöverkritik schlug er eine sofortige Wiederholung vor. Wieder mit Reiz, mit Taktik, mit Überraschungen und Vergnügen. Auch dies kann ein großer Wurf von Aaron werden. (Ist es ja schon, sucht nur noch einen Verleger.)

Noch keine WPG-Wertung, aber – hoffentlich – bald eine offizielle.

2. “Tzolk’in”
Gerade mit einem Durchschnitt von 8 Punkten zu unserem „Spiel des Monats“ gekürt, sollte es sich dieses Werturteil von Peter und Loredana nochmals bestätigen lassen. Die älteren Hasen Aaron und Walter schauten schon etwas kritischer auf Details-Fehler.

  • In der Tempelwertung soll es eine „niedrigere linke“ und eine „höhrere rechte“ Punktezahl geben. Doch beim rechten Göttertempel steht die höhrere Zahl rechts und die niedrigere links. Ist das Absicht? Peter sah dahinter zunächst eine gewollte Logik zur Asymmetrie, doch dann setze sich doch die Wörtlichkeit der Spielregel durch.
  • Der allererste Startspieler hat einen erheblichen Vorteil beim Besetzten der Plätze. Dafür müßte er eigentlich irgendwie irgendwo mit einem Handicap belegt werden. Ist aber nicht.
  • Wofür soll jeder Spieler die geernteten Mail- und Holz-Plättchen an sich nehmen, wenn sie hinterher keine Bedeutung mehr haben?

Beckmesserei? Vielleicht. In einem großen Spiel mit vielen neuen Ideen und einer riesigen, mnemotechnisch sehr gekonnt ausgefeilten Palette von Abhängigkeiten sollte man über die Späne, die beim Hobeln anfallen, großzügig hinwegsehen.

Doch der heutige Spielgenuß war bei weitem nicht so ungetrübt wie bei den vorangegangenen Spielen. Das Spiel zog sich viel zäher über die mehr als zwei Stunden Spielzeit hin. Vielleicht lag es auch an unserem falschen taktischen Herangegehen.

  • Der technische Fortschritt wurde kaum ein Angriff genommen. Deswegen gab es ständig Mangel am Grundnahrungsmittel Mais. Loredana und Walter büßten beide sogar in der Ernährungsphase einen erheblichen Teil ihrer bis dahin gewonnenen Siegpunkte ein.
  • Wir schauten mehrmals in der Spielregel nach, ob man Rohstoffe zu jedem beliebigen Zeitpunkt ohne Rahmenbedingung in Mais verwandeln kann. Das hätte öfters aus der Patsche geholfen und den Spielablauf beschleunigt. Doch dieses Hintertürchen bleibt regelrecht verschlossen.
  • Sehr selten wurde das Rad für die Rohstoffe genutzt. Vielleicht war das auch der Grund, warum kaum Gebäude und kein einziges Monument errichtet werden konnten.
  • Das Engagement bei den Tempeln hielt sich in engen Grenzen. Walter mußte wegen Brandrodung – zwecks Ernährung – sogar mehrmals den Zorn der Götter auf sich nehmen. Klarer Spielfehler.

Trotz allem: Das Spiel ist verdientes „Spiel des Monats“, auch wenn die vielfältigen guten Zugmöglichkeiten und ihre Abhängigkeiten erst noch in den Griff bekommen werden müssen.

WPG-Wertung: Loredana: 5 (langatmig; war mit der Startspieler-Konstruktion nicht zufrieden), Peter: 7 (viele nette Ideen), Aaron und Walter blieben bei ihren jeweils 8 Punkten.

“Tzolk’in” is our Game of the Month

Just in time for the apocalypse Czech Games Edition last year release their new game about the Mayan calendar „Tzolk’in”. What first looked as a clever marketing ploy because of its theme and the central time-wheels immediately demonstrated its potential as a strategic gamers’ game.

Several, not really innovative but proven game mechanics have been mixed into an excellent new brew. There is plenty of food for planners and strategists alike with sufficient levels of freedom for constructive optimization. Players are permanently involved, even during the other players’ turns. All in all a well-designed, excellent game.

“Tzolk’in” ist unser Spiel des Monats

Rechtzeitig zur Apokalypse brachte der Verlag Czech Games Edition letztes Jahr das Spiel „Tzolk’in” mit dem Maya Kalender als zentrales Spielelement heraus. Was zuerst wie eine geschickte Marketing Aktion dank Thema und dem fünfteiligen Zeitrad aussah, entpuppte sich schnell als elegantes, strategisches Vielspieler-Spiel.

Viele, nicht unbekannte, aber sehr gut funktionierende Spielelemente wurden zu einer neuen, sehr gelungenen Mixtur zusammengebraut. Es gibt genug zu denken und zu planen und genügend Freiheitsgrade beim konstruktiven, schöpferischen Optimieren. Jeder Spieler ist irgendwie an jeder Aktion, auch der Mitspieler beteiligt, und selbst das Verfolgen von deren Denkprozessen ist spannend. Eine runde, gelungene Sache.

23.01.2013: Aufbau in Japan, Zerfall im Weltraum

Ruppichteroth ist ein Eldorado für angehende Spieleautoren. Christwart Conrad bietet dort eine Platform zum Testen von Prototypen an. Aaron, unsere Autorenhoffnung war dabei, zusammen mit zwanzig Gleichgesinnten, von denen jeder zwei bis vier Eigenentwicklungen dabei hatte. „Sehr viele außergewöhnlich gute Spiele“.
Kein Wunder, dass Deutschland ein Paradies für (gute) Brettspiele ist. Und ein Paradies für Spieleverlage. Zumindest was die Anzahl der ihnen angebotenen Spiele ist. Weniger ein Paradies für Spieleautoren, die auch für ganz tolle, „produktionsreife“ Spiele keinen Verlag finden (werden).

1. “Goblins”
Vor sechs Jahren hatten wir mit „Galaxy Trucker“ ein hübsches Raumschiff-Bauen-damit-Transportieren-und-zerstört-Werden-Spiel kennengelernt und unisono zu unserem Spiel-des-Monats gekürt.
Jetzt hat der gleiche Verlag Czech Games Edition Gründzüge des Spiels nochmal aufgegriffen und als „Goblins Inc.“ präsentiert.

Immer noch

  • liegen auf einem großen Haufen verdeckt Bauteile, die wir aufgreifen, umdrehen und daraus unsere Raumschiffe (mit Mannschaft, Motoren, Waffen und Panzerung) auf einem vorgegebenen Grundriß zusammenbasteln
  • fliegen wir mit unserem selbstgebastelten Raumschiff durch den Weltraum, werden beschossen und verlieren peut-a-peut Mannschaft und Bauteile, bis wir arg gebeutelt, evtl. sogar totgeschossen das Spielende erreichen.
  • fallen unsere Bauteile, die nicht mehr niet- und nagelfest mit der Kommandozentrale verbunden sind, samt allen daranhängenen Teilen ab und verlieren sich im Weltraum.
  • hat der gewonnen, der am Ende überlebt und aus dem Restwert seines Raumschiffs sowie aus den Beschädigungen beim Gegner die meisten Siegpunkte erhält.

Unterschiedlich zu Galaxy-Trucker ist:

  • Die vom Stapel verdeckt gezogenen Bauteile dürfen nicht wieder zurückgelegt werden. Sie MÜSSEN irgendwie beim Raumschiffbau untergebracht werden, auch wenn sie mangels Festigkeit schon vor dem Start wieder abfallen werden. Einziger Spielraum beim Bauen: 2 von 5 gezogene Bauteile werden an die Feinde zur Verwendung übergeben. Dafür bekommt man von denen auch 2 – am wenigsten brauchbare – Bauteile zugeschustert. Wieweit damit gewisse Baublockaden in der Konstruktion überwunden werden können, bleibt dahingestellt.
  • Das Raumschiff (hier: der Roboter) wird ohne Zeitlimit gebaut. Wer meint, für seine fünf Bauteile pro Bauphase eine superoptimale Konstruktion auf die Beine stellen zu müssen, kann seine Mitspieler schon mal ganz schön nerven.
  • Wir werden nicht von zufällig auftretenden Meteoriten und ähnlichen Weltraumobjekte beschossen, sondern ganz gezielt von den Gegenspielern, die bei der Trefferquote auch noch würfeln müssen, ob und wohin sie schießen, damit die Zerstörungen nicht ganz so berechenbar sind.
  • Immer zwei Spieler arbeiten in einem Pseudo-Team zusammen. Sie bauen nur ein einziges gemeinsames Raumschiff, agieren – d.h. fahren, zielen und treffen – aber unabhänging voneinander. Außerdem haben sie individuelle Siegbedingungen „Geheimpläne“ genannt. Beispielsweise können abgeschossene / übrig gebliebene Bauplättchen, zerstörte Panzerungen oder getötetes / überlebendes Personal gewertet werden, wodurch nur einer von ihnen gewinnt.

Aaron las die Spielregeln mehr oder weniger wörtlich vom Blatt ab. Der Verlag hat durch eingebaute Textwitzchen („Hihi, jetzt wird’s lustig!“) versucht, den Spielgenuss zu fördern. Ausgerechnet unser Thema-Fanatiker Moritz unterbrach hier mehrmals: „Aaron, laß den Flavour-Text weg!“ Ja, liebe Prototypen-Tester von Idee und Umsetzung, das Thema muss im Spielablauf enthalten sein, aber doch nicht in Ballermann-Formulierungen vom Regelheft!

Aaron zeigt seine Edo-Begeisterung
Aaron zeigt seine Edo-Begeisterung

Moritz und Walter bildeten ein Team. Unter dem Schutzschild eines geborenen Wargamers läßt sich gut segeln. Auch wenn dieser seinen Pseudo-Partner mit dreisten Lügen über die strategisch besten Ziele verarschen wollte. Allen Logik und Solidarität heuchenlden Beteuerungen zum Trotze ist für jedem Schützen nur genau dasjenige Bauplättchen das beste Ziel, wofür ER ALLEIN die meisten Siegpunkte bekommt.

Durch einen einzigen Treffer auf ein Schlüsselteil flog Aarons und Günthers Raumschiff total auseinander. Lediglich die Kommandokapsel mit einer billigen Schreckschußpistole blieb übrig. Nur noch mit Fasten und Beten konnten sie bis das Ende der erste Runde ausharren. Mit 3:1 Stimmen war das dann auch das Ende des gesamten Spiels. Wir verzichteten weise auf einen weiteren Teil der Reise. Nur Moritz war enttäuscht: „Mir macht es Spaß!“

WPG-Wertung: Aaron: 4 (das Spiel lebt von der Stimmung der jeweiligen Spielrunde; zu wenig Spaßelemente), Günther: 4 (zu viele Spielemente, wo schlußendlich doch nur der Kampfwürfel alle anderen konstruktven Elemente dominiert), Moritz: 7 (schnell, das Thema kommt sehr gut rüber), Walter: 5 (wohlwollend, weil im Windschatten eines professionellen Wargamers segelnd).

Zu „Galaxy-Trucker“ hatte Aaron in seiner Rezension geschrieben: Das Spiel “is a very enjoyable game and definitely one of the best sci-fi games I have played since a long time.“ Wir sind inzwischen natürlich alle sechs Jahre älter (weiser und reifer) geworden, aber daran liegt es bestimmt nicht, sondern eher an den Spiel-Veränderung zu mehr Zufall und Chaos, dass „Goblins“ bei weitem nicht an sein Vorbild herankommt.

2. “Edo”
Edo ist eine Burg, die sich vor 400 Jahren zu einem Fischerdorf entwickelte, aus dem später Tokyo entstand. Die Aktivitäten zur Stadtgründung werden dem Spiel „Edo“ als Thema unterlegt. Wir zeugen Beamte, mutieren sie zu Samurais, schicken sie in die Prärie um Baustoffe (Holz und Stein) zu besorgen, mit denen wir später Häuser, Kontore und Festungen bauen. Daneben müssen wir immer mal wieder Reis ernten, damit unsere Samurais weiter werkeln und nicht wieder zu hungerlosen Beamten zurückmutieren.

Pro Zug stellen wir drei Aktionen anhand von drei „Erlaubniskarten“ geheim ein. Auf jeder Erlaubniskarte werden vier unterschiedliche Aktionen angeboten, insgesamt stehen also zwölf Aktionen zur Verfügung. Allerdings sind sie nicht frei kombinierbar, von jeder Erlaubniskarte darf nur eine Aktion gewählt werden.
Als „Aktionen“ gibt es neben dem schon erwähnten Baustoff-Besorgen, Reis-Ernten, Bauen etc. noch Geld-Eintreiben, einen Händler-Engagieren, um Geld in Rohstoffe oder Geld plus Rohstoffe in Siegpunkte umzusetzen, oder zusätzliche Erlaubniskarte-Erstehen, um damit mehr und lukrativeren Aktionsspielraum zu erhalten.

Verschiedene Zielrichtungen können zum Erfolg führen.

  • Zusätzliche Beamte für mehr Mehrfach-Aktionen
  • Bauen ist immer lukrativ, insbesondere der Festungsbau
  • Konsequenter Handel mit vorausschauender Rohstoffgewinnung
  • Zusätzliche Erlaubniskarten zur Nutzung von dynamischen Vorteilen
  • Gezielte Samurai-Zucht in der Schlußphase

Ein paar mehr Beamte sind unerlässlich und auch ein gewisser Häuserbau ist obligatorisch. Doch die anderen unterschiedlichen Vorgehensmöglichkeiten sind so gut austariert, dass es ziemlich gleichgültig ist, in welcher Richtung man seinen restlichen Freiraum nutzt, es kommt am Ende (fast) die gleiche Anzahl an Siegpunkten heraus: unser Sieger hatte 12 Siegpunkte, die dahinter Liegenden 11. Unabhängig von ihrem mittelmäßig-gutem bis grottenschlechtem Vorgehen beim erstmaligen Spielen eines unbekannten Spiels! Für 10 Spielrunden ist diese Siegpunktzahl noch dazu erschreckend gering: nur ca. EINEN EINZIGEN Siegpunkt gab es pro Runde. Kein Wunder, dass die fast zwei Stunden Spielzeit immer ermüdender wirkten.

Das Workerplacement-Aufbauspiel enthält eine balancierte Kombination von mehr oder weniger üblichen Mechanismen, aber keine bemerkenswerte eigenständige neue Idee.
Vielleicht kann man als Empfehlung werten, dass das Spielmaterial sehr ordentlich, robust und mnemotechnisch gut durchdesigned ist.

WPG-Wertung: Aaron:4 (ein Punkt weniger für den engen Siegpunkt-Einlauf, keine Spannung, das Spiel wird von Runde zu Runde langweiliger), Günther: 6 (überschaubare Mechanismen [A.b.N: das zählt als Pluspunkt]), Moritz: 5 (mühevolles Vorwärtsschieben auf der Siegpunktleiste), Walter:5 (funktioniert, weiß aber immer noch nicht, wie ein taktisch erfolgreiches Vorgehen aussehen müßte).

"Was lag auf den Tisch?"