13.7.2011: Geniale Analphabeten in der Eiszeit

Letzte Woche war Aaron auf einer Hauptversammlung in Halle, nicht bei Garry Weber, eher bei Georg Friedrich Händel. Welche Firma wird es wohl gewesen sein, wenn sie so heißt wie die Einwohner der Stadt? Heute hat er ein Erzeugnis dieser Firma, die älteste ihrer Art in Deutschland, als Kostprobe mitgebracht. Sie hat sich neben den üblichen Chips und Gummibärchen bestens bewährt.
Wo man – außer als Aktionär – diese Erzeugnisse erwerben kann, wird nicht verraten. Bei ein bißchen Begabung kann man sie aber auch selber herstellen (siehe Bild).
1. “Qwirkle”
Die Bauklötzchen des Jahres mit den sechs verschiedenen Farben und den sechs verschiedenen Symbolen sind bei uns trotz aller Kinderspiel-Unkenrufe noch nicht ad acta gelegt. Moritz durfte sich heute erstmals daran ergötzen. Wie kann man die wenigen einfachen Regeln für ein Genie noch gestraffter darlegen?
Auf dem Tisch wird ein wachsendes Muster von zusammenhängenden Bauklötzchen-Reihen gebildet, von denen jedes zusammenhängende Teilstück entweder in der Farbe gleich ist und lauter unterschiedliche Symbole enthält, oder in den Symbolen gleich ist und lauter unterschiedliche Farben enthält. Die Spieler legen reihum waagrecht oder senkrecht ein neues Teilstück an, wobei diese Gleich-Ungleich-Bauregel eingehalten werden muß. Für die neu entstandenen zusammenhängenden Bauklötzchen-Kombinationen gibt es Siegpunkte.
Die älteren Herrschaften erkennen hier das Scrabble-Prinzip, die jüngeren wollen Ähnlichkeiten mit Knizias „Einfach Genial“ herauslesen. Im Unterschied zu Scrabble darf kein „Wort“ zwei gleiche Buchstaben enthalten. Man braucht keinen Duden und man braucht nicht zu denken.
Unser Genie wollte aber denken und er suchte für seine Qwirkle-Klötzchen ununterbrochen Anleg-Kombinationen, die

  • über Eck lagen
  • an verschiedenen, lokal getrennten Stellen des Spielbretts ansetzten
  • ungleiche Symbole und ungleiche Farben nebeneinander legten

Alle dies verstieß natürlich gegen die Bildungsregel und wurde zurückgeweisen. Mehr als einmal resultierte das im verzweifelten Ausruf: „Das ist doch zum Kotzen!“ Und im finalen Bekenntnis: „Ich finde es schrecklich schwierig! Aus Farben und Mustern das Beste herauszuholen, überfordert mich!“ Sicherlich wären seine Anleg-Versuche für ihn der größte Genuß geworden, wenn ein Mitspieler ihm die geniale, auch im Regelheft erwähnte, Schlußfolgerung mitgeteilt hätte: „Alle ausgespielten Steine müssen dabei die gleiche Farbe oder das gleiche Muster aufweisen.“ Dann wäre es auch für ihn die gleiche leichte Familienunterhaltung gewesen, wie für die anderen.
Etwas weniger familienfreundlich definierten wir heute die „Wixvorlage“: Wer im Bauklötzchenmuster an eine Reihe das fünfte Klötzchen anlegt, gibt seinen Hintermann die Chance, das sechste und letzte Klötzchen anzulegen, und damit zur Standardwertung von mindestens 6 Siegpunkten auch noch eine Sonderprämie von weiteren 6 Siegpunkten zu ergattern. Ist das keine Altruistismus?
WPG-Wertung: Mit 4 Punkten unterbot Moritz die bisher schlechteste Einzelwertung noch um einen ganzen Punkt. „Extreme Asympathie“
2. “Dominant Spezies”
Vor einem halben Jahr hatte das Spiel in einer 5er Runde bei uns Premiere, diesmal sollte es in einer 4er Runde seine Qualitäten beweisen.
Wir befinden uns 90.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung, eine neue Eiszeit hat gerade angefangen, unsere Umgebung versteppt zunehmend und wir kämpfen ums Überleben. Jeder Spieler repräsentiert eine eigene Spezies (Säugetiere, Reptilien, Vögel, Amphibien, Spinnen und Insekten), bevölkert miteinander und nebeneinander hexagonale Landschaftsteile (Meer, Feuchtgebieten, Wiesen, Wald, Dschungel, Gebirge, Savanne und Wüste) und sucht sich seine artenspezifische Nahrung aus dem Angebot von Gras, Samen, Würmern, Tiefkühlkost, Wasser oder Sonne pur.
Der Kampf aller gegen alle besteht im konkurrierenden Besetzen von Aktionsplätzen auf einem umfangreichen Tableau, die uns erlauben

  • unsere Ernährung anzupassen
  • das Nahrungsangebot zu erweitern
  • uns zu vermehren
  • uns auszubreiten oder zu bewegen
  • andere Spezies zu vernichten
  • neue Landschaftsteile zu entdecken
  • die Eiszeit fortschreiten zu lassen
  • manches andere mehr
  • und vor allem Siegpunkte zu erwerben.

Alles ist thematisch höchst passend zusammengestellt. Der Kampf ums Überleben ist überall gegenwärtig. Ebenso die Unwägbarkeiten der göttlichen Schöpfung. Wir werden dezimiert, wo wir es nicht erwarten und vor allem auch nicht verhindern können. Unsere Mitspieler erzielen Dominanzen, weil sie irgendwo einen Tick schneller waren als wir. Und die „Dominanz-Karten“, mit denen ausgewählte Spielkonstellationen belohnt werden, strotzen nur so von Kingmaker-Effekten.
Nach einer Stunde Kampf hatten sich die Fronten geklärt: Moritz hatte sich weit vom Feld abgesetzt, Günther und Aaron versuchten mit konsequenter Kooperation den Anschluß zu behalten; Walter trabte außer Konkurrenz friedlich hinterher. Die ganzen restlichen vier (!) Stunden änderte sich nichts an diesem Bild. Wer noch Ehrgeiz besaß (ca. zwei-ein-halb Mitspieler), rechnete und grübelte minutenlang, wie er dem Mitspielerchaos ein Schnippchen schlagen könnte; wer kein Ehrgeiz mehr besaß, konnte blitzschnell aus dem Bauch heraus seinen Zug abwickeln und für den Getränkenachschub in den Keller gehen.
Ironie des Schicksals: Wenn der Außer-Konkurrenz-Traber in seinem letzten Bewegungszug für den Bruchteil einer Sekunde das Bauchgefühl abgelegt hätte, und nur einen einzigen Pöppel um ein einziges Feld verschoben hätte, wäre er noch Erster geworden. Die Kingmaker hatten ihn offensichtlich zu lange mit Nachsicht behandelt.
Das Spiel enthält viele hübsche Ideen. Die Mechanismen greifen alle und sind sehr gekonnt aufeinander abgestimmt. Das Spielmaterial ist ausgezeichnet. “Dominant Spezies” wäre ein schönes, gelungenes, empfehlenswertes Spiel, wenn

  • nicht an allen Ecken Kingmaker-Effekte hervorlugten
  • die Dominanz-Karten nicht rein zufällig, sondern in einer überlegten Design-Reihenfolge ins Spiel kämen
  • die Spielzeit nur halb so lang wäre

Keine neue WPG-Wertung. Moritz bleibt bei seinen euphorischen 9 Punkten, die anderen bei ihren zurückhaltenden 5-6 Punkten.

New Names for Games – 1: “Silent Games”

Transcript of the podcast published on July 5th, 2011.

I think that newcomers to Boardgamegeek probably find it increasingly difficult to understand what the heck we are talking about. The forums are proof to this, with newbies asking eternally the same questions: what is a “Euro”? What is “Ameritrash”, and why do so many people love them? What is AP (Analysis Paralysis), is it some kind of gamer sickness? What is a grognard, what is a meeple, what is a Kramertrack?

In addition there are a huge number of genres – anyone who ever tried the advanced search engine of the geek can attest to this. There are roll-and-move games, war games, empire building games, tile laying-games, crayon games and so on. There is a problem with all these terms, though. Although they describe exactly what a game uses as a mechanic they say very little about how it feels to actually play the game.

To give you an example: In a way “Groo the card Game” is an empire building game, like San Juan or Puerto Rico, as one tries to lay out cards to form a village with different buildings. But in contrast to these games Groo is a chaotic affair in which you randomly attack your neighbours and in which there is no perceivable strategy to how you build your village, because Groo will come and destroy it anyway. The most useful term for these kind of games is of course the good old “Beer & Pretzel”, a term which simply says: “relax, venturing gamer, this is not a serious or brainy affair, it is just a free for all entertainment in which the main goal is to annoy your fellow players and have fun”.

For some gamers this exact description is a caveat, for others – especially for lovers of the game “Munchkin” – it is a badge of excellence. Whatever the case, the limits of the term can quickly be demonstrated by mentioning a very different game, ”Junta!. “Junta” is – at its heart – a chaotic Beer & Pretzel game, as there is no dedicated strategy to win, there are lots of random events and decisions, and very often you will be at the whim of other players’ decisions. But at the same time “Junta” involves real diplomacy, backdoor dealing, and in parts it is also a real war game with meaningful tactical decisions. So what is it?

I find we are missing terms for what games really are, so I would like to start a little series where I will try to invent some new terms for the BGG database.

My first term is simple, “Schweigespiel”, which means “silent game” in German.

What, you may ask, is a “Schweigespiel”? I try to give a definition: silent games are games that tend to inhibit verbal communication between players because of their sometimes secretive and brainy nature and also because of the moves of the players themselves ARE the communication. Silent games will very often be played with little to no talk during the game.

I don’t know if you ever had this experience: you play a game and suddenly you notice that you are so much in your own little world of thought that there is this all-pervading silence all-around. Every time we notice this in our gaming group we call out – “Schweigespiel!” and everybody knows immediately what is meant.

To give you some examples of a silent game, let’s begin with the most obvious prime candidate, and that is Chess. Chess has never been known to be a particularly chatty game, but this is because communication between players is abstracted and only takes place through the movements of pieces on the board. Also a lot of the strategy of chess comes through the fact that one doesn’t want to have the opponent know your secret plan. Chess is such a silent game, that there are actually rules which force you to talk and announce certain threats, lest you forget.

But there are also examples of games that are more our fare. Let’s take “Agricola” – a good example because it is also somewhat of a multiplayer solitaire game as well. Or “Euphrates and Tigris” – a game which gives you so many possibilities where to place your tiles and what to do with them that actually the Analysis Paralysis alone will keep you pretty silent most of the time. Or “Carcassonne, at least in its basic version. The excellent Carcassonne iPhone app has a chat feature, but most of the time one doesn’t know what to say except perhaps “wow”, when a huge city has been finished. Most of the time the communication is through the game, in a complex sign language of tile-laying. Most players hesitate to state the obvious, like saying “Ha, look, I just placed a meeple that will threaten your meadow domination in a very surprising way”. This is why iPhone Carcassonne players mostly use the chat for insults or complaints about lag (the many Dice Tower listeners I met through this app are absolutely not fitting in this category but have been friendly and ready to chat).

You may ask yourself: Are there any “loud” games? You bet there are, and I will talk about them next show…

Mit Lookout-Games und Ali Baba zur Agricola-WM

Der Spieleverlag Lookout-Games sucht die besten Agricola-Spieler. Bei der Weltmeisterschaft im November in Wien wird die Frage geklärt, wer der beste Landwirt des Mittelalters ist. Hier werden auch drei deutsche Teilnehmer um den Sieg kämpfen. Diese drei werden nicht einfach ausgelost, sondern bei bundesweit drei Turnieren ausgespielt.

Hierzu hat Lookout-Games mit der VHS Bremen und dem Ali Baba Spieleclub zwei Partner gefunden, die diese Qualifikationsturniere ausrichten. Jeweils eine Qualifikation findet in Bremen, Köln und Nürnberg statt. „Agricola ist ein sehr beliebtes Spiel und ich denke, dass die Turniere schnell ausgebucht sein werden“, sagt Hanno Gierke von Lookout. Denn bei den drei Turnieren ist die Teilnehmerzahl begrenzt.

Teilnehmen darf jeder, der Lust und Zeit hat. Das erste Qualifikationsturnier ist am 3. September in Köln, gefolgt vom Turnier am 10. September in Bremen. Abschließend finden die Süddeutschen in Nürnberg ihren besten Spieler beim Turnier am 8. Oktober. Egal, ob in Köln, Bremen oder Nürnberg, die Teilnahmegebühr beträgt jeweils drei Euro.

Allerdings ist eine Voranmeldung zwingend erforderlich. Dies geht über die Turnier-Homepage http://turnier.agricola.us. Nach der Anmeldung, bekommt jeder Spieler die entsprechenden Informationen zum Turnier zugesendet. Endgültig angemeldet ist man dann nach Zahlungseingang.

Neben der Teilnahme an der Weltmeisterschaft winken den besten Spielern der drei Turniere hochwertige Spiele aus dem Lookout-Games-Programm.

29.06.2011: Freuden mit den Spielen des Jahres

Schelte an den Entscheidungen der Jury zum „Spiel des Jahres“ sind an der Tagesordnung. Durch Sonderpreise für Spiele, die beim Normalverbraucher grundsätzlich nicht punkten können, z.B. für „Caylus“ und „Agricola“ als „komplexestes Spiel des Jahres“, wurde ein bißchen Unmut ausgebremst. Dieses Jahr wurde mit „Kennerspiel des Jahres“ erstmalig eine ganz neue Preiskategorie geschaffen, in der anspruchsvollere Spiele honoriert werden können.
Dass das relativ elementare Kartensammelspiel „7 Wonders“ nur in dieser Randkategorie gewinnen konnte, war überraschend. Denn das Spiel ist einfach genug und hätte auch in der Hauptkategorie konkurrieren können. Sind denn in der Hauptkategorie nur noch Kinderspiele prämierfähig?
Für Aarons Seufzer: „Die Jury enttäuscht mich von Jahr zu Jahr mehr“ fand Horst die Begründung: „Das Bildungsniveau der Bevölkerung nimmt ja auch von Jahr zu Jahr ab“. Demnächst wird bei uns in Bayern ja die Hauptschule abgeschafft. Damit ist dann gewährleistet, dass wir in kürzester Zeit eine Abiturientenquote von 100% bekommen werden.
1. “Qwirkle”
Zum Warming-up sollte der Preisträger zum Spiel des Jahres 2011 am Westpark auf jeden Fall geeignet sein. Auch wenn die aktuell vorherrschende Lästerstimmung eher kontraproduktisch war. Günther erkannte in den Regeln noch relativ ernsthaft ein „Genial light“, der Rest eher ein „Scrabble für Analphabeten“: Anstelle von Buchstaben müssen wir Bausteine mit farbigen Symbolen ablegen. Anstatt mit unseren Buchstabensteinen gültige Duden-Wörter zu bilden, müssen wir unsere Bausteine in gleichfarbigen oder gleichsymboligen Ketten ablegen, und zwar genauso wie bei „Scrabble“ anschließend an die Muster, die auf dem Spielbrett bereits ausliegen.
Die Jury von „Spiel des Jahres“ hat dazu angemerkt: „Einfache und logische Regeln bestimmen dieses nahezu selbst erklärende Legespiel, das einen sofort gefangen nimmt. Das Kombinieren von Farben und Formen erfordert neben ein bisschen Glück auch Voraussicht und taktische Überlegungen. Die griffigen und farbig bedruckten Holzsteine haben einen hohen Aufforderungscharakter, so dass oft eine Partie der nächsten folgt. Zudem spricht Qwirkle alle Generationen gleichermaßen an.“
Wenn ich wüßte, was ein „Aufforderungscharakter“ ist, hätte ich dieser Begründung nichts mehr hinzuzufügen.
Aaron erfand aus dem Stegreif die Bluff-Variante von „Qwirkle“: Jeder Spieler legt seine Steine verdeckt an und der Nachfolger darf glauben oder anzweifeln, ob die geforderten Anlegeregeln auch eingehalten wurden.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (vermißt Kreativität in seinen Zugoptionen), Günther: 7 (klare, solide Mechanismen), Horst: 7 (besser als „Dixit“, unterhaltsam und spannend), Walter: 6 (bestens geeignet für Willis Nicht-Spieler-Runden.)
2. “Lancester”
Ein weiteres Spiel, dass es in diesem Jahr bis in die Endrunde zum „Kennerspiel des Jahres“ gebracht hat. Zur Einleitung versprach Horst „einfache Regeln“, was in Kennerkreisen natürlich ein bißchen komplizierter sein darf. Es ist ein Aufbauspiel, das die Autoren in die Zeit des hundertjährigen Krieges gerückt haben. Jeder Spieler erhält eine Reihe von „Rittern“ unterschiedlicher Stärke, die er reihum auf verschiedene Orte im „County“, im „Castle“ oder im „Konflikt“ placiert, um damit ortsspezifische Vorteile einzuheimsen, z.B. Adelsplättchen, Geld, Knappen, neue Ritter oder Ritter-Upgrades.
Geld wird benötigt, um im „County“ zusätzliche Vorteile finanzieren zu können, Knappen sind Hilfen im Kampf um die Placierung im County, wenn man Mitspieler-Ritter verdrängen will oder sich gegen Verdrängt-Werden schützen will. Adelsplättchen bringen Vorteile bei Abstimmungen in der Gesetzgebung und am Ende eine progressiv steigende Anzahl von Siegpunkten. Neue oder stärkere Ritter sind überhaupt der Motor, der in „Lancester“ zum Sieg führt. Hier frühzeitig seine Entwicklungsschwerpunkte zu setzen, trägt reichlich Früchte ein.
Die Ritter im „Castle“ sorgen für eine relativ ungestörte Vermehrung von Geld und Knappen, die Ritter auf den Konfliktfeldern bringen zusätzliche Entwicklungsvorteile (wer zuerst kommt, kassiert zuerst) und in zweiter Linie Siegpunkte (wer zuletzt kommt, kassiert zuerst) ein.
Das Regelwerk ist (für Kenner) tatsächlich nicht allzu kompliziert, aber die vielfältigen Abhängigkeiten von Besitzstand und Placierungseffekten, und die große Auswahl an Zugfreiheiten erfordert doch ein genaues Hinsehen, um lukrative Entwicklungsmöglichkeiten nicht zu verpassen. Fehler sind nicht zu vermeiden, wahrscheinlich auch nicht für erfahrene Spieler, wovon wir noch meilenweit entfernt sind.
90 Minuten dauerte bei uns ein 4-Personenspiel. Dabei kam jedem die Zeit relativ kurz vor. Jeder hatte seine eigene Entwicklungsvision im Kopf, da wurde auch schon die letzte Runde eingeläutet. Das spricht für ein kurzweiliges Spiel. Vielleicht waren wir aber auch von dem komplexen Regelräderwerk, das in „Lancester“ geboten wird, derart gefangen genommen. In jedem Fall muß nochmals verifiziert werden, ob die vielen Interaktionen mit den Ambitionen und Entscheidungen der Mitspieler zu beherrschen sind, oder ob schließlich allein ein unberechenbares Mitspielerchaos den Sieger bestimmt.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (hat sich keine Sekunde gelangweilt) , Günther: 7 (ist sich noch unsicher über das Gewicht vom Mitspielerchaos), Horst: 8 (für diesen Spieltyp war die Spielzeit nicht zu lang), Walter: 8 (große Vielfalt, keine Schwächen).
3. “Störtebeker”
Schon vor 11 Jahren von „Hans im Glück“ in Essen vorgestellt. Ein reinrassiges Karten-Würfelspiel, thematisch angesiedelt beim berühmten Seeräuber an der Nordseeküste, von dem wir aber nicht viel zu sehen bekommen.
Auf dem Tisch liegen vier Schiffe aus, die unterschiedliche Mengen (2-4) von unterschiedlichen Proviants (rot und grün und gelb und blau) laden können. Jeder Spieler muß ein Schiff komplett beladen und darf es dann kapern. Dazu hat er eine Anzahl zufällig verteilter „Aktionskarten“ auf der Hand, die entweder den verschiedenfarbigen Proviant darstellen oder Piraten, die ein Schiff kapern helfen.
Der Kaper-Vorgang wird mit zwei Würfeln abgewickelt. Wenn der Wert der ausliegenden Piratenkarten plus die gewürfelte Augenzahl größer ist, als der Wert der Schiffskarte, so war das Kapern erfolgreich. Zunächst wenigstens, denn anschließend dürfen noch reihum die Mitspieler versuchen, das Schiff ebenfalls zu kapern, d.h. aus ihren Handkarten den geforderten Proviantbedarf zu decken und mit den zwei Würfeln eine höhere Augenzahl zu erzielen als die Vorgänger. Die höchste Augenzahl gewinnt, alle anderen haben das Nachsehen und sind sowohl die investierten Proviantkarten als auch ihre Piraten los.
Klar ersichtlich: „Störtebeker“ enthält eine Menge Frustpotential: Erst zieht man nicht die richtigen Proviantkarten, und es ist kein Trost, dass man mit einem gewissen Schlupf seine Handkarten gegen Karten aus dem offenen Ablagestapel austauschen kann. Dann würfelt man um das Kaperergebnis und hat mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder viel zu viele Piratenkarten unnötig verschleudert oder gerade eine Piratenkarte zu wenig und das Kapern mißglückt. Sollte bis dahin aber alles geklappt haben, dann kommt ein Mitspieler daher und würfelt eine höhere Augenzahl, mit der er uns die Schiffsbeute vor den Augen wegschnappt.
„Störtebeker“ enthält noch zwei Farbwürfel, mit denen man Mitspielern Proviantkarten abknöpfen kann. Doch auch hier liegt die Wahrscheinlichkeit für einen Treffer in der Regel deutlich unter 50%, und wenn das zufälligerweise doch einmal gelingt sollte, dann ist auf der anderen Seite der Mitspieler frustriert, dem die Proviantkarte angeknüpft wird. Oder soll man alle diese Frust-Effekte einfach als Lustspiel des Zufalls wegstecken? Erstaunlich, dass solche spielpsychologischen Fehlleistungen einem solch großen Spieleverlag wie „Hans im Glück“ nicht aufgefallen sind. Oder besaßen vor zehn Jahren die Autoren, Verlage und die Käufer etwa ein deutlich reduzierteres Bildungsniveau?
WPG-Wertung: Aaron: 4 (das Spiel plätschert so vor sich hin, keine Steigerung), Günther: 4 (mit HiG-Bonus), Horst: 5 (mit Erinnerungsbonus), Walter: 4 (chaotisches Glücksspiel)
4. “Bluff”
Ehrenrettung für Günthers Immer-5-Strategie. Im heutigen 1:1-Endspiel konnte sie ihren einzigen Minivorteil demonstrieren. Nach Günther’s Vorgabe 1 mal die Fünf war Walter mit einem Stern unter dem Becher angeschossen. Oder besser: er war gleich abgeschossen. Zweimal die Fünf war nicht der Sieg. Welche Antwort hätte den Sieg gebracht? Fünfmal dürft ihr noch raten!
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

