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16.03.2011: Super GAU in Istanbul

GAU zum Ersten
Darf man sich so ohne jeden Skrupel über die weltpolitische Lage am Westpark zusammensetzen und einen lustigen Brettspielabend verbringen, während in Japan Hunderttausende ihr Zuhause verloren haben und vielleicht Millionen noch vor diesem Schicksal stehen? Wir haben es getan. Der FC Bayern hat gestern auch gespielt und seinen GAU erlebt. Die Welt dreht sich weiter und wir mit ihr. Hoffentlich noch ein Weilchen.
1. “Constantinopolis”
Wir sind Händler in der ehemaligen Kaiserstadt am Bosporus. Wir erwerben verschiedene Arten von Gebäuden (für Produktion, Wirtschaft, Versorgung und Verwaltung), produzieren Güter (Nahrung, Konsum, Gewerbe, Militär und Luxus), kaufen Schiffe, sammeln Verkaufsaufträge und verkaufen unsere Waren gegen Geld und Siegpunkte an Ort und Stelle oder in der weiten Welt.
Meisterhaft führte Horst durch die 30 Seiten des Regelbuches. Bei den vielseitigen Abhängigkeiten innerhalb der verschiedenen Spielelemente kein leichtes Unterfangen. Öfters mußte er sich mit dem bekannten Trick aus der Feuerzangenbowle behelfen: „… das kriegen wir später.“ Nach einer Stunde waren wir durch und keine Frage blieb offen. (Dass es hin und wieder jemanden gibt, der sich Details nicht merken kann und einzelne Abläufe falsch handhaben möchte, das ist am Westpark ein bekanntes und unabänderliches Phänomen. Selbst Moritz verliert hierbei schon nicht mehr seine sprichwörtliche Engelsgeduld.)
Moritz fand sofort Anklänge an Aarons „Trawler“ und auch Aaron entdeckte mehr und mehr Ähnlichkeiten, bis sich ihm der Seufzer entrang: „Ich stampfe Trawler wieder ein.“ Soviel Skrupel sind unter Spieleautoren eher selten. Dort wird in der Regel auf Teufel komm raus abgekupfert.
Sicherlich hat „Constantinopolis“ auch Anleihen gemacht bzw. sich inspirieren lassen. Ein großes Vorbild für Produktions- und Verkaufsspiele ist in jedem Fall „Puerto Rico“. Den Kern des dortigen Wirtschaftskreislaufs findet man auch „Constantinopolis“ wieder: Aus Geld mache Produktionsstätten, mit Produktionsstätten mache Waren, aus Waren mache Geld. Nebenfaktoren können diesen Kreislauf beliebig kompliziert machen. Z.B. sind muß man mit folgenden Einflussgrößen geschickt jonglieren:

  • Lagerfähigkeit von Waren
  • Zukauf oder Tausch von Waren
  • Preise und Rabatte für Waren
  • Preise und Rabatte für Produktionsstätten
  • Anzahl durchsuchter Verkaufsaufträge
  • Reservierbarkeit von Verkaufsauträgen
  • Die größte Krux des gesamten Spielablaufs sind die Verkaufsaufträge. Sie werden zufällig gezogen und nur passende Aufträge darf man behalten. Endstand nach 3 StundenDoch wenn in einem Auftrag 1-2 Wareneinheiten aus einem Sortiment von 1-5 verschiedenen Wartenarten benötigt werden, und wir zu Beginn nur eine einzige Warenart produzieren, kann man leicht erkennen, dass nur ein Bruchteil der Aufträge genutzt werden kann. Das bringt das Spiel nur langsam in Gang. Und es löst natürlich Frust bei denjenigen aus, die bei der diktatorischen Zufallsauswahl längere Zeit gänzlich leer ausgehen. Dieser Effekt paßt keinesfalls zum planerischen Ausbau der Produktionsstätten.
    Moritz fand aus diesem Dilemma allerdings eine geniale Lösung: Er verzichtete mehr oder weniger vollständig auf Aufträge, sondern legte sich bei seinen Investitionen eine Menge Kauf-Tausch-Verkaufsoptionen zu, die ihm im in internen Binnenhandelsschleifen zu Reichtum und Ehren kommen ließ. Günther meinte zwar: „Wenn jemand in Constantinopolis den Handel ohne Schiffe betreibt, dann nimmt er dem Spiel die Seele“, doch die Designer haben das offensichtlich zugelassen. Nach drei Stunden war Moritz mit seinem Binnenhandel Sieger geworden, hatte dabei aber auch in selbstloser Weise einen Großteil der gewinnträchtigen Stadtmauern errichtet.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 („Hans-im-Glück hätte daraus ein gutes, resp. besseres Spiel gemacht“), Günther: 5 („Man hätte die Aufträge besser in den Griff kriegen sollen, z.B. könnten die Aufträge offen liegen und ersteigert werden bzw. in der Spielerreihenfolge gezogen werden“), Horst: 7 („Die Spielmechanismen sind klar und logisch, die Aufmachung ist gefällig“), Moritz: 7 („solide und austariert, der Wiederspielwert ist offen.“), Walter: 6 („viele reizvolle Optimierungsaufgaben, in der Summe zu solitär und zu lang.“)
    2. “Bluff”
    Horst bemeckerte, dass in unserer Runde zu wenig geblufft wird. Doch auch darin kann eine Strategie liegen. Wer nahezu 100% „ehrlich“ spielt – soweit dies möglich ist – bewirkt bei seinen Nachfolgern einen Vertrauensvorschuß, der in vielen Situationen durchaus auch hilfreich sein kann. Wer zu 50% blufft, schneidet zu 100% schlechter ab als der Durchschnitt der Mitspieler. (Begründung!)
    Aaron ging mit 2:1 Würfeln gegen Günther ins Endspiel. Als Anhänger der Immer-4-Strategie legte er 1 mal die Vier vor, Günther ging standardmäßig auf 1 mal die Fünf. Aaron hatte eine Eins und eine Vier unter dem Becher; was tun?
    Mit welcher Wahrscheinlichkeit hatte Günther geblufft? Aaron nutzte die einzige Chance, mit 33% Wahrscheinlichkeit das Spiel siegreich zu beenden. Welche ist das?
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
    GAU zum Zweiten
    Zum Schluß wieder eine lange Diskussion über die GAU-Situation in Japan. Die Restenergie, die ein stillgelegtes Atomkraftwerk noch jahrelang (!) produziert, beträgt ca. 20 Megawatt. Wieviel Liter Wasser müssen pro Stunde verdampft werden, damit die Temperatur konstant bleibt? Woher nimmt man die Freiwilligen, die all die notwendigen Arbeiten durchführen, um die Kühlsysteme in Funktion zu erhalten? Vorschlag: 50% unserer Parlamentarier sollten zwangsverpflichtet werden, sich im Notfall für solche Harikiri-Einsätze bereit zu halten. Besonders diejenigen mit den markigen Sprüchen über die „sicherste Kerntechnik der Welt“.

    09.03.2011: Siedeln und Fliehen im Weltraum

    Im Vorfeld haben wir über die traurige Situation beim FC Bayern gesprochen. Innerhalb einer Woche drei wichtige Spiele verloren, und das mit den gleichen Spielern, die bei der Weltmeisterschaft letztes Jahr einen grandiosen dritten Platz erreicht haben. Liegt es tatsächlich am Trainer, wenn eine Fußballmannschaft gute Ergebnisse erkickt? Oder liegt es am Geld? Dann aber müßte der FC Bayern unangefochten an der Spitze liegen.
    Mein Neffe hat mit mir gewettet, dass von einer ausgewählten “Neuner-Liste“ von Bundesliga-Mannschaften (Bayern, Bremen, Dortmund, HSV, Hoffenheim, Leverkusen, Schalke, Stuttgart, Wolfsburg) in den nächsten fünf Jahren, d.h. bis zum Saison-Abschluß im Jahre 2015, jeweils mindestens 3 Mannschaften im Europapokal spielen, und dass der Meister lediglich aus dem Kreise dieser 9 Mannschaften stammt.
    Wer wettet dagegen?
    1. “Ad Astra”
    Nach Moritz Aussage „kein „Freak-Game, sondern ein richtiges Euro“. Faidutti ist Coautor und es gibt in eine tadellose deutsche Spielanleitung dazu. Horst hatte sich vorbereitet und trug perfekt vor. Eine echte Konkurrenz zu … wem?
    Wir sind immer noch Menschen, doch unsere Sonne ist uns zu langweilig geworden, wir besiedeln Planeten in fernen Sonnensystemen. Dazu benötigen wir natürlich Energie, Wasser, ein bißchen was zum Kauen und Baumaterial für Kolonien und Fabriken. Eine Grundmenge der benötigten Rohstoffe gehört zu unserer Startaufstellung, den Rest müssen wir auf den besuchten Planeten im All finden und exploitieren.
    Für die Spielzüge steht jedem Spieler ein Satz von Aktionskarten zur Verfügung, gemäß dem wir Bewegungen, Resourcen-Produktion, Bautätigkeit oder Spiegpunkt-Ernten durchführen. Reihum plazieren wir drei unserer Aktionskarten verdeckt auf einem gemeinsamen „Planungsfeld“ und arbeiten den Stapel sequentiell ab. Bemerkenswert dabei ist, dass jede Aktionskarten für alle Spieler gilt. Wird also z.B. eine Bewegungskarte aufgedeckt, so dürfen alle Spieler mit ihren Raumschiffen von Planet zu Planet hüpfen, nicht nur derjenige, der diese Karte beigesteuert hat.
    Wenn man aber gerade keine Energie mehr hat, dann nützt die fremde Bewegungskarte gar nichts. (Die eigene übrigens auch nicht.) Die Art der von den Mitspielern ausgewählten Karten ist eine Unbekannte und man sollte in seiner Zugplanung nicht damit spekulieren. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied, und es ist eher selten, dass man von fremden Karten wirklich profitiert.
    Nur ganz am Anfang zog Horst irrtümlich eine falsche Produktionskarte und setzte damit Walter’s statt seiner eigenen Produktion in Gang. Dieser Irrtum brachte Walter gleich in der ersten Runde eine gewisse materielle Dominanz auf den Spielbrett ein, die sich auch unverzüglich in einen Vorsprung von 10-15 Siegpunkten umsetzen ließ, ca. 25 % der Gesamtpunktzahl zum Sieg!
    Alle waren sprachlos, wie das blinde Huhn mit dem irrtümlich geschenkten Korn seine Runden drehte und dabei seinen Vorsprung stetig und uneinholbar ausbaute. „Das Spiel ist nicht gut, wenn Walter gewinnt!“ Das Spiel war nicht gut!
    Vor allem der Stapel mit den unberechenbaren und damit ziemlich chaotischen Aktionskarten erntete Kritik. Moritz forderte hierfür ein sequentielles offenes Auslegen der Karten. „Typisch Faidutti, gute Ideen aber nicht konsequent durchdacht.“
    WPG-Wertung: Aaron: 5 („zu wenig planbar“), Günther: 5, Horst: 7 (mag diese Art von Spielen, war auch atmospärisch zufrieden), Moritz: 5 („es darf nicht sein, dass man auch ohne Aufbau allein mit Siegpunkt-Ernte-Karten das Spiel gewinnt“), Walter: 5 (einschließlich Siegerbonus).
    2. “Escape from the Aliens in Outer Space”
    Letzte Woche in einer Dreierrunde schon angespielt, sollte das Spiel heute in einer Fünferrunde seine volle Pracht entfalten. Im Prinzip funktioniert es ganz ähnlich wie Scotland Yard, einem Oldtimer aus dem Jahre 1983. Anstelle eines bösen Mister X gibt es 2 gute Menschen, anstelle von 4 guten Detektiven gibt es 3 böse Aliens. Alle bewegen sich auf wohldefinierten Strecken über das Spielbrett, bei Scotland Yard ist es der reale Stadtplan von London, bei „Escape“ eine abstrakte Ebene von Raumschiff-Hexagons. Als Spielziel muß in Scotland Yard der Mister X dingfest gemacht werden, bei „Escape“ müssen die Menschen gefressen werden, bevor sie sich in ihre Fluchtkapseln retten.
    Absprachen sind erlaubt, aber nicht notwendig, da die Aliens praktisch bei jedem Zug mitteilen, wo sie sind und sich entsprechend aufeinander einstellen können. Die Menschen müssen das – mit zufälligen Schwankungen – etwa bei jedem zweiten Zug kundtun. Da die Aliens eine doppelt so große Reichweite haben, sind die Menschen mehr oder weniger chancenlos. Zumindest auf der Raumschiff-Struktur, die wir zugrunde gelegt haben. Noch aussichtsloser wäre es gewesen, wenn wir mit der optionalen Erweiterung gespielt hätten, dass die Fluchtkapsel mit 50% Wahrscheinlichkeit kaputt ist, wenn ein Mensch sie halb aufgefressen erreicht hat. Aber was ist schon die Hälfte von Null?
    WPG-Wertung: Moritz: 9 („Originell, lustig, mir machte es Spaß“), Aaron: 5 („nicht lustiger als 5 Punkte“), Günther: 4 („hat mir es schon in der Dreierrunde nicht gefallen“), Horst: 4 (abhängig von der Spielrunde; nicht besser als „Ad Astra“), Walter: 3 (war einer der chancenlosen Menschen).
    3. “Gisborne”
    Gemäß Regelheft sind wir die ersten Seefahrer Europas, die in Neuseeland gelandet sind und anfangen, die Insel zu kartographieren. Stück für Stück wird ein neues unbekanntes Stück Land aufgedeckt, und wir bewegen unseren Kartographen-Pöppel entlang eines Trampelpfades in Richtung Ziel. Die Strecke, die wir pro Zug zurücklegen dürfen, ergibt sich aus der Summe der Schritte auf den Bewegungskarten, die wir dafür einsetzen. Die Bewegungskarten werden von einem verdeckten Stapel gezogen, und es ist natürlich einsichtig, dass hier Lady Fortuna einen erheblichen Einfluß ausübt.
    Auf dem Trampelpfad gibt es in unregelmäßigen Abständen Sonderfelder: wer mit seinem Pöppel hier darauf zieht, bekommt einen Siegpunkt-Chip und löst eine Wertung auf. Der vorderste Spieler erhält eine Menge neuer Bewegungskarten, die nachfolgenden erhalten weniger. Den Letzten beißen die Hunde.
    Zum Ausgleich beißen den Ersten die Wölfe, nämlich wenn er bei seinem Vorwärtsschreiten auf ein neues Stück Land kommt, auf dem zufällig und keinesfalls voraussehbar noch Wölfe leben. Der Erste kann auch ungewollt in einen Sumpf fallen, aus dem er nur mit erhöhtem Aufwand an Bewegungskarten wieder herauskommt.
    So ist in „Gisborne“ einfach alles zufällig:

  • die Wertigkeit der gezogenen Karten
  • die Struktur der neu entdeckten Landesteile
  • die Schrittweite der Mitspieler und deren sonstigen Ambitionen
  • Locker ist es auch. Zwangsweise.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 („genauso gut wie Ad Astra“), Günther: 6 („schnelles Spiel mit Ärgerfaktor“), Horst: 7 (fand ein „Schluchten-Feeling“), Moritz: 7 („lockeres Glücksspiel“), Walter: 6 („einschließlich Enkelbonus“).
    4. “Bluff”
    Horst’s vor zwei Monaten noch als erfolgreiche Überraschung vorgetragene Sternenstrategie kann keinen Stich mehr machen. Er wird sich etwas Neues ausdenken müssen. Aaron, Günther und Walter waren mit 3, 2 und nochmals 2 Würfeln im Endspiel. Walter begann standardmäßig mit 1 mal die Vier und Aaron hob ohne Zögern auf 2 mal die Vier. Günther hatte 2 Vieren unter dem Becher und kämpfte mit den Setz-Alternativen 3 mal die Vier oder 4 mal die Vier.
    Was hatten die anderen mit ihren 5 Würfeln gewürfelt, als sich nach Walters Anzweifeln unverzüglich ein homerisches Gelächter erhob. Anders gefragt: Was hatten die anderen NICHT gewürfelt und wer stimmte nur unwillig in das Gelächter ein?
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
    PS: Die Katze kriegt immer noch am Westpark täglich ihre Milch. Und nach den Indizien im Katzenklo zu schließen, ist ihre Verdauung in Ordnung.
    PS2: Immerhin hat Schalke gewonnen und Mailand nur Unentschieden gespielt. Der dritte Champions-League-Platz für Deutschland scheint gesichert. Hallo FC Bayern, nochmals die Ärmel hoch gekrempelt!

    23.02.2011: Luna und die Patrizier

    Am Westpark ist uns heute eine junge Katze zugelaufen. Als meine Frau morgens die Zeitung holen wollte, stand sie zitternd vor der Tür. Ohne zu fragen trat sie ein und genoß sichtlich die Zimmerwärme. Milch gibt es in jedem Haushalt, Katzenfutter war auch gleich besorgt, sowie ein Katzenklo, mit der Befürchtung, dass die Katze nicht weiß, was das ist, und dass wir in Bälde den Katzendurchfall aus dem Teppich waschen müssen.
    Doch das süße Kätzchen übertraf alle Erwartungen. Es war sofort gegen jedermann zutraulich, zeigte keinerlei Schreckreaktionen, trank massig Milch, ging stündlich aufs Katzenklo, verzog bei den Klaviergeräuschen keine Miene, und begrüßte die ankommenden Westpark-Gamers mit einem freundlichen Um-die-Beine-Streichen.
    Leider kann sie nicht ewig bei uns bleiben, der Hausherr und auch Aaron (der erst heute Abend aus Bangkok zurückkehrts, sind allergisch gegen Katzenhaare. Deshalb eine Frage an die nettesten unserer Leser: Wer will eine süße, kleine, gesunde, liebenswerte und kluge Katze haben? Gegen Liebe.
    1. “Sixon und Ming Mang”
    Horst hatte eine einstündige Verspätung angekündigt und Günther und Walter machten sich, wie in ihrer Zweierrunde schon Gewohnheit, über die Spielesammlung aus dem Wünnenberg Verlag her.
    In „Sixon“ setzen wir zuerst – ähnlich wie bei Mühle – unsere Steine auf beliebige Felder eines in 6 Richtungen orientierten Spielbrettes, und ziehen anschließend einzelne unserer Steine (in eine der 6 möglichen Richtungen), um damit einen gegnerische Steine zu schlagen. Dies ist erfolgreich, wenn wir unseren Stein so ziehen können, dass er mit zwei weiteren unserer Steine ein gleichseitiges Dreieck (beliebiger Größe) bildet, in deren Zentrum der gegnerische Stein ist.
    Das klingt vielleicht kompliziert, ist aber ganz einfach und am Anfang praktisch bei jedem Zug möglich. Muss es auch sein, denn wer als erster mit seinem Zug keinen gegnerischen Stein schlagen kann, hat verloren.
    In „Ming-Mang“ stellen wir unsere Steine an je zwei Randseiten eines 8×8 Plätze großen Spielfeldes auf. Anschließend dürfen wir horizontal oder vertikal auf benachbarte freie Felder ziehen. Wenn wir damit einen gegnerischen Stein von zwei Seiten eingeschlossen haben, gehört er uns. Wie bei „Reversi“ wird er dazu auf die andere Farbseite gedreht. Einzelne Vorteile kumulieren sich sehr schnell zu einer unwiderstehlichen Übermacht. Wer alle gegnerischen Steine geschlagen hat, ist Sieger. Den konnten wir allerdings nicht mehr ermitteln, denn Horst war aufgetaucht.
    Keine WPG-Wertung für 2-Personen-Spiele.
    2. “Luna”
    Horst hatte das Spiel schon zweimal auf dem Tisch liegen gehabt, um es mit seiner Frau zu spielen. Doch jedesmal kam sein Erstling Sebastian mit seinen Nachwuchs-Wünschen dazwischen, und aus der Partie wurde nichts. Für alle Unentschiedenen, die noch über die geboten Alternativen nachdenken, ist hieraus ein wesentlicher Unterschied zwischen Säuglingen und jungen Katzen erkennbar: Katzen kann man in die Ecke stellen. Die Westpark-Noch-Katze störte unsere Kreise nicht.
    In „Luna“ spielen wir nicht auf oder hinter dem Mond, sondern wir tanzen um den irdischen Tempel der Mondpriesterin. (Was eine „Mondpriesterin“ ist, kann man bei Google nachschlagen, es gibt dafür immerhin 9 mal soviele Treffer wie für das männliche Pendant.) Der Tempel liegt im Zentrum des Spielbretts und drum herum gibt es sieben Inseln, auf denen wir die Glückseligkeit erwerben. Dazu bewegen wir unsere Pöppel, “Novizen” genannt, über die Inseln, bauen Kultstätten, werben neue Novizen an (Horst würde das „Kinderkriegen“ nennen), bauen Schiffe für das Inselhopping, lernen Gezeiten beherrschen, um unsere Pöppel schwimmend zu den verschiedenen Inseln treiben zu lassen, lernen Heilkräuter kennen, um die Novizen länger bei der Labora zu halten, und bringen ab und an einen Pöppel für gehobene Siegpunktquoten in den Tempel.
    Wie viele Novizen ein Spieler auf dem Spielbrett hat, so viele Züge hat er pro Runde. Und mit Hilfe der Heilkräuter werden es noch ein paar mehr. Es gibt viel zu tun, anfangs mehr für die Verbreiterung der Resource-Basis, hinterher mehr zum Punkten. Am besten versucht man beides von Anfang an zu verbinden, also nicht nur Kultstätten bauen und Novizen zeugen, sondern sein Material auch gleich konsequent auf die besten Punktequellen ansetzen.
    Interaktion gibt es durch die Konkurrenz um die Plätze im Tempel, in Mehrheiten für verschiedene Siegpunktprämien und im aktiven Verkürzen der Rundenzahl.
    Ein hübsches Spiel, Stefan Feld hat es gut komponiert.
    WPG-Wertung: Günther: 8 (nette Mechanismen; enthält im Laufe des Spiels zwar keine nennenswerte Steigerung, aber eine Änderung der Aktions-Schwerpunkte), Horst: 8 (war von der Stimmung – nicht gleichzusetzen mit Thematik – angetan, schätzte die Vielzahl der Zugmöglichkeiten), Walter 8 (lauter funktionierende, konstruktive Elemente, alles ist wohl aufeinander abstimmt).
    3. “Patrizier”
    Ein Kartenspiel von Michael Schacht. Bei der Klassifizierung „Kartenspiel“ kann man natürlich sofort aufschreien, denn die „Patrizier“ haben ein richtiges Spielbrett mit Patrizierstädten des mittelalterlichen Italiens, es gibt hölzerne Stockwerke, mit denen wir in den Städten Geschlechtertürme a la San Gimignano errichten, und es gibt Wertmarkten, mit denen die besten Türme prämiert werden.
    Doch der Motor des Spiels sind ausschließlich Karten. Sie allein bestimmen, in welchen Städten wir bauen dürfen. Und abhängig davon, wo wir gebaut haben, ziehen wir offen ausliegende neue Karten für unsere nächsten Baugenehmigungen.
    Jeder Spieler hat drei Karten in der Hand, aus der er jeweils eine auswählen kann. Der Freiheitsgrad ist also nicht besonders berauschend. Doch da man mit jeder gelegten Karte auch bestimmt, welche nächste Karte man dafür zieht, gibt es doch eine ganze Menge Zukunftsplanung, und man fühlt sich keinesfalls gespielt. Selbst wenn so manche gewünschte Karte nicht erreichbar ist.
    Neben den Siegpunkten für die Mehrheiten an der Geschlechtertürmen („Wer den längsten hat, bekommt die höchste Prämie; wer den kürzesten hat, geht leer aus.“) gibt es noch Siegpunkte für bestimmte Kartenkombinationen, die wir im Laufe des Spiels gezogen und genutzt haben.
    WPG-Wertung: Günther 7 (angenehm schnell, auch durch die geringen Auswahlmöglichkeiten), Horst: 7 (ein hübsches Spielchen für zwischendurch), Walter 7 (lockeres Kartenspiel mit Glücksspielcharakter).
    4. “Bluff”
    Nichts Neues vom Westpark. Günther zog sich schnell aus dem Geschehen zurück und der 5:4 Endkampf zwischen Horst und Walter ging immerhin noch über 6 Runden.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    05.01.2011: Mit Selbstgemachtem ins Neue Jahr

    Wir wünschen allen unseren Lesern ein gesundes Neues Jahr und weiterhin viel Spaß in ihren Spielrunden.

    1. “Das kalte Herz”
    Eineinhalb Jahre schon entwickeln Moritz und Maximilian Christof an diesem Spiel über die Flößer im Schwarzwald. Neulich konnten sie es bei Hans-im-Glück präsentieren und sind guter Hoffnung.Das Kalte Herz - Prototyp
    Unsere Bedenken aus früheren Testsessions sind ausgeräumt. Die Baumstämme in Neckar und Rhein sind jetzt ständig in Bewegung, das bewirkt schon allein ein zusätzlicher automatischer Bewegungszug pro Spieler. Auch die Staudämme sind keine nennenswerte Blockade mehr: wenn ein Staudamm voll ist, läuft er automatisch über. Jetzt kann jeder Spieler auch für sich selbst etwas Gutes tun und muß nicht nolens volens den Vorteil seiner Mitspieler befördern und hoffen, dass ihm Gleiches zuteil wird.
    Wir müssen immer noch

  • Holzfäller-Pöppel einsetzen
  • Holzhacken
  • Unsere Pöppel zu den verschiedenen Arbeitsplätzen bewegen
  • Staudämme öffnen
  • Flöße zusammenstellen und verkaufen
  • Jeder bekommt zu Spielbeginn noch eine eigene Rolle zugeteilt, die ihm für bestimmte Aktionen Bonuspunkte liefert; ein Spieler hat Vorteile bei Hacken, der andere bei der Staudämmen und der dritte beim Verkauf. Diese individuellen Sondereigenschaften gilt es natürlich besonders zu nützen. „To have a plan” wird ganz groß geschrieben.
    Man sollte nicht unbedingt aus der aktuellen Spielsituation heraus die siegpunktträchtigste Aktion wählen. Damit verlieren wir Tempo für spätere noch siegpunktträchtigere Aktionen. Das ganze ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, und für den richtigen Peil braucht man natürlich eine Menge Erfahrung. Wie bei „1830“!
    Die Vision einer Spielumsetzung von Hauffs Märchen in hübsche, flüssige und ganz neuartige Spielzüge und Mechanismen hat schon einen hohen Reifegrad erreicht. Horst schlug vor, dem Spiel eine Begleit-CD beizulegen, auf den ständiges Wasserrauschen zu hören ist.
    Noch keine WPG-Wertung. Aber sicherlich bald.

    2. “Manipur”
    Aaron arbeitet auch schon seit einem Jahr an seinem Spiel, das ursprünglich im „18xx“-Milieu angesiedelt war, über den Weltraum jetzt Manipur - Prototypaber in „Manipur“, einer Provinz in Indien, angelangt ist. Aus den früheren Tycoons sind heute einfache Händler geworden, die ihrer Waren in immer entfernere Städte liefern und dafür immer höhere Erlöse erzielen.
    Die Händler müssen systemmatisch ihren Aktionsradius erweiteren, die Zahl ihrer Mitarbeiter erhöhen und deren „Schlagfertigkeit“ fördern. Wer die stärksten Fäuste hat, kann die Konkurrenz von den lukrativsten Markplätzen vertreiben.
    Heute wurde das Spiel erstmals einer 4er Runde vorgelegt. Erwartet oder unerwartet ergab sich sogleich ein von den bisherigen Solo- oder Duo-Testrunden total verschiedener Spielablauf. Moritz entwickelte als einziger zuerst seine Mobilität und konnte damit ferne Marktplätze bedienen, wo er konkurrenzlos war, hohe Erträge kassierte und noch dazu Monopolprivilegien erwarb. Die anderen Spieler hatten sich zwar mit stärkeren Fäusten eingedeckt, doch Moritz war schon außer Reichweite. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er mit hohem Abstand gewonnen hatte. „Das war mein Plan!“
    Die ganze Diskussion während und nach dem Spiel drehte sich schwerpunktmäßig darum, wie man Moritz am Zeug flicken könnte. Drei Alternativen boten sich an:
    a) die in fernen Städten agierenden Händer müßten leichter angreifbar sein.
    b) die Handelsprivilegien dürften nur für Mehrheiten, nicht aber für Monopole vergeben werden.
    c) die Erträge für ferne Händer ohne Heimatanschluß müßten gesenkt werden.
    Alles kann durch kleine Regeländerungen problemlos bewerkstelligt werden. Aaron wird’s schon richten.
    Ansonsten sind die Spielregeln klar, der Spielablauf übersichtlich, die Mechanismen rund und das Spielgeschehen attraktiv. Durch die Konzentration auf die funktionierenden Mechanismen ist das Thema allerdings etwas abstrakt geblieben. Beim Brainstorming über andere passende Szenerien schlug Horst vor: „Ameisen, die ein Tischbein erklimmen.“
    Noch keine WPG-Wertung.
    3. “Trawler”
    Aaron bastelt schon an seinem nächsten Spiel. Wir sind Fischer und ziehen mit unserer Flotte den verschiedenen Fischen hinterher. Die optimale Erweiterung der Flotte erinnert an „Manipur“, doch das Auftreten der Fischschwärme und die Konkurrenz auf den Verkaufszentren am Hafen sind neue Elemente.
    Diesmal war bei Aaron zuerst das Thema da und dann erst der Mechanismus. Wir werden sehen.
    Noch keine WPG-Wertung.
    4. “Bluff”
    Horst brachte eine neue Dynamik in ein altes Spiel: Bluffen mit Sternen auf höchstem Niveau. Walter war das nicht geheuer und er forderte für den zweiten Durchgang einen Platzwechsel. Inzwischen hatte Moritz die Masche durchschaut und konnte die Dynamik entschärfen.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    22.12.2010: Die Junta auf dem K2

    Wer unsere Sessionreports regelmäßig liest, hat gemerkt, dass Aaron schon seit einigen Wochen nicht mehr dabei war. Er hatte seinen Sohn im Lande der willigen Töchter besucht. Heute hat er seinen Heimflug angetreten. Zu spät, um noch am Westpark vorbei zu kommen. Zum Glück haben wir nicht auf ihn gewartet, denn das Wetter hat seinen Flug nach Moskau verschlagen. Hoffentlich kann er bald weiterreisen. Bevor der große Schnee wiederkommt.
    Hallo Aaron, wir wünschen Dir einen gefälligen Aufenthalt.
    1. “Junta”
    Vor 24 Jahren ist beim Ass-Verlag die Originalversion dieses Spiele um Geld, Macht, Intrigen und Mord erschienen. Es war eines der ersten Spiele auf unserer Internetseite und jahrzehntelang wurde konstant darauf zugegriffen. Sicherlich nicht nur von Surfern, die sich unter dem Stichwort „Junta“ etwas ganz anderes vorgestellt hatten.
    Jetzt hat der Pegasus-Verlag eine Neuauflage herausgebracht. Eine große, einladende Reklame strahlte von den Hallenwänden der Essener Spieletage, und die Augen der Freaks begannen zu leuchten.
    Doch die Zähne der alten Garde sind stumpf geworden. Schon in der Spielregel heißt es „Das Militär hat stark an Bedeutung verloren. Die Mitglieder der Junta leben zurückgezogen von ihren Schweizer Bankkonten.“
    Es gibt zwar immer noch einen Präsidenten, doch er verteilt keine Ämter mehr, sondern Besitzkarten, die Peso-Beträge in Millionenstückelung wert sind, oder Kampfvorteile in den unvermeidlichen Straßenkämpfen.
    Gekämpft wird mit Würfeln. Jeder gegen jeden. Der Präsident spielt hierbei keine besondere Rolle. In der Regel geht es gegen denjenigen mit den – vermeindlich – verlockendsten Besitzkarten. Jeder stellt auf 4 Würfeln verdeckt ein, gegen wen er kämpfen will. Oder ob er sich verteidigen will. Im anschließenden Kampf würfeln dann alle Angreiferwürfel synchron gegen die Verteidigerwürfel. Die höhere Summe gewinnt. Der Verlierer muß an alle Angreifer eine Karte abgeben. Solange der Vorrat reicht.
    Die normalen Spieler können sich nur mit eigenen Würfeln verteidigen, der Präsident kann auch von jedem anderen Spieler verteidigt werden. Doch warum sollte man das tun? Die ausgeteilten Besitzkarten sind ohnehin hinfällig, wenn der Präsident gestürzt wird und die besten Karten hat der Präsident sowieso auf der Hand behalten. Die sollte man ihm besser abnehmen.
    Moritz war der einzige Präsident, der eine Legislaturperiode überlebte. Hinterher war er froh, gestürzt worden zu sein, denn von der Banana-Brille, die er als Präsident tragen mußte, wurde ihm ganz schlecht.

    Die Präsidentschaft wechselte ständig zwischen Peter und Moritz, obwohl sie sich gegenseitig regelmäßig die besten Besitzkarten zuschusterten. Der Vertrauensbruch wurde zur Routine. Ganovenehre hat offensichtlich ihre eigenen Gesetze. Hier zählen nur Haie, aber keine kleinen Fische. Lieber von einem großen Bösen geschlagen als von einem kleinen Frommen gestreichelt.
    Die größte Crux des Spiels sind die Besitzkarten. Sie werden ja nicht nur durch harte Junta-Arbeit redlich erworben; jeder Spieler bekommt pro Runde auch eine Karte aus dem Vorrat. Wer Glück hat, bekommt eine Jacht, die gleich einen ganzen Siegpunkt wert ist. Wer Pech hat, erhält nur eine Million Pesos und muß vier Runden lang warten und hoffen, bis er sich davon einen Siegpunkt kaufen kann. Und wer ganz großes Pech hat, der kriegt lediglich die Besitzkarte „Studenten verteilen Flugblätter“, die keinerlei Auswirkungen auf seinen Besitzstand hat. Nicht mal negative. Witzig?
    WPG-Wertung: Günther:5 (nicht mein Spiel), Loredana: 6 (lustig, chaotisch, kurz), Moritz: 7 (nicht so genial und episch wie das Original, aber …), Peter: 7 (Ich hatte Spaß), Walter: 6 (nicht planbar, man braucht eine Dödel-Stimmung)
    2. “K2”
    Der „K2“ ist bekanntlich der zweithöchste Berg der Erde. Im Spiel „K2“ führt jeder Spieler ein Team von zwei Bergsteiger(pöppel)n und muß es innerhalb von 18 Runden im Wettbewerb mit den anderen Team möglichst am höchsten steigen lassen. Möglichst lebend! Denn in den großen Höhen können die Pöppel sehr leicht an Sauerstoffmangel eingehen.
    Die Bewegung ihrer Spieler steuern die Spieler durch ein Set von 18 Handkarten, die sie zyklisch durchspielen. Eine Karte erlaubt 1-3 Bewegungsschritte oder liefert 0-3 Sauerstoffportionen. Die Reihenfolge, in der die Karten gespielt werden müssen, unterliegt einem zufälligen Mischen, doch darf sich jeder Spieler aus jeweils 6 Karten 3 aussuchen, die er in einer Runde spielen will.
    Peter war sofort klar, dass es sich hier um ein leichtes Familienspiel handelt und wurde bei den Denkprozessen seiner Mitspieler schnell ungeduldig: „Ein Kindespiel! Kinder, beeilt euch! Ich krieg’ die Krise!“ Kein Wunder, daß dafür die verbalen Assoziationen schnell in ältere Gefilde abdrifteten. Was assoziiert man nicht alles beim Besteigen! Und was, wenn die Spielanleitung uns empfiehlt, einen geeigneten Weg zum Gipfel zu suchen. Auch ist es nicht sehr weit von dem glattem und dem geriffelten Bergsteiger des K2 bis zu den genoppten und geriffelten Ausführungen des R3. In diesem Zusammenhang kam auch gleich die Rede auf Assange und die bis heute ungelöste Frage, wie er so ein Ding während oder nach der Besteigung auch noch zum Platzen bringen konnte!
    Wie steht’s mit der Interaktion? Im „K2“? Auf großer Höhe vielleicht, denn dort sind die Plätze limitiert, und man kann seinen Mitspielern schon mal den Aufstieg blockieren. Doch bei der einschränkten Auswahl an Handkarten ist diese Möglichkeit auch sehr begrenzt. Der Rest ist ein hübsches Solitärspiel.
    WPG-Wertung: Günther:5 (vermißt Interaktion), Loredana: 5 (gut für Kinder), Moