Archiv der Kategorie: Spieleabende

22.06.2011: Strasbourg und die Bluff-Surrogate

Richard Strauß pflegte vor seinen Konzerten, im Künstlerzimmer, angetan mit Frack und weißer Weste, Skat zu spielen; bis zum letzten Augenblick oder besser länger, bis das Publikum wegen Verzögerung des Konzertbeginns unruhig wurde. Dann legte er die Karten hin und ergriff dafür den Taktstock, d.h. er füllte eine Pause im Skat mit Musikmachen aus, bis er in der Konzertpause im Skat fortfahren konnte. (nach Ilse Hess)
Hallo Moritz, stimmt das?
1. “Strasbourg”
Ein weiteres Spiel von Stefan Feld. (Günther „Der bringt in letzter Zeit eine Menge guter Spiele heraus.“) Herausgegeben vom Pegasus Verlag. (Moritz: „Bürgt für Qualität!“)
Die Kulisse ist das mittelalterliche Straßburg (so wurde es wohl damals geschrieben), die politischen Geschicke der Stadt werden von Handwerkszünften beeinflußt und die Spieler schlüpfen in die „Rollen aufstrebender Familien der Stadt“. Warum dafür jetzt Straßburg den Namen hergeben mußte und nicht Nürnberg oder Hamburgum ist nicht plausibilisiert. Thema und Lokalkolorit sind auch nicht präsent. Das Spiel enthält eine ganze Reihe hübscher Mechanismen, die sehr organisch in sich greifen und die Spieler vor eine abstrakte Aufbau-Anforderung stellen, die vorausschauend-planerisch angegangen werden muß, dabei aber nie die spielerische Linie verliert.

  • Wir bieten um Felder, die uns Privilegien als Führer des Adels, als Bischof oder Führer einer der Zünfte gewähren. Eine neuartige Designidee macht den Bietvorgang trickreich, interaktiv und zugleich schnell.
  • Wir erwerben Bezugsrechte und bieten um Felder, wo wir diese Bezugsrechte in bare Münze verwandeln können. Eine kluge Balance im Erwerb und im Umtauch von gebündelten Bezugrechten ist für Liquidität und Handlungsfreiheit unbedingt erforderlich.
  • Wir nutzen unser Geld und unsere Privilegien, um unsere Pöppel auf dem Spielbrett möglichst siegpunktbringend positionieren zu können. Das ist das Kernstück der zünftigen Straßburger Musik.
  • Jeder Spieler erhält noch eine wählbare Anzahl von individuellen Sonderaufträgen, mit denen bei Spielende bestimmte Kombinationen von Pöppel-Positionen auf dem Spielbrett honoriert werden. Dadurch erhält der Ehrgeiz jedes Spieler ein Betätigungsfeld und es kommt eine wohldosierte Asymmetrie in die Spielerziele.

Man darf bei der Auswahl der Aufträge nicht zu gierig sein, nicht-erfüllte Aufträge werden mit Punkt-Abzug bestraft. Ein bis zwei Aufträge pro Spiel sind eine ausreichend große Herausforderung. Unsere Strategie-Kornifere hatte sich gleich drei Aufträge unter den Nagel gerissen und konnte keinen einzigen davon erfüllen. Ein Aufrag weniger und er wäre noch Vorletzter geworden.
WPG-Wertung: Günther: 8 (intelligenter Bietmechanismus), Loredana: 8 (interaktiv, man spielt ständig mit, auch in einer 5er Runde nie langweilig), Peter: 8 (ihm gefiel die Varianz der Setzziele durch die individuellen Sonderaufträge), Moritz: 8 (enthält viele gefällige Elemente), Walter: 8 (alles funktioniert in ausgezeichneter Balance)
2. “Take it or Leave it”
Zwanzig Hexa-Würfel in den Farben weiß, schwarz und rot werden in eine Schale gewürfelt und lassen dabei fast so etwas wie eine „Bluff“-Stimmung aufkommen. Doch die Vorfreude verläuft sich blitzartig wie eine offene Welle.
Reihum darf sich jeder Spieler einen Würfel aus der Schale holen und damit successive bestimmte Würfelkombinationen zusammensuchen, die er als geheimen „Auftrag“ auf der Hand hat, z.B. eine weiße Zwei und eine schwarze Vier zu besitzen, oder mit 3 Würfeln in der Summe der Augenzahlen unter 7 zu bleiben, oder mit beliebig vielen Würfeln genau 18 Punkte zu erzielen. Vier Aufträge stehen jedem Spieler pro Runde zur Auswahl; einen, höchstens zwei davon kann er davon erfüllen.
Wer – wenn die Würfel langsam ausgehen – keinen „Auftrag“ mehr erfüllen kann, paßt, und wenn alle gepaßt haben oder die Würfel alle weg sind, ist eine Runde zu Ende. Erfüllte Aufträge ergeben Pluspunkte, nicht mehr in Aufträgen untergebrachte Würfel bringen Minuspunkte und das (freiwillige) Aufnehmen von roten Würfeln wird ebenfalls mit Minuspunkten bestraft.
Eigentlich könnte man das Spiel ganz locker über die Bühne gehen lassen, doch wenn man die ausliegenden Würfel erst danach analysieren muß,

  • welche Augenzahl man unbedingt noch braucht (und welche davon nur noch selten ausliegt)
  • mit welchen der ausliegenden Würfeln welche gewünschten Würfelkombinationen sich am häufigsten und deshalb am sichersten realisieren lassen.
  • auf welche Würfel bzw. Würfelkombinationen die Mitspieler spekulieren könnten.
  • und was man sich sonst noch alles zusammenreimen kann.

dann ist die Lockerheit schnell dahin. Der Rest ist dröge. Und weil eine Spielerrunde am Westpark ohne diese Analysiererei nicht leben kann, ist “Take it or Leave it” – zumindest in unserem Kreis – dröge.
WPG-Wertung: Günther: 6 (locker und einfach), Loredana: 5 (ein Kinderspiel. Mit Kindern würde es vielleicht besser gefallen), Peter: 6 (Ich könnte es nochmals spielen), Moritz: 6 (das Spiel ist nicht broken), Walter: 6 (ein Semi-Absacker)
3. “Skull & Roses”
In irgendeinem Spielegremium wird behauptet, dieses Spiel sei ein würdiger Nachfolger von „Bluff“. Entsprechend hoch waren unsere Erwartungen.

Jeder Spieler bekommt ein Set von vier „Bierdeckeln“ mit drei Rosen und einem Totenkopf. Daraus wählt jeder geheim einen seiner Deckel aus und legt ihn verdeckt vor sich hin, also entweder eine Rose oder den Totenkopf.
Moritz wollte von dieser Startaufstellung ausgehend unter der Bluff-Hypothese gleich auf die gesamten Spielregeln schließen: „Jeder nennt jetzt eine Zahl, wielviele Totenköpfe ingesamt ausliegen.“ Doch so billig geht es dann doch nicht. Wer am Zug ist, hat jetzt jeweils eine Entscheidungsalternative: Entweder legt er einen weiteren Bierdeckel verdeckt vor sich hin, oder er beginnt eine „Challenge“, d.h. er nennt eine Zahl, das ist die Anzahl von Rosen-Bierdeckeln, die er von den verdeckt auf dem Tisch liegenden Bierdeckeln aufdecken kann, ohne einen einzigen Totenkopf zu erwischen. Dabei muß er das Umdrehen mit seinen eigenen Bierdeckeln anfangen, er darf also keinen Totenkopf in seinem Stapel haben. Reihum kann jetzt jeder diese Zahl erhöhen oder passen. Gewinnt ein Spieler die Challenge, so ist das der halbe Weg zu seinem Sieg, d.h. nach zwei gewonnenen Challenges ist er Sieger. Verliert ein Spieler die Challenge, muß er einen Bierdeckel abgeben; nach vier verlorenen Challenges scheider er aus.
Es wurde viel gelacht, besonders wenn die Challenges verloren gingen. Deren waren es viele, sonst wäre das Spiel ja im Nu zu Ende gewesen. Trivial-Tipp zur Taktik: „Lege als erstes immer den Totenkopf heraus, und lasse Deine Konkurrenten die Challenges verlieren!“ (Dieser Tipp ist natürlich Kappes.) Doch auch wenn es nicht ganz so trivial zugeht, kann “Skull & Roses” dem „Bluff“ nicht das Wasser reichen. Es gibt keine Steigerung, kein Nachwürfeln, kein Reinreißen des gutgläubigen Nachbarn, kein taktisches oder unerläßliches Nachwürfeln und das sogenannte Bluffen beschränkt sich auf die 50:50 Entscheidung, einen Totenkopf oder eine Rose herauszulegen.
Wer als erster nur noch einen Totenkopf-Bierdeckel in der Hand hält, kann nicht mehr gewinnen, aber er muß noch mitspielen und dabei dem langweiligen Kampf zuschauen, wie auch die übrigen Mitspieler langsam ihre Bierdeckel verlieren oder wie einer hoffentlich seine zweite Challenge gewinnt. Zäh!
WPG-Wertung: Günther: 7 (immerhin hat es die Spielbox empfohlen), Loredana: 2 (fürs Lachen am Anfang), Peter: 3 (mit Tendenz in Richtung 1), Moritz: 6 (schließlich wurde er Zweiter), Walter: 3 (der Anfang scheint lustig, das Ende ist zäh).
4. “Bluff”
„Endlich“! Ein richtiger Absacker nach den zwei Pseudo-Absackern. Peter stand im 1:1-Endspiel gegen Günther und sinnierte signifikant lange über seine erste Vorgabe. Günther schloß sofort daraus, dass Peter einen problematischen Wurf haben mußte: Entweder eine Eins oder einen Stern. Trotzig (oder warum auch immer) setzte Peter auf Günthers Loser-Strategie und fing mit 1 mal Fünf an. Günther hob ohne Zögern auf 2 mal Fünf und Peter blieb nur noch der Verzweiflungsversuch: 2 mal Stern. Ohne Erfolg. Wie leicht hätte er diesen Kampf mit Walters Immer-4-Strategie gewinnen können!
Derweilen kündigte Moritz für die zweite Runde eine „neue Strategie“ an. Später verriet er, dass es eine Immer-3-Startspielerstrategie gewesen wäre. Er konnte die Wirksamkeit dieser Strategie leider nicht nachweisen, denn er wurde alle seine Würfel los, bevor er auch nur ein einziges Mal Startspieler geworden war.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

16.06.2011: Nomaden im Westpark

Im Westpark sammelten sich ungezählte Freunde des Sternenhimmels, um bei Sekt und Kaviar das seltene Schauspiel einer totalen Mondfinsternis zu genießen. Auf der Terrasse am Westpark sammelten sich fünf Freunde vom Brettspiel, um bei Rotwein und Gummibärchen den wöchentlichen Spielabend zu absolvieren.
1. “Die Nomaden”
Der Spieleautor Maximilian Thiel („Macht$piele“) hat uns mal wieder beehrt und seine „Nomaden“ mitgebracht, die vor ca. einem Jahr bei uns gut angekommen sind, von den professionellen Verlegern aber nur unflätige Kommentare geerntet haben.
Jetzt ist es an vielen Stellen nach den Vorgaben der Profis überarbeitet worden. Es gibt noch keine gedruckte Spielregel, aber der Autor konnte sie natürlich aus dem ff mündlich darlegen. In 30 Minuten war er durch. Bei später nachgeschobenen Details gab es keinerlei Widersprüche, schließlich spielte Maximilian ja nicht mit, so dass pro-domo Verschiebungen ausgeschlossen waren.
Jeder Spieler führt immer noch ein Nomadenvolk über die Felder des Spielbretts und möchte mit ihm die siegpunktträchtigste Entwicklung hinlegen. Wir bewegen Häuptlinge, Familien, Clans und Stämme, besetzen Quellen, die uns verschiedenerlei Rohstoffe liefern, besetzen Märkte, auf denen wir Rohstoffe in passende Kombinationen tauschen, besetzen Entwicklungsfelder, in denen wir unser Volk qualitativ oder quantitativ erweitern können, und besetzen Aktionsfelder, in denen wir unseren Besitzstand in Siegpunkte umwandeln können.
Prototyp von Maximilian Thiels "Die Nomaden"Eine der Herausforderungen bei den „Nomaden“ sind die schlechten Jahreszeiten, in denen es keine Nahrung gibt. Entweder laufen wir mit allen unseren Familienmitgliedern diesen Jahreszeiten davon, oder wir besorgen uns in den fetten Monaten ausreichend Getreide, um damit die mageren Monate zu überstehen. Die ständige Flucht vor dem Winter läßt durchaus Nomadenstimmung aufkommen.
Wer meint, seine Leute ausreichend gut positioniert zu haben, beendet die Bewegungsphase und bekommt dafür den „Schamanen“. Mit diesem Privileg kann er die Erträge an ausgewählten Rohstoffquellen erhöhen bzw erniedrigen, oder er kann den Nahrungsbedarf innerhalb einer Jahreszeit modifizieren. Damit kommt ein bißchen Chaos in das ansonsten streng planbare Spiel: Wer sich gerade einen festen Zuwachs an Ziegen oder Kamelen ausgerechnet hat, muß dann bei einem miesnickelig plazierten Schamanen durch die Röhre schauen, oder der größere Hunger seiner Familienmitglieder frißt ihm die Siegpunkte vom Kopf.
Es gibt eine Menge zu beachten, um Rohstoffbesitz, Rohstofferwerb und Rohstoffbedarf an den ausgewählten Konvertierungsfeldern in die richtige Konstellation gebracht zu haben. Mehr als einmal konnte man auf der Terrasse am Westpark den Seufzer hören: „Ich habe mich wieder vertan.“
Aber heute ging es ja weniger um das Gewinnen, als viel mehr um konstruktive Kritik an einem Spiel in der Entwicklungsphase. Ja, ausgereift sind die Nomaden noch nicht. Hübsch ist das Thema mit dem Zwang zur Familien-Bewegung. Es dauerte aber mehr als die Hälfte der geplanten Rundenzahl, bis die Rohstoffquellen wirklich sprudelten und wir in unserer Entwicklung nicht mehr von der Hand in den Mund leben mußten. Dann kam Moritz mit seinem überlegen geplanten Spiel am besten aus den Startlöchern und entschwand mit seiner Nomaden-Familie in unerreichbare Ferne. Sollte im Spieldesign das frühzeitige Unerreichbar-Sein nicht vermieden werden?
Manche der progressivsten Spielelemente kamen überhaupt erst in der letzten Runde und nur bei wenigen Spielern zum Zug. Daran muß noch gedreht werden. Uns fielen auch einige gute Ideen dazu ein. Angefangen von einer verbesserten Startausstattung zu Spielbeginn bis zu Nahrungs- und Bewegungshandcaps bei den bevölkerungreichsten Familien. Maximilian fuhr mit einem ganzen Rucksack voller Verbesserungsvorschläge wieder nach Hause. Und mit einer gewissen Enttäuschung über den nicht unerheblichen Entwicklungs- und Balancierungsweg, den er noch zurücklegen muß.
Und mit einer Enttäuschung über seinen Freund Horst, der von den drei Stunden Spiel- und Diskussionszeit „total erschöpft“ war und zum ersten Mal am Westpark in der Stunde vor Mitternacht nach einer Tasse Kaffee verlangte.
Noch keine WPG-Wertung für ein Freak-Spiel mit Potential.
2. “Bluff”
Im ersten Spiel beim ersten Wurf hatte Moritz fünf (!) Sterne unter seinem Becher. Zum ersten Male in seinem Leben; zum ersten Male in unser aller Leben. Schließlich klappt das durchschnittlich nur alle 7776 mal. Und wenn wir pro Spielabend zwei Durchgänge Bluff spielen, dauert es etwa 80 Jahre, bis so ein Wurf zustande kommt.
Sein Super-Wurf half ihm aber nichts. Er mußte dafür trotzdem einen Würfel abgeben. Und mit ihm noch drei weitere Mitspieler!
Im zweiten Spiel hob Moritz beim ersten Wurf nach den Vorgaben 7 mal Fünf, 4 mal Stern, 8 mal Fünf und 9 mal Fünf auf 5 mal Stern. Das kostete ihn gleich alle seine fünf Würfel. Unter 25 Würfeln gab es keinen einzigen Stern. Wenn Excel richtig gerechnet hat, kommt das durchschnittlich etwa jedes 100ste mal vor. Dazu braucht man dann nur noch knapp ein Jahr wöchentliches Spielen.
Offen ist die Frage, wieviele Jahre man am Westpark „Bluff“ spielen muß, um im ersten Spiel 5 Sterne zu würfeln und im zweiten Spiel mit der Vorgabe 5 mal Stern gleich nach Hause gehen zu müssen?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

“Die Burgen von Burgund” ist unser Spiel des Monats

‘Die Burgen von Burgund’ ist das diesjährige Highlight aus dem Hause Alea. Es gilt sein Fürstentum schneller und besser auszubauen als die Konkurrenten. Dabei werden der verfügbare Nachschub und die möglichen Aktionen zufällig ermittelt – hierdurch bleibt die Spannung immer erhalten und die eigenen Pläne müssen laufend an die aktuellen Möglichkeiten angepasst werden. Stefan Felds ursprünglich weitaus komplexeres Spiel wurde zusammen mit Alea’s Stefan Brück stark vereinfacht und schließlich zu einem anspruchsvollen Spiel für Vielspieler weiterentwickelt. Ein Aufbauspiel, das uns auch nach vielen Partien immer neue Entwicklungsmöglichkeiten entdecken lässt!

08.06.2011: Himmlische Themen

Complete and finished – An English Lesson for All
No English dictionary has been able to explain the difference between the two words ‘complete’ and ‘finished’ in a way that’s so easy to understand. Some people say there is no difference between COMPLETE & FINISHED, but there is:
When you marry the right one, you are COMPLETE …
And when you marry the wrong one, you are FINISHED …
And when the right one catches you with the wrong one, you are COMPLETELY FINISHED !
1. “Luna”
Auf der Suche nach unserem Spiel des Monats Mai landeten wir bei „Luna“, das diesen Titel bereits im Februar dieses Jahre errungen hatte. Moritz war a priori einverstanden, klang der Titel doch nach Weltraum, Kampf und Abenteuer. War’s aber nicht. In „Luna“ notiert der Novize Stephanus in seinem Tagebuch, dass seine verehrte Mondpriesterin bald eine Nachfolgerin auswählen wird. Doch von dieser mystischen Andeutung ist im Spielverlauf keine Spur zu finden. In einem rein abstrakten „fiesligen und fummeligen“ (Aaron) Spiel schwimmen unsere Pöppel von Inseln zu Insel, bringen neue Pöppel ins Spiel („Missionierung“), setzen Holzklötzen („Kultstätten“) auf die verschiedenen Inseln, punkten auf der Prioritätenleiste („Priesterrat“) und lassen sich im Allerheiligsten Siegpunkte auszahlen.
Die zahllosen Spielelemente greifen sehr gut ineinander, sind sehr gut ausbalanciert und gewähren den Spielern einen großen Spielraum für verschiedenste langfristige Planungen. Bewegung und Sitzsamkeit, Häufelung und Verteilung, der Erste und der Letzte sein, alles hat zur richtigen Zeit seine Vorteile. Viele originelle Mechanismen sind hier verwoben. Doch Moritz fand zu recht: „Der Name ist verfehlt, das Spiel hat überhaupt keine thematische Handlung.“ Selbst das Regelheft schweigt sich im Grunde genommen darüber aus. Günther „fand dies ehrlich“. Poetisch kreativ ist es gewiß nicht. Oder vielleicht doch, und nur wir materialistischen Kalkulisten sind zu nüchtern, dies nachzuvollziehen?
Dafür machten wir uns reichlich männliche Illusionen, was wir alles mit der Mondpriesterin anstellen konnten. „Ich habe sie gehabt! Aber als Dritter!“ Das gibt immerhin noch einen Siegpunkt. Günther als erfahrener Selenit sicherte sich bei ihr gekonnt jeweils die Priorität. Und viele andere Privilegien. Mit seinem Punktevorsprung hätte er nicht nur die Mondpriesterin vernaschen können, sondern auch gleich die Nachfolgerin mit.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (alles funktioniert. Er ist allerdings zur Zeit mit spielerischen Optimierungsaufgaben dieser Art ziemlich überfüttert. Und er hat in letzter Zeit sehr viel „1830“ am Computer gespielt und so seine kritische Messlatte am Spiel der Spiele unerbittlich hochgeschraubt), Günther: 8 (bleibt), Moritz: 8 (originell und interessant), Walter: 8 (bleibt).
2. “Der Herr der Ringe – das Kartenspiel”
Ein Kooperationsspiel aus einer großen thematischen Vergangenheit mit einer großen kommerziellen Zukunft. Alle Mitspieler sind die „Guten“ und wir spielen im gemeinsamem Kampf gegen die vom Autor inszenierten „Bösen“ unsere uns zufällig ausgeteilten guten Karten (hoffentlich) koordiniert aus, um die zufällig gezogenen bösen Karten zu überstechen. Kämpfen, verteidigen, verwunden, heilen, erschöpfen und sterben sind die beherrschenden Aktionen.
Mehr als hundert verschiedenen Charaktere kommen zum Zug, alle haben unterschiedliche Effekte und Nebeneffekte, kosten Potenzpunkte, können zuschlagen, können Schläge einstecken, haben Verwundungspotential und Schattenpotenzen. Im angekündigten Expansionskonzept werden nach und nach hunderte weitere Charaktere auf den Markt kommen und die passionierten Rollenspieler jahrelang damit in Atem halten, sich die richtige Charakter-Mischung zusammenzustellen, um gegen die Monster-Anforderungen der Zukunft optimal gewappnet zu sein.
Schon die heute vorliegenden Karten-Eigenschaften und Attribute erfüllen die härtesten Anforderungen an „Euromechanismen“. Wobei Moritz bei dieser Feststellung ganz gewiß an Euro-Games und nicht an Euro-Drachmen gedacht hat.
Jawohl, die Karten sind ideenreich erfunden. Aber warum sollen eigentlich mehrere Spieler damit spielen, wenn hier eine Aufgabensequenz gestellt wird, die vom Prinzip her nur ein einzelner Kopf optimal bewältigen kann? Wo bleibt das Mehrkammern-Prinzip, wenn jeder eigenständige Mitspielergedanke im großen gemeinsamen Kampf nur kontraproduktiv sein kann? Aaron wollte zwar explizit „auch eine Heldin haben, die er einmal pro Runde erschöpfen durfte“. Für ihn persönlich machte es einen gewaltigen Unterschied, ob er oder ein andere Spieler diese Chance wahrnehmen durfte. Doch für das Überleben unserer Rasse war es unerheblich.
Und wie sieht es mit dem Thema aus? Für wen Aragorn eine Region in Spanien und Boromir ein russischer Astronaut ist, der findet im Kartenspiel „Herr der Ringe“ genauso wenig thematische Substanz wie unser Künstler auf dem Mond.
Spielzeit: Moritz hat nach eigenen Angaben ein Solitär-Spiel in 20 Minuten über die Bühne gebracht; im Quartett brauchten wir dazu 90 Minuten plus Erklärung. So lang kam uns das recht einfältige Einsteiger-Szenario auch vor. Nur Moritz hatte das Gefühl, es seien nur 20 Minuten vergangen.
WPG-Wertung: Moritz: 8. Die anderen enthielten sich der Stimme, weil das Spiel ihren Vorstellungen von einem „Spiel-Spiel“ einfach nicht entspricht.
3. “Bluff”
Moritz war mit einem Würfel im Endspiel gegen vier Würfel von Günther. Mit der Vorgabe 3 mal Vier setzte er Günther gleich das Messer auf die Brust. Günther legte eine Vier und einen Stern heraus, hob auf 4 mal die Vier und würfelte nach. Was sollte Moritz mit seiner einsamen Vier unter dem Becher anfangen? Beim Anzweifeln hatte er mit 2/3 Wahrscheinlichkeit, und beim Erhöhen sogar mit 8/9 Wahrscheinlichkeit verloren.
Manchmal spielt die Wirklichkeit allerdings gegen die stumpfsinnige Statistik. Auch in dieser Situation. Echt geil wäre es gewesen, wenn das schöpferische Genie die kühle Kalkulation in die Knie gezwungen hätte. Dagegen wäre es echt tragisch gewesen, wenn Moritz’ 3-mal-die-Vier-Vorgabe ein Bluff gewesen wäre.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
PS: Now the session-report is complete and I am finished.

01.06.2011: Gurken, Tiere und eine Stadt

Letzte Woche, auf dem Höhepunkt des Kesseltreibens gegen die spanischen Gurken als Auslöser der gefährlichen EHEC-Infektionen, war Aaron in Friesland und hat auf grünen Wiesen jede Menge glücklicher Kühen gesehen. Das Ergebnis seiner Beobachtungen veröffentlichte er in Facebook: „Ich hab im Internet Bilder gesehen, die würden erklären wie die Darmbakterien an die Gurken gekommen sind.“
Ein kommentierender Westparker konnte sich Aarons Einsichten nur via schmutziger Videos unter YouTube erklären. Honi soit qui mal y pense.
Heute ist es offiziell: die verdächtigten spanischen Produkte aus der Familie der Kürbisgewächse sind unschuldig.
1. “Caylus”
Vor fünf Jahren lag „Caylus“, unser absoluter Spitzenreiter in der WPG-Rangliste, zum letzten Mal auf dem Tisch. Neuling Horst war schon lange scharf auf diese Delikatesse, alle Altlinge stimmten dem Spielvorschlag freudig zu.
Peter durfte erklären und frohlockte sogleich als gewiefter Diplomat: „Man darf verhandeln!“ (In der vierten Spielphase, wenn es darum geht, den Vogt zu versetzen.) Horst erkannte das zugrundliegende Prinzip: „Verhandeln heißt Drohen“. Schuster Walter blieb bei seinen Leisten: „Ich verhandle nicht!“. Aaron bekam das Prädikat desjenigen, der seine ausgehandelten Versprechungen blitzschnell bricht. Für Moritz (abwesend) ist Verhandeln gleichbedeutend mit Bestimmen. Loredana verhandelt (nach eigenen Angaben) je nach Laune bzw. je nach Wein. (Über was auch immer!)
„Caylus“ ist nach wie vor ein geniales Glanzstück aus dem Hause Ystari. Unabhängig von den komplexen, aber doch leicht versteh- und erlernbaren vorzüglichen Spielmechanismen um den Aufbau von Gebäuden, die Bausteine, Geld, Gunst und im Endeffekt Siegpunkte einbringen, zeigen schon allein ein paar Randdetails die Handschrift des Meisters.

  • Der Startspieler wechselt nicht automatisch reihum, sondern er wird durch Investitionen gewonnen. Eine der vielen Aufgaben für eine wohlausgewogene Kosten-Nutzen-Analyse.
  • In der Hauptphase des Spiels haben die Spieler unterschiedlich viele Züge frei – solange sie sie bezahlen können. Diese Möglichkeit ist durch die freien Plätze auf dem Spielbrett sowie durch ein oberes Limit noch weiter begrenzt, so dass an keiner Stelle die Balance gefährdet ist.
  • Das Spielende ist flexibel und liegt in der Hand der Spieler. Damit kann man seine frei gewählte Siegpunkt-Strategie fördern. Wer auf mittelfristigen Gewinn ausgegangen ist und rechtzeitig gut gepunktet hat, kann durch ein schnelles Ende den langfristigen Strategen mit den möglichen Riesengewinnen am Schluß einen Strich durch die Rechnung machen.
  • Heute nahm das Spiel mal wieder einen ganz ungewöhnlichen Verlauf. Alle hatten sich sehr früh in der Schloßmauer engagiert und damit einen Großteil ihrer Baustein-Resourcen verpulvert. Anschließend zog sich das weitere Baugeschehen ziemlich langsam hin. Am Ende waren ingesamt nur zwei (!) grüne Wohnhäuser und nur ein einziges (!) blaues Luxusgebäude erbaut worden. Doch die daraus resultierenden 25 Siegpunkte reichten Loredana nicht für den Sieg. Aaron arbeitete auf ein schnelles Spielende hin, um sich den zweiten Platz zu sichern. Peter und Loreadana konnten ihr angesammeltes Potential nicht mehr nutzen. Eine einzige Runde länger hätte sie als Sieger gesehen. Aber so führte das komische Spiel auch zu einem seltenen Sieger mit einer eigentlich nur mäßigen Aus-dem-Bauch-heraus-Planung. Aber ihm war nahezu das ganze Spiel über das Startspielerprivileg zugestanden. Hier haben alle (anderen) Spieler sträflich geschlafen.
    WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt, auch wenn er sich wundert, warum er für die lange Spieldauer mit den repetitiven Abläufen soviele Punkte vergeben hat), Horst: 8 (stimmig, enormes Potential), Loredana 7 (früher 10, heute zunächst 6, aber vom Ehegatten noch um einen Punkt hochgeprügelt: zu lang, zu langweilig, lange Zeit ist nichts passiert.), Peter: 10 (bleibt), Walter: 9 (bleibt).
    2. “Zoff im Zoo”
    Ein schnelles Kartenspiel, gerade richtig zum Absacken nach den geistigen Hochflügen bei Caylus. Das Wissen um die „Wer-frißt-wen“-Reihenfolge im Tierreich sowie das Gedächtnis über das „Wer-hat-wen-schon-gefressen“ zum Auszählen der Kartenhände bei den Mitspielern sind der Schlüssel zum Sieg. – Neben einer gehörigen Portion Glück beim Austeilen der Karten.
    Keine neue WPG-Wertung.
    3. “Bluff”
    Neuer Rekord: Im ersten Spiel des ersten Durchgangs wurde Walter mit einem einzigen Streich alle seine Würfel los! Peter hatte mit einer hohen Bluff-Vorlage begonnen, Aaron und Horst hatten jeweils nachgewürfelt und Walter hatte beim Erhöhen auf insgesamt 11 Fünfen unter 25 Würfeln den Braten noch nicht gerochen.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    25.05.2011: Nominierte und vergessene Spiele

    Die Kandidaten für „Spiel des Jahres 2011“ sind nominiert. Die gemeinen Vielesspieler (lusor multiplex communis) sind zufrieden oder rümpfen wie gewöhnlich die Nase. Wir vom Westpark haben von den drei Top-Kandidaten immerhin schon zwei gespielt, das eine davon „cum laude“ und das andere „sin laude“. Falls das dritte das Rennen macht, wird es als Pflichtmenu bei uns wohl auch noch auf den Tisch kommen, ansonsten eher nicht.
    Der auf der Spiel-2010 in Essen sehr populäre Spitzenreiter „7 Wonders“ hat es in der Kategorie „Kennerspiel“ bis in die Runde der letzten Drei geschafft. Anerkennenswert von der Jury, dass sie jetzt diese neue Kategorie eingerichtet haben, in der auch anspruchsvollere Spieler sich wiederfinden können. (Hallo Wilhelm, du darfst Dich mit deiner Klientel natürlich in jeder der beiden Kammern tummeln.)
    Unser Leicht-locker-komplex-Favorit „Pantheon“ ist ganz durchgefallen. Vielleicht war er zu spät dran, vielleicht ist er aber auch im Spielablauf zu chaotisch, oder vielleicht war die ausufernde Balance gegen Spielende für kritische Analysten nicht mehr akzeptabel.
    1. “Merkator”
    Wir reisen als Kaufleute durch Europa, liefern an den verschiedenen Handelsplätzen wohldefinierte Warensortimente gegen Geld und Siegpunkte ab, säckeln die dort herumliegenden Handelswaren kostenlos ein, und bringen sie in unseren Kontor, um sie beim nächsten Zug von dort wiederum gebündelt in Aufrägen an anderen Zielorten abzuliefern.
    Es ist eine scharfe Optimierungsaufgabe, bei der wir viele Mechanismen im Auge behalten müssen:

  • Auf dem Spielbrett liegen an den verschiedenen Orten in der Menge stetig anwachsende Handelswaren einer Sorte herum, bis sie mit einem Schlag von einem der Spieler abgeräumt werden.
  • Das Sortiment der Waren im eigenen Kontor muß mit dem Warensortiment gemäß den individuellen Aufträge, die ein jeder Spieler zu erfüllen hat, in Einklang gebracht werden.
  • Für einzelne Handelsplätze besitzt ein Spieler individuelle Bonuskarten zum Einheimsen für kostenlose Zusatzwaren; diese sollten mit Priorität angefahren werden.
  • Den Gelderlös kann man zum Erwerb von Siegpunktkarten einsetzen, um damit in der Schlußwertung den eigenen Besitzstand nach verschiedenen Kriterien in Siegpunkte umwandeln zu können. In der Anfangsphase des Spiels kann / sollte man damit aber auch Bonuskarten erwerben, damit man bei Anfahren der entsprechenden Handelsplätze die Zusatzwaren einsäckeln kann.
  • Man kann sich bei den Handelsreisen der Mitspieler als Trittbrettfahrer betätigen. Das kostet ein paar „Zeitmarken“ und bringt auch keine der herumliegenden Handelswaren ein, aber es erfüllt Aufträge für Geld und Siegpunkte.
  • So gilt es eine ganze Reihe von kurzfristigen bis mittelfristigen Alternativen abzuwägen. Eingebaut in “Merkator” sind auch ein paar sanfte Zufallseffekte: Die Aufträge, die ein jeder abwickeln muß, sind nahezu zu 100 Prozent vom Zufall gesteuert, und das Angebot an Siegpunktkarten kann, besonders in der Schlußphase, optimal zu den eigenen Mitteln passen oder halt auch eine gewisse Verlustleistung unvermeidlich machen. Als Spieler haben wir keinen entscheidenen Einfluß darauf. Unser Großhandelsexperte Horst fand hier das Glück des Tüchtigen: Mit seinem letzten Pfennig konnte er sich gerade noch die Siegpunktkarte kaufen, die ihn von einer umkämpften Führungsposition auf den unumstrittenen Siegesplatz emporhievte.
    WPG-Wertung: Günther: 6 (wünschte mehr Einfluß auf die Aufträge, die man erledigen muß), Horst: 7 (vor dem anschließenden „Pantheon“ waren es noch 8, „hat sehr viel Spaß gemacht, nicht schweißtreibend, mit 1 ½ Stunden passend in der Spieldauer, kann man einfach drauf los spielen“), Walter: 7 (funktioniert, enthält aber zu wenig Interaktion)
    2. “Die Goldene Stadt”
    Horst hatte sich gewissenhaft auf dieses Spiel vorbereitet, doch als wir es anfangen wollten, hatte er leider das Regelheft zu Hause vergessen. Lange Gesichter.
    3. “Pantheon”
    Hat schon mehrmals auf unserem Tisch gelegen, so dass wir uns einen ausführlichen Session-Report ersparen und uns auf eine verlängerte Nachtruhe freuen konnten.
    Walter versuchte sich in Moritz’ Säulenstrategie. Durch einen unglücklich-glücklich gemischten Kartenstapel fielen ihm die Bewegungskarten nur so vor die Füße. Nur ein krasser Spielfehler (Geld in Bewegungen anstatt in Säulen investiert) verhinderte die 12. Säule und ließen ihm 15 Siegpunkte (48 minus 33) durch die Lappen gehen. Doch auch so hätte es nicht zum Sieg gereicht. Günther fuhr die Götterstrategie und konnte sich in den letzten beiden Runden nahezu alle Götter unter den Nagel reißen. Das reichte mit einem großen Vorsprung für den Sieg.
    Wahrscheinlich sind bei jeder Spieleranzahl die Siegesstrategien anders. Schließlich gibt es dann jeweils unterschiedliche Konkurrenzen bei den siegpunktträchtigen Dominanzen. Planbar, spielerisch, mit jeder Menge Interaktion beim Wettlauf um die siegpunktträchtigsten Züge ist „Pantheon“ allemal. Nur die extrem gestiegen Auswahlmöglichkeiten am Ende mit ihren rasanten Bewegungen und Doppelzügen sind etwas problematisch. Einerseits schaffen sie ein schnelles Spielende herbei (plus), andererseits kann der allerletzte Zug nochmals leicht über 10 Prozent der Siegpunkte entscheiden (minus) und öffnet damit einer Menge chaotischer Unberechenbarkeit Tor und Tür.
    WPG-Wertung: Horst setzte sich mit 8 Punkten zur Mehrheit der übrigen Westparker.
    “Fussball”
    Wir gratulieren der Borussia von Mönchenglattbach und ihrem Trainer Lucien Favre für die erfolgreiche Krönung ihrer spektakuläre Aufholjagd um den Klasseninhalt in der Bundesliga.

    18.05.2011: Zerfallende Inseln und verlustreiche Eisenbahnen

    Birgit hat erstmals ihren Frischling Sebastian der Mutter überlassen und sich mit Horst in die Spielhölle am Westpark gewagt. Aber nur knapp drei Stunden lang. Dann hat sich das Junge-Mutter-Herz doch durchgesetzt und sie hat die Hölle den vier Knaben überlassen. Schön wars mit Dir. Viele Grüße an Mutter und Kind.

    Pokal
    Der "Verbotene Insel" Spezial Eisbecher

    1. “Die verbotene Insel”
    „Ein Team, ein Abenteuer, ein Ziel“ heißt es plakativ in der Spielanleitung. Mit dem Slogan „Erlebe das Abenteuer, wenn du dich traust“ werden wir Unbedürfigen hinter dem warmen Ofen hervorgelockt. Auf die „verbotene Insel, die jahrhundertelang unentdeckt blieb … bis jetzt.“ Da darf der Unbedürftige doch mal kritisch hinterfragen, wer eine unentdeckte Insel verbietet, und wie er das Verbot durchsetzt.
    Nun ja, Papier ist geduldig. „Die verbotene Insel“ ist schlichtweg eine Ansammlung von quadratischen Teilchen, von denen per Zufallskarten ausgewählt wird, welches zuerst flutet und dann untergeht. Wir Spieler sind ein kooperierendes Team, das sich über die Insel bewegt, zufällig verteilte Artefaktekarten findet, um sie zu Quartetten zusammenzutragen, und dazwischen emsig damit beschäftigt ist, die Inselteile wieder trocken zu legen, bevor sie endgültig versinken.
    In unserer Runde war die Natur stärker als der Geist: Bevor wir die vier Artefakte-Quartette zusammen hatten, war ein lebenwichtiges Inselteil untergegangen und wir konnten die Team-Aufgabe nicht mehr zu erfüllen.
    Vielleicht sind wir nicht optimal vorgegangen. Vielleicht haben wir unseren Aktionsspielraum mit dem Retten weniger essentieller Teile vergeudet und nicht immer das Allernotwendigste zuerst getan. Doch dafür müßte man die Eigenschaften und Abhängigkeiten der verschiedenen Quadrate eingehender studieren und sich in der Reihenfolge (und im Unterlassen) der durchzuführenden Aktionen der Teammitglieder einen exakten Plan zurechtlegen. Das kann man aber am besten in der Solitärversion tun, wenn man sich hinter den warmen Ofen verkriecht und dort die optimale Lösung ergrübelt. Viel Spaß!
    WPG-Wertung: Aaron: 7 (das Spiel ist schnell), Birgit: 4 (Thema verfehlt; es geht nur um ein ständiges Drehen und Wenden der Insel-Quadrate), Günther: 4 (“Pandemie” ist besser), Horst: 7 (eher eine Beschäftigung als ein Spiel), Walter:5 (solange noch unbekannt ist, welches die optimale Vorgehensweise ist, anschließend weniger).

    2. “Trias”
    Schon bald zehn Jahre alt ist dieses Spiel um eine zerfallende Insel, und durchschnittlich alle 4 Jahre kam es bisher einmal bei uns auf den Tisch.
    Wir weiden unsere Herden auf den Hexagons der Insel, lassen sie sich vermehren und über die Insel ausbreiten. Dies geht absolut friedlich vor sich, hier gibt es keinen Kampf auf Leben und Tod um Weideplätze oder Überleben: wenn die Kapazität eines Hexagons erreicht ist, darf man sich darauf weder vermehren noch dürfen fremde Spieler durchziehen oder gar Stunk machen.
    Allerdings darf bzw. muß pro Zug jeder Spieler auch noch ein relativ frei wählbares Insel-Hexagon versetzen. Damit kommt die Aggression ins Spiel: Die Herden auf dem Hexagon fallen ins Wasser und müssen von dem jeweiligen Herdenbesitzer explizit auf Nachbarhexagons gerettet werden, wenn sie nicht untergehen sollen. Reichlich Stoff für spielerische Freude und Schadenfreude.
    Wird durch das Versetzen eines Hexagons ein Inselstück vom Rest abgetrennt, kommt es zu einer Zwischenwertung: Wer auf der neu entstandenen Insel die Herdenmehrheit hat, bekommt Siegpunkte: zwei Punkte, unabhängig von der Größe der entstandenen Insel. In der Schlußwertung bekommt jeder Spieler nochmals einen Siegpunkte für jedes Hexagon jeder Insel, auf der er eine Mehrheit hat.
    Um zu gewinnen, muß man also nicht die größte Herde bis zum Spielende hochgezogen haben, sondern man muß während des Spiels viele – notwendigerweise kleine – Inseln mit eigenen Mehrheiten entstehen lassen und man muß am Ende des Spiels auf möglichst großen Inseln mit Mehrheit vertreten sein. Keine leichte Aufgabe und geometrische bzw. topologische Übersicht ist zweifellos eine nützliche intellektuelle Voraussetzung. Doch in jedem Fall dominiert eine spielerische Grundstimmung. Hübsch.
    WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt, obwohl er unter Kartenpech gelitten hat und nicht diejenigen Hexagons versetzen konnte, nach denen er gelüstet hat), Birgit: 7 („viel zu tüfteln“ – War das jetzt gut oder schlecht?), Günther: 8 (bleibt), Horst: 7 (7 plus, solides Spiel, aber er vermißt die Würfel), Walter: 8 (spielerisch, große Interaktion, große Handlungsfreiheit).

