Peloponnes ist unser Spiel des Monats

Aufbauspiele ohne Würfel stellen eine besondere Anforderung an die Balance im Regelwerk: um Spannung aufkommen zu lassen, muss ein gehöriger Schuss Asymmetrie eingebaut sein, doch dürfen die unterschiedlichen Ausgangspositionen und insbesondere nicht die Spielerreihenfolge unausweichliche Vor- oder Nachteile in sich tragen. Peloponnes hat diese Klippen gemeistert. Wir entwickeln unterschiedliche Zivilisationen in der griechischen Antike, und erweitern in Konkurrenz zu unseren Mitspielern die Erträge unserer Gebiete. Immer mal brechen göttlichen Katastrophen über uns herein und dezimieren unseren Besitzstand. Denen gilt es zu trotzen und dabei möglichst wenig Siegpunkt-Federn zu lassen.

02.12.2009: Getreues Albion und perfide Wertungen

“Wenn ich ein wenig Geld habe, kaufe ich mir Spiele, und wenn mir dann noch was übrig bleibt, kaufe ich Essen und Kleidung” (Erasmus von Rotterdam, leicht variiert).

1. “Albion”
Albion
Ältere Semester assoziieren mit “Albion” noch die Eigenschaft “perfide”. Bei Wikipedia kann man nachlesen, warum. Doch die Bezeichnung wurde schon von Ptolemaeus geprägt und bezieht sich schlichtweg auf das Gebiet des heutigen England (einschließlich Wales).
Wir sind römische Siedler und müssen die Insel von unseren Basislagern an der Kanalküste ausgehend besetzen. Wir lassen unsere Siedler in das Landesinnere marschieren, bauen Kastelle und Siedlungen, und erschließen Rohstoffquellen (Fisch, Holz, Stein und Gold). Die Rohstoffe benötigen wir zum Bauen, durch das Bauen erhalten wir mehr Bewegungsfreiheit für unsere Siedler und Legionäre, größere Verteidungskraft oder reichere Rohstoffquellen. Verteidigung brauchen wir, um uns gegen die Pikten zu wehren, die in immer größeren Mengen auftauchen und unsere Bauwerke zerstören, wenn wir vorher nicht genügend Verteidigungspotential zusammengetragen haben. Ein rechtes Aufbauspiel ohne Würfel und Zufallseinfluß.
Beim Vordringen nach Norden stehen wir im Wettlauf mit unseren Mitspielern: Wenn wir in einem Gebiet bauen wollen, wo sie sich bereits festgesetzt haben, müssen wir ihnen Tribut zahlen. Um die Siegbedingung zu erfüllen, müssen wir uns fast in jedem Gebiet niedergelassen haben, wir können die Gebiete unserer Mitspieler also gar nicht meiden. Tributzahlungen sind fast alltäglich. Sie sind nicht hoch, aber wer gönnt seinem Konkurrenten schon freiwillig einen Fisch. Also möchten wir überall gerne selber die ersten sein. Doch das bleibt natürlich ein unerfüllbarer Wunschtraum.
Zwangsweise müssen wir unsere Züge in die verschiedenen notwendigen Entwicklungsrichtungen verpulvern, und oft stehen wir dabei unschlüssig vor trivialen Alternativen, z.B.

  • Erst unsere Rohstoffquellen nutzen und dann damit weitere Rohstoffquellen erschließen, oder umgekehrt.
  • Erst ein Kastell auf ungefährdetem Gebiet bauen und dann in Innere vordingen, oder erst mit einem gewissen Risiko ins Innnere vordringen und dann dort ein Kastell bauen, das später in bezug auf weitere Besiedelung Bewegungsvorteile mit sich bringt.
  • Erst eine Siedlung errichten oder ausbauen, um von den Mitspielern Tribut zu kassieren, allerdings mit dem Risiko, dass sie von den Pikten zerstört wird, oder erst die Verteidung sichern, dafür aber die Mitspieler vorbeiziehen zu lassen und im Endeffekt Tribut zahlen zu müssen anstelle selber Tribut zu kassieren.
  • Wir gingen alle sehr vorsichtig ans Werk. Verteidigung wurde groß geschrieben. Nur Hans ging bewußt das Pikten-Risiko ein, und ist dabei mehrmals nur haarscharf von herben Verlusten verschont geblieben: die zufällig aufgedeckten Ureinwohner waren alle friedlich. Nur deshalb reichte es für ihn zum Sieg, im Tiebreak gegen Günther.
    An allen Ecken und Enden wurde Interaktion vermißt. Alle Spieler stehen vor der gleichen Aufgabe, die symmetrischen Vorgaben führen zwangsläufig zu gleichförmigen Entwicklungslinien. Wer sich über seinen eigenen Fortschritt freut, ohne dabei der Konkurrenz Knüppel zwischen die Beine werfen zu wollen, ist mit “Albion” gut bedient. Es ist garantiert ein vorzügliches Solitärspiel und vielleicht macht in einem Zweierspiel sogar das systemmatische Erarbeiten von minimalen Vorteilen bis zum Niederringen des Gegners einigermaßen Spaß.
    In einer Viererrunde ist diese Möglichkeit zum konsequenten Ausbau einer vorteilhaften Stellung eher von Nachteil. Das Entwicklungstempo wächst, aber die strategischen Herausforderungen nicht. Gar nicht. Wer irgendwann einmal leicht geschwächelt hat und bis zum Mittelspiel ins Hintertreffen geraten ist, kann einen späteren Sieg abschreiben, er trottelt bis zum Ende hinterher. Ja es bleiben ihm nicht einmal Nadelstiche, mit denen er seine Mitspieler – zu seiner eigenen Ermunterung – ab und zu mal ärgern kann.
    WPG-Wertung: Aaron: 4 (langweiliges Wettrennen ohne Interaktion, da hat schon wieder Willis Tuning gefehlt), Günther: 6 (wurde von 7 Punkten runterargumentiert, für ihn braucht ein Spiel nicht „rabiat“ zu sein), Hans: 6 (braucht ebenfalls keine Aggressivität; als Aufbauspiel hat es Spaß gemacht), Walter: 6 (ebenfalls von Aaron runterdiskutiert).

    2. “Ra – The Dice Game”
    Ra - The Dice Game
    “Hast Du noch so’n Brüller?” fragte Aaron. Günther war leicht indigniert. Hatte er doch schon die Essen-Erwerbung „Albion“ aus seiner großen grünen Spieltasche hervorgeholt. “Ich spiele jedes Spiel mindestens einmal.” Rechtfertigte er sich. „Es soll ja Kollegen geben, die manche gekauften Spiele überhaupt nicht spielen.“ Es war nicht klar, gegen wen diese Aussage gemünzt war. Wenn wir wenigstens eine Rezension darüber schreiben, dann hat sich die Investition doch schon gelohnt, da braucht man das Spiel ja nicht gespielt zu haben …
    “Ra” ist so ein Spiel, bei dem Walter bereits nach Günthers vorzüglichem Regelvortrag eine Rezension hätte schreiben können oder wollen: einen Verriß. Super Spielmaterial: 5 Würfel. Hexagon-Würfel. Jeder würfelt wie bei Kniffel mit allen 5 Würfeln, darf zweimal nachwürfeln und das Ergebnis nach einem Ra[ch]istischen Spielbrettschema einordnen und kummulieren. Und damit man seine tausendjährigen Würfelgewohnheiten gleich über den Haufen werfen kann, wurden die Zahlen 1 bis 6 durch Symbole ersetzt.
    Jedes geworfene Sonnensymbol „Ra“ ist sofort verloren und muß in der Ra-Reihe abgelegt werden, Jede “Pharaomütze” oder jedes “Schiff” bringt uns auf der Pharo/Schiff-Reihe vorwärts, wo einmal Relativ-Positionen gegenüber den Mitspielern und einmal Absolut-Fortschritte vom Startfeld aus gesehen in Siegpunkte umgerechnet werden. Jede „Pyramide“ darf in einem Zeilen-Spalten-Muster abgelegt werden, woraus bestimmte Kombinationen bei Spielende mit progressiv wachsenden Siegpunkten honoriert werden. Von „Sklaven“ benötigt man schon mindestens 3 aus 5, um sie siegpunktträchtig ablegen zu können; hat man nur 2 davon, sind sie ersatzlos verloren. Dafür gibt es dann auch noch die „Joker“, die als jedes beliebiges Symbol eingesetzt werden können und die Erreichbarkeit hoher Mindestquoten erleichtern.
    Wie die verschiedenen Würfelergebnisse kummuliert und in 2 Zwischenwertungen und einer Entwertung in Siegpunkte umgerechnet werden, ist Schwarz auf Weiß in einer einfachen Tabelle beschrieben. Doch welche Kombinationen besonders lukrativ sind, auf welche man “hinarbeiten” soll (sofern man mit Würfeln überhaupt gezielt arbeiten kann), welchen Erwartungswert a) ein einzelnes Würfelergebnis und b) die gesamten kummulativ eingetragenen Würfelergebnisse eines “Ra”-Spieler mit sich bringen, das ist natürlich unbekannt. Selbst unser Chef-Statistiker Günther wird in dazu in den nächsten Jahrzehnten keine brauchbare Tabelle erarbeiten. Wollen wir wetten?
    Wer an Würfelspielen Spaß hat, bekommt mit “Ra” einen neuen Zeitvertreib. Ihm wird dann vielleicht auch nicht auffallen, daß nicht einmal die Startspielerproblematik gelöst ist. Wenn eine festgelegte Anzahl Sonnen geworfen wurden, ist das Spiel schlagartig zu Ende, unabhängig davon, ob alle Spieler gleich oft an der Reihe waren. Dass dies gerade bei kummulativen Wertungen unbefriedigend ist, wo ein einziger zusätzlicher guter Würfel leicht 5 Punkte wert sein kann, stört doch keinen großen Geist!
    Günther verteidigte “Ra” verhement als klassisches Nullsummenspiel. Für Walter war es eher in der Summe ein klassisches Nullspiel. Aaron fand es bemerkenswert, daß das Spiel von einem diplomierten Mathematiker erfunden wurde, dem Altmeister Reiner Knizia. Dem hielt Walter entgegen: “Der hat schon längst einen Ghostwriter, der ihm seine Spiele schreibt. Er gibt nur noch seinen Namen her!” Hans würde aus “Ra” gerne die Schachspieler-Effekte herausarbeiten. Muß dazu aber noch bis zu seiner Rente warten. Mindestens.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (obwohl er nicht das Gefühl hatte, etwas steuern zu können), Günther 7 (lockeres Würfelspiel), Hans: 3 (primitiver Würfelmechanismus mit komplexer Wertung), Walter: 2 (tut mir leid, ihr lockeren Würfler, ich mag hier schon das Prinzip nicht).

    3. “Fzzzt!”
    Walter war strikt dagegen, aber sein Einspruch wird offensichtlich nicht für ernst genommen. Aaron durfte Hans die Regeln erklären, und nach seinen zwei vorhergegangenen Generalproben machte er das vorzüglich. Als er fertig war, kommentierte Hans: „Hübsch! Gefällt mir soweit!“ – Als wir seinerzeit soweit waren, haben wir das auch noch gesagt. Inzwischen hat sich die Benotung bei 5 Punkten eingependelt. Hans machte einen gewaltigen Ausreißer.
    WPG-Wertung: Hans: 8 (niedlich, locker und gut).
    Lieber Herr Blaumeise,
    Hans war heute auch bei „Startspieler“ nicht so kritisch wie wir anderen. Mehr als 5 Punkte würde er für dieses Kartendeck geben. Solche Sprüche wie: „Wer den coolsten hat, darf anfangen“ haben ihn einfach überzeugt.

    4. “Bluff”
    Erstmals spielten wir mit der „Anderschschen Warmduscherregel“ (siehe Session-Report vom 23.11.2009). Als Günther vor der Alternative stand, mit Risiko zwei Würfel (relativ) zu verlieren oder ohne Risiko einen, fand er diese Situation „doof“. Dabei ähnelt die doch schon ganz schön stark einem Nullsummenspiel!
    Im zweiten Durchgang spielten wir wieder nach Standard. Im Nu bekam er die Gelegenheit, diese unsere 180° Wende zu bedauern.
    Noch eine Knobelei für Logiker am Ende:
    Aaron stand mit 2:1 gegen Hans im Endspiel. Er legte 1 mal die Vier vor, Hans hob auf 1 mal die Fünf, Aaron auf 1 mal Stern, Hans auf 2 mal Eins und Aaron auf 2 mal Zwei. Hinterher diskutierten wir noch lange über die Fehler, die jeder innerhalb dieser Folge gemacht hatte. Schon die Vorgabe 1 mal die Vier war problematisch!
    Frage: Wer hat gewonnen und was hatte jeder von ihnen unter seinem Würfelbecher???
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
    cum-mulis

    23.11.2009: Spielen mit Michael

    Michael Andersch, Profi-Kritiker von “H@LL 9000” war heute unser Ehrengast. Auf der Internet-Seite “www.hall9000.de” findet man von ihm aktuell 795 Spiel-Bewertungen. Wie hat er das nur in seinen noch jungen Jahren geschafft? Ganz einfach: Dreimal die Woche spielen: in einem Brettspiel-Verein, mit seiner nicht-spiel-abgeneigten Ehefrau und in seinem Bekanntenkreis. Es ist seine liebste Freitzeitbeschäftigung.
    Damit er für das Brüten über “Agricola” und “Il Principe” aber immer einen klaren Kopf hat, radelt er stundenlang durch die Gegend. Das kostet sogar den größten Anteil seiner Freizeit. Sein meistes Geld hingegen investiert er in Lego-Technik. Seine ferngesteuerten Tieflader und andere Lego-Creationen sind auch auf YouTube zu bewundern. Sucht nur danach!Spielen mit Michael
    1. “Machtspiele”
    In einem großen Unternehmen ziehen wir die Fäden im Hintergrund. Wir setzen Mitarbeiter ein und entlassen sie wieder. Wir bilden Abteilungen und Hauptabteilungen und strukturieren sie um. Wir reißen uns die Geschäftsbereiche Personal, Entwicklung, Buchhaltung und Kommunikation u.a. unter den Nagel, bringen unsere leitenden Angestellten in den Vorstand und wenn’s hoch kommt, machen wir einen davon zum Boss.
    Jeder Bereich, den wir kontrollieren, gibt uns Vorteile für unsere weiteren Aktionen. Wir punkten in den Kompetenzbereichen Einfluß, Aktien, Hauptabteilungen, Erfahrung und Korruption.
    Apropos Korruption: Sie ist keineswegs so verpönt, wie man das heutzutage von offiziöser Seite her manchmal liest. Wer sie iniitiiert, bekommt Pluspunkte, wer sie annimmt auch. Nur wer sie ablehnt, weil die gebotene Summe zu gering ist (oder weil er ein Ehrenmann bleiben will), wird bestaft: Er muß einen seiner Mitarbeiter entlassen. Wer kann da schon aus gewissen Gründen ein bißchen Bestechungsgeld ablehnen?
    Die Mitarbeitermotivation ist ständig am Sinken. Dafür gibt es vielerlei Gründe. Wie kann man auch nur den Aufenthaltsraum in den Keller verlegen? Bei niederiger Motivation sind unsere Kompetenzen besonders gefragt. Jetzt können wir mit unseren Kunststückchen das Management beeindrucken, und entsprechende Sonderprämien auf unser Konto buchen.
    Dabei fordern die “Machtspiele” aber einen klaren Plan. Wer auf jeden Pluspunkt in jeglichem Unternehmensbereich schielt, kann die Siegpunkt-Bedinungen leicht aus dem Auge verlieren. Konzentration auf wenige Bereiche, in denen man am schnellsten die geforderte Grenze überschreiten kann, ist unbedingt zum Sieg erforderlich, und der Schlüssel dazu ist die Kontrolle der Kommunikation. Fast wia im richtigen Leben.
    WPG-Wertung: Aaron: 8, Günther: 7, Michael: 6 (im ersten Überschwang eine “klassische” 7, dann Reduktion wegen der Spieldauer, Walter: 8 (viele kreative Handlungsoptionen).
    Aaron oder Walter schreiben eine Rezension.
    2. “Zapadákov” bzw. “Nowheresville”
    Michael hat es aus Essen mitgebracht, weil die ungewöhnliche Aufmachung neugierig machte. Jeder Spieler führt zunächst einen “Banditen”, mit dem er die lokale Bank, die Postkutsche oder die Eisenbahn überfällt, und sich daran bereichert. Wieviel er dabei jeweils erbeutet, ist zufallsabhängig, nur die Anzahl der zu erbeutenden Scheine ist sichtbar, nicht ihr Wert.
    Für einen erfolgreichen Überfall benötigt der Bandit eine Mindeststärke, die durch zufällig gezogene Stärkekarten bestimmt wird. Den Rest zwischen aktueller Stärke und benötigter Stärke kann der Spieler versuchen, durch einen guten Würfelwurf zu erzielen.
    Wollen zwei Spieler mit ihren Banditen gleichzeitig das gleiche Objekt überfallen, dient als Tie-Break ein Geschicklichkeitswurf auf eine Zielscheibe. Wer eine Scheibe am nächsten in die Mitte wirft, fällt über, der andere fällt aus. Dieser Herausforderungswechsel vom Spiritus der Spielers an ihre Physis ist immerhin eine bemerkenswerte Erfindung in “Nowheresville”.
    Als Alternative zur Geldbeute wird das Gefängnis angeboten. Wer hier mit der entsprechenden Stärke plus ergänzendem Würfelwurf auftaucht, kann einen Banditen befreien und zieht jetzt mit zwei Banditen auf Raub aus.
    Claro, wer als erster die richtigen Stärkekarten zieht, um einen Überfall auf das Gefängnis verüben zu können, kann als erster zwei Banditen für sich arbeiten lassen und dementsprechend doppelt kassieren. Und sich natürlich auch schneller einen dritten und vierten Banditen-Mitarbeiter zulegen. Gegen dieses exponentiale Davonziehen des glücklichen Banditenführers ist kein Kraut gewachsen. Leider auch keines, das “Zapadákov” zu einem ausbalancierten reifen Spiel macht. Wir brachen ab.
    Michaels positivistische Formulierung für diese Art von Spielen: “Wieder ein Spiel, das nicht im Schrank herumliegen muß!”
    Zunächst keine WPG-Wertung: Walter vergibt nachträglich 2 Punkte.
    3. “Bluff”
    Michael brachte zwei neue Varianten mit:

    1. Alternative zur Warmduscher-Variante.
      Wenn die Vorgabe angezweifelt wird und die Würfel stimmen genau mit der Vorgabe überein, geben nicht alle Spieler (außer dem Vorgeber) einen Würfel ab, sondern nur der Anzweifler gibt einen Würfel ab, und zwar nicht in die Schachtel zurück, sondern an den Spieler, der die genau richtige Vorgabe gemacht hat.
      Vorteil: Die “unschuldigen” Spieler werden nicht mit ins Unglück gerissen.
      Nachteil: Die Spieldauer für das super kurzweilige Bluff kann sich verlängern. Worunter besonders diejenigen Spieler leiden, die frühzeitig ausgeschieden sind.
    2. Neues Zählsystem
      Es wird nicht bis zum Endspiel ausgespielt, sondern nur bis die Hälfte der Würfel abgegeben wurden. Dann bekommen alle Spieler soviele Pluspunkte, wie sie noch Würfel besitzen.
      Diese Punkte werden über eine Reihe von Durchgängen addiert und bestimmen zum Schluß den Sieger.
      Vorteil: Es gibt nur einen einzigen Sieger.
      Nachteil: Es gibt nur einen einmaligen Sieger.

    18.11.2009: Peloponnes versus Egizia

    Rotwein am WestparkWer diesen Session-Report liest, hat schon gemerkt, daß sich Aufmachung und Technik dafür geändert haben. Die bisherige Methode war ausgereizt, der verfügbare Speicher ausgeschöpft und die Möglichkeiten für die Text-Gestaltung recht begrenzt.
    Mit dem neuen System:

    1. kann jeder Berichtersteller während der Erstellung Bilder oder andere Medien in seinen Bericht einfügen;
    2. gibt ein verbessertes Kommentarsystem, bei dem nur der erste Kommentar eines Schreibers authorisiert werden muss, alle weiteren sind dann unmoderiert;
    3. sind Trackbacks und Kommentarverlinkung erlaubt und es werden passende RSS-Files erstellt. (Wofür unser Administrator die dann einsetzen wird, ist er noch am Überlegen. Was das überhaupt ist, kann ich nicht sagen, ich verstehe nix davon.)
    4. kann man nach beliebigen Zeichenfolgen suchen. Dabei werden alle Session-Reports aller WPG-Zeiten durchsucht. Ich hab’s gerade ausprobiert. „Weihnachtsmann“ kommt überhaupt nicht vor, aber immerhin einmal ein „Engelchen“! Wer vor fünf Jahren war wohl damit gemeint?

    Liebe Leser, ob es Euch gefällt oder nicht, zurückgerudert wird nicht mehr. Dafür hat Aaron viel zu viele Tage mit Forschen, Programmieren, Testen und Migrieren geopfert. Aber wenn Ihr wollt, könnt Ihr uns mitteilen, welche Bilder Euch in unseren bisherigen „Blei-Wüsten“ abgegangen sind und welche Ihr gerne drin hättet. Wir werden Euren Wünschen nach Möglichkeit gerne nachkommen.
    1. “Peloponnes”
    2009 in Essen herausgekommen. Wir Westpark-Gamers haben als Beta-Tester zum letzten Schliff beitragen können, doch die jetzige Produktionsfassung war für uns von Aufmachung und finalen Details her noch unbekannt.
    Walter hatte sich in das Regelheft eingearbeitet und durfte vortragen, natürlich unterbrochen von Fragen zu Logik und Strategie und zuweilen angezweifelt von den Besserwissen der Testversion. Am Ende kam aus Peters Mund der Kommentar: „Du hast in deinem ganzen Leben noch nie so gut erklärt.“ Skeptische Rückfrage von Günther: „War das jetzt eine Kritik oder ein Lob?“ Die Aufklärung blieb offen.
    Wir repräsentieren Zivilisationen auf der Peloponnes und versuchen, unsere Regionen besser zu entwickeln als unsere Mitspieler. Wir ersteigern Gebäude- und Landschaftsplättchen, die unsere Bevölkerung wachsen lassen, Reserven an Nahrungsmitteln und Baumaterial aufstocken, und unsere liquiden Geldmittel für die nächsten Versteigerungsaktionen wachsen lassen.
    Bemerkenswert und sehr gelungen ist der Verdrängungswettbewerb beim Versteigern. Wieviele Spieler, soviele Nutzplättchen liegen pro Runde zur Versteigerung aus. Jedes Plättchen besitzt einen Mindestwert, der geboten werden muß, jeder Spieler darf nur einmal einen beliebigen Betrag bieten. Wird für das gleiche Plättchen ein höherer Betrag geboten, muß der Spieler unverzüglich abziehen. Er darf sich ein anderes Plättchen aussuchen, muß dabei aber den Mindestwert beachten. Gibt es für die gebotene Erstsumme kein freies Plättchen mehr, so geht der Spieler leer aus, d.h. er bekommt gerade noch eine kleine Entschädigung für seinen Zug, sonst aber nichts.
    Dieser Verdrängungsmechanismus ist das Herzstück des Spieles und erzeugt oft schallendes Gelächter, meist aus Schadenfreude, weil einem Mitspieler beim Versteigern das anvisierte Plättchen durch die Lappen gegangen ist. Und Schadenfreude, vor allem im Verhältnis alle gegen einen ist in jedem Fall ein positives Design-Element. Peter, der durch die Sommer-Neuheiten auf unserem Spieltisch keineswegs verwöhnt war, konnte recht schnell ausrufen: „Ich bin zum ersten Mal zufrieden mit einem Spiel!“ – Na ja, so gut ist sein Gedächtnis auch nicht mehr.
    Beim Auslegen der zur Versteierung anstehenden Nutzplättchen, die mit umfangreichen Piktogrammen zu ihrer Funktionalität ausgeschmückt sind, gab es erstmals richtige Rangeleien um den Orientierungssinn. Peter wollte, daß die Schriftzeichen und Zahlen von seiner Seite aus zu lesen seien, Aaron gestand zu, daß sie abwechselnd von Peters und von seiner Seite aus zu lesen seien. Loredana hatte keine Schwierigkeiten, die Piktogramme auf dem Kopf zu lesen, aber sie plädierte für Konstanz und war dagegen, sie immer abwechselnd einmal auf dem Kopf und einmal richtig herum zu lesen. Günther erfand eine um 90 Grad gedehte Alternative, die eindeutig seinen Blickwinkel bevorzugt hätte. Peter sah seine Felle davonschwimmen und wollte dann am liebsten niemandem etwas gönnen, also 180 Grad gegenüber Günthers Optimallage. Walter als Frauenversteher schlug sich auf Loredanas Seite, und das gab den Ausschlag. (Frage an die Internen: Welche beiden WPGler hatten diesmal die Sitzplätze getauscht?)
    Die Entwicklung verläuft in der „Peloponnes“ keinesweg linear aufsteigend. Wie im richtigen Leben brechen in unregelmäßigen Zeitabständen Katastrophen über uns herein, und unweigerlich müssen wir dabei Federn lassen: wir verlieren Bevölkerung, Nahrung oder andere Ressourcen. Als Günther durch die „Verfalls“-Katastrophe alle seine Luxusgüter verlor, frohlockte Peter: „Welch eine Freude, daß es Günther getroffen hat.“ „Wieso ich“, tönte Günther zurück, „ich bin doch gar nicht vorne.“ „Das ist ja die Freude daran!“ – So schlecht ist Günthers Image bereits als Immer-Sieger.
    Diesmal konnte Aaron sein Schiffchen sicher durch die Stürme des Schicksals lenken und allen Anfeindungen seiner Mitspieler trotzen. In einer ausgewogenen Mischung aus Population und Machtpunkten zog er allen anderen weit davon.
    WPG-Wertung: Aaron: 8, Günther: 7 („ 7 Punkte bedeuten schon ein Superspiel“), Loredana: 8 („nicht langweilig“), Peter: 7 (macht Spaß, vermißt Willi’s Feintuning), Walter: 9 (vermißt Willi’s Feintuning NICHT)
    Walter schreibt eine Rezension.

    2. “Egizia”
    Von Peter schon im Vorfeld auf der Wunschliste für den heutigen Tag, doch das Spiel geht nur maximal bis 4 Mitspieler. Der Gastgeber verzichtete freiwillig auf eine eigene Rolle und durfte dafür mit Loredana eine Tisch- und Brett-Gemeinschaft eingehen. Erfolgreich, hinter dem Immer-Sieger Günther belegten sie den zweiten Platz.
    WPG-Wertung: Loredana mit 10 („hat mir gefallen, hab’ schon lange keine 10 Punkte vergeben“) und Peter 8 („intelligent, aber (?) mit Glückselementen) blieben mit ihrer Punktvergabe im Durchschnitt beim Durchschnitt.
    3. “Bluff”
    Aaron konnte ein 2:4-Endspiel gegen Walter noch zu seinen Gunsten drehen.
    Im zweiten Endspiel ging es mit 3:3 – Würfeln gegen Günther. Den Vorgaben zu schließen hatte jeder jede Menge Zweier und/oder Sterne unter dem Becher. Nach dem Gebot von 5 mal Zwei durch Günther ging Aaron auf 3 mal Stern. Was hättet Ihr jetzt wohl an Günther’s Stelle mit 2 Zweien und 1 Stern unter dem Becher geboten?
    Anzweifeln wäre richtig gewesen, doch Günther hob auf 6 mal die Zwei und das war bei Aaron’s Wurf von Zwei, Drei und Stern genau 1 zuviel. Von da an ging’s bergab.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    11.11.2009: Sumeria vor den Toren der Welt

    Nie mehr Streit darum, wer anfängt. Das verspricht Ted Alspach mit einer speziellen Erfindung: Ein Kartendeck namens “Startspieler”. Man zieht daraus blind eine Karte, und diese enthält dann eine Anweisung, wer Startspieler wird. Z.B.: “Startspieler wird, wer die größten Hände hat.” Oder “Startspieler ist, wer als nächstes Geburtstag hat”.
    Nach den “exakten Berechnungen” des Verlages BeWitched-Spiele “könnten jedes Jahr 2,5 Millionen Spiele mehr gespielt werden, wenn es nicht so lange dauern würde, einen Startspieler zu bestimmen. Sie behaupten sogar noch ganz kühn: “Wir haben das Problem gelöst.”
    Natürlich ist das Ganze nur ein Scherz, doch mit erheblichem Ärgerpotential. Einem redlichen Mensch dreht sich nämlich – wie im richtigen Leben – der Magen rum, wenn lauthals Problemlösungen versprochen werden, die keine sind. Wenn eine Startspieler-Bestimmung z.B. lautet: “Startspieler wird, wer seine Augen am längsten geschlossen hält”, dann frage ich mich doch ernsthaft, ob mit solchen Vorschrifen nicht nur 2,5 Millionen Spiele nicht mehr gespielt werden, sondern gleich 2,5 Milliarden. Ein rechter Scheiß!
    1. “Sumeria”
    Startspieler wurde, wer zuletzt Tomatensaft getrunken hat. Das war zunächst nicht so leicht zu ermitteln, und damit hätte schon fast der Abend draufgehen können. Da aber der Hausherr heute Tomaten zum Abendbrot verspeist hatte, wurde diese Behauptung a) geglaubt und b) als Ersatzlösung angenommen. Wahrlich, der “Startspieler” ist schon ein rechter Quadrat-Scheiß!
    In “Sumeria” gibt es auf einer fiktiven Landkarte des Zweistromlandes 8 Regionen, die zu Spielbeginn in eine willkürliche Rangfolge gebracht werden. Jeder Spieler darf jetzt pro Zug “Händler” in Städte und Dörfer der Region placieren, und damit die ursprüngliche Rangfolge ändern. Kommt in eine Region ein zusätzlicher Händler, so steigt die Region in der Rangfolge um einen Platz nach oben. Nimmt man einen Händler aus einer Region heraus, so fällt die Region entsprechend herab. In festen Runden-Abständen werden die führenden drei Regionen gewertet. Wer hier die meisten Händler hat, darf sich ein oder zwei Bonuskärtchen nehmen. Wer die zweitmeisten Händler hat, bekommt meist auch noch ein Bonuskärtchen, alle anderen Spieler gehen leer aus.
    Die erworbenen Bonuskärtchen werden am Spielende nach einer quadratischen Summenformel in Siegpunkte umgerechnet. Es kommt nicht allein darauf an, die absolut meisten Kärtchen zu haben, sondern möglichst viele von der gleichen Sorte. Und dazu muß man zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Regionen die meisten Händler placiert haben.
    In “Sumeria” läuft ein hübscher Verschiebungsmechanismus auf der Rangfolge-Skala ab. Der Besitzstand der Mitspieler muß genau beobachtet und die freien Dörfer in den Regionen müssen scharf analysiert werden, um die führenden Regionen und ihr Rangfolge-Potential zu ermitteln. Ein weiterer, wichtiger Kampf ist der Kampf um die Startspieler-Reihenfolge, wobei hier nicht der erste sondern der letzte Spieler entscheidende Vorteile hat. Er kann mit seinem letzten Zug in jedem Fall noch die Rangfolge der beiden führenden Regionen umkehren, oder er kann bestimmen, welche Region als vierte gänzlich aus der Wertung fällt.
    Die gesamte Entwicklung läßt sich nur schwer gänzlich vorhersehen, trotzdem läuft ein Spiel bei den einfachen Zugmöglichkeiten sehr flott ab.
    WPG-Wertung: Aaron: 7 (Grübelspiel, trotz der wenigen Regeln), Günther 7 (abstraktes Spiel mit starken Chaos-Elementen), Walter: 7 (schnelles geistreiches Spiel).
    2. “Die Tore der Welt”
    Wiederum hat ein Bestseller von Ken Follett (“Die Säulen der Erde”) als thematischer Hintergrund für ein Kosmos-Brettspiel herhalten müssen. Jeder Spieler bekommt einen Satz von Aktionskarten, aus dem er pro Runde sechs Stück beliebig auswählt. Er sammelt Baumaterial, baut öffentlich oder privat, kassiert Geld, erntet Korn, spinnt Wolle, webt Tücher oder übt sich in Frömmigkeit. Einige dieser Tätigkeiten sind Pflicht, und man wird streng bestraft, wenn man sie innerhalb einer bestimmten Rundenzahl nicht gewissenhaft erfüllt hat. Andere sind Kür und werden in Siegpunkte umgesetzt.
    Günther zog im Nu davon und hatte nach wenigen Runden fast doppelt soviele Siegpunkte auf seinem Konto wie seine beiden Mitstreiter. Keiner wußte so genau warum, nur er selber, doch davon hatte er mit seinem Wissensvorsprung am Anfang natürlich nichts verraten.
    Öffentliche Bauvorhaben bringen die meisten Siegpunkte ein, in den letzten beiden “Kapiteln” kann man auch als Pestheiler gut punkten. Private Häuser sind eine Hoffnung auf spätere Sicherheit, doch damit gewinnt man in einem scharfen Wirtschaftsspiel keinen Pappenstil. Bei den Pflichtübungen das Minimum tun, und ansonsten immer die punkteträchtigste Aktion durchführen, das ist der Schlüssel zum Sieg.
    WPG-Wertung: Aaron: 6 (Schön aufgemacht, aber das Spiel dümpelt so vor sich hin.) , Günther: 6 (nicht kompliziert, aber auch nicht planbar), Walter: 6 (thematisch aufwändig, doch vom Spielerischen her nicht ganz überzeugend)
    3. “Savannah Tails”
    Der Aufbau des Streckenparcous war ein erster topologischer Intelligenztest, den wir nur mit Mühe bestanden. Bei den vielen Linien und Motiven auf den einzelnen Streckenteilen war es gar nicht so einfach zu erkennen, ob die Streckenführung jetzt in eine Linkskurve oder in eine Rechtskurve übergeht.
    Auf der Strecke verlaufen Straußenspuren in den Farben rot, gelb, blau und schwarz. Jeder Spieler besitzt einen Strauß, den er in einem Wettlauf über die Strecke schickt. Wie bei vielen ähnlichen Rennwettbewerben (z.B. “Formula De”) besitzt jeder Spieler den gleichen Set von Karten, mit denen die Schrittweite eines Zuges bestimmt wird. In “Savannah Tails” wird damit zugleich die Farbspur vorgegeben, auf der ein Zug enden muß. Es kommt also ständig zu zwangsweisem Spurwechseln.
    Großes Gerechtigkeits-Problem: Die Spieler dürfen nicht ihr vollständiges Kartendeck in die Hand nehmen, sondern immer nur 4 Karten davon. Wer Pech hat, muß mit seinen Karten für Zweier- und Dreier-Schrittweiten anfangen und hat dabei noch unglückliche Farbkombinationen. Er wird zu häufigen Spurwechseln gezwungen, kann keine Kurven schneiden, kann Hindernisse nicht stromlinienförmig überwinden und gerät hoffnungslos ins Hintertreffen. Während seine Sechser- Reichweiten noch friedlich im Kartendeck schlummern, ist die Konkurrenz bereits am Ziel angelangt. Das kann zwar lustig und – für die Sieger – unterhaltsam sein, ein Prädikat für ausgereiftes Design wird dafür nicht vergeben.
    Gewollter Aufbau von Engpässen, Ausnutzung der Streckenführung, den Gegner Schneiden und Abdrängen, all diese schönen Ärgerfaktoren gibt es nicht. Jegliche Interaktion innerhalb des Rennens bleibt ausschließlich dem Zufall (innerhalb der winzigen Kartenhand) überlassen.
    WPG-Wertung: Aaron: 4, Günther 4, Walter: 5 (zum Warming-Up durchaus geeignet)
    4. “Fzzzt!”
    Eigentlich hatte aus den Erfahrungen der letzten Wochen keiner so richtig Lust, dieses Spiel nochmals zu spielen, doch Aaron wollte noch eine Mission erfüllen:
    a) Günther mit dem Spiel vertraut machen.
    b) einen intelligenteren Anfang hinlegen.
    Mit Karten ersteigern wir Karten zum Ersteigern von Karten um zum Erringen von Siegpunkten. Günthers Kommentar am Ende: “Ich bin mir noch nicht so ganz klar darüber, was ich von dem ganzen halten soll.”
    Den zweiten Punkt seiner Mission konnte Aaron erfolgreich abschließen. Als Sieger verließ er das Feld.
    Günthers 5 Punkte sind an der unteren Grenze der bisherigen WPG-Wertung angesiedelt.

    04.11.2009: Nagelprobe für Egizia

    Die Einschätzungen unserer Essen-Fahrer über “Vor den Toren von Loyang” sind schlecht bis vernichtend. Der Agricola Vorgänger wurde in Essen hoch gehandelt, und deshalb hat es Günther selbstverständlich in seinen Koffer gepackt. Heute urteilt Moritz “Es ist mit Abstand eines der langweiligsten Spiele, die ich je gespielt habe, 3 1/2 Stunden ödeste Buchhalterei.” Die Siegpunkt-Vergabe ist anti-progessiv. Wer am Anfang ins Hintertreffen gerät, bleibt im Punktemühsal der letzten Phase hoffnungslos hinten. “Ihr werdet es hassen!”
    Günther setzt die Hoffnung auf einen Spielabend ohne Moritz: “Da ich es habe, werden wir es dann irgendwann auch am Westpark probieren …” Wie lautet das bekannteste Zitat von unserem noch lebenden Kaiser: “Schaun mer mal!”
    1. “Egizia”
    Günther, Moritz und Peter hatten bei Hans im Glück schon den Prototyp ausprobieren können und waren begeistert. In der Serienversion ist ein Spielbrett mit Anleihen vom Stone-Age-Design dazugekommen, bunt und antik, aber mit Einbußen in der funktionalen Übersichtlichkeit. Der Nil mäandert sich in einem diagonalen Zickzack-Bogen quer durchs Spielbrett und es ist beim flüchtigen Hinsehen nicht immer klar, in welcher Reihenfolge die Stationen angeordnet sind.
    Die Spieler setzen reihum ein Schiffchen auf eine beliebige Station auf dem Spielbrett und bekommen dafür die individuellen Vorteile der Station: Ernährung für die Arbeiter, Steine für allerlei Bauwerke, Zuwachs an Arbeitern, Baugenehmigungen und dergleichen. Diese verschiedenen Vorteile werden pro Runde als “Nil-Karten” zufällig auf die Stationen verteilt.
    Die Beliebigkeit beim Setzen ist allein dadurch eingeschränkt, daß man ein weiteres Schiffchen nur nilabwärts zu seinem Vorgängerschiff plazieren darf. Wer sich also sehr früh weit nach vorn auf eine besonders begehrte Station begibt, überläßt seinen Mitspielern ohne Gegenwehr alle dazwischenliegenen Stationen. Wer die letzte Station erreicht hat, für den ist die Setzrunde zu Ende, unabhängig davon, wieviele Schiffchen die anderen noch setzen.
    Jeder hat sein Glück weitgehend in der Hand. Natürlich im scharfen Wettbewerb mit seinen Mitstreitern. Die ständig wechselnde Szenerie mit den ausliegenden Nil-Karten, die konkurrierenden Ambitionen der Mitspieler und ihr sich sehr schnell unterschiedlich entwickelnder Besitzstand sind die Herausforderung des Spiel. Engpässe gibt es in jeder Beziehung, aber gleichzeitig auch Entwicklungspotential in jede Richtung; Freud und Leid halten sich vorzüglich die Waage. Ein harmonisches Weiterbringen der benötigten Fortschrittskräfte ist der Schlüssel zum Sieg.
    Der Spielverlauf bietet für jeden Spieler eine deutliche Steigerung seines Handlungsspielraums: die vergebenen Siegpunkte wachsen von Runde zu Runde, und die zu Beginn unvermeidlichen Engpässe können immer leichter beseitigt werden. Ein solches Design zeigt eine erfahrene Handschrift beim Autor und vor allem in der jahrelangen Testphase im Verlag.
    Günther und Moritz mit ihrer HiG- und Essen-Erfahrung rissen sich sofort um das Baumaterial. Moritz konnte sich dann auch noch die Ernährung sichern und mit ein paar günstigen Siegpunktquellen den Sieg davon tragen. Aber nur knapp. Doch auch für die Neulinge in “Egizia” waren die zwei Stunden Spielzeit ein ungetrübtes spannendes Vergnügen.
    WPG-Wertung: Aaron: 8 (stimmige Mechanismen), Günther: 9 (bisher bestes Spiel aus Essen), Moritz: 9 (spannende Konkurrenz), Walter: 9 (auf angenehme Weise komplex)
    Walter schreibt eine Rezension.
    2. “The Adventurers”
    Für einen zweiten Hauptgang reichte die Zeit nicht mehr. Moritz durfte ohne Widerspruch ein mittellanges Spiel aus seinem großen, zuweilen auch eigenwilligen Fundus auf den Tisch legen. Natürlich nicht ohne ein gewisses Mißtrauen durch die Mitspieler. “Ist das ein Fantasy Thema?” “Nein, ein Indiana Jones Thema! Und es hat einfach ein sehr schönes Spielmaterial”.
    Auf ein kariertes Spielbrett werden zwei hübsche Mauerabschnitte (nach Art des Ischtar-Tores im Pergamonmuseum) gelegt und ein Stein, der an die Aufgabenstellung vom Sisiphus erinnert. Die Spieler laufen mit ihren Pöppeln von Feld zu Feld, müssen aufpassen, daß sie von den sich aufeinanderzubewegenden Mauern nicht zerdrückt werden, nicht in tödliche Fallen fallen oder vom Sisiphus-Stein niedergewälzt werden. Unterwegs können sie Schätze aufnehmen, die natürlich ihre weitere Laufgeschwindigkeit beeinträchtigen. Auf dem Weg zum Ziel können sie auch einen Teil schwimmend zurücklegen, wobei sie aber Gefahr laufen, nicht wieder sie rechtzeitig herauskommen, und dann einen Wasserfall hinterfallen und ausscheiden.
    Wer die wertvollsten Schätze ans Ziel bringt, hat gewonnen.
    Und was ist der Motor des Spiels? Der Würfel! Sogar fünf Stück davon. Ein Würfelwurf entscheidet, wieviele Felder wir pro Zug zurücklegen dürfen, wieviele Felder der Sisiphus-Stein hinter uns her rollt, wie schnell sich die Ischtar-Mauern schließen, ob wir lebend über eine baufällige Brücke kommen, und ob wir in den Wasserfall fallen. Wie nennt man auf gut deutsch so ein Spiel? Ein Würfelspiel, und nichts anderes!
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (Wenn ich in Stimmung bin, würde ich es nochmals spielen), Günther: 4 (mag das Alles-oder-Nichts-Prinzip nicht, mit hohem Aufwand wenig erreicht), Moritz: 7 (schönes Material, schnell, eigentlich ein Meisterwerk), Walter: 3 (Sisiphus reicht nicht. Meine Noten beziehen sich auf die WPG-Runde und nicht auf eine fiktive lustige Kinderrunde).
    Moritz war über die schlechte Noten seiner Mitstreiter aufgebracht. Es war doch ein lustiges Spiel! Wir haben doch auch viel gelacht! “Du mußt jedes Spiel nehmen wie eine Frau. Manche sind rot, manche sind blond, manche sind dick, andere dünn. Alle haben ihre Vorzüge, und die mußt Du sehen.” Aaron: “The Adventurers ist in diesem Sinne keine intelligente Frau, sondern eine, die einfach nur aufgemotzt ist.” Walter: “Ich vögele nicht jede Frau!”
    3. “Bluff”
    Aaron schlug eine neue WPG-Variante vor: Jeder darf sich unter seinem Würfelbecher aus Herzenslust eine beliebige Würfelkombination zusammendrehen. Dann läuft das Spiel wie normal an. Gesagt getan!
    Walter startete mit der Vorgabe: 10 mal der Stern. Eigentlich wollte er auf 20 mal den Stern setzen, aber soweit reichte das Spielbrett nicht. Hilfsweise addierten wir beim Überrunden des Startfeldes noch 10 Sterne hinzu, so daß Moritz auf 11 mal den Stern heben konnte. Aaron zweifelte an.
    Günther und Walter hatten je fünf Sterne unter ihren Bechern, Aaron zwei Sterne und Moritz keinen. One Down is good Bluff.
    Die Variante – obwohl überraschend, lustig und sogar praktizierbar – wurde zunächst noch einmal zurückgestellt.

    28.10.2009: Erste Früchte aus Essen

    Aaron, Günther und Moritz sind aus Essen zurück. Die Spielmesse wird von Jahr zu Jahr größer, voller und gigantischer. “Wie war die Stimmung?” Besser als letztes Jahr, wo die Wirtschaftskrise gerade zum Durchbruch kam. Wenn die Leute weniger Geld für Vergnügen und Gastronomie ausgeben, dann bleiben sie zu Hause und spielen auch häufiger. Inshallah!
    1. “Im Wandel der Zeiten – Das Würfelspiel”
    Ein Würfelspiel zum Erwürfeln von weiteren Würfeln, zum Erwürfeln des Rechts auf Erneutes-Würfeln, zum Erwürfeln von Erträgen an Waren und Nahrungsmitteln und zum Erwürfeln von erhöhten Erträgen bei Waren und Nahrungsmitteln. Dieses Prinzip ist von “Um Krone und Kragen” her bestens bekannt, allerdings ist die Aufmachung etwas pfiffiger, jeder hat das Gefühl, er sei seines Glückes Schmiedchen und recht zügig – in 30 Minuten – ist ein Spiel über die Runden gebracht.
    Unser Moritz hatte die Gewinn-Strategie als erstes durchschaut: Die höchste Priorität beim Würfeln hat die Erhöhung der Würfelzahl, mit denen man ab der nächsten Runde würfeln darf, dann erst muß man sich um die siegpunkte-trächtigen Würfelergebnisse kümmern. Am Ende ergibt sich der Sieg aus der Summe aller Errungenschaften, die man sich im Laufe des Spiels erwürfeln konnte.
    Zum Spielmaterial gehört ein hübsches Holzbrett auf dem jeder Spieler seinen Besitzstand an Waren und Nahrungsmitteln markieren kann. Weiterhin bekommt jeder ein ausgefeiltes Formularblatt, auf dem er seine Errungenschaften notieren kann. Didaktisch gelungen und übersichtlich. Aber halt nur ein Würfelspiel.
    Frage am Rande: Ist im Grunde nicht auch der Massenanziehungssport Fußball nur ein Würfelspiel? Man betrachte nur das Pokal-Ergebnis zwischen der Spielvereinigung Greuther Fürth – und dem Schwabenstolz VfB.
    WPG-Wertung: Moritz: 8 (schnell und gelungene Thematik), Aaron: 6 (schnell, sucht noch die Thematik), Walter: 6 (schnell, sucht auch noch die Thematik).
    2. “Tammany Hall”
    Wir sind New Yorker Aborigines auf der Südspitze von Manhattan und müssen den Einwandererstrom auf unsere politische Seite ziehen, damit wir Bürgermeister werden und Siegpunkte verbuchen können.
    Ein Spiel besteht aus 4 Phasen (“Amtszeiten”) zu je 4 Zügen (“Jahren”). Einwanderer verschiedener Nationalität tauchen vor der Küste auf, und wir dürfen pro Zug zwei Pöppel (“Bezirksbosse unserer Partei”) auf beliebige Regionen in Manhattan setzen oder einen Einwanderer-Kubus in unsere Region lassen und dafür einen Einwanderer-Bonus kassieren.
    Alle 4 Jahre wird gewertet, wer in einer Region die meisten Bezirksbosse sitzen hat und wer von den verschiedenen Einwanderer-Nationen jeweils die meisten auf seine Seite gezogen hat. Entsprechend werden Siegpunkte verteilt.
    Gegen die Bezirksbosse der Mitspieler dürfen wir Verleumdungskampagnen entfachen. Der Verleumdete kann sich nicht wehren, sondern ist unweigerlich ein toter Mann; allerdings muß der Verleumder dafür einen Einwanderer-Bonus abgeben, so daß sich die Vor- und Nachteile auf beiden Seiten ziemlich ausgleichen. Nur der unbeteiligte dritte und vierte Mitspieler kommt ungeschoren davon. Klares Prinzip: Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte.”
    Dieses Prinzip ist natürlich kontraproduktiv zum naheliegenden und gewollten Verleumdungskampf gegen den politischen Gegner. Ein wichtiges Spielelement schadet dem, der es anwendet und dem, gegen den es angewendet wird. Das erscheint zweifellos als eine Schwäche des Spiels. Unsere Lämmer Aaron und Walter gingen sich gegenseitig wie die Wölfe an die Wolle und unser Wolf Moritz spielte friedlich wie ein Lamm und konnte so haushoch gewinnen.
    Moritz übernahm ab der zweiten Amtsperiode den Bürgermeisterposten und gab Walter einen lukrativen Unterposten innerhalb der Administration. Hocherfreut nahm Walter den Posten an und bot Moritz gleich einen Deal an: “Wenn Du mir in der nächsten Amtsperiode den gleichen Posten gibst, greife ich Dich in dieser Amtperiode nicht an!” Moritz sagte bedenkenlos zu. Da ereiferte sich Aaron: “Das ärgert mich jetzt richtig! Moritz, das ist dumm, was Du jetzt machst! Das ist Kingmakerei!” Dabei half Moritz mit seinem Eingehen auf diesen Nichtangriffspakt nicht einem Dritten auf dem Thron, sondern er sicherte sich seinen eigenen Thron und verhalf Walter damit nur auf den zweiten Platz. Also war das höchstenfalls Queenmakerei. “Honi soit qui mal y pense!”
    WPG-Wertung: Aaron: 7 (wie “El Grande” komplex), Moritz: 6 (reizt nicht zum Wiederholen; wie “El Grande” simple), Walter: 7
    3. “Fzzzt!”
    Der Name soll an den Zischlaut erinnern, wenn ein elektrischer Funke überschlägt. Auf der Schachtel steht als Kurzbeschreibung: “A futuristic robot auction game with some dodgy mechanics”, auf Babelfish-Deutsch: “Ein futuristisches Roboterauktionspiel mit einigen zweifelhaften Mechanikern”.
    Ein Kartenspiel zum Ersteigern von Karten, mit denen man erstens Siegpunkte gewinnt oder mit denen man zweitens seine Kartenhand laufend verbessert. Also quasi ein Biet-Dominion.
    Im eingeschwungenen Zustand darf sich jeder Spieler 6 Auktionskarten aus seiner Kartenhand auswählen und damit auf ausliegende Karten bieten. Verdeckt bieten! Dieses Bietchaos ist der ganze Witz des Spiels. Immerhin. Wer am Ende die beste Kombination von Karten ersteigert hat, ist Sieger.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (aus Ärger über seinen grottenschlechten ersten Zug, der seinen Totalverlust besiegelte, Moritz: 7 (besitzt Lerneffekt; beim nächste Mal würde ich manches anders spielen), Walter: 6 (ganz lustig, mag aber keine blinden Auktionsspiele)

    "Was lag auf den Tisch?"