Archiv der Kategorie: Spieleabende

16.11.2011: Trajan

Ein reicher Kaufmann hatte einen Sohn, der hatte sich allen möglichen Sünden und Lastern ergeben. Unter anderen Greueln fand er auch am Würfelspiel Wohlgefallen. Alle seine Verwandten schämten sich deshalb seiner. Endlich faßte der Kaufmann den Plan, achtzig auf dem Lande aufgewachsene biedere fromme Männer für eine gewisse Zeit mit seinem Sohne in einem Haus zusammenzubringen. So meinte er, ihr Umgang würde auf ihn einen guten Eindruck machen und er von seinem schlechten Wandel ablassen.
Gesagt, getan, der Kaufmann suchte achtzig fromme Männer auf, die er unter tausend Versprechungen reichlicher Belohnung mit seinem Sohne in ein Haus einsperrte, wo man ihnen Speise und Trank von draußen hineinreichte. Um es kurz zu machen: nach siebzig Tagen öffnete man die Tür und forschte nach dem Zustande der Eingeschlossenen. Und siehe da, die Frömmigkeit hatte auf den Burschen keinerlei Eindruck gemacht, aber umgekehrt hatte sein Laster auf die achtzig Frommen eine solche Wirkung gehabt, dass sie samt und sonders zu Würfelspielern geworden waren.
(aus dem tausend-jährigen „Papageienbuch“)
1. “Trajan”
In Essen hatte das Spiel Furore gemacht und stand in allen Bestseller-Listen an der Spitze. Aaron hatte das Spiel deshalb blind gekauft, Günther als Halbblinder. Heute legte er es mit deutlichen gebremstem Schaum auf den Tisch: „Es ist ein 3-stündiges Solitärspiel.“
Nach dem Regelheft befinden wir uns im römischen Imperium auf dem Höhepunkt seiner Macht. Auf 12 klar und massiv bedruckten Seiten wird uns die Aufgabenstellung beschrieben. Dicke, deutlich, didaktisch. 60 Spielfiguren, 4 Feldherren, 4 Trajansbögen, 56 Aktionssteine, 60 Warenkarten, 54 Trajansplättchen und 70 Forumsplättchen sind erst die Hälfte des gebotenen Spielematerials. Wir drehen an ungezählten Rädchen, um im Hafen, im Senat, auf dem Forum, beim Militär, auf dem Markt oder in den Arbeitslagern unsere Potenz zu steigern oder gleich direkt Siegpunkte zu notieren.
Bemerkenswert ist das Auswahlprinzip für unsere Aktionen: Auf einem Rundkurs versetzt jeder Spieler kalah-artig die verschiedenfarbigen Aktionsteine jeweils einer Mulde und bestimmt dadurch seine nächste Aktion.
In “Trajan” hat der Autor Stefan Feld gleich eine ganze Handvoll verschiedener Optimierungsaufgaben zusammengefaßt:

  • Das Kalah-Prinzip, um die gewünschte Ziel-Aktion zu treffen
  • Das Kalah-Prinzip, um in einzelnen Mulden die notwendige Farbkombinationen für die Sondereffekte zu erreichen
  • Diversifizierung und Kumulierung im Arbeitslagen
  • Kleckern oder Klotzen im Senat
  • Transportoptimierung in den Provinzen
  • Sammlung und Nutzung einer effizienten Kombination von gleichen und ungleichen Symbolen
  • und noch viel mehr

Nach 4 Quartalen mit jeweils 4 Großrunden hat ein erfolgreicher Römer ca. 100 Siegpunkten auf die Seite geschafft. Dazu kommen in der Schlußwertung mit Glück nochmals ca. 20 Siegpunkte hinzu. Alles schön konstruktiv und sprudelnd. Eigentlich ein Super-Spiel. Eigentlich! Leider ist es entschieden zu solitär. Wir sitzen zwar zu viert um den Spieltisch, aber miteinander (oder gegeneinander) spielen wir nicht. Jeder könnte (fast) genauso gut alleine in seiner Studierstube sitzen und über seinen Kalah-Steinen brüten, um damit eine Maximalausbeute an Siegpunkten zu erlangen. Hinterher tauscht man die Ergebnisse per Telefon aus. Das bißchen Konkurrenz um den jeweils besten Platz aus lauter guten anderen Plätzen in den verschiedenen Operationsgebieten verdient nicht den Namen Interaktion. Michelin würde deshalb gewiß den zweiten Stern verweigern.
Den ersten Stern kann ein verwöhnter Gourmet auch noch verweigern, weil eine spiel-kulinarische Steigerung fehlt. Nach der ersten halben (von 16) Großrunden hat sich das Spiel eingeschwungen und plätschert dann nur noch mehr oder weniger linear vor sich hin. Der gesamte Spielverlauf für die nächsten zwei bis drei Stunden liegt vor unseren Augen. Ein bisschen zu lang.
Tom Felber, Vorsitzender der Jury Spiel des Jahres schreibt über den Trend bei den Spielen 2011: „Im Vormarsch sind logische Denksportaufgaben unter Zeitdruck und das Element des gleichzeitigen Spielens.“ Wie steht „Trajan“ zu diesem Trend? Es stellt uns zweifellos vor logische Aufgaben: tausend Rädchen im optimalen Takt zu drehen ist schließlich ein anspruchsvoller Denksport. Und wenn man zuvorkommend ist und seine Mitspieler nicht warten lassen will, steht man unweigerlich unter einem erheblichen Zeitdruck. Da in „Trajan“ auch noch die Interaktion fehlt, könnten alle mehr oder weniger gleichzeitig spielen. Fazit: „Trajan“ ist absolut trendy!
WPG-Wertung: Horst: 7 („spannend“, vor allem in Anbetracht der vielen sprudelnden Siegpunkt-Quellen), Aaron: 6 („nicht spannend“, schließlich ist es solitär), Günther: 7 (immerhin wird eine Menge Spiel geboten), Walter: 5 (als Solitärspiel bekäme es 8 Punkte).
2. “Bluff”
Im ersten Spiel schlachtete Günther als Goliath ohne einen einzigen Würfelverlust alle seine Mitspieler ab.
Im zweiten Spiel war er als David mit einem Würfel im Endspiel gegen Goliath Aaron mit dreien. Hier konnte er jetzt dreimal den ungleichen Zweikampf für sich entscheiden. Dreimal mit der Immer-5-Strategie. Sollte hier doch etwas dran sein?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

02.11.2011: Volle Hallen – leere Taschen

Wie schon in den vergangenen Jahren fanden sich die Westpark Gamers auch diesmal in Essen ein, um reiche Beute an neuen, interessanten Spielen mit nach München zu nehmen. Nur, diese Jahr reichten eher kleine Taschen, um die Ausbeute nach Hause zu bringen. Woran lag’s?

Inzwischen haben wir es uns zur Regel gemacht, aus Essen interessante Spiele kleiner Verlage mitzubringen, bei denen die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie später nicht oder nur sehr schwierig zu bekommen sind. Schon lange haben wir uns von der Vorstellung verabschiedet, vor Ort ein günstiges Schnäppchen eines Großverlags zum „Messepreis“ zu ergattern. Zu oft gibt es diese Spiele nach der Messe bei den einschlägigen Versendern sogar noch günstiger.

So bildeten dann die Hallen 9, 7, 5, und 4 den Schwerpunkt der diesjährigen Suche. Dabei waren, anders als in den Vorjahren, die diversen Scout-Listen zumindest am Donnerstag und Freitag keine wirkliche Hilfe. Fairplay brachte erst am späteren Donnerstagnachmittag eine erste Liste, die allerdings so wenige Stimmabgaben enthielt, dass eine Trendaussage wohl kaum möglich war. Bei den Boardgamegeeks wird leider die Anzahl der Stimmen gar nicht erst verraten, doch zeigte die Fluktuation der Spiele unter den Top 10 deutlich, dass auch hier die Umfragebasis viel zu gering war. Bis Freitagnachmittag hatten sich die Listen dann halbwegs stabilisiert, wenn auch mit deutlich unterschiedlichen Top 10.

1.  „Aktienrausch“

Es geht ums Geld! So der Untertitel von Florian Isensees neuem Spiel, das erst beim x-ten Vorbeigehen  ins Auge sprang. Das ist wohl auch ein wenig der etwas altbackenen geratenen Gestaltung der Schachtel des kleinen Kartenspiels geschuldet. Umso mehr überraschte das Spiel bei einer Viererrunde mit dem Autor durch verblüffende Spieltiefe und verzwickte Entscheidungsfindungen. In ebensolcher Viererrunde musste sich das Spiel im Kreise der WPGler beweisen. Das sollte doch nicht allzu schwierig sein, hat „Aktienrausch“ doch Aktien- und Dividendenrunde ganz wie die von uns so geliebten 18xx-Spiele.

In einer Aktienrunde kaufen und verkaufen die Spieler Aktien von sechs Gesellschaften, wobei jeder zweimal kaufen und einmal verkaufen darf. Danach beginnt die Dividendenrunde. Ein neuer Mechanismus sorgt dafür, dass das Geld, mit dem Aktien einer Gesellschaft gekauft werden, in der Dividendenrunde wieder ausgeschüttet wird. Er sorgt einerseits dafür, dass das Bezahlen gekaufter Aktien gut überlegt sein will („Welche Scheine verwende ich?“). Anderseits macht es das Ausspielen der Dividendenscheine der Gesellschaften in der Dividendenrunde zu einer taktischen Bluff-Veranstaltung („Welchen Schein lege ich wann auf welchen Dividendenstapel?“). Eine zu starke Konzentration auf das Ausschütten einer Dividende ist dabei gar nicht angebracht, denn die ausgeschütteten Beträge sind eher klein. Viel wichtiger ist es, überhaupt eine Dividende auszuschütten, denn dadurch steigt der Aktienkurs, während der Kurs von Gesellschaften ohne Ausschüttung fällt. Das richtige Timing beim Kauf und Verkauf sorgt dann für einen steten Geldstrom auf das Schweizer Bankkonto. Diese Mischung aus Bluff, Chaos und taktischen Elementen muss man mögen, wenn einem „Aktienrausch“ gefallen soll.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (interessante Mechanismen gepaart mit kurzer Spieldauer), Günther: 6 (einige kleine Macken),  Moritz: 6 (ganz okay aber nicht umwerfend), Walter: 7 (chaotisch, lustig, solide)

2.  „Elder Sign“

Von Moritz als „taktisches Würfelspiel“ auf den Tisch gebracht, sorgte das Fantasy-Thema beim Aufbau und der Regelerklärung für erste Stirnrunzler. Als dann noch deutlich wurde, dass „Elder Sign“ ein kooperatives Spiel ist, war die Stimmung der WPG-Basis erst einmal im Keller, denn diese beiden Spielelemente konnten bisher schon jedes für sich nicht überzeugen,  und jetzt noch kombiniert in einem Spiel?

Die Spieler schlüpfen jeder in die Rolle eines Abenteurers, die sich gemeinsam in einem Museum und dessen Umgebung auf die Suche nach den“ Elder Signs“ machen, um damit das Tor zu versiegeln, durch das nach einer vorgegebenen Anzahl Runden der böse „Ancient One“ die Erde betritt und diese zerstört. Die Abenteurer haben unterschiedliche Eigenschaften, die sie beim Bestehen der Abenteuer einsetzen können (so sorgt Mandy mit ihren großen Titten ihrem tiefen Dekollté dafür, dass jeder Spieler einmal pro Runde bis zu zwei Würfel nachwürfeln darf).

Wer an der Reihe ist, sucht sich einen Raum aus, dessen Aufgaben einerseits dem Fortschritt der Gruppe dienen und andererseits mit einer vernünftigen Wahrscheinlichkeit auch zu bewältigen sind. Die Aufgaben sind in der Regel mehrere Würfelvorgaben, die es mit 6 bis 8 Würfeln zu erwürfeln gilt. Würfeln darf man beliebig oft, muss aber für jeden Fehlversuch einen Würfel und manchmal noch „Hirn“-Punkte abgeben. Das beschränkt die Anzahl der sinnvollen Versuche deutlich. Missglückt der Versuch, alle Aufgaben in einem Raum zu lösen, ist man dann auch noch Lebenspunkte und weitere Hirn-Punkte los. Das traf zuerst die gut bestückte Mandy, die nach erfolglosen Abenteuern zwar noch mit ihren Physiognomie aber nicht mehr mit viel Hirn glänzen konnte und sich unter Moritz Protest in immer wildere Abenteuer stürzte.

Das Spiel lebt von seiner Geschichte und der Fantasy Stimmung, die recht gut rübergebracht wird. Die Taktik in diesem Spiel reduziert sich darauf, den Raum auszuwählen, dessen Aufgaben am leichtesten zu lösen sind, und dann gut zu würfeln. Wer das mag, bekommt mit „Elder Sign“ ein solides, schön aufgemachtes Spiel. Ernst nehmen darf man das Ganze nicht, denn dann reduziert sich das Spiel auf ein bisschen Wahrscheinlichkeitsrechnung und langweiligem Vermeiden von Risiken. Und dazu ist die Spieldauer von zwei Stunden dann doch zu lang. Da bietet „Bluff“ mehr Spielspaß.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (ohne Mandy einen Punkt weniger), Günther: 5 (zu solitär), Moritz: 7 (lustiges, variables Würfelspiel), Walter: – (enthält sich der Stimme)

3.  „Santiago de Cuba“

Nach „Cuba“ aus dem Jahr 2007 bringt Michael Rieneck dieses Jahr „Santiago de Cuba“ auf die Spielertische. Wieder sind wir auf Cuba und auch dieses Mal geht es um Zucker, Rum und andere Waren, die es zu erzeugen und dann zu verschiffen gilt. Der „worker placement“ Mechanismus ist jetzt deutlich simpler geraten, so dass das Spiel insgesamt recht flott läuft und gerade einmal die halbe Spielzeit von „Cuba“ besitzt. „Gott sei Dank“ möchte man sagen, denn obwohl die Mechanismen alle funktionieren und gut ineinander greifen, fehlt es deutlich an Spielspaß. Da wiederholt sich dann doch immer wieder die gleiche Entscheidungsfindung und, schlimmer, es gibt zu wenig wirklich Konstruktives im Spiel. Planbar ist sowieso recht wenig, denn welche Felder im nächsten Zug erreichbar sind, lässt sich kaum abschätzen. So plätschert dann alles vor sich hin, man ärgert sich, dass man das gewünschte Feld nun doch nicht erreichen kann und etwa alle zwei Runden kommt es zu einer Siegpunktausschüttung, oft genug zum falschen Zeitpunkt.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viel Frustpotenzial), Günther: 5 (funktioniert), Moritz: 5 (macht keinen Spaß), Walter: 5 (funktioniert)

4.  „23“

Zum Schluss noch ein kurzer Absacker. Amigo hat mit „23“ ein kleines Kartenspiel herausgebracht, das schnell erklärt und ebenso schnell gespielt ist. Die Karten eines Kartendecks mit den Zahlen von 1 bis 23 werden an die Spieler verdeckt verteilt. Dabei gibt es alle Zahlen dreimal, nur die 2 gibt es zweimal und die 1 nur einmal. Nachdem jeder Spieler drei seiner Karten gedrückt hat, beginnt der Spieler, der die 1 auf der Hand hat, indem er diese ausspielt. Nun müssen reihum alle Spieler ebenfalls Karten ausspielen, und zwar immer die mit der nächsthöheren Zahl. Das dürfen auch mehrere mit dem gleichen Wert sein. Wer nicht ausspielen kann, muss passen und nimmt sich einen Strafchip. Damit das Ganze nicht ins Stocken gerät, bekommt jeder Spieler zu Spielbeginn drei Sonderchips. Das Ausspielen eines dieser Chips erlaubt dem Spieler, eine Karte, die bis zu 5 niedriger oder höher ist, zu spielen. Wer meint, dass er keine Karten mehr spielen kann, steigt aus und nimmt sich für jede verbleibende Handkarte einen Strafchip. Sobald alle Spieler ausgestiegen sind, erfolgt ein zweiter identischer Durchgang. Am Ende werden die Strafchips als Minuspunkte gewertet und die verbliebenen Sonderchips bringen zwei Pluspunkte.

Das alles spielt sich flüssig und schnell und erzeugt ein ähnliches Spielgefühl wie „6 nimmt“, auch wenn „23“ nicht dessen Klasse erreicht.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (ohne Fehl und Tadel), Günther: 7 (guter Absacker), Moritz: 7 (schnell), Walter: 7 (überzeugend)

19.10.2011 : Kodex vor Essen

Heute kein Spielabend. Die Hälfte der Belegschaft ist bereits in Essen auf der “Spiel 2011”, die andere Hälfte reist am Wochenende nach. Eine gute Gelegenheit für die noch Zurückgebliebenen, in den Archiven der Westparker mal zu graben und herauszufinden, was sich darin über den ominösen Westpark-Gamers Codex findet.
Aus gegebenem Anlaß kam am 11. August 2003 von Moritz per Email die erste, schriftlich nachweisbare Idee dazu: “Ansonsten hätte ich den konstruktiven Vorschlag eines ’Kodexes’, der die Verhaltensweisen bei bestimmten Unklarheiten oder Regelfragen in gewisser Weise reglementiert”.
Hans war sofort Feuer und Flamme; er meldete sich eine Stunde später mit dem Text: “Im Ernst, ich finde das eine tolle Idee”.
Vier Minuten später war auch Aaron dabei, er reklamierte für sich aber zugleich das Erstgeburtsrecht: “Hatte ich, glaube ich, schon mal vorgeschlagen wurde aber abgelehnt.”
Peter, unser Staatswissenschaftler und Philologe, war reserviert: “Ich würde am Mittwoch lieber Spielen statt Legislative spielen. Übrigens ist das alles nicht so leicht. ’Hetzen’ kann unangenehm sein, klar. Mich kann mich ’Arpadieren’ aber mehr nerven als Hetzen (sogar mehr als Hetzen gegen mich selbst).”
Dass ein Friede-Freude-Eierkuchenspruch analog §1 der Straßenverkehrsordnung:
“Jeder Spieler hat sich so zu verhalten, daß die gemeinsame Spielfreude am besten gefördert und kein Mitspieler mehr als nach den Umständen unvermeidbar gestört, geschädigt oder beleidigt wird.”
nicht ausreicht, zeigen schon die anderen hunderttausend Paragraphen und Strafvorschriften des Straßenverkehrs.
Günther brachte seine Erfahrungen über die Spieler-Moral bei den 18xx-Spielen ein:
“1830 ist wie üblich ein gutes Beispiel – und wird häufig auch mit einem gewissen Kodex gespielt.

  • Eine gewisse ’berechenbare / nachvollziehbare’ Spielweise gehört dazu
  • Bankrotte und damit Spielabbruch passieren schon häufiger mal [sie sind also sozusagen regelgerecht].
  • Klare Absprachen werden IMMER eingehalten
  • Bei Computer-Unterstützung [zur Abwicklung der Geldflüsse] läuft die Zeit immer mit, es gibt Punktabzug bei Überschreitung”

Moritz wollte dann noch ein recht weitgehendes Verbot von Kommentierungen einführen:

  • “Ausser alle erlauben es ausdrücklich vor einem Spiel, sollten keine Kommentare zur Platzierung der Mitspieler und der eigenen Platzierung während des Spiels fallen.”
    Das ging den anderen Spielern aber entschieden zu weit.

Günther steuerte wieder aus seinen reichen Erfahrungsschatz von den 18xx-Spielen bei:
“Es hat sich eingebürgert, im allgemeinen bei den Aktienrunden keine Tipps zu geben, allenfalls positive Tipps, wie: ’Kauf doch noch die letzte Aktie, dann haben wir beide 50% und sind ausverkauft’, etc. Aber nicht sowas wie: ’20% dieser Aktie zu behalten könnte problematisch werden, wenn die Gesellschaft ruiniert wird.’
Auch nicht: ’Schmeiß doch diese blöden Aktien, dann bist du die Gesellschaft los und X ist gelackmeiert !’
Während der Betriebsrunden sind Absprachen und Hinweise im allgemeinen jedoch erlaubt.”

In eine paragraphen-taugliche Form wurden diese Kodex-Beiträge nie gebracht, sie wurden auch nie verabschiedet und keiner mußte einen Eid darauf leisten. Bei Überschreitung der Regeln gibt es auch keine extrinsische Strafandrohung. Bisher hat die Moral mit ihrer quasi intrinsischen Strafandrohung dazu beitragen, diese Benimm-Regeln im allgemeinen einzuhalten. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Auf nach Essen

Ab geht’s nach Essen zur Spiel 2011. Die Westpark Gamers sind wie jedes Jahr dort, um sich mit Spielen für die kalte Jahreszeit einzudecken. Günther wie immer Donnerstag bis Sonntag, Moritz am Samstag und Sonntag, Walter am Samstag und Aaron Donnerstag und Freitag. Wir sehen uns…

12.10.2011: Konflikt mit Österreich-Ungarn

1. “1824 – Österreich-Ungarn”
Eigentlich stand heute eine „1824 – Österreich-Ungarn“ auf dem Programm. Walter hatte in Liebe zur besten aller ungarischen Ehefrauen (hallo Birgit, gib nicht auf, da ist noch ein Titel frei!) letzte Woche ein Exemplar erstanden und für heute sollte er sich darauf vorbereiten.
Eigentlich ist alles ja ganz einfach und in allen Mitgliedern der 18xx-Familien gleich: In einem Vorgeplänkel (und zum Ausgleich des Zufalls bei der Bestimmung der Spielerreihenfolge) werden Mini-Eisenbahngesellschaften versteigert. Anschließend werden Aktien von „richtigen“ Eisenbahngesellschaften gekauft oder verkauft, Gleisstrecken gelegt oder modernisiert, Züge gekauft oder verschrottet, Betriebseinnahmen kassiert und verteilt. Am Ende gewinnt der Spieler mit dem größten Vermögen.
Diesen gewohnten Ablauf findet man auch im Regelheft zu „1824“ wieder. Doch dann folgen die massigen Detail-Änderungen, mit denen Helmut Ohley den 18xx-Sprößling auf K&K-Tauglichkeit getrimmt hat. Es gibt nicht – wie bei 1830 – nur simple sechs Trivial-Gesellschaften und acht öffentliche Bahnen, es gibt:

  • 7 Vor-Staatsbahnen
  • 4 Gesellschaften mit zugehöriger Kohlebahn, später in Ohne-Kohlebahnen verwandelt
  • 1 Gesellschaft von Haus aus ohne zugehörige Kohlebahn
  • Bergbahnen je nach Anzahl der Spieler
  • 5 Aktiengesellschaften
  • 3 Staatsbahnen

Alle mit unterschiedlichen Start- und Betriebsbedingungen.
Es gibt nicht – wie bei 1830 – nur fünf Lokomotiv-Typen, die sich gegenseitig aus dem Spiel drängen, es gibt gleich sieben „normale“ Lokomotiv-Typen und zusätzlich fünf Sonder-Lokomotiv-Typen, die alle nach unterschiedlichen Kriterien in und aus dem Spiel gebracht werden.

Gleichzeitig kündigten die Mitspieler an, nicht nur flott so mal eben die neuen konstruktiven Elemente des Spiels wirken zu lassen, Linien zu bauen und Dividenden auszuschütten. Nein, zu 101% wollten sie die neuen Gegebenheiten des Spiel auszureizen, selbst bei den Zügen der Mitspieler mitdenken, aus deren Leistungen und Fehlern „doppelt und dreifache Erfahrungen zu dem neuen Spiel“ zu sammeln, um dann mit einer umfassenden stundenlangen Kosten- und Nutzenanalyse von 4 verschiedenen Mitspielern mit 84 Aktien von 24 Gesellschaften aus 6 verschiedenen Betriebsformen und einem Besitz von 56 Lokomotiven von 12 verschiedenen Typenreihen die über 123 Gleisteile von 59 verschiedenen Strukturen über ein Spielbrett aus 99 verschiedenen Hexagons fahren. Walter warf das Handtuch. Für dieses Spiel ist Walter in diesem Leben schon zu alt! „Ich will nicht mehr Präsident der Vereinigten Staaten werden.“
„1824“ ist nicht für Liebhaber und Experten von komplexen Spielen gebaut. Es ist für Quadrat-Freaks der „18xx“-Familie gebaut. Lieber Helmut, Du hast eine tolle Arbeit geleistet und die verworrene Geschichte der Österreich-Ungarischen Eisenbahnen mit Liebe und Genialität in das Regelwerk der „1824“ eingebaut. Hier können die klügsten Köpfe aus Mathematik, Betriebswirtschaft und Finanzwesen ihre Systeme heißlaufen lassen, um noch mehr Gulden aus ihrem Geschäft herauspressen zu können. Doch mit Spielen hat das nichts mehr zu tun. Nicht für mich!
Keine WPG-Wertung.
2. “1830 +”
Hurra, hurra, die Großmutter der 18xx-Spiele-Familie ist wieder auferstanden. Nach vielen Jahren im Nirvana und nach mehreren Jahren Geburstswehen ist es Lookout-Games gelungen, die Reinkarnation wieder ans Tageslicht zu befördern.
Auf einem Spielbrett mit sehr viel mehr geographischer Detailinformation zu Stadt-Land-Fluß, aber mit identischer Struktur und identischer Ausstattung wie beim Original „1830“ können wir ohne jede Veränderung das gleiche alte Spielgefühl wieder aufleben lassen.
Es wird aber noch mehr geboten. Auf der Rückseite des Spielbretts gibt es einen modifizierten Spielplan mit drei zusätzlichen Hexareihen im Süden der USA, mit einer leicht veränderten Struktur von Städten und Wertigkeiten und mit zwei weiteren Eisenbahnlinien. Im Szenario „Gleiche Bedingungen“ sollen nach Angabe des Autors jetzt alle Linien ein vergleichbares Potential haben, die Musik spielt nicht mehr ausschließlich in und um New York. Natürlich lockte uns gleich diese Variante, auch wenn Horst als 18xx-Neuling dabei war und lediglich Erfahrungen aus „Poseidon“ und dem Kartenspiel „Railroad Barons“ mitbringen konnte.
Walter bestand auf der regelkonformen Auslosung der Sitzreihenfolge, er wollte der undankbaren Position hinter dem fehlerlosen Günther entkommen. Doch das Los ersparte ihm dieses Los nicht. Aaron und Horst verzichteten dann auf den ausgelosten Tausch ihrer angestammten Plätze.
Ein langes Palaver entstand um den Verkauf der Privatlinien. Aaron hätte diese Prozedur gerne verkürzt: Jeder kauft, was gerade ansteht. Walter bestand auf einer regelkonformen Versteigerung. Er hoffte durch gezieltes Passen und Bieten, das Erstkaufrecht bei den öffentlichen Bahnen zu erwischen. Nix wars. Zwischen der Alternative, die B&O zu kaufen und dann mangels Masse überhaupt keine echte Linie mehr floaten zu können oder auf die B&O zu verzichten und allen Mitspielern eine höhere Privatbahn-Rendite zukommen zu lassen, entschied er sich für die B&O. Damit war er in den ersten Runden auf Gedeih einem fremden Präsidenten unterworfen.
Horst wählte für sich gleich zu Beginn die PRR. Auch im 1830-Plus-Szenario ist das eine sehr schwierige Anfangslinie. Ihre Dividende kann vielen Runden lange einfach kein Lächeln auf den Gesichtern der Anteilseigner hervorrufen, und bevor sie im Endspiel glänzen kann, haben die erfahreneren Konkurrenten ihre Pfründen längst zerpflückt. Niemand warnte Horst vor seiner Entscheidung. Erstens wußten wir in dem veränderten Spielplan selber nicht, wie der Hase laufen würde, und zweitens gab es zu Spielbeginn gleich eine strikte Abmachung: Niemand durfte ungefragt Horst beraten, denn erfahrungsgemäß erfolgen alle – noch so fürsorglichen – Beratungen von Neulingen niemals ohne Eigeninteresse. Vor allem enthalten sie immer ein gezieltes Spucken in die Suppe der anderen Mitspieler. Schließlich strotzt jedes Mitglieder der 18xx-Familie nur so vor Möglichkeiten, Mitspielern einen Knüppel zwischen die Beine zu werden, wenn nicht gar, ihm gleich ganz den Hals zu brechen. Horst wurde nur beraten, wenn er ausdrücklich darum bat. Doch dazu war er sich aber eigentlich während des ganzen Spiels zu fein.
Aaron floatete die C&O und Günther die NNH. Für Walter reichten die Barmittel nicht mehr für eine eigene Linie, er paßte zunächst und schloß sich dann voll an Günthers NNH ein: Im Orginal ist das ohnehin die beste Anfangslinie und ein Aktionär konnte damit unter Günthers erfahrener Präsidentschaft nur gut fahren. Auch lockte das Steigen des Aktienkurses bei 100% Besitz in den Händen der Spieler. Doch Walter war damit zu gierig und Günther roch den Braten. Anstelle die Linie konstruktiv zu fahren und Walter beim Aktienverkauf einen großen Reibach zu gönnen, strapazierte er das Investitionsvermögen der Linie gleich in der nächsten Betriebsrunde bis auf die nackte Haut: Er kaufte auf Teufel komm’ raus alle billigen Züge, verkaufte ihr für einen Wucherpreis auch noch seine Privatbahn, schmiß in der nächsten Bankrunde alle Aktien auf den Markt und machte Walter zum Präsidenten einer Linie, die schon am Stock ging, bevor er sie erhielt.
Das war der Startschluß zu brutalen Aktien-Manipulationen. Miesnickelig und ungebremst wurden Aktienkurse gedrückt und Linien verscherbelt. Horst verzweifelte: „In diesem Spiel ist ja nichts planbar!“ Heftiger Widerspruch der Mitspieler. Für einen Neuling sieht gewiß alles wie Chaos aus, was hier passiert und natürlich ist man von den Ambitionen der Mitspieler abhängig. Doch die Erfahrenen können diese Ambitionen der Konkurrenten klar voraussehen. Schließlich arbeitet jeder nur an seinem eigenen finanziellen Erfolg. Gute Linien werden gegen bessere vertauscht, und schlechte Linien werden – nach Möglichkeit – abgestoßen. Zudem gilt die Binsenweisheit, dass so manche begehrte Linie, die gerade noch die fettesten Gewinne einstreicht, zwei Runden später durch die Tücken des Objekts bettelarm dastehen kann. Die unausweichlichen wirtschaftlichen Umbrüche in Vorhinein zu erkennen, die vielseitigen Interessen und Manipulationsmöglichkeiten der Mitspieler daraus abzuleiten und sich dagegen zu schützen, und vielleicht selber ein paar Gemeinheiten anzubringen, das macht die ungebrochene Faszination dieser Spiele aus.
WPG-Wertung für die „Gleiche Bedingungen“-Variante: Aaron: 8 (ihm reicht schon die Komplexität des Original 1830), Günther: 8 (warum eigentlich nur 8?), Horst: verzichtete auf eine Wertung, die ganze 18xx-Serie ist ihm zu trocken, er hat sich die 5 ½ Stunden aber keineswegs gelangweilt, Walter: 9 (immer noch ein sehr gutes Spiel, doch das Original 1830 ist kürzer und deshalb besser.)
Zum Schluß eine kleine Kritik am Lookout-Games-Verlag: Das Spielmaterial ist vorzüglich, schöne informative Graphik, Hochglanzpapier für Spielplan, Aktien und Lok-Zertifikate. War es dann nötig, beim Papier zu sparen und die Rückseiten der Privat-Gesellschaften als Diesel-Loks und die Rückseiten der 2er Loks als 5er Loks zu verwenden? Wieviele mehr Geld hätte es gekostet, die 10 zusätzlichen Papier-Karten in den Karton zu stecken? Das Super-Spiel und seine wunderschöne Aufmachung hätten es verdient gehabt.

05.10.2011: Sechs Stunden in Australien

“1848 – Australia”
Die reiferen Spielergenerationen, die uns noch unter dem Namen „1830 and more“ kennengelernt haben, wissen sofort, dass es sich hier um ein Mitglied der 18xx-Eisenbahner-Familie handelt. Helmut Ohley hat es 2007 als 72. Enkelkind gezeugt. Als Vater bzw. Halbvater war er mit den 18xx-Müttern und Töchtern auf vier Kontinenten insgesamt acht mal fruchtbar: von „1844-Schweiz“ über „1862-USA/Kanada“ und „1895-Namibia“ bis zuletzt nach „1848-Australia“.
Es gibt eine Menge Spielmaterial auf dem Tisch auszubreiten (unter anderem Luxus-Ausführungen von Geldscheinen, lieber Bernd!), deshalb ist auch das Spielbrett mit der Geographie Australiens bewußt klein gehalten worden. Von Sydney über Canberra nach Melbourne und Adelaide ist es nur ein Katzensprung. Die hier gegründeten Bahngesellschaften geraten unmittelbar aneinander, wo sie sich mit ihrem Streckennetz wie üblich ergänzen oder behindern können. Zu Spielbeginn sind vereinigten Netze auf jeden Fall ein Vorteil. Daraus folgt für eine 3er Runde die topologische Konsequenz: Schließen alle drei Spieler unverzüglich ihre Netze zusammen, so profitiert der Spieler in der Mitte. Schließen sich nur zwei Spieler zusammen und braut der dritte sein eigenes Süppchen, so kommt der Eigenbrötler lange nicht so gut aus den Startlöchern und muss mehrere Runden lang mit halb so hohen Einnahmen rechnen wie die Gemeinschaftsköche. Dieser Effekt ist beim weiter auseinanderliegenden „1830“ längst nicht so krass. – Wie weit das Eigenbrötler-Dasein später von Vorteil ist, steht auf einem anderen Blatt.
Was gibt es Neues in Australien? McGuffins hat eine Liste mit den Unterschieden zu „1830“ zusammengestellt und kommt dabei auf etwa 60 Punkte. Doch vieles davon ist spieltechnisch Pillepalle. Natürlich haben die Privatgesellschaften in Australien andere Eigenschaften als in den USA. Doch ob ich verbilligt über einen Hügel oder über eine Kaktusstrecke fahren darf, ob ich damit Präsident der Baltimore & Ohio oder der Central Australian Railway werde, ist mehr oder weniger identisch.
Der Kontinent ist in vier Regionen mit unterschiedlicher Spurweite eingeteilt. Der Übergang von einer Spur auf die andere kostet Reichweite. Das spiegelt vielleicht die Realität in der Entwicklung der australischen Eisenbahnen wieder, doch die spielerische Kosten-Nutzen-Relation für dieses zusätzliche Regeldetail ist nicht überwältigend. Auch ein neuer Zugtyp, „The Ghan“, der nicht den Verschrottungsbedingungen und dem Lok-Limit unterliegt, und mit dem man lediglich Alice Spings in Zentral-Australien anfahren kann, ist schön und liebevoll ausgedacht. Doch angesichts der ohnehin schon 32 Seiten Spielregeln wäre für den nüchternen Eisenbahn-Aktionär in jedem Fall weniger gleich mehr.
Ein absolut neues Element, das die wirtschaftlichen Effekte der Eisenbahngesellschaften revolutionär verändert, ist die „Bank of England“. Bei ihr kann jede Linie Geld aufnehmen und braucht es während des ganzen Spiels nicht zurückzuzahlen. Der einzige Nachteil dieser Kredite ist ein Kursverlust der Gesellschaft. Und wenn ihr Kurs unter einen Grenzwert sinkt, so kommt sie unter die Zwangsverwaltung der Bank of England und hat für die Anteilseigener aufgehört zu existieren. Immerhin kann daher durch noch so schlechte Behandlung einer Linie der Präsident oder dessen Nachfolger niemals in Konkurs getrieben werden. Ein klares Bekenntnis für die Empire-Builder und gegen die Finanz-Haie.
„1848“ spielt sich wie die meisten „18xx-Mitglieder: Besitzstand der Spieler und der Gesellschaften wachsen langsam und gleichförmig an (Widerspruch zur oben angedeuteten topologischen Asymmetrie) und die Vorkaufskarte bleibt mehrere Runden in einer Hand. Ist auch nicht so wichtig, da Manipulationen mit Linien und Aktien nicht opportun sind. Dann fängt das Chaos an: Ein begehrtes Gleisteil ist verbraucht, die Züge verschrotten mit atemberaubendem Tempo, die Kurse und das Potential der Gesellschaften verschieben sich durch Verkäufe, 100%-Investition, Einsparungen – und bei „1848“ auch noch durch die Darlehen bei der Bank of England – in einem bunten Gewurl.
Das Streckennetz ist in seinen Gesamt-Effekten nur schwer überschaubar. Für das kleine, enge Australia gibt es zu viele Bahnhofsmarker, mit denen die Gesellschaften ihre Strecken abschotten können. Bei „1830“ ist dies eine Mangelware, in unserer 1848-Runde dagegen hatte fast jede Gesellschaft bis zum Spielende noch mehrere Marker übrig.
Das harte Aktienlimit löst Orgien von Aktion-Umverteilungen aus. Welches sind die besten Linien in der Hand der Konkurrenten? Das ist nicht auszumachen; es liegt völlig in der unkalkulierbaren Ambitionen-Willkür der Präsidenten. In der aller-vorletzten Betriebsrunde kaufte Aaron für seine Federal Territory Railroad noch eine Diesellok, die erste des Spiels, und setzte damit alle 4er-Züge außer Gefecht: „Man muss schließlich mal alle Elemente ausprobieren.“ Dadurch verloren seine eigenen und vor allem Günthers stolze Linien einen erheblichen Teil ihrer Einkünfte; zwei Linien gingen sogar noch in Konkurs und die Bank of England machte glänzende Geschäfte. Unerwartet für Günther, der von vorneherein mit dieser Bank geliebäugelt hatte, sich kurz vor Spielende aber von allen ihren – vermeintlich ausgelutschen – Aktien getrennt hatte.
Bilanz nach sechs Stunden Spielzeit: Aaron hatte (in der allerletzten Betriebrunde) die höchsten Rundeneinnahmen, Günther das meiste Bargeld und Walter das größte Aktienvermögen. In der Summe reichte es für unseren ungekrönten 1830-König Günther. Trotz seiner Fehler. Aber welche König ist schon unfehlbar?
Aarons Understatement am Ende: „1848 – Australia“ ist kein mißratener Sproß der 18xx-Familie.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (absolut gesehen eine sehr gute Note, aber eine Reduktion innerhalb seiner 18xx-Wertungen: die zusätzliche Komplexität zahlt sich nicht aus), Günther: 9 (immerhin ein 18xx-Spiel), Walter: 9 (hat dem Spiel nicht angelastet, dass es innerhalb der genialen 18xx-Familie einen schweren Stand hat)
Zum Schluß noch einige Fragen an den Helmut: Wie lange hast Du an „1848 – Australia“ gearbeitet? Welches ist eigentlich Dein innerer Beweggrund, immer wieder viele Wochen, Monate oder gar Jahre an einer neuen 18xx-Variante zu arbeiten? Und die wirtschaftliche Seite: Wieviele Exemplare wirst Du von „1848“ verkaufen? Kommst Du auf einen Stundenlohn von mehr als 1 Euro? Aber die Frage nach dem Stundenlohn dürfen sich wohl 99,9% aller Spiele-Erfinder nicht stellen. Es geht um den Spaß an der Freud!
2. “Brainrun”
So zwischen 1 und 2 Uhr AM stellte Aaron noch eine Essen 2011-Neuheit vor. Ein Wissensspiel nach der Art von „Trivial Pursuit“. Mit ein bißchen Taktik, Technik und Kampf.
Aus verschiedenen Wissensgebieten werden einfache, schwierige, Entscheidungs- oder Schätzfragen gestellt. Zu jedem Wissensgebiet muss man mehrere Fragen richtig beantworten, um das entsprechende Farb-Kärtchen zu bekommen. Mehrere Karten eines Wissensgebietes kann man gegen eine Karte eines anderen Wissensgebietes eintauschen.
Man kann einem Mitspieler den Kampf um eine Karte in dessen Besitz ansagen: Dann wird eine Schätzfrage gestellt (z.B. Wieviele Söhne von Adam und Eva sind in der Bibel namentlich erwähnt?), und wer mit seiner Schätzung am besten liegt, bekommt die Karte. Man braucht also nicht auf alles Wissensgebieten beschlagen zu sein, um das Spiel gewinnen zu können.
Solche mehr oder weniger „Unterhaltungsspiele“ liegen nicht im Zentrum des Interesses am Westpark. Walter wird „Brainrun“ am Wochenende der „Spiel 2011“ zu seinen Verwandten nach Essen mitbringen und unter den dortigen Quiz-Liebhabern austesten, wie diese Prinzipien ankommen.
Keine WPG-Wertung.

28.09.2011: Alte und neue Seefahrer-Kapitale

Horst zieht um. Seit der Geburts seines Sohnes vor einem Jahr ist er einem ständigen Terror seitens eines Nachbarn ausgesetzt. Zu jeder Tages- (!) und Nachtzeit bumbert der beim kleinsten Geräusch an die Wand und schreit: „Könnt ihr euren Sprößling nicht zur Ruhe bringen!“ Birgits Nerven haben das nicht mehr ausgehalten. Der Nachbar muß nervenkrank sein, wenn nicht gar gemeingefährlich. Der Klügere gibt nach. Ab nächster Woche wird eine neue Wohnung in einer neuen Gegend hoffentlich Ruhe und Frieden bringen.
Ein kleiner hämischer Trost für die drangsalierte Spielerfamilie: Der böse Nachbar weiß natürlich nichts von ihrem Umzug und hat sich mittlerweile ebenfalls entschlossen auszuziehen. Seine Wohnung hat er bereits verkauft. Was wird er wohl für Augen machen, wenn am 1. Oktober gleich zwei Umzugswägen vor der Haustür stehen!
1. “London”
Vor einem halben Jahr im Trio zum letzten Mal gespielt, waren heute Aaron und Moritz die Neulinge. Es war zwar Aarons Spiel, das auf den Tisch kam, doch er hatte sich nicht auf die Spielregeln vorbereitet. Günther konnte sich nicht mehr so gut daran erinnern, um freiwillig die Erklärerrolle zu übernehmen und Walter ist diesbezüglich ohnehin off-limits. So durfte Moritz aus dem Stegreif das Regelheft vortragen bzw. wiederholen.
Der Spielplan zeigt im groben Schema den Stadtplan von London. Moritz entdeckte sogleich einen Teil seiner Vergangenheit wieder: „Ich zeig euch gleich mal, wo ich gewohnt habe. Hier unten, rechts von Deptford.“ Aaron kannte sich aus: „Oh, südlich der Themse! Da brennt doch immer mal wieder nächtens ein Auto!“
Nun ja, im Jahre 1891, in dem „London“ spielt, brannte nicht nur ein Auto, sondern gleich die ganze Stadt. Wir müssen sie wieder aufbauen. Das dominiertende Element dabei sind Karten, die Bauwerke der Stadt darstellen. Wir dürfen mit gewissen Freiheiten uns daraus eine erkleckliche Anzahl aussuchen, sie peut-a-peut als „Gebäudeauslage“ vor uns auslegen, sie später aktivieren und damit Geld und Siegpunkte einstreichen.
Regelmäßig steigt bei unseren Gebäude-Aktivierungen die öffentliche Armut. Ihre Bekämpfung ist überhaupt eine der großen Herausforderungen im Spiel. Durch wenige Stapel in unserer „Gebäudeauslage“ und durch wenige Handkarten können wir einen rasanten Anstieg der Armut verhindern, und ein paar wenigen Gebäudekarten erlauben sogar, sie zu verringern. Aber man muß schon rechtzeitig zugreifen und auch einen Batzen Geld opfern, um diese Gelegenheiten wahrzunehmen.
Walter predigte gegen die Armut, ließ sich dann aber vom schnöden Mammon verleiten und bekam am Ende 18 Strafpunkte für die Armen in seinem Stadtviertel. Das reichte zum letzten Platz. Moritz konnte als einziger Spieler die Armut restlos beseitigen; daneben hatte er sich einen gelungenen Mix an Stadtvierteln, U-Bahnlinien und Siegpunkte-Gebäuden zugelegt. Es reichte mit 62 Punkten zum Sieg.
Strategietips für ein gutes Spiel:

  • Erweitere früh und ausgiebig deine Regierung in den Stadtbezirken, gegebenenfalls auch mit Krediten
  • Nimm dir ein Maximum an Stapeln vor, mit denen du arbeiten willst und errichte möglichst schnell vom Start an diese Zahl
  • Belege jeweils alle Stapel mit einer Gebäudekarte und aktiviere jeweils alle Stapel mit einem Schlag
  • In den ersten Runden spielt das Geld natürlich eine wichtige Rolle, doch am Ende zählen nur Siegpunkte und der Abbau der Arbeit. Schalte also rechtzeitig von der Geldpolitik auf ein soziales Mäzenatentum um.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (zu solitär), Moritz: 7 (enthält sogar – ausnahmeweise – relativ viel Thema); die anderen blieben bei ihren 7 Punkten.
2. “Porto Carthago”
Letztes Jahr haben wir dieses Spiel in seiner Entstehung begleitet und Aaron hatte es auf Bernd Eisensteins Stand auf der „Spiel 2010“ mit Erfolg präsentieren helfen. Heute durfte er auch bei uns die Erinnerungen auffrischen. Doch ohne Regelheft ging das nicht. Man sieht, selbst eine tagelange Dozentenarbeit mit einem einzigen Spiel brennen die Regeln in unserem Gedächtnis nicht ein. (Wieviel weniger gilt das erst für das bei uns übliche 1-2 malige Spielen!)
„Porto Carthago“ enthält ziemlich viele Spielelemente, die sehr viele verschiedene Schienen zum Sieg eröffnen. In optimalem Timing und in Konkurrenz zu unseren Mitspielern müssen wir dazu unsere Aktionen einsetzen.

  • Einmal pro Runde fahren 4-5 Handelsschiffe in den Stadthafen von Carthago. Wir müssen rechtzeitig hier die Landungsstege besetzen, an denen sie ankommen. Haben wir den Hafenmeister ergattert, können wir uns beim Einlaufen noch ein paar Vorteile verschaffen oder einzelne Konkurrenten benachteiligen.
  • Einmal pro Runde wird der Markt gefüllt, auf dem wir uns mit den Waren eindecken können, mit denen wir die Handelsschiffen beliefern. Hier muß man zugreifen, solange der Vorrat reicht und solange noch Platz in unserem Lager ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die vorhandene Warenart von den Schiffen an unseren Landungsstegen aktuell überhaupt benötigt wird.
  • Im Freihafen gibt es eine Reihe von Anlegestellen für außerplanmäßige Schiffe. Die hier verschifften Waren sind nach ihrer Art nicht vorgeben. Hier können wir alle Waren aus unserem Lager loswerden. Allerdings ist die Anzahl der Plätze im Freihafen stark begrenzt. Wer sich nicht rechtzeitig einen Platz gesichert hat, kann ziemlich lange in die Röhre schauen.
  • Gewinnen tut man über den Einfluß im Palast. Den zu erkaufen wird im Laufe des Spiels immer teurer, also muß man sich frühzeitig hier die Zugangsmöglichkeiten eröffnen und Schmiergelder immer fließen lassen, wenn man sie entbehren kann.
  • Der zunächst unscheinbare Intrigenpfad kann bei Spielende auch nochmals reichlich Palast-Einfluß abwerfen. Hier werden in jedem Fall die in der Schlußphase überschüssigen Handelspunkte eingesetzt. Was aber schlußendlich dabei herauskommt – mit erheblichem Einfluß auf die Sieger-Positionierungen – ist stark abhängig von den Ambitionen der Mitspieler. Sich rechtzeitig zu engagieren ist gut, den Intriegenpfad aber zu dominieren ist schlecht, wenn sich dann kein weiterer Spieler mehr beteiligt und der dadurch vergebene Gesamt-Einfluß gering bleibt.

Die vielen Rädchen und Schräubchen, an denen man in „Porto Carthago“ drehen kann, erzeugen jedesmal einen anderen Spielablauf. Teilweise total anders. Heute gab es unerwartet viele Blockaden. Der Markt war immer im Nu leergefegt und viele Handelsschiffe konnten nicht beliefert werden. Keiner nahm es allerdings auf sich, einen Zug zu opfern, um den Markt außerplanmäßig neu zu beschicken.
Der Freihafen wurde 3 Runden lange von Günther vollständig blockiert. Zunächst nicht gerade mit Absicht, mehr aus Frust, weil keine Waren mehr da waren, und dementsprechend auch keine lukrativen Landungsstege winkten.
Walter belegte – ebenfalls mehr der Not gehorchend, weil sein Lager voll und im Freihafen kein Platz mehr war – in den letzten beiden Runden dann alle Landungsstege, die im Stadthafen noch angefahren wurden. Auch wenn er nicht genügend Waren (und Züge) hatte, diese Schiffe alle zu beliefern.
Als Folge dieser Blockaden boten sich überdurchschnittlich oft keine lustigeren Züge als die Notration von 3 Talenten einzustreichen. Trotzdem war es schweißtreibend und spannend. Und jeder kann heute Nacht davon träumen, was er beim nächsten Mal anders machen will. Falls ihn die Mitspieler nicht daran hindern.
Keine neue WPG-Wertung für ein gutes 7,6 Punkte-Spiel.
3. “Bluff”
Nein, heute kein Bluff mehr. Morgen früh geht es auf den Jochberg.

“Airlines Europe” ist unser Spiel des Monats

Da auch Neuentwürfe alter Spiele „Spiel des Monats“ werden können, kommt dieses Mal „Airlines Europe“ in den Genuss der Ehre, unser Siegerkandidat zu werden. Alan R. Moons Spiel kann ohne Zweifel als „Klassiker“ bezeichnet werden, und auch in dieser neuen Version wissen die Mechanismen – die Vorbild für viele weitere schönen Spiele wie zum Beispiel „Zug um Zug“ oder „Union Pacific“ waren – nach wie vor zu gefallen. Die neue Version spielt sich noch ein wenig flüssiger und manche unter Hardcore-Eurogamern als unfair empfundene Ärgermöglichkeiten (Sabotage) sind weggefallen. Auf jeden Fall empfehlenswert!

21.09.2011: Riesen und Steuermänner

Als NPC (non-painting- companion) mit der besten aller Ehefrauen zu einem Malkurs in die einsamen Berge des Languedoc. Simon Fletcher hat gerufen und sieben Künstler aus fünf Ländern sind seinem Aufruf gefolgt. NPCs nicht mitgezählt. Aquarell-Kunst wird ganz groß geschrieben, ebenso die Cuisine Française. Doch spielerisch ist es ein ziemliches Ödland. Natürlich haben alle Kursteilnehmer in ihrer Kindheit schon einmal „Monopoly“ gespielt. Die beiden Engländerinnen kennen sogar „Bridge“, das schweizer Brüderpaar war für eine Schachpartie aufgelegt und das Ehepaar aus Egelsbach spielt regelmäßig „Doppelkopf“. Doch von „Settlers of Catan“ hat noch keiner etwas gehört; höchstens etwas von einer „Creme Catalan“! „Carcassone“ als Spiel ist ein Fremdwort, dabei liegt die zugehörige Stadt nur fünzig Kilometer entfernt.
Bevor wir uns zurück in das Eldorado am Westpark aufschwingen, machen wir noch einen Abstecher in die eindrucksvolle Burg der alten Albigenserstadt. Beim Durchstiefeln der wehrhaften Festungsmauern kommt unwillkürlich die Idee, die guten Tummelhofers könnten die 873-ste Erweiterung ihres Paradepferdes doch „Katholiken und Ketzer“ nennen. Doch das heißt offene Türen einrennen: „Carcasson – die Katharer“ gibt es schon seit 2004.
Hallo Benedikt XVI, willkommen in Deutschland! Vielleicht fällt dir auch noch etwas zu den Ketzern ein!
1. “Giants”
Seit vier Monaten liegt das Spiel am Westpark auf dem Sofa herum. Heute kam es endlich zum Einsatz. Die Urlaubssaison ist vorbei, die geeignete 5er Runde war vorhanden, und Horst hatte sich auf die Spielregeln vorbereitet (und das Regelheft nicht zuhause vergessen).
Wir befinden uns zur Steinzeit auf der Osterinsel und heimsen Siegpunkte ein, indem wir in den Steinbrüchen Maoi-Statuen schnitzen und sie an den Zeremonienplätzen („Ahus“) an der Küste aufstellen. Jeder Spieler führt einen Clan, der den Transport abwickelt. Wer die dicksten Maois zu den kapitalistischsten Ahus gebracht hat und sie ggf. auch noch mit Kopfschmuck versorgt hat, ist Sieger.
Das Spiel besitzt eine liebevolle Ausstattung, gefälliges, eigens für „Giants“ hergestelltes Material, von den Würfeln angefangen bis zu den hübschen Plastikfiguren für Häuptlinge, Medizinmänner, Träger und drei Gewichtsklassen von Maois. Ein Maoi hatte bereits seinen Kopfschmuck auf, und Aaron wollte ihn abnehmen. Doch selbst mit vereinten Günther-Moritz-Kräften gelang das nicht. Er saß wie angegossen. War er auch. Es war auch nämlich keiner der üblichen Maois aus dem Steinbruch, es war die Startspielerfigur!
Aaron demonstrierte seine „Rainman“-Fähigkeiten. Mit einem einzigen Blick auf den Haufen mit den streichholzgroßen „Baumstämmen“ (als Transporthilfe zum Rollen der Maois) konnte er erkennen, dass es genau 27 Stück waren. (Beim Schätzen der vollen Schüssel mit Gummibärchen mußte er allerdings passen.)
Auf dem Weg zum Sieg müssen wir mit unserem Aktionen

  • Maois schnitzen (ersteigern)
  • die Anzahl unserer Träger erhöhen
  • eine Reihe von Baumstämmen besorgen
  • den Transport von Maois durchführen
  • ggf. einige bestimmte Zeremonienplätze reservieren.
  • ggf. Kopfschmuck bereitstellen

Die Herausforderung des Spiels ist es, alle diese notwendigen Aktionen in der optimalen Reihenfolge durchzuführen. Wie bei solchen Aufbauspielen üblich, sollte man sich zunächst um die Kopfzahl des eigenen Volkes kümmen. Dazu kommt die Ausstattung des Häuptlings mit Medizinmann-Fähigkeiten, um den Aufbauprozeß zu beschleunigen. Wer ganz langfristig plant, reserviert sich rechtzeitig im Mittelspiel den einträchtigsten Zeremonienplatz. Maois und Kopfschmuck kommen erst ganz zum Schluß. (Erste Näherung)
Doch der Hauptteil des Spiels, die Aufstellung der Maois an der Küste, steckt voller Risiken und Überraschungen. Man darf für seinen eigenen Transport nämlich auch die Träger der Mitspieler benutzen. Und da alle Spieler mit ihre Trägern mehr oder weniger den gleichen Weg vom Steinbruch zur Küste bauen, können praktisch alle Spieler den gleichen Weg nutzen. Jetzt kommt es darauf an, wer in der Transportphase als erster am Zug ist und somit an der Küste den besten Zeremonienplatz belegt. Startspieler-Reihenfolge beachten!
Auch der Aufbau der Trägerkette ist heikel. In der Regel kann man mit seinen eigenen Trägern allein nicht den vollständigen Weg realisieren, man ist auf die Mithilfe der Mitspieler angewiesen. Und wenn in der Strecke eine Lücke bleibt? Dann muß man unter Umständen 20 Siegpunkte in den Wind schreiben. Insofern enthält das Setzen der Träger eine Phase höchster Interaktion. Leider ist damit auch eine erhebliche Kingmakerei verbunden. Ich kann einem Mitspieler uneigennützig zu den 20 Siegpunkten verhelfen. Oder auch nicht. Oder einem anderen.
Moritz jammerte bis zur Schlußwertung (einschließlich), dass er Letzter werde. Doch Sekunden später war er Erster. Ein einziger dicker Maoi an einem punkteträchtigen Ahu brachte ihm mehr als die halbe Miete ein. Und wenn Horst bei seiner Positionierung seines letzten Trägers nicht gewarnt worden wäre (eigentlich ein Verstoß gegen den WPG-Kodex), dann hätte er unfreiwillig Moritz weitere 20 Siegpunkte zugeschustert.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (minus 1 Punkt wegen des Spielmaterials: der Plastik-Kopfschmuck paßt nicht auf die Plastik-Maoi-Köpfe), Günther: 5 (das Spiel ist nicht kalkulierbar, das Chaos mit den Trägern dominiert), Horst: 7 (plus 1 Punkt für die gefällige Ausstattung am Spielmaterial), Moritz: 7 (das Spiel ist nicht trocken und das Thema ist gut eingebracht), Walter: 7 (viele neue Ideen, 1 Punkt weniger, wenn man es nicht locker spielt.)
Eine sofortige „Giants“-Wiederholung wurde vorgeschlagen und fast angenommen. Nur Aaron war dagegen.
2. “Navegador”
Als zweiter Gang des Abends wurden abgeleht: „Firenze“ wegen der seiner Ärgerkarten, „Funkenschlag“ weil es zu lange dauert, „Outpost“ wegen seiner vielen Schräubchen und „Small World“ wegen Überfütterung. Das Rennen machte „Navigador“, vor knapp einem Jahr zum letzten Mal gespielt und keinesfalls mit den allerbesten Bemerkungen bedacht (von „gutes Durchschnittsspiel“ bis zu „fehlende Spannung“). Doch das Spiel ist sehr gut ausbalanciert und erlaubt verschiedenste Strategien zu verfolgen, die alle zum Sieg führen können.

  • Als Schiffsstrategen kaufen wir auf Teufel komm’ raus Schiffe und entdecken die Welt, um mit den Entdecker-Prämien den Sieg einzufahren.
  • Als Kolonialherren legen wir uns jede Menge Kolonien zu und lassen dort die Rohstoffequellen zu unserm Reichtum sprudeln.
  • Als Fabrikanten bauen wir vorzugsweise Fabriken und streichen über die Veredelung von Rohstoffen gewaltige Summen ein.

Die gewählte Strategie müssen wir allerdings ganz konsequent verfolgen und alle unsere Handlungsfreiheiten in den Ausbau des zugehörigen Besitzstandes einsetzen. Und nebenbei müssen wir uns natürlich auch um die Privilegien des gewählten Spezielgebietes kümmern, damit wird in der Schlußwertung unser Besitzstand multipliziert.
Unser Schicksal liegt voll in unserer Hand; mit einer frei wählbaren Schrittweite wandern wir mit unserem Aktionsstein um ein vorzügliches „Aktionsrondel“ herum und planen unsere nächsten Schritte über mindestens zwei, drei weitere Züge voraus. Diese völlige Planbarkeit ist allerdings auch ein spielerischer Nachteil; sie geht auf Kosten der Interaktionsmöglichkeiten. Eigentlich spielt jeder mehr oder weniger autonom vor sich hin.
Moritz jammerte wieder, dass das Spiel an ihm vorbeigelaufen sei. Diesmal hatte er recht.
WPG-Wertung: Horst vergab mit 8 Punkten einen ganzen Punkt mehr als der bisherige WPG-Durchschnitt. “Das Spiel ist Klasse. Die Einschränkungen in der Aktionsauswahl machen das Spiel total stressfrei.”
3. “Bluff”
Horst traute sich nicht mehr an seine Sternen-Strategie; und suchte verzweifelt Alternativen. Es gab keine. Günther räumte seine Kontrahenten in der Reihenfolge Horst, Walter und Aaron konsequent und verlustfrei ab.
Im zweiten Spiel nahm Horst seine Sternen-Strategie wieder auf und legte auch gleich die passenden Würfel aufs Parkett. Doch diesmal glaubte er zu sehr an Sternenwürfe auch bei seinen Konkurrenten. Auch sein letzter abgegebener Würfel war ein einsamer schöner runder Stern.
Merke: Sterne würfeln und Sterne vorgeben ist gut; den Mitspielern Stern-Vorgaben zu glauben ist schlecht.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

Deutscher Spielepreis 2011

Gewinner des Hauptpreises und Träger des Deutschen Spiele-Preises 2011 ist das Spiel

7 WONDERS von Antoine Bauza (Repos Production).

Auf den weiteren Plätzen der Top-Ten-Liste:

2. DIE BURGEN VON BURGUND von Stefan Feld (alea/Ravensburger)

3. TROYES von Sébastien Dujardin, Xavier Georges und Alain Orban (Pearl Games)

4. NAVEGADOR von Walther M. Gerdts (PD-Verlag)

5. ASARA von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling (Ravensburger)

6. MONDO von Michael Schacht (Pegasus Spiele)

7. PANTHEON von Michael Tummelhofer (Hans im Glück Verlag)

8. LANCASTER von Matthias Cramer (Queen Games)

9. LUNA von Stefan Feld (Hall Games)

10. STRASBOURG von Stefan Feld (Pegasus Spiele)

Gewinner des Deutschen Kinderspiele-Preises 2011 ist

MONSTER-FALLE von Inka und Markus Brand (Kosmos)

Gewinner des Deutschen Spiele-Preises für das Spiel mit der vorbildlichen Regel – Träger der Goldenen Feder 2011 – Wanderpreis der Stadt Essen ist:

EXPEDITION SUMATRA von Britta Stöckmann und Jens Jahnke (Igramoon Spieleverlag)

Glückwunsch an alle Verlage und Autoren!