13.05.2009: “Maori” und die “Frage der Ähre”

Wir haben einen ungeheuren Verbrauch an Gummibärchen. Vor Jahren waren Haribo’s Fröschli der Favorit, später Katjes Tropenfrüchte, und heute sind es die Saft-Gummis von Trolli. Pro Kopf und Tag wandert mehr als ein Päckchen in den Spielermagen. Wenn ich dann oft genug in rauhen Mengen Nachschub kaufe, fragt die Verkäuferin: “Kindergeburtstag?”
Dabei ist unser Kücken gerade 36 geworden. Und hat auch soeben schon seine Zahnspange bekommen. Der Arzt hat ihm strikt verboten, Gummibärchen zu essen. Ein ganzes Jahr lang. Jetzt hat er seinen tonnenschweren Privat-Vorrat dem Westpark gespendet. Vier Wochen lang bleibt der Verkäuferin das freundliche “Kindergeburtstag?” erspart. So lange aber nur, weil einer nicht mehr mitverzehrt!
1. “Maori”
Nagelneu, 2009 auf der Spielmesse in Nürnberg noch nicht herausgekommen, von Günther Burkhardt gezeugt, von Hans im Glück ausgetragen.
Auf einer quadratischen Fläche von 4 mal 4 Feldern liegen Inselteile mit Bäumen, Hütten, Schiffen und Muscheln. Die Spieler dürfen reihum jeweils einen Inselteil auf ihre Privat-Landkarte nehmen. Wer am Ende die siegpunkt-trächtigste Landkarte zusammengestellt hat, ist Sieger.
Natürlich gibt es Randbedingungen zu beachten. Man darf sich nicht ein beliebiges der offen ausliegenden Inselteile nehmen, sondern muß mit einem Spielstein, der gemeinsam von allen Spielern außen um die Fläche mit den Inselteilen herumbewegt wird, möglichst nahe herankommen. Mangelnde Nähe darf durch Bezahlen in Muscheleinheiten ersetzt werden.
Man darf die ergatterten Inselteile auch nicht beliebig auf seiner Landkarte plazieren, sondern man muß sie in Nachbarschaft zu einem Schiff anlegen, daß man vorher innerhalb seiner Landkarte positioniert hat. Falsche Positionierung kann man hierbei ebenfalls mit der Muschelwährung ausgleichen.
Immer wieder Muscheln. Für ältere Herren ab 36 ist das selbstverständlich ein Anlaß zu Wortspielen, oder besser gesagt Wort-Anspielungen. Es gibt M-Probleme, M-Strategien, M-Mangel und M-Bedarf. Keine Muschel mehr zu haben ist tödlich. Lieber eine Muschel zu viel als eine zu wenig. Aaron wurde durch eine Muschel in das Unglück gestürzt. Im entscheidenden Moment hatte er keine zur Verfügung!
Ein lockeres leichtes Familienspiel, mit einfachen Regeln, mit der Hoffnung auf Planung, einer Abfederung der Niederlage durch Glückselemente, und einer Aufweichung der determinierten, mechanischen Bewegungen durch Muschel-Einsatz.
Nach der Schlußabrechnung konstatierte Walter: “Wenn man die Siegbedingungen kennt, ist das Spiel viel besser” – Großes Gelächter. Aber unbegründet. Denn es gibt Spiele, die kann man nur dann ganz fröhlich und unverkrampft darauf losspielen, solange man die Siegbedingungen nicht kennt und deshalb nicht weiß, was richtige und was falsche Züge sind. In “Maori” stehen zunächst alle Mitspieler vor der gleichen Ausgangslage und lauern auf die gleichen Inselteile. Das ist ein bißchen einseitig. Doch schnell entstehen zufällige Ungleichgewichte – der eine hat mehr Bäume, der andere mehr Schiffe, der nächste mehr Muscheln usw. Diese Ungleichgewichte gilt es auszubauen, denn am Ende werden die extremen Besitztümer besonders honoriert. Jetzt verfolgt jeder andere Aufbauziele, die Inselteile in der Mitte bekommen für jeden eine andere Wertigkeit, die Chance für Schnäppchen wächst, das Spiel wird vielseitiger. Besser!
WPG-Wertung: Aaron: 7 (nettes Familienspiel), Günther: 7 (plus), Hans: 7 (für 8 Punkte zu leicht), Peter: 7 (plus), Walter: 7
2. “Eine Frage der Ähre”
Während des Spielaufbaus diskutierten wir Moritz’ Lottovorlieben. Warum auch immer. Hans behauptete: “Wenn beim Roulette zehnmal hintereinander Rot kommt, wird Moritz ebenfalls auf Rot setzen, um auf die lange Serie aufzuspringen.” Peter widersprach: “Moritz wird in diesem Fall auf Schwarz setzen, weil er von dem Abreißen der Serie profitieren will!” Die Frage blieb unentschieden. Wie haltet es denn ihr Leser draußen bezüglich dieser statistischen Orientierungsfrage?
Günther hatte in die Startaufstellung einen Fehler eingebaut und Aaron konnte ihn allein anhand der Piktogramme auf dem Spielbrett erkennen. Schlußfolgerung von Peter: “Das Spielmaterial ist super!”
Auf einem gemeinsamen Acker von 6 mal 10 Parzellen müssen wir Kartoffeln, Mais, Getreide, Rüben oder Raps anbauen, d.h. Doppelplättchen mit den entsprechenden Pflanzen auflegen. In beliebig vielen Schichten übereinander. Jedes Mal, wenn wir ein Plättchen legen, entstehen neue zusammenhängende Flächen gleicher Anbauarten. Die Summe der orthogonal verbundenen Parzellen einer Anbauart ergeben die Siegpunkte für einen Zug.
Anstelle von Siegpunkten kann man auch “Erntepunkte” kassieren und damit seine Spielsteine auf einer der fünf Bahnen für Kartoffeln, Mais, Getreide, Rüben oder Raps vorwärts ziehen. Wer auf allen Bahnen eine vorgeschriebene Strecke zurückgelegt hat, darf ein Häuschen auf der Anbaufläche positionieren und dafür pro Runde ebenfalls Siegpunkte für Parzellen gleicher Anbaufläche kassieren.
Natürlich ist es dann ein Bestreben der Mitspieler, durch entsprechendes Legen ihrer Anbauplättchen diese Parzellen zu überdecken und damit und den Siegpunkt-Zufluß des Konkurrenten möglichst klein zu halten. So ist der Spielverlauf weniger ein konstruktives Erzeugen großer Anbauflächen für sich selbst, sondern eher ein destruktives Zerteilen der Anbauflächen der Mitspieler. Die Interaktion ist sehr groß, die Schadenfreude beim Zerstören auch, dagegen hält sich die Freude an erfolgreichen Konstruktionen in engen Grenzen. Eine Planung von mehr als dem gerade aktuellen Zug scheint vergebliche Liebesmüh.
Peters Euphorie über das Spielmaterial war schnell dahin. “Das Spiel ist kontingenz-bestimmt.” Walter wußte jetzt nicht, wer auf seine Blase achten sollte, doch Aaron klärte auf, daß es sich hier nicht um “Kontinenz” handelt. Nach Wikipedia ist Kontingenz “in der Philosophie die Zufälligkeit in Hinblick auf eine übergeordnete schicksalhafte Notwendigkeit.” Mit anderen Peter-Worten: “Es ist ein Scheiß-Glücksspiel!”. Na ja, nicht der blinde Zufall entscheidet über den Sieg, sondern die geringste Miesnickeligkeit, mit der man von seinen Mitspielern bedacht wird.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (die Idee ist schön), Günther: 6 (schön öfters gespielt, es war jedesmal nett), Hans: 6 (trotzdem! Im kleinen Kreis sollte es gut funktionieren), Peter: 4 (Wertungs-Konstanz), Walter: 5 (zufälliges Zerstörungsspiel)
Aaron wird eine Rezension schreiben.
3. “Bluff”
Aaron schlug vor, auch die Würfelseiten gelten zu lassen, die man von der Seite sieht. Da wird Günther wieder jahrelang an einer neuen Immer-5-Strategie herumrechnen müssen!
Neue Erkenntnis (welch ein Wunder, daß sie erst heute bewußt wurde):
Wenn man nur noch einen Würfel hat und ausscheiden müßte, wenn unter drei verdeckten Würfeln wenigstens eine Fünf ist, dann ist es besser, darauf bauen, daß unter den drei Würfeln mindestens zwei Fünfen sind! Oder gilt das erst ab vier Würfeln? Heute in der Nacht wird das meine Excel-Tabelle nicht mehr offenbaren.
4. Zahlenexperiment
Zum Abschluß schlug Günther noch ein Zahlenexperiment vor. Jeder soll geheim auf einen Zettel eine Zahl zwischen 0 und 100 schreiben. Dann werden alle Zahlen zusammengezählt und der Durchschnitt gebildet. Wer am nächsten an zwei Dritteln vom Durchschnitt ist, hat gewonnen.
Grobe Überschlagsrechnung: Der rein mathematische Durchschnitt der aufgeschriebenen Zahlen ist 50, zwei Drittel davon ist 33. Diesen Werte sollte man auf seinen Zettel schreiben.
Halt, verkehrt, zweite Näherung: Wenn ich hier determiniert 33 hinschreibe und die anderen den Durchschnitt von 50 einhalten, dann ist der Gesamtdurchschnitt ja schon kleiner als 50 und zwei Drittel davon liegt schon unter 30.
Dritte Näherung: Wenn die anderen genauso rechnen …
Lange Rede kurzer Schluß: der mathematisch vernünftigste Schätzwert für zwei Drittel des Durchschnitts ist 0, in Worten: Null.
Wer die niedrigste Zahl aufgeschrieben hat, ist der Klügste! Bei uns war es Aaron mit der Zahl 11. Ab 10 wäre er nach der nach oben offenen Kontingenzskala als Genie eingeordnet worden …

29.04.2009: “Byzanz” vor einer Erweiterung des “Tribun”

Passend zur aktuellen Weltgesundheitslage schlug Aaron für heute eine “Pandemie”-Session vor: Vier todbringende Krankheiten bedrohen die Menschheit; Ziel des Spiels ist es, in Kooperation aller Spieler für jede Krankheit ein Gegenmittel zu entwickeln.
Beim Schlagwort “Kooperation” wurde Moritz hellhörig: Zartbesaitet, wie es seine Profession ist, wollte er dem Non-Kooperierer Walter nicht schon wieder einen Frustspiel aufbürden.
Bei “Spiel mit mir” hat es die Note 3,57 (Höchstwert 6); bei Udo Partsch liegt der Mittelwert bei 4 von 8 Sternen (solide). Da mußten die Spieler des heutigen Abends keinen dicken Verzicht auf sich nehmen, als sie statt dessen den gewöhnlichen spielerischen Wettbewerb vorzogen.
1. “Byzanz”
“Ich habe mir ein großes Spiel darunter vorgestellt” kommentierte Aaron etwas enttäuscht, als Günther das Kartenpack aus einer skat-großen Schachtel herausholte.
Jeder Spieler bekommt ein paar Karten mit unterschiedlichen Farben und Werten ausgeteilt und muß damit im biblischen Sinne “wuchern”:
– neue Karten durch alte Karten ersteigern
– Trio-Kombinationen von Karten in Siegpunkte umwandeln
Beim Ersteigern zählen die summierten Kartenwerte; innerhalb der Trio-Kombinationen zählt nur die höchste Karte. Hier ist eine gewisse Spannung zwischen Kartenwerten und Kartenanzahl vorhanden.
In der ersten Auktion sind 5 Karten angeboten, in der zweiten nur 4 und so weiter, in der Schlußauktion geht es nur um eine einzige Karte. Die gebotenen Summen werden farblich sortiert offen ausgelegt. Wer als letzter gesteigert hat, darf hieraus als erster kostenlos eine komplette Farbe an sich nehmen. Hierin liegt ein herausfordernder Antagonismus zwischen frühen Bieten um viele Karten und ggf. leer Ausgehen beim Nachfassen und als Gegensatz dazu einem späten Bieten um nur eine Karte, aber nachfolgendes Einstreichen von vielen lukrativen Karten aus der Auslage.
In die kleinen einfachen Karten von “Byzanz” hat der Kartenmeister Emanuele Ornello vielseitige Spielzüge mit pfiffigen Planungsmöglichkeiten eingebaut. Auch wenn es nur aus einem einfachen Kartendeck besteht, ist es doch ein großes Spiel.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (hübsch, aber kein Brüller), Günther: 7, Hans: 7, Moritz: 6, Walter: 7 (Leistung = Effekt / Aufwand)
2. “Valdora”
Aaron hat seine Rezension zu “Valdora” bereits fertig. Deshalb legte er nur gebremsten Ehrgeiz an den Tag, das Spiel heute nochmals auf den Tisch zu bringen. Sein angedeutetes Ansinnen wurde von Günther und Walter aber unverzüglich und unisono mit einem “mir gang’s” abgeblockt.
Wer mit dieser klaren Ausdruck einer neubaierischen Positionierung nicht zurecht kommt, kann im Schmeller nachschauen, was damit ausgedrückt ist.
Jedenfalls brauchte “Valdora” heute am Westpark nicht die spielerische Spreu vom Weizen zu scheiden.
3. “Tribun mit Erweiterung”
Moritz wußte noch, daß er es vor zwei Jahren schon bei sich zuhause gespielt hatte. Am Westpark lag es zum letzten Mal vor eineinhalb Jahren auf. Jetzt gibt es eine Erweiterung dazu:
1) Das Spielbrett ist durch eine Zusatzfläche erweitert, auf der die Spieler neue Auswahlmöglichkeiten für Rundenvorteile und Siegbedingungen vorfinden.
2) Es gibt zusätzliche Personenkarten mit Mördern, die die Übernahme von Parteigruppierungen erleichtern.
3) Mit Sklavenkarten können weitere Siegbedingungen erfüllt werden.
4) Ein Spieler kann in die zusätzliche asymmetrische Rolle des Brutus schlüpfen, und damit die Planungen der Mitspieler deutlich chaotisieren.
Fast eine Stunde brauchte Günther, um die allen bekannten Regeln zu wiederholen und die Zusatzelemente zu erklären. Für Freaks, die mit dem alten “Tribun” groß geworden sind und die vielleicht ausgelutschten Abläufe mit neuem Pfeffer aufpeppen müssen, ist es gerade das Richtige. Die Erweiterung paßt sich nahtlos in die bisherige Szenerie ein.
Doch die vielen neuen Elemente geben dem Spiel keine wesentlich neue Qualität. Vielleicht wird die bisher etwas kantige Planbarkeit abgerundet. Vor allem aber wird sie mit viel Chaos gespickt. Das bereits vorhandene ärgerliche Meuchelprinzip dezimierte zuerst Walters erwartungsvoll aufgebaute Prätorianergarde. Das ging natürlich nicht ohne Lamento ab. Dann richtete Brutus seine neu geschaffenen Mörder gegen Aaron und Moritz. Was beide postwendend mit “Das ist keine gute Erweiterung” quittierten.
Hans als asymmetrischer Brutus schwelgte in Geld und Personenkarten, doch er konnte sie nicht konsequent in erfüllte Siegbedingungen umsetzen, weil das Zufallsprinzip ihm bei seiner Zugfreiheit oft genug die Hände band.
Aaron wurde überraschend Sieger, als die “temporäre Gunst der Götter” sich neben der “permanten Gunst der Götter” als unabhängige Siegbedingung herausstelle. Moritz haderte mit sich, daß er einen Zug vorher den Winning-Move übersehen hatte. Ansonsten hatte Günther als dritter im Bunde schon den Kopf rausgestreckt, um sich den Siegeslorbeer aufsetzen zu lassen. Das Spiel läßt keinen konsequenten Aufbau zu. Ab der Mittelphase schwanken die Positionen um eine schwach ansteigende Besitzstandslinie herum, und wem Fortuna letztendlich den Sieg gönnt, das bleibt ihr persönliches Geheimnis.
WPG-Wertung zur Erweiterung: Keine Änderung zur bisherigen Notenvergabe. Durchschnitt 6,6 Punkte.
Aaron, Günther, Moritz: “Tribun” wird durch die Erweiterung nicht besser, nur undurchschaubarer, Hans: Kritik an der starken Zufallsabhängigkeit von Brutus’ Aktionsradius, Walter: Zugewinn an spielerischem Chaos, aber gerade das ist nicht mein Fall.

23.04.2009: Sphärenklänge im Weltraum

“Ich bin mit dem Prediger des Dorfes, einem alten, wunderlichen Manne, bekannt geworden. Er hat eine außerordentliche Leidenschaft fürs Kartenspiel, versteht aber kein anderes als das gemeine, altfränkische Mariage. Ihm zu Gefallen habe ich heute den ganzen Tag am Spieltisch gesessen. Aber was soll man bei dem abscheulichen Wetter auch anfangen.”
Das schrieb Ludwig Tieck am 11. Juli 18xx in sein fiktives Tagebuch. Wie heißt der heute gebräuchliche Name für das erwähnte Kartenspiel?
1. “Space Alert”
Moritz legte das Spiel auf den Tisch und ging auch gleich in die Defensive. “Das Spiel ist ganz kurz. Wir können es jederzeit abbrechen.” “Im Grunde dauert es nur 10 Minuten. Eine Episode. Denn das wird von einem festen Taktgeber gesteuert.” “Das Spiel ist ein kooperatives Spiel. Aber ganz anders.” “Wir spielen es so lange, wie es uns Spaß macht” – Das riecht dann – ob gut oder schlecht – schon nach deutlich mehr als 10 Minuten.
Die Spieler sind die Besatzung eines Raumschiffes im All und müssen sich gemeinsam gegen feindliche Geschosse wehren. Insgesamt hat das Raumschiff sechs Räume, in denen es Abwehrkanonen mit unterschiedlicher Zielrichtung und unterschiedlicher Durchschlagskraft gibt. Die Spieler bewegen sich koordiniert oder unkoordiniert durch die Räume, müssen die Kanonen laden und abschießen, müssen natürlich rechtzeitig die Kanonenkugeln (oder womit immer man im Weltraum schießt) in die Laderäume bringen und natürlich im Reaktorraum auch noch für Energienachschub suchen.
Die Bewegung der Spieler erfolgt anhand von Aktionskarten a la Robo-Ralley, die entweder eine Bewegung in eine der vier Himmelsrichtungen zulassen oder eine Aufgabe festlegen. In den insgesamt 7 bis 12 Phasen einer Runde muß die Mannschaft ihre Aktionen vorplanen und sorgfältig darauf achten, daß jederzeit genügend Energie und genügend Kugeln an den benötigten Stellen vorhanden sind, und daß auch rechtzeitig an den entscheidenden Bordkanonen ein Kanonier steht. Wenn jeder nur wie im Ameisenhaufen herumirrt, dann fehlt es an allen Ecken und Enden und das Raumschiff wird zerstört, noch bevor das Pulver erfunden ist.
Getaktet wird das ganze mittels einer Sprach-CD, in der eine menschliche Stimme erzählt, woher die feindlichen Geschosse anfliegen, wann es die Gelegenheit gibt, Aktionskarten nachzuziehen oder Karten zu tauschen. Vor allem wird auch das Ende der Planungsphasen sekundengenau vorgegeben. Anschließend werden die gelegten Karten ausgewertet und alle Spieler haben gemeinsam entweder gewonnen oder verloren.
Natürlich ist es wichtig, daß ein “Kapitän” die Mannschaft koordiniert, damit alle Aufgabengebiete im gegebenen Zeitpunkt einmal und nur einmal besetzt sind. Wenn jeder nur so in den Raum hinein sagt, was er zu tun beabsichtigt, dann müßten sich 5 Spieler auf die Planungsvorgänge im eigenen und in 4 Köpfen weiterer Mitspieler konzentrieren. Damit wären alle überlastet. Vor allem unter dem unausweichlichen Zeitdruck. Nur wenn ein einziger Kopf die Aufgaben verteilt, jeden Mitspieler an einem wohldefinierten Posten aufstellt und die Mitspieler im Teamwork dann ggf. noch untereinander die Aufgaben tauschen, weil einzelne mit ihren ausgeteilten Bewegungskarten die Primäraufgaben nicht lösen kann, dann hat man eine Chance, das Raumschiff über die Runden zu bringen.
In ersten Spiel war Moritz der Kapitän. Auch für ihn war noch alles neu und er war selbst mit seiner eigenen Aufgabe schon überlastet. Walter kam es sogar so vor, als spiele er eine Doppelrolle: Als Verräter schoß er quasi mit Wasserpistolen auf die gegnerischen Zerstörer (böse Zungen behaupteten sogar, er hätte im Reaktorraum mit Feuerwerksraketen seiner Gelieben eine Lichtmusik vorführen wollen), und in der Peter-Rolle legte er seine Karten für die Hin- und Her bzw. die Auf- und Ab-Bewegungen so orientierungslos, wie sonst nur Peter bei Robo-Ralley.
Da verlor Walter seine Contenance. Der 5-fache Frust, unter den Irrtümern eines jeden Mitspielers zu leiden war für ihn zu viel. Hier hat “Robo-Ralley” gegenüber “Space Alert” ja einen gewaltigen spiel-psychologischen Vorteil: Man leidet nur unter dem eigenen Irrtum, kann sich aber 4-fach über die Irrtümer der Mitspieler freuen. Bei “Space Alert” bringt das Fehlverhalten eines einzelnen bereits unweigerlich alle zusammen über den Jordan. Walter warf Moritz – unberechtigterweise – ein Doppelspiel vor und übernahm selber das Kommando.
Doch wie soll man fünf hartgesottene Spielernaturen koordinieren und zu einer zentral gesteuerten Handlungsweise bringen. Noch erfolgloser als eine analoge Tätigkeit im sprichwörtlichen Mädchenpensionat. Auch das zweite Spiel endete im Desaster.
Die ursprünglich vorgeschlagenen 10 Minuten waren um tausend Prozent überschritten, Moritz war im Höhenrausch und wünschte sich noch ein drittes Spiel mit erhöhter Komplexität und allen Schikanen. Walter forderte das Spielende. Als er mit 4:1 überstimmt wurde, drohte er, seine Aktionskarten ganz unkontrolliert und zufällig über die verschiedenen Spielphasen zu verteilen. Doch mit einem einzigen destruktiven Spieler hat die Mannschaft keine Chance. Wie kann man dieses Dilemma lösen? Wir einigten uns auf den Kompromiß: Walter sollte sich ausschließlich im Reaktorbereich aufhalten und dort für ständigen Energienachschub verantwortlich sein.
So konnte er denn als teilnahmsloser Teilnehmer dem dritten Untergang der Titanic emotionslos beiwohnen.
“Space Alert” ist ein sehr gut konstruiertes Spiel, die Zutaten sind stimmig, und die Steuerung über die CD schafft die gewünschte betriebsame Hektik im Teamwork. Das Spiel ist hervorragend geeignet zum Einsatz als Mitarbeitertraining in Unternehmen: die Mitarbeiter werden spielerisch zur Teamfähigkeit zu erzogen. Und die Führungskräfte können sich ohne jegliche Sachkenntnisse in Menschenführung einüben. Fast wia im richtigen Leben.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (nicht mein Fall, aber originell), Günther: 7 (nicht mein Fall, aber originell), Hans: 8 (Herausforderung, sich zu koordinieren), Moritz: 9 (originell), Walter: 7 (nicht mein Fall, aber originell)
Das höchstbewertete Spiel der Westpark-Gamers, das eigentlich nur Hans und Moritz spielen wollen.
2. “Smallworld”
Moritz versprach, die Neulinge “in 2 Sekunden” in die Unterschiede zwischen “Vinci” und “Smallworld” einzuweisen. Wenigstens in punkto Zeitdilatation blieb er sich damit treu.
Wie bei Vinci kann sich jeder Mitspieler zwei Völker heraussuchen und damit das gemeinsame Spielbrett besiedeln.
Wie bei Vinci haben alle Völker unterschiedliche Eigenschaften, um bei der Besiedelung Siegpunkte zu machen
Wie bei Vinci muß man dafür bezahlen, wenn man sich ein Volk außerhalb der gegebenen Reihenfolge aussucht. (Hier fiel uns noch ein Verbesserungsvorschlag ein: Um den allerersten Startspieler sollte man eigentlich bieten müssen! Denn wer hier Glück hat, dem wir gleich eine phantastische Völkerkombination in die Wiege gelegt, mit der er sich einen erklecklichen Vorsprung herausholen kann.)
Aber die Völker sind lockerer als bei Vinci, das Spiel ist flotter, die Kämpfe konzentrierter, die Szenerie abwechslungsvoller, das Spiel spielerischer. Ein bißchen.
Gewonnen wird das Spiel von dem Spieler, der über die besten Völker verfügt. Ob das jetzt eine glückliche Fügung oder bestes Timing in der Sterbehilfe ist, ließ selbst unser Sieger Aaron offen.
Je größer der Spielerkreis, desto stärker die Versuche zur Diplomatie. Hans lehnte Moritz Friedensallianzen strikt ab: “Friedensverhandlungen anzubieten, bevor ein Konflikt angebrochen ist, ist immer ein schlechtes Zeichen!”. Gilt wahrscheinlich auch in der Weltpolitik. Und sicherlich kann und darf man auch in der kleinen Welt die einmal gegebenen Versprechen zu friedlichem Verhalten nicht einhalten. Die mörderische Siedlungspolitik ist doch nur ein Spiel. Wenigstens in “Smallworld”.
WPG-Wertung: Den bisherigen WPG-Durschnitt von sehr guten 8 Punkten hoben Aaron mit 8 und Hans mit 9 Punkten auf einen Durchnitt von 8,2 Punkten
Hallo Wilhelm, zu Deiner Smallworld-Kritik wegen der Vinci-Neuauflage sagte Günther heute: “Wenn einer meint, ein Remake wäre schlecht, nur weil es ein Remake ist, so ist das ein Blödsinn!”

15.04.2009: Krieg und Frieden für das Triumvirat

Mal wieder eine ganz kleine Besetzung am Westpark. Der unverwüstliche Administrator kämpft an der finnischen Front, die leidenschaftlichsten Vertreter der kleinen Besetzung sind beim Kofferpacken, der erweiterte Kreis hüllte sich in Schweigen, und nur die flexiblen Verkoster von Alles und Nichts gönnten sich die Genüsse auf und um den Spieltisch.
1. “Smallworld”
Ein Nachfolger des klassischen Völkerkampfspiels “Vinci”, mit ähnlichen Mechanismen, genauso vielfältigen und ausbalancierten Volkseigenschaften und verschiedenen, genau auf die Spieleranzahl abgestimmten Weltszenerien, die unverzüglich den gewünschten Verdrängungswettbewerb in Szene setzen.
Jeder Spieler sucht sich jeweils wrap around zwei Völker heraus, mit denen er in die Völkerschlacht zieht. Im Gegensatz zu “Vinci”, wo zweifelsfrei Menschenrassen aufeinander losgelassen werden und eine entsprechende martialische Stimmung herrscht, treten in “Smallworld” Fabelwesen wie Riesen, Zwerge und Elfen auf, die allein schon von der Graphik her eine freundlichere Fantasy-Laune verbreiten. Die Amazonen sehen aus wie eine Kreuzung aus Claudia Schiffer und Barack Obama – für alle Spielervorlieben ist etwas dabei.
Jedes Volk hat klare, unterschiedliche Eigenschaften in bezug auf:
– Durchschlagskraft,
– Verteidigung,
– Überlebensfähigkeit,
– Siegpunktquellen
Die Freiheitsgrade beim gegenseitige Verdrängen und Totschlagen sind begrenzt. In welche Richtung sich das Engagement am meisten lohnt, das hätte auch der Neanderthaler an seinen 10 Fingern abzählen können. Hier ist Strategie nicht gefragt, Taktik nur in Ansätzen von Bedeutung, der Rest ist Draufhauen, Killen, Eliminieren. Diese Aufgaben hätte auch der gerade abgehalfterte George W. mit den besten Noten seitens der Geschichtsschreibung lösen können.
Die rechte Herausforderung liegt in der Auswahl der richtigen Völker zum richtigen Zeitpunkt, im richtigen Timing für das Sterben-Lassen eines ausgepowerten Volkes, um eine neue, unverbrauchte Rasse auftreten zu lassen. Und obwohl es hier für jeden Mitspieler um Leben oder Tod, d.h. um Siegpunkte und Sieg geht, diskutierten wir friedlich und konstruktiv die unterschiedlichen Vorzüge der Völker, ihre besten Ausgangspositionen und ihr Totschlagpotential. Bereits während des Spiels, nicht erst nach dem jeweiligen unglücklichen Exodus.
Gerade die richtige Völkerkombination macht’s, daß die Siegpunkte nur so sprudeln. Offensichtlich ist es günstig, sich zuerst ein Volk mit guten Sterbeeigenschaften und danach ein Volk mit langer Lebensdauer zuzulegen. So kann man möglichst lange möglichst viel an beiden Völkern verdienen. Günther hatte hier mehr oder weniger zufällig eine glückliche Hand mit den Ghulen als erstes Volk – die Mitglieder treten vollzählig in den Absterbeprozess ein, nicht nur ein Mitglied pro besetzter Region – und den Elfen als zweites Volk – bei Niederlagen im Verdrängungskampf werden sie nicht eliminiert, sondern treten in jeder Runde wieder mit voller Mannschaftsstärke auf. (Oder haben wir hier ein Regeldetail übersehen?)
Doch die Herrschaft über solche Erfolgskombinationen ist kein reiner Zufall. Da die zur Auswahl stehenden Völker offen ausliegen und sich nur durch – ständig fallende – Preise unterscheiden, kann jeder über mehrere Runden vorausüberlegen, wann er welches Volk mit welchen Eigenschaften zu welchem Preis übernehmen möchte. Alles ist planbar.
WPG-Wertung: Günther: 8 (mehr Kampf als in “Vinci”, an die Spieleranzahl gut angepaßte Spielbretter), Moritz: 8 (noch besser als “Vinci”, durch das Fantasy-Thema etwas lockerer), Walter: 8 (gönnt dem George W. seine neue Auseinandersetzung mit der kleinen Welt)
2. “Uruk”
Obwohl der Name ein ähnlich archaisches Totschlagspiel vermuten läßt wie bei “Smallworld”, geht es hier ausschließlich um die überaus friedliche Entwicklung der Zivilisation. Die Spieler sammeln Entwicklungs- und Aufbaukarten aus einem offenen Stapel, erwerben damit Rohstoffe, machen Erfindungen, bauen Dörfer und Städte und bekommen am Ende für den besten Entwicklungsstand die Siegespalme überreicht.
Insgesamt gibt es 23 verschiedene Erfindungskarten in vier verschiedenen Farben mit steigenden Werten. Gleiche Erfindungskarten bringen einen kumulativen Vorteil, doch benötigt man ein wenig Stapelglück, um sie zusammen zu bringen. Wer hier lange vergeblich auf sein Glück warten muß, kann dem allerdings problemlos mit reichlich Jokerkarten nachhelfen.
Die verschiedenen Eigenschaften der Karten sind mit klaren Symbolen gekennzeichnet. Doch da es tausenderlei Eigenschaften zu unterscheiden gilt, muß man sich gründlich in die Symbolik einarbeiten. Und merken muß man sich das auch noch alles. Hier gab Walter wie gewöhnlich schnell die Hoffnung auf den Durchblick auf. Zu seiner Freude konnte er aber ebenfalls beim absoluten Durchblicker Moritz Schwächen im Erfassen des Spielablaufs entdecken. Und Günther hatte sogar beim Vorlesen der Spielregeln Schwierigkeiten, manche Textpassagen zu verstehen. Z.B. gilt für das “Tonrohr” u.a.: “… Nimmt sich einer der Spieler mit den meisten Siedlungssteinen während seiner Zuges 1 Ressource als beliebiger Quelle, so wird am Ende dieses Zuges das Tonrohr mit 1 gleichen Ressource an dem Pool bestückt. Nimmt sich dieser Spieler während seinen Zuges mehrere Ressourcen, wählt sich der Besitzer des Tonrohrs aus den genommenen Ressourcen nach seiner Wahl 1 entsprechende Ressource aus. …” Nach mehreren Ansätzen zum Verstehen übergab Günther an Moritz, und der konnte unverzüglich verkünden: “Verstehe ich sofort”. Ist ja auch ein Ton-Künstler! Alle Regeln sind präzise, eindeutig und unmißverständlich beschrieben. Nur im Inhalt ziemlich dicht und in der Summe ziemlich viel.
Denn am Ende kommt nur ein mehr oder weniger autistisches Wettrennen um die schnellste-beste Entwicklung heraus. Kein Wunder, daß die drei Weltgestalter mit der knappen Siegpunkt-Folge 25, 23 und 22 ins Ziel gelangten.
WPG-Wertung: Günther: 7 (hübsches Aufbauspiel), Moritz: 6 (ausgewogenes, gutes Dreierspiel), Walter: 5 (irgendwas fehlt. Interaktion?)
PS: Hier darf sich jetzt unser Alles-mit-Allen-Spieler Wilhelm zu Worte melden und sein Plädoyer im Namen der Autoren halten.

01.04.2009: Die Nacht der Diamanten

An welche Arten von Spielen erinnert man sich am besten? Bei uns lief gerade eine heiße Diskussion, ob das nur Spiele mit klaren Themen oder auch rein abstrakte Spiele sein können. Hans konnte dazu die psychologische Erkenntnis beisteuern, daß es wesentlich von den begleitenden Emotionen abhängt liegt, ob ein Ereignis im Gedächtnis gespeichert wird oder nicht. Damit reduziert sich die Anfangsfrage auf eine simple Frage nach Vorlieben. Der Bridgestar Culbertson ließ sich scheiden, weil seine Frau Josefine in einem Titelkampf nicht die Pik-Zwei zurückgespielt hat. Dagegen ziehen sich geborene Kriegerseelen nur dann hoch, wenn sie mindestens ein paar Atombömbchen zünden dürfen. Natürlich über einem Schurkenstaat, wo denn sonst! Alles Geschmackssache!
1. “Diamonds Club”
Ein Ravensburger Spiel von Rüdiger Dorn aus der Ernte des letzten Jahres. Günther hatte das Spiel schon auf der Spiel 2008 in Essen gespielt. Regelsicher war er allerdings nicht mehr, es reichte dazu, einige Regelausführungen von Aaron zu ergänzen. Aber wir gingen das anspruchsvolle Spiel locker an, Fehler und Irrtümer wurden ohne Beanstandungen auch ein-einhalb Runden später noch nachträglich korrigiert.
Ähnlich wie bei den “Fürsten von Florenz” erhält jeder Spieler zu Beginn ein eigenes Tableau, auf dem er sein im Laufe des Spieles erworbenes Besitztum plaziert. Auf dem gemeinsamen Spielbrett in der Mitte befindet sich der Markt, und durch geschicktes Setzen auf die verschiedenen Positionen an Tieren, Landschaften und Gebäuden füllt man sein Privat-Tableau und häuft damit Siegpunkte auf sein Konto.
Es gibt sehr viele verschiedene Entwicklungsrichtungen zu verfolgen. Alle sind mehr oder weniger erfolgreich, und am Ende münden alle in eine Orgie von Prämien und Sonderprämien. Ein konstruktives Spannungsfeld herrscht zwischen der von den Regeln geforderten Diversifizierung der Investitionen und einer angestrebten Monopolisierung in der Entwicklung, die einen progressiven Nutzen bringt. Weiterhin gilt es, eine wirksame Balance zwischen dem langfristigen Ausbau der Erwerbsquellen und ihrer kurzfristigen unmittelbaren Nutzung zu finden.
Günther ging sofort seinen technischen Fortschritt an. Natürlich wußte der erfahrene Fuchs schon vorher, daß die Förderung des Einkommens besonders am Spielanfang den größten Nutzen bringt. Die anderen drei blinden Hühner mußte sich erst in der weiten Landschaft der Siegpunktquellen orientieren, bevor sie einen Spielplan verfolgen konnten. Doch das Spiel ist gutmütig. Viele Vorlieben können zum Sieg führen. Die ersten Züge müssen keineswegs punktgenau gesetzt werden, eine anfängliche Schwächelei kann im Laufe des Spieles durch späteres konsequent-gutes Spiel noch leicht wettgemacht werden.
“Gutes Spiel” besteht – neben der sachgerechten Balance zwischen kurz- und langfristigen Zielen, bzw. zwischen Ein- und Vielseitigkeit innerhalb der Investitionen – zum großen Teil aus einer glücklichen Hand beim Setzen auf dem Markt, sowie aus einer mehr-oder-weniger-zufällig-glücklich-fehlenden Konkurrenz beim hier stattfindenden Setz-Chaos. Hallo Rüdiger, was meinst Du dazu?
Und noch eine Frage: Warum gibt es verschiedene Tierarten (Fische, Vögel und Rehe) zu ersteigern, eine einzige Tierart hätte spieltechnisch doch gereicht! Die Erwerbsmöglichkeiten dafür sind absolut symmetrisch, und ein Trio aus drei gleichen Viechern wird mit dem identischen Aufwand erworben wie eines aus drei verschiedenen. Ist dieses Detail ausschließlich aus ästhetischen Gründen hinzudesigned worden? Oder war das eine Verneigung vor Konrad Lorenz und seinem berühmten “Er redete mit dem Vieh, den Vögeln und den Fischen”?
WPG-Wertung: Aaron: 6 (reduziert wegen Mitspieler-Chaos), Günther: 7 (“super Setz-Mechanismus”), Moritz: 7 (“interessant”), Walter: 7 (ästhetisches Material, ästhetische Spielweise)
Walter wird eine Rezension schreiben.
PS: Mitten aus dem Leben gegriffen:
Aaron hatte vergessen, seinen Setzstein auf das Feld zu setzen, wo er die Orangerie erworben hatte. Damit hätte der nächste Spieler einen Diamanten mehr für die Orangerie hinblättern müssen. Moritz war der Nutznießer dieses Versehens. Kurz danach wurde der Fehler bemerkt. Frage an den Turnierleiter: Muß Moritz jetzt noch einen Diamanten nachschießen, oder wird seine Unterzahlung durchgehen lassen? Frage an die Insider: Hat Moritz einen Diamanten nachgeschossen oder konnte er seinen Vorteil über die Zeit retten? Bestgehütete Geheimnisse am Westpark!
2. “Valdora”
Ein Abakusspiel von Michael Schacht. “Fernab unserer Zeit liegt ein verstecktes Tal voller unermeßlicher Reichtümer. Abenteurer aus der ganzen Welt machen sich auf den Weg, um hier ihr Glück zu finden.” So fängt die Einleitung an, und zwar gleich in fünf verschiedenen Sprachen. Ein Leckerbissen für die Polyphonen.
Die Spieler bewegen ihre Pöppel über die Wege des Spielbretts
– zu Silberminen (um sich mit Liquidität zu versorgen),
– zu den Diamantengruben am Wegrand (in denen das wertvolle Material einfach eingesackt werden kann)
– zu Städten (in denen sie Schürfwerkzeuge erwerben und sich mit Aufträgen eindecken)
– zu ihre Auftraggebern (um die bestellte Ware – Diamanten in vorgegebenen Farben – abzuliefern)
Der Spielablauf ist ein ewiges Pendeln zwischen diesen verschieden Stationen.
Das Ganze geht leider ziemlich zäh und deterministisch zu. Am Anfang hat man weder Geld, noch Aufträge, noch Ladekapazitäten, um große Geschäfte zu machen. Für den nächsten Zug gibt es entweder nur eine einzige Möglichkeit oder eine einzige, trivial zu bestimmende optimale Möglichkeit. Wenn man sich dann langsam hochgeschaukelt hat und hofft, in Freiheitsgraden bei Masse und Mitteln zu schwelgen, liegen keine Diamanten mehr herum. Vielleicht kann man dieses Prinzip als “ausbalanciert” bezeichnen: Das Produkt aus Potenz und Markt ist konstant. Es paßt aber auch der Vers von Wilhelm Busch:
“So geht’s immer, wie ich finde”
spricht der Müller voller Zorn,
“hat man Korn so fehlt’s am Winde,
hat man Wind, so fehlt’s am Korn.”
Ein starkes Programm für Transportoptimierung wäre gefragt. Oder eine von Günthers genialen Faktorenanalysen. Doch dann wären die spielerischen Entscheidungen noch mehr determiniert. Oder ist das etwa die gewollte, aber von mir nicht verstandene Herausforderung des Spiels? Entschuldige, lieber Michael, nach einem ermüdenden Arbeitstag in abgeschlaffter Dödelstimmung um Mitternacht hat ein reiferer Herr nicht mehr genügend Energie, sich hier kommerzielle Perspektiven zu erarbeiten.
Ist es nicht vielleicht auch charakteristisch für den Spielablauf, daß kein einziger Spieler mehr einen sinnvollen Zug tun konnte, als Moritz die Schlußrunde eingeläutet hatte?
WPG-Wertung: Aaron: 7 (fand sein Glück; konnte sich kurzfristig an Moritz’ Schrecken erlaben, ihm vermeintlich den Sieg genommen zu haben; hätte sogar 8 Punkte vergeben, wenn es nicht so autistisch wäre), Günther: 4 (“Aaron, bist Du des Wahnsinns?!”), Moritz: 7 (Sieger mit winning Strategie), Walter: 4 (hat es nicht geschnallt)

26.03.2008: “Dos Rios” und andere Bekannte

Der Bericht von unserm letzten Spielabend war natürlich getürkt. Wir haben nicht erwartet, daß unsere intelligenten Leser darauf reinfallen. Das Spiel mit dem sumerischen Namen “Lir Parets Re” heißt in der abendländischen Leserichtung ganz schlicht “Erster April”, und darum ging es. Das Fabulieren hat uns Spaß gemacht, “Euch” hoffentlich das Lesen auch.
Damit aber nicht unglücklicherweise doch ein paar verlorene Schäfchen vor dem ADAC am “Westpark 8” auf die Eröffnung unserer heiligen Hallen warten, sind wir sicherheitshalber dort vorbeigefahren und hatten als Trostpreis für jeden ein komplettes “Lir Parets Re” dabei. Es war aber keiner da. Wir haben unsere Leser richtig eingeschätzt. Jetzt können wir die Spiele in den eigenen Reihen verteilen.
Hier also echte Non-Erster-April-Spielbericht vom letzten Mittwoch.
1. “Dos Rios”
Vor über zwei Jahren mit einem sehr guten 8,3 Punkte-Durchschnitt zum letzten Mal gespielt, kam es heute zu dritten Mal auf Tisch. Alle erinnerten sich noch einwandfrei, daß wir es schon gespielt haben, sogar an viele Einzelheiten. Doch leider fehlen uns die Entscheidungskriterien dazu, ob es ein abstraktes Spiel ist oder eines mit Thema. Die notwendigen Basisbegriffe sind noch nicht eindeutig definiert.
Das Spielbrett zeigt eine natürliche Hexagon-Landschaft aus Gebirge, Hügeln, Wald und Wiesen. Im Gebirge am linken Rand entspringen zwei Flüsse und fließen idyllisch über die Hexateile des Spielbretts in einen See auf der rechten Seite. Jeder Spieler besitzt 6 Campesions, die er mit seinen Bewegungsaktionen auf einträgliche Felder am Flußlauf positionieren muß. Die Ergiebigkeit der einzelnen Felder ändert sich nach einer vorhersehbaren Periodik. Natürlich gibt es hier einen ständigen Verdrängungswettbewerb unter den Mitspielern, der einen Großteil des Reizes von “Dos Rios” ausmacht.
Doch das “Geilste” sind die Holzbarrieren, mit denen jeder Spieler den Flußlauf verändern kann. Kaum hat man seine Campesions auf die Tabakfelder plaziert und reiche Ernteerlöse eingefahren, da lenkt ein böser Mitspieler den Rio Moreno um und man steht im Trockenen. Gegebenenfalls kommen auch noch ein paar Desperados die Flüsse herab und knallen die erstbesten Campesions ab, die sich ihnen in den Weg stellen, und schon steht man wieder vor einem landwirtschaftlichen Scherbenhaufen.
Alles ist planbar, aber nur für einen Zug, dann haben die gegensätzlichen Interessen der Mitspieler die Situation total umgedreht. Vom Spielerischen her ist das eher ein Vorteil. Nicht lange überlegen, spielen, ernten und sich an der überraschend vielseitig ändernden Geographie erfreuen, das ist die Idee.
Die Spielmechanismen sind sehr gut konstruiert. Es gibt eine Menge Interaktion beim Verdrängen von den besten Ernteplätzen und beim Verlegen des Flußlaufes. Durch den Bau von unzerstörbaren Fincas und Haziendas steigen noch dazu die Rundenerträge dynamisch an, so daß man bis zum Schluß auf den Sieg hoffen. Wer vorne liegt, kann seinen Vorsprung nur durch gutes Spiel über die Runden retten. Dazu gehört natürlich auch ein bißchen Glück.
Auf keinen Fall darf man sich alle Mitspieler zu Feinden machen, denn gegen die vereinten Rachegelüste der Verlierer hat man keine Chancen. Doch zu solchen Vereinigungen kommt es offensichtlich nicht; jedem geht es bei seinem Zug im Wesentlichen nur darum, unter deutlicher Berücksichtigung gegnerischer Verluste einen maximalen eigenen Nutzen zu erzielen. Gerade weil wir in der letzten Woche sehr ausgiebig über kooperative Spiele diskutiert hatten, fiel Aaron auf, daß “Dos Rios” in etwa “das unkooperativste Spiel ist, das man sich denken kann”. Zumindest war in unserer Runde keiner dabei, der mit dem Finger auf den Führenden zeigend das Feindbild vorgeben wollte, um ein Kartell der Verlierer zu schmieden.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7, Hans: 7, Walter: 7
Unsere Punkte lagen durchweg niedriger als vor zwei Jahren. Lag das am gestiegenen Lebensalter, an unserer gewachsenen Erfahrung, an der Stimmung des Abend, oder weil wir fast 3 Stunden brauchten, um Aaron den greifbaren Sieg nicht mehr streitig machen zu wollen?

2. “Rumis”
Das einzige Spiel, das auf der Spielschachtel unser WPG-Logo trägt. Da wurde es doch höchste Zeit, es auch mal wieder aus der Versenkung hervorzuholen. Jeder Spieler erhält einen Satz klobiger Bauklötzchen und gemeinsam bauen sie nach vorgegebenen Regeln auf einer vorgegebenen Fläche ein irgendwie zusammenhängendes Gebilde. Wessen Bauklötzchen am Ende die größte sichtbare Oberfläche aufweisen, der hat gewonnen.
Das Spiel ist konstruktiv, kooperativ und destruktiv zugleich. Zum Legen der Klötzchen kommen die Körper in Bewegung und dabei werden auch die Geister richtig munter. Deshalb ist es weniger geeignet als Absacker, aber vorzüglich zum Warming-Up. Und ein Spiel für Großvater und Enkelkinder ist es allemal.
Keine neue WPG-Wertung, aber der bisherige Durchschnitt von 8 Punkten wäre locker wieder erreicht worden.
3. “Flaschenteufel”
Die lange diskutierte Frage, ob das Spiel beherrscht werden kann, ist mit “Ja” entschieden. Deshalb ging Hans sofort in die Defensive und bekannte, daß er im “Flaschenteufel” noch die geringste Erfahrung besäße. Erwartungsgemäß häufte er auch unverzüglich Minuspunkt auf Minuspunkt. Aaron bot an, Hansens Punkte am Ende mit einer Minus-Eins zu multiplizieren, doch Hans erkannt sofort den Haken: “Auch dazu muß man das Spiel beherrschen!”
Wenigstens als kleine Entschädigung konnte er Walter eine böse Überraschung bereiten: Er schob ihm die gelbe Zwei zu und legte die gelbe Eins in den Teufelstich. Als Walter nun freudestrahlend mit der gelben Zwei den Teufelsstich nahm, in der Gewißheit, damit mit einem Schlag alle Sorgen um seine kleinen Karten losgeworden zu sein, blieb er auf dem Teufelsstich sitzen. Auch das gehört zu den vielen Faktoren, die ein guter Spieler beim Flaschenteufel berücksichtigen muß.

25.03.2009: Wiederbelebt: Das 4000 Jahre alte “Lir Parets Re”

Unser Archäologe Peter durfte mal wieder in den umfangreichen bayerischen Staatsarchiven graben und ist dabei auf ein Goldstück aus der Geschichte des Spiels gestoßen: Eine komplette Spielanleitung zum Spiel “Lir Parets Re”, mit dem schon vor knapp viertausend Jahren der damalige amtierende Weltmeister Hammurabi in einem über 12 Partien vereinbarten Kampf seinem Herausforderer Ramses II die Gesetzestafeln vom Sinai abgeluchst hat. Als Matura in “Dr. Sum” hat Peter die Spielregeln vom Sumerischen ins Englische übersetzt. Was lag näher, als das Spielmaterial nachzubauen und das Spiel am Westpark auf den Tisch zu bringen!
1. “Lir Parets Re”
Der Startspieler wird mit einem regelmäßigen Diakosaeder ausgewürfelt. Schon damals war unsere heutige WPG-Technik gebräuchlich: Der König war die Nummer 1; alle seinen Tafelritter lagen um ein rundes Bett kreisförmig um ihn herum und bekamen die fortlaufenden Nummern 2, 3, 4 usw. Mit dem Startspielerauswürfelwürfel konnten insgesamt zweihundert Mitspieler unterschieden werden. Eine epochemachende Erfindung, ähnlich bedeutend wie das Rad! Nur wenn die Gesamtrunde etwas kleiner war, und z.B. nur aus dem Privatissime-Kreis der vier geheimen Hofräte bestand, konnte es schon mal etwas länger dauern, bis eine der Zahlen 1 bis 4 gewürfelt wurden und der Startspieler bestimmt war (Günther hat es ausgerechnet: ca. 35 Würfe für eine Trefferwahrscheinlichkeit von 50%) Diese Ermittlung war früher einer eigenen Beamtenkaste vorbehalten, den sogenannten “Initiatoren”, denen als Oberaufseher ein “Tossus Maximus” vorstand.
Bei uns durfte Peter wie üblich die Regeln vortragen. Als Vorlage nutzte er dazu die Original-Spielanleitung, die er nach Moritzscher Art flüssig aus dem Stegreif in unsere Gebrauchssprache übersetzte. Obwohl er dabei sehr gewissenhaft und linear vorging, schaltete Walter schon nach wenigen Sätzen ab. Allein mit Peters Leserichtung von rechts nach links kam er vorne und hinten nicht zurecht. Doch das ist er schon gewohnt. Er lehnte sich entspannt zurück, wartete stundenlang geduldig auf das Ende von Peters Sermon, sprach unbeschwert den Gummibärchen zu und freute sich auf das zweifellos irgendwann mal folgende “Learning by doing”.
Ungewohntermaßen hatte auch unser genialer Spieleversteher Moritz seine Schwierigkeiten mit dem altehrwürdigen Text. Immer wieder unterbrach er den Redefluß Peters mit Detailfragen. Mit Engelszungen wiederholte Peter seine Erläuterungen, lediglich die einleitende Ritualformel: “Wie ich vorhin schon gesagt habe” sollte dem begriffsstutzigen Fragesteller ein Licht aufgehen zu lassen. Er hatte nur sinngemäß Recht: die Übergriffe, Plünderungen, Zerstörungen, Tempelschändungen und Vergewaltigungen in den sumerischen Stadtstaaten unterscheiden sich allein vom zeitlichen Ablauf her gewaltig von denen ihrer Nachfolger in Orient und Okzident.
Nach wenigen Stunden hatten wir die Einführung mehr recht als schlecht hinter uns gebracht und gingen zur Praxis über. Das Spielprinzip basiert auf einer Mischung aus “Risiko” und “Monopoly”. Jeder Zug wird ausgewürfelt und erlaubt damit jedem Mitspieler eine vorausschauende elegante Killerplanung. Häuser und Hotels gibt es naturgemäß nicht, sie werden in “Lir Parets Re” durch Brunnen dargestellt – eine durchaus sinnvolle Alternative, denkt man nur an die damaligen sanitären Anlagen und das fließende Wasser.
Statusgemäß beschwerte sich Aaron schon im Vorhinein über die schlechten Würfe, mit denen er kaum aus den Startlöchern herauskommen könne. Dabei ist es in “Lir Parets Re” von Vorteil, lange verdeckt zu agieren und die anderen sich gegenseitig die Köpfe einschlagen zu lassen. Doch Kriegernaturen haben keinen Zugang zu pazifistischer Logik. Gemäß unserer ungeschriebenen Hackordnung startete Moritz unverzüglich einen ersten Angriff auf Peter, der sich gerade noch von der Akkad-Arena auf die Museumsinsel zurückziehen konnte, dabei aber all seinen Besitz an Löwen und Jungfrauen dem Sieger überlassen mußte.
Wenn Günther an der Reihe war, rechnete er jedes Mal auf seinem Potbal-Abakus die Erfolgswahrscheinlichkeiten für seinen nächsten Zug aus. Flucht oder Angriff hieß die Fragestellung, und wie im richtigen Leben brachte die Flucht immer die meiste Kohle, der Angriff dagegen den größten Harem ein. Auch Hans rechnete jeweils Hunderte von Varianten in die Zukunft voraus, bevor er sich für seinen Zug entschied. Allerdings rechnete er im Kopf, und war dadurch bedeutend schneller als Günther mit seiner Maschine.
Mitternacht war vorbei, als wir abbrechen mußten. Peter hörte die vorletzte U-Bahn rufen, und diese Stimme ist für ihn noch unwiderstehlicher als Odysseus’ Sirenen. Diesmal packten wir das Spielmaterial jedoch nicht wieder weg; erstmalig ließen wir die aktuelle Situation aufgebaut stehen und wollen sie nächste Woche fortsetzen. Die faszinierende spielerische Auseinandersetzung mit einem genialen Spielentwurf aus der alten Welt darf nicht noch einmal viertausend Jahre in der Versenkung verschwinden.
Bevor Walter über seinem nächtlichen Sessionreport brüten konnte, diskutierten wir noch bis zum Morgengrauen über mögliche Fortsetzungen und Gewinnstrategien. Da kam Aaron eine blendende Idee: Wollen wir nicht mal wieder unsere Teilnahmebeschränkungen aufheben und einem unlimitierten Kreis von interessierten Spielern, Profis wie Anfängern, die Gelegenheit geben, diesen Nestor aller Brettspiele kennenzulernen? Ohne Gegenstimme wurde sein Vorschlag angenommen. Hier ist es offiziell:
Wir laden für nächsten Mittwoch, den 1.4.2009 alle Spieler im Raum München in die heiligen Hallen der Westpark-Gamers ein, um mit uns “Lir Parets Re”, das älteste Brettspiel der Welt, zu Ende zu spielen. Kommt um 20 Uhr (bitte pünktlich!) nach München-Sendling, Am Westpark 8, direkt über dem ADAC, und bildet Euch Euer eigenes Urteil über den 4000-jährigen Fortschritt im Spieldesign! Wer garantiert einen Platz an einem der vorderen Tische bekommen möchte, der sollte am besten diesen Session-Report mit der Antwort:
[glowred]”Ich bin dabei”[/glowred]
quittieren (“postreply”-Knopf rechts ganz unten) oder einen entsprechenden Eintrag in unser Gästebuch machen.
Die ersten 10 Teilnehmer erhalten zudem noch das von Peter liebevoll ausgestaltete Regelheft in Deutsch und Sumerisch!
WPG-Wertung:
Aaron: 7 (preliminary, “muß erst zu Ende gespielt werden”),
Andrea: 6 (“für jeden nackten Angreifer einen zehntel Punkt”),
Basti: 4 (“das Geilste ist das Plattmachen”),
Günther: 3 (arbeitet schon an einer verbesserten Computerversion),
Hans: 5 (ist “durch die Würfellogik noch nicht durchgestiegen”),
Loredana: 9 (“es hat mir einfach gefallen”),
Moritz: 8 (“das Totschlag-Thema wurde lebendig umgesetzt”),
Peter: 1 (“wenn das Spiel von Edgar Wallace wäre, hätte es noch einen Punkt weniger gekriegt”),
Walter: 2 (Gedächtnis- und Übersichts-Probleme)
Thomas, d.J.: 10 (freut sich auf seinen ersten Sieg am Westpark)

2. “Bluff”
Todmüde verzichteten wir diesmal auf unseren Standard-Absacker “Bluff”.

18.03.2009: Niederkunft in der “Via Romana”

Was ist denn aus Moritz’ (brett-)spielerischem Erstlingswerk, dem “20. Jahrhundert” geworden? Ein paar Sätze aus dem ärztlichen Bulletin: Seine Entwicklung verläuft normal, der Phalanx-Verlag hat es zur Beobachtung übernommen, mit Spannung sehen wir seiner Niederkunft entgegen.
Arpad’s “Wegelagerer”, deren Reifeprozess wir vor gut 2 Jahren mit viel Vorschußlorbeeren begleitet haben, haben einen entsprechenden Härtetest bei Hans-im-Glück nicht überstanden. Aber Arpad hat sich nicht entmutigen lassen. Er hat gerade seine fünftes (oder sechstes) Spielbaby mit viel Liebe und Phantasie gezeugt und wartet bei HiG auf den göttlichen Segen. Schaun mer mal.
1. “Via Romana”
Drei Spieler konnten sich nicht erinnern, ob sie das Spiel schon gespielt haben oder nicht. Die Figuren auf der Schachtel schienen bekannt zu sein, doch das heißt nicht viel. Selbst Günther als Besitzer und Via-Verantwortlicher mußte für die Erklärung des Spielablaufs zum Regelheft greifen. Daneben hatte er ständig drei unruhige Geister im Griff zu halten, die allein aus den Piktogrammen der Spielbeilagen auf die Ablaufmechanismen schließen und seine Ausführungen besserwisserisch korrigieren wollten.
Mit einem Spielbrett nach Art von “Zug um Zug” muß man Verbindungen und Knotenpunkte bauen. Um einen altrömischen Anachronismus zu vermeiden, heißen die Gleisstücke “Meilensteine” und die Bahnhöfe “Festungen”. Am Bau jeder Strecke darf sich jeder beteiligen, und man braucht dazu mehr oder weniger zufällig gezogene Karten als Baugenehmigung am gewünschten Ort irgendwo auf dem Spielbrett.
“Da wird man doch gespielt!” warf Moritz schon mal prophylaktisch in die Runde. Einen Vorwurf, den er für seine allergrößten Spielfavoriten oft genug selbst zu hören kriegt. Postwendend fragt Aaron zurück: “Enthält es Phantasieelemente?” Aus seiner Stimme ging nicht hervor, ob er hier gerne ein “Ja” oder ein “Nein” als Antwort bekommen hätte. Günther beruhigte: “Es ist ein lockeres Familienspiel!”.
Ist die Verbindungsstrecke zwischen zwei Festungen hergestellt, erfolgt eine Zwischenwertung. Wer die meisten Meilensteine gelegt hat, bekommt Siegpunkte. Die anderen bekommen für jeden gelegten Meilenstein eine neue Baukarte, die sie sich diesmal aus einer offenen Auslage heraussuchen dürfen.
Wir spielten natürlich gleich mit der Expertenregel. Dadurch wird das Handlimit an Baukarten strenger gehandhabt und beim Gleichstand an Meilensteinen bekommt keiner was. Damit ergibt sich für jeden die Gelegenheit, bei der Fertigstellung einer Strecke den günstigsten Zeitpunkt heraussuchen, wo die beteiligten Mitspieler möglichst leer ausgehen. Aaron erkannte sogleich “Das ist ja taktisch ohne Ende”.
Ja, diese kleine Quelle reiner Schadenfreude ist für reifere Semester wohl das bemerkenswerteste Element von “Via Romana”. Die Interaktion beschränkt sich darauf, eine Nasenspitze vor den Mitspielern die lukrativste Strecke zu vollenden. Im wesentlichen wählt jeder aus seiner aktuellen Kartenhand zwei, drei Karten aus, die einen maximalen Baufortschritt gestatten. Günther hatte “dabei ständig das Bedürfnis, irgendwo gezielt zu agieren, durfte es bloß nicht”. Planung und Kartenpflege versuchen nur die rettungslosesten Optimisten.
Das war von Autor und Verlag auch nicht anders geplant. Ein lockeres Familienspiel war beabsichtigt, und das ist gelungen. Das Spielmaterial ist gefällig, die Ausstattung auch. Es muß beim Spielen nicht immer Schwerstarbeit geleistet werden. Moritz hat trotzdem gewonnen.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7, Moritz: 7, Walter: 6
2. “Steel Driver”
Diesmal war unzweifelhaft, daß wir das Spiel alle schon kannten, doch schon allein die Unterscheidung zwischen spielereigenen Pöppeln und Markern und dem gleichfarbigen Gemeinschaftsmaterial stellte uns vor nahezu unlösbare Probleme. Ohne Regelheft und konsequenten Regelvortrag hätten wir kapitulieren müssen.
“Steel Driver” ist ein klassisches Eisenbahn-Aktienspiel um Linien und Strecken. Bei einer gut geführten Linie gehen alle Shares zu Höchstpreisen weg und liefern so der Gesellschaft auch wieder reichlich Mittel, ihre Strecken opulent auszubauen. Eine schlecht geführte Linie dümpelt von Runde zu Runde nur so vor sich hin, ohne jemals einen rechten Liebhaber zu finden. Und ob bzw. wie eine Linie gut oder schlecht geführt wird, das entscheidet sich bereits durch den Aktienpreis der ersten Runde. Und natürlich durch die Zielsetzung des Präsidenten: “Go West” ist auf dem nordamerikanischen Kontinent immer richtig gewesen.
Eigentlich sollten da keine großen Geheimnisse ergründet werden, eigentlich ist der Streckenbau trivial. Doch wir dachten, planten und diskutieren darüber, als gelte es hinter die Kondomstrategie von Benedikt XVI zu kommen. “Ich find’s trotzdem total arschlochmäßig” entrüstete sich Moritz, als Günther seine Linie ins Abseits drängte, um seine eigene Mehrheitslinie besser herauskommen zu lassen. Er bedachte seine Mitspieler sogar mehrmals mit dem Hauptwort, das in dem etwas ungewöhnlichen Eigenschaftswort enthalten ist. Doch die Stimmung war gut, Aaron gab es ungerührt zurück.
Keine neue WPG-Wertung: Aaron und Walter bleiben bei 8 Punkten, Moritz hat vergessen, seine bisherigen 6 Punkte zu erhöhen und Günther hat vergessen, überhaupt eine Note abzugeben.
Moritz hat auch das zweite Spiel des Abends gewonnen.

11.03.2009: Umschwung in der “History of the World”

1. “History of the World”
Zwei benachbarte Männer aus der Maxvorstadt trafen sich dortselbst mit ihren Frauen im Revier des alten Hasen und konkurrierten zum tausendsten Male in der “History of the World”. Ich war nicht dabei und kann das Ergebnis nur vom Hörensagen weitergeben.
Zweifellos muß es sich um die ältere History-Version gehandelt haben, denn diese hat bei uns im Durchschnitt fast 2 Punkte mehr bekommen als ihre jüngere Gefährtin, von Moritz sogar die Traumnote 10.
Offensichtlich hat Peter bisher 999 mal verloren, denn freudestrahlend konnte er seinen ersten Sieg verkünden. (Aber absolut nicht damit prahlend, sondern erst nach hartnäckigem Nachfragen!) Der lebende HotW-Großmeister Moritz wurde in Grund und Boden gespielt. Darf ich hier mitteilen, mit welcher Position er von dannen ziehen mußte? Lieber nicht. Nur daß ihre beiden Frau irgendwo dazwischen gelandet sind.
Keine neue WPG-Wertung für ein 8-Punkte-Spiel.
Peter schreibt immer noch an seiner Promotion anstatt an einer Rezension.

04.03.2009: Ingenieure im “Im Wandel der Zeiten”

Hans schläft wie gewöhnlich vor dem Fernseher, Peter schläft irgendwo ganz ungewöhnlich mit seiner Loredana, Moritz treibt als Battlestar durch die Galaxis, ganz relaxed, weil die Vorsehung freundlicherweise keinen einzigen Kyklopen rausgelassen hat, und die sonstigen Schläfer unter den Freunden und Landsleuten haben wir diesmal nicht geweckt. Nur die rationalen Triolen Aaron, Günther und Walter sind heute zusammengekommen, um rational und sachlich den Wandel der Zeiten zu analysieren.
1. “Im Wandel der Zeiten”
Ein komplexes Aufbau- und Kampfspiel, das der junge Spieleverlag Czech Games 2007 nach Essen mitbrachte und das dort damals schlagartig ausverkauft war. Pegasus Games hat 2008 eine Neuauflage herausgebracht: Umfangreiches, gediegenes Material, unendlich viele Aktionskarten, endlich viele Rohstoffe und Nahrung, an zwei Händen abzählbare Marker und Pöppel.
Politisch korrekt sind die Arbeiter durch gelbe Pöppel dargestellt, und nicht wie im kritisierten “Puerto Rico” durch schwarze Pöppel. Chinesen kann man offensichtlich durch Arbeit nicht diskriminieren!
Die Spieler müssen in einem kybernetischen Räderwerk aus Fortschritt und Entwicklung die optimale Balance innerhalb von Produktion, Investition und Ressourcen-Management finden. Viele Gegensteuerungsmechanismen sind eingebaut, um einen führenden Spieler nicht davonziehen zu lassen: Arbeiter werden immer teuerer, ihre Ernährung immer aufwendiger und Strafen für zu extensive Betriebsauslastung immer höher. Diese Bremsklötze gehen zu Lasten der Dynamik. An keiner Stelle gibt es ein Schwelgen im Überfluß. Nicht nur Aaron war zumute: “Ich könnte heulen”, wenn die Ressourcen für die nächste Bauphase eines Weltwunders wieder gerade nicht mehr ausreichten.
Mittels Theologie müssen die Spieler für die Glückseligkeit ihrer Bevölkerung sorgen. Im 21. Jahrhundert hat man deren Basisforderung nach “Heulen und Zähneklappern” total ad acta gelegt. Als Alternative wird dafür das sich Ergehen in den “hängenden Gärten der Semiramis” angeboten. Da gab es doch noch etwas für die Wonnen des Alltags! “Im Wandel der Zeiten” scheint das verloren gegangen zu sein.
Aaron hatte sich die Neuauflage sofort zugelegt, weil dem Spiel der Ruf eines schnelleren “Civilization” vorausging. 8 Stunden Spielzeit sind auch für einen Freak keine Selbstverständlichkeit. Wir brachen nach knapp 2 Stunden Spielzeit friedlich und erwartungsgemäß ab, und hatten da vom ersten Stapel Aktionskarten gerade mal die Hälfte verbraucht. Insgesamt wären drei Stapel Aktionskarten zu bewältigen gewesen. Selbst wenn wir unsere jeweiligen Denkzeiten um 50% reduziert hätten, wäre dabei immer noch eine Gesamtspielzeit von über fünf Stunden herausgekommen. Für die gebremste Dynamik des Spielablaufs ist das entschieden zu viel.
Es gab lange Diskussionen (nach dem Spiel), ob die Vorteile von Fortschrittskarten einmalig oder jedesmal pro Runde gelten sollen. Erklärungen und Piktogramme waren nicht immer eindeutig. Vor allem war es nicht einsichtig, daß ein billiger Caesar, den man sich für einen einzigen Aktionspunkt zulegen konnte, zwei Siegpunkte pro Runde einbringen sollte, während der Koloß von Rhodos für den gleichen Ertrag vier Aktionspunkte und zusätzlich eine Menge Ressourcen kosten sollte. Die Entwicklung einer tollen Militärtheorie bringt sogar 10 Siegpunkte pro Runde ein. Ist das wohlproportioniert? Oder ist das ein verdecktes Moritz-Prinzip?
Eigens für die Mitspieler, die regelmäßig vorzeitig zur vorletzten U-Bahn abdüsen müssen, gibt es noch folgende Spielregel: “Zu Beginn Ihres Zuges haben Sie die Möglichkeit, das Ende Ihrer Zivilisation zu erklären und aus dem Spiel auszuscheiden!” Als Letzter! Die anderen dürfen dann noch stundenlang weiterspielen. Das ist wenigstens mal ein sehr bemerkenswertes Peter-Prinzip!
WPG-Wertung: Haben wir vor lauter Diskussion vergessen, wird nachgereicht. Walter vergibt schon mal 7 Punkte für Design und Ablauf, zieht davon aber wieder 2 Punkte ab, weil die Spielzeit im Verhältnis zur gebotenen Dynamik einfach viel zu lang ist.
2. “Flaschenteufel”
Zum ersten Mal zu dritt gespielt. Eine ganz andere Kartenpräsenz als zu viert. Noch durchsichtiger, noch berechenbarer. Man hat das Timing beim Stiche-Machen besser in der Hand, und jeder weiß von jedem Mitspieler mindestens eine Karte, auf die er seine die Verteidigung aufbauen kann. Ungewöhnlich oft war der spontane Satz zu hören: “Jetzt habe ich einen Fehler gemacht!”.
Natürlich gibt es wie im richtigen Leben auch beim Flaschenteufel Kartenhände, die den Besitzer zum Verlieren verurteilen. Doch dann kann man zumindest noch versuchen, den Schaden zu begrenzen.
Aaron kündigte gleich im ersten Spiel an: “Ich bleibe auf dem Teufelsstich sitzen”. Mit welcher Begründung? Er hatte keine einzige gelbe Karte auf der Hand und fürchtete, mit der gelben 1 und 2 beschenkt zu werden und diese Karten nicht mehr loswerden zu können. – So kam es dann auch.
3. “Bluff”
Walter hatte zum ersten Mal in seinem Bluff-Leben 5 Sterne unter seinem Würfelbecher. 7776 mal muß man für diesen Superstwurf würfeln. Es reicht, wenn man sich fünfzig Jahre lang jede Woche einmal zum Bluff-Spiel zusammensetzt und dann pro Tag jeweils drei Runden absolviert. Im Durchschnitt. Da wurde es auch höchste Zeit.

"Was lag auf den Tisch?"