    3. “First Train to Nürnberg”
    First Train to NürnbergWenn, nach Regelheft, “vor 175 Jahren die ersten Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth eröffnet wurde”, wann kam dann „First Train to Nürnberg“ auf den Markt? Richtig, letztes Jahr in Essen war es eines der hoch gehandelten Favoriten. Vom International-Games-Award-Preisträger Martin Wallace.
    Das Spielbrett zeigt die Landkarte zwischen Nürnberg und Fürth mit Grundstücken, Grundstückseigentümern, roten und grünen Passagieren, mit gelben Postsäcken und grauen Bierkästen. Wir bauen Eisenbahngleise über die verschiedenen Grundstücke (sofern darauf Grundstückseigentümer darauf herumlaufen, müssen wir die erst enteignen), kaufen Züge mit variabler Kapazität für Personen und Güter, und transportieren die Personen bzw. Güter, die am Wege liegen, zum Bestimmungsort. Für den erfolgreichen Transport bekommen wir Siegpunkte, müssen sie aber am Ende gegen die Größe unseres Eisenbahnnetzes verrechnen. Wenig Netto vom Brutto! Zum Sieg ist es also äußerst wichtig, unser Privatnetz rechtzeitig an die staatliche Eisenbahnverwaltung übertragen zu haben. Am besten tut man das jeweils gleich am Ende jeder Runde.
    Das Herzstück des Spiels ist die Versteigerung von Einflußpunkten, die in fünf verschiedenen Kategorien benötigt werden:

  • Priorität beim Bauen von Eisenbahnstrecken
  • Priorität beim Kaufen von Zügen und beim Transport
  • Potential zum Verbinden und Auflösen grüner Zugverbindungen
  • Potential zum Verbinden und Auflösen roter Zugverbindungen
  • Potential zum Enteignen von Grundstückseigentümern
  • Alle Kategorien sind wichtig, doch was am wichtigsten ist, wo wir am meisten punkten können, wo wir unsere Konkurrenten am stärksten schädigen oder uns am ehesten gegen deren Angriffe schützen können, ist nicht leicht zu erkennen. Hier ist das Spiel zweifellos komplex, obwohl die Regeln recht einfach und durchsichtig sind. Wir sind abhängig von den Ambitionen und Aktionen der Mitspieler, allerdings nicht in einem unberechenbaren Chaos, sondern in einem geplanten bzw. planbaren Im-Weg-Stehen. Wer zuerst Züge kaufen darf, kann sich die optimale Kombination von Passagier- bzw. Warenkapazität heraussuchen; die Nachfolger müssen hier ggf. mit Transporteinbußen leben. Wer zuerst seine Züge beladen darf, kann sich die knappe Fracht unter den Nagel reißen, die Nachfolgen gehen u.U. sogar ganz leer aus.
    In meinen Augen hat das Spiel hier allerdings einen Geburtsfehler: Das Verkehrsaufkommen ist nicht progressiv, sondern degressiv: Wenn die zu Spielbeginn auf dem Spielbrett verteilten Passagiere und Waren ihr Zeit erreicht haben, sind sie weg, und das Spielbrett wird leerer und leerer. Am Ende entsteht ein Gerangel um den letzten zu transportierenden Passagier.
    Freilich, es geht nicht darum, am Ende das größte Netz mit den besten Transportmöglichkeiten zu besitzen, sondern seine Gleise möglichst wieder alle losgeworden zu sein, und während des Spiel den besten Mix von Transportaufgaben erfüllt zu haben. Da muß man von Anfang an den richtigen Peil haben und die richtigen Weichen stellen. Fehlertolerant ist „First Train to Nürnberg“ nicht. Wer nicht den gesamten Spielablauf – einschließlich der spärlichen Einkommen am Ende – mehr oder weniger ständig im Auge hat, gerät ins Abseits. Aber das darf man dem Spiel nicht ankreiden. Es geht schließlich eher um Blut, Schweiß und Tränen als um Spaß an der Freud.
    WPG-Wertung: Aaron: 7 (die 2 Stunden Spielzeit vergingen ihm wie im Flug, nur den Schluß fand er “sehr unbefriedigend”), Günther: 5 (es funktioniert), Horst: 5 (fummelig und popelig), Walter: 5 (spielerische Elemente fehlen).

    11.05.2011: PI-mal-Daumen Widerstand in der Kingsburg

    Unsere Spielabende gehen gewöhnlich zwischen Mitternacht und 2 Uhr früh zu Ende. Manchmal folgt danach noch ein Palaver über die aktuellen Themen der Menschheit. Anschließend setzt sich Walter an den Computer und schreibt das Session-Protokoll. Zwischen 3 und 4 steht es im Internet. Am nächsten Morgen nimmt sich Aaron das Korrekturlesen vor und hängt ggf. ein Foto hinein. Zu dieser Zeit haben bereits 20 unserer Stammleser den Artikel gelesen. 200 Leser sind es gewöhnlich in der ersten Woche und mehr als 2000 im Laufe der Jahre.
    Hallo Birgit, viel Spaß beim Frühlesen! Komm doch mal wieder selber vorbei!
    1. “The Resistance”
    Ein Deduktionsspiel, bei dem jeder Spieler verdeckt eine „gute“ oder „böse“ Rolle zugeteilt bekommt. Die Bösen kennen sich gegenseitig (und dementsprechend die anderen), jeder Gute kennt nur seine eigene Rolle.
    Jetzt stellt der jeweilige Kommandant Teams für (virtuelle) Missionen auf und alle Mitspieler müssen mehrheitlich offen der Teamzusammensetzung zustimmen. Bei Ablehnung erfolgt ein Wechsel auf dem Kommandantenplatz, der ein neues Team aufstellen muß.
    Hat die Teamzusammensetzung eine Mehrheit gefunden, stimmen die Teammitglieder (nur noch diese) geheim ab, ob die Mission erfolgreich ist oder nicht. Eine einzige Gegenstimme läßt die Mission scheitern. Sind drei von fünf Missionen gescheitert, haben die Bösen gewonnen, andernfalls die Guten.
    Das Bestreben der Guten muß es sein, Teams mit nur Guten auf die Reise zu schicken und gegen alle Teams zu stimmen, bei denen vermutlich mindestens ein Böser dabei ist. Doch das „Vermutlich“ heißt natürlich, nix Genaues weiß man nicht, zumindest am Anfang. Die Bösen müssen möglichst lange unentdeckt bleiben, sonst haben sie schnurstracks verloren.
    Wenn – zufällig – zwei Gute die erste 2-er Mission absolvieren, dann ist die Mission zu 100% erfolgreich. Ist umgekehrt die erste 2er Mission erfolgreich, so heißt das aber noch lange nicht, dass zu 100% zwei Gute dabei waren. Ein Böser in der ersten Mission muß sich verleugnen, sonst haben die Bösen keine Chance.
    Moritz litt unter seinem Spiel-Ruf als Immer-Böser. Obwohl in den Teams mit seiner Beteiligung alle Indikatoren dafür sprachen, dass er ein Guter ist, wurde ihm diese Rolle nicht abgenommen. Das war diesmal (ausnahmsweise) falsch und die Guten verloren die entscheidende fünfte und letzte Mission.
    Ansonsten haben bei 5 Mitspielern die Bösen keine Chance. Dieser Behauptung von Walter wurde zwar genauso heftig wiedersprochen wie seiner Goliath-Gewinnstrategie beim Bluff. Doch ist sie genauso richtig. Oder falsch.
    Bei mehr als 5 Mitspielern (Minimalanzahl!) mögen sich die Gewinnaussichten verschieben. Hoffentlich. Dann ist das Spiel auch nicht mehr so eingleisig durchsichtig. Immerhin können sich bis zu 10 Spieler hieran vergnügen.
    WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 6, Horst: 7, Moritz: 8, Walter: 6 (triviales Dödelspiel).
    2. “Kingsburg”
    Heute in einer 5er Runde. Und mit den neuesten Expansions.
    Die Spielbrett-Modifikationen wurden verworfen. Bei unserem Erfahrungsstand sind die aktuellen Spielbretter kompliziert genug. Wir akzeptierten die Spezialregel für die regionale Vorausscheidung zur Deutschen Mannschaftsmeisterschaft im Brettspiel 2009: In der Kampfphase wird die königliche Unterstützung nicht erwürfelt, sondern jeder Spieler fordert dafür Soldaten in den Mannschaftsstärke 0 bis 4 an. Die bei Spielende nicht angeforderte Mannschaftsstärke wird als Siegpunkte gutgeschrieben. Damit wird der erhebliche Zufallsanteil beim – u.U. sehr peinlichen – Ausgang der Kampfphase eingeschränkt.
    Als zweite Erweiterungsoption bekam jeder eine Startkarte mit einem individuellen Vorteil zugeteilt. Entweder materielle Vorteile zu Spielbeginn, oder zusätzliche Handlungsfreiheiten bzw. Würfelmanipulationsmöglichkeiten während des Spiels.
    Ansonsten würfelten wir wie gehabt um Rohstoffe, Kampfstärken und Siegpunkte. Mit den Rohstoffen bauten wir Gebäude mit Vorteilen in Rohstoffen, Kampfstärken oder Würfelmanipulationen. Und immer mal wieder setzte es Siegpunkte.
    Das größte Problem in einer 5er-Runde ist das Ausrechnen, welche Würfelkombinationen JEDER Mitspieler mit seinen 3-4 Würfeln, seinen Würfelbonus-Plättchen und seinen Würfelmodifiern hat, und welche Felder er demnach besetzen könnte. Da jedes Feld nur einmal besetzt werden kann, ist es natürlich spielentscheidend, die begehrtesten Plätze als Erster zu nutzen. Im Prinzip die einzige Interaktion im Spiel.
    Das bewirkt natürlich eine lästig-lange Auszeit bei den Mitspielern. Walter hatte keine Probleme, ohne nennenswerte Spielverzögerung Fotos aufzunehmen, sie auf dem Rechner seiner Frau runterzuladen, per USB-Stick auf seinen eigenen Rechner zu übertragen und dort zu bearbeiten. Trotzdem kam dieses Verhalten nicht gut an. Nun ja, nicht immer ist die Schwiegermutter zu Besuch und schläft im Computerzimmer der Ehefrau.
    WPG-Wertung: Aaron: 4 (fand das Aufbauspiel „öde“ und die Auszeiten „katastrophal“; vielleicht sollten die Autoren mal Moritz Podcast über „Gaining Speed“ etwas genauer studieren.), Günther: 7 (mag diese Spiele), Horst: 8 („hoher Wiederspielreiz“), Moritz: 7 (bleibt), Walter: 7 (honoriert die ungeheure Entwicklungsarbeit der Autoren für eine erfolgreiche Balance der verschiedenen Bonusfelder und Entwicklungslinien für verschiedenste opportunistische Strategien.)
    3. “PI mal Daumen”
    In einem (ziemlich) trockenen Wissenspiel liest reihum jeder Spieler eine Wissenfrage von einem Kärtchen vor, deren Ergebnis eine Zahl ist. Z.B. „Wieviel Volt kann ein Aal erzeugen“ oder „Wieviel mal dicker ist die Haut an den Fußsohlen als die Vorhaut.“ Der dem Frager im Uhrzeigersinn folgende Spieler darf die erste Antwort geben. Ist sie innerhalb definierter Grenzen richtig, bekommt der Antwortende 6 Pluspunkte und der nächste Spieler darf das nächste Frage-Kärtchen vorlesen. Ist die Antwort nicht richtig, gibt es je nach Abweichung von der Standardantwort 0 bis 5 Punkte und der nächste Spieler darf versuchen, eine bessere Antwort zu geben. Das geht solange, bis jeder einmal antworten durfte oder die Reihe wieder beim Vorleser angelangt ist.
    Aaron fühlte sich als erster Gefragter „verarscht“. Horst, der noch an Aarons 4 Kingsburg-Punkten schwer knabberte, forderte ihn genervt auf: „Sag doch mal was Positives!“ Spontane Reaktion: „Ich finde es total klasse!“ Hallo Horst, bist Du mit dieser Antwort immer noch nicht zufrieden?
    WPG-Wertung: Aaron: 5 („es fehlt ein Bluff-Faktor“), Günther: 4 (von einem spielerischen Allesfresser heißt das schon was!), Horst: 8 („schon allein für die Eltern von der Birgit“), Moritz: 4 („spielerisch nicht überzeugend“), Walter: 4 („nicht witzig, nicht ausgewogen in der Fragestellung“).
    Das Genie Moritz war deutlich unterfordert. Um sich mental auszulasten nahm er seinen iPhone vor und wickelte zwischen den Fragen und Antworten der Mitspieler simultan eine Partie Online-Carcassonne ab. Allerdings nicht so einpassungsneutral, wie es erforderlich war. Sein Gehirn hätte das sicherlich noch leicht verkraftet, aber nicht seine Ohren. Regelmäßig mußte er sich die Fragen und die bisherigen Zwischenantworten wiederholen lassen.
    Das Femegericht hat ihm dafür hinterher einstimmig eine gelbe Karte verpaßt!
    4. “Bluff”
    Nach dem geistlichen Absacker war noch Bedarf nach einem körperlichen Absacker.
    Im ersten Endspiel hätte Horst fast sein Husasenstück von letzter Woche wiederholt und mittels seiner Stern-Bluff-Technik aus einem 1:4-Rückstand noch einen Sieg gemacht. Doch beim Stand von 1:1 stach ihn der Hafer. Selbst mit einem vorzüglichen Fünfer unter dem Becher fing er mit 1 mal Stern an. Das brach ihm den Hals.
    Es bleibt die psychologische Frage, warum die Sterne-Bluffs allgemein so gerne geglaubt werden?
    Das zweite Endspiel bestritt Walter mit 3 Würfeln gegen drei 1-Würfel-Spieler. Sein Gebot von 2 mal Stern brachte alle drei Armhälse mit einem Streich ins Grab.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    “Pantheon” ist unser Spiel des Monats

    Viele prüde Amerikanische Spieler lassen sich seltsamerweise vom Cover des Spieles abschrecken (honi soit qui mal y pense, sage ich nur), es entgeht ihnen aber ein echter neuer Tummelhofer-Knaller, der es in sich hat. „Pantheon“ ist ein Spiel, in das man sofort hineinkommt, wie bei jedem guten Spiel gibt es mehrere Wege zum Sieg und durch die verschiedenen Völker und Auswirkungen von Gottheiten kommt sogar ein Hauch „History of the World“ ins Spiel (obwohl es keine Schlachten gibt). Ein bisschen Glück muss man auch haben, aber gutes Spiel wird belohnt, insofern ist das Spiel eher im Bereich der gehobenen Familienspiele anzusiedeln als im Bereich der Hardcore-Eurogamer. Aber das Ganze ist frisch, nicht ganz gewöhnlich und macht einfach Spaß!

    04.05.2011: Cuba und andere große Fische

    Fliegende Panzer in Flugverbotszonen, Privatvillen als Kommandozentralen, Lynchjustiz aus Notwehr, mörderische Mitfreuden unter christlicher Führung, Meerbestattung als Entsorgung, das waren die thematischen Schlagwörter nach dem Absacken.
    Ach laßt uns doch lieber die Augen zu machen und spielen!
    1. “Cuba”
    Wir befinden uns auf der Zuckerinsel noch vor der Revolution. Wir lassen muskulöse Arbeiter darin werkeln, um Baustoffe (Wasser, Holz und Stein) für unsere Plantagen herzustellen, wir bringen unsere Rohstoffe (Tabak, Zuckerrohr und Zitrusfrüchte) von attraktiven Händlerinnen zum Markt, um damit Geld zu machen. Wir lassen uns von hemdsärmeligen Architekten Fabriken bauen, in denen unsere wohlgeformten Vorarbeiter für die Veredelung unserer Rohstoffe (zu Rum und Zigarren) sorgen. Und unsere smarten Bürgermeister lassen die Waren zu den Schiffen im Hafen bringen und streichen die Siegpunkt-Erlöse ein.
    Dazwischen beeinflussen wir die Gesetzgebung, um auf unsere eigenen Resourcen und Besitztümer größere staatliche Subventionen zu lenken als auf die unserer Konkurrenten.
    Der Ablauf ist im Prinzip (natürlich nicht in den Details) ähnlich wir bei den „Burgen von Burgund“: Im Schweiße unseres Angesichtes müssen wir uns den Siegpunktsegen erarbeiten. Komplex, kompliziert und funktionell. Eine stimmige neue Kombination von vorhandenen bewährten Mechanismen.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viele fummelige Elemente), Günther: 7 (man braucht viel Erfahrung, um die Wirkungsweise und die optimale Position der verschiedenen Fabriken zum Umwandeln von Baustoffen und Rohstoffen in Produkte und Siegpunkte zu verstehen und zu beherrschen), Horst: 8 (hat das Spiel schon 4 mal gespielt, spielt es aber immer noch aus dem Bauch einfach drauflos), Walter: 7 (die Abläufe, vor allem bei der Konkurrenz, sind klarer vorhersehbar als bei den „Burgen“, insofern ist „Cuba“ planbarer. Wenn man es versteht.)
    2. “Trawler”
    Trawler PrototypAaron’s Eigenbau „Trawler“ hat mal wieder einen Reifegrad erreicht, der unter die Lupe genommen werden sollte. Schon die Schachtel, der Spielplan und das Material sahen so hübsch und professionell aus, dass Walter gleich den Prototyp-Status vergaß und gleich mit ergonomischen Verbesserungsvorschlägen ankam. Doch Aaron wehrte ab: „Bitte redet mir nicht über das Spielmaterial!“
    Wir sind Fischer, schicken unsere Trawler auf Fischfang aus, erfüllen mit vorgeschriebenen Mengen an Krabben, Schollen oder Heringen unsere Lieferaufträge, verkaufen den überschüssigen Fang auf dem Markt, um mit dem Gelderlös unsere Flotte aufzurüsten, und versuchen bei all diesen Aktivitäten, möglichst viele Siegpunkte auf unser Konto zu bringen.
    Die Konkurrenz ist groß, besonders die Fanggebiete in der Umgebung des Fischereihafens sind im Nu leergefischt. Wir müssen sehr schnell die Reichweite unserer Schiffe ausbauen, damit wir mit ihnen überhaupt noch ein Fischlein nach Hause bringen können.
    Der Startspieler hat gewaltige Vorteile. Manchmal kann nur er noch mit seinem kleineren Kutter eine Beute einfahren; die anderen Spieler sollten in solchen Runden besser ihre Boote zur Aufrüstung in die Werft bringen,wenn sie sich nicht mit dem harten Brot von Hafenrundfahrten über Wasser halten wollen. Natürlich wechselt die Startspielerrolle reihum, und über jeden ergießt sich einmal ihr Füllhorn. Und natürlich kann man auch vorausrechnen, wann das sein wird, und seine Planungen entsprechend darauf einrichten. Doch krass ist dieser Effekt allemal.
    Auch die anderen Spielelemente prasseln ziemlich brutal auf die Spieler herab. Wenn alle Dockplätze belegt sind, gibt es kein Aufrüsten, wenn die Hafenrundfahrten ausgebucht sind, bleibt das Schiffspersonal selbst von diesem Hartz-IV-Einkommen ausgeschlossen; wenn am – immer engen – Markt der letzte Hering verkauft ist, können wir evtl. unsere Lieferaufträge nicht erfüllen und müssen mindestens eine Runde länger auf neue Liquidität warten, was u.U. unseren Entwicklungszeitplan gewaltig durckkreuzen kann.
    Doch wenn man sich erst einmal an diese krassen Elemente gewöhnt hat, dann zeigt sich die Farbigkeit des Gesamt-Designs. Alle Elemente funktionieren. Man darf nicht alles auf eine Karte setzen, sondern muß mit Augenmaß die verschiedenen notwendigen Schritte tun, um flüssig zu bleiben, eine wohlproportionierte Fischereiflotte zu besitzen, reiche Fanggründe zu erreichen und in der Summe die lohnendsten Lieferaufträge zu erfüllen.
    Dabei geht das alles sehr flott über die Bühne. Grade fangen wir an, in Geld und Flotte zu schwelgen, sind die Aufträge auch schon alle vergeben und das Spielende erreicht. Es braucht nur noch an wenigen Stellschrauben minimal gedreht werden, und wir haben ein rundes neues Spiel vor uns, das mit seinen schnellen, klaren und doch überraschenden Spielzügen gefällt bis entzückt.
    Noch keine WPG-Wertung für diese Entwicklungsphase.
    3. “Great Western”
    Great Western - Spielbox EditionDer April-Ausgabe der „Spielbox“ lag dieses erste Spiel der “spielbox Wallace Edition” bei: zwei Papierseiten mit einer Landkarte von Südengland, auf der wir Eisenbahnstrecken bauen, Städteverbindungen herstellen und damit Siegpunkte einheimsen.
    Der Spielablauf ist ganz einfach:
    Pro Runde wird pro Spieler ein Zug zum Einsatz gebracht. Die Züge haben unterschiedliche Wertigkeit, die durch Würfel ermittelt wird: die mickrigsten Züge bringen gerade mal 0 (Null!) bis 1 „Marker“ (Währungseinheit) ein, die üppigsten Züge erlauben einen stolzen Ausbau zu siegpunktträchtigen Strecken.
    Die Züge werden versteigert, Geld ist knapp. “Keep fully invested” ist sicherlich eine gute Devise, denn je mehr Städte man bereits verbunden hat, desto höher sind die rundlichen Einnahmen. Wer am Ende in Summe die lukrativsten Städte verbunden hat, ist Sieger.
    Horst konnte sich – mehr oder weniger unfreiwillig – in den ersten Runden eine ganze Reihe billiger Städte südöstlich von London zulegen und hatte ständig die höchsten Rundeneinnahmen. Er konnte auch noch einen großen Satz von Portsmouth nach Yeovil tun, um auch im Westen Cornwalls mitzumischen. Damit sah er wie der sichere Sieger aus. Doch mit dem letzten Satz hatte er sich total verausgabt; in der anschließend notwendigen pekuniären Erholungspause wurde er von der weiteren Entwicklung nach Westen abgesperrt und konnte nur noch ohne weiteren Zugewinn vor sich hindümpeln.
    Walter hatte – teils geplant, teils notgedrungen, teils zufällig – die Verbindung Swindon – Gloucester herstellen können und war damit unversehens in den Besitz des alleinigen Zugangs zur Krösus-Strecke nach Port Taliban gelangt. Während die Mitspieler mit langen Gesichtern das Auswürfeln der restlichen Züge abwarten mußten, ohne selber noch ins Geschehen eingreifen zu können, konnte Walter entspannt auf die Vollendung der Verbindung zu den letzten vier Städte warten, die sein Siegpunktpolster verdoppelte. Wir verzichteten auf das bittere Ende.
    Peters übliche, etwas bösartige Einschätzung von Wallace’ Design-Technik war diesmal vollauf berechtigt: Einige hübsche Ideen, die aber in der Realisierung ein erhebliches Feintuning vermissen lassen.
    WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 5, Horst: 5, Walter: 6.
    4. “Bluff”
    Horst kämpfte als David mit einem einzigen Würfel im Endspiel gegen die vier Würfel vom Goliath Günther.
    Seine erste Vorgabe: 2 mal die Eins. Günther hatte selber 2 Einsen, 1 mal die Drei und 1 mal die Fünf unter dem Becher. Anstelle mit dem logischen Goliath-Konter, 3 mal die Eins, den Sack zu zu machen, wollte er lieber einen eleganten Bluff-Sieg hinlegen und erhöhte auf 2 mal die Fünf. Horst hatte keine andere Chance als anzuzuweifeln und verkürzte so auf 1:3.
    Seine zweite Vorgabe: 1 mal die Fünf. Günther hatte eine Fünf und einen Viererpasch unter dem Becher und fürchtete sich sowohl vor der logischen Goliath-Ansage 2 mal die Vier wie auch vor dem Risiko-Gebot 2 mal die Fünf. Sein abwartendes Zwischengebot von 1 mal Stern wurde von Horst ungerührt angezweifelt. Es stand nur noch 1:2.
    Horst schwenkte jetzt auf Walters überlegene Immer-4-Strategie um und begann mit 1 mal die Vier. Günther hatte nur eine Eins und eine Drei unter dem Becher, da konnte ihm auch seine berüchtigte Immer-5-Strategie nicht aus der Patsche helfen.
    Auch das 1:1-Endspiel konnte Horst spielend mit der Immer-4-Strategie zu seinen Gunsten entscheiden. Großes 3:1-Gelächter!
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.