1. “Atiwa”
Uns Uwe war in Ghana und hat auch an Diktatur und imperialistischer Ausbeutung, die besonders seit der Unabhängigkeit im Jahre 1957 grassieren, nicht vorbeigeschaut (siehe Text im Begleitheft). Vor allem aber hat ihn der Kreislauf der natürlichen Elemente beeindruckt und zu seinem Spiel animiert.
Buschtiere fördern den Baumwuchs; Bäume tragen Früchte; Früchte ernähren Flughunde; Flughunde und Früchte bringen neue Bäume hervor. Ziegen gibt es auch.
Natürlich gibt es auch Menschen, die Ackerland urbar mache, Siedlungen bauen und – wie könnte es bei Rosenberg anders sein – ernährt werden müssen: von Buschtieren, Früchten oder Ziegen, wobei letztere schlicht und nachhaltig gemolken werden können oder weniger nachhaltig geschlachtet werden.
Die ganze Maschinerie ist in ein Workerplacement-Spiel eingebaut. Jeder Spieler setzt drei Pöppel in eine Auswahl von 31 Arbeitsplätzen, in denen wir unsere Landflächen erweitern, Bäume pflanzen, uns zusätzliche Tiere aneignen, Gold schürfen oder verschiedene Kombinationen davon ausführen dürfen.
Bemerkenswert ist die Schulung der Einheimischen. Die Vermehrung ist leicht, aber wenn wir die Menschen nicht „bilden“ – eigener Arbeitsplatz -, so machen sie Runde für Runde Teile unserer Landfläche wieder unbrauchbar; sind sie aber gebildet, dann bringen sie Runde für Rund Gold ein. Gold sind Siegpunkte, aber auch Ressourcen, die wir an bestimmten Arbeitsplätzen benötigen.
Am Ende erhalten wir Siegpunkte für unseren Einsatz an Tieren, Bäumen und Gold, vor allem aber an Siedlungen, die allein ein Viertel der Gesamtsumme ausschütten, wenn man hier sein Spielertableau ausgereizt hat.
Günther hatte die progressiv steigend vergebenen Siegpunkte beim Siedlungsbau erkannt und ist hier auch sogleich eingestiegen. Allerdings hatte er übersehen, dass die Menschen auch genauso progressiv steigend ernährt werden müssen, so dass seine ersten Siedlungen ihm praktisch die Haare vom Kopf wegfraßen. Walter ging das Spiel weniger pointiert an; er fühlte sich mit seinem bescheidenen Sieglungsbau schon nach wenigen Runden auf der Verliererstraße. Doch plötzlich wirkte sich das „überall etwas“ als Segen aus; Bäume, Früchte und Flughunde tanzten nur so in sein Einkommen hinein.
Als auch noch bei der Auswahl der Landflächen das Glück auf seiner Seite war und einige Arbeitsplätze multiple Effekte sowohl bei Siedlungsbau, bei Bildung als auch beim Goldertrag zeitigten, war ihm der Sieg nicht mehr zu nehmen.
Eine philosophische Frage zu den Arbeitsplätzen: Die meisten davon sind lieb und brav. Und nahezu gleichwertig. Wenn drei Spieler sich mit drei Pöppeln ausbreiten können, belegen sie pro Runde nur 9 Arbeitsplätze. 31 gibt es davon. Damit ist hier (fast) keine Konkurrenz gegeben; in dieser Beziehung bekommt das Spiel einen ziemlich solitären Anstrich.
Allerdings gibt es ein paar wenige Arbeitsplätze, die gegen Ende des Spiels richtig geil sind, weil man dann überall ausreichend Ressourcen hat, um alles zu bezahlen und es auch mehrfach anwenden kann. Dann kann es sein, dass der Startspieler den nachziehenden Spielern den einen entscheidenden Arbeitsplatz wegnehmen und damit seinen Sieg festmachen kann. Ist “Atiwa“ also ein Spiel, das so vor sich hin dröppelt, bis es auf der Zielgeraden auf ein haarscharfes Timing ankommt, um in dem klug eingebauten Mechanismus die Startspielerrolle zu übernehmen und mit der berühmten Nasenspitzenlänge Vorsprung den Sieg zu ergattern?
WPG-Wertung: Aaron: 7 (positiv formuliert: das Spiel ist excellent ausbalanciert; negativ formuliert: egal was man macht, es kommt schlussendlich auf das Gleiche heraus; das Spiel ist spielerischer als „Agricola“; es bekäme 8 Punkte, wenn es etwas kürzer wäre), Günther: 6 (bis 7; nicht so komplex wie „Agricola“; ich weiß noch nicht, wie man es besser spielt; wir müssen es noch „erforschen“; dann kann sich auch die Note noch ändern), Walter: 7 (für den Solitär-Charakter; weniger Punkte für das Mehrpersonenspiel, weil dann auch Miesnickeligkeit als „gutes Spiel“ gefordert ist).