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28.10.2015: Generäle, Entdecker und Robber-Barons

Sieben Tage lang hatten vier Westpark-Gamers Zeit, sich so ihre Gedanken über Friedemann Frieses Jahrhundertwerk zu machen. Die Enttäuschung über die eingeschränkten, themenlosen Spielmechanismen war vergessen, die Erinnerung an unser stundenlanges Zusammensuchen der Spielregeln und das Rätselraten darüber war verblasst. Nur die Eindrücke von dem gewaltigen Harmonisierungswerk, das sich in „504“ präsentiert, waren geblieben.

Schon am Sonntag Abend fing Moritz mit einer antastenden Mail an:
„Was seltsam ist: ich fand 504 spielerisch richtig öd, aber aus irgendeinem Grund möchte ich es besitzen und mich damit beschäftigen, eben weil es irgendwie so knapp daneben und dann eben doch interessant ist. Geht euch das auch so?“

Auch Walter kam beim näheren Beschäftigen mit den Spielregeln zur Einsicht:
„Je mehr ich in die Gesamt-Spielregeln einsteige, desto mehr bewundere ich Idee und Ausführung von FF.
Für Moritz ist ’504’ fast ein Muss!“

Aaron steuerte einen Internet-Link zu den am höchsten bewerteten Kombinationen bei:
„Wer’s noch nicht gesehen hat: http://504-2f.de/
Hier kann man die gespielten Kombinationen bewerten. 981 führt zur Zeit (allerdings mit nur wenigen Votes).“

Walter schlug vor, sich am kommenden Mittwoch (heute) nochmals mit „945“, der zweitbesten Kombination zu beschäftigen: „Die Welt der börsennotierten Generäle auf dem Weg ins Unbekannte!“ – Geld, Bomben und die schöne Unbekannte, was kann ein Spiel verlockenderes bieten? Keine Widerrede. – Gesagt, getan.

Wie muss das Spielfeld für „945“ aufgebaut werden?
Modul 9 liefert dazu die Aussage: „Siehe andere Module. Außer I; Spielplan 1 für 4 Personen – alle 5 Städte dürfen als Hauptstädte verwendet werden.“
Modul 4 verlangt: „IV: Spielplan 5. Gemeinsame Hauptstadt „1“ im Zentrum.“
Modul 5 lässt wählen: I ENTWEDER Spielplan 1, wenn ein anderes Modul II/III fordert, verschiedene Hauptstädte außer der Zentralstadt ODER Spielplan 4, wenn ein anderes Modul IV fordert. Gemeinsame Hauptstadt „1“.

Was denn nun? Spielplan 1, 4 oder 5? Und wenn, wie in Spielplan 4 oder 5 die ganze Latte an Hexagons ausgebreitet werden muss, werden sie dann offen oder verdeckt hingelegt? Dazu schweigt der Meister. Zumindest beim ersten Hinsehen. Wie kann ich in die schöne Unbekannte vorstoßen, wenn sie schon aufgedeckt vor mir liegt? Im Spielplan 1 gibt es für drei Spieler nur vier Hauptstädte. Eine davon ist tabu. Wie kann ich da die Hauptstädte für fünf Aktiengesellschaften unterbringen? Von den „beiden nicht gewählten Hauptstädten“ kann schon gar keine Rede sein. Walter passt und überlässt Moritz und Günther a) die Entscheidung, ob „504“ überhaupt auf den Tisch kommt und b) das Zusammensuchen und Interpretieren der Spielregeln.

1. ” Die Welt der börsennotierten Generäle auf dem Weg ins Unbekannte!”

Die Kompagnons ließen sich nicht so schnell entmutigen. Opfern wir erst mal eine halbe Stunden und schauen, ob wir gemeinsam, friedlich und konstruktiv den Regelfluss aus den verschiedenen Textquellen unter einen Hut bringen können. Das Labyrinth über die Auswahl des Spielplans entflechtete sich zu einem simplen: „Nehmt Spielplan 1, und zwar den für 4 Personen.“ Da sind 5 Hauptstädte drauf, genau eine für jede Aktiengesellschaft. Und die Bestandteile des Spielfeldes liegen offen daneben und müssen nach einem gewieften Algorithmus (Moritz sei dank für seine Entschlüsselung) Zirkel für Zirkel entdeckt und in unsere Welt eingebracht werden.

Welches sind die Prinzipien der Kombination „945“:

  1. Ein Spielfeld, das zunächst nur aus einem Minimal-Skelett von Stadt- und Wasser-Flächen besteht, aber recht schnell mit viel Fleisch aus Feld-Wald-Wiese-Landschaftsplättchen bestückt wird,
  2. Aktiengesellschaften, die sich von einem individuellen Startpunkt aus mehr oder weniger ringförmig ausbreiten. Je größer und vielgestaltiger die Fläche ist, die sie besitzen, desto höher sind ihre Einnahmen
  3. Personal, das von den Einnahmen einer Gesellschaft rekrutiert wird, und an ihren Aussengrenzen rüttelt, d.h. Stück für Stück weitere Felder friedlich dazunimmt oder kriegerisch erobert.

Zu den Aktien: Nein, in „504“ ist auch im Ansatz keine „18xx“-Variante enthalten. Es werden keine stolzen Linien gebaut, deren Aktienwert eine Korrelation mit ihrer Präsenz auf dem Spielplan haben. Die Einnahmen der Gesellschaften liegen aus verschiedenen Konstruktionsprinzipien her viel zu nahe beieinander, als dass ihre Höhe einen Einfluss auf ihre Begehrtheit hätte. Ihre Aktien sind im Wesentlichen nur etwas für Spekulanten: Eine schnelle Mark machen, das ist die Devise. Die billigste Aktien kaufen und von ihren überproportionalen Kursgewinnen profitieren, das liegt für den herzlosen Finanzhai geradezu auf der Flosse; ein herzhafter Empire-Builder (Günther!) wird sich damit immer schwer tun.

Der General entdeckt, bezahlt und kassiert.
Der General entdeckt, bezahlt und kassiert.
Noch etwas Grundsätzliches zum bösartigen Drücken von Aktienkursen: Bei allen 18xx-Spielen wie auch bei den 504-Kombinationen mit Aktien kann man den Kurs einer Aktie durch Verkaufen von Anteilen gezielt drücken. Aktien rechtzeitig einzukaufen, um sich diese taktische Option offen zu halten, gehört zu einem guten Spiel. Doch in jeder Runde seine Barmittel dafür einzusetzen, um erst mal von jeder fremden Gesellschaft eine Aktien zu kaufen und wieder zu verkaufen, nur um miesnickelig (nicht taktisch) die Kurse zu drücken, das kostet unnötig Zeit, bringt Frust und hat zudem einen massiven Kingmaker-Effekt. Das könnte – zumindest in „504“ – verhindert werden, indem Aktien regelgerecht nicht in der gleichen Runde verkauft werden dürfen, in der sie gekauft wurden. Marginalien!

Bei uns stand Moritz schon unmittelbar vor dem Hauptquartier der orangenen Gesellschaft und hätte nur eine einzige Aktie dieser Gesellschaft kaufen und wieder verkaufen müssen, dann wäre er in der Zugreihenfolge vor ihr beim Agieren dran gewesen, hätte das Hauptquartier mit vier eigenen Pöppeln angreifen können und wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit Sieger geworden. Dann wäre die orangene Linie vorm Spielfeld verschwunden, und er hätte seiner weißen Linie auf einen Schlag fünf neue Felder zuschustern können. Das wäre ein taktisch gelungenes Kurs-Drücken gewesen und hätte Moritz einen nicht mehr einholbaren Vorsprung gebracht. Glücklicherweise für Walter, den Betreiber der orangenen Linie, hat er das übersehen.

Auf der anderen Seite hatte sich Günther vor der letzten Bankrunde über irgendein Gebaren von Moritz geärgert und als Rache dafür Moritzens Aktien systematisch um je zwei Stufen gedrückt. Das war eher miesnickelig (oder systemimmanent für einen Finanzmarkt). Jedenfalls kostete es Moritz im Endeffekt mehr als 200 Mark, ein ganzes Viertel seines Vermögens; so ein Verlust fegt selbst ein so ausgefuchstes Finanz- und Militärgenie wie Moritz vom Treppchen.

Zum Entdecken: Wir haben fälschlicherweise die Regeln nach TOP I gespielt: „Jeder Bewohner darf nur ein einziges Umfeld entdecken“. Dadurch dauerte der Aufbau des Gesamtspielfeldes deutlich länger als FF das vorgesehen hatte, und unsere Ausbreitungsmöglichkeiten waren ebenfalls stark eingeschränkt. Den negativen Eindruck, den dieser Ablauf hinterlassen hat, haben wir uns ganz allein selber zuzuschreiben.

Zum Erobern: Angriffe sind (fast) immer von Vorteil. Mit durchschnittlich einem Treffer pro Angreifer schädigen wir unser Gegenüber. Er darf nur zurückschlagen, wenn er überhaupt Verluste erlitten hat, und selbst dann hat er nur eine Trefferwahrscheinlichkeit von zwei Dritteln. Der Eroberer geht aus einem Kampf trotz der Vorteile meist auch selber geschwächt hervor und sollte von einem „vernünftigen“ Gegenüber sofort wieder zurückgedrängt werden können. Auf diese Weise sind, wie in jedem Krieg, alle Beteiligten gegenüber den Unbeteiligten im Nachteil. Das sollte eigentlich eine friedliche Gebietserweiterung in neutrales Gebiet vorziehen lassen. Warum man das nicht tut, ist reine Charaktersache. Bei uns fing – natürlich – Moritz mit der Aggression an; wir wollen ihm dafür aber diesmal ein Lob aussprechen, seine Aktivitäten dienten ausschließlich dazu, FFs General-Potenz auszuloten.

Auch hier haben wir leider ein entscheidendes Regeldetail übersehen: Die verschiedenen Geländeformen geben in Angriff und Verteidigung unterschiedliche Würfelvorteile. Wenn also die gesamte Palette der Umgebungsfelder recht schnell zur Verfügung steht, und wir uns entsprechend unseren Gelüsten auf Eroberung oder Verschanzen systematisch darauf einstellen können, dann bieten diese Elemente deutlich mehr Herausforderung, als wir sie uns mit unserem falschen, gleichförmigen Regelverständnis geleistet haben. Asche auf unser Haupt!

WPG-Wertung: Günther: 5 (es funktioniert, macht aber keinen Spaß. Ein Pluspunkt für die Regeldiskussion zu Beginn; das ist wohl der Hauptreiz des Spiels. [WS: Hier spricht ein „1830“-Profi, für den ein Mahl aus Aktien und Würfeln nicht koscher ist.] Zudem „funktionieren“ für ihn nur dann Spielmechanismen, wenn sie auch „gerecht“ sind!), Moritz: 5 (fast 6 Punkte, die beste unserer drei gespielten Kombinationen; aber wenn das wirklich die Beste war, dann „nee“ zum Gesamtkomplex; die Kampf-Entscheidungs-Regeln sind leider zu billig), Walter: 7 (alle grundsätzlich verschiedenen Module passen gut zueinander; die Lust am Kampf auf dem Aktienmarkt ist ja unser Markenzeichen; Eroberer können sich austoben, wogegen selbst Pazifisten keine Einwände haben können, da lediglich abstrakte Gesellschaften, aber keine Mitspieler angegriffen werden; das Entdecker-Prinzip kommt etwas kurz; es wird auch nur benötigt, um beim Aufbau des Spielfeldes bestimmte Symmetrie-Vorstellungen einzuhalten).

Günther: Warum heißt das Spiel „504“? Weil es in den FAQ mindestens 504 Regelergänzungen geben wird …!

Lieber Friedemann, Dein Spiel ist eine gewaltige Leistung. Eine Vielspieler-Gemeinde kann sich jahrelang damit auseinandersetzen und die Regeln-Kombinationen zusammentragen und zusammenrätseln. Das kann genug Spaß bereiten. Spielen braucht man dann nicht mehr! Egal, ob man die Regeln verstanden hat oder nicht.

21.10.2015: Die Welt der fahrenden – Pioniere – mit Hang zum Individuellen

Friedemann Friese ist ein äußerst fleißiger, sehr begabter Spieleautor. Für unsere Leser ist diese Aussage nichts Neues, eher ein FEulen nach FAthen tragen. Nachweislich Luding sind bis heute von ihm – teilweise in Zusammenarbeit mit anderen Autoren – 44 verschiedene Spiele erschienen, plus weitere 25 Spiele-Modifikationen. 1992 hat er mit „Wucherer“ sein erstes Spiel herausgebracht, das gleich ein Verkaufsschlager wurde. Anfang dieses Jahrtausends (wer weiß das schon so genau?) kam sein „Funkenschlag“ heraus, mit dem er in der gehobenen Welt der prämierten Spiele landen konnte, einem gelungenen „1830“-Derivat auf Stromnetz-Basis, das auch in unserer mehr als eintausend Einträge starken ewigen Besten-Liste einen einstelligen Spitzenplatz einnimmt. Es ist bis heute sein Flaggschiff und hat insgesamt 16 Erweiterungen erlebt, die letzte davon, „Funkenschlag: Die Aktiengesellschaften“, erst in diesem Jahr.

Auch wenn nicht alles glänzt, was Friedemann’s Fold ist, so zeigt doch jedes Spiel die reife Handschrift des Meisters, Spielers, Experimentierers und Humoristen; jedes Spiel ist allemal eines Kennenlernens würdig.

Warum diese Einleitung? Das kriegen wir gleich …

1. “504”

Das, was Friedemann Friese (sic!) hier in der Schachtel anbietet, ist eigentlich kein Spiel, sondern eine Spiele-Factory: Spielmaterial und methodische Anleitung, um sich aus insgesamt neun Spiele-„Modulen“ selber ein Spiel mit den gewünschte Eigenschaften zusammenzustellen. 9 x 8 x 7 = “Fünfhundertvier”, die Anzahl der zulässigen Kombinationen; daher der Name des Pakets. Sicherlich hat Friedemann Friese an den Kombinationsmöglichkeiten solange gedreht, bis eine Fünfhunderterzahl herausgekommen ist. Warum? Ihr habt das schon vorher gewusst!

FF hat hier sein großes Wissen als Spiele-Erfinder und als Analyst fremder Spiele zusammengetragen, die Kernbestandteile der verschiedensten Spiel der Welt (Transport, Wettlauf, Privilegien, Militär, Entdecken, Straßen, Mehrheiten, Produktion und Aktien) herauskristallisiert, formalisiert, harmonisiert und so aufeinander angepasst, dass jedes Teil mit jedem kombiniert werden kann. Ein gigantisches Unterfangen, eine gewaltige Arbeit, und ein bemerkenswertes Ergebnis, wie immer man die Details im Einzelnen bewerten möchte.

WPG-Wertung: Das kriegen wir später.

1a. ” Die Welt der fahrenden Pioniere mit Hang zum Individuellen “

„504“ – gemeinsamer Kampf um Aufbau und Regelverständnis
„504“ – gemeinsamer Kampf um Aufbau und Regelverständnis

Dies ist die Einstiegskombination, mit denen Neulinge das Prinzip, die Technik und das Spielmaterial von „504“ kennenlernen sollen.

Mit 61 Hexagons (mit abgerundeten Kanten. Warum? Damit die Teile nicht so leicht auseinanderrutschen! Wie wahr, wie wahr! 1 Pluspunkt für FF!) bauen wir auf der Tischmitte unser Spielfeld auf. Aus dem in der Übermenge angebotenem Spielmaterial aus Pöppeln, Würfeln, Kasernen, Waren, Privilegien, Aktien, Einkommensplättchen, Kursmarkern, Abdeckern, Hauptquartieren, Siegpunktchips, Straßenstrichen, Stadtkarten, Transportwagen, Laderäumen, Spielgeld und vielen weiteren Komponenten (ein Schiff ist auch dabei, das aktuell in 0 % aller Spiele benötigt wird) suchen wir das für unsere Spielkombination notwendige heraus und verteilen es auf Tischdecke und Mitspieler.

Nachdem wir Westparker mit dem ganzen Material noch nicht vertraut waren, und uns die Unterscheidungen z.B. zwischen Bewohnern und Siedlungen erst erarbeiten mussten, dauerte es eine geschlagene Stunde, bis wir mit dem Aufbau fertig waren. Jetzt müssen wir nur noch den Spielablauf kennenlernen. Das dauert glücklicherweise nur noch eine halbe Stunde, schließlich haben wir uns beim Spielaufbau schon darüber Gedanken machen können, wie das alles zusammenwirkt. Allerdings verplempern wir während der nun folgenden fünf (eigentlich kurzen) Spielrunden die Hälfte der Zeit mit Regel-Rückfragen an den armen Regelerklärer Günther, weil wir den zuweilen seltsam konkurrierenden bzw. seltsam nicht-konkurrierenden Spielmechanismen nicht glauben können.

Im Prinzip geht es um eine Transport-Optimierung. Wir bewegen unseren Transportwagen über die Landschaftshexagons zu den Stadthexagons, liefern dort benötigte Ware ab und laden neue Ware auf, um sie zu anderen Städten zu bringen. Die meisten Lieferungen auf dem kürzesten Wege sind der Schlüssel zum Erfolg. Unser Geschäftseinkommen wächst ständig, und wir erweitern damit fortlaufend die Reichweite und die Ladekapazität unseres Transportwagens. Beim Bewegen über das Spielfeld gibt es keinerlei Konkurrenz, jedes Hexagon darf jederzeit von allen Spieler betreten werden, jeder bekommt hier gleichermaßen Einkommen. Beim Abliefern von Waren ist dagegen erhebliche Konkurrenz, da jede Stadt von jeder Warenart während des gesamten Spiels nur ein einziges Stück abnimmt. Wenn ein Mitspieler zur Stadt A gerade einen Fisch abgeliefert hat, können wir dort nicht auch abladen, sondern müssen mit unserem fische-beladenen Transportwagen zu einer der nächsten fische-bedürftigen Städte weiterziehen.

Das alles verläuft für alle Spieler ziemlich unisono bis monotono. Daran ändert auch nichts, dass jeder Spieler pro Zug ein individuelles Privileg kaufen kann, dass ihm Vergünstigungen in Bewegung, Einnahmen, Kosten oder direkten Siegpunkten bringt. Die Herausforderung des Spiels liegt in der Auswahl des Ausgangspunktes für alle seine Transportaktivitäten, und in einer ausgewogener Kombination beim Ausbau von Reichweite und Kapazität. Da die Kapazität aber nur von 1 auf 2 gesteigert werden kann, und man zu Beginn nicht genügend Kapital hat, diese Steigerung zu finanzieren, bleibt zu Beginn nur die Reichweite übrig. Damit hält sich diese Herausforderung in engen Grenzen. Eine weitere, entscheidende Herausforderung ist natürlich das optimierte Herumfahren auf dem Spielfeld, um Waren zu laden und abzuliefern. Hier ist man allerdings früher oder später komplett dem Mitspielerchaos ausgeliefert. Wem das Spaß macht, dem macht das Spaß.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (4 Punkte für das Spiel, plus 1 Fleisspunkt für den Autor; Thema fehlt, die Mechanik ist dürftig), Günther: 4 ([kam da noch ein Sympathiepunkt für den Autor hinzu?] kein Spielspaß, könnte in eine ätzende Riesenrechnerei ausarten), Moritz: 4 (3 Punkte, plus 1 für die Gesamtidee des Autors; der Anfang ist ein einfaches Abklappern der Anlaufstationen, hinterher versinkt alles im Mitspielerchaos), Walter: 5 (4 Punkte für das Spiel, plus 1 Punkt für die Ingenieurleistung; die Mechanismen funktionieren, aber alle wirken ein bisschen kastriert.)

1b. “Die Welt der kampfeslustigen Aktiengesellschaften mit Verbindungen”

„504“ verdient einen weiteren Versuch. Vielleicht bringen die komplexeren Kombinationen etwas mehr Pfeffer in die Linearität. Schließlich gibt es in „504“ auch Verkehrsnetze, Gesellschaftsanteile und Dividenden wie bei „1830“, die man dann auch noch mit dem Militär-Modul aggressiv aufpäppeln kann. Moritz freute sich schon darauf, mit seinen Panzern und Bomben die Bahnhöfe seiner Konkurrenten in Schutt und Asche zu legen. Wir erarbeiteten uns die Kombination 496.

Doch das Durchdringen der Materie ist selbst (oder gerade?) für einen WPG-Normalverbraucher kein Zuckerschlecken. Die Regel-Querverweise auf Regelfragmente in anderen Modulen machen das Verständnis schon ziemlich sauer. Wie gerne hätte wir hier jetzt etwas mehr Linearität. Vielleicht hat sich FF die Formel ausgedacht:
Linarität (Spielablauf) + Linearität (Regel-Lesen) = konstant.

Als alte „1830er“ können wir uns keine Aktiengesellschaften ohne Einnahmen vorstellen! Im Regelheft heißt es dazu lapidar „Einnahmen … entsprechend des Moduls auf Top I“. Doch in „Top I“ finden wir keine Einnahmen, zumindest keine in unserem Verständnis von gut und schlecht wirtschaftenden Gesellschaften. Jede Gesellschaft bekommt unabhängig von ihrem Streckennetz und unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Lage pro Runde die konstante Summe von 20 DM. Kann das sein? In die Kreuz und in die Quer lesen wir uns hin und her. Und mit stummem Trauerblick, kehren wir zu Top II zurück.

„Die Bewohner dieser Welt gründen Gesellschaften.“ Sind wir Spieler die Bewohner oder sind die benutzten Pöppel die Bewohner? Haben wir Spieler sowohl Pöppel als auch Gesellschaften, oder haben wir nur Gesellschaften, und die Gesellschaften haben Pöppel; oder haben beide beides? Womit kämpfen wir denn? Mit unseren Spieler-Pöppeln oder mit denen der Gesellschaft. Alles ganz einfach, wenn man aus einer „504“-Welt kommt oder sie sogar geschaffen hat. Alles ziemlich schwer, wenn man mit einem vielfältigen Erbe von Spielerfahrungen anfängt. Weh’ Dir, dass Du ein Opa bist!

Eine Stunde lang durfte unser genialer Regelversteher Moritz mit dem Regelbuch, seinen Querverweisen und unseren Verständnisfragen kämpfen, dann übernahm Günther die Analyse. Es war aber schon klar, dass wir damit nicht fertig werden würden, bevor Moritz zur vorletzten U-Bahn abdüsen musste. Deswegen konnten wir locker, teils skeptisch, teils zynisch, teils tatsächlich gelöst-heiter das weitere Rätselraten über die kampfeslustigen Aktiengesellschaften über uns ergehen lassen.

Schließlich schlug Moritz ein „Leaning by doing“ vor: „Spielen wir doch einfach mal eine Runde!“ Gesagt getan. Jeder bekam 150 DM in die Hand gedrückt und im Nu waren die Aktien nach „1830“-Standard verkauft. Na ja, fast im Nu. Wir mussten uns noch darüber im Klaren werden, wohin das bezahlte Geld floss: In die Bank oder ins Gesellschaftskapital? Wie hoch ist das Startkapital einer Gesellschaft? Welche hat Priorität? Wie steigt der Kurs? Und ähnliche unbedeutenden Detailfragen.

Die Ausbreitung der Gesellschaften erfolgt bei allen Spielern identisch, zumindest in den Anfangszügen. Sicherlich hätten später die Kämpfe hier mehr Leben hineingebracht. Aber heute konnten wir ohnehin nicht mehr als ein anfängliches Aufblitzenlassen der Ideen erreichen.

Eine bemerkenswerte Änderung gegenüber dem „18xx“-Standard bestimmt das Vorgehen auf dem Aktienmarkt. Der Kurs der Gesellschaft, von der in der aktuellen Runde am meisten Aktien verkauft wurde, steigt um eine Stufe. Jetzt geht es also überhaupt nicht mehr darum, als „Empire-Builder“ den Kurs seiner Lieblingslinie auf eine stolze Höhe zu bringen, sondern an der Bewegung auf dem Aktienmarkt sein Geld zu machen.

  1. Sichere Dir den Priority-Deal
  2. Verkaufe das Aktenpaket mit den hohen Kurswerten – an dessen Kurssteigerungen Du hoffentlich gut mitverdient hast
  3. Kaufe Dich bei einer Gesellschaft ein, von der möglichst viele Aktien im Angebot liegen
  4. Vielleicht auch nicht

WPG-Wertung: FF hat einen total neuen Weg beschritten und eine anerkennenswerte, analytische Arbeit geleistet, um aus den Spielen der Welt 9 kombinierbare Prinzipen („Module“) herauszufiltern. Jedes Prinzip ist bekannt und erprobt, bietet für sich allein aber absolut nichts Neues, nichts Überraschendes, nichts Prickelndes. Die Regeln für die Kombinationen sind schwer zu lesen, wobei darinnen jedes einzelne Prinzip, der Kombinerbarkeit wegen, erheblich an Glanz und Gloria verliert.

Zwei Zitate eines ungenannt bleibenden Spielers:
„Oh, Friesemann, mir graut vor Dir!“ – Das war zweifellos im mephistophelischen Sinne positiv gemeint.

„Das Ganze ist vielleicht als Parodie gedacht. Damit wird dokumentiert, wie ein Großteil der heute herausgebrachten Spiele erfunden wird.“

Und hier ein paar Eindrücke von unserer Diskussion über das Spiel: