Schlagwort-Archive: Bluff

10.08.2011: Ora et labora

Aus dem „Kopfkissenbuch“ der japanischen Hofdame Sei Shonagon (vor ca. 1000 Jahren):
Beneidenswerte Leute sind …
a) Leute, denen beim Würfelspiel immer die gewünschte Zahl erscheint.
b) Hohe Priester, die sich über allen Erdenkummer erheben.
Da schau mal, lieber Aaron, außer mit Deinem umwerfenden Astralkörper gibt es noch andere Weisen, nach denen Du beneidenswert sein kannst!
1. “Pantheon”
Das Allgötter-Spiel wurde schon oft genug mit Lust und Liebe am Westpark gespielt, heute durfte Andrea ihre Premiere feiern. „Was kommen da für süße Füße vor!“ war ihr erster freudiger Ausruf, als das Spielmaterial auf den Tisch kam. Moritz trug die Regeln vor. Er kennt das Spiel schon so gut, dass er nicht einmal ins Regelheft zu schauen brauchte, um alles klar, strukturiert und vollständig rüber zu bringen. Natürlich kann man die Effekte der vielfältigen Spielelemente wie Götter, Halbgötter, Füße, Bewegung, Karten, Geld, Rabatte, Tempel, Prämien und Siegpunkte nicht auf Anhieb alle in das eigene Weltbild einordnen. Entsprechend häufig kamen Rückfragen unseres Kückens und Moritz antwortete jedesmal mit der sprichwörtlichen Geduld eines 10-jährigen Ehemanns. Doch auch die älteren Hasen haben viele Details schneller wieder vergessen als verstanden. Aaron erklärte in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen fehlender Intelligenz und Demens.
Er selber leidet ja unter dem Geburtsfehler, dass er grundsätzlich grottenschlecht würfelt. Bei Pantheon kommt hinzu, dass er hier grundsätzlich auch noch schlechte Aktionskarten bekommt. So war diesmal keine einzige Fußkarte in seinem Startset. Und keine beim Nachziehen. Darin liegt allerdings auch ein großer Vorteil: Man braucht nicht lange an seinem Zug zu überlegen. Gemäß der „Ohne-Säulen-Strategie“ zieht man konsequent ausschließlich Bilderkarten und tauscht sie so oft wie möglich gegen Götter und ihren göttlichen Beistand ein. Am Ende zeigte sich allerdings, dass man in jedem Fall auch ein paar eigene Schritte tun muß, bevor einem die Götter zum Sieg verhelfen.
Neuling Andrea war das Schicksal hold. Einmal brachten ihr ein einziges erwandertes Prämienplättchen 17 Siegpunkte auf einen einzigen Schlag ein. Nicht ganz die halbe Miete, aber doch ein erklecklicher Anteil davon. Neidvoller Männer-Kommentar: „Die einen erarbeiten es sich hart, die anderen kriegen es geschenkt.“ Weibliche Replik: „Ich habe mir diese Siegpunkte auf den Füßen errobbt!“ Mit ihrer Robber-Technik wurde sie haushoher Sieger.
Manöverkritik. Andrea: „Ich hatte einen guten Start, habe effizient gespielt und Glück gehabt.“ Aaron: „Ganz ohne Säulen geht die Chose nicht!“ Moritz: „Ich habe keinen Fehler gemacht.“ Der Siegpunkt-Unterschied lag dann offensichtlich innerhalb des zufälligen Glücksrauschens. Walter: „Ich bin von vornherein auf Tempelsäulen ausgewesen, doch ich habe dabei gesündigt, und die Götter haben das nicht verziehen.“
Was kann man daraus über „Pantheon“ ablesen: Jeder kann ganz unterschiedliche Pläne verfolgen. Manche sind manchmal erfolgreich. In einer 4er Runde immerhin zu durchschnittlich 25%. Das Spiel ist flott, rund und schön. Ein paar bewußt eingebaute zufällige Elemente zeigen krasse Effekte. Sie untergraben eine strenge Planbarkeit, erhöhen aber – für denjenigen, der das mag – den spielerischen chaotischen Reiz. Manche mögen’s heiß.
WPG-Wertung: Andrea lag mit ihren 8 Punkten genau im WPG-Durchschnitt.
2. “Schiefer”
Das zweite Exemplar der diesjährigen “spielbox Wallace Edition“. Die Szenerie sind Schieferminen entlang von Flußläufen. Wir beackern die Minen, verkaufen den Aushub, verbessern Bautechnik und Ertragsquotienten und stellen weitere Grubenarbeiter ein.
In Anleihe an „Ysphan“ würfeln wir die Aktionen aus, in denen wir unsere Arbeiter einsetzen. Es herrscht allerdings keine strikte Würfeldiktatur, sondern es sind eine Reihe von Weichmachern eingebaut, mit denen wir an unseren Würfelergebnissen noch herumdrehen können: Modizifieren, Neu-Würfeln, Fixe-Augenzahl-Kaufen oder Würfel mißbrauchen.
Nur Aaron traf immer unerbittlich sein Würfelunglück, sei es nun ein verfrühter 6-6-5-Wurf zur Technik-Verbesserung ohne Arbeiter oder ein verspäteter 2-1-1-Wurf für zusätzliche Arbeiter ohne Arbeitsplatz. In jedem Fall war es „ziemlicher Käse“ und er gab regelmäßig sein letztes Geld für neue Würfel aus.
Am Ende landeten wir alle innerhalb eines Bereiches von 2-Siegpunkten Differenz. Ist das vielleicht das unausweichliche Schicksal eines Spieldesigns von stark äquivalenten Spielzügen? Frage an die Kritiker der krassen Effekte von „Pantheon“: Hätten ähnliche divergierende Effekte in „Schiefer“ Spielspaß und Spielspannung nicht erhöht?
WPG-Wertung: Aaron: 5 (es funktioniert, aber mir hat der Spaß gefehlt), Andrea: 5 (durchschnittlich gut, uninteressant), Moritz: 5 (es gibt ähnliche Spiele, die aber besser sind), Walter: 5 (es funktioniert; einem geschenkten Barsch, schaut man nicht hinter die Kiemen.)
3. “Bluff”
14 Würfel waren noch im Spiel und Aaron fing mit 5 mal die Vier an. Zwei vollständige Runden lang wurde mit und ohne Nachwürfeln die Vier erhöht bis die Vorgabe mit 12 mal die Vier wieder bei Aaron landete. Mit einer Vier+Eins unter seinem Becher und fünf weiteren unbekannten Würfeln zweifelte er verständlicherweise an. 13 mal die Vier wäre der Volltreffer gewesen.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

20.07.2011: Würfelspiel und Liebeskunst

„Noch ein Kunstgriff, ihr Mädchen, um einen Mann zu angeln: Ihr müßt spielen lernen! Zunächst das Glücksspiel mit den elfenbeinernen Würfeln, sei es nun Choice, Verflixxt oder Bluff. Die Wertigkeit der Augenzahlen sei euch bekannt und ihr solltet mit den hierin enthaltenen Risikowahrscheinlichkeiten rechnen können. Als Geschicklichkeitsspiel solltet ihr das Mikado-ähnliche Spiel mit den lose geworfenen Kugeln beherrschen, und ihr solltet mit dem Spannungsbogen auf dem Liniennetz des Mühlespiels vertraut sein. Schlußendlich solltet ihr die strategischen Kraftflüsse im Schach kennen und wissen, wie man eigene Steine schützt und ungeschützte gegnerische Steine schlägt.
Es ist beschämend für ein Mädchen, wenn sie von alledem nichts versteht. Ein gekonntes Vorspiel ist der halbe Weg zu erfolgreicher Liebe.“

Diese Liebesspiel-Weisheiten lehrte schon vor ziemlich genau 2012 Jahren der gute alte Ovid in seiner „Liebeskunst“. Es ist allerdings bis heute umstritten, ob er darin alles ernst gemeint hat, oder ob er nicht schon damals eine gehörige Portion Verarschung in die „Ars amatoria“ hineingepackt hat.
1. “Choice”
Die moderne Version dieses römischen Klassikers hat Sid Sackson im Jahre 1989 herausgebracht. Vor 9 Jahren lag es zum letzten Mal bei uns auf dem Tisch. Ein Spieler würfelt für alle Mitspieler mit fünf Würfeln. Jeder Spieler gruppiert davon je zwei Würfel zu einem Paar, der fünfte Würfel ist das Überbleibsel. Von den beiden Würfelpaaren wird die Augensumme gebildet, und es wird für jeden Spieler gezählt, wie oft er bis zum Spielende jede einzelne dieser Summen bilden konnte. Die seltenen Augenkombinationen wie 2 oder 12 werden mit je 100 Siegpunkten honoriert, die Durchschnitts-Kombination 7 bringt dagegen nur 30 Punkte ein. Siegpunkte gibt es allerdings nur für Augenkombinationen, die ein Spieler bis zum Spielende mehr als 5 mal bilden konnte. Kommt eine Kombination weniger als 5 mal vor, so wird ihr Auftreten mit 200 Minuspunkten bestraft.

Das Bestreben eines jeden Spielers muß es sein, möglichst wenige und möglichst hoch dotierte Augenkombinationen zu bilden. Doch natürlich ist dies abhängig von den ca. 30 Würfen, die innerhalb eines Spiels auszuwerten sind. Ein bißchen kann man das durch eine taktische Wahl des Überbleibsels beeinflussen: Überbleibsel der Augenzahlen 1 und 6 bewirken, dass mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit wenige konzentrierte Augenkombinationen im mittleren Bereich gebildet werden können. Überbleibsel der Augenzahlen 3 und 4 führen bei der Summenbildung eher zu Extremwerten mit größerer Streuung. Doch mit etwas Glück bleibt einem die Streuung erspart und man kann die hohen Siegpunkt-Prämien einstreichen, ohne zugleich auf vielen Strafpunkten sitzen zu bleiben. Die Hoffnung stribt zuletzt.
WPG-Wertung: Aaron: 8, Andrea: 7, Günther: 8 (es macht Spaß), Moritz: 5 (unkommunikativ), Walter: 8.
Man beachte die mentale Weiterentwicklung von unserem Moritz: Vor 9 Jahren schrieb er noch in seinem Session-Report: „dieser Sucht erzeugende Klassiker machte einen Riesenspaß“. Heute fand er es eher „autistisch“. Doch wie sagte schon vor 60 Jahren der alte Bundeskanzler Adenauer: „Es kann mich niemand daran hindern, über Nacht klüger zu werden!”
2. “Strasbourg”
Letzten Monat schon mit Vergnügen gespielt, wurden diesmal Aaron und Andrea in die Geheimnisse der elsässischen Hauptstadt eingeführt. Jeder Spieler erhält den gleichen Satz Einflußkarten, mit denen er seine Ambitionen bei der Vergabe von Ämtern und Positionen geltend macht. Dazu bildet er Häufchen, mit denen er seine Konkurrenten beim Bieten auszustechen versucht. Andrea war etwas aus der Übung, sie fühlte sich beim Häufchen-Machen „total gestresst“. Offensichtlich wohltuend, denn hinterher bekannte sie: „Ich finde das Spiel super!“
„Strasbourg“ bietet eine Unmenge von Entscheidungsfreiheiten, wie man auf den verschiedensten Wegen zu Siegpunkten kommt. Keinen einzigen Zug sollte man ohne taktische und strategische Überlegung vornehmen. Und ständig unterliegt man dabei den teils verdeckten, teils erkennbaren Aktionen der Mitspieler. Auch die ausgiebigen Post-Mortem-Diskussionen über die eigenen Fehler belegen die meisterlichen Herausforderungen des Spieldesigns. Selbst unser Stratege Günther kämpfte verzweifelt um die richtige Dosierung seiner Einflußkarten. Seine Zwischenkommentare reichten vom „Das macht mit fertig!“ bis zum „Ich habe mich beim Häufchen-Machen völlig verkackt!“
Moritz hatte sich nicht verkackt. In einem risikoreichen Plan hatte er von Beginn an alles auf eine Karte gesetzt: Erst die richtigen Positionen im Stadtbild besetzten und dann in der letzten Runde den Bürgermeister ersteigern, um diesen Positionen einen üppigen Siegpunktsegen zuströmen zu lassen. Er bekam tatsächlich den Bürgermeister und konnte sich mit einem Zuwachs von 32 Siegpunkten (bei insgesamt 51) auf den ersten Platz hochkatapultieren.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt), Andrea: 8 („total schön“), Günther: 8 (bleibt), Moritz: 8 („außergewöhnlich gut, hat aber nichts mit dem Thema ’Strasbourg’ zu tun“, er war allerdings seit 41 Jahren nicht mehr dort), Walter: 8 (bleibt).
3. “Choice”
Andrea mußte ihren Babysitter zuhause ablösen und konnte sich nur noch einen Absacker leisten. Der Riesenspaß „Choice“ wurde ein zweites Mal aufgelegt. Walters Vorschlag, die Warmduscher-Variante zu spielen, wurde abgelehnt. Hier werden die nicht ausreichend häufigen Würfelkombinationen nur mit 100 Strafpunkten bedacht und es werden ca. 10 Würfe mehr ausgewertet. Damit werden die extremen Augenkombinationen deutlich lukrativer.
Alle gingen sehr vorsichtig zu Werke und konzentrierten sich auf die billigen Augenkombinationen im Durchschnittsbereich. Erfolgreich: Alle Spieler landeten am Ende in Pluspunkten.
Dazwischen posaunten alle in unregelmäßigen Abständen höchst euphorisch ihre Zwischenstände hinaus: „Nur noch 170 Minus!“ oder „Jetzt bin ich im Plus!“. Höchst kommunikativ!
4. “Verflixxt”
Das schöne Kramer-Kiesling-Würfelspiel aus dem Jahren 2005 konnte erneut überzeugen. Auf Englisch heißt das Spiel „That’s life“ und Moritz erinnerte daran, dass die englische bzw. die amerikansche Sprache für das liebe und brave „verflixxt“ kein richtiges Pendant besitzt. „Damned“ ist etwas zu stark, und erst recht das „Fuck me right now“.
Keine neue WPG-Wertung.
5. “Bluff”
Der dritte und letzte Vertreter der Ovidischen Würfelspiele. Moritz hat schon etwas Übung darin, sich mit super Würfen auf einen Streich selber herauszukicken. Das ist die Einsamkeit des Genies, dass keiner seinen Sternen folgen kann.
Aaron gelang das seltene Kunststück, ohne einen einzigen Würfel Verlust als Sieger hervorzugehen.

29.06.2011: Freuden mit den Spielen des Jahres

Schelte an den Entscheidungen der Jury zum „Spiel des Jahres“ sind an der Tagesordnung. Durch Sonderpreise für Spiele, die beim Normalverbraucher grundsätzlich nicht punkten können, z.B. für „Caylus“ und „Agricola“ als „komplexestes Spiel des Jahres“, wurde ein bißchen Unmut ausgebremst. Dieses Jahr wurde mit „Kennerspiel des Jahres“ erstmalig eine ganz neue Preiskategorie geschaffen, in der anspruchsvollere Spiele honoriert werden können.
Dass das relativ elementare Kartensammelspiel „7 Wonders“ nur in dieser Randkategorie gewinnen konnte, war überraschend. Denn das Spiel ist einfach genug und hätte auch in der Hauptkategorie konkurrieren können. Sind denn in der Hauptkategorie nur noch Kinderspiele prämierfähig?
Für Aarons Seufzer: „Die Jury enttäuscht mich von Jahr zu Jahr mehr“ fand Horst die Begründung: „Das Bildungsniveau der Bevölkerung nimmt ja auch von Jahr zu Jahr ab“. Demnächst wird bei uns in Bayern ja die Hauptschule abgeschafft. Damit ist dann gewährleistet, dass wir in kürzester Zeit eine Abiturientenquote von 100% bekommen werden.
1. “Qwirkle”
Zum Warming-up sollte der Preisträger zum Spiel des Jahres 2011 am Westpark auf jeden Fall geeignet sein. Auch wenn die aktuell vorherrschende Lästerstimmung eher kontraproduktisch war. Günther erkannte in den Regeln noch relativ ernsthaft ein „Genial light“, der Rest eher ein „Scrabble für Analphabeten“: Anstelle von Buchstaben müssen wir Bausteine mit farbigen Symbolen ablegen. Anstatt mit unseren Buchstabensteinen gültige Duden-Wörter zu bilden, müssen wir unsere Bausteine in gleichfarbigen oder gleichsymboligen Ketten ablegen, und zwar genauso wie bei „Scrabble“ anschließend an die Muster, die auf dem Spielbrett bereits ausliegen.
Die Jury von „Spiel des Jahres“ hat dazu angemerkt: „Einfache und logische Regeln bestimmen dieses nahezu selbst erklärende Legespiel, das einen sofort gefangen nimmt. Das Kombinieren von Farben und Formen erfordert neben ein bisschen Glück auch Voraussicht und taktische Überlegungen. Die griffigen und farbig bedruckten Holzsteine haben einen hohen Aufforderungscharakter, so dass oft eine Partie der nächsten folgt. Zudem spricht Qwirkle alle Generationen gleichermaßen an.“
Wenn ich wüßte, was ein „Aufforderungscharakter“ ist, hätte ich dieser Begründung nichts mehr hinzuzufügen.
Aaron erfand aus dem Stegreif die Bluff-Variante von „Qwirkle“: Jeder Spieler legt seine Steine verdeckt an und der Nachfolger darf glauben oder anzweifeln, ob die geforderten Anlegeregeln auch eingehalten wurden.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (vermißt Kreativität in seinen Zugoptionen), Günther: 7 (klare, solide Mechanismen), Horst: 7 (besser als „Dixit“, unterhaltsam und spannend), Walter: 6 (bestens geeignet für Willis Nicht-Spieler-Runden.)
2. “Lancester”
Ein weiteres Spiel, dass es in diesem Jahr bis in die Endrunde zum „Kennerspiel des Jahres“ gebracht hat. Zur Einleitung versprach Horst „einfache Regeln“, was in Kennerkreisen natürlich ein bißchen komplizierter sein darf. Es ist ein Aufbauspiel, das die Autoren in die Zeit des hundertjährigen Krieges gerückt haben. Jeder Spieler erhält eine Reihe von „Rittern“ unterschiedlicher Stärke, die er reihum auf verschiedene Orte im „County“, im „Castle“ oder im „Konflikt“ placiert, um damit ortsspezifische Vorteile einzuheimsen, z.B. Adelsplättchen, Geld, Knappen, neue Ritter oder Ritter-Upgrades.
Geld wird benötigt, um im „County“ zusätzliche Vorteile finanzieren zu können, Knappen sind Hilfen im Kampf um die Placierung im County, wenn man Mitspieler-Ritter verdrängen will oder sich gegen Verdrängt-Werden schützen will. Adelsplättchen bringen Vorteile bei Abstimmungen in der Gesetzgebung und am Ende eine progressiv steigende Anzahl von Siegpunkten. Neue oder stärkere Ritter sind überhaupt der Motor, der in „Lancester“ zum Sieg führt. Hier frühzeitig seine Entwicklungsschwerpunkte zu setzen, trägt reichlich Früchte ein.
Die Ritter im „Castle“ sorgen für eine relativ ungestörte Vermehrung von Geld und Knappen, die Ritter auf den Konfliktfeldern bringen zusätzliche Entwicklungsvorteile (wer zuerst kommt, kassiert zuerst) und in zweiter Linie Siegpunkte (wer zuletzt kommt, kassiert zuerst) ein.
Das Regelwerk ist (für Kenner) tatsächlich nicht allzu kompliziert, aber die vielfältigen Abhängigkeiten von Besitzstand und Placierungseffekten, und die große Auswahl an Zugfreiheiten erfordert doch ein genaues Hinsehen, um lukrative Entwicklungsmöglichkeiten nicht zu verpassen. Fehler sind nicht zu vermeiden, wahrscheinlich auch nicht für erfahrene Spieler, wovon wir noch meilenweit entfernt sind.
90 Minuten dauerte bei uns ein 4-Personenspiel. Dabei kam jedem die Zeit relativ kurz vor. Jeder hatte seine eigene Entwicklungsvision im Kopf, da wurde auch schon die letzte Runde eingeläutet. Das spricht für ein kurzweiliges Spiel. Vielleicht waren wir aber auch von dem komplexen Regelräderwerk, das in „Lancester“ geboten wird, derart gefangen genommen. In jedem Fall muß nochmals verifiziert werden, ob die vielen Interaktionen mit den Ambitionen und Entscheidungen der Mitspieler zu beherrschen sind, oder ob schließlich allein ein unberechenbares Mitspielerchaos den Sieger bestimmt.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (hat sich keine Sekunde gelangweilt) , Günther: 7 (ist sich noch unsicher über das Gewicht vom Mitspielerchaos), Horst: 8 (für diesen Spieltyp war die Spielzeit nicht zu lang), Walter: 8 (große Vielfalt, keine Schwächen).
3. “Störtebeker”
Schon vor 11 Jahren von „Hans im Glück“ in Essen vorgestellt. Ein reinrassiges Karten-Würfelspiel, thematisch angesiedelt beim berühmten Seeräuber an der Nordseeküste, von dem wir aber nicht viel zu sehen bekommen.
Auf dem Tisch liegen vier Schiffe aus, die unterschiedliche Mengen (2-4) von unterschiedlichen Proviants (rot und grün und gelb und blau) laden können. Jeder Spieler muß ein Schiff komplett beladen und darf es dann kapern. Dazu hat er eine Anzahl zufällig verteilter „Aktionskarten“ auf der Hand, die entweder den verschiedenfarbigen Proviant darstellen oder Piraten, die ein Schiff kapern helfen.
Der Kaper-Vorgang wird mit zwei Würfeln abgewickelt. Wenn der Wert der ausliegenden Piratenkarten plus die gewürfelte Augenzahl größer ist, als der Wert der Schiffskarte, so war das Kapern erfolgreich. Zunächst wenigstens, denn anschließend dürfen noch reihum die Mitspieler versuchen, das Schiff ebenfalls zu kapern, d.h. aus ihren Handkarten den geforderten Proviantbedarf zu decken und mit den zwei Würfeln eine höhere Augenzahl zu erzielen als die Vorgänger. Die höchste Augenzahl gewinnt, alle anderen haben das Nachsehen und sind sowohl die investierten Proviantkarten als auch ihre Piraten los.
Klar ersichtlich: „Störtebeker“ enthält eine Menge Frustpotential: Erst zieht man nicht die richtigen Proviantkarten, und es ist kein Trost, dass man mit einem gewissen Schlupf seine Handkarten gegen Karten aus dem offenen Ablagestapel austauschen kann. Dann würfelt man um das Kaperergebnis und hat mit hoher Wahrscheinlichkeit entweder viel zu viele Piratenkarten unnötig verschleudert oder gerade eine Piratenkarte zu wenig und das Kapern mißglückt. Sollte bis dahin aber alles geklappt haben, dann kommt ein Mitspieler daher und würfelt eine höhere Augenzahl, mit der er uns die Schiffsbeute vor den Augen wegschnappt.
„Störtebeker“ enthält noch zwei Farbwürfel, mit denen man Mitspielern Proviantkarten abknöpfen kann. Doch auch hier liegt die Wahrscheinlichkeit für einen Treffer in der Regel deutlich unter 50%, und wenn das zufälligerweise doch einmal gelingt sollte, dann ist auf der anderen Seite der Mitspieler frustriert, dem die Proviantkarte angeknüpft wird. Oder soll man alle diese Frust-Effekte einfach als Lustspiel des Zufalls wegstecken? Erstaunlich, dass solche spielpsychologischen Fehlleistungen einem solch großen Spieleverlag wie „Hans im Glück“ nicht aufgefallen sind. Oder besaßen vor zehn Jahren die Autoren, Verlage und die Käufer etwa ein deutlich reduzierteres Bildungsniveau?
WPG-Wertung: Aaron: 4 (das Spiel plätschert so vor sich hin, keine Steigerung), Günther: 4 (mit HiG-Bonus), Horst: 5 (mit Erinnerungsbonus), Walter: 4 (chaotisches Glücksspiel)
4. “Bluff”
Ehrenrettung für Günthers Immer-5-Strategie. Im heutigen 1:1-Endspiel konnte sie ihren einzigen Minivorteil demonstrieren. Nach Günther’s Vorgabe 1 mal die Fünf war Walter mit einem Stern unter dem Becher angeschossen. Oder besser: er war gleich abgeschossen. Zweimal die Fünf war nicht der Sieg. Welche Antwort hätte den Sieg gebracht? Fünfmal dürft ihr noch raten!
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

22.06.2011: Strasbourg und die Bluff-Surrogate

Richard Strauß pflegte vor seinen Konzerten, im Künstlerzimmer, angetan mit Frack und weißer Weste, Skat zu spielen; bis zum letzten Augenblick oder besser länger, bis das Publikum wegen Verzögerung des Konzertbeginns unruhig wurde. Dann legte er die Karten hin und ergriff dafür den Taktstock, d.h. er füllte eine Pause im Skat mit Musikmachen aus, bis er in der Konzertpause im Skat fortfahren konnte. (nach Ilse Hess)
Hallo Moritz, stimmt das?
1. “Strasbourg”
Ein weiteres Spiel von Stefan Feld. (Günther „Der bringt in letzter Zeit eine Menge guter Spiele heraus.“) Herausgegeben vom Pegasus Verlag. (Moritz: „Bürgt für Qualität!“)
Die Kulisse ist das mittelalterliche Straßburg (so wurde es wohl damals geschrieben), die politischen Geschicke der Stadt werden von Handwerkszünften beeinflußt und die Spieler schlüpfen in die „Rollen aufstrebender Familien der Stadt“. Warum dafür jetzt Straßburg den Namen hergeben mußte und nicht Nürnberg oder Hamburgum ist nicht plausibilisiert. Thema und Lokalkolorit sind auch nicht präsent. Das Spiel enthält eine ganze Reihe hübscher Mechanismen, die sehr organisch in sich greifen und die Spieler vor eine abstrakte Aufbau-Anforderung stellen, die vorausschauend-planerisch angegangen werden muß, dabei aber nie die spielerische Linie verliert.

  • Wir bieten um Felder, die uns Privilegien als Führer des Adels, als Bischof oder Führer einer der Zünfte gewähren. Eine neuartige Designidee macht den Bietvorgang trickreich, interaktiv und zugleich schnell.
  • Wir erwerben Bezugsrechte und bieten um Felder, wo wir diese Bezugsrechte in bare Münze verwandeln können. Eine kluge Balance im Erwerb und im Umtauch von gebündelten Bezugrechten ist für Liquidität und Handlungsfreiheit unbedingt erforderlich.
  • Wir nutzen unser Geld und unsere Privilegien, um unsere Pöppel auf dem Spielbrett möglichst siegpunktbringend positionieren zu können. Das ist das Kernstück der zünftigen Straßburger Musik.
  • Jeder Spieler erhält noch eine wählbare Anzahl von individuellen Sonderaufträgen, mit denen bei Spielende bestimmte Kombinationen von Pöppel-Positionen auf dem Spielbrett honoriert werden. Dadurch erhält der Ehrgeiz jedes Spieler ein Betätigungsfeld und es kommt eine wohldosierte Asymmetrie in die Spielerziele.

Man darf bei der Auswahl der Aufträge nicht zu gierig sein, nicht-erfüllte Aufträge werden mit Punkt-Abzug bestraft. Ein bis zwei Aufträge pro Spiel sind eine ausreichend große Herausforderung. Unsere Strategie-Kornifere hatte sich gleich drei Aufträge unter den Nagel gerissen und konnte keinen einzigen davon erfüllen. Ein Aufrag weniger und er wäre noch Vorletzter geworden.
WPG-Wertung: Günther: 8 (intelligenter Bietmechanismus), Loredana: 8 (interaktiv, man spielt ständig mit, auch in einer 5er Runde nie langweilig), Peter: 8 (ihm gefiel die Varianz der Setzziele durch die individuellen Sonderaufträge), Moritz: 8 (enthält viele gefällige Elemente), Walter: 8 (alles funktioniert in ausgezeichneter Balance)
2. “Take it or Leave it”
Zwanzig Hexa-Würfel in den Farben weiß, schwarz und rot werden in eine Schale gewürfelt und lassen dabei fast so etwas wie eine „Bluff“-Stimmung aufkommen. Doch die Vorfreude verläuft sich blitzartig wie eine offene Welle.
Reihum darf sich jeder Spieler einen Würfel aus der Schale holen und damit successive bestimmte Würfelkombinationen zusammensuchen, die er als geheimen „Auftrag“ auf der Hand hat, z.B. eine weiße Zwei und eine schwarze Vier zu besitzen, oder mit 3 Würfeln in der Summe der Augenzahlen unter 7 zu bleiben, oder mit beliebig vielen Würfeln genau 18 Punkte zu erzielen. Vier Aufträge stehen jedem Spieler pro Runde zur Auswahl; einen, höchstens zwei davon kann er davon erfüllen.
Wer – wenn die Würfel langsam ausgehen – keinen „Auftrag“ mehr erfüllen kann, paßt, und wenn alle gepaßt haben oder die Würfel alle weg sind, ist eine Runde zu Ende. Erfüllte Aufträge ergeben Pluspunkte, nicht mehr in Aufträgen untergebrachte Würfel bringen Minuspunkte und das (freiwillige) Aufnehmen von roten Würfeln wird ebenfalls mit Minuspunkten bestraft.
Eigentlich könnte man das Spiel ganz locker über die Bühne gehen lassen, doch wenn man die ausliegenden Würfel erst danach analysieren muß,

  • welche Augenzahl man unbedingt noch braucht (und welche davon nur noch selten ausliegt)
  • mit welchen der ausliegenden Würfeln welche gewünschten Würfelkombinationen sich am häufigsten und deshalb am sichersten realisieren lassen.
  • auf welche Würfel bzw. Würfelkombinationen die Mitspieler spekulieren könnten.
  • und was man sich sonst noch alles zusammenreimen kann.

dann ist die Lockerheit schnell dahin. Der Rest ist dröge. Und weil eine Spielerrunde am Westpark ohne diese Analysiererei nicht leben kann, ist “Take it or Leave it” – zumindest in unserem Kreis – dröge.
WPG-Wertung: Günther: 6 (locker und einfach), Loredana: 5 (ein Kinderspiel. Mit Kindern würde es vielleicht besser gefallen), Peter: 6 (Ich könnte es nochmals spielen), Moritz: 6 (das Spiel ist nicht broken), Walter: 6 (ein Semi-Absacker)
3. “Skull & Roses”
In irgendeinem Spielegremium wird behauptet, dieses Spiel sei ein würdiger Nachfolger von „Bluff“. Entsprechend hoch waren unsere Erwartungen.

Jeder Spieler bekommt ein Set von vier „Bierdeckeln“ mit drei Rosen und einem Totenkopf. Daraus wählt jeder geheim einen seiner Deckel aus und legt ihn verdeckt vor sich hin, also entweder eine Rose oder den Totenkopf.
Moritz wollte von dieser Startaufstellung ausgehend unter der Bluff-Hypothese gleich auf die gesamten Spielregeln schließen: „Jeder nennt jetzt eine Zahl, wielviele Totenköpfe ingesamt ausliegen.“ Doch so billig geht es dann doch nicht. Wer am Zug ist, hat jetzt jeweils eine Entscheidungsalternative: Entweder legt er einen weiteren Bierdeckel verdeckt vor sich hin, oder er beginnt eine „Challenge“, d.h. er nennt eine Zahl, das ist die Anzahl von Rosen-Bierdeckeln, die er von den verdeckt auf dem Tisch liegenden Bierdeckeln aufdecken kann, ohne einen einzigen Totenkopf zu erwischen. Dabei muß er das Umdrehen mit seinen eigenen Bierdeckeln anfangen, er darf also keinen Totenkopf in seinem Stapel haben. Reihum kann jetzt jeder diese Zahl erhöhen oder passen. Gewinnt ein Spieler die Challenge, so ist das der halbe Weg zu seinem Sieg, d.h. nach zwei gewonnenen Challenges ist er Sieger. Verliert ein Spieler die Challenge, muß er einen Bierdeckel abgeben; nach vier verlorenen Challenges scheider er aus.
Es wurde viel gelacht, besonders wenn die Challenges verloren gingen. Deren waren es viele, sonst wäre das Spiel ja im Nu zu Ende gewesen. Trivial-Tipp zur Taktik: „Lege als erstes immer den Totenkopf heraus, und lasse Deine Konkurrenten die Challenges verlieren!“ (Dieser Tipp ist natürlich Kappes.) Doch auch wenn es nicht ganz so trivial zugeht, kann “Skull & Roses” dem „Bluff“ nicht das Wasser reichen. Es gibt keine Steigerung, kein Nachwürfeln, kein Reinreißen des gutgläubigen Nachbarn, kein taktisches oder unerläßliches Nachwürfeln und das sogenannte Bluffen beschränkt sich auf die 50:50 Entscheidung, einen Totenkopf oder eine Rose herauszulegen.
Wer als erster nur noch einen Totenkopf-Bierdeckel in der Hand hält, kann nicht mehr gewinnen, aber er muß noch mitspielen und dabei dem langweiligen Kampf zuschauen, wie auch die übrigen Mitspieler langsam ihre Bierdeckel verlieren oder wie einer hoffentlich seine zweite Challenge gewinnt. Zäh!
WPG-Wertung: Günther: 7 (immerhin hat es die Spielbox empfohlen), Loredana: 2 (fürs Lachen am Anfang), Peter: 3 (mit Tendenz in Richtung 1), Moritz: 6 (schließlich wurde er Zweiter), Walter: 3 (der Anfang scheint lustig, das Ende ist zäh).
4. “Bluff”
„Endlich“! Ein richtiger Absacker nach den zwei Pseudo-Absackern. Peter stand im 1:1-Endspiel gegen Günther und sinnierte signifikant lange über seine erste Vorgabe. Günther schloß sofort daraus, dass Peter einen problematischen Wurf haben mußte: Entweder eine Eins oder einen Stern. Trotzig (oder warum auch immer) setzte Peter auf Günthers Loser-Strategie und fing mit 1 mal Fünf an. Günther hob ohne Zögern auf 2 mal Fünf und Peter blieb nur noch der Verzweiflungsversuch: 2 mal Stern. Ohne Erfolg. Wie leicht hätte er diesen Kampf mit Walters Immer-4-Strategie gewinnen können!
Derweilen kündigte Moritz für die zweite Runde eine „neue Strategie“ an. Später verriet er, dass es eine Immer-3-Startspielerstrategie gewesen wäre. Er konnte die Wirksamkeit dieser Strategie leider nicht nachweisen, denn er wurde alle seine Würfel los, bevor er auch nur ein einziges Mal Startspieler geworden war.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

08.06.2011: Himmlische Themen

Complete and finished – An English Lesson for All
No English dictionary has been able to explain the difference between the two words ‘complete’ and ‘finished’ in a way that’s so easy to understand. Some people say there is no difference between COMPLETE & FINISHED, but there is:
When you marry the right one, you are COMPLETE …
And when you marry the wrong one, you are FINISHED …
And when the right one catches you with the wrong one, you are COMPLETELY FINISHED !
1. “Luna”
Auf der Suche nach unserem Spiel des Monats Mai landeten wir bei „Luna“, das diesen Titel bereits im Februar dieses Jahre errungen hatte. Moritz war a priori einverstanden, klang der Titel doch nach Weltraum, Kampf und Abenteuer. War’s aber nicht. In „Luna“ notiert der Novize Stephanus in seinem Tagebuch, dass seine verehrte Mondpriesterin bald eine Nachfolgerin auswählen wird. Doch von dieser mystischen Andeutung ist im Spielverlauf keine Spur zu finden. In einem rein abstrakten „fiesligen und fummeligen“ (Aaron) Spiel schwimmen unsere Pöppel von Inseln zu Insel, bringen neue Pöppel ins Spiel („Missionierung“), setzen Holzklötzen („Kultstätten“) auf die verschiedenen Inseln, punkten auf der Prioritätenleiste („Priesterrat“) und lassen sich im Allerheiligsten Siegpunkte auszahlen.
Die zahllosen Spielelemente greifen sehr gut ineinander, sind sehr gut ausbalanciert und gewähren den Spielern einen großen Spielraum für verschiedenste langfristige Planungen. Bewegung und Sitzsamkeit, Häufelung und Verteilung, der Erste und der Letzte sein, alles hat zur richtigen Zeit seine Vorteile. Viele originelle Mechanismen sind hier verwoben. Doch Moritz fand zu recht: „Der Name ist verfehlt, das Spiel hat überhaupt keine thematische Handlung.“ Selbst das Regelheft schweigt sich im Grunde genommen darüber aus. Günther „fand dies ehrlich“. Poetisch kreativ ist es gewiß nicht. Oder vielleicht doch, und nur wir materialistischen Kalkulisten sind zu nüchtern, dies nachzuvollziehen?
Dafür machten wir uns reichlich männliche Illusionen, was wir alles mit der Mondpriesterin anstellen konnten. „Ich habe sie gehabt! Aber als Dritter!“ Das gibt immerhin noch einen Siegpunkt. Günther als erfahrener Selenit sicherte sich bei ihr gekonnt jeweils die Priorität. Und viele andere Privilegien. Mit seinem Punktevorsprung hätte er nicht nur die Mondpriesterin vernaschen können, sondern auch gleich die Nachfolgerin mit.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (alles funktioniert. Er ist allerdings zur Zeit mit spielerischen Optimierungsaufgaben dieser Art ziemlich überfüttert. Und er hat in letzter Zeit sehr viel „1830“ am Computer gespielt und so seine kritische Messlatte am Spiel der Spiele unerbittlich hochgeschraubt), Günther: 8 (bleibt), Moritz: 8 (originell und interessant), Walter: 8 (bleibt).
2. “Der Herr der Ringe – das Kartenspiel”
Ein Kooperationsspiel aus einer großen thematischen Vergangenheit mit einer großen kommerziellen Zukunft. Alle Mitspieler sind die „Guten“ und wir spielen im gemeinsamem Kampf gegen die vom Autor inszenierten „Bösen“ unsere uns zufällig ausgeteilten guten Karten (hoffentlich) koordiniert aus, um die zufällig gezogenen bösen Karten zu überstechen. Kämpfen, verteidigen, verwunden, heilen, erschöpfen und sterben sind die beherrschenden Aktionen.
Mehr als hundert verschiedenen Charaktere kommen zum Zug, alle haben unterschiedliche Effekte und Nebeneffekte, kosten Potenzpunkte, können zuschlagen, können Schläge einstecken, haben Verwundungspotential und Schattenpotenzen. Im angekündigten Expansionskonzept werden nach und nach hunderte weitere Charaktere auf den Markt kommen und die passionierten Rollenspieler jahrelang damit in Atem halten, sich die richtige Charakter-Mischung zusammenzustellen, um gegen die Monster-Anforderungen der Zukunft optimal gewappnet zu sein.
Schon die heute vorliegenden Karten-Eigenschaften und Attribute erfüllen die härtesten Anforderungen an „Euromechanismen“. Wobei Moritz bei dieser Feststellung ganz gewiß an Euro-Games und nicht an Euro-Drachmen gedacht hat.
Jawohl, die Karten sind ideenreich erfunden. Aber warum sollen eigentlich mehrere Spieler damit spielen, wenn hier eine Aufgabensequenz gestellt wird, die vom Prinzip her nur ein einzelner Kopf optimal bewältigen kann? Wo bleibt das Mehrkammern-Prinzip, wenn jeder eigenständige Mitspielergedanke im großen gemeinsamen Kampf nur kontraproduktiv sein kann? Aaron wollte zwar explizit „auch eine Heldin haben, die er einmal pro Runde erschöpfen durfte“. Für ihn persönlich machte es einen gewaltigen Unterschied, ob er oder ein andere Spieler diese Chance wahrnehmen durfte. Doch für das Überleben unserer Rasse war es unerheblich.
Und wie sieht es mit dem Thema aus? Für wen Aragorn eine Region in Spanien und Boromir ein russischer Astronaut ist, der findet im Kartenspiel „Herr der Ringe“ genauso wenig thematische Substanz wie unser Künstler auf dem Mond.
Spielzeit: Moritz hat nach eigenen Angaben ein Solitär-Spiel in 20 Minuten über die Bühne gebracht; im Quartett brauchten wir dazu 90 Minuten plus Erklärung. So lang kam uns das recht einfältige Einsteiger-Szenario auch vor. Nur Moritz hatte das Gefühl, es seien nur 20 Minuten vergangen.
WPG-Wertung: Moritz: 8. Die anderen enthielten sich der Stimme, weil das Spiel ihren Vorstellungen von einem „Spiel-Spiel“ einfach nicht entspricht.
3. “Bluff”
Moritz war mit einem Würfel im Endspiel gegen vier Würfel von Günther. Mit der Vorgabe 3 mal Vier setzte er Günther gleich das Messer auf die Brust. Günther legte eine Vier und einen Stern heraus, hob auf 4 mal die Vier und würfelte nach. Was sollte Moritz mit seiner einsamen Vier unter dem Becher anfangen? Beim Anzweifeln hatte er mit 2/3 Wahrscheinlichkeit, und beim Erhöhen sogar mit 8/9 Wahrscheinlichkeit verloren.
Manchmal spielt die Wirklichkeit allerdings gegen die stumpfsinnige Statistik. Auch in dieser Situation. Echt geil wäre es gewesen, wenn das schöpferische Genie die kühle Kalkulation in die Knie gezwungen hätte. Dagegen wäre es echt tragisch gewesen, wenn Moritz’ 3-mal-die-Vier-Vorgabe ein Bluff gewesen wäre.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
PS: Now the session-report is complete and I am finished.

01.06.2011: Gurken, Tiere und eine Stadt

Letzte Woche, auf dem Höhepunkt des Kesseltreibens gegen die spanischen Gurken als Auslöser der gefährlichen EHEC-Infektionen, war Aaron in Friesland und hat auf grünen Wiesen jede Menge glücklicher Kühen gesehen. Das Ergebnis seiner Beobachtungen veröffentlichte er in Facebook: „Ich hab im Internet Bilder gesehen, die würden erklären wie die Darmbakterien an die Gurken gekommen sind.“
Ein kommentierender Westparker konnte sich Aarons Einsichten nur via schmutziger Videos unter YouTube erklären. Honi soit qui mal y pense.
Heute ist es offiziell: die verdächtigten spanischen Produkte aus der Familie der Kürbisgewächse sind unschuldig.
1. “Caylus”
Vor fünf Jahren lag „Caylus“, unser absoluter Spitzenreiter in der WPG-Rangliste, zum letzten Mal auf dem Tisch. Neuling Horst war schon lange scharf auf diese Delikatesse, alle Altlinge stimmten dem Spielvorschlag freudig zu.
Peter durfte erklären und frohlockte sogleich als gewiefter Diplomat: „Man darf verhandeln!“ (In der vierten Spielphase, wenn es darum geht, den Vogt zu versetzen.) Horst erkannte das zugrundliegende Prinzip: „Verhandeln heißt Drohen“. Schuster Walter blieb bei seinen Leisten: „Ich verhandle nicht!“. Aaron bekam das Prädikat desjenigen, der seine ausgehandelten Versprechungen blitzschnell bricht. Für Moritz (abwesend) ist Verhandeln gleichbedeutend mit Bestimmen. Loredana verhandelt (nach eigenen Angaben) je nach Laune bzw. je nach Wein. (Über was auch immer!)
„Caylus“ ist nach wie vor ein geniales Glanzstück aus dem Hause Ystari. Unabhängig von den komplexen, aber doch leicht versteh- und erlernbaren vorzüglichen Spielmechanismen um den Aufbau von Gebäuden, die Bausteine, Geld, Gunst und im Endeffekt Siegpunkte einbringen, zeigen schon allein ein paar Randdetails die Handschrift des Meisters.

  • Der Startspieler wechselt nicht automatisch reihum, sondern er wird durch Investitionen gewonnen. Eine der vielen Aufgaben für eine wohlausgewogene Kosten-Nutzen-Analyse.
  • In der Hauptphase des Spiels haben die Spieler unterschiedlich viele Züge frei – solange sie sie bezahlen können. Diese Möglichkeit ist durch die freien Plätze auf dem Spielbrett sowie durch ein oberes Limit noch weiter begrenzt, so dass an keiner Stelle die Balance gefährdet ist.
  • Das Spielende ist flexibel und liegt in der Hand der Spieler. Damit kann man seine frei gewählte Siegpunkt-Strategie fördern. Wer auf mittelfristigen Gewinn ausgegangen ist und rechtzeitig gut gepunktet hat, kann durch ein schnelles Ende den langfristigen Strategen mit den möglichen Riesengewinnen am Schluß einen Strich durch die Rechnung machen.
  • Heute nahm das Spiel mal wieder einen ganz ungewöhnlichen Verlauf. Alle hatten sich sehr früh in der Schloßmauer engagiert und damit einen Großteil ihrer Baustein-Resourcen verpulvert. Anschließend zog sich das weitere Baugeschehen ziemlich langsam hin. Am Ende waren ingesamt nur zwei (!) grüne Wohnhäuser und nur ein einziges (!) blaues Luxusgebäude erbaut worden. Doch die daraus resultierenden 25 Siegpunkte reichten Loredana nicht für den Sieg. Aaron arbeitete auf ein schnelles Spielende hin, um sich den zweiten Platz zu sichern. Peter und Loreadana konnten ihr angesammeltes Potential nicht mehr nutzen. Eine einzige Runde länger hätte sie als Sieger gesehen. Aber so führte das komische Spiel auch zu einem seltenen Sieger mit einer eigentlich nur mäßigen Aus-dem-Bauch-heraus-Planung. Aber ihm war nahezu das ganze Spiel über das Startspielerprivileg zugestanden. Hier haben alle (anderen) Spieler sträflich geschlafen.
    WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt, auch wenn er sich wundert, warum er für die lange Spieldauer mit den repetitiven Abläufen soviele Punkte vergeben hat), Horst: 8 (stimmig, enormes Potential), Loredana 7 (früher 10, heute zunächst 6, aber vom Ehegatten noch um einen Punkt hochgeprügelt: zu lang, zu langweilig, lange Zeit ist nichts passiert.), Peter: 10 (bleibt), Walter: 9 (bleibt).
    2. “Zoff im Zoo”
    Ein schnelles Kartenspiel, gerade richtig zum Absacken nach den geistigen Hochflügen bei Caylus. Das Wissen um die „Wer-frißt-wen“-Reihenfolge im Tierreich sowie das Gedächtnis über das „Wer-hat-wen-schon-gefressen“ zum Auszählen der Kartenhände bei den Mitspielern sind der Schlüssel zum Sieg. – Neben einer gehörigen Portion Glück beim Austeilen der Karten.
    Keine neue WPG-Wertung.
    3. “Bluff”
    Neuer Rekord: Im ersten Spiel des ersten Durchgangs wurde Walter mit einem einzigen Streich alle seine Würfel los! Peter hatte mit einer hohen Bluff-Vorlage begonnen, Aaron und Horst hatten jeweils nachgewürfelt und Walter hatte beim Erhöhen auf insgesamt 11 Fünfen unter 25 Würfeln den Braten noch nicht gerochen.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    11.05.2011: PI-mal-Daumen Widerstand in der Kingsburg

    Unsere Spielabende gehen gewöhnlich zwischen Mitternacht und 2 Uhr früh zu Ende. Manchmal folgt danach noch ein Palaver über die aktuellen Themen der Menschheit. Anschließend setzt sich Walter an den Computer und schreibt das Session-Protokoll. Zwischen 3 und 4 steht es im Internet. Am nächsten Morgen nimmt sich Aaron das Korrekturlesen vor und hängt ggf. ein Foto hinein. Zu dieser Zeit haben bereits 20 unserer Stammleser den Artikel gelesen. 200 Leser sind es gewöhnlich in der ersten Woche und mehr als 2000 im Laufe der Jahre.
    Hallo Birgit, viel Spaß beim Frühlesen! Komm doch mal wieder selber vorbei!
    1. “The Resistance”
    Ein Deduktionsspiel, bei dem jeder Spieler verdeckt eine „gute“ oder „böse“ Rolle zugeteilt bekommt. Die Bösen kennen sich gegenseitig (und dementsprechend die anderen), jeder Gute kennt nur seine eigene Rolle.
    Jetzt stellt der jeweilige Kommandant Teams für (virtuelle) Missionen auf und alle Mitspieler müssen mehrheitlich offen der Teamzusammensetzung zustimmen. Bei Ablehnung erfolgt ein Wechsel auf dem Kommandantenplatz, der ein neues Team aufstellen muß.
    Hat die Teamzusammensetzung eine Mehrheit gefunden, stimmen die Teammitglieder (nur noch diese) geheim ab, ob die Mission erfolgreich ist oder nicht. Eine einzige Gegenstimme läßt die Mission scheitern. Sind drei von fünf Missionen gescheitert, haben die Bösen gewonnen, andernfalls die Guten.
    Das Bestreben der Guten muß es sein, Teams mit nur Guten auf die Reise zu schicken und gegen alle Teams zu stimmen, bei denen vermutlich mindestens ein Böser dabei ist. Doch das „Vermutlich“ heißt natürlich, nix Genaues weiß man nicht, zumindest am Anfang. Die Bösen müssen möglichst lange unentdeckt bleiben, sonst haben sie schnurstracks verloren.
    Wenn – zufällig – zwei Gute die erste 2-er Mission absolvieren, dann ist die Mission zu 100% erfolgreich. Ist umgekehrt die erste 2er Mission erfolgreich, so heißt das aber noch lange nicht, dass zu 100% zwei Gute dabei waren. Ein Böser in der ersten Mission muß sich verleugnen, sonst haben die Bösen keine Chance.
    Moritz litt unter seinem Spiel-Ruf als Immer-Böser. Obwohl in den Teams mit seiner Beteiligung alle Indikatoren dafür sprachen, dass er ein Guter ist, wurde ihm diese Rolle nicht abgenommen. Das war diesmal (ausnahmsweise) falsch und die Guten verloren die entscheidende fünfte und letzte Mission.
    Ansonsten haben bei 5 Mitspielern die Bösen keine Chance. Dieser Behauptung von Walter wurde zwar genauso heftig wiedersprochen wie seiner Goliath-Gewinnstrategie beim Bluff. Doch ist sie genauso richtig. Oder falsch.
    Bei mehr als 5 Mitspielern (Minimalanzahl!) mögen sich die Gewinnaussichten verschieben. Hoffentlich. Dann ist das Spiel auch nicht mehr so eingleisig durchsichtig. Immerhin können sich bis zu 10 Spieler hieran vergnügen.
    WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 6, Horst: 7, Moritz: 8, Walter: 6 (triviales Dödelspiel).
    2. “Kingsburg”
    Heute in einer 5er Runde. Und mit den neuesten Expansions.
    Die Spielbrett-Modifikationen wurden verworfen. Bei unserem Erfahrungsstand sind die aktuellen Spielbretter kompliziert genug. Wir akzeptierten die Spezialregel für die regionale Vorausscheidung zur Deutschen Mannschaftsmeisterschaft im Brettspiel 2009: In der Kampfphase wird die königliche Unterstützung nicht erwürfelt, sondern jeder Spieler fordert dafür Soldaten in den Mannschaftsstärke 0 bis 4 an. Die bei Spielende nicht angeforderte Mannschaftsstärke wird als Siegpunkte gutgeschrieben. Damit wird der erhebliche Zufallsanteil beim – u.U. sehr peinlichen – Ausgang der Kampfphase eingeschränkt.
    Als zweite Erweiterungsoption bekam jeder eine Startkarte mit einem individuellen Vorteil zugeteilt. Entweder materielle Vorteile zu Spielbeginn, oder zusätzliche Handlungsfreiheiten bzw. Würfelmanipulationsmöglichkeiten während des Spiels.
    Ansonsten würfelten wir wie gehabt um Rohstoffe, Kampfstärken und Siegpunkte. Mit den Rohstoffen bauten wir Gebäude mit Vorteilen in Rohstoffen, Kampfstärken oder Würfelmanipulationen. Und immer mal wieder setzte es Siegpunkte.
    Das größte Problem in einer 5er-Runde ist das Ausrechnen, welche Würfelkombinationen JEDER Mitspieler mit seinen 3-4 Würfeln, seinen Würfelbonus-Plättchen und seinen Würfelmodifiern hat, und welche Felder er demnach besetzen könnte. Da jedes Feld nur einmal besetzt werden kann, ist es natürlich spielentscheidend, die begehrtesten Plätze als Erster zu nutzen. Im Prinzip die einzige Interaktion im Spiel.
    Das bewirkt natürlich eine lästig-lange Auszeit bei den Mitspielern. Walter hatte keine Probleme, ohne nennenswerte Spielverzögerung Fotos aufzunehmen, sie auf dem Rechner seiner Frau runterzuladen, per USB-Stick auf seinen eigenen Rechner zu übertragen und dort zu bearbeiten. Trotzdem kam dieses Verhalten nicht gut an. Nun ja, nicht immer ist die Schwiegermutter zu Besuch und schläft im Computerzimmer der Ehefrau.
    WPG-Wertung: Aaron: 4 (fand das Aufbauspiel „öde“ und die Auszeiten „katastrophal“; vielleicht sollten die Autoren mal Moritz Podcast über „Gaining Speed“ etwas genauer studieren.), Günther: 7 (mag diese Spiele), Horst: 8 („hoher Wiederspielreiz“), Moritz: 7 (bleibt), Walter: 7 (honoriert die ungeheure Entwicklungsarbeit der Autoren für eine erfolgreiche Balance der verschiedenen Bonusfelder und Entwicklungslinien für verschiedenste opportunistische Strategien.)
    3. “PI mal Daumen”
    In einem (ziemlich) trockenen Wissenspiel liest reihum jeder Spieler eine Wissenfrage von einem Kärtchen vor, deren Ergebnis eine Zahl ist. Z.B. „Wieviel Volt kann ein Aal erzeugen“ oder „Wieviel mal dicker ist die Haut an den Fußsohlen als die Vorhaut.“ Der dem Frager im Uhrzeigersinn folgende Spieler darf die erste Antwort geben. Ist sie innerhalb definierter Grenzen richtig, bekommt der Antwortende 6 Pluspunkte und der nächste Spieler darf das nächste Frage-Kärtchen vorlesen. Ist die Antwort nicht richtig, gibt es je nach Abweichung von der Standardantwort 0 bis 5 Punkte und der nächste Spieler darf versuchen, eine bessere Antwort zu geben. Das geht solange, bis jeder einmal antworten durfte oder die Reihe wieder beim Vorleser angelangt ist.
    Aaron fühlte sich als erster Gefragter „verarscht“. Horst, der noch an Aarons 4 Kingsburg-Punkten schwer knabberte, forderte ihn genervt auf: „Sag doch mal was Positives!“ Spontane Reaktion: „Ich finde es total klasse!“ Hallo Horst, bist Du mit dieser Antwort immer noch nicht zufrieden?
    WPG-Wertung: Aaron: 5 („es fehlt ein Bluff-Faktor“), Günther: 4 (von einem spielerischen Allesfresser heißt das schon was!), Horst: 8 („schon allein für die Eltern von der Birgit“), Moritz: 4 („spielerisch nicht überzeugend“), Walter: 4 („nicht witzig, nicht ausgewogen in der Fragestellung“).
    Das Genie Moritz war deutlich unterfordert. Um sich mental auszulasten nahm er seinen iPhone vor und wickelte zwischen den Fragen und Antworten der Mitspieler simultan eine Partie Online-Carcassonne ab. Allerdings nicht so einpassungsneutral, wie es erforderlich war. Sein Gehirn hätte das sicherlich noch leicht verkraftet, aber nicht seine Ohren. Regelmäßig mußte er sich die Fragen und die bisherigen Zwischenantworten wiederholen lassen.
    Das Femegericht hat ihm dafür hinterher einstimmig eine gelbe Karte verpaßt!
    4. “Bluff”
    Nach dem geistlichen Absacker war noch Bedarf nach einem körperlichen Absacker.
    Im ersten Endspiel hätte Horst fast sein Husasenstück von letzter Woche wiederholt und mittels seiner Stern-Bluff-Technik aus einem 1:4-Rückstand noch einen Sieg gemacht. Doch beim Stand von 1:1 stach ihn der Hafer. Selbst mit einem vorzüglichen Fünfer unter dem Becher fing er mit 1 mal Stern an. Das brach ihm den Hals.
    Es bleibt die psychologische Frage, warum die Sterne-Bluffs allgemein so gerne geglaubt werden?
    Das zweite Endspiel bestritt Walter mit 3 Würfeln gegen drei 1-Würfel-Spieler. Sein Gebot von 2 mal Stern brachte alle drei Armhälse mit einem Streich ins Grab.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    04.05.2011: Cuba und andere große Fische

    Fliegende Panzer in Flugverbotszonen, Privatvillen als Kommandozentralen, Lynchjustiz aus Notwehr, mörderische Mitfreuden unter christlicher Führung, Meerbestattung als Entsorgung, das waren die thematischen Schlagwörter nach dem Absacken.
    Ach laßt uns doch lieber die Augen zu machen und spielen!
    1. “Cuba”
    Wir befinden uns auf der Zuckerinsel noch vor der Revolution. Wir lassen muskulöse Arbeiter darin werkeln, um Baustoffe (Wasser, Holz und Stein) für unsere Plantagen herzustellen, wir bringen unsere Rohstoffe (Tabak, Zuckerrohr und Zitrusfrüchte) von attraktiven Händlerinnen zum Markt, um damit Geld zu machen. Wir lassen uns von hemdsärmeligen Architekten Fabriken bauen, in denen unsere wohlgeformten Vorarbeiter für die Veredelung unserer Rohstoffe (zu Rum und Zigarren) sorgen. Und unsere smarten Bürgermeister lassen die Waren zu den Schiffen im Hafen bringen und streichen die Siegpunkt-Erlöse ein.
    Dazwischen beeinflussen wir die Gesetzgebung, um auf unsere eigenen Resourcen und Besitztümer größere staatliche Subventionen zu lenken als auf die unserer Konkurrenten.
    Der Ablauf ist im Prinzip (natürlich nicht in den Details) ähnlich wir bei den „Burgen von Burgund“: Im Schweiße unseres Angesichtes müssen wir uns den Siegpunktsegen erarbeiten. Komplex, kompliziert und funktionell. Eine stimmige neue Kombination von vorhandenen bewährten Mechanismen.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viele fummelige Elemente), Günther: 7 (man braucht viel Erfahrung, um die Wirkungsweise und die optimale Position der verschiedenen Fabriken zum Umwandeln von Baustoffen und Rohstoffen in Produkte und Siegpunkte zu verstehen und zu beherrschen), Horst: 8 (hat das Spiel schon 4 mal gespielt, spielt es aber immer noch aus dem Bauch einfach drauflos), Walter: 7 (die Abläufe, vor allem bei der Konkurrenz, sind klarer vorhersehbar als bei den „Burgen“, insofern ist „Cuba“ planbarer. Wenn man es versteht.)
    2. “Trawler”
    Trawler PrototypAaron’s Eigenbau „Trawler“ hat mal wieder einen Reifegrad erreicht, der unter die Lupe genommen werden sollte. Schon die Schachtel, der Spielplan und das Material sahen so hübsch und professionell aus, dass Walter gleich den Prototyp-Status vergaß und gleich mit ergonomischen Verbesserungsvorschlägen ankam. Doch Aaron wehrte ab: „Bitte redet mir nicht über das Spielmaterial!“
    Wir sind Fischer, schicken unsere Trawler auf Fischfang aus, erfüllen mit vorgeschriebenen Mengen an Krabben, Schollen oder Heringen unsere Lieferaufträge, verkaufen den überschüssigen Fang auf dem Markt, um mit dem Gelderlös unsere Flotte aufzurüsten, und versuchen bei all diesen Aktivitäten, möglichst viele Siegpunkte auf unser Konto zu bringen.
    Die Konkurrenz ist groß, besonders die Fanggebiete in der Umgebung des Fischereihafens sind im Nu leergefischt. Wir müssen sehr schnell die Reichweite unserer Schiffe ausbauen, damit wir mit ihnen überhaupt noch ein Fischlein nach Hause bringen können.
    Der Startspieler hat gewaltige Vorteile. Manchmal kann nur er noch mit seinem kleineren Kutter eine Beute einfahren; die anderen Spieler sollten in solchen Runden besser ihre Boote zur Aufrüstung in die Werft bringen,wenn sie sich nicht mit dem harten Brot von Hafenrundfahrten über Wasser halten wollen. Natürlich wechselt die Startspielerrolle reihum, und über jeden ergießt sich einmal ihr Füllhorn. Und natürlich kann man auch vorausrechnen, wann das sein wird, und seine Planungen entsprechend darauf einrichten. Doch krass ist dieser Effekt allemal.
    Auch die anderen Spielelemente prasseln ziemlich brutal auf die Spieler herab. Wenn alle Dockplätze belegt sind, gibt es kein Aufrüsten, wenn die Hafenrundfahrten ausgebucht sind, bleibt das Schiffspersonal selbst von diesem Hartz-IV-Einkommen ausgeschlossen; wenn am – immer engen – Markt der letzte Hering verkauft ist, können wir evtl. unsere Lieferaufträge nicht erfüllen und müssen mindestens eine Runde länger auf neue Liquidität warten, was u.U. unseren Entwicklungszeitplan gewaltig durckkreuzen kann.
    Doch wenn man sich erst einmal an diese krassen Elemente gewöhnt hat, dann zeigt sich die Farbigkeit des Gesamt-Designs. Alle Elemente funktionieren. Man darf nicht alles auf eine Karte setzen, sondern muß mit Augenmaß die verschiedenen notwendigen Schritte tun, um flüssig zu bleiben, eine wohlproportionierte Fischereiflotte zu besitzen, reiche Fanggründe zu erreichen und in der Summe die lohnendsten Lieferaufträge zu erfüllen.
    Dabei geht das alles sehr flott über die Bühne. Grade fangen wir an, in Geld und Flotte zu schwelgen, sind die Aufträge auch schon alle vergeben und das Spielende erreicht. Es braucht nur noch an wenigen Stellschrauben minimal gedreht werden, und wir haben ein rundes neues Spiel vor uns, das mit seinen schnellen, klaren und doch überraschenden Spielzügen gefällt bis entzückt.
    Noch keine WPG-Wertung für diese Entwicklungsphase.
    3. “Great Western”
    Great Western - Spielbox EditionDer April-Ausgabe der „Spielbox“ lag dieses erste Spiel der “spielbox Wallace Edition” bei: zwei Papierseiten mit einer Landkarte von Südengland, auf der wir Eisenbahnstrecken bauen, Städteverbindungen herstellen und damit Siegpunkte einheimsen.
    Der Spielablauf ist ganz einfach:
    Pro Runde wird pro Spieler ein Zug zum Einsatz gebracht. Die Züge haben unterschiedliche Wertigkeit, die durch Würfel ermittelt wird: die mickrigsten Züge bringen gerade mal 0 (Null!) bis 1 „Marker“ (Währungseinheit) ein, die üppigsten Züge erlauben einen stolzen Ausbau zu siegpunktträchtigen Strecken.
    Die Züge werden versteigert, Geld ist knapp. “Keep fully invested” ist sicherlich eine gute Devise, denn je mehr Städte man bereits verbunden hat, desto höher sind die rundlichen Einnahmen. Wer am Ende in Summe die lukrativsten Städte verbunden hat, ist Sieger.
    Horst konnte sich – mehr oder weniger unfreiwillig – in den ersten Runden eine ganze Reihe billiger Städte südöstlich von London zulegen und hatte ständig die höchsten Rundeneinnahmen. Er konnte auch noch einen großen Satz von Portsmouth nach Yeovil tun, um auch im Westen Cornwalls mitzumischen. Damit sah er wie der sichere Sieger aus. Doch mit dem letzten Satz hatte er sich total verausgabt; in der anschließend notwendigen pekuniären Erholungspause wurde er von der weiteren Entwicklung nach Westen abgesperrt und konnte nur noch ohne weiteren Zugewinn vor sich hindümpeln.
    Walter hatte – teils geplant, teils notgedrungen, teils zufällig – die Verbindung Swindon – Gloucester herstellen können und war damit unversehens in den Besitz des alleinigen Zugangs zur Krösus-Strecke nach Port Taliban gelangt. Während die Mitspieler mit langen Gesichtern das Auswürfeln der restlichen Züge abwarten mußten, ohne selber noch ins Geschehen eingreifen zu können, konnte Walter entspannt auf die Vollendung der Verbindung zu den letzten vier Städte warten, die sein Siegpunktpolster verdoppelte. Wir verzichteten auf das bittere Ende.
    Peters übliche, etwas bösartige Einschätzung von Wallace’ Design-Technik war diesmal vollauf berechtigt: Einige hübsche Ideen, die aber in der Realisierung ein erhebliches Feintuning vermissen lassen.
    WPG-Wertung: Aaron: 5, Günther: 5, Horst: 5, Walter: 6.
    4. “Bluff”
    Horst kämpfte als David mit einem einzigen Würfel im Endspiel gegen die vier Würfel vom Goliath Günther.
    Seine erste Vorgabe: 2 mal die Eins. Günther hatte selber 2 Einsen, 1 mal die Drei und 1 mal die Fünf unter dem Becher. Anstelle mit dem logischen Goliath-Konter, 3 mal die Eins, den Sack zu zu machen, wollte er lieber einen eleganten Bluff-Sieg hinlegen und erhöhte auf 2 mal die Fünf. Horst hatte keine andere Chance als anzuzuweifeln und verkürzte so auf 1:3.
    Seine zweite Vorgabe: 1 mal die Fünf. Günther hatte eine Fünf und einen Viererpasch unter dem Becher und fürchtete sich sowohl vor der logischen Goliath-Ansage 2 mal die Vier wie auch vor dem Risiko-Gebot 2 mal die Fünf. Sein abwartendes Zwischengebot von 1 mal Stern wurde von Horst ungerührt angezweifelt. Es stand nur noch 1:2.
    Horst schwenkte jetzt auf Walters überlegene Immer-4-Strategie um und begann mit 1 mal die Vier. Günther hatte nur eine Eins und eine Drei unter dem Becher, da konnte ihm auch seine berüchtigte Immer-5-Strategie nicht aus der Patsche helfen.
    Auch das 1:1-Endspiel konnte Horst spielend mit der Immer-4-Strategie zu seinen Gunsten entscheiden. Großes 3:1-Gelächter!
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    06.04.2011: Wunder um die Ost-Erweiterung

    Seit gut 10 Jahren veröffentlichen wir Berichte und Kommentare zu Brettspielen. Das genaue Datum der ersten Veröffentlichung liegt im Dunkeln, lediglich Aarons Eintrag: „Zusätzlich zu den Informationen über die Spiele der 18xx-Reihe habe ich Kritiken über Spiele, die wir bei den Westpark Gamer Treffen gespielt haben, eingebaut. Als kleine Besonderheit besprechen wir englische Spiele in deutsch und deutsche Spiele in englisch.“ ist mit dem Datum 14.3.2001 genau festgehalten.
    Seit diesem Datum ist die Zusammensetzung unserer Gruppe ziemlich stabil. Moritz und Peter haben inzwischen ihre Mitspielerinnen geheiratet. Damit soll aber nicht gesagt sein, dass die Westparkgamers ein Heiratsmarkt wären. Ihre Anvertrauten haben sie selber in die Westpark-Gemeinschaft eingebracht. Die Sitzungen hier waren lediglich eine der Prüfungen, die die Heiratskandidatinnen zu absolvieren hatten.
    Die Handhabung der Sprachen englisch/deutsch ist auch schon längst nicht mehr so, wie mal angedacht. Wenn Politiker, ja sogar ganze Parteien schon klüger werden können – mal schneller, mal langsamer -, dann fällt das uns vergeistigten Spielerseelen doch gleich tausendmal leichter.
    1. “7 Wonders”
    Walter hing das Spiel schon seit seinem Hochgejubelt-Werden in Essen zum Halse heraus. Doch Günther ist ein eifrige Puscher davon und hat es seit Wochen jedesmal in seiner Tasche, wenn sich am Westpark ein größerer Teilnehmerkreis abzeichnet. Und wenn Günther eine positive Wertung abgibt, dann ist Peter nicht mehr zu halten und Walter überstimmt. Für dieses stramme Sich-Durchsetzen als Alpha-Tierchen bekam Peter von seine Anvertrauten den Kosenamen „Kurkanoi“. Klingt sicherlich liebevoller als „Diktagoge“.
    Doch schon beim Verteilen der Spielertableaus mußte „7 Wonders“ bei unserem Historiker ein paar Federn lassen. Beim Mausoleum von Halikarnassos fehlen in der Graphik die Statuen zwischen den Säulen. Hier hat der Designer schlichtweg geschlampt.
    Das Spiel tröpfelt mit dem jeweiligen Ausspielen einer Wertungekarte und dem Weitergeben der übrigen Handkarten an den rechten bzw. linken Nachbarn so vor sich hin. Na ja, langsam geht das nicht, eher flott – glücklicherweise -, doch ein mächster Spielstrom mit Planung, Finten und Interaktion entsteht dabei auch nicht. Eigentlich spielt jeder Spieler für sich allein. Keiner hat eine Ahnung, wer die direkten Konkurrenten sind, das läßt schon die umfangreiche Schlußwertung nicht zu. „To have a plan“ ist nur für Traumtänzer möglich. Bei den ersten Karten heißt es notgedrungen, diejenigen zu wählen, bei denen man sein vorhandenes Potential am besten ausnutzt. Später gilt das immer noch, nur ein kleines bißchen weniger notgedrungen. Eine Freude für Liebhaber von konstruktiven Aufbauspielern mit minimaler Feindeinwirkung.
    Die größte Stärke des Spieles ist, dass es auch mit 7 Mitspielern funktioniert. „Ich will aber nicht mit 7 Leuten spielen.“ Am Westpark schon gar nicht! Von wenigen, begründeten Ausnahmen abgesehen liegt unser Maximum bei 5.
    Als Schlußresummee forderte Peter im Protokoll seine Aussage: „Walter hatte recht!“ Hier ist sie.
    WPG-Wertung: Loredana mit 7 und Peter mit 5 Punkten siedelten sich am unteren Ende unserer Wertungsskala an.
    2. “Hansa Teutonica – Die Osterweiterung”
    Während Günther sich auf seine Rolle als Erklärer vorbereitete und intensiv Regelheft und Erweiterungsseiten studierte, wurden Fakten und völkische Vorurteile (Jodtabletten und verstrahlte Lebensmittel) des GAUs in Fukushima diskutiert. Lordana erweiterte die Szenerie um ein paar tausend Kilometer in unsere Richtung: Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass die Havarie von Tschernobyl bemerkenswerte Spuren im rumänischen Alltagsleben hinterlassen hätte. Damals war sie allerdings noch keine 5 Jahre alt!
    Dann kam die Frage an unseren Doktor über das Thema Nummer 1 aus der Vor-Fukushima-Zeit. Hier seine wesentlichen Beiträge zum Plagiat und zum Ghostreiten:

  • Juristen lernen vom ersten Tag des Studiums an, fremde Texte zu kopieren, um sie für die eigene Lebensarbeit zu nutzen. Das ist legitim bis notwendig.
  • Ein Ghostwriter schreibt einen einheitlichen Stil, und zwar seinen eigenen. Es sei denn, der Stil des Klienten wäre bekannt und leicht zu kopieren.
  • Ein Ghostwriter würde maximal nur 200 Seiten schreiben, aber keine 475. Das kostet nur unnötig Geld, das man natürlich nicht hat, wenn man noch Frau und Kinder ernähren muß.
  • Die daraus zwangsläufig resultieren Schlußfolgerungen für den Geist des Kindes überlassen wir den Lesern.
  • Übrigens findet Google zu den drei Stichwörtern: „Gbg“ + „Doktorarbeit“ + „Seitenzahl“ zur Zeit genau 487.000 Einträge.
    Günther konnte mit seinen Ausführungen zu „Hansa Teutonica“ beginnen. Wir haben ein neues Spielbrett, das nach Osten bis Königsberg und Krakau erweitert wurde. Die beiden lebenswichtigen Städte, wo wir die Anzahl unserer Aktionen und unsere Nachschubkapazitäten erweitern können, ist auf eine einzige Stadt mit drei Zugängen konzentriert. Das ist jetzt das Herzstück des Spielplans. Hier spielt die Musik der ersten Runden. Doch durch Blockierungen und Verdrängen entsteht eine absolut neue Startszenerie mit größtenteils nicht vorhersehbaren Entwicklungen. Keiner kann behaupten, dass dieser Ablauf zu deterministisch wäre. Es gibt jede Menge Strategien und Gegenstrategien, jeder spielt jederzeit mit und gegen jeden, ein Höchstmaß an spielerischer Interaktion.
    Es gibt viele verschiedenartige kräftige Siegpunktquellen, man kann nur einen Teil davon anzapfen. Manche wirken sofort, andere langfristig. Wer erst aufrüstet, um dann später mit geballter Kraft den Stadtplan von „Hansa Teutonica“ von hinten her aufzurollen, wird von denjenigen in Schach gehalten, die auf ein schnelles Ende drängen.
    Peter hatte sich – als Startspieler, mit klarer Planung und dank glücklicher Umstände – blitzschnell die Höchstzahl an zulässiger Aktionen und die totale Regenerierungsfähigkeit entwickelt und sah wie der sichere Sieger aus. Doch in der Zwischenzeit hatte Günther alles vorbereitet, um aufs Tempo zu drücken und den Sudden Death zum Spielende auszulösen. Mit weitem Vorsprung wurde er Sieger.
    WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt), Günther: 8 (bleibt), Loredana: 8 („will ich nochmals spielen“), Peter: 8 („es macht Spaß, die verschiedenen Möglichkeiten des Spiels zu entdecken“), Walter: 9 (bleibt).
    PS: Hallo Argentum Verlag: Leipzig liegt zweifellos nicht an der Seehandelsroute der Ost-West-Verbindung. Aber wahrscheinlich haben diesen Fehler in der Regelerweiterung andere Spieler auch schon mokiert.
    3. “Bluff”
    Peter stand mit 2:1 Würfeln im Endspiel gegen Günther. Günther legte gemäß seiner Immer-5-Strategie 1 mal die Fünf vor. Peter hatte zwei Sterne unter dem Becher und hob mit 5/6-Siegesgewißheit auf 2 mal den Stern. Doch Fortuna stand mit seiner 1/6 Wahrscheinlichkeit auf Günthers Seite und hatte ihm auch einen Stern gegeben. Mit seiner 3 mal Stern-Antwort konnte er Peter den ersten und bald auch den zweiten Würfel abnehmen.
    Hinterher gab es eine breite Diskussion, ob Peters Hebung auf 2 mal Stern die optimale Chancen-Ausbeute war. Wäre nicht 1 mal Stern viel besser gewesen? Wenn Günther darauf mit 2 mal Zahl geantwortet hätte, wäre 2 mal Stern sicherlich mit einer höher als 5/6-Wahrscheinlichkeit der Sieg gewesen. Und wenn Günther mit 2 mal Stern geantwortet hätte, dann wäre 3 mal Stern eine gute Wette gewesen. Walter Argumentation fanden Günther und Aaron nicht schlüssig genug. Wer hilft uns, darüber Klarheit zu gewinnen?
    Zumindest konnten wir uns auf das Fazit einigen: Günthers Immer-5-Strategie war hier wohl nicht der besten Anfang. Mit der Vorgabe 1 mal Vier hätte er viel mehr von Peters Superwurf erfahren können! Oder wird das auch schon wieder bestritten?
    In allen diesen Berechungen schaffen die Bluffs in Vorgaben bzw. Antworten einen Graubereich, der mathematisch nur schwierig zu erfassen ist.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    23.03.2011: Mission in Afrika, Kartenspiel in London

    Die Westpark-Katze hat letzte Woche ihr Gastspiel bei uns beendet. Eine Bridge-Partnerin hat sie übernommen. Dort wurde sie entwurmt, geimpft und darf jetzt im Schlafzimmer mit dem Frauchen kuscheln. Für ihr endgültiges Bleiben müssen die dortigen Platzhirschen, zwei „alte Zicken“ erst noch gehörig ins Gebet genommen werden.

    Für die äußerst liebenswürdige Art von „Bridgie“ ist auch bereits ein Gedicht entstanden:
    An meine Katze
    Wenn ich zur Mittagszeit den Schlummer suche,
    kommst Du zu mir und wachst an meinem Lager.
    Ich weiß, wenn ich erwache, wachst Du noch bei mir,
    und dieses Wissen ist unsäglich schön.
    Dann tapst Du zierlich über meinen Busen,
    legst Deinen Kopf vertraut auf meine Schulter,
    drehst Deinen Bauch nach oben hin,
    läßt Dich umfassen und ganz zärtlich kraulen.
    1. “Livingstone”
    Auf den Spuren des großen schottischen Afrikaforschers fahren wir auf einem Dampfboot (Holzfigur) den Sambesi hinauf bis zu den Viktoriafällen (Spielbrett-Szenerie), errichten an verschiedenen Stationen unsere Zelte (Holzpöppel) und versuchen unser Glück beim Schürfen von Edelsteinen (Plastiknuggets).
    Herzstück des ganzen sind Würfel, die ganz analog dem Ysphahan-Prinzip gehandhabt werden: Ein Spieler würfelt für alle Mitspieler mit allen Würfeln und reihum darf sich jeder Spieler einen Würfel davon heraussuchen und damit seinen Zug bestreiten. Er darf

  • Taler einstreichen – entsprechend der Augenzahl des gewählten Würfels
  • Diamanten verdeckt aus einem Säckchen ziehen – soviele wie Augen auf dem gewählten Würfel. Die Diamanten kann er unverzüglich in klingende Münzen verwandeln
  • Ein Zelt errichten auf einem Feld, das mit der Augenzahl korreliert. Das kostet in steigendem Maße Geld und dafür gibt es früher und später, mehr und weniger Siegpunkte
  • Eine Aktionskarte ziehen – unabhängig von der Augenzahl. Die Aktionskarte liefert entweder Geld oder Siegpunkte oder Vorteile beim Zeltbau.
  • Pro Mitspieler werden zwei Würfel eingesetzt und wenn jeder Spieler einen Würfel genutzt hat, bleiben in der Mitte noch eine Menge Würfel liegen. Jetzt darf jeder Spieler einen weiteren Würfel nehmen und damit einen Zug machen, aber nur, wenn noch ein Würfel mit einer höheren Augenzahl als sein erster gewählter Würfel übrig geblieben ist. Hierin liegt die Taktik des Spiels: Man sollte für jeden Zug in der Regel einen möglichst hohen Würfel aussuchen, allerdings sollte er nicht so hoch sein, daß man in dieser Runde keinen zweiten Zug tun darf; die Mitspieler werden natürlich ihrerseits alles tun, um den anderen den zweiten Zug zu vermasseln. Das genaue Lavieren zwischen kalkulierter Bescheidenheit und entschlossenem Zupacken bringt die entscheidenden Vorteile ins Spielgeschehen.
    Der Rest ist Zufall. Der Würfelwurf als solcher ist Zufall. Werden z.B. bei drei Mitspielern und dementsprechend sechs Würfeln einmal die Fünf und fünfmal die Sechs geworfen, so kann der Startspieler zwei Würfel nutzen, nämlich die Fünf und eine Sechs, die anderen können nur je eine Sechs nutzen.
    Zufall ist auch die Ausbeute bei den Diamanten. Wer extremes Glück hat, kann bei einer Augenzahl von Vier insgesamt vier rote Diamanten aus dem Säckchen ziehen und bekommt dafür 20 Taler, wer ein bißchen Pech hat, zieht vier schwarze Geröllkiesel aus dem Säckchen und bekommt dafür gar nichts.
    Genauso zufallsbestimmt ist auch das Ziehen der Aktionskarte. Wer Glück hat, darf damit in einem späteren Zug gleich zwei Würfel ziehen. Er kann dann beispielsweise seinem Hintermann dessen wohlkalkulierten zweiten – in der Regel höherwertigen – Würfel vor der Nase wegschnappen und damit bei den Diamanten den glücklichen Riesenraibach machen.
    Diese Zufallseinflüsse bringen in eine an sich logische und planbare Würfelkombinatorik spielerische Überraschungselemente hinein, die bis ans unberechenbare Chaos reichen.
    Der Höhepunkt des Unkalkulierbaren in „Livingstone“ ist „die Spende für den König“: Jeder Spieler kann während jedes Zuges eine geheime „Geldspende“ in ein Schatzkästchen werfen. Wer bei Spielende die geringste Spendensumme aufgebracht hat, scheidet aus. In unserem Zieleinlauf rangierte Horst mit 51 vor Walter mit 45 und Günther mit 44 Siegpunkten. Doch Horst und Walter hatten beide nur je 11 Taler gespendet und schieden unisono aus. Günther blieb als Sieger übrig. Bei dieser Spendenlage hätte er eigentlich überhaupt kein Zelt zu errichten brauchen, sondern ganz locker unverzüglich alle Einnahmen für den König spenden können.
    WPG-Wertung: Günther: 6 (hübsche Ideen, an manchen Stellen aber zu schicksalshart), Horst: 7 (mag die Würfel-Kombinatorik), Walter: 6 (hübsche Kombinatorik, die „Spende“ hätte aber besser weggelassen werden sollen und die Aktionskarten sind auch zu wenig ausgewogen, vor allem diejenigen mit Ärgereffekten.)
    2. “London”
    Ein ziemlich reinrassiges Kartenspiel, obwohl ein dickes Spielbrett mit einem Stadtplan von London auf dem Tisch liegt und wir darauf konsequent Stadtvierel ausbauen und darin „regieren“ müssen. Doch diese Aktionen dienen nur dazu, ein variable Anzahl von Karten zu ziehen, die Karten in optimaler Konstellation auszulegen und in regelmäßigen Abständen ihren Ertrag zu kassieren.
    Erträge der Karten ist Geld und / oder Siegpunkte, und zuweilen können wir damit die Armut bekämpfen. Wenn wir viele Karten ausliegen haben, fließen natürlich auch reichlich Erträge in unsere Taschen, dafür steigt aber die öffentliche Armut in unseren Stadtvierteln rapide an. Am Ende führt die öffentliche Armut zu erheblichen Siegpunkteinbußen; wer hier nicht konsequent gegengesteuert hat, kann nicht gewinnen. In der richtige Balance zwischen der Menge an ausliegenden und genutzen Karten mit ihren Geld und Siegpunkteinnahmen sowie an den Maßnahmen gegen die Armut liegt der Sieg.
    Dabei ist der Spielverlauf aber ziemlich solitär. Jeder spielt seine eigenen Karten nach optimalen Gesichtspunkten; Einwirkungen auf Aktionen und Besitztum der Mitspieler gibt es nicht. Für Horst war es immerhin ein gutes (mit Betonung) Solitärspiel. Zumindest über drei Viertel des Spiels. Dann ging ihm bitterlich das Licht auf: „Die Armut bricht mir das Genick!“. Er hatte sich mit seinen privaten Erwerbsquellen in eine Sackgasse manövriert; sein Armutsstand kostete ihn in der Schlußabrechnung die Hälfte seines Besitztums, es reichte gerade noch zur Bronce-Medaille.
    WPG-Wertung: Günther: 7 (mit den üblichen Wallace-Fragezeichen), Horst: 7 (Das System ist klasse, aber Abzüge in der B-Note für den Armutsmalus), Walter: 7 (Einschränkung für den solitären Charakter; maximal für 3 Spieler, die vielen Zugoptionen sind in einer größeren Runde tödlich).
    3. “Trans Europa”
    Kam um 23 Uhr als mittellanger Absacker auf den Tisch. Schnell, flüssig, genial.
    Weiterhin unentschieden ist die Frage, ob man solo an der Problemlösung mit seinem Randstädten beginnen soll oder lieber im gemeinsamen Zentrum.
    Die „Ungerechtigkeit“ der Städteauswahl fällt bei dem leichten, spielerischen Charakter und den schnellen Wiederholungen überhaupt nicht ins Gewicht.
    Keine neue WPG-Wertung für ein 7,8 Punkte-Spiel.
    4. “Bluff”
    Noch nicht genug abgesackt beim Gleisbau für die europäischen Eisenbahnen. Horst hat seine Stern-Strategie erfolgreich überarbeitet. Er würfelt jetzt mehr Sterne als er blufft.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.