14.10.2020: Versailles oder Leningrad

1. “Versailles 1919”

Szenerie in “Versailles 1919”

Es geht um die berühmt-berüchtigte Konferenz, in der die weltumspannenden Ergebnisse des Ersten Weltkrieges fixiert wurden. Moritz betonte, dass dies das erste Spiel zu diesem Thema sei, auch wenn es über den Verlauf des Krieges selbst (genauso wie über WWII) natürlich hunderttausende von Simulationsspielen gibt.

Wie laufen solche Konferenzen grundsätzlich ab? Zunächst mal setzen sich die drei oder vier mächtigsten Nationen zusammen und machen unter sich aus, wen sie am Verhandlungstisch zulassen wollen. In V1919 sind das England und Frankreich, und wenn sie es unbedingt wollen (3-Personen-Spiel), dann dürfen auch die USA bei den Großen dabei sein.

Dann wird entschieden, welche weitere Nationen noch an den Katzentisch dürfen. In V1919 ist das nur Italien. (Beim Wiener Kongress waren es noch hundert andere Delegationen. Sogar das besiegte Frankreich war dabei.) Falls man hier eine Erweiterung für ein 5-Personen-Spiel vorhat, würde ich den Vatikan als nächste Großmacht empfehlen. (Solange es ihn noch gibt.)

Jetzt wird eine Liste mit den zu lös(ch)enden Brennpunkten aufgestellt. In V1919 hat man sich auf 53 beschränkt. Deutschland selber ist nur von einem Bruchteil der Themen betroffen, z.B. Ostpreussen, Schlesien, das Rheinland und natürlich Togo und Deutsch-Südwest-Afrika als geographische Regionen. (Elsaß-Lothringen hat man tunlichst weggelassen.) Weiterhin natürlich auch von Sachthemen wie die Hochseeflotte, die Entmilitarisierung, den Anschluss Österreichs und die Reparationen. (Tunlichst wurde auch die Kriegsschuldfrage hier nicht wieder aufgetischt.) Bei der Mehrheit der anderen, weltweit zu regelnden Fragen geht es auch um das Stimmrecht für Frauen, die Reform der Arbeiter-Bewegung, und was die Autoren Mark Herman und Geoff Engelstein noch alles dazu zusammengetragen haben.

Jedes dieser Themen ist auf einer Karte aufgedruckt. Dazu die möglichen Entscheidungs-Alternativen, z.B. kann das Rheinland bei Deutschland bleiben, von Frankreich besetzt werden oder ganz an Frankreich fallen. Reparationen können niedrig, mittel oder hoch ausfallen.

Wie im richtigen Leben kommen diese Themen aber nicht systematisch zur Entscheidung, sondern so, wie sie von einer der Großmächte gepuscht werden. Jeweils zwei Themen liegen entscheidungsbereit auf dem Tisch, drei weitere sind als Nachfolge-Themen für die nächsten Beratungen vorgesehen. Wer am Zug ist, kann sich für jeweils zwei dieser insgesamt fünf Themen stark machen, indem er Einfluss-Stimmen darauf setzt. Damit wäre sein Zug beendet. Schnell und schmerzlos. Er kann aber auch für eines der beiden Tisch-Themen die Entscheidung herbeiführen. Das tut er natürlich besonders gerne, wenn die Aussichten für ihn gut stehen. Wer dort jetzt den (relativ) meisten Einfluss hat – das muss nicht der Entscheidungs-Auslöser sein -, kann beliebig einen der vorgegebenen Entscheidungsausgänge bestimmen. Er bekommt die Karte (mit Siegpunkten) und löst je nach Ausgang verschiedene Nebeneffekte aus: einzelne Großmächte werden beliebter (selten) oder unbeliebter (häufig), strategische Positionen werden bezogen (jeweils siegpunkt-relevant) und/oder die politische Unruhe in den verschiedenen Gebieten der Welt wächst.

Ab und zu (zufallsgesteuert, aber oft) wird die politische Unruhe abgeprüft. Übersteigt sie irgendwo (ausgewürfelt) einen Grenzwert (ausgewürfelt), so wird eine bereits gefallene Entscheidung aus dieser Region neu aufgerollt. Der Spieler, der die entsprechende Themenkarte besitzt, muss sie hergeben, und sie gerät in die Hände dessen, der am meisten Militär und/oder Einfluss dafür einsetzt. Dieser darf dann hierfür eine beliebige neue Entscheidungs-Alternative wählen.

Um wertvolle Themenkarten durch solche Unruhen nicht zu verlieren, kann jeder Spieler rechtzeitig Militär in die entsprechende Region senden. Damit wird die Unruhe gedeckelt, und falls sie doch noch ausbricht, erhält man Vorteile bei der Bestimmung des nachfolgenden Entscheidungsrechts. Allerdings macht man sich durch jede Art von militärischem Einsatz in der Heimat unbeliebt, denn die Bevölkerung aller Nationen ist kriegsmüde, und reagiert mit Unwillen auf jede Art von Vergeudung von öffentlichen Mitteln für diesen unsinnigen Bereich.

Der Auslöser einer Entscheidung bekommt aber das wichtige Vorrecht, eines von den drei vorgesehenen Nachfolge-Themen auf den Tisch zu bringen. Naturgemäß wird er das auswählen, auf dem er den größten Einfluss hat. Weiterhin werden ihm zwei neue Themen zur Auswahl gegeben und er kann beliebig bestimmen, welches davon bei den Nachfolge-Themen eingereiht wird. Das andere fällt mir-nichts-dir-nichts unter den Tisch, könnte aber u.U. durch einen nachfolgenden Auslöser wieder hervorgeholt werden (, was bei uns nicht vorkam).

Nach jeder Themen-Entscheidung treten charismatische Persönlichkeiten auf, von Mahatma Gandhi bis Kemal Atatürk, die Unruhe-Pegel, Militär und Einfluss-Marker oder die Zufriedenheit der Bevölkerung modifizieren.

Ist das Spiel jetzt themenorientiert? Spielt es eine Rolle, ob Gandhi auftritt? Oder ob die Unabhängigkeit von Slowenien verhandelt wird? Absolut nicht. In der Regel haben wir kein einziges Brennpunkt-Thema durchgelesen und bei den möglichen Entscheidungs-Alternativen lediglich auf die Bilder geschaut: England und die USA verlieren je einen Zufriedenheitspunkt? Der Franzose wäre dafür, die anderen beiden nicht. Im Mittleren Osten steigt die Unruhe? Wen juckt’s?! Die USA erhalten ein zusätzliches Geschwader? Ein Siegpunkt wird dafür vergeben. Nicht schlecht.

Wir hätten uns mit unseren Entscheidungen leichter getan, wenn die Großmächte lediglich durch die Farben rot, grün, gelb oder blau vertreten gewesen wären und wenn die strategischen Positionen (Siegpunkte) mit den gleichen Farben gekennzeichnet worden wären. Hier haben die Autoren sich unendlich Mühe gegeben, eine Fülle von Einzelheiten schlagwortartig zusammen zu tragen. Geschichtsinteressierte können hinterher noch stundenlang im Internet Personennamen abfragen und die Details zu den geographischen Entscheidungen nachlesen. Wen das soviel interessiert, wie wenn in China ein Radl umfällt, der kann es auch sein lassen. Es spielt für den Ablauf des Spiels und für die Entscheidungen der Spieler überhaupt keine Rolle.

Bemerkenswert ist hier eher, dass das Spiel von hinten bis vorne voller Kingmakerei steckt. Bei uns bildeten wie von zufällig Günther und Walter eine Koalition, die sich gegenseitig Themen zuschusterte, Reihenfolgen von Entscheidungen absprach und Siegpunkte anhäufeln ließ. Moritz war der leidvolle Dritte ohne Bund, der bloß zuschauen konnte. Selbst für eine verbale Interventionen in diesem abgekarteten Spiel blieb ihm das Messer im Halse stecken.

WPG-Wertung: Günther: 4 (oder 5), Moritz: 5 (ich hätte nicht gedacht, dass hier die Kingmakerei so ätzend ist), Walter: 6 (für das Thema. Das Einfluss- und Entscheidungs-Handling bietet erhebliche Handlungsfreiheit. Alle Entscheidungen sind leider ziemlich verwaschen, d.h. Pluseffekte gehen mit Minuseffekten überall Hand in Hand).

2. “Sankt Petersburg”

Glücklich in “Sankt Petersburg”

Eine Stunde war noch Zeit bis zur vorletzten U-Bahn für Moritz. Aus Walters Repertoire zogen wir diesen Klassiker hervor, für den Günther vor Jahren sogar eine Internet-Implementierung geschaffen hatte.

Es gab zwar ein kleines Kuddelmuddel, denn unter die Karten des Original-Spiels waren die Karten der Bankett-Expansion eingemischt, die wir erst im Laufe des Spiels so peu-a-peu wieder aussortierten. Trotzdem kamen die Qualitäten dieses mehrfachen Spiele-Preisträges wieder voll zur Geltung: denken und planen ohne dabei aber viel Denkzeit zu benötigen, verschiedene Strategien zum Sieg fahren, oder wenigstens ausprobieren, jede Menge Interaktion, ohne dass dies zu einem – für uns sogar noch tolerierbaren – Mitspielerchaos ausufern würde. Ein dosiertes Quantum Zufall ist eingebaut, dem jeder Spieler zum Teil aber auch entgegenwirken kann. Rund und zügig.

Ach Hans, würdest Du heute immer noch dafür nur 7 Punkte vergeben, wenn Du noch einmal mitspielen könntest? Wenn ich mir die Rangliste der von uns gespielten Spiele anschaue, dann gehört das Spiel bestimmt nicht in die einundzwanzigste Kategorie (von 139), sondern ganz bestimmt unter die Top-Ten!

WPG-Wertung: Keine neue Wertung für ein 8,0 Punkte-Spiel.

07.10.2020: Alte Schätze

Wie schon erwähnt, löst Günther einen Teil seiner Sammlung auf und was liegt näher, als einige Schätze noch einmal auf den Tisch zu bringen, bevor sie auf dem BGG-Markt einen neuen Liebhaber finden. Gleichzeitig hat Aaron eine bequeme Möglichkeit gefunden, mittels der Spielefinder-Funktion unserer Webseite Spiele zu finden, die von mindestens einem der Anwesenden bei Spieleabend noch nicht bewertet wurden. Auch hier taucht das ein oder andere Schätzchen auf.

Auszug aus Günthers Verkaufsliste

1. „Keytown“

Nach Keywood und Keydom erschien zur Spiel 2000 Keytown als dritter Vertreter der bis heute erfolgreichen „Key“-Serie von Richard Breese. Aaron pries Keytown als das erste Workerplacement Spiel an, das noch vor Caylus, als bekanntestem Vertreter dieses Mechanismus. Leider stimmt die Aussage bzgl. Keytown nicht ganz, denn das 1998 erschienene Keydom (später als Morgenland neu aufgelegt) verwendete bereits Workerplacement Mechanismen (s. Wikipedia).

In Keytown starten die Spieler mit je 6 Arbeitern und haben die Aufgabe, in 4 Runden einerseits deren Anzahl zu erhöhen und andererseits deren Erfahrung zu verbessern. Jeder Arbeiter gibt am Ende Siegpunkte entsprechend seiner Erfahrungsstufe.

Der Spielplan zeigt 5 Plätze, in denen unsere Arbeiter Ressourcen „abbauen“ können. Hier dürfen beliebig viele Arbeiter eingesetzt werden. Alle, die dort eingesetzt haben, bekommen etwas, vorausgesetzt der limitierte Vorrat reicht (was bei uns in einer 3er-Runde immer der Fall war). Dabei gilt die Regel: „Wer die erfahrensten Arbeiter eingesetzt hat, bekommt als Erster etwas.“. Viel Erfahrung ist also gut, wenn die Vorräte zuneige gehen. Klingt logisch.

Eine weitere Kategorie von Einsetzplätzen sind die 3 Stadtgebäude. Hier sind die Plätze pro Gebäude auf die Anzahl der Mitspieler beschränkt. Wer hier einsetzt, kann die Erfahrung seines Arbeiters erhöhen, und das gelingt umso wahrscheinlicher, je weniger Erfahrung der Arbeiter mitbringt. Hier spielen dann auch die Ressourcen eine Rolle, denn mit ihnen lässt sich die Erfahrung aufwerten. Arm und dumm ist also besser als reich und dumm, wenn es um den Erwerb von Erfahrung geht. Dass man diese Aufwertung nicht bei den eigenen Arbeitern, sondern bei denen der Mitspieler vornimmt, versteht sich von selbst.

Als dritte Einsetzmöglichkeit gibt es die 5 Hütten. Hier gibt es genau 2 Plätze pro Hütte und, wer hätte es gedacht, dort findet die Vermehrung statt, wenn beide Plätze besetzt sind. Und wie bei den Stadtgebäuden gilt auch hier die Regel, dass die Wahrscheinlichkeit der Vermehrung größer ist, wenn die Erfahrung klein ist. Es sein denn, jemand schießt noch ein paar Ressourcen zu, um die Vermehrung zu verhindern. Man könnte sagen. „Wie im richtigen Leben.“

Was uns während des Spiels auffiel war, dass es überwiegend von seinen Ärgerelementen lebt, da man wenig für sich selber tun kann, dafür aber umso mehr gegen die Mitspieler tun muss. Das muss man mögen. Gleichzeitig sind die Möglichkeiten für Grübeleien groß und gerade beim Spiel zu Dritt steckt es voller Kingmakerei. Die Spieler sollten daher auf jeden Fall eine gute Portion Frustrationstoleranz mitbringen.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (reduziert von 8, zu viel schwer kalkulierbare Miesnickeligkeit), Günther: 6 (angenehm kurz aber etwas zu viel Chaos), Walter: 6 (es hat den Charme eines gut gealterten Aschenputtels)

2. „Maori“

Maori kam im Erscheinungsjahr 2009 ganze zweimal auf unseren Tisch. Fast schon bemerkenswert, da bereits vor 11 Jahren das Spieleangebot sehr groß war und in der Regel jedes Spiel bei uns nur einmal gespielt wurde – von einigen wenigen Absackerklassikern abgesehen.

Maori ist ein Plättchenlegespiel, das vom bewussten Eingehen von Risiken und dem Erkennen der Interessen der Mitspieler lebt. Alles ist rund und logisch und die Regeln einfach genug, um es auch mit kleineren Kindern spielen zu können.

WPG-Wertung: unveränderte 7er-Wertung der heutigen Spieler

30.09.2020: Der Turm in Tallinn

1. “Der Turmbau zu Babel”

Günther fängt langsam an, seine Berge von gesammelten Spielen, die in Keller und Küche die Regale vollstopfen, so peu-a-peu zu verscherbeln (siehe seine Angebote unter Boardgame-Geek). Aber bevor er sich von ihnen trennt, bringt er sie noch einmal zum Westpark, um sich entweder den Abschied zu erleichtern oder um die Schachteln doch noch einmal für ein paar Jahre zurückzustellen. Heute war „Der Turmbau zu Babel“ dran.

Aaron ringt mit sich um seine Baubeteiligung

Vor 15 Jahren haben wir dieses Knizia-Spiel erstmals gespielt, und weil wir damals noch recht stark zu Hans-im-Glück, dem gerade aufgestiegenen, hell leuchtenden Stern der deutschen Spieleverlage aufschauten, haben wir das Spiel auch gleich zu unserem „Spiel des Monats“ gewählt.

Damals haben wir auch noch regelrechte Rezensionen verfasst, während wir uns heute bekanntlich ja mit lockeren Session-Reports begnügen. Wer jetzt zum „Turmbau“ mehr Informationen von uns will, kann den damaligen Report unter https://www.westpark-gamers.de/index.html?/Reviews/bericht158.html nachlesen.

Die Herausforderung des Spiels ist ein feilschlerisches Abwägen mit Karten. Wie viele davon sollte man einem Mitspieler als Baubeteiligung anbieten? Die dafür eingehandelten Vorteile sind unter Umständen klein, kleiner als wenn man selber als Bauherr fungiert. Aber wenn die Beteilung abgelehnt wird, bekommt man von der „Bank“ eine Belohnung, die umso höher ist, je größer die angebotene Beteilung war. Also sollte man damit auch schon ans Limit gehen. Ein hübscher Konflikt zwischen Geben und Nehmen.

Allerdings ist das Ganze schon fast repetitiv, denn Bau ausschreiben, Beteiligungen abfragen, gewünschte annehmen und ungewünschte ablehnen, das ist schon das ganze Spielgeschehen. Dazu kommt noch ein taktischen „Passen“, um sich weitere Karten-Munition zuzulegen. Wenig, aber rund und ausbalanciert. Und am Ende spitzt sich der Kampf um die Top-Prämien noch einmal richtig zu. So wie sich das für ein gelungenes Spieldesign gehört.

Weil das Ganze auch schon nach schnellen 24 Runden zu Ende ist, fällte das Repetitive überhaupt nicht ins Gewicht. Das Spiel würde auch heute noch bei uns punkten. Walter erhöht seine Wertung von 6 Punkten auf 7.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (bleibt, ein „trockener Knizia“, der mich nicht vom Hocker hebt), Günther: 7 (mit wenig Mechanismen viel Interaktion erzeugt; das Spiel ist in der heutigen Zeit wohl nicht mehr so marktfähig, weil die Freaks mehr Regeln fordern. Andererseits: Damals galt „der Turmbau“ als ein „Familienspiel“, heute sind die Regeln dafür wohl schon zu kompliziert), Walter: 7 (statt 6; endlich mal wieder ein Spiel, bei dem die Angabe der Spieldauer am Westpark stimmt!)

2. “Tallinn”

Spielkarte in “Tallinn”

Was soll ich über ein Spiel schreiben, vor allem, was soll ich daran kritisieren, das überhaupt nicht für uns vorgesehen ist. Aber wir haben es schließlich gespielt, trotz Walters Anregung, beim zweitem Mal hinter seine Geheimnisse zu kommen, nur ein einziges Mal, und schließlich wollen wir hier ja auch unsere Aktivitäten dokumentieren.

In „Tallinn“ bekommt jeder Spieler einen identischen Satz von 10 Karten, auf der in unterschiedlicher Anzahl, auch gemischt, rote, gelbe und blaue Köpfe zu sehen sind, insgesamt 38 Stück, durchschnittlich also 3,8 Köpfe pro Karte. 38 lässt nicht durch 3 teilen, es gibt also nicht gleich viele Köpfe von jeder Farbe, aber das stört natürlich keinen großen Geist.

3 von diesen 10 Karten hat jeder Spieler jeweils auf die Hand nehmen und darf davon pro Zug eine auswählen und offen in seine private Reihe von Karten legen. Hier wächst demnach ständig die Anzahl von ausgelegten roten, gelben und blauen Köpfen.

Das Besondere an den Karten ist, dass die Köpfe darauf in zwei Teile aufgeteilt sind, und jeder Spieler beim Auslegen unterscheiden muss, ob er die Köpfe der rechten oder die der linken Kartenhälfte in seiner Reihe zur Geltung bringen will.

Bei 4 der 10 Karten passiert nach dem Auslegen überhaupt nichts. Das ist ruhig, fast kontemplativ. Auch bei den anderen sechs Karten passiert nichts, wenn man beim Ablegen von ihnen lediglich die reine „Kopfhälfte“ nutzen will. Nutzt man von ihnen aber die „Wertungshälfte“, dann bekommt man Siegpunkte, wenn man mehr rote, gelbe oder blaue Köpfe (je nach Farbe der Wertungskarte) hat, als jeder einzelne der Mitspieler. (Warum man diesen Vergleich „im Uhrzeigersinn“ anstellen soll, das weiß nur der Autor; wir sind nicht dahinter gekommen.) Ein Mitspieler aber, der seinerseits mehr Köpfe der Wertungsfarbe ausliegen hat als der „Wertungsspieler“ bekommt nichts. Nur der Spieler der Wertungskarte kann punkten.

Wer eine Wertungskarte spielt, darf dann noch eine der ausliegenden Karten in seiner Reihe umdrehen. Die darauf abgebildeten Köpfe kommen damit „in den Turm“, wo sie für eine Endwertung zählen (wie schön!), sie gehen aber der aktuell ausliegenden Kopfzahl verloren (wie schlecht!). Nach der Spielregel darf man sogar eine Karte aus der Hand in den Turm geben, was aber ein ziemlicher Blödsinn ist, denn damit hat man eine (oder sogar zwei!) Karten weniger auf der Hand und muss für die letzten Züge seinen Mitspielern das Feld allein überlassen. Na ja, vielleicht ergibt diese Option ganz am Ende noch einen gewissen Sinn, da sind die Züge ohnehin eher kontemplativ. Vielleicht haben wir dieses Spiel, freigegeben ab 10 Jahre, auch einfach nicht verstanden.

Haben alle Spieler ihre 10 Karten abgelegt, wird eine dicke Wertung ausgelöst: Wieder wird die Anzahl der roten, gelben und blauen Köpfe jedes Spieler mit der entsprechenden Anzahl der Mitspieler verglichen (bitte wieder streng im Uhrzeigersinn!) und entsprechend werden Siegpunkte verteilt. Diesmal sogar doppelt so viele wie bei der Wertung via „Wertungskarte“.

Die Turmwertung bringt dann noch einmal das Dreifache der simplen Wertung, hier kommt allerdings pro Spieler nur eine einzige Farbe, seine „Maximalfarbe“ ins Spiel.

Wir haben überschlägig ausgerechnet: In einer Dreierrunde kann man über die Einzelwertungen maximal 6 mal 2 = 12 Siegpunkte machen. Theoretisch. Praktisch wohl kaum, weil irgend ein Mitspieler in irgendeiner Farbe bestimmt nicht zu toppen ist. Über die Turmwertung kann man ebenfalls maximal 12 Punkte machen; irgend ein Mitspieler wird damit aber auch 6 Punkte abstauben. Die finale Wertung der Farben kann allerdings 6 mal 4 = 24 Siegpunkte einbringen. Das ist sogar praktisch möglich. Vor allem wenn die beiden Mitspieler fleißig in die Türme investieren und die Köpfe in ihren ausliegenden Reihen ausdünnen.

Der Turm von Tallinn

Sollten die Spieler deshalb die Türme ignorieren? Ist das die Herausforderung des Spiels? Wer weiß! Walters Anregung der Spielwiederholung blieb ja ungehört. Aber vielleicht hätten wir das Spiel noch viel öfters wiederholen müssen, um hinter sein Geheimnis zu kommen. Wir haben darauf verzichtet. Im Alter wird es immer leichter, Geheimnisse der Welt einfach links liegen zu lassen.

WPG-Wertung: Günther: 4 (ich weiß nicht, ob wir dem Spiel Unrecht tun), Walter: 4 (wenigstens die Karten sind schön), Aaron: 4 (nicht einmal die Karten sind schön).

Da gab es einen Spielefreund, der legte sich Tallinn zu, um damit bei einem Besuch in Estland zu glänzen. Pech gehabt. Die Esten haben hinten und vorne vergeblich gesucht, was das Spiel Tallinn mit ihrer Hauptstand zu tun haben soll. Dabei hätten sie sich doch bloß die Rückseite der Karten anschauen sollen. Eine größere Ähnlichkeit der Karten mit der namengebenden Stadt findet man nicht einmal bei schon fast legendären „Sankt Petersburg“.

23.09.2020: Aarons Nieuw Amsterdam

1. “Aarons Nieuw Amsterdam”

Am Bietmechanismus von „Nieuw Amsterdam“ scheiden sich die Geister. Für die einen „hat das Bieten einen außergewöhnlichen Reiz“, ihnen „gefällt der Auktionsmchanismus ausgezeichnet, hier macht das Bieten wirklich Spaß!“, für die anderen ist er „nicht ganz ausgeglichen, er treibt einen immer tieferen Keil zwischen erfahrene Durchrechner und Neueinsteiger“. „Fehler werden stark bestraft, und neue Spieler, die das Spielgeschehen noch nicht überblicken können, können sich dadurch schon zu Beginn des Spiels ins Aus katapultieren“. Und er stellt die Spieler, zumindest den Startspieler vor die unlösbare Aufgabe, zu berechnen, wieviel wohl ein gewünschter Aktionsslot wert ist.

Faktum ist, “dass in der Bietphase die Planung der ganzen Runde entschieden wird“. Nachdem man seine Aktionen ersteigert hat, folgen die Details der nun abzuwickelnden Aktionen mehr oder weniger zwangsläufig. „Dadurch wird man gezwungen, hier die komplette Runde – und es gibt im Ganzen nur sechs Stück davon – zu überdenken und auszurechnen, wie viel Material zum Bieten eingesetzt werden kann, ohne die eigenen Ziele zu gefährden“ . Deshalb “müssen sich die Spieler auf einige Wartezeiten einstellen“.

Aaron hat dieser Bietmechanismus von Mal zu Mal immer wenig gefallen, und er hat eine Modifikation ausgearbeitet, um ihn ganz zu eliminieren. Jeder Spieler erhält jetzt ein Kartenset, in dem die einzelnen Aktionen, immer drei Stück auf einmal, aufgedruckt sind. Daraus kann jeder Spieler beliebig wählen, welches Trio er in der aktuellen Runde durchzuführen wünscht. Die Gesamtzahl jeder Aktion in einer Runde ist allerdings limitiert wie im Original-N.A.: Wenn z.B. zwei Spieler je zwei mal einen „Stadtschritt“ gewählt haben, so ist diese Aktion erschöpft und die restlichen Spieler müssen Karten mit anderen Aktionen aus ihrem Set wählen.

Aaron Aktionskarten zu “Nieuw Amsterdam”

Die wichtige Rolle des Startspielers ergibt sich aus einer Ordnungszahl, mit der jede Karte versehen ist: die Spieler ziehen in der Reihenfolge der absteigenden Ordnungszahlen.

Das Spiel „Nieuw Amsterdam“ bietet einem Spieler so vielschichtige Möglichkeiten, sein Spiel zu gestalten, dass wir sofort bereit waren, diese seine Qualitäten mit Aarons neuem Aktions-Auswahlmechanismus kombiniert auszuprobieren.

Aaron hatte auch noch eine weitere Neuerung eingebracht: Jeder Spieler durfte jetzt  jederzeit und ohne dafür eine Sonderaktion zu verbrauchen Geld in beliebige Waren umtauschen. Damit wollte er die unnötige Denkaufgabe abschaffen, alle Eventualitäten der nächsten Runde rechtzeitig vorauszuberechnen. Zweifellos konnte dadurch Zeit eingespart werden.

Und wie lief das Spiel ab? Wir brauchten immer noch fast vier Stunden für einen Spieldurchgang. Natürlich immer wieder unterbrochen durch unser Palaver, was jetzt besser und was jetzt schlechter war. Selbst die Auswahl der gewünschten Aktionskarte aus einem umfangreichen Kartendeck – unter Berücksichtigung der Zugprioritäten – dauerte länger als erwartet. Wir mussten uns mit dem Gesamtset ja auch erst vertraut machen. Am Ende waren Aaron und Günther mit den Neuerungen recht zufrieden, Walter war es nicht. Hier seine Positionierung.

Zum freien Geldtausch

    • In N.A. gibt es so viele Ecken und Enden, an denen man denken und planen muss, so dass das Vorausplanen und Quantifizieren der Sonderaktionen für den Geldumtausch nicht mehr wesentlich ins Gewicht fällt.
    • Der leichte Geldumtausch untergräbt den Diversifizierungszwang in N.A.; man muss nicht mehr in alle verschiedenen Ressourcen investieren, man kann eine Monostrategie fahren und mit dem sprudelnden Geld bzw. den sprudelnden Rohstoffen einer Sorte seine gesamte Entwicklung finanzieren.

Zum Aktions-Auswahl-Mechanismus

    • Der vorgegebene Aktions-Karten-Set untergräbt den Überraschungs- und Spannungs-Effekt, der bei bei den jeweils zufällig zusammengestelten Aktions-Slots gegeben ist.
    • Der vorgegebene Aktions-Karten-Set verhindert, dass ein Spieler konsequent in eine Richtung ausbrechen kann. Wenn er seine Stadtschritt-Aktionen ausgegeben hat, muss er in den letzten Runde ohne solche auskommen. Das ist eine Einschränkung des Freiheitsgrades, und als solche a priori nicht gut.
    • Durch den Original-Bietprozess wird sehr ungleich Geld abgeschöpft. Wer unbedingt einen bestimmten Aktions-Slot ersteigern will, muss prophylaktisch eine Menge Geld hinblättern; die Mitspieler überlassen ihm dann diesen teuer erkauften Slot, schustern sich selber aber die eigenen Slots für einen Appl und Ei zu. Das ist ein gutes Korrektiv gegen den führenden Spieler.
    • Gerade dadurch, dass jeder Spieler pro Aktions-Slot nur einmal bieten darf, hat der Startspieler einen deutlichen Nachteil: er muss nämlich auch die Ambitionen der Mitspieler recht genau einschätzen, wenn er zu einem aktzeptablen Minimal-Gebot ein bestimmtes Aktions-Slot ersteigern will. Startspieler ist aber in der Regel der aktuell reichste Spieler; er konnte sich ja auch in der vorigen Runde das erste – und in der Regel das teuerste – Paket aussuchen. So wird mit diesem Bietprozess der reichste Spieler geschröpft. Aber nicht zwangsweise für einen barmherzigen Zweck, sondern nur freiwillig gemäß seiner Gier, einen definierten Aktions-Slot zu ersteigern.

So, das war jetzt meine private Positionierung. Aaron und Günther, die das anders sehen und gesehen haben, sind zu einer Gegenstellungnahme aufgefordert.


WPG-Wertung: Keine Änderung für ein 7,2 Punkte Spiel.

16.09.2020: Scharfe Insider

1. “Spicy”

Ein Geschenk des „netten Spielerfinders Roland Goslar aus Frankfurt“ (O-Ton Moritz) an die Westpark-Gamers! Angekündigt als eine Art „Bluff mit Karten“.

Welches sind die Analogien?

  1. Die Spieler müssen sich reihum überbieten.
  2. Das Überbieten geschieht verdeckt und besteht lediglich aus einer unbewiesenen Behauptung.
  3.  Jeder Spieler darf das Gebot des Vorgängers anzweifeln
  4. Nach dem Anzweifeln wird das verifiziert: Stimmt es, bekommt der Anzweifler einen Nachteil, stimmt es nicht, so hat der Angezweifelte einen Nachteil.

Spielmaterial von “Spicy”

Was ist total anders?

  1. In „Spicy“ hat jeder Spieler eine feste, vom Zufall ausgeteilte Kartenhand, aus der er seine Gebote bestreiten muss; in „Bluff“ kann man bei jedem Zug nachwürfeln und sein Glück neu versuchen -> 0 : 1.
  2. Das Kartendeck in „Spicy“ besteht aus Zahlen in drei verschiedenen Farben. Innerhalb eines Durchgangs darf nur eine einzige Farbe zugeben werden. Statistisch gesehen enthält eine Kartenhand demnach zwei Drittel unbrauchbare Karten. Bei Bluff zählt jederzeit jeder Würfel -> 0 : 2.
  3. Beim Höherbieten muss man eine Karte aus seiner Kartenhand spielen, die dezidiert einen höheren Wert hat als das, was aktuell geboten ist. Wer keine passende Karte hat, hat im Falle des Falles keine Chance -> 0 : 3.
  4. Es zählt nur die Karte aus der eigenen Kartenhand, eine Risiko-Abwägung über alle gespielten Karten und die Gebote der Mitspieler gibt es nicht -> 0 : 4.
  5. Wer zu Unrecht anzweifelt bzw. in seinem Gebot gelogen hat, bekommt eine Zusatzkarte, in Bluff verlieft man einen Würfel. Das ist vergleichbar, also ½ : 4 ½

Wer zu Recht anzweifelt bzw. wessen angezweifeltes Gebot zutreffend war, bekommt den KOMPLETTEN bisher gespielten Kartenstapel als PLUSPUNKTE zugeteilt. Das läuft früher oder später auf ein Alles-oder-Nichts hinaus; auch Kingmakerei ist Tor und Tür geöffnet. ½ : 5 ½

Diese quick-and-dirty Bilanz sieht nach einer totalen Niederlage gegenüber „Bluff“ aus. Dafür war aber auch die Messlatte falsch. Wir hätten eher ein Kartenspiel wie „Mäxchen“ zum Vergleich heranziehen sollen. Dagegen kann „Spicy“ mit seiner kurzen Dauer – ein Kartendeck durchgespielt oder 3 mal eine Kartenhand leergespielt, und schon ist Schluss – und mit seinen dicken Belohnungen durchaus punkten.

Und woher der Name „Spicy“. Wer das herausfindet bekommt einen Taler! Aber ich will es lieber selber gleich verraten: Drei Raubkatzen hatten das ewige Kämpfen satt und beschlossen, dass diejenige ihre Königin sein sollte, die die meisten scharfen Gewürze verträgt. Eine an den Haaren herbeigezerrte Geschichte. Tut mir leid, lieber Roland, aber der Faseler dieser Abstrusität versteht weder etwas von Raubkatzen noch hat er eine Ahnung, wofür scharfe Gewürze in der Küche dienen sollen. Allein dafür einen Punkt Abzug.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (das Prinzip ist nicht unbekannt), Günther: 6 (im Prinzip trivial), Moritz: 7 (man muss das Spiel mit Psychologie und Überlegung angehen, z.B. ist eine 10 als letzte Karte fast überlebenswichtig), Walter: 6 (schnell, jede Menge Glück und Zufall, aber stimmig; vielleicht in einer lockeren Runde ein Spielespaß).

2. “Caylus – Magna Charta”

Das nagelneue „Caylus 1303“ hatte neulich bei uns nur begrenzt überzeugt. Da wollten wir noch einmal „Caylus – Magna Charta“ auf den Zahl fühlen, dem eine halbe Generation älteren Bruder vom gleichen, genialen Vater.

Die Kartenspiel-Variante hat auch heute überzeugt. Peters damalige Einschätzung: „Neben ‚San Juan’ von Alea die einzige verkürzte Spielvariante, die vom Glanz des Original nichts verloren hat“, galt auch diesmal. Einziger Kritikpunkt: Die Spieldauer müsste kürzer sein. Das könnte man aber problemlos erreichen, indem standardmäßig pro Runde mehr Chips weggenommen würden. Bei einer verkürzten Version könnte man auch leichter das Wegfallen der sehr interessanten Schloss-Konstruktion des Originals verschmerzen.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (bleibt, am „altbackendsten“ von allen Caylüssen, trotzdem besser das „modernere“ 1303), Günther: 8 (bleibt; grübelte am intensivsten über eine Spielverkürzung nach, „das ‚alte’ Caylus ist nach wie vor ein Super-Spiel“), Moritz: ? (Note nicht abgefragt, seine vergebenen Attribute „schleppend, lang und öd“ lassen aber nichts Gutes vermuten), Walter: 8 (bleibt; rund, gute Balance zwischen Mangel und Überfluss).

3. “Aarons Nieuw Amsterdam”

Aaron tüftelt an einer neuen Variante von „Nieuw Amsterdam“, bei der der von uns ungeliebte Bietprozess durch etwas „Besseres“ ersetzt wird. Vielleicht wird dann das 7-punktige „eigentlich“ sehr gute Spiel noch zu einem 8-9 punktigen wirklich sehr guten Spiel.

Aaron hat uns seine Idee heute nur kurz skizziert; ausprobiert und gespielt haben wir sie noch nicht. Wird aber bestimmt noch kommen. Wir werden sehen.

4. “Insider”

Ein Deduktionsspielchen. Auf dem Tisch liegt eine Karte mit 6 Begriffen, beispielsweise Eltern, Bruder, Schwester, Zwillinge, Ehepaar und Klassenkamerad. Die Begriffe gehören irgendwie zu einer Kategorie, was aber mit dem Spielprinzip gar nichts zu tun hat. Einer dieser Begriff ist als Suchbegriff definiert. Der „Spielleiter“ und der „Insider“ kennen den gesuchten Begriff, die „Bürger“ kennen ihn nicht. Die Bürger wissen nicht, wer von ihnen der Insider ist. Der Spielleiter weiß es auch nicht.

Spielmaterial von “Insider”



In der ersten Phase geht es für Insider und Bürger nun darum, durch Ja-Nein-Fragen an den Spielleiter aus der vorgegebenen Auswahl von 6 den gesuchten Begriff herauszufinden. Dabei könnte der Insider ihn natürlich sofort benennen, würde sich damit aber als Insider verraten, womit er verloren hätte. So hangeln sich die Fragenden je nach Temperament langsam oder schnell vorwärts.

Ist der Suchbegriff innerhalb von 5 (FÜNF) Minuten (per Sanduhr gemessen) nicht gefunden, so haben alle verloren. Wie schade! Frage an die Allgemeinheit: Haben die Bürger jetzt größeres oder kleineres Interesse als der Insider, den gesuchten Begriff herauszufinden? Können sie den Insider „unter Druck“ setzen, indem sie sich dumm stellen, und ihn damit „zwingen“, sein Insider-Wissen (und damit seine Identität) preiszugeben? Seltsamerweise heute bei uns eine heftige Nach-Spiel-Diskussion.

Gehen wir davon aus, dass der Begriff gefunden wurde. Nachdem die Fragen per Regel nicht eingeschränkt wurden, kann man dazu ja ganz trivial vorgehen. Bei den obigen Beispielsbegriffen könnte man z.B. fragen: „Fängt der Begriff mit „E“ an?“ Ja -> Eltern; Nein: Fängt der Begriff mit „B“ an? Ja -> Bruder usw. Diese Trivialität ist die größte Crux der Spiels.

In der zweiten Phase ist derjenige, der den Begriff schlussendlich genannt hat, der also z.B. aus dem „Ja“ zum Anfangsbuchstaben „E“ messerscharf geschlossen hatte, dass die „Eltern“ herauszufinden waren, und der zum Spielleiter sagt: „der gesuchte Begriff sind die Eltern“ jetzt die Determinante. Er wird wiederum 5 (FÜNF) Minuten lang examiniert, warum er was gefragt hat und warum er auf die „Eltern“ geschlossen hat. Danach müssen alle abstimmen, ob die Determinante der Insider ist oder nicht. Ist es der Insider und er wird identifiziert, so hat er verloren; wird er nicht identifiziert, so hat er gewonnen. Ist es ein Bürger und wurde fälschlich verdächtigt, so hat der Insider ebenfalls gewonnen. Ist es ein Bürger und er wurde nicht verdächtigt, so wird in einer dritten Phase abgestimmt, wer der Insider ist.

Mein Gott, wenn die Begriffs-Raterei nur nicht so dämlich wäre, wenn man den Insider tatsächlich unter Druck setzen könnte, dass er „verdächtige“ Hinweis-Fragen stellen muss. Aber das ist alles Fehlanzeige. Die phlegmatischen Bürger halten sich zurück und überlegen lang und breit, bevor sie fragen, weil das halt ihre Natur ist. Die Sanguiniker unter ihnen gehen mit Windeseile auf die Lösung zu, und finden sie entsprechend schnell heraus, bevor der Spielleiter die Sanduhr auch nur gestartet hat. Und der Insider versucht dabei nicht aufzufallen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (bekannte Ideen neu präsentiert), Günther: 5 (das Prinzip ist OK, aber die Umsetzung ist misslungen), Moritz: 6 (fand die drei Spielphasen gut), Walter: 3 (maximal, die Begriffsraterei ist trivial, die Insider-Verdächtigung reines Kaffeesatz-Lesen)).

09.09.2020: Nieuw Amsterdam

1. “Nieuw Amsterdam”

2012 erschienen, ein Jahr später in einer Dreierrunde am Westpark erstmals gespielt und für (sehr) gut befunden, wurde es, noch bevor Moritz auch nur sein Placet geben konnte, schon unser „Spiel des Monats“. Dann war sieben Jahre Ruhe. Heute hat es Aaron aus seinem Fundus noch einmal hervorgeholt. Auch Günther, der bisher nie dabei war, sollte sein Urteil dazu abgeben können. Kurz und gut, er reihte sich am unteren Ende unserer Wertungsskala ein.

Was soll ich zum Spiel sagen? Im Internet haben wir es bereits zweimal beschrieben und auch andere Spielefreunde haben Kritiken dazu veröffentlicht. Das Spiel ist nicht mehr im Handel, wen interessiert es da noch, welches Material geboten ist und wie man damit umgeht? Schauen wir doch mal nach, was andere Kritiker dazu bemerkt haben, und ob wir etwas daraus lernen können. Bei H@LL9000 habe ich mich umgesehen.

Als Kurzeinführung zunächst ein Satz aus unserem eigenen Spielbericht: Wir sind Mitglieder der Niederländischen Westindien-Kompanie und treiben Fellhandel mit den nordamerikanischen Indianern. In der Grundidee tauschen wir Waren gegen Felle, verschiffen die Fälle und erhalten dafür Geld, Siegpunkte und neue Waren.“

Sandra Lemberger hat vor allem das Thema sehr gut gefallen, endlich mal „keines der sich oft wiederholenden Mittelalter- oder Italienspiele. Zur Abwechslung taucht man gerne mal in die Geschichte der von den Siedlern immer mehr vertriebenen Ureinwohner Amerikas ein.“

Aber wo findet sich das Thema? Machen Felle, die man vor der Landkarte von Manhattan mit konkreten Schiffskarten in ein abstraktes Nirgendwo verschifft, bereits die Geschichte der nordamerikanischen Indianer aus? Wohl kaum. Sandra findet „das Ganze optisch recht schön dargestellt, indem bei jedem Länderkauf durch einen Spieler ein Langhaus der Indianer weiter flussaufwärts versetzt wird.“ Ja, wenn man die Geschichte kennt, kann man hier die Indianer-Vertreibung nachvollziehen und für die Beerdigung von Red Cloud’s Herz an der Biegung des Flusses noch ein paar Tränen vergießen. Wenn man sie nicht kennt, bleiben die Indianer hier genauso unsichtbar wie in der Verfassung der Vereinigten Staaten.

Mahmut Dural: “ Es ist ein thematisch toll umgesetztes Bietspiel, wobei hier das Bieten einen außergewöhnlichen Reiz hat.“ Michael Andersch: „Der Auktionsmechanismus gefällt mir ausgezeichnet, ebenso die thematische Umsetzung.“ Sandra: „N.A. besticht durch ein ausgetüfteltes Versteigerungssystem.“

Doch man kann es auch anders sehen. Maik Bretschneider: „Dem mit Resourcenmanagement und Eintauschoptionen mittlerweile totgeprügelten Spielschema wurde ein Bietmechanismus aufgesetzt, der zwar recht innovativ daherkommt, aber mit zunehmender Spieldauer einen immer tieferen Keil zwischen erfahrenen Durchrechnern und Neueinsteigern treibt. Wieso? In den ersten beiden Runden ist es unabdingbar, zu siedeln und zu roden. Wem das verwehrt bleibt, der verharrt bis zum Spielende in Mangel.“

Maik’s „Muss“ können wir nicht bestätigen. Bei uns bekam Walter in der ersten Runde zwei Handels-Aktionen. Mit einer davon konnte er seine Grundausstattung an Waren bei den Indianern günstig in Felle eintauschen, mit der anderen verlud es sie auf ein Schiff und wurde dafür mit Geld, Siegpunkten und Neuwaren-Potential reichlich belohnt. Ein Grundstein für seinen späteren Sieg.

Nora: “Wir haben Nieuw Amsterdam zu viert gespielt und dabei festgestellt, dass die Versteigerung mehrmals ziemlich schief gehen kann, wenn zu viele gleichartige Plättchen in einer Spalte liegen; insbesondere die Stadt. Wir konnten auch mit hohen Geboten nicht verhindern, dass einer drei Stadtplättchen bekam, der er gut brauchen konnte. Den Rest des Spiels haben wir damit verbracht, ihn wieder einzuholen. Das macht keinen Spaß.“

So war es auch bei uns: Walter führte gerade in der Stadt, als er mehr oder weniger billig 3 Stadt-Aktionen ersteigern konnte. Das war der zweite Grundstein für den Sieg: 36 Punkte, ein Drittel seines Gesamt-Punkte-Erlöses fielen ihm in einer einzigen Runde allein durch die 3 Hauptaktionen in den Schoß. Und Aaron und Günther verbrachten den Rest des Spieles damit, ihn wieder einzuholen.

Es machte ihnen aber trotzdem Spaß. 3 geschlagene Stunden lang! (Plus 1 Stunde Regeleinführung und Regelwiederholung.) Warum wir für ein Spiel, das nach der Verlagsvorgabe in 90 Minuten zu absolvieren ist, und dem Mahmut eine „knackige Spieldauer“ attestiert, glatt das Doppelte brauchen, das ist ein unerforschtes alltägliches Phänomen am Westpark. Es tritt selbst dann auf, wenn unsere expliziten Paralysten – keine Namen genannt! – nicht dabei sind.

Warum bekam Walter überhaupt die 3 Stadt-Aktionen? Warum besaß er zu diesem Zeitpunkt gerade in Manhattan so viele Mehrheiten? Haben die Mitspieler dort die Geschäfte verschlafen? Hätte ihm ein Mitspieler nicht die Preise verderben müssen? Mit einer Stadt-Aktion ein paar Mehrheiten in Manhattan zu kippen und dann selber 2 mal zur Bürgermeisterwahl anzutreten, dafür hätte jeder ein paar mehr Kröten springen lassen können! Offene Fragen, aber klare Erkenntnis: Man muss den Spielablauf schon gut kennen, um Chancen und Risiken des Bietprozesses richtig zu kalkulieren. Unser Nicht-Wissen dürfen wir keineswegs dem Spiel anlasten.

Dazu müssen wir noch gestehen: wir haben eine Regel übersehen, die wir eigentlich genau kennen mussten, denn sie wurde früher schon einmal in unserem eigenen Spielbericht erwähnt: „Jede Art von Überflussgut kann ohne Umtauschverlust als Geld im Bietprozess eingesetzt werden.“ Damit können selbst monetäre Armhälse, die aber gesegnete Kornbauern oder holzige Siedler sind, beim Bietprozess als Krösus auftreten. Schade um dieses Übersehen, denn dadurch geriet die gesamte Biet-Balance ins Wanken,

Vielleicht sind Regelunsicherheiten mit beteiligt, wenn Solveig Zaeske konstatiert: „N.A. ist eigentlich ein thematisches und atmosphärisches Spiel, aber nach einer Weile bleibt doch der Eindruck, dass doch einiges an Potential verschenkt wurde, und das Spiel nicht fertig ist. Schade drum, denn so ist es nur Mittelmaß.“

Nochmals Mahmut: “Neben Suburbia und Tzolkin ist Nieuw Amsterdam das Highlight der letzten Messe [2012]. Leider etwas unterschätzt, befürchte ich.“ Diese Befürchtung von Mahmut Dural war leider berechtigt. Der Markt ist über „Nieuw Amsterdam“ hinweggegangen. Nach unserer 3-Stunden Orgie fürchte ich, dass auch wir über dieses im Prinzip doch sehr schöne Spiel hinweggehen.

WPG-Wertung: Aaron: 7 ([nach 8 Punkten vor 7 Jahren:] das lästige, genaue Vorausplanen beim Eintauschen der reichlich vorhandenen Ressourcen in für die nächsten Züge notwendige Ressourcen geht auf Kosten des Spielflusses), Günther: 6 (Man könnte auch schon mal 7 Punkte vergeben; der Bietprozess ist zweifelhaft, die Sonderaktionen stören den Spielfluss, man hätte das flüssiger einbauen können; ich bin mit dem Spiel nicht warm geworden), Walter: 8 ([bleibt] der Bietprozess ist gut, dem Vorteil des Startspielers beim Ziehen wird durch seinen Nachteil beim Bieten in der nächsten Runde entgegengewirkt, reichlich Interaktion durch Konkurrenz, gute Balance innerhalb einer Vielzahl von verschiedenen „Schienen“, die man durch die heuristischen Ergebnisse des Bietprozessen fahren muss).

02.09.2020: Verflixxt : Caylus 1303

1. “Caylus 1303”
„Caylus“, das „Produkt des Jahres 2005“ vom Ystari-Verlag, einem damals neu aufgestiegenen, hell leuchtenden Verlags-Stern am Brettspiel-Himmel. Seit wir auf diesen Verlag aufmerksam wurden, haben wir uns alle seine Y-Spiele zugelegt. Ein Jahr später wurde sein „Yspahan“ die Nummer 1 in unserer ewigen Bestenliste von über eintausend Brettspielen (berechnet nach dem Bayesschen Mittelwert unserer Notengebung).

Caylus 1303 – Szenerie


Jetzt, nach 15 Jahren, hat der Caylus-Autor Wiilam Attia sein Spiel noch einmal überarbeitet und als „Caylus 1303“ auf den Markt gebracht. Wir werkeln immer noch am Schloss von Caylus (gesprochen Kailüss), wir setzen unsere Pöppel auf Felder zum Gewinnen von Rohstoffen, wir erschließen neue Rohstoffquellen mit einer verbesserten Ausbeute, und wir überbauen weniger lukrative Quellen mit unseren Villen, aus denen später die batzigen Siepunkte resultieren sollen.

Das Geld wurde abgeschafft, jetzt läuft alles über die unterschiedliche Anzahl von Pöppel, die wir durch gezieltes (und ungezieltes) Vorgehen erwerben oder auch wieder loswerden. Auf den ersten Blick hat sich nichts Grundsätzliches geändert, der geschlängelte Weg unseres Straßendorfes mit den Rohstoffquellen ist immer noch vorhanden und der reitende Bote des Königs mit der Maßgabe, wie weit die vorhanden Quellen sprudeln dürfen, reitet ebenfalls noch die Straße entlang.

Das „Schloss“ mit seinen Segnungen wurde durch eine eigene Gunst-Mechanik ersetzt. Es gibt jetzt Privilegien-Plättchen, mit denen wir das Agieren in Caylus effizienter machen können: z.B. mehr Pöppel, höhere Erträge, manpowerfreies Engagement oder Übernahme der Startspielerrolle. Einige diese Privilegien werden zu Spielbeginn unter die Mitspieler verteilt, andere können später erworben werden. Doch auch durch entsprechende Spielzüge kann man jedem beliebigen Spieler dessen Privileg mir-nichts-dir-nichts wegnehmen. Ein gerade genommenes Privileg kann sogar vor der ersten Nutzung noch von weiteren Spielern geklaut werden. Hier setzt unser erster Kritikpunkt ein. Entweder ist das Spiel ein billiges Räuber-und-Gendarm-Spiel, oder die Privilegien gehören fest seinem Erstbesitzer. Zumindest hätte man nach den Konstruktionsprinzipien des begabten Spieleautors Rüdiger Dorn demjenigen, dem man ein Privileg wegnimmt, eine Entschädiung zahlen müssen. Frustminimierung nennt man das.

Auch die Startspieler-Regel hat man geändert. Wer zuerst passt, ist in der nächsten Runde Startspieler. Zugleich verteuert er für alle Mitspieler den Manpower-Einsatz: Sie müssen jetzt überall ein Männchen mehr berappen. Wer allerdings bewusst als Erster passt und hofft, damit Startspieler zu werden, hat sich getäuscht, denn der Spieler mit dem Startspieler-Privileg wird ihm diese Rolle sogleich wegnehmen. Jetzt ist es aber nicht der Fall wie früher, dass die folgenden Spieler in der Reihenfolge ihres Passen zum Zug kommen, sondern es geht streng im Uhrzeigersinn weiter. Der brave (oder auch unbrave) Erstpasser kann auf diese Weise sogar noch Letzter werden, genauso wie jeder andere, der früher die Hoffnung hatte, durch rechtzeitiges Passen in der nächsten Runde schneller zum Zuge zu kommen.

Das Original-Caylus fanden wir damals „eher konstruktiv. Es geht darum, aus den vielen gebotenen Möglichkeiten die jeweils beste für sich herauszusuchen … Einem feindlichen Mitspieler direkt zu schaden, ist nicht vorgesehen“. Das hat sich jetzt gründlich geändert. Caylus 1303 ist ein Spiel des permanenten Mangels. Um Holzhäuser zu bauen, braucht man Holz. Es gibt aber nur ein einziges Feld, auf dem man Holz bekommt, nur einer kann sich darauf setzen, die anderen gehen leer aus.

Um Steinhäuser zu bauen, braucht man Stein. Es gibt aber nur ein einziges Feld, auf dem man Stein bekommt, nur einer kann … Um Villen zu bauen braucht man Tuch … Um an die Baustelle zu liefern braucht man Schinken … semper idem. Im Original-Caylus konstatierten wir – ohne Punktabzug – ein begrenztes Maß an Interaktion. Dem ist jetzt entgegengewirkt: wir haben ein ständiges Gerangel um jeweils einzige vorhandene Quelle für die verschiedenen Rohstoffe.

Aaron betet um göttliche Quellen, Günther sucht sie hier auf Erden zu ergrübeln

Es ist aber noch schlimmer. Um ein Holzhaus zu bauen, der muss man einen Pöppel auf das Feld setzen, das dies erlaubt. Es gibt aber nur ein einziges solches Feld. Wer sich also zuerst Holz besorgt, um ein Holzhaus zu bauen, muss damit rechnen, dass ein anderer Spieler sich die Baugenehmigung dafür holt. Oder umgekehrt. Holzweg, Pech gehabt! Und weil die Spielerreihenfolge ja leider ziemlich unberechenbar ist, kann der Holzbesitzer u.U. auch in der nächsten Runde sein Holz nicht verbauen. Um ein Steinhaus zu bauen, muss man auf das Feld setzen, … es gibt aber nur ein einziges solcher … semper idem.

Kann es ein vernünftiges Spieldesign sein, dass ein Spieler in einer Runde überhaupt keinen Zug macht, nur um wenigstens in der nächsten Runde als Startspieler an das lebenswichtige Feld für Rohstoff oder Erlaubnis zu kommen? Kann es ein vernünftiges Spieldesign sein, dass ein Spieler diesen Null-Zug tut, um Startspieler zu werden, um sogleich von Startspieler-Privilegisten von dieser Position verdrängt zu werden? Für Leute, die Frust und Chaos lieben, mag das angehen. Für uns am Westpark ist das nichts!

Die Gunst-Regel, einem Mitspieler ein Privileg zu klauen, haben wir a priori ersatzlos gestrichen. Auch wenn das einen unverkennbaren Einfluss auf die Balance einiger anderer Spielzüge hatte. Auch sonst spielten wir – unabgesprochen – überwiegend „lieb“, d.h. ohne direkte miesnickligen (oder gar Kingmaker!) Aktionen. Wir spielten auch leidlich schnell. Trotzdem dauerte das Spiel in unserer 3er Runde geschlagene 160 (einhundertsechzig) Minuten. Ohne die Einführung für Walter, der im August beim ersten Spielversuch in einer 5er Runde (! zum Kennenlernen vom Verlag explizit nicht empfohlen !) bei Moritz nicht dabei war! Dabei rechnete heute keiner bis ins letzte Detail die sieg-notwendigen Spielzüge für die nächsten drei bis vier (!) Spielrunden voraus. Keiner schaute sich auch genau nach Möglichkeiten um, wo er einem Mitspieler am meisten schaden könnte. Sonst hätten wir leicht doppelt so lange kailüssen können.

Angeblich soll das neue Spiel „familientauglicher“ geworden sein. Ganz objektiv gesprochen: reine Fehlanzeige!

WPG-Wertung: Aaron: 5 (überhaupt nicht mein Spiel, es hat absolut keinen Spaß gemacht, obwohl wir „lieb“ gespielt haben, zäh, unsicher, miesnickelig -> frustrierend), Günther: 6 (schlechter als das Original, die neuen Elemente machen des Spie nicht besser), Walter: 7 (in memoriam Caylusi. Und ist es auch Frust, so hat es doch Methode).

2. “Verflixxt!”

Wir brauchten für einen gelungenen Spieleabend noch einen aufmunternden Absacker. Walter fand in seinem beschränkten Repertoire ein „Verflixxt!“. Alle hatten noch vage in Erinnerung, wie das geht, alle waren sofort uneingeschränkt dafür.

Eigentlich nur ein unkompliziertes Würfelspiel, aber mit vielen Facetten, die ein gutes Spiel ausmachen: Zufall, Plan, Risiko, Freude und Schadenfreude. Und noch dazu geht alles gerade richtig schnell, aber nicht zuuu schnell, über die Bühne. An das erste Spiel schlossen wir unverzüglich und mit freudiger Überzeugung eine Wiederholung an. Da kommt am Westpark nicht so oft vor.

WPG-Wertung: Keine neue Wertung für ein 7,3 Punkte Spiel.

26.08.2020: Pharaonen im Weltraum

1. “Space Explorers”

Gefühlsmäßig das erste in Russland entwickelte Brettspiel, das seinen Weg zum Westpark gefunden hat. Im Lande von Sputnik und Gagarin muss es natürlich über die Erforschung des Weltraums gehen. Wir sind Ingenieure in verschiedenen Forschungsabteilungen (Forscher, Ingenieure, Konstrukteure, Tester und Astronauten), und versuchen als Manager mit ihnen die prestige-trächtigsten Projekte erfolgreich abzuschließen. In die Sprache des platten Kapitalismus übersetzt, sind wir die Kaufleute von Smolensk und müssen am effizientesten unsere Tausch-Geschäfte abwickeln. In die reine Spielesprache übersetzt, handeln wir mit einfarbigen Rohstoffmarkern (rot, grün, gelb, blau und violett – wenn die Farben nur nicht so pastellig gebleicht wären!), bezahlen damit in unterschiedlicher Anzahl und Zusammensetzung ebenfalls einfarbige Aktionskarten, und bekommen, wenn wir letztere in geforderten Kombinationen beisammen haben, dafür auch noch Bonus-Siegpunkte.

Zwei Forscher im Weltraum: Das Wässerchen ist dabei!

Herzstück des Ganzen sind die Aktionskarten. Sie gewähren Rohstoffe zum Erwerb weiterer Aktionskarten, gewähren Rabatte beim Erwerb gleichfarbiger Aktionskarten, bringen sofort direkte und bei Spielende noch einmal indirekte Siegpunkte ein, und sie erlauben eine Vielzahl von Bonus-Aktionen innerhalb und außerhalb des Spielgeschehens.

Bemerkenswert sind zwei Regeln:

  1. Die für eine Aktionskarte zu bezahlenden Rohstoffe gehen nicht an die Bank, das wäre zu trivial-kapitalistisch, sondern sie gehen an den nächsten Spieler im Uhrzeigersinn. (Wir hätten es für ergonomischer gehalten, wenn sie der vorhergegangene Spieler bekommen hätte, denn dann hätte dieser etwas länger Zeit gehabt, über die Möglichkeiten seines nächsten Zuges nachzudenken.)
  2. Die Bonus-Effekte einer Aktionskarte gelten nur, solange die Karte als oberste Karten in ihrem Farb-Stapel liegt. Hat man beispielsweise eine Aktionskarte mit einem besonders hübschen Bonus (gib es den überhaupt?) ergattert, so sollte man es sich überlegen, ob und wann man diese Aktionskarte überbaut.

Pro Zug nimmt ein Spieler entweder eine der ausliegenden Aktionskarten auf die Hand, oder er reiht eine der ausliegenden Aktionskarte (oder eine Karte aus der Hand) für den geforderten Kaufpreis in seine private, offen ausliegende Sammlung ein und kassiert ggf. dafür die Bonus-Siegpunkte. Alles verläuft brav und durch Rabatte und die immer stärker sprudelnde Rohstoffe mit einer Steigerung des Kaufvermögens, ohne aber Konkurrenz oder Spannung aufkommen zu lassen.

Wer sich gleich zu Beginn als Aktionskarte die Valentina Tereschkowa anlachen konnte, die ihm bei Spielende für jede rote Aktionskarte einen Siegpunkt zuschustert, der hat sein Glück gemacht. Er braucht über das ganze Spiel hinweg nur noch auf rote Aktionskarten auszugehen, und kann sie dank der Rabatte bald alle sogar kostenlos in seine Sammlung einreihen. Alles Schielen auf erfolgreiche Projekte kann er sich ersparen. Wer die Valentina allerdings erst bei Spielende erwerben kann, muss schon vorher zufällig so glücklich gewesen sind, sich während des Spiels mit jeder Menge roter Aktionskarten eingedeckt zu haben.

Eine Karte, die bei Spielende Siegpunkte für jede darüber liegende Aktionskarte bringt, ist zu Spielbeginn nützlich, später hingegen nahezu nutzlos. Umgekehrt ist eine Karte, die für jede darunter liegende Aktionskarte Siegpunkte bringt, am Spielende lukrativ, hingegen bei Spielbeginn ziemlich witzlos. Aber dafür kann man sie ja zu Spielbeginn auf die Hand nehmen und erst bei Spielende in seine Sammlung auslegen. Damit kommt in das Spiel sogar etwas vorausschauende Planung und etwas Konkurrenz. Selbst darüber kann ich nachdenken, ob ich den Mitspielern solche guten Karten vor der Nase wegschnappen sollte. Aber in Summe ist das doch gebremster Schaum.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (Zu viel Blockaden, man kann nicht planen, wenn man nicht dran ist; das Thema ist Null), Günther: 5 (das Spiel hat Ansätze zum Grübeln: Wenn einem das Glück ein paar gute Karten in die Hand gegeben hat, muss man mit konsequenter Schlussfolgerung die dazu jeweils besten Karten heraussuchen), Walter: 5 (man lebt von der Hand in den Mund, etwas trocken und ohne Pfiff).

2. “Pharaon”

Das Rad des Pharaon

Vielleicht sollte das „n“ am Ende des Namens zum Grübeln anregen, denn bei Wikipedia findet man zu diesem Begriff nur drei Politiker und einen Fluss in Frankreich. Aber die Illustrationen führen uns auf den richtigen Weg: von der russischen Zukunft im All sind wir beim „Pharao“ in die ägyptische Vergangenheit zurückgekehrt. Doch auch hier sind die thematischen Assoziationen den Spielregeln aufgesetzt, ohne einen wirklichen Bezug dazu zu haben.

Mittels einfarbiger Aktionsplättchen (5 Farben, wie gerade in „Space“) engagieren wir uns in 5 verschiedenen Bereichen (gerade wie in „Space“): bei den Handwerkern und den Beamten, beim Pyramidenbau und beim Opfern, sowie bei den „Geschenken des Nils“. Die Bereiche sind als Sektoren um eine Kreisscheibe herum angelegt, die pro Runde um einen Sektor gedreht wird, so dass jeder Bereich in jeder Runde eine bevorzugte Farbe hat. Das sollte man verinnerlichen, weil man sich so beim Agieren in der passenden Zeit Kosten sparen kann.

Als Effekte der verschiedenen Bereiche bekommt man neue Aktionsplättchen und Siegpunkte. Das war im Weltraum ganz ähnlich. Allerdings sind in Ägypten die Farben bunter und der Ablauf ist überschaubarer: es werden nicht ständig neue Aktionskarten mit neuen, teils gravierend unterschiedlichen Effekten aufgedeckt. Na ja, neue Handwerker und Beamte kommen auch in Ägypten immer wieder dazu, doch nicht ganz so oft und auch nicht mit soviel unterschiedlicher Wirkung.

Jeder Spieler darf mit seinen Aktionsplättchen so sparsam oder so üppig umgehen, wie er will. Wenn er alles ausgegeben hat, muss er pausieren, während die anderen gemäß ihres Vorrats beliebig weiterspielen dürfen. Doch muss man dabei nicht mit langen Gesichtern die lukrativen Aktionen der Mitspieler neidvoll über sich ergehen lassen, sondern man bekommt für jedes Aussetzen einen Bonus in Form von Aktionsmarkern. Das ist fast besser als ein langsamer aber leicht effizienterer Umgang mit seinen Ressourcen. Deshalb musste auch keiner lange warten, selbst mit vollen Taschen passten die Mitspieler. Hier fehlt ja auch etwas Dynamik als Anreiz zum „keep fully invested“: bereits erworbenes Besitztum wird nicht verzinst.

Bemerkenswert die Punktwertung am Ende: Neben den während des Spiels direkt erworbenen Punkten (wie bei den Russen) kommen am Ende noch erhebliche Siegpunkte für erkleckliches Engagement in jeweils zwei benachbarten Sektoren. Dies entspricht der Siegpunktausschüttung durch die rote Tereschkowa, ist hier aber auf jeweils zwei Grenzgebiete aufgefächert. Natürlich gibt es dazu noch einen erheblichen Unterschied, warum „Pharaon“ bei uns deutlich besser abgeschnitten ist: Die „Tereschkowa“ unterliegt hier keinerlei Zufall, sondern sie ist von vorne herein bekannt und muss von jedem Spieler in jedem seiner Spielzüge planvoll berücksichtigt werden.

Wenn man den „Pharaon“ richtig spielt, besitzt er sogar erhebliche Konkurrenz. Da pro Runde auf jedem Gebiet nur 3 Engagements zulässig sind, und für jedes Gebiet ein optimaler Zeitpunkt gegeben ist, kann es schon ein Gerangel darum geben, wer hier wie oft tätig werden kann. Als Anfänger waren uns diese Zusammenhänge nicht sofort klar, so dass sich jeder nach seinen privaten Vorlieben – und nach seinem Besitz an Aktionsplättchen – auf einem Feld tummelte, ohne streng die maximale Effizienz ins Auge zu fassen. Hier ist mehr drin.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (die Spiellänge ist OK; eine Runde länger, und das Spiel hätte 1 Punkt weniger bekommen, die Götter-Restriktionen sind künstlich). Walter: 7 (hübsch, aber solitär; man spielt gegen die Randbedingungen bei sich selbst), Günther: 7 (“ein schönes Spiel”; er brachte zu jedem von uns behaupteten Kritikpunkt ein Argument für das Gegenteil an).

3. “AZUL”

Zum Abschluss des Abends wollte Walter sich (und den anderen) noch etwas Spielerisches gönnen: AZUL, das er während seines Urlaubs in Ungarn jeden Tag mit Schwägerin und (sogar) Ehefrau ausgiebig genießen konnte. Doch am Westpark hängen die Trauben höher. Ein falscher Tempozug, und schon muss man 5 rote Azulejos in seine Strafbank einreihen, anstatt sie seinem Nachfolger zu überlassen. Aaron hat gewonnen.

WPG-Wertung: Keine neue Wertung für ein 8,3 Punkte-Spiel.

29.07.2020: Im Westen weinte er bitterlich

1. “Pictures”
Letzte Woche ohne große Euphorie aufgenommen, durfte heute auch Aaron das „Spiel des Jahres 2020“ kennenlernen. Die Idee ist nicht neu und nicht schlecht, die Ausführung hätte aber leicht etwas freudenreicher ausfallen können. Besonders die Aufgabe, ein Bild mit Symbolkarten darzustellen, hat unsere Kritik hervorgerufen. Mit Frust muss man sich zu aus einer Reihe von nicht-passenden Karten eine Bild-Assoziation aus den Fingern saugen, an die man selber auch nur halb glaubt, und vor der man trotzdem hofft, dass sie auch von den Mitspielern identifiziert wird. Mit erneutem Frust muss man anschließend notieren, dass unsere Gedankenverbindung von niemandem geteilt wird. 0 Punkte bekommt man dann für den geistvollsten Gehirnschmalz. Günther beschwichtigte: „Solche Gaudi-Spiele darf man nicht um der Siegpunkte wegen spielen“. Schwacher Trost am Westpark. Warum wurde dann denn eigens der aufwendige Zauber mit dem Siegpunkte-Wertungs-Formular dazugelegt? Ein bisschen Gaudi hätte man auch rein verbal abhandeln können.

WPG-Wertung: Den bisherigen Schnitt von 6 Punkten unterlief Aaron mit einer 5 (Nicht innovativ, solche Spiele gibt es oft genug. Noch dazu kann ich dieser Art von Spielen nichts abgewinnen).

2. “6 nimmt!” – mit einer Sonderkarte von Amigo
Aaron brachte eine Sonderkarte mit: die Gewinner-Einreichung vom letzten Amigo Wettbewerb. Diese Karte gibt vor, dass in einer bestimmten Reihe nur gerade resp. nur ungerade Karten angelegt werden dürfen. Diese Karte wird immer der Reihe mit der niedrigsten Anfangskarte beigefügt. Sobald ein Spieler eine Reihe nehmen muss, wird diese Sonderkarte entsprechend verlegt. Da das Nehmen von Reihen in der Regel eine der ersten Aktionen ist, dürfen wir Nachfolger unsere wohlüberlegt ausgewählte Karte plötzlich gar nicht mehr dort anlegen, wo sie uns mit hoher, ggf. sogar mit totsicherer Wahrscheinlichkeit ungeschoren gelassen hätte, sondern an eine andere Reihe, wo uns ggf. eine Schar von Hornochsen überfällt. Geil, was?! Zumindest für die anderen.

Schon vor 25 Jahren gab es bei uns eine heftige Meinungsverschiedenheit über die Einschätzung, ob „6 nimmt!“ planbar ist oder reiner Zufall. Die Planbarkeit hatte sich damals durchgesetzt, auch wenn es dabei natürlich eine ganze Reihe von Unwägbarkeiten gibt. Einen ELO-Wert von über 300 bei Boardgame-Arena kann man bei einem rein zufallsbasierten Spiel aber nur weit außerhalb der menschenwürdigen Sigma-Grenzen einer Normalverteilung erzielen.

Manche Spieler mögen Zufall und Chaos; für diese wird der Charakter von „6 nimmt!“ mit dieser Sonderkarte in die gewünschte Richtung geschoben. Anderen, zu denen wir uns zählen, reicht der Zufall der Kartenausteilung. In diesem gegebenen Rahmen wollen wir unser Spiel gestalten: locker als Absacker, locker zum Warming-Up, oder auch locker als Mahlzeit zwischendurch. Aber wir wollen gestalten, planen, analysieren, schlussfolgern, riskieren, Mitspieler reinreiten und wenn möglich auch bluffen. Da kommt uns das in Zufall und Planung äußerst ausgewogen Basisspiel gerade recht.

Spieletest.at schreibt in einer Rezension zur 25-jährigen Jubiläums-Ausgabe:
“Diese Variante ist leider kompletter Mist. … Wer ’6 nimmt! ’ schon besitzt, braucht darüber keinen Schlaf verlieren – die neuen Sonderkarten sind es nicht wert.
Wer ’6 nimmt! ’ noch nicht besitzt, dem kann ich es auch 25 Jahre später sehr empfehlen. Der Klassiker hat nichts von seinem Charme verloren.“

Dieser Meinung können wir uns komplett anschließen.

WPG-Wertung: Von Walter bekommt ein „6 nimmt!“ mit dieser Chaoskarte glatte 2 Punkte weniger als das mit 9 Punkten sehr geschätzte Basisspiel.

3. “Sierra West”
Nach dem Regelheft sind wir Cowboys, reiten über die Prairie und übernehmen, von der Spielanleitung dringendst empfohlen, zwischen Texas und Kalifornien die Apfelernte! Wir könnten auch Goldgräber, Forellenfischer oder Banditen vs. Pioniere sein, aber das steht auf einem anderen Blatt.

Wir Veräppelte (die anderen auch) planen mittels Aktionskarten unsere Züge: Wir bewegen unseren Pionier in selige Höhen, schieben unseren Wagen ins rechte Land des Profits, sammeln en passant Rohstoffe (Steine, Holz und Schinken) ein, um unsere Schritte finanzieren zu können, kämpfen notfalls dabei auch gegen Bären, bauen Hütten zur Verstärkung unserer Aktionen und kaufen Bergkarten zur Verbesserung unseres Kartendecks von Aktionskarten. Wenn wir innerhalb eines Reihenzuges alle unsere Aktionen abwickeln konnten (no brainer) und in geeigneter Zusammensetzung noch die richtigen Rohstoffe übrig haben (nicht ganz no brainer), dürfen wir sie auf dem Gipfel noch in Siegpunkt-trächtige Fortschritte auf dem Wertungstableau eintauschen.

Ach richtig: Wir haben ja die Apfelernte übernommen. In einigen unserer Aktionsschritten ernten wir Äpfel; alle zusammen solidarisch in einen gemeinsamen Korb. Gegessen werden sie allerdings einzeln und privat: wer Aktionsschritte zum Verbrauch von Äpfeln in seinem Zug ausgewählt hat, darf sich beliebig ausgiebig am gemeinsamen Korb bedienen und Äpfel in Rohstoffe, in Fortschritte auf dem Wertungstableau oder in bessere Faktoren auf der Profitleiste umäppeln. (Sind wir Fischer, so erfolgt der Apfel-Ablauf sinngemäß sehr ähnlich mit Fischen, die Goldsucher hingegen werden wohl mit Birnen abgespeist.)

Auf jeder Aktionskarte sind gleich 5 Aktionen angezeigt, die wir sequentiell durchführen. 3 Aktionskarten aus unserem Set werden pro Zug aktiviert – wrap around ohne Auswahl -, so dass wir in erster Näherung mit 15 Aktionen hantieren. Die Aktionskarten müssen wir allerdings in ein tricky Spielertableau einschieben, so dass insgesamt 6 Aktionen davon verdeckt und entsprechend nicht ausgeführt werden. Bleiben 9 Einzelaktionen, die jeder Spieler pro Zug 9 ausführt. Hintereinander, bevor der nächste drankommt.

9 Züge in 2 festgelegten Reihenfolgen auszuführen, dürfte ziemlich schnell erfolgen. Doch wenn es dabei innere Abhängigkeiten gibt, wenn erst die richtigen Rohstoffe eingesammelt werden müssen, bevor man einen Schritt tun oder einen Einkauf absolvieren kann, wenn zum Schluss für die Gipfelstürmer auch noch die richtigen Rohstoffe in den erforderlichen Quanten übrig bleiben sollen, und wenn man dabei auch noch die beste Verstärker-Hütte nutzen will, dann kann so eine Zugplanung und Zugausführung schon einigermaßen lange dauern. 5 Minuten für einen Zug war bei uns keine Seltenheit.

Damit sich die Mitspieler in dieser Zeit nicht langweilen, dürfen sie, abhängig von Details im Zug des agierenden Spielers, auch noch ein paar wenige Kinkerlitzchen mitagieren: 1 mal pro Runde eine Falle stellen und 1 mal pro Runde einen Rohstoff einheimsen. Nicht mit-agieren dafür aber schneller wieder am Zug sein, wäre besser. Viel besser!

Bei uns durfte Günther mehr als 1 Stunde lang das Spiel, seine Masse an Material und den Umgang damit erklären. Wohlvorbereitet und mit Erfahrung. Anschließend konnten wir die angegebenen 40-60 Minuten Spielzeit in gut 2 Stunden abwickeln. Schnell und unstrittig, denn jeder hatte sehr bald die Ambitionen auf den Sieg abgelegt und ließ jeden Mitspieler unkontrolliert in Stiefeln, Spaten und Schinken beliebig hantieren, während er sich schon Gedanken über seine nächste Zugfolge machte. Und dabei hoffte, dieses langweilige, lineare, repetitive Gebaren baldmöglichst hinter sich gebracht zu haben.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (ich habe kaum ein Spiel gespielt, wo das Thema so völlig wurscht ist; ein Mix von lauter bekannten Mechanismen, fast eine Unverschämtheit; nicht nur die downtime ist eine Katastrophe), Günther: 4 (die Auswahl der Aktionskarten ist ein Maltraitieren der Spieler mit dem Zufall), Moritz: 4 (das Hantieren mit den Aktionskarten hat mir Spaß gemacht; für die Solovariante würde ich 7 Punkte vergeben), Walter: 4 (ohne jede Dynamik, es funktioniert, aber ich möchte es definitiv nicht noch einmal spielen.)

22.07.2020: Bilder die Geschichten schreiben

1. “Pictures”

Das nagelneue „Spiel des Jahres 2020“. (Nicht das „Kennerspiel“!) Ein Partyspielchen für phantasiereiche Spieler mit künstlerisch-geistvollen Ambitionen.

„Pictures“ – Welche 5 Bilder sollten wohl mit den 5 „Installationen“ a) bis d) dargestellt werden. Wer es herausfindet, bekommt eine Flasche Rotwein.

In der Tischmitte liegen 4 mal 4 (also 16) Bilder, die durch ihre Koordinaten A1 bis D4 eindeutig identifiziert sind. Jeder Spieler bekommt verdeckt eines dieses Bilder zugeteilt und muss versuchen, es anhand verschiedener, aber ziemlich archaisch daherkommenden Materialien darzustellen.

Als Materialien gibt es:

  1. Farbige Holzwürfel, von denen farblich passend 9 Stück ausgewählt und als 3 mal 3-Matrix in einem Rahmen präsentiert werden.
  2. 2 schwarze Schuhbandl (Schnürsenkel), mit denen sich eine Horizontlinie ziehen lässt.
  3. 19 Symbol-Karten mit Schwarz-Weiß-Zeichnungen, von denen 2 bis 5 Stück auswählt werden müssen, die das betreffende Bild am besten charakterisieren. (Hier ist von allen Seiten der meiste Grips gefordert.)
  4. 6 Bauklötzchen, bestehend Quadern, Rolle, Dreickeck und Bogen
  5. Ein 8-teiliges Set aus Steinen und Stöcken.

Anschließend müssen alle Mitspieler raten, welches Bild wohl mit der jeweiligen „Installationen“ gemeint sein können. Jedes richtig geratene Bild gibt für Rater und Erratenen je einen Siegpunkt.

Diese Bild-Darstellungen werden fünf mal durchgeführt, bis jeder Spieler je einmal mit jedem Material zurechtkommen musste. Wer dann in der Summe am meisten geraten hat und erraten wurde, ist Sieger.

WPG-Wertung: Günther: 7 (für Kommunikationsrunden, nicht unbedingt für uns am Westpark), Milo: 5 (die Materialien sind dumm; von mir aus brauchen wir es nicht noch einmal zu spielen; höchstens mit der Oma), Moritz: 6 (ein Familienspiel für bestimmte Kreise, nicht unbedingt originell), Walter: 6 (die Rateidee ist vielleicht nicht originell und Aufgaben für figürliches Darstellen von Objekten gab es schon vor 32 Jahren mit dem SdJ „Barbarossa“, doch in „Pictures“ ist das vorgegebene Material für die Bild-Darstellung schon originell).

2. “History of the World”
„History of the World“ : die Gallier strecken ihre Hand nach Spanien aus

„History of the World“ : die Gallier strecken ihre Hand nach Spanien aus

Wir standen am Scheideweg, den spielkulinarischen Abend mit einer Reihe von hübschen kleinen, aber doch nur als Vorspeise geltenden Gaumen-Erfreuern (Abluxxen, Bluff etc. standen zur Debatte) über die Bühne zu bringen, oder uns noch einen gestandenen Hauptgang zu gönnen. Keine Partei kämpfte mit Leidenschaft für ihre Vorlieben, so dass sich Moritz mit seinem 10-Punkte-Genuss „History of the World“ problemlos durchsetzen konnte.

Schon vor gut zwei Jahren am Westpark gespielt und beschrieben, gibt es zum damaligen Spielbericht nichts grundsätzlich Neues hinzuzufügen. Ganz im Gegenteil, selbst der dort beschriebene Spielablauf wiederholte sich in groben Zügen.

Moritz als gewiefter Stratege und Taktiker ließ sich bis in die letzte Runde weit zurückfallen“. Wenn in der letzten Runde günstig gewogene Völker gezogen worden wären, hätte er „als Erstziehender einen Riesensatz bis weit vor alle anderen“ machen können. „Aber es reichte nicht. Günther [damals Aaron] als Letzt-Ziehender (und vor der letzten Runde Führender) konnte als Franzose [damals Japaner] seinen Vorsprung ins Ziel retten. Ja wenn Milo und Walter [damals Moritz selber] den Führenden bzw. seinen Besitzstand in ihren Zügen konsequent bekämpft und dezimiert hätten, … hätte es vielleicht noch zum Sieg gereicht.

Moritz verzichtete in der letzten Runde auf das erstziehene Volk: die Mughals erschienen ihm nicht schlagkräftig genug. Schweren Herzens schränkte er seine Wahl auf die potenten Franzosen oder Engländer ein. Die Franzosen zogen vor den Briten in den Krieg, aber 3 englische Krieger mehr gaben den Ausschlag für seine Entscheidung. So bekam Günther die Franzosen und konnte mit ihnen über normal-gute Spielübersicht und normal-glückliches Würfeln den Sieg nach Hause tragen.

Grundsätzlich: wie gewinnt man „History of the World“? Nehmen wir mal an, alle Spieler kennen die hier vorgegebenen geographischen Verbindungen gleich gut und alle wissen, in welcher Runde aus welchen Ecken die gewaltigsten (gewalttätigen) Völker hervorkommen. Alle wissen, wie man am besten Punkte macht und sichert. Dann sollte man in der drittletzten Runde hinten liegen. Für die vorletzte Runde wählt man dann das letzt-ziehende Volk und macht damit so viele Punkte, dass man danach immer noch Letzter ist, aber so dicht wie möglich aufgeschlossen hat an das Feld. Damit sollte man bereits einen erklecklichen Besitzstand aufweisen. Für die letzte Runde wählt man nun das erstziehende Volk, und mit den gerade eroberten Ländern aus der vorletzten Runde und den Neu-Eroberungen aus der letzten Runde – wobei man hierbei natürlich vorzugsweise gegen den bis dahin Führenden loszieht – katapultiert man sich an die Spitze.

Nebenbedingungen für dieses Vorgehen: Das Feld sollte dich genug beieinander liegen (was man nicht in der Hand hat) und in den beiden letzten Runden sollten genau die richtigen Völker angeboten werden, die große Umwälzungen gestatten (, was man ebenfalls nicht in der Hand hat). Und natürlich muss man bei alledem a) gut würfeln und b) die Mitspielern sollen sich möglichst selber zerfleischen. Den Rest hat man aber vollkommen in der Hand.

WPG-Wertung: keine neue Wertung, aber unsere Bemerkungen von damals sind wohl heute noch gültig: Aaron (heute nicht dabei): 7 (zu lang für das, was es ist, sehr glückslastig, zu viel Wartezeit zwischen den Zügen), Günther: 7 (die Wartezeit kann man sich durch interessiertes Zuschauen verkürzen, zudem wird man ja auch zuweilen in einen Verteidigungskrieg verwickelt), Moritz: 10 (diese Spiele sind alle 10 Punkte wert), Walter: 6 (bei der ganzen Kriegerei darf kein Herzblut fließen, dann kann man es aushalten; naturgemäß ist in solchen Eroberungsspielen die Kingmakerei nicht zu verhindern).

Dazu reihte sich Milo kommentarlos mit 4 Punkten am Ende ein. Moritz muss sich wohl noch einiges einfallen lassen, um aus seinem friedfertigen Sprössling einen gnadenlosen Militär zu machen.

"Was lag auf den Tisch?"