Der Europäische Forschungsrat (European Research Council – ERC) ist eine von der Europäischen Kommission eingerichtete Institution zur Finanzierung von grundlagenorientierter Forschung. Unser Peter hat jetzt den ERC Starting Grant erhalten, die angesehenste aller Auszeichnungen für exzellente Nachwuchswissenschaftler. Die Universität Bamberg präsentiert Peter stolz als den ersten Wissenschaftler der Universität Bamberg, der diese Finanzierung erhält. Gefördert wird damit sein Projekt „The Proceedings of the Ecumenical Councils from Oral Utterance to Manuscript Edition as Evidence for Late Antique Persuasion and Self-Representation Techniques”. Mit anderen Worten: „Wie entwickelte sich in den frühen Ökumenischen Konzilien Selbstbewusstsein und Selbstdarstellung der Kirche.“ Für jeden Historiker ein fesselndes Thema. Mal sehen, welche schlafenden Hunde damit geweckt werden!
Peter, wir sind stolz auf Dich!
1. “Mombasa”
Wo liegt eigentlich Mombasa? Darf man dazu noch Schwarzafrika sagen oder muss das heutzutage schon Coloured-Africa nennen? Im Zeitalter der politikal Überkorrektness war Pegaus Spiele bei der Namensvergabe gar nicht so wohl. Explizit schließen sie jegliche Ähnlichkeiten ihres Spiels mit Geschichte und Szenerien des realen Mombasa aus. War aber gar nicht nötig.
Mombasa ist ein abstraktes Aufbau- und Optimierungsspiel. Aktien spielen eine Rolle und ein pfiffiger Kartennutzungs-Mechanismus ebenfalls. Jeder hat zunächst den gleichen Satz von Aktionskarten, mit denen er seine Spieleraktionen bestimmt. Später kann man aus einer offenen Auslage weitere Aktionskarten dazukaufen, und so die Auswahl seiner Aktionen flexibler und effizienter machen.
Verdeckt wählt jeder drei Aktionskarten aus seiner Hand aus und legt sie in einer definierten Reihenfolge vor sich ab. Alle Spieler decken dann alle gemeinsam ihre Karten auf und führen sie der Reihe nach aus. Jeder Spieler immer eine davon, bis alle möglichen Aktionen durchgeführt sind. Dann werden die Aktionskarten auf je drei verschiedene, der Kartenreihenfolge zugeordneten Ablagestapeln abgelegt. Vorher – vor dem Ablegen der aktuellen Karten – darf jeder Spieler noch die Karten eines seiner Ablagestapels auf die Hand nehmen. Eine aktuell genutzte Aktionskarten kann also niemals zweimal hintereinander genutzt werden. Dies stellt durchaus eine nicht zu geringe Anforderung an die Vorausplanung der Spielzüge dar.
Und welche Aktionen kann man ausführen? Leider viel zu viele!
- Mit einer oder mit mehreren Warenkarten kann man neue Aktionskarten erwerben. Übersteigt der Wert der eingesetzten Warenkarten den Preis für die neue Aktionskarten, darf man mit dem überschüssigen Preis auf einer oder mehren der Aktien-Besitz-Leisten (ABL) vorwärts ziehen. [Hallo: das mit dem überschüssigen Preis haben wir doch glatt übersehen!]
- Mit einer oder mit mehreren Warenkarten (Kaffee, Bananen oder Baumwolle) darf man – ohne auf Einkaufstour zu gehen – gleich auf einer oder mehreren ABL dem Warenwert entsprechend viele Felder vorwärts ziehen. [Haben wir eigentlich realisiert, dass man den Wert auf verschiedene ABL aufteilen kann?]
- Mit Ausbreitungskarten darf man eine der vier verschiedenen Handelsgesellschaften (rot, orange, schwarz und weiß) sich in die Nachbarfelder ausbreiten lassen. Das Ausbreiten an sich ist dabei gar nicht so wichtig; wichtig ist vielmehr, dass dabei Markierungsfelder in der Heimatbasis der aktiven Gesellschaft offengelegt werden, und damit den Wert der Handelsgesellschaft erhöhen.
Wenn die Handelsgesellschaften an den Grenzflächen aneinander geraten, kommt es zum Verdrängen: die verdrängten Handelseinheiten müssen zurück in die Heimatbasis, verdecken dabei wieder die geldigen Markierungsfelder, und reduzieren den Wert der Gesellschaft.
Dass beim Ausbreiten auch noch die Topologie des Untergrundes berücksichtigt werden sollte, weil damit jeweils unterschiedliche Vorteile verbunden sind (Geld, Diamanten, Bücher und Fortschritt auf der ABL), ist ein additives Design-Element. Eines von den ungezählt vielen, die in „Mombasa“ berücksichtigt werden müssen. - Mit der Buchhalterkarte (und den erforderlichen Warenkarten) darf ein Spieler den Marker auf seiner individuellen Bücherleiste vorwärts ziehen. Für vordere Positionen werden in der Schlusswertung beträchtliche Siegpunkte ausgeschüttet. Zudem darf man ab einem gewissen Pegelstand bei den Büchern einen zusätzlichen Aktions-Slot beginnen, d.h. man darf jetzt pro Runde drei statt nur vier Aktionskarten ausspielen. [Hallo Freunde, dieser Zusatz-Slot ist mir mindestens dreimal entgangen!]
- Mit der Diamantenhändlerkarte darf ein Spieler den Marker auf seiner individuellen Diamanten-Leiste vorwärts schieben und zusätzlich noch Geld einkassieren. Die Anzahl von Feldern, die er vorwärts ziehen kann, wird durch die Größe des zugeordneten Handelsgebietes erheblich beeinflusst. Ein hübsches Zubrot. Wie beim Buchhalter werden bei Spielende auch für vordere Positionen des Diamanten-Markers beträchtliche Siegpunkte ausgeschüttet, und ab einem bestimmten Pegelstand ist ein weiterer Aktions-Slot zugelassen.
Diamonds are Günther’s best friend! - Wenn wir mit unseren ausgelegten Aktionskarten in einer Warensorte den höchsten (Summen-)Wert ausgelegt haben – oder wenn, nachdem die Mitspieler ihre Waren so peut a peut verbraucht haben, unsere noch nicht verbrauchten Karten plötzlich den höchsten Wert besitzen – dürfen wir einen unserer beiden Bonusmarker auf das zugehörige Max-Feld stellen, und als Belohnung dafür auf einer der ABL vorwärtsschreiten, sowie weitere Geld- oder Sach-Prämien in Empfang nehmen.
- Für unsere Bonusmarker stehen noch sieben weitere Profit-Felder zur Verfügung: Wir können uns die Startspieler-Position unter den Nagel reißen. (Sie hat nur Vorteile, wenn bei Rundenbeginn neue, begehrenswerte Aktionskarten zum Kauf angeboten werden.) Wir dürfen eine Aktionskarten mit Geld anstatt mit Warenwerten bezahlen, wir dürfen eine Aktionskarte in Geld umsetzen, … Ach ja, und noch vier weitere Möglichkeiten.
Ein Vorteil dieser Bonus-Züge ist, dass wir damit unsere Aktionskarten nicht verbrauchen, beim Abwickeln unserer Spielzüge also Tempo gewinnen. Wer zuletzt lacht, lacht am besten!
Das Spiel wird im Wesentlichen über den Aktienbesitz entschieden. Der Fortschritt auf der ABL ist gleichbedeutend mit dem Besitz von immer mehr Aktien. Wenn wir dann noch unsere Aktionskarten dafür nutzen, der von uns favorisierten Handelsgesellschaft eine riesige Ausbreitung zu verschaffen, so können wir allein mit sechs Aktien im Wert von zwölf Pfund (= Siegpunkten) pro Stück insgesamt 72 Siegpunkte erzielen. Für Günther waren das 95% seines heutigen Sieges. Den Rest gaben ihm seine Diamanten.
“Mombasa” ist ein riesiges Räderwerk mit ungezählten Rädchen, über die man seine Züge optimieren muss. Jede Kartenwahl, jede Festlegung der Reihenfolge, jede Nutzung, jeder Zukauf, jede Ausbreitung, jeder Schritt auf der ABL muss über mehrere Runden in die Zukunft vorausgeplant werden. Für eine bestimmte Spielergemeinde ist das absolut geil! Äußerst sauber designed, ausblanciert, gerecht, konstruktiv, herausfordernd ist das Spiel allemal, eine reife Leistung von Autor und Verlag. Das muss selbst einer anerkennen, für den die gewaltige Optimiererei nur einen beschränkten Spielspaß bereitet. Einer wie ich.
Aarons Bewertungsmaßstab: „Spiele mit vielen Rädchen sind handwerklich; Spiele mit wenigen Rädchen sind elegant!“
WPG-Wertung: Aaron: 6 (besser als bei der Masse des Materials auf den ersten Blick befürchtet; trotzdem zu viele Rädchen; möchte es – wegen der befürchteten Totzeit – nicht zu viert spielen; der Zugmechanismus ist eine nette Idee), Günther: 7 (nicht so [progressiv-] kumulativ wir beim Rosenberg; die Fast-Linearität der Effekte ist positiv; die vielen Rädchen dienen der Verschleierung der Spielidee), Walter: 6 (sauberes Material, sauberes Design, aber die.elendige Optimierung ist nicht sein Fach)
Reflexion auf „504“: Alle Spielmechanismen in „Mombasa“ sind sehr gut aufeinander abgestimmt. Nach der Geburt der Spielidee hat sicherlich noch ein langer Balancierungsprozess stattgefunden, im dem die verschiedenen Teile ineinander eingepasst wurden. Hingegen hat bei allen künstlichen Spiele-Synthesen, die „504“ anbietet, eine solche Feinabstimmung naturgemäß nicht stattgefunden. Eines der Fakten, warum die fünfhundertundvier kombinierbaren Spiele von „504“ zwar eine Quantität, aber keines davon eine Qualität darstellen.
2. “Antarctica”
Vor Kurzem, im Jahre 2011, hat Sunny Games ein brandneues Spiel namens „Antarctica“ herausgebracht. Da müssen wir mit Patrouillenbooten um den Südpol herumfahren und Babyrobben sowie Babypinguine vor dem Zugriff böser Jäger schützen. Jetzt, gerade mal viel Jahre später, hat der Argentum Verlag ein neues, ganz anderes „Antarctica“ herausgebracht, und der Laie fragt sich, a) gibt es denn nur so wenige zugkräftige Spielenamen, und b) sind solche Namen denn nicht geschützt? Wann kommt ein Verlag auf die zündende Idee, seine neue Spielidee unter dem Namen „Monopoly“ zu vermarkten …?
In Argentums „Antarctica“ fahren wir ebenfalls mit unseren Schiffen um den Südpol herum, allerdings retten wir keine Pinguine, sondern errichten Camps, Forschungsstationen, Laboratorien, Fabriken, Schiffswerften, Kräne, Fördertürme für Kohle und Öl, Windräder und ähnlichen zivilisatorischen Schnickschnack, um damit an die Vorräte der Antarktis heranzukommen.
Bemerkenswert an unserer Aufbauleistung ist, dass sie grundsätzlich allen Mitspielern zugute kommt. Das entspricht in etwa dem Geist des internationalen Antarktisvertrages, der festlegt, dass die unbewohnte Antarktis ausschließlich friedlicher, wissenschaftlicher Nutzung vorbehalten bleibt. Wer thematisch guten Willens ist, findet diesen Geist in „Antartica“ wieder: Keines der dort errichteten Bauwerke gehört uns, jeder darf alles kostenlos nutzen.
Wie nutzen wir diese Bauwerke:
- In Camps kriegen wir Kinder, d.h. wir dürfen neue Pöppel (Wissenschaftler) aus der öffentlichen Reserve in unseren persönlichen Vorrat nehmen. Je mehr Pöppel bzw. je mehr Schiffe wir in der Camp-Region haben, desto mehr neue Wissenschaftler werden uns geboren.
- Beim Errichten von Bauwerken dürfen wir Pöppel aus unserem Vorrat in die Antarktis bringen. Zusätzlich dürfen wir damit auf einer von drei (oder vier) Fortschrittsleisten vorwärts ziehen. Dafür bekommen wir am Ende Siegpunkte, aber das kriegen wir später.
- In Gebieten mit Schiffswerft dürfen wir jeweils ein neues Schiff bauen. Über die Schiffe wird ermittelt, wer den nächsten Zug machen darf. Viel Schiff – viel Zug. Aber das kriegen wir ebenfalls erst später.
- Wir dürfen uns auch entscheiden, nichts zu tun. Das Regelheft sieht das vor und merkt dazu an, dass dieser Zug “fast immer nicht empfehlenswert” ist. Vielleicht wird damit der Ausweg aus einer Sackgasse im Spielgeschehen geschaffen, den der Autor nicht anders hinkriegen konnte. Wer weiß!
- Innerhalb eines Zuges dürfen wir einen unserer arbeitenden Wissenschaftler oder ein Schiff in Rente schicken. Wir bekommen dafür sofort einen neuen Pöppel aus der öffentlichen Reserve in unseren Vorrat. [Diese Möglichkeit haben wir heute zwar nicht genutzt, aber haben wir auch realisiert, dass dies ein Zusatzzug zu unserem normalen Zug ist, und dass wir dafür neue Wissenschaftler rekrutieren dürfen?] Vor diesem Zug wird im Regelheft ebenfalls gewarnt: “Wenn wir unser letztes Schiff in Rente schicken, kommen wir im weiteren Spielverlauf NIE mehr zum Zug!” – Dumm gelaufen!
Jetzt zum Zugmechanismus, der zweifellos ansprechend ist. Der Südpol ist in acht Gebiete unterteilt. In jedem Gebiet gibt es Platz für maximal drei Schiffe. Diese haben die Rangfolge Erstes, Zweites und Drittes. Reihum wird aus dem jeweils nächsten Gebiet das Schiff gezogen, das an erster Stelle liegt. Der Spieler, dem dieses Schiff gehört, darf damit beliebig viele Felder vorwärts ziehen, solange im Zielfeld noch eine Position frei ist. Dort löst er eine der oben genannten Aktionen oder Nutzeffekte aus. In seinem Ausgangsfeld rücken alle verbleibenden Schiffe in der Rangfolge nach oben.
Wie weit soll man ziehen? Natürlich auf die Felder, auf denen für uns der größte Bonus wartet. Wenn dieses Feld allerdings sehr weit vorne steht, kommen wir erst sehr viel später damit wieder zu Zug. Außerdem ist es natürlich vorteilhaft, auf ein Feld zu ziehen, auf dem kein weiteres Schiff oder höchstenfalls nur eines steht. Damit besetzten wir eine höhere Rangfolge und kommen ebenfalls schneller wieder dran. (Und wenn wir, wie schon gesagt, uns in der Werft haben zusätzliche Schiffe bauen lassen, kommen wir ebenfalls häufiger und schneller wieder zum Zug.) Alles hübsch überschaubar und planbar.
Aber dann kommt die Siegpunkt-Ausschüttung! Ja kruzitürken, Herrschaftszeiten nochamoi! Alle acht Gebiete um den Südpol, alle drei (oder vier) Fortschrittsleisten, sowie eine Anzahl weiterer Kategorien werden alle nach dem gleichen Schema abgehandelt: Wer hier führt, bekommt für alle Einheiten, die er und alle Mitspieler in Summe hier angehäuft haben, einen Siegpunkt; der Zweite bekommt einen Siegpunkt für alle Einheiten des Ersten und sonst nix, der Dritte bekommen einen Siegpunkt für alle Einheiten des Zweiten, usw.
Kann das Sinn machen? Natürlich, insofern: Jeder muss sich auf eine einzige Kategorie konzentrieren; irgendwo Zweiter oder Dritter zu sein, bringt nur noch einen Bruchteil. Allerdings macht dieses Abrechnungsprinzip bei einer gemischten Beteiligung überhaupt keinen Sinn!. Zumindest ist es weder logisch noch gerecht. Wenn die Besitzverhältnisse einigermaßen stabil sind, und der Erste nicht mehr von seiner Position verdrängt werden kann, dann bringt jede Einheit, die der in der Rangfolge zweite Spieler hier hineinsetzt, allen anderen Spielern gleichmäßig einen Punkt mehr ein. Nur er bekommt nichts dafür, gar nichts! Nicht mal ein Nullsummenspiel! Und ein Außenseiter, der sich bisher an einer bestimmten Stelle noch gar nicht engagiert hat, bekommt durch eine einzige Einheit, die er am Ende dort noch einsetzt, gleich so viele Punkte, wie der Vordermann Einheiten hat. Beispielsrechung: In einer Kategorie habe sich nur ein einziger Spieler engagiert und bekäme am Ende für seine 10 Einheiten 10 Siegpunkte dafür. Setzt jetzt ein weiterer Spieler noch eine Einheit hinein, so bekommt der Erste 11 Siegpunkte und der Nachrücker 10 Siegpunkte. Sind solche Zahlenverhältnisse Ausdruck einer planbaren Strategie? Nein, das sind sie nicht! Da kämpft und plant man zwei Stunden lang, wie man seine Schiffe um den Südpol herumfahren lassen soll, wo man sich engagiert, wo man seine Wissenschaftler zur Welt und zum Einsatz bringt, und hinterher ist der dafür erzielte Punktesegen ein unberechenbares Ergebnis chaotischer Beteilungen. Nein, das ist nicht ausgedacht. Hallo, Ihr Spielefreaks, könnt Ihr mir diese (Un-)Logik erklären? Jetzt schon ein herzliches Dankeschön für jedes Licht, das in die Dunkelheit leuchtet.
Wir haben nach einer guten Stunde und etwa der Hälfte der absehbaren Spielzeit abgebrochen. Ohne Emotionen. Die Diskussion über Design-Fehler und über die Unklarheiten im Regelheft war interessanter als das Weiterspielen …
WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Thema hat ihn nicht von den Socken gerissen [außer, dass er in der Antarktis kalte Füße bekam], der Zugmechanismus ist interessant, der Wertungsmechanismus ist problematisch), Günther: 5 (alles ist ein bisschen alles oder nichts), Walter: 5 (das altruistische Bauen für alle könnte ein hübsches, neues Spielchen hervorbringen; diese Idee ist aber nicht ausgereift; für ein Planspiel ist die Wertung absolut nicht geeignet; für ein Chaos-Spiel erfordert es zu viel Planung und dauert es zu lang)