“Pictomania” ist unser Spiel des Monats

Es ist kein Geheimnis, dass Vlaada Chvatil einer unserer Lieblingsdesigner ist – tatsächlich hat kaum jemand wie er die Spieleszene von der innovativen Seite her beeinflusst, und er ist jemand, der in jedem seiner Spiele Neues versucht. Als „Pictomania“ bei uns auf den Tisch kam, waren wir erst skeptisch, sind doch Party- und Familienspiele eher selten Hits bei den Westpark Gamers. Was uns aber überzeugte war, wie Chvatil ein wirklich geniales Punktebewertungssystem entwickelt hat, das der simplen Grundidee des Spiels (zeichne etwas, das die anderen erkennen können) eben die Würze gibt, die es von anderen Spielen dieses Genres unterscheidet. Dieses System resultiert in etwas, was man wirklich nur als „taktisches Zeichnen“ beschreiben kann, und allein dies ist die Anschaffung dieses Spiels wert.

04.07.2012: Portwein für den Krieg der Genies

Bis morgens um halb Drei mit Aaron und Günther palavert. Über Beruf, Banker, Politiker, Autos und Massagen. (Anlässe sind immer gegeben.) Teilgeschlafen. Die beste aller Ehefrauen mit guten Wünschen auf ihren Weg ins Büro begleitet. Ausgeschlafen. Üblicher Rentner-Vormittag. Jakobsmuscheln auf Kartoffel-Kohlrabi-Püree zum Mittagessen gekocht. (Probekochen für den nächsten Skat-Abend.) Küchendienst. Zur ersten Massage des Lebens. (Thai-Öl-Ganzkörper-Massage.) Wie beim nächtlichen Palaver prognostiziert, keine erkennbare Wirkung. (Nulla effectus in corpore sano!) Höchste Zeit, sich an den Session-Report zu machen, bevor es zum Donnerstag-Bridge in den Club abgeht.

1. “Vintage”
Ein portugiesisches Spiel für den internationalen Markt. Der Titel läßt im Deutschen erahnen, dass es um Weinbau geht. Als Anglizismus bezeichnet es einen besonders ausgezeichneten Jahrgang eines Weines, Portweins oder Whiskys (Wikipedia). Das englische Wort „Vintage“ hat aber eine größere Spannweite. Als Eigenschaftswort reicht seine Bedeutung von „altmodisch“ bis zu „hervorragend“ (LEO), und als Hauptwort hat es sich auf die Mode verlegt und bezeichnet ein Kleidungsstück, das mittels künstlicher Löcher und ausgewaschenen Farben auf „gebraucht“ getrimmt ist. Doch das ist eine andere Geschichte.

Wir bleiben beim Wein, genauer gesagt bei der „Portweinproduktion im Douro-Tal, der ältesten abgegrenzten Weinregion der Welt“. Das Spielbrett zeigt das Douro-Tal mit den umliegenden Weinbergen. Jeder Spieler läßt seinen Aufseher und seine vier bis sechs Arbeiter darin werkeln:

  • neue Weinberge anzulegen – hierbei sind Preis, Ertragreichtum, Qualität und Transportkosten in Einklang zu bringen.
  • Rebsorten anzupflanzen – Sortenreichtum ist geboten, vollständige Bepflanzung erhöht die Qualität.
  • Trauben zu lesen – mit Schwankungen in der Jahrgangsqualität.
  • die Trauben in die heimischen Weinkeller zu transportierenen – entfernt liegende Weinberge binden erhebliche Manpower für den Transport.
  • den Wein reifen zu lassen – dieser Prozess kommt im Spiel leider überhaupt nicht vor. Eingelagerte Weine sind unverzüglich auch verkaufsfähig. Schade eigentlich, die klassische Herstellung von Vinyard Port mit dem Stoppen der Vergährung durch Zugabe von Branntwein hätte noch vielfältige weitere Aufgabenstellungen abwerfen können. Im Spiel wird der Branntwein lediglich als unabkömmliches Lockmittel für die Arbeiter im Weinberg gebraucht. Wer hier seinen letzten Tropfen verbraucht hat und bei der zugehörigen Weinlese nicht gleich im selben Atemzug für neuen Nachschub sorgt, kann nach Hause gehen. Nie wieder wird er seine Arbeiter zum Arbeiten im Weinberg verlocken können.
  • den Wein verkaufen – mit dem Würfel wird noch ein bißchen an der Qualität gedreht, die Lagerkapazitäten limitieren den Ertrag. Maximal zwei Einheiten des besten Weines gehen als „Colheita“ für vier Siegpunkte über die Kellerschwelle. Im schlimmsten Fall von Überproduktion muß man je fünf Einheiten seiner Spitzenproduktion als „Tawny“ für einen einzigen Siegpunkt verkaufen.

Das ganze riecht nach sehr viel Arbeit. Ist es auch. Eine geschlagene Stunde brauchte Günther allein, um uns die Arbeitsanweisungen näher zu bringen. Dann fängt das Spiel äußerst zäh an und hört mittelprächtig zäh auf. In der ersten Runde können wir gerade mal einen neuen Weinberg erstehen. Damit ist unser Anfangskapital von drei Siegpunkten auch schon erschöpft. Der neue Weinberg hat zunächst weder Trauben noch Arbeiter; außer der Kapitalbindung bringt er keinen Effekt.

Mit dem Miniweinberg unserer Startaufstellung können wir gerade mal einen einzigen Zuber Trauben lesen und eine einzige Flasche Branntwein erzeugen. (Wenn wir hier die Branntwein-Produktion vergessen, können wir gleich nach Hause gehen, siehe oben!) Verkaufen können wir in der ersten Runde nichts, denn für Transport und Verkauf reicht unser Stammpersonal nicht mehr hin.

Wir dürfen unser Arbeiter aber nicht so mir-nichts-dir-nichts an die Arbeitsplätze schicken. Wir müssen für jeden Arbeitsschritt zuerst eine Arbeitsgenehmigung einholen. Bezahlen müssen wir das mit Arbeitern, deshalb stehen wir auch so schnell ganz ohne da. Der Preis für die Arbeitsgenehmigung wächst zudem linear. Die erste Traubenlese pro Runde kostet einen Arbeiter. Die zweite kostet schon zwei Arbeiter. Wieviel kostet wohl die dritte Lese? Und wie oft könnte der vierte Mitspieler seine Arbeiter zur Lese schicken, wenn er, wie zu Spielbeginn, gerade drei Arbeiter im Personalbüro hat? Richtig geraten, überhaupt nicht mehr!

Zum Glück gibt es den Aufseher, der fast überall hinkommt und nur den einfach Preis bezahlen muß. Und es gibt Zauberkarten, die manche Erledigung unserer Aufgaben erleichtern oder beschleunigen; doch ihr Erwerb und ihre Nutzung kostet Zeit und bindet ebenfalls Personal, das wir gerade am Anfang nicht haben.

Wenn wir dann nach der zweiten oder dritten Runde den ersten Wein in unseren Verkaufsregalen liegen haben, dann ist er von Menge und Qualität so gering, dass wir dafür mit viel Glück höchstenfalls einen oder zwei Siegpunkte erlösen können. In der Regel reicht es nur, ein paar Flaschen in das Regal mit dem Tawny-Schrott zu stellen. Zum Leben zu viel, zum Sterben zu wenig. Nach einer Stunde Spielzeit hatten wir die Hälfte der Runden geschafft, vegetierten aber größtenteils immer noch mit unseren zwei Weinbergen herum und hatten zwischen 0 (Null!!) und 5 Punkten auf dem Siegpunktkonto! Kein Geld, kein Schnaps, keine Leute! Das sind offensichtlich die Charakteristika von Vintage.

Nach sieben Runden und zwei Stunden Spielzeit kam der Sieger über die Besitzstandswertung am Schluß auf 27 Punkte. Die er wohl durch die glückliche Startspielerposition, eine glückliche Weinbergskauf-Zauberkarte und unbehelligtes Bepflanzen des frühen zweiten Weinbergs mit schwarzem „vigna antica“ zusammenkratzen konnte.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (stumpfe Optimiererei, es fehlt der Pfiff. Unnötig viel zu überlegen), Günther: 5 (man muß was tun, um es interessant zu machen. [Im Moment weiß ich nicht mehr, was er damit sagen wollte.]), Moritz: 4 (ist halt ein Workerplacementspiel; wenn es mit Eisenbahn-Thematik zu tun hätte, bekäme es einen Punkt weniger), Walter: 4 (der Konstruktionsentwurf verdient 8 Punkte, doch an der Ausarbeitung mangelt es hinten und vorne; die einzige Spannung liegt im Hinterherlaufen bei den begehrten, bitter notwendigen Arbeitsplatz-Angeboten.).
Ich schlage „Vintage“ für den „Horst des Monats“ vor.

2. “Wiz War”
Auf einem schachbrettartigen 10 x 10 Labyrith liegen von jedem Spieler verstreut zwei „Schätze“. Jeder Spieler hat einen Genie-Pöppel (vielleicht auch Zauberer genannt), den er durch das Labyrinth bewegt. Aufgabe ist es, so schnell wie möglich zwei fremde Schätze aufzulesen und im eigenen Heimat-Quadrat abzuliefern. Wem das als erstes gelingt, der hat gewonnen.

Pro Zug dürfen wir uns uns standardmäßig um drei Felder vorwärts-rückwärts-seitlich-bei bewegen. Durch Ausspielen entsprechender (Energie-)Karten auch noch um bis zu fünf Felder (pro Karte!) weiter. Diese Karten, von denen wir bis zu sieben auf den Hand haben, die wir pro Zug alle ausspielen dürfen, und von denen wir pro Zug zwei nachziehen dürfen, sind das Salz in der Suppe. Sie dienen nicht nur zur Erweiterung unseres Bewegungspotentials, mit ihnen können wir auch Breitseiten auf unsere Gegner abfeuern (Gegner sind alle unsere Mitspieler), wir können sie in ein Salzsäure-Bad tauchen oder wir bauen Mauern, um uns und unsere Schätze vor ihnen in Sicherheit zu bringen.

Natürlich gibt es auch Karten, um uns zu schützen, um die Mauern wieder einzureißen oder um gegnerische Schadenspunkte auf sie zurück zu lenken. Und es gibt Karten, mit denen wir die Kartenhand der Gegner bestehlen oder dezimieren können.

Zum Spielziel erklärte Moritz: „Man gewinnt, wenn man zwei Siegpunkte hat!“ Großes Gelächter auf allen Seiten. Selbst beim äußerst ertragsarmen „Vintage“ waren es mehr Siegpunkte gewesen. Seine Einführung beendete Moritz mit der Behauptung: „Der Kampf ist total strategisch! Ohne Glück!“ Großes Gelächter von seiner Seite. Galgenhumor zum Überspielen seiner üblichen Zwecklüge.

Der ideelle Konflikt bei allen Aktionen besteht darin, dass wir einerseits ausrücken müssen, um freme Schätze aufzuladen und nach Hause zu transportieren; dass wir andererseits aber damit unsere eigenen Schätze als Beute für die Gegner frei herumliegen lassen müssen. Im Mittelspiel trug Günther wie eine gute Känguru-Mutter einen seiner eigenen Schätze auf seinen Beutezügen mit sich herum. Solange, bis er einen fremden Schatz aufnehmen konnte und dafür seinen eigenen Schatz dort abladen mußte. Vielleicht ganz tricky, beim dem Angebot an herumliegenden Schätzen aber leicht überflüssig.

Um zu gewinnen muß man gute Kartenpflege betreiben. (Nachdem man ausreichend gute Karten gezogen hat.) Vor allem Potential für den Schlußspurt. (Wenn man keine bösen Gegner hat, die einem die besten Karten der Hand wegstehlen.)

Ein Wiz, eine Mauer, eine Heimatbasis und ein Schatz

Walter wußte – wie immer bei solchen Fantasy-Adventure-Kriegsspielen – nicht, was er mit seinen Karten anfangen sollte. Wenn schon Waffen-Karten in der Hand, dann auch abfeuern. Auf wen? Auf den, der am nächsten steht. Wenn schon Mauern-Karten in der Hand, dann auch Mauern bauen. Wohin? Dorthin, wohin der Nächste nicht weglaufen sollte. Beidesmal traf es Aaron. Strategisch und taktisch unsinnig. Er ertrug es tapfer. Stellt Euch mal das Lamentieren vor, wenn Walter seine irrationale Spielweise gegen Moritz ausgeübt hätte! Hallo Aaron, es tut mir jetzt noch leid, dass ich uns dieses Vergnügen vorenthalten habe!

Günther äußerte Verständnis: „Das Spielziel liegt darin, möglichst viel Chaos zu erzeugen und dann irgendwie durch Zufall zu gewinnen.“

WPG-Wertung: Aaron: 3 (funktioniert, möchte es aber nicht nochmals spielen. Vielleicht frustriert von Walters Chaos-Strategie), Günther: 4 (das Spiel lebt vom Chaos, die [Pseudo-Stimmung-suggerierenden] Texte auf den Karten sind lächerlich.), Moritz: 6 (das Spiel ist lustiger als „Vintage“), Walter: 3 (nur wenn man in Chaos-Stimmung ist)

Zu Beginn des Spiels wollte Moritz nicht jedem Spieler seine traditionellen Farben geben, sondern verteilte sie zufällig. Großer Protest. Bevor er auch nur das Spielbrett ausbreiten konnte, hatte sich jeder durch heimliches Tauschen wieder seine Favoritenfarbe an Land gezogen. Moritz versuchte zwar, dagegen zu argumentieren, doch gegen die Phalanx der befriedigten Favoriten kam er nicht an.
Auch beim Aufstellen des Spielbretts ging Moritz (spielregel-gerecht?) nach einem Zufallsprinzip vor. Anstatt jedem seine Lieblingsfarbe vor die Tür zu legen, wie es sich für die Go-Maxime: „Ein guter Go-Spieler spielt bei sich selbst!“ gehört. Gibt es für die strenge Verfolgung der Zufallsverteilungen eine im Spielablauf liegende logische Begründung? Ich sehe keine. Nicht für das erste Spiel und nicht für das hunderste Spiel. Die Zufallsauswahl der Karten, das was man damit anfängt, und die freien Bewegungen bringen die Abwechslung ins Spiel. Sie alleine!

27.06.2012: Spiele des Jahres, Fußball des Tages

Die Goethe-Universität in Frankfurt hat nach einem statistischen Modell berechnet, wer die diesjährige Fußball-Europameisterschaft gewinnen wird. Basis für die Rechnerei ist die schlichte Erkenntnis, dass die Ergebnisse von Fußballspielen Zufallsereignisse mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten sind. Jede Mannschaft schießt etwa 9 mal direkt aufs Tor. Die eine Mannschaft trifft aber häufiger als die andere. Die Wahrscheinlichkeit für das Häufiger-Treffen wird aus den Ergebnisse von früheren Begegnungen und aus der derzeitigen FIFA-Punktzahl gebildet.
Finales Ergebnis der jungen Goethes:
Deutschland kommt mit 62,14% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 31,92%.
Italien kommt mit 41,61% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 19,77%.
Spanien kommt mit 57,71% Wahrscheinlichkeit ins Finale und gewinnt es mit 29,64%.
(Näheres unter http://www.fussballmathe.de)

Diese Ergebnisse stammen offensichtlich aus der Zeit vor dem heutigen Portugal-Spanien-Spiel, denn jetzt ist Spanien bereits mit 100% im Finale. Und warum die Summe aus den Final-Wahrscheinlichkeiten für Deutschland und Italien keine 100% ausmacht, das ist auch nicht ganz plausibel. Mir zumindestens nicht. Ich weiß nur, dass der alte Goethe als Naturwissenschaftler ein paar dicke Kalauer vom Stapel gelassen hat. Warum nicht auch die jungen Goethes?
Morgen wissen wir mehr, und am Sonntag wissen wir alles.

1. “Vegas”
Auf die recht harsche Kritik von letzter Woche hat uns Rüdiger Dorn eine ruhige, sachliche Antwort zukommen lassen. Er verwies auf die Störer-Variante: Jeder Spieler bekommt zu seinen acht eigenen Würfeln noch zwei fremde Würfel eines Dummy-Mitspielers dazu, die er unabhängig von seinen eigenen Würfeln legen kann. Damit kommt etwas mehr Schadenfreude ins Spiel. Es geht nicht mehr allein darum, mit Blut, Schweiß und Tränen an ein paar Dollars ran zu kommen, jeder hat a priori zwei Würfel in der Hand, die ausschließlich dazu da sind, den Mitspielern beim Aneignen begehrter Pfründen in die Suppe zu spucken.
Moritz spürte sofort, dass das Spiel „deutlich lustiger“ wurde. Günther schränkte ein: „Aber nicht weil das Spiel auf diese Weise lustiger ist, sondern weil wir uns darüber lustig machen!“ Aaron bilanzierte. „Es ist halt ein gehässiges Spiel:“ Zur Versöhnung gab Moritz noch eine seiner unendlichen Weisheiten zum Besten:
„Das Spiel will nicht mehr als es ist!“.
Wir hätten alle gerne etwas mehr gehabt und bastelten an Varianten. Beispielsweise:

  • Es gibt Joker-Würfel
  • Die letzten drei Würfel dürfen / brauchen nicht mehr ausgelegt werden.
  • Eine Spielrunde endet mit Sudden Death, sobald ein Spieler alle seine Würfel plaziert hat.
  • Würfel müssen nicht immer ausgelegt, werden, sie dürfen auch einfach beiseite gelegt werden.
  • Augenzahlen sind kombinierbar.

Sicherlich haben Autor und Verlag viele Vegas-Varianten ausprobiert. Das oberste Ziel war aber offensichtlich die Einfachheit der Regeln. Schließlich kann heutzutage nur so ein Spiel-des-Jahres entstehen.
WPG-Wertung für Vegas mit der Störer-Variante: Aaron: 6 (glatt, vorher 6-minus), Günther: 4 (bleibt), Moritz: 4 (die erste Runde war noch ganz lustig, nach der zweiten Runde habe ich mich gelangweilt), Walter: 4 (vorher 3).

2. “Infiltration”
Infiltration“In ‘Infiltration’ two to six players control futuristic thieves, known as operatives, infiltrating a highly secure corporate facility to steal digital files. Each operative attempts to outwit his counterparts and collect the most data. But most importantly, each operative must escape the facility before the security mercs arrive.” – So steht es in der Game-Overview. Der Google-Translator übersetzt das (leicht verbessert) zu: „In ‚Infiltration’ steuern zwei bis sechs Spieler futuristische Diebe, als Arbeiter bekannt, die eine hochsichere Corporate Facility infiltrieren, um digitale Dateien zu stehlen. Jeder Arbeiter versucht, seine Amtskollegen zu überlisten und die meisten Daten zu sammeln. Am wichtigsten ist aber, dass der Arbeiter die Anlage verläßt, bevor die Sicherheits-Söldner ankommen.”
Wie infiltrieren wir die Facility? Indem wir die Aktionskarte „Advance“ spielen. Mit jeder Advance-Karte kommen wir ein Feld (=Raum der Facility) vorwärts. Wie stehlen wir Dateien? Indem wir die Aktionskarte „Download“ spielen. Solange der Vorrat reicht. Wenn die letzte Datei vom Feld, auf dem wir gerade stehen, entwendet wurde, gibt es nichts mehr zu holen. Dann sollten wir ins nächste Feld ziehen. Wie? Siehe oben.
Wie kommen wir aus dem Spielfeld wieder heraus? Indem wir die Aktionskarte „Retreat“ spielen. Damit gehen wir ein Feld zurück in Richtung Ausgang. Wenn wir “Retreat” mindestens so oft gezogen haben, wie wir im bisherigen Spielverlauf advanciert sind, sind wir draußen. Wann kommen die Sicherheits-Söldner? Wenn die Summe aller Augen, die wir mit dem Zeitwürfel gewürfelt haben, die Hundert überschreitet. Durchschnittlich könnte man mit 100 geteilt durch 3 ½ Zeitwürfel-Würfen rechnen. Da die Uhr aber schneller geht und immer wieder eine zusätzliche Zeitspanne addiert wird, ist das Spiel schneller aus als man denkt.
Wer noch schneller fertig werden will, spielt gleich im ersten Zug die „Retreat“-Karte. Unverzüglich ist er draußen und kann sich das aufregende Portugal-Spanien-Spiel anschauen.
Gibt es noch was? Ja, jeder hat ein paar Item-Karten auf der Hand, die er anstatt oder zusätzlich zu seiner Aktionskarte spielt. Damit kann er sich ein bißchen schneller bewegen. Vorwärts und rückwärts!
Nachdem jeder ein paar Runden lang advanced und downloaded hatte, entfuhr es Aaron: „Das kann es doch nicht sein, was wir jetzt machen.“ Moritz beruhigte: „Es ist halt ein No-Brainer“. Zu Deutsch: Ein Kinderspiel! Höchstenfalls!
Günther stieg als erster aus. Dabei wollte er nicht einmal das Fußballspiel anschauen. Er hatte nur eine Item-Karte in der Hand, mit der er die Restspielzeit gleich um ein Drittel verkürzte. Er war der einzige, der überlebte. Für alle anderen reichte die Zeit nicht mehr, im Retreat-Tempo den Ausgang zu erreichen. Moritz hat es trotzdem Spaß gemacht.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (störte sich an der unterschiedlichen Wertigkeit des Diebesgutes. Der zufall-bestimmte Unterschied kann bis zu 300% betragen), Günther: 4+ (zu viel Text, d.h. Brimborium, für die einfachen Züge), Moritz: 7 (würde ich sofort wieder spielen. Thematisch überzeugend), Walter: 3 (würde es nicht nocheinmal spielen, wenn man ein Drittel der Feld-Effekte kennengelernt hat, ist das abstrakte Thema ausgelutscht).
Walters Ausgelutscht-Aussage konterte Aaron mit dem Hinweis auf die Geisterbahnen auf Rummelplätzen. „Jeder weiß, was da drin ist, und trotzdem gehen alle rein.“ Ach! In den Geisterbahnen will man doch nicht neue Geister kennen lernen. Zum Küssen sind sie da!

3. “Pictomanic”
PictomaniaEin Unterhaltungs- und Familienspiel, das es heuer bis auf die Empfehlungsliste zum “Spiel des Jahres” gebracht hat. Jeder bekommt einen unterschiedlichen Begriff vorgegeben (Auto, Ball, Cafe), dann malen alle gleichzeitig ihren Begriff und versuchen, als erster die Begriffe zu raten, die ihre Mitspieler malen. Ein ähnliches Prinzip wurde schon sehr erfolgreich mit dem Spiel-des-Jahres „Barbarossa“ verfolgt.
Punkte gibt es für das richtige Raten, für das richtige Geraten-Werden und für die Geschwindigkeit, mit der man das erledigt.
Das Spiel hat einen netten Unterhaltungswert, wie alle Spiele dieser Art. Tragisch ist es nur für den, der als einziger vom Fach ist, und dessen fachkundigen Gemälde nicht erkannt werden. Wie leicht kann für einen Nicht-Astronomen aus der Jungfrau ein Stier werden. Moritz hielt Walters Gitarre für eine Geige, Günthers Steinpilz war zweifellos ein Fliegenpilz und alle hielten Aarons Hyäne für einen Fuchs.
Die vorgegebenen Begriffe haben einen steigenden Schwierigkeitsgrad. Wir waren bald überfordert. Nicht nur mit Gitarren, Hyänen und Steinpilzen. Wie malt man denn einen „Algorithmus“? Reumütig und einsichtig kehrten wir zu den Anfängerbegriffen zurück.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (hoher Wiederspielwert, die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade sind eine gute Idee, vorzügliche Skalierbarkeit für 4 bis 6 Personen), Günther: 7, Moritz: 7 (das Punktesystem ist das genialste am Spiel), Walter: 6 (die Idee ist nicht neu, der Zeitdruck stört die Kontemplation, das geilste sind die abwaschbaren Mal-Tableaus).

4. “Sequence”
Das Spielbrett zeigt ein Muster von Bridge-Karten. Jeder Spieler hat eine Kartenhand von 6 Karten und spielt reihum eine frei wählbare Karte daraus aus. Die ausgespielte Karte gibt das Feld auf dem Spielbrett an, wo der Spieler einen Chip hinlegen darf. Ist es einem Spieler gelungen, fünf Chips in waagrecht, senkrecht oder diagonal benachbarte Felder zu legen, so hat er gewonnen. Bei vier Spielern bilden die beiden gegenübersitzenden Spieler ein Team und gewinnen (oder verlieren) gemeinsam.
Wie beim Gobang-Spiel müssen ständig zwei Ziele im Auge behalten werden: eine eigene Fünfer-Sequenz zu bilden und beim Gegner eine solche zu verhindern. Beim Gobang hat dabei aber jeder Spieler unendliche künstlerische Freiheit, in „Sequence“ können nur die maximal 6 verschiedenen Felder gemäß der eigenen Kartenhand belegt werden. Ein kleines bißchen Aufpassen über die Gebilde der Gegner schadet nicht, der Rest ist Kartenglück.
Der italienische Untertitel des Spiels lautet: “Un emozionante gioco di strategia“, der englische Untertitel: „An exciting game of Strategy“. Deutscher Untertitel: Fehlanzeige. In Mini-Schrift darunter gesetzt: „Mit Strategie und Glück gewinnen.“ Wir Deutschen sind entweder sauertöpfisch oder humorlos. Oder schlichtweg wahrheitsliebend.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (möglicherweise als Absacker geeignet), Günther: 7 (nur zum Zeitvertreib), Moritz: 5, Walter: 5 (reines Glücksspiel, plus ein bißchen Wahrnehmen, was das Glück uns geboten hat).
Inzwischen hat Spanien das Elfmeterschießen gewonnen.

5. “Zooloretto – Würfelspiel”
Zooloretto WürfelspielEin Spiel-des-Jahres ist immer eine Variation wert. 2007 hat das Brettspiel „Zooloretto“ den begehrten Titel gewonnen, 2012 kam die jetzige Würfelversion heraus.
Mit Hexawürfeln, auf denen Zooloretto-Tiere abgebildet sind, würfeln wir die Tierearten aus, die auf dem Markt zu haben sind, und laden sie auf Transporter. Jeder Spieler kann wählen, ob er zwei weitere Tiere herausbringt oder ob lieber die Tiere auf einem der beladenen Transporter in seinen Zoo einreiht. Am Ende bestimmt der beste Zoo den Sieger.
Für Aaron eine gelungene Kombination von „Choice“ und „Vegas“. Für Walter war auch noch ein bißchen „Kniffel“ dabei.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (nicht besonders spannend), Günther: 7 (die beste Umsetzung eines Brettspiels als Würfelspiel), Moritz: 6 (das Original-Zooloretto ist besser), Walter: 5 (Würfelspiel mit der üblichen chaotischen Abhängigkeit von den Aktionen der Mitspieler).

20.06.2012: Zocken und Malochen

Kritik und Freude
Kritik, einseitige und ungerechte ebensogut wie verständige, macht dem, der sie übt, so viel Vergnügen, dass die Welt jedem Werk, jeder Handlung Dank schuldig ist, welche viel und viele zur Kritik auffordert: denn hinter ihr her zieht sich ein blitzender Schweif von Freude, Witz, Selbstbewunderung, Stolz, Belehrung, Vorsatz zum Bessermachen. – Der Gott der Freude schuf das Schlechte und Mittelmäßige aus dem gleichen Grunde, aus dem er das Gute schuf. (Friedrich Nietzsche: Menschliches, Allzumenschliches II)

1. “Vegas”
Erstens von Rüdiger Dorn, zweitens bei Alea verlegt, drittens in der „Spielbox“ hoch gepriesen, viertens in wenigen Tagen zum „Spiel des Jahres 2012“ gekürt (vielleicht). Für Aaron genügend Gründe, das Spiel trotz massiver Unkenrufe von Günther (negativer Spannungsbogen, am Ende wird man gespielt) zu erstehen.

Auf dem Tisch liegen sechs Stapel („Casinos“) mit ein bis drei Geldscheinen in der Stückelung von 10 bis 90 (Tausend) Dollar. Jedem Stapel ist eine der Würfelaugen 1 bis 6 zugeordnet.Vegas 2012
Jeder Spieler würfelt zu Beginn mit 8 Würfeln, wählt davon alle Würfel einer Augenzahl aus und legt sie zum zugehörigen Geldstapel. Das geht reihum so. Wenn ein Spieler wieder an der Reihe ist, würfelt er mit seinen restlichen Würfeln, wählt wiederum eine Augenzahl aus und legt sie an den entsprechenden Geldstapel. Das geht so lange, bis alle Spieler alle ihre Würfel irgendwie auf die Geldstapel verteilt haben. Zuerst mit einer gewissen Auswahlmöglichkeit, zuletzt ohne jeden Freiheitsgrad, denn der letzte Würfel muß zwangsläufig an den einzig vorbestimmten Geldstapel gelegt werden. Wenn die beiden letzten Würfel die gleiche Augenzahl haben, ist ihr gemeinsamer Bestimmungsort auch schon vorbestimmt. Wenn ein Spieler zufälligerweise gleich beim ersten Wurf acht gleiche Zahlen würfelt (die Wahrscheinlichkeit dafür ist 1: 279936), dann muss er alle seine Würfel ebenfalls an den einzigen vorbestimmten Geldstapel legen und beendet für diese Runde seinen Zug.

Jetzt erfolgt die Würfelwertung: Wer an einem Geldstapel die meisten Würfel liegen hat, bekommt den höchsten dort ausliegenden Geldschein, die zweitmeisten Würfel bekommen den zweihöchsten Geldschein usw. Gleichviel Würfel patten sich aus, keiner der Würfelbesitzer bekommt etwas und es lacht der Dritte.

Was gehört zur Taktik des Spieles? Bevor Aaron dem reinen Glücksspiel auf der Soll-Seite ein „gutes Würfelmanagement“ zubilligen konnte, hatte Günther auf der Ist-Seite schon ein „Man muß gut würfeln“ untergebracht. Claro, wenn jeder Spieler reihum seine letzten Würfel plazieren muß, können leicht noch neue Mehrheiten entstehen oder Führungshoffnungen mittels Patt sich in Luft auflösen. Zwangsweise, wohlgemerkt.

Natürlich gibt es was zu freuen, wenn sich zwei starke Goliaths eliminieren und der kleine David den Reibach absahnt. Aber mindestens zwei Mitspieler freuen sich dann NICHT. Birgit flehte: „Oh Gott, lass es eine 5 sein!“ Es war eine 5 und sie übernahm die Anwartschaft auf 80 Kilo Dollars. Doch dann bekam Aaron auch eine 5, zog mit ihr gleich und die 80 Kilos erhielt schlußendlich der mickrige Zufalls-Dritte. Als Günther vor seinem letzten Würfelwurf stand, murmelte irgend jemand: „Wenn er jetzt eine 3 würfelt, ist das Spiel blöd!“ Das Spiel war blöd!

Wir hätten vielleicht nicht mit „Vegas“ anfangen sollen! Wir waren noch nicht vorgeglüht. Erst wenn jeder eine Flasche Rotwein in sich hat, kann das saublöde Würfeln seine volle Unterhaltungskraft entfalten.

WPG-Wertung: Aaron: 6- (das Spiel funktioniert, ist schnell erklärt und ansonsten ein reines Glücksspiel), Birgit: 4 (hat am Anfang ein bißchen Spaß gemacht, dann war es langweilig), Günther: 4 („Kniffel“ ist wesentlich besser), Horst: 6+ (zum Ködern von Nicht-Spielern, könnte sogar Suchteffekte auslösen, andere Spieler ärgern ist schließlich eine positive Emotion), Walter: 3 (nach zunächst euphorischen 7 Punkten! Ist dem Alter entwachsen, wo Sich-ärgern oder Sich-über-den-Ärger-anderer-Freuen“ genügend Wiederspielreiz ergibt.)

Lieber Rüdiger, mit Schrecken habe ich in der After-Party-Diskussion erfahren, dass Du der Autor dieses Spiels bist. Tut mir leid, mein Spiel ist es nicht. Zu meinem Spielspaß gehören:

  • Eine nette Spielrunde. – Das haben wir auch ohne Dich.
  • Neue, hübsch ausgedachte Spiel-Ideen kennenlernen. – Das mit dem sukzessiven Würfel-Verteilen ist höchstenfalls eine Richtung, aber noch kein Ziel.
  • Vor und während des Spiels einen Plan haben können. – Bei Glücksspielen ist das Fehlanzeige.
  • In Konkurrenz kämpfen und mit spielerischen Mitteln ein Ziel verfolgen. – Bei Glücksspielen ist …

Günther hatte heute zufälligerweise auch Dein „Goa“ dabei. Vor kurzem hat ihm das bei den Münchener Spuiratzn mal wieder außerordentlich gefallen. Mit diesem Superspiel kannst Du auch bei mir punkten. Mit „Vegas“ leider nicht. Glücklicherweise – für Dich – hat die Jury von „Spiel des Jahres“ aber einen anderen Geschmack als ich. Und sie läßt sich von unseren Spielkritiken auch nicht beeinflussen.

2. “Stone Age – Mit Stil zum Ziel”
Walter forderte einen Platztausch mit Günther. Offiziell wollte er dabei der Birgit besser in die Augen schauen können, inoffiziell fürchtete er im Steinzeitalter die ständige Interessenkollisionen mit Günther und wollte sich dafür die Zug-Priorität sichern. Was kann man daraus schließen? Zumindest diese beiden hatten bereits vor dem Spiel einen taktisch-strategischen Plan. Entweder Kinder-Kriegen und Hungern-Lassen oder Schmuck-Handel und damit die Welt-Aufkaufen. 1:0 für „Stone Age“ gegen „Vegas“.

Aaron wurde Startspieler und riß sich gleich den Kreißsaal unter den Nagel, so dass Walter – erfreulicherweise – nur noch der Juwelierladen übrigblieb. Selbstverständlich wählte er auch als Startspieler in der zweiten Runde diese Option. Günther hatte (zunächst) beide Male das Nachsehen.

An dieser Stelle kritisierte Birgit das Einschwingverhalten von „Stone Age“. Offensichtlich gehört es unabdingbar zur Siegstrategie, in den ersten Runden mit höchster Priorität den Schmuckhandel zu wählen und als zweites das Kinder-Kriegen. Stimmt das? Das entspräche einem strategischen Freiheitsgrad von Null. Günther – Theoretiker oder HiG-Parteigänger – legte dagegen sofort Widerspruch ein: „Und wie steht es mit Nahrung, wie mit der zusätzlichen Würfel-Kampfstärke?“

Nun ja, als er selber die freie Auswahl hatte, engagierte er sich selbstverständlich ebenfalls ohne Zögern im Schmuckhandel. Allerdings folgt im „Stone Age“ nach dem Recht der ersten Nacht noch ein wahres Feuerwerk an weiteren Zugriffsmöglichkeiten. Günther wählte die „Symbolstrategie“. Er sorgte dafür, dass er immer ausreichend Schmuckstücke im Beutel hatte und erwarb sich damit immer – sofern noch verfügbar – die offen ausliegende Mit-Stil-zum-Ziel-Sonderkarte und zugleich auch noch die verdeckte Zusatzkarte, um sich mittels der quadratisch anwachsenden Schlußprämie für die Anzahl verschiedener Symbole auf den ersten Platz hochzukatapultieren. Das gelang. 64 Siegpunkte für die Symbole und ein paar weitere Prämienkarten hievten ihn in der Schlußwertung vom letzten auf den ersten Platz. Besitzt die Stil-Erweiterung von „Stone Age“ schlußendlich doch eine eindeutige und damit triviale Gewinnstrategie?

WPG-Wertung: Birgit: 8 (macht Spaß), Horst: 8 (die Wartezeit bei 5 Spielern tendiert ins Negative), Aaron reduziert in einer 5-Spieler-Runde seine Wertung auf 6-Punkte.

Frage: Ist Geschwindigkeit und Spielspaß in einer 5er Runde nicht bei jedem Spiel geringer als in einer 4er Runde. Aus dem Stegreif fielen uns als Ausnahmen von der Regel nur „Bluff“ und „1830“ ein!

3. “Rapa Nui”
Nach dem anstrengenden 2 ½ stündigen Werkeln im Steinzeitalter waren Birgit und Horst abgeschlafft und begaben sich mit dem vorvorletzten Fahrrad zu Kind und Kegel nach Hause. Das Rest-Trio suchte für die letzte Stunde noch einen angemessenen Absacker. Beim Vorschlag „Rapa Nui“ leuchteten alle Augen auf. Ein flottes, leichtes, gefälliges, interaktives Kartenspiel zum Sammeln, Auslegen und Werten von Karten, mit reichlich Freiheitsgraden, mit einer heuristischen Planung und mit sanften Zufallseffekten.

Diese hübschen Eigenschaften hat sogar die Jury von „Spiel des Jahres“ entdeckt. Das Spiel wurde in die Empfehlungsliste zum “Spiel des Jahres 2012“ aufgenommen. Ein Oberlehrer und eifriger Leses unserer Homepage ist mit dieser Einschätzung allerdings nicht einverstanden. Er schrieb: “Mit HANSA TEUTONICA, LONDON und BUBU habt Ihr sogar drei meiner absoluten Top Five der letzten Jahre auf den Schild als Spiel des Monats gehoben. Bravo! Da kann ich über Belanglosigkeiten wie zuletzt SEELAND und RAPA NUI gern mal hinwegblicken.“

Lies und blicke weiter, lieber Leser!

Keine neue WPG-Wertung für ein hübsches Spiel.

“Village” is our Game of the Month

At first glance, „Village“ appears to be just another worker placement game. Far from it!

We are faced with new and surprising possibilities to gain victory points. Be it be aiming for a quick demise of one’s family members thereby entering the village chronicle and speeding up the game or by a more careful time management slowing down the game by travelling. Whatever strategy we choose, each game turn is short with little downtime for the other players.

Despite its many options “Village” is a light and fun game – a highlight of the current gaming year!

“Village” ist unser Spiel des Monats

Auf dem ersten Blick mag man meinen, es handele sich um eines der vielen ganz netten Worker Placement Spiele. Weit gefehlt!

Es ergeben sich neue, überraschende Möglichkeiten seinen Punktestand aufzubessern: Zum Beispiel dadurch, dass man seine Familienmitglieder sterben lässt wie die Fliegen – damit sie punkteträchtig in die Dorfchronik eingehen und gleichzeitig das Spiel beschleunigen. Andere Spieler betreiben sparsames Zeitmanagement, verlängern das Spiel und suchen ihr Heil beim Reisen. Wie auch immer man agiert, jeder einzelne Spielzug ist kurz und lässt keine langen Wartezeiten aufkommen.

Trotz vielfältiger Handlungsmöglichkeiten spielt sich „Village“ locker und leicht – ein Highlight des aktuellen Spielejahrgangs!

06.06.2012: Karten, Karten, Karten und ein paar Würfel

Seit Moritz an der Musikhochschule Lektionen gibt, ist er Beamter und genießt damit auch den Segen einer Privatversicherung. Seine Frau Andrea ist als freischaffende Künstlerin weiterhin nur gesetzlich versichert. Anfang Mai haben beide ein Kind bekommen. Welche Versicherung zahlt wohl die Entbindungskosten?
Claro, versicherungstechnisch ist Schwangerschaft eine Krankheit, die die Mutter befallen hat. Die Versicherung der Mutter trägt die vollen Kosten. Doch jetzt flatterte dem guten Moritz eine Klinik-Rechnung über 2000 Euro ins Haus. Für eine ominöse „Analyse“ des Kindes. Er war bei der Untersuchung selber dabei gewesen. Eine Minute lang hat man mit einem Scanner an dem Frischling herumgefummelt und anschießend konstatiert, dass alles in Ordnung sei. Ohne Auftrag, ohne Vorwarnung über die Kosten, Exklusiv-Behandlung für Privatversicherte, eine klinische Selbstbedienung.
Im Bereich von Äsculap und Hippokrates herrschen auch bei uns weithin griechische Verhältnisse.

1. “Der Ausreisser”
Schon vor Jahrzehnten mit bester Laune gespielt. Selbst Erwin, eigentlich ein Nichtspieler, aber ein begeisterter Radfahrer und Fan von Fausto Coppi und dem Giro d’Italia, war – im letzten Jahrtausend – auf einer zufälligen Spielrunde am Westpark so sehr davon entflammt, dass er sich sogleich ein Exemplar dieses Spiels zulegte.
Jeder Spieler hat sechs Karten auf der Hand, zieht zuerst vom verdeckten Stapel eine Karte nach und spielt dann eine seiner sieben Karten aus. Die Karten zeigen Geschwindigkeiten zwischen 39 und 50 km/Std an. Die Geschwindigkeitskarte des Spitzenreiter ist das vorgegebene Tempo. Alle weiteren Spieler müssen Karten mit einem entsprechend hohen Tempo zugeben. Man darf höchstensfalls 2 km/Std langsamer sein, diese Differenz wird vom „Windschatten“ aufgefangen. Spielt ein Spieler eine Karte mit einer höheren Geschwindigkeit aus, so wird er sofort neuer Spitzenreiter und gibt das neue Tempo vor. Spielt ein Spieler eine Karte mit einer deutlich niedrigeren Geschwindigkeit, so fällt er ab. Er kriegt erstens Minuspunkte und kann im folgenden auch keinen Windschatten mehr ausnützen. Er muß mit hohen Geschwindigkeiten erst wieder ganz aufgerückt sein. „Die Letzten beißen die Hunde“ hieß es schon im alten Rom.

Horst schlug das Spiel zum Warming-up vor und alle stimmten erfreut zu. Schließlich liegt das Spiel mit 6,2 Punkten schon im oberen Bereich unserer Vorlieben. Doch heute zeigte es sich von seiner schlechtesten Seite: Horst als Startspieler versuchte noch, mit einer 39er Karte etwas Kartenpflege zu betreiben, da schockierte Aaron den Rest der Runde mit einer 50er Karte plus einer Spurtkarte. Bei diesem Tempo konnte keiner der Mitspieler mithalten, alle fielen sogleich aus dem Windschatten heraus. Die Hoffnung auf gutes Nachziehen trog. Nur Aaron zog eine hohe Karte nach der anderen vom Stapel und legte sie unverzüglich als neue Tempovorgabe auf den Tisch. Die Mitspieler konnten ihm nicht das Wasser reichen, hilflos erhöhte sich Runde für Runde ihr Konto mit den Minuspunkten auf erschröckliche Höhen. Es gab keine einzige taktische Kartenpflege, keinen einzigen Wechsel des Spitzenreiters, kein Einschießen auf den Endspurt und kein einziges überraschendes, spielerisches, lustiges Element.

Das mag zwar Zufall gewesen sein. So etwas ist in unserer bisherigen Praxis auch noch nicht vorgekommen. Doch ist die Wahrscheinlichkeit für diese extreme Unwucht deutlich größer Null, und sie ist a priori im Spieldesign enthalten. Aaron beteuerte zwar den angeblich lustigen Charakter dieses Spiels und Horst verteidigte seinen Spielvorschlag, doch bei Moritz und Walter kamen sie damit nicht durch. Walter verweigerte sich für einen zweiten Durchgang und Moritz murmelte entrüstet: „… und dann ’Nightfall’ nicht mögen! Das hier ist der größte Scheiß!“

Bei so viel scharfer Kritik pochte Günther auf eine Vergleichbarkeit mit dem halb-göttlichen Skatspiel. Auch hier kann man sich gegen unglückliche Verteilungen und einen Grand-mit-Vieren des Gegners nicht wehren. Doch der Vergleich hinkt. Gewaltig. Näheres dazu brauche ich wohl nicht aufzuführen.

WPG-Wertung: Horst blieb mit seinen 7 Punkten im oberen WPG-Durchschnitt, Moritz reduzierte seine bisherigen 6 Punkte auf 3 („Kann ich vielleicht noch mal mit meinen Kindern spielen“) und Walter reduzierte von 7 auf 4 Punkte.

Sind wir um soviel älter geworden oder klüger?
Wenn ich mich recht erinnere, haben wir früher Modifierkarten zum Reduzieren der Höchstgeschwindigkeit asynchon gegen den Spitzenreiter spielen können. Wer dann zu früh mit seinen guten Karten das Tempo verschärfen wollte, wurde schnell wieder mit vereinigten Kräften zurück ins Rudel gebracht. Erst im Endspurt hatten man eine reale Chance, seine Kartenüberlegenheit bis ins Ziel hinüberretten zu können. Und das ganze Spiel war ein Vorbereiten und Lauern auf diese Gelegenheit. Haben wir früher etwas falsch gemacht oder haben sich die Spielregeln geändert? Im 2-seitigen Regelheft steht darüber nichts (mehr) drin!

2. “Draco”
„Ein abenteuerlicher Wettlauf von Leo Colovini“ heißt es im Regelheft. Italienische Spieleautoren haben bei uns einen zweideutigen Ruf. Einerseits sind sie ideenreich, andererseits neigen sie zum Chaos. In „Draco“ sind viele hübsche kleine Ideen zu einem hübschen großen Chaos zusammengeschnürt.

Jeder Spieler hat eine Kartenhand mit Karten in zehn verschiedenen Farben und Zahlen zwischen 2 und 7. Jede Farbe ist einem gleichfarbigen Drachen zugeordnet. Die Zahl gibt an, um wieviele Felder sich der Drachen auf dem Spielplan bewegt, wenn die entsprechende Karte gespielt wird. Spielt man z.B. eine rote Drei, so zieht der rote Dachen um drei Felder nach vorn.

Jeder Spieler reitet auf genau einem Drachen, doch er wechselt sein Reittier genauso oft wie manche Schauspielerin die Ehemänner. Jedesmal wenn man die Farbekarte eines Drachens spielt, der gerade von niemandem geritten wird, kommt man dort in den Sattel. Der Besitz eines Drachens ist aber ganz unabhängig von den Bewegungskarten, die man spielen darf und von der Bewegung, die sie bewirken.

Das Spielbrett besteht aus einem Zahlenpfad mit wechselnden Zahlen zwischen 0 und 7. Einige Felder sind „Wertungsfelder“: Wenn die Bewegung eines Drachen auf einem solchen Feld endet, bekommen alle Spieler soviele Siegpunkte wie die Zahl, auf der ihr aktueller Drachen gerade steht. Dabei gibt es zwei Wertungsarten: Bei der „großen“ Wertung, werden Siegpunkte für alle Felder ausgeschüttet, bei der „kleinen“ Wertung gibt es nur Punkte für die Felder mit Zahlen zwischen 1 bis 3.

Beim Spielen seiner Karten muß es das Ziel eines jeden Spieler sein:

  • mit seinem Drachen auf einem Feld mit hohen Zahlen zu stehen, wenn die große Wertung ausgelöst wird.
  • mit seinem Drachen auf einem Feld mit der 3 zu stehen, wenn die kleine Wertung ausgelöst wird.
  • die Drachen der Mitspieler auf Felder mit niedrigen Zahlen zu bringen, bevor die große Wertung ausgelöst wird
  • die Drachen der Mitspieler auf Felder mit mindestens dem Wert 4 zu bringen, bevor die kleine Wertung ausgelöst wird.

Verstanden?

Dahinter steckt natürlich kein langfristig durchsetzbarer Plan. Da jeder Spieler jeden Drachen bewegen und etwa mit jedem zweiten Zug eine Wertung auslösen kann, ist die antagonistischen Zahlen-Theorie Hoch-Niedrig nicht zu beherrschen. Gutes Spiel besteht ausschließlich darin, jeweils den nächsten Zug zu optimieren und diejenige Karte zu spielen, mit der wir im Falle einer Wertung mehr Spiegpunkte bekommen, als der Durchschnitt aller Mitspielern. Nach diesem simplen Kriterium, müssen wir die sechs Karten in unserer Hand abchecken. Können wir eine Wertung auslösen, liegen mit den zu vergebenden Punkten dabei aber unter dem Durchschnitt, dann sollten wir die Karte besser nicht spielen. Dann lieber den gut plazierten Drachen eines Mitspielers auf ein schlechteres Feld vorziehen. Was immer man darunter verstehen kann.

Fazit: Es gibt etwas zu überlegen. Jede Karte ist gut, im schlechtesten Fall bringt sie nichts ein. (Im Gegensatz zu „Der Ausreisser“, wo u.U. jede gespielte Karte massig Minuspunkt einbringt!). Und man kann auch schon überlegen, wenn man nicht dran ist. Die Szenerie ändert sich nicht so krass, als dass die Favoritenkarte, die man als nächstes spielen möchte, ständig wechseln würde.

Locker spielen. Sich freuen am Wettreiten der Drachen. Sich freuen, wenn uns in einer Wertung reichlich Siegpunkte aufs Haupt regnen. Sie besonders freuen, wenn man eine solche Wertung selber auslösen konnte. (Oder sollte man sich etwa mehr freuen, wenn ein Mitspieler diesen Goldregen auslöst? Philosophische Frage!) Schnell genug sind drei Drachen im Ziel und das Spiel ist vorbei.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (keine Spannung, kein Spielspaß), Günther: 4 (weniger Spaß als „Der Ausreißer“), Horst: 6 (würde ich jederzeit wieder spielen), Moritz: 6 (ähnlich wie ein Pferderennen mit Wetten, mehr Spaß als „Der Ausreißer“), Walter: 6 (locker; ist zwar nicht planbar, habe ich hier aber nicht vermißt)

Bekanntermaßen sind die Spielvorlieben in unserem Kreise nicht einheitlich. Günther schlug vor, den „Horst des Monats“ für das Spiel zu vergeben, das von keinem anderen Westpark-Gamer gemocht wird außer von Horst.

3. “Cardcarssonne”
Das einzige gemeinsame zwischen dem großen Brettspiel „Carcassonne“ und der hier angebotenen Kartenspiel „Cardcarsonne“ sind Autor, Verlag und vielleicht auch noch die Designer für Burgenfräuleins und Spielpöppel. Alles andere ist verschieden.

Wir haben Karten in den Farben rot, grün, gelb und blau in der Hand und legen sie einzeln reihum auf die farblich passenden Stapel. Einmal pro Runde legen wir keine Karten sondern einen Besitzpöppel, mit dem wir den Anspruch auf einen der gerade ausliegenden Kartenstapel geltend machen.

Auf den Karten sind Personen, Tiere und Gebäude aufgedruckt. Für Personenkarten erhalten wir einmalig Siegpunkte, deren Betrag mit der Anzahl der Personen stark progressiv wächst. Für Tierkarten erhalten wir kumulativ Siegpunkte, d.h. alle ausliegenden Tiere werden in jeder Runde, in der wir Tierkarte hinzufügen, erneut gewertet. Die Gebäudekarten werden erst bei Spielende in Siegpunkte umgesetzt. Superprämien gibt es für Sets von Gebäuden in allen vier Farben.

Die Herausforderung von „Cardcarssonne“ besteht im gezielten „Anfüttern“ der Farbstapel: vorsichtig und dosiert den Stapel mit den Karten anreichen, die wir selber haben wollen, aber zur Ablenkung der Mitspieler-Begierlichkeiten auch den nicht-gewünschten Farbstapeln etwas zukommen lassen. Und rechtzeitig einen Stapel in Besitz nehmen, bevor ein Mitspieler sein Auge darauf geworfen hat. Diese Dosierungsbilanz erfordert eine Menge Fingerspitzengefühl und geht nicht ohne Fehlspekulation ab.

Moritz verriet seine Gewinnstrategie: Tierkarten bringen den Sieg. Mit dem Sammeln frühzeitig anfangen und in jeder Runde beim verdeckten Kartenlegen gleich eine begehrte Tierart verstecken. Klingt plausibel.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (hat die Hoffnung, dass es mit vier Mitspielern ein 8-Punkte Spiel sein könnte), Günther: 5 (einen Punkt Abzug für die Fünferrunde; einen Punkt Abzug für den Mißbrauch des geheiligten Namens „Carcassonne“), Horst: 7 (Spielspaß), Moritz: 6 (weniger Chaos als bei „Draco“; spielt es schon sehr eifrig mit seinem 5 jährigen Milo), Walter: 5 (Mitspielerchaos, der Mensch denkt, aber Gott lenkt.)

Moritz möchte das seltene Ereignis zu Protokoll geben, dass Günther in einem Spiel Letzter wurde.

4. “Havoc”
Ein simples Pokerspiel, für das selbst wir alte Hasen, die das Spiel schon vor Jahren mehrfach gespielt haben, noch 30 Minuten Regelerklärung benötigten. Unterschied zum stinknormalen Poker: Statt Kreuz, Pik, Herz und Karo gibt es rot, grün, gelb und blau. Und noch zwei Farben. Jeder Spieler spielt nicht nur mit 5 Karten, sondern hat eine ständig wachsende Kartenhand; die bald mehr Karten umfaßt, als ein Normalsterblicher halten kann. Jeder Spieler kann bei jedem umkämpften Einsatz mitbieten und muß dann die gespielten Karten abgeben; oder er steigt sofort aus und behält alle Karten für den nächsten Pokerkampf. Man kann die Einsatzsummen nicht in astronomische Höhen treiben, sondern muß sich mit den vorgedruckten 6-11 Siegpunkten begnügen.

In jedem Fall ist es taktischer als das echte Poker. Manche von uns halten dies dann auch schon für besser.

Moritz konnte sich mehr oder weniger sichtbar 6 Vierer aneignen und ging damit in einen Alles-oder-Nichts-Kampf um 8 Siegpunkte. Alle hatten mitansehen können, wie Moritz seine Vierer ansammeln konnte und verzichteten auf eine Teilnahme am Kampf. Nur Horst wollte Moritz den Sieg nicht schenken und zog mit. Als er so peut-a-peut rote Karten mit den Zahlen 8, 9, 10, 11 und 12 auslegte, ging Moritz schon langsam der Arsch auf Grundeis. Ein Straight-Flush aus 6 Karten hätte seinen Sechsständer getoppt. Doch dann waren es auf Horsts Seite nur 5! Wie wäre dieser Gigantenkampf wohl bei Texas-Holdem ausgegangen?

Keine neue WPG-Wertung für unser Spiel des Monats vom November 2005.

5. “Bluff”
Günther bekannte freimütig die Überlegenheit von Walters Immer-4-Strategie. Mit der Einschränkung: „Wenn Horst eine Vier würfelt!“

Dann stand er mit 3 Würfeln gegen ebenfalls 3 Würfel von Moritz im Endspiel. Er fing mit 2 mal die Fünf an und Moritz hob auf 3 mal die Fünf. Wer hat geblufft und wieviele Fünfer lagen unter den Bechern, wenn mit dieser Ansage das Endspiel entschieden war?

Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

6. “Poison”
Moritz war schon auf dem Heimweg, doch es war noch vor Mitternacht und oaner geht oiwei. Mit einem lockeren, leichten, taktischen, spielerischen Stichkartenspiel mit der alternativen Aufgabenstellung, entweder die meisten Karten in einer Farbe zu gewinnen oder gar keine einzige, ging der Abend zu Ende.

Einmütige Übereinstimmung: Das beste Kartenspiel des heutigen Abends.

Keine neue WPG-Wertung für unser Spiel des Monats vom August 2009.

30.05.2012: Halli Galli beim Anwohnerparken

Ausnahmsweise wurde gestern nicht am Westpark sondern am Röcklplatz gespielt – für den Ortskenner ein Graus, was die Parkplatzsuche betrifft. Doch schon nach einer vergeblichen Runde um den Block tat sich ein wunderbar großer Parkplatz auf. Der hatte zwar einen kleinen temporären Nachteil, da dort bis 20:00 Uhr Halteverbot galt, aber es war ja bereits viertel nach Sieben. Brav wie immer dackelten wir zum Parkscheinautomaten und stellten erstaunt fest, dass nicht wie üblich bis 23 Uhr Zahlungspflicht besteht sondern nur bis 18 Uhr. Prima, auch noch die Parkgebühren gespart!

1. “Looping Louie”
Bei Moritzens stand erst einmal eine Stunde Spielen mit dem Nachwuchs auf dem Programm. Hocherfreut stellte Aaron fest, dass Looping Louie schon spielbereit auf dem Tisch stand. Das Spiel war bereits Anfang der 90er Jahre auch unter erwachsenen Spielern sehr beliebt und endlich ergab sich die Möglichkeit, es einmal auszuprobieren.

Pilot Louie in seiner knatternden Kiste dreht unentwegt seine Kreise und stößt dabei die kleinen Münzen der Spieler von deren Ablage und wer als letzter noch eine Münze besitzt, gewinnt das Spiel. Dazu muss geschickt eine kleine Wippe direkt vor der eigenen Münzablage gedrückt werden, wenn Louie gerade zur Karambolage ansetzt. Wenn das Timing und der Schwung stimmen, fliegt Louie über die eigene Ablage hinweg und greift den nächsten Spieler an. Mit gutem Augenmaß und gefühlvollem Finger lässt sich Louie so beeinflussen, dass der nächste Spieler chancenlos ist und eine seiner drei Münzen verliert.

Konzentration, Gefühl und Timing führen hier zum Erfolg und nicht nur der Jüngste in der Runde hatte einen Riesenspaß.

WPG-Wertung: Aaron 7 (schneller Spaß für die ganze Familie), Günther 6, Moritz 6

2. “Halli Galli”
Ähnlich wie beim 15 Jahre früher veröffentlichten „Zaster“ geht es hier wild zu. Reihum decken die Spieler die oberste Karte ihres Stapels auf und sobald in Summe genau fünf gleiche Früchte auf dem Tisch zu sehen sind, gilt es als erster die kleine Glocke in der Tischmitte zu schlagen. Der Gewinner bekommt alle offenliegenden Karten auf seinen Stapel und wer als letzter nach vielen Durchgängen noch Karten besitzt, gewinnt das Spiel.

Der vierjährige Milo schlug sich im Kreis der Erwachsenen bestens und landete mit Günther im Endspiel. „Halli Galli“ kann also ebenfalls als echtes schnelles Familienspiel überzeugen.

WPG-Wertung: Aaron 6 (nett, aber etwas zu wenig Wiederspielreiz), Günther 6, Moritz 7

3. “Nightfall”
Vor vier Wochen lag „Nichtfall“ bereits auf dem Tisch und hatte schon während des Spiels heftige Diskussionen über die richtige Spielstrategie ausgelöst. Zum Schluss gab es dann eine eher vernichtende Kritik wegen der Unausgewogenheit und gefühlten Beliebigkeit der Spielzüge. Diesmal sollte das Spiel ebenfalls in einer 3er-Runde aber mit anderer Zusammensetzung nochmal eine Chance bekommen.

Bereits in der ersten Runde entspann sich fast die identische Diskussion wie vor vier Wochen: ist es besser, nur einen Spieler anzugreifen und damit den Schaden zu konzentrieren oder verteilt man lieber seine Angriffsstärke auf die beiden Gegenspieler und schwächt möglichst gleichmäßig? Obwohl Günther und Aaron eher konzentrierte Angriffe durchführten, hatten alle Spieler zu Beginn der (wie sich herausstellte) letzten Runde je fünf Schadenskarten. Zu diesem Zeitpunkt hatten alle drei Spieler schon eine recht mächtige Kartenhand und konnten entsprechend viele Schadenspunkte verteilen.

Günther griff mit geballter Macht den völlig wehrlosen Moritz an und fügte ihm acht Schaden zu. Damit war der Sieg für Moritz ausgeschlossen. Der revangierte sich dann postwendend, indem er mit einer gekonnt konstruierten Kette sieben Schaden auf Günther spielte. Damit war die letzte Schadenskarte gezogen und das Spiel zu Ende. Alle fanden das Ergebnis (Aaron 5 Schaden, Günther 12, Moritz 13) äußerst unbefriedigend, denn mit etwas anderer Verteilung der Schadenspunkte hätte beliebige andere Spielergebnisse erzeugt werden können.

Was bleibt, ist das Gefühl, dass aus den schönen Mechanismen in „Nightfall“ nicht das herausgeholt wurde, was machbar gewesen wäre und die Vermutung, dass es eigentlich ein 2er-Spiel ist.

WPG-Wertung: Günther 4 (5 für eine 2er-Runde), Rest unverändert

4. “Urban Sprawl”
„Dominant Species“ vom gleichen Autor war vor einem Jahr bei uns wegen seiner guten Mechanismen gelobt worden, die leider durch eine zu lange Spieldauer und unglückliche Kingmaker-Effekte etwas entwertet werden. Nun liegt Chad Jensen’s neuestes Spiel auf dem Tisch, dass im Netz teils überwältigend gute, teils ebenso schlechte Kommentare bekam. Entsprechend gespannt waren wir, wie es in unserer 4er-Runde ankommt.
Urban Sprawl
Wir sind Stadtplaner und –entwickler mit der Aufgabe, auf einem Spielplan die ausgewiesenen Bauplätzen möglichst optimal mit Gebäuden der vier Kategorien „residential“, „commercial“, „civic“ und „industrial“ zu bebauen. Bauen kostet Geld, umso mehr, je teurer ein Viertel ist und bringt Siegpunkte, umso mehr, je zusammenhängender die einzelnen Gebäudekategorien gebaut werden.

Um überhaupt bauen zu können, benötigen wir einerseits passende Baugenehmigungen und anderseits passende Bauaufträge. Beides gibt es in einer offenen Auslage zu erwerben. Dabei kosten die Karten unterschiedlich viele Aktionspunkte, von denen jeder Spieler pro Runde sechs ausgeben kann. Das reicht dann immer für die beiden „billigsten“ Baugenehmigungen und die beiden „billigsten“ Bauaufträge. Leider passen die nicht notwendigerweise zueinander und so muss man sich doch mal mit weniger Kartenerwerb zufrieden geben. Entsprechend geringer ist dann die Anzahl möglichen Bauaktionen auf dem Spielplan. Zu guter Letzt muss dann noch für jedes gebaute Gebäude Baukosten entsprechend dem bebauten Viertel bezahlt werden. Das passende Geld hat man besser schon rechtzeitig durch die Abgabe (unbrauchbarer) Baugenehmigungen eingestrichen.

Doch zurück zu den Baugenehmigungen und –aufträgen. Nachdem ein Spieler seine Aktionen durchgeführt hat, werden die Kartenreihen wieder vom verdeckten Stapel aufgefüllt. Ob jetzt hier Brauchbares dabei ist und zu welchen Aktionspunktkosten, ist völlig zufallsabhängig und damit unplanbar. Damit wird schon ein Problem deutlich: man kann nicht nachdenken, wenn man nicht dran ist. Dazu kommt, dass es außer Baugenehmigungen und –aufträgen noch jede Menge Ereigniskarten gibt, die, wenn aufgedeckt, sofort ausgeführt werden müssen. Dazu kommen gelegentliche Ämterwahlen, die durch ein Symbol auf den Karten angezeigt werden. Diese Nachfüll/Ereignis/Wahlphasen zwischen den Zügen kann gerne noch einmal solange dauern wie der Zug eines Spielers und bringen pro Runde Geld-/Siegpunkt-Zu-/Abflüsse, die ebenfalls in der Größenordnung dessen liegt, was ein Spieler pro Runde durch eigene Aktionen bewerkstelligen kann.

Das alles führt dazu, dass man in einer 4er-Runde ¾ der Zeit unbeteiligt dabeisitzt und staunend die Schwankungen des eigenen Geld- und Siegpunktstands bewundert.

Nach 2 Stunden hatten wir ca. ein Drittel der Kartenstapel durchgespielt und keiner hatte mehr Lust, möglicherweise 4 weitere Stunden gespielt zu werden. Also brachen wir ab.

Die Auswertung ergab, dass bei unserer Runde rund 50% der eigenen Siegpunkte nicht durch eigene Aktionen sondern durch Aktionen der Mitspieler oder Ereigniskarten generiert wurden. Dass ein Spiel mit einer Spieldauer von 4 oder mehr Stunden, von denen man 3 Stunden plan- und aufgabenlos rumsitzt und bei dem die Hälfte der Siegpunkte fremdgesteuert vergeben werden, bei Boardgamegeek so viele Top-Bewertungen bekommt, ist bemerkenswert.

Obwohl die Spielmechanismen von „Urban Sprawl“ recht gut und stimmig sind, wollte bei uns trotzdem kein gutes Spielgefühl aufkommen und das Spiel wirkt insgesamt „kaputt“. Kein Vergleich zu „Dominant Species“ jedenfalls.

WPG-Wertung: Aaron 3 (eine ätzende Kombination aus Zufall, Wartezeit und langer Spieldauer), Günther 4, Moritz 4

Gegen 1 Uhr morgens ging es dann zurück zu unserem Auto. Und siehe da, wir hatten ein Knöllchen. Interessanterweise ausgestellt um 22:05 Uhr, also nicht weil wir vor 20 Uhr im Halteverbot standen. Hatten wir den Hinweis auf dem Parkautomaten falsch gelesen? Hatten wir nicht, wie wir schnell prüfen konnten. Aber da war ja noch dieses Schild am Anfang der Straße. Und da lernten wir dann eine neue Parkzeitenkonstruktion in München kennen: bis 18 Uhr kostet es Geld, von 18 bis 23 Uhr dürfen nur Anwohner parken und ab 23 Uhr darf wieder jeder umsonst. Parken am Röcklplatz wird immer schwieriger…

“Style is the Goal” is our Game of the Month

Once more an expansion receives our Game of the Month recommendation. Its base game “Stone Age” has already been a winner of this title.

Expanding “Stone Age” to a 5-player game by adding the required components and rules was a compulsory requirement. However, introducing jewelry and merchants to the game system is a welcomed addition (not only for female gamers) as they create a completely new dynamic to the gameplay. The resulting strategic possibilities need to be explored while jewelry as the new “wildcard” resource can to be used cleverly for the acquisition of huts and cards.

This is the kind of expansion we long for. Keep up the good work!

“Mit Stil zum Ziel” ist unser Spiel des Monats

Ein weiteres Mal küren wir eine Erweiterung zum Spiel des Monats. Das Basisspiel „Stone Age“ war ebenfalls schon auf unserem Treppchen.

Die Erweiterung von „Stone Age“ zum 5-Personenspiel mit Material und Regeln war dabei nur die Pflichtaufgabe des Autors. Die Einführung von Schmuck und Händlern ist die Kür und erfreut nicht nur die weiblichen Mitspieler, sondern bringt eine völlig neue Dynamik ins Spielgeschehen. Die sich daraus ergebenden strategischen Möglichkeiten wollen erkundet werden, und die neue “Jokerwährung“ Schmuck geschickt beim Kauf von Hütten und Karten eingesetzt werden.

Solche Erweiterungen braucht das Land: Weiter so!

"Was lag auf den Tisch?"