22.06.2011: Strasbourg und die Bluff-Surrogate

Richard Strauß pflegte vor seinen Konzerten, im Künstlerzimmer, angetan mit Frack und weißer Weste, Skat zu spielen; bis zum letzten Augenblick oder besser länger, bis das Publikum wegen Verzögerung des Konzertbeginns unruhig wurde. Dann legte er die Karten hin und ergriff dafür den Taktstock, d.h. er füllte eine Pause im Skat mit Musikmachen aus, bis er in der Konzertpause im Skat fortfahren konnte. (nach Ilse Hess)
Hallo Moritz, stimmt das?
1. “Strasbourg”
Ein weiteres Spiel von Stefan Feld. (Günther „Der bringt in letzter Zeit eine Menge guter Spiele heraus.“) Herausgegeben vom Pegasus Verlag. (Moritz: „Bürgt für Qualität!“)
Die Kulisse ist das mittelalterliche Straßburg (so wurde es wohl damals geschrieben), die politischen Geschicke der Stadt werden von Handwerkszünften beeinflußt und die Spieler schlüpfen in die „Rollen aufstrebender Familien der Stadt“. Warum dafür jetzt Straßburg den Namen hergeben mußte und nicht Nürnberg oder Hamburgum ist nicht plausibilisiert. Thema und Lokalkolorit sind auch nicht präsent. Das Spiel enthält eine ganze Reihe hübscher Mechanismen, die sehr organisch in sich greifen und die Spieler vor eine abstrakte Aufbau-Anforderung stellen, die vorausschauend-planerisch angegangen werden muß, dabei aber nie die spielerische Linie verliert.

  • Wir bieten um Felder, die uns Privilegien als Führer des Adels, als Bischof oder Führer einer der Zünfte gewähren. Eine neuartige Designidee macht den Bietvorgang trickreich, interaktiv und zugleich schnell.
  • Wir erwerben Bezugsrechte und bieten um Felder, wo wir diese Bezugsrechte in bare Münze verwandeln können. Eine kluge Balance im Erwerb und im Umtauch von gebündelten Bezugrechten ist für Liquidität und Handlungsfreiheit unbedingt erforderlich.
  • Wir nutzen unser Geld und unsere Privilegien, um unsere Pöppel auf dem Spielbrett möglichst siegpunktbringend positionieren zu können. Das ist das Kernstück der zünftigen Straßburger Musik.
  • Jeder Spieler erhält noch eine wählbare Anzahl von individuellen Sonderaufträgen, mit denen bei Spielende bestimmte Kombinationen von Pöppel-Positionen auf dem Spielbrett honoriert werden. Dadurch erhält der Ehrgeiz jedes Spieler ein Betätigungsfeld und es kommt eine wohldosierte Asymmetrie in die Spielerziele.

Man darf bei der Auswahl der Aufträge nicht zu gierig sein, nicht-erfüllte Aufträge werden mit Punkt-Abzug bestraft. Ein bis zwei Aufträge pro Spiel sind eine ausreichend große Herausforderung. Unsere Strategie-Kornifere hatte sich gleich drei Aufträge unter den Nagel gerissen und konnte keinen einzigen davon erfüllen. Ein Aufrag weniger und er wäre noch Vorletzter geworden.
WPG-Wertung: Günther: 8 (intelligenter Bietmechanismus), Loredana: 8 (interaktiv, man spielt ständig mit, auch in einer 5er Runde nie langweilig), Peter: 8 (ihm gefiel die Varianz der Setzziele durch die individuellen Sonderaufträge), Moritz: 8 (enthält viele gefällige Elemente), Walter: 8 (alles funktioniert in ausgezeichneter Balance)
2. “Take it or Leave it”
Zwanzig Hexa-Würfel in den Farben weiß, schwarz und rot werden in eine Schale gewürfelt und lassen dabei fast so etwas wie eine „Bluff“-Stimmung aufkommen. Doch die Vorfreude verläuft sich blitzartig wie eine offene Welle.
Reihum darf sich jeder Spieler einen Würfel aus der Schale holen und damit successive bestimmte Würfelkombinationen zusammensuchen, die er als geheimen „Auftrag“ auf der Hand hat, z.B. eine weiße Zwei und eine schwarze Vier zu besitzen, oder mit 3 Würfeln in der Summe der Augenzahlen unter 7 zu bleiben, oder mit beliebig vielen Würfeln genau 18 Punkte zu erzielen. Vier Aufträge stehen jedem Spieler pro Runde zur Auswahl; einen, höchstens zwei davon kann er davon erfüllen.
Wer – wenn die Würfel langsam ausgehen – keinen „Auftrag“ mehr erfüllen kann, paßt, und wenn alle gepaßt haben oder die Würfel alle weg sind, ist eine Runde zu Ende. Erfüllte Aufträge ergeben Pluspunkte, nicht mehr in Aufträgen untergebrachte Würfel bringen Minuspunkte und das (freiwillige) Aufnehmen von roten Würfeln wird ebenfalls mit Minuspunkten bestraft.
Eigentlich könnte man das Spiel ganz locker über die Bühne gehen lassen, doch wenn man die ausliegenden Würfel erst danach analysieren muß,

  • welche Augenzahl man unbedingt noch braucht (und welche davon nur noch selten ausliegt)
  • mit welchen der ausliegenden Würfeln welche gewünschten Würfelkombinationen sich am häufigsten und deshalb am sichersten realisieren lassen.
  • auf welche Würfel bzw. Würfelkombinationen die Mitspieler spekulieren könnten.
  • und was man sich sonst noch alles zusammenreimen kann.

dann ist die Lockerheit schnell dahin. Der Rest ist dröge. Und weil eine Spielerrunde am Westpark ohne diese Analysiererei nicht leben kann, ist “Take it or Leave it” – zumindest in unserem Kreis – dröge.
WPG-Wertung: Günther: 6 (locker und einfach), Loredana: 5 (ein Kinderspiel. Mit Kindern würde es vielleicht besser gefallen), Peter: 6 (Ich könnte es nochmals spielen), Moritz: 6 (das Spiel ist nicht broken), Walter: 6 (ein Semi-Absacker)
3. “Skull & Roses”
In irgendeinem Spielegremium wird behauptet, dieses Spiel sei ein würdiger Nachfolger von „Bluff“. Entsprechend hoch waren unsere Erwartungen.

Jeder Spieler bekommt ein Set von vier „Bierdeckeln“ mit drei Rosen und einem Totenkopf. Daraus wählt jeder geheim einen seiner Deckel aus und legt ihn verdeckt vor sich hin, also entweder eine Rose oder den Totenkopf.
Moritz wollte von dieser Startaufstellung ausgehend unter der Bluff-Hypothese gleich auf die gesamten Spielregeln schließen: „Jeder nennt jetzt eine Zahl, wielviele Totenköpfe ingesamt ausliegen.“ Doch so billig geht es dann doch nicht. Wer am Zug ist, hat jetzt jeweils eine Entscheidungsalternative: Entweder legt er einen weiteren Bierdeckel verdeckt vor sich hin, oder er beginnt eine „Challenge“, d.h. er nennt eine Zahl, das ist die Anzahl von Rosen-Bierdeckeln, die er von den verdeckt auf dem Tisch liegenden Bierdeckeln aufdecken kann, ohne einen einzigen Totenkopf zu erwischen. Dabei muß er das Umdrehen mit seinen eigenen Bierdeckeln anfangen, er darf also keinen Totenkopf in seinem Stapel haben. Reihum kann jetzt jeder diese Zahl erhöhen oder passen. Gewinnt ein Spieler die Challenge, so ist das der halbe Weg zu seinem Sieg, d.h. nach zwei gewonnenen Challenges ist er Sieger. Verliert ein Spieler die Challenge, muß er einen Bierdeckel abgeben; nach vier verlorenen Challenges scheider er aus.
Es wurde viel gelacht, besonders wenn die Challenges verloren gingen. Deren waren es viele, sonst wäre das Spiel ja im Nu zu Ende gewesen. Trivial-Tipp zur Taktik: „Lege als erstes immer den Totenkopf heraus, und lasse Deine Konkurrenten die Challenges verlieren!“ (Dieser Tipp ist natürlich Kappes.) Doch auch wenn es nicht ganz so trivial zugeht, kann “Skull & Roses” dem „Bluff“ nicht das Wasser reichen. Es gibt keine Steigerung, kein Nachwürfeln, kein Reinreißen des gutgläubigen Nachbarn, kein taktisches oder unerläßliches Nachwürfeln und das sogenannte Bluffen beschränkt sich auf die 50:50 Entscheidung, einen Totenkopf oder eine Rose herauszulegen.
Wer als erster nur noch einen Totenkopf-Bierdeckel in der Hand hält, kann nicht mehr gewinnen, aber er muß noch mitspielen und dabei dem langweiligen Kampf zuschauen, wie auch die übrigen Mitspieler langsam ihre Bierdeckel verlieren oder wie einer hoffentlich seine zweite Challenge gewinnt. Zäh!
WPG-Wertung: Günther: 7 (immerhin hat es die Spielbox empfohlen), Loredana: 2 (fürs Lachen am Anfang), Peter: 3 (mit Tendenz in Richtung 1), Moritz: 6 (schließlich wurde er Zweiter), Walter: 3 (der Anfang scheint lustig, das Ende ist zäh).
4. “Bluff”
„Endlich“! Ein richtiger Absacker nach den zwei Pseudo-Absackern. Peter stand im 1:1-Endspiel gegen Günther und sinnierte signifikant lange über seine erste Vorgabe. Günther schloß sofort daraus, dass Peter einen problematischen Wurf haben mußte: Entweder eine Eins oder einen Stern. Trotzig (oder warum auch immer) setzte Peter auf Günthers Loser-Strategie und fing mit 1 mal Fünf an. Günther hob ohne Zögern auf 2 mal Fünf und Peter blieb nur noch der Verzweiflungsversuch: 2 mal Stern. Ohne Erfolg. Wie leicht hätte er diesen Kampf mit Walters Immer-4-Strategie gewinnen können!
Derweilen kündigte Moritz für die zweite Runde eine „neue Strategie“ an. Später verriet er, dass es eine Immer-3-Startspielerstrategie gewesen wäre. Er konnte die Wirksamkeit dieser Strategie leider nicht nachweisen, denn er wurde alle seine Würfel los, bevor er auch nur ein einziges Mal Startspieler geworden war.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

16.06.2011: Nomaden im Westpark

Im Westpark sammelten sich ungezählte Freunde des Sternenhimmels, um bei Sekt und Kaviar das seltene Schauspiel einer totalen Mondfinsternis zu genießen. Auf der Terrasse am Westpark sammelten sich fünf Freunde vom Brettspiel, um bei Rotwein und Gummibärchen den wöchentlichen Spielabend zu absolvieren.
1. “Die Nomaden”
Der Spieleautor Maximilian Thiel („Macht$piele“) hat uns mal wieder beehrt und seine „Nomaden“ mitgebracht, die vor ca. einem Jahr bei uns gut angekommen sind, von den professionellen Verlegern aber nur unflätige Kommentare geerntet haben.
Jetzt ist es an vielen Stellen nach den Vorgaben der Profis überarbeitet worden. Es gibt noch keine gedruckte Spielregel, aber der Autor konnte sie natürlich aus dem ff mündlich darlegen. In 30 Minuten war er durch. Bei später nachgeschobenen Details gab es keinerlei Widersprüche, schließlich spielte Maximilian ja nicht mit, so dass pro-domo Verschiebungen ausgeschlossen waren.
Jeder Spieler führt immer noch ein Nomadenvolk über die Felder des Spielbretts und möchte mit ihm die siegpunktträchtigste Entwicklung hinlegen. Wir bewegen Häuptlinge, Familien, Clans und Stämme, besetzen Quellen, die uns verschiedenerlei Rohstoffe liefern, besetzen Märkte, auf denen wir Rohstoffe in passende Kombinationen tauschen, besetzen Entwicklungsfelder, in denen wir unser Volk qualitativ oder quantitativ erweitern können, und besetzen Aktionsfelder, in denen wir unseren Besitzstand in Siegpunkte umwandeln können.
Prototyp von Maximilian Thiels "Die Nomaden"Eine der Herausforderungen bei den „Nomaden“ sind die schlechten Jahreszeiten, in denen es keine Nahrung gibt. Entweder laufen wir mit allen unseren Familienmitgliedern diesen Jahreszeiten davon, oder wir besorgen uns in den fetten Monaten ausreichend Getreide, um damit die mageren Monate zu überstehen. Die ständige Flucht vor dem Winter läßt durchaus Nomadenstimmung aufkommen.
Wer meint, seine Leute ausreichend gut positioniert zu haben, beendet die Bewegungsphase und bekommt dafür den „Schamanen“. Mit diesem Privileg kann er die Erträge an ausgewählten Rohstoffquellen erhöhen bzw erniedrigen, oder er kann den Nahrungsbedarf innerhalb einer Jahreszeit modifizieren. Damit kommt ein bißchen Chaos in das ansonsten streng planbare Spiel: Wer sich gerade einen festen Zuwachs an Ziegen oder Kamelen ausgerechnet hat, muß dann bei einem miesnickelig plazierten Schamanen durch die Röhre schauen, oder der größere Hunger seiner Familienmitglieder frißt ihm die Siegpunkte vom Kopf.
Es gibt eine Menge zu beachten, um Rohstoffbesitz, Rohstofferwerb und Rohstoffbedarf an den ausgewählten Konvertierungsfeldern in die richtige Konstellation gebracht zu haben. Mehr als einmal konnte man auf der Terrasse am Westpark den Seufzer hören: „Ich habe mich wieder vertan.“
Aber heute ging es ja weniger um das Gewinnen, als viel mehr um konstruktive Kritik an einem Spiel in der Entwicklungsphase. Ja, ausgereift sind die Nomaden noch nicht. Hübsch ist das Thema mit dem Zwang zur Familien-Bewegung. Es dauerte aber mehr als die Hälfte der geplanten Rundenzahl, bis die Rohstoffquellen wirklich sprudelten und wir in unserer Entwicklung nicht mehr von der Hand in den Mund leben mußten. Dann kam Moritz mit seinem überlegen geplanten Spiel am besten aus den Startlöchern und entschwand mit seiner Nomaden-Familie in unerreichbare Ferne. Sollte im Spieldesign das frühzeitige Unerreichbar-Sein nicht vermieden werden?
Manche der progressivsten Spielelemente kamen überhaupt erst in der letzten Runde und nur bei wenigen Spielern zum Zug. Daran muß noch gedreht werden. Uns fielen auch einige gute Ideen dazu ein. Angefangen von einer verbesserten Startausstattung zu Spielbeginn bis zu Nahrungs- und Bewegungshandcaps bei den bevölkerungreichsten Familien. Maximilian fuhr mit einem ganzen Rucksack voller Verbesserungsvorschläge wieder nach Hause. Und mit einer gewissen Enttäuschung über den nicht unerheblichen Entwicklungs- und Balancierungsweg, den er noch zurücklegen muß.
Und mit einer Enttäuschung über seinen Freund Horst, der von den drei Stunden Spiel- und Diskussionszeit „total erschöpft“ war und zum ersten Mal am Westpark in der Stunde vor Mitternacht nach einer Tasse Kaffee verlangte.
Noch keine WPG-Wertung für ein Freak-Spiel mit Potential.
2. “Bluff”
Im ersten Spiel beim ersten Wurf hatte Moritz fünf (!) Sterne unter seinem Becher. Zum ersten Male in seinem Leben; zum ersten Male in unser aller Leben. Schließlich klappt das durchschnittlich nur alle 7776 mal. Und wenn wir pro Spielabend zwei Durchgänge Bluff spielen, dauert es etwa 80 Jahre, bis so ein Wurf zustande kommt.
Sein Super-Wurf half ihm aber nichts. Er mußte dafür trotzdem einen Würfel abgeben. Und mit ihm noch drei weitere Mitspieler!
Im zweiten Spiel hob Moritz beim ersten Wurf nach den Vorgaben 7 mal Fünf, 4 mal Stern, 8 mal Fünf und 9 mal Fünf auf 5 mal Stern. Das kostete ihn gleich alle seine fünf Würfel. Unter 25 Würfeln gab es keinen einzigen Stern. Wenn Excel richtig gerechnet hat, kommt das durchschnittlich etwa jedes 100ste mal vor. Dazu braucht man dann nur noch knapp ein Jahr wöchentliches Spielen.
Offen ist die Frage, wieviele Jahre man am Westpark „Bluff“ spielen muß, um im ersten Spiel 5 Sterne zu würfeln und im zweiten Spiel mit der Vorgabe 5 mal Stern gleich nach Hause gehen zu müssen?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

“The Castles of Burgundy” is our Game of the Month

‘The Castles of Burgundy’ is this year’s highlight from Alea. Players develop their princedom and try to be faster and better than their fellow gamers. Because new supply and possible actions are controlled by dice, players’ plans need to be constantly adjusted according to their respective capabilities. Originally, Stefan Feld’s much more complex design has been streamlined in cooperation with Alea’s Stfan Brück resulting in a challenging territory building game that lets us discover new development possibilities with every new play.

“Die Burgen von Burgund” ist unser Spiel des Monats

‘Die Burgen von Burgund’ ist das diesjährige Highlight aus dem Hause Alea. Es gilt sein Fürstentum schneller und besser auszubauen als die Konkurrenten. Dabei werden der verfügbare Nachschub und die möglichen Aktionen zufällig ermittelt – hierdurch bleibt die Spannung immer erhalten und die eigenen Pläne müssen laufend an die aktuellen Möglichkeiten angepasst werden. Stefan Felds ursprünglich weitaus komplexeres Spiel wurde zusammen mit Alea’s Stefan Brück stark vereinfacht und schließlich zu einem anspruchsvollen Spiel für Vielspieler weiterentwickelt. Ein Aufbauspiel, das uns auch nach vielen Partien immer neue Entwicklungsmöglichkeiten entdecken lässt!

08.06.2011: Himmlische Themen

Complete and finished – An English Lesson for All
No English dictionary has been able to explain the difference between the two words ‘complete’ and ‘finished’ in a way that’s so easy to understand. Some people say there is no difference between COMPLETE & FINISHED, but there is:
When you marry the right one, you are COMPLETE …
And when you marry the wrong one, you are FINISHED …
And when the right one catches you with the wrong one, you are COMPLETELY FINISHED !
1. “Luna”
Auf der Suche nach unserem Spiel des Monats Mai landeten wir bei „Luna“, das diesen Titel bereits im Februar dieses Jahre errungen hatte. Moritz war a priori einverstanden, klang der Titel doch nach Weltraum, Kampf und Abenteuer. War’s aber nicht. In „Luna“ notiert der Novize Stephanus in seinem Tagebuch, dass seine verehrte Mondpriesterin bald eine Nachfolgerin auswählen wird. Doch von dieser mystischen Andeutung ist im Spielverlauf keine Spur zu finden. In einem rein abstrakten „fiesligen und fummeligen“ (Aaron) Spiel schwimmen unsere Pöppel von Inseln zu Insel, bringen neue Pöppel ins Spiel („Missionierung“), setzen Holzklötzen („Kultstätten“) auf die verschiedenen Inseln, punkten auf der Prioritätenleiste („Priesterrat“) und lassen sich im Allerheiligsten Siegpunkte auszahlen.
Die zahllosen Spielelemente greifen sehr gut ineinander, sind sehr gut ausbalanciert und gewähren den Spielern einen großen Spielraum für verschiedenste langfristige Planungen. Bewegung und Sitzsamkeit, Häufelung und Verteilung, der Erste und der Letzte sein, alles hat zur richtigen Zeit seine Vorteile. Viele originelle Mechanismen sind hier verwoben. Doch Moritz fand zu recht: „Der Name ist verfehlt, das Spiel hat überhaupt keine thematische Handlung.“ Selbst das Regelheft schweigt sich im Grunde genommen darüber aus. Günther „fand dies ehrlich“. Poetisch kreativ ist es gewiß nicht. Oder vielleicht doch, und nur wir materialistischen Kalkulisten sind zu nüchtern, dies nachzuvollziehen?
Dafür machten wir uns reichlich männliche Illusionen, was wir alles mit der Mondpriesterin anstellen konnten. „Ich habe sie gehabt! Aber als Dritter!“ Das gibt immerhin noch einen Siegpunkt. Günther als erfahrener Selenit sicherte sich bei ihr gekonnt jeweils die Priorität. Und viele andere Privilegien. Mit seinem Punktevorsprung hätte er nicht nur die Mondpriesterin vernaschen können, sondern auch gleich die Nachfolgerin mit.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (alles funktioniert. Er ist allerdings zur Zeit mit spielerischen Optimierungsaufgaben dieser Art ziemlich überfüttert. Und er hat in letzter Zeit sehr viel „1830“ am Computer gespielt und so seine kritische Messlatte am Spiel der Spiele unerbittlich hochgeschraubt), Günther: 8 (bleibt), Moritz: 8 (originell und interessant), Walter: 8 (bleibt).
2. “Der Herr der Ringe – das Kartenspiel”
Ein Kooperationsspiel aus einer großen thematischen Vergangenheit mit einer großen kommerziellen Zukunft. Alle Mitspieler sind die „Guten“ und wir spielen im gemeinsamem Kampf gegen die vom Autor inszenierten „Bösen“ unsere uns zufällig ausgeteilten guten Karten (hoffentlich) koordiniert aus, um die zufällig gezogenen bösen Karten zu überstechen. Kämpfen, verteidigen, verwunden, heilen, erschöpfen und sterben sind die beherrschenden Aktionen.
Mehr als hundert verschiedenen Charaktere kommen zum Zug, alle haben unterschiedliche Effekte und Nebeneffekte, kosten Potenzpunkte, können zuschlagen, können Schläge einstecken, haben Verwundungspotential und Schattenpotenzen. Im angekündigten Expansionskonzept werden nach und nach hunderte weitere Charaktere auf den Markt kommen und die passionierten Rollenspieler jahrelang damit in Atem halten, sich die richtige Charakter-Mischung zusammenzustellen, um gegen die Monster-Anforderungen der Zukunft optimal gewappnet zu sein.
Schon die heute vorliegenden Karten-Eigenschaften und Attribute erfüllen die härtesten Anforderungen an „Euromechanismen“. Wobei Moritz bei dieser Feststellung ganz gewiß an Euro-Games und nicht an Euro-Drachmen gedacht hat.
Jawohl, die Karten sind ideenreich erfunden. Aber warum sollen eigentlich mehrere Spieler damit spielen, wenn hier eine Aufgabensequenz gestellt wird, die vom Prinzip her nur ein einzelner Kopf optimal bewältigen kann? Wo bleibt das Mehrkammern-Prinzip, wenn jeder eigenständige Mitspielergedanke im großen gemeinsamen Kampf nur kontraproduktiv sein kann? Aaron wollte zwar explizit „auch eine Heldin haben, die er einmal pro Runde erschöpfen durfte“. Für ihn persönlich machte es einen gewaltigen Unterschied, ob er oder ein andere Spieler diese Chance wahrnehmen durfte. Doch für das Überleben unserer Rasse war es unerheblich.
Und wie sieht es mit dem Thema aus? Für wen Aragorn eine Region in Spanien und Boromir ein russischer Astronaut ist, der findet im Kartenspiel „Herr der Ringe“ genauso wenig thematische Substanz wie unser Künstler auf dem Mond.
Spielzeit: Moritz hat nach eigenen Angaben ein Solitär-Spiel in 20 Minuten über die Bühne gebracht; im Quartett brauchten wir dazu 90 Minuten plus Erklärung. So lang kam uns das recht einfältige Einsteiger-Szenario auch vor. Nur Moritz hatte das Gefühl, es seien nur 20 Minuten vergangen.
WPG-Wertung: Moritz: 8. Die anderen enthielten sich der Stimme, weil das Spiel ihren Vorstellungen von einem „Spiel-Spiel“ einfach nicht entspricht.
3. “Bluff”
Moritz war mit einem Würfel im Endspiel gegen vier Würfel von Günther. Mit der Vorgabe 3 mal Vier setzte er Günther gleich das Messer auf die Brust. Günther legte eine Vier und einen Stern heraus, hob auf 4 mal die Vier und würfelte nach. Was sollte Moritz mit seiner einsamen Vier unter dem Becher anfangen? Beim Anzweifeln hatte er mit 2/3 Wahrscheinlichkeit, und beim Erhöhen sogar mit 8/9 Wahrscheinlichkeit verloren.
Manchmal spielt die Wirklichkeit allerdings gegen die stumpfsinnige Statistik. Auch in dieser Situation. Echt geil wäre es gewesen, wenn das schöpferische Genie die kühle Kalkulation in die Knie gezwungen hätte. Dagegen wäre es echt tragisch gewesen, wenn Moritz’ 3-mal-die-Vier-Vorgabe ein Bluff gewesen wäre.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
PS: Now the session-report is complete and I am finished.

Mansions of Madness and Lord of the Rings Card Game

Transcript of the podcast published on June 3rd, 2011.

With the theme of the current show it seems appropriate to interrupt my musings on game design and talk about two new games from Fantasy Flight that have something in common but that also have many differences: Mansions of Madness and Lord of the Rings Card Game. Both games have deep roots in established works of literature: Mansions of Madness is inspired by H.P. Lovecraft’s fantastic Cthulhu Mythos and even more by the many games that developed this world, like Call of Cthulhu the roleplaying game or Arkham Horror, both originally published by Chaosium Games. The new Lord of the Rings LCG is of course based on the great stories of J.R.R. Tolkien, truly the founding father of contemporary fantasy.

Fantasy Flight has made its name as a publisher mostly of epic fantastic games in which the experience – meaning the immersion of the players in an imaginary world, often helped by elaborate graphic design and high quality game material – is more important than the Euro-pondering of action optimization and victory point collection. I don’t know about you, but I know many players who will never be satisfied with storytelling experience and who will never get into games like Talisman or even Twilight Imperium because there are moments when players relinquish control of the game to dice rolls or event cards. Even fantasy aficionado Tom Vasel has problems with the mostly freefall and luck-driven Talisman because he feels that the players choices are too limited. Other players can enjoy Talisman as a modern variant of the roll and move journey games that were so common in the 19th century, just with added fantasy, more choices and more excitement.

Mansions of Madness has its detractors and critics, but for fans of storytelling games it is a great experience. Anyone who has ever played the great role playing game Call of Cthulhu in its original non D-20, non-munchkinized version, will immediately see the design success in bringing the feeling of exploring a house occupied by evil beings to the boardgame table. The game really feels like a horrific and sanity-threatening adventure without outstaying its welcome. The rules go so far as telling the Keeper – who plays the house against the investigators – to play so that the investigators have a good time, instead of only playing for winning the game.

It has been said that the game gives the investigators too little, the Keeper too much to do, but I personally find Mansions of Madness great fun, even though it is quite a chore to keep track of all the little cards and counters. Most of us don’t have time to play long role-playing campaigns anymore as adults, but games like Descent and Mansions of Madness give us the fix that our role playing heart yearns for. If you loved Call of Cthulhu, you will love Mansions of Madness, otherwise you should stick with Puerto Rico or Caylus.

The Lord of the Rings Card Game is the newcomer to Fantasy Flight Games new series of expandable but not collectable card games, of which the “Game of Thrones” LCG is so good, that I am actually still playing it regularly. The Lord of the Rings Card Game is different though in that it tries something new, being designed specifically for solitaire or cooperative play, which has rarely been tried extensively in the CCG world, except for the failed game “Ruinsworld” and some scenarios for the old Middle Earth CCG.

I have played the new Lord of the Rings card game quite extensively in the last days and can already say that I like it even though I am yet unsure of its durability as a deck-building game. Deck building is most fun against an unexpected opponent, if one would know the opponent’s cards exactly it could be less fun. Fantasy Flight has tried to make the game interesting by making it quite hard to win – I have yet to win even a medium difficulty scenario with Gimli and Legolas in my group alone, because they are so weak in adventuring potential and usually are beaten by the deck if one draws too many locations, overcome by the shadow treat even though they can kill opponents left and right – people who know the game will know what I mean!

Basically the Lord of the Rings card game feels like a puzzle that has to be solved- each advanced scenario can only be beaten if the players learn the cards well and optimize their strategy, so in a way it is like a learning process against a programmed opponent. In that respect the game actually is similar to the Lord of the Rings board game by Knizia, which also felt more like a puzzle than a genuine story experience, with the card game having the advantage of being infinitely variable and quicker to play and setup then Knizia’s game.

Every player has to decide for him- or herself. If he is more of the adventuring or analytical type – I can say that I personally enjoy both styles of playing very much and could not really live without one of them.

By the way – Mansions of Madness has a great fan made solitaire conversion where the keeper is replaced by an ingenious paragraph system – I can very much recommend it!

"Was lag auf den Tisch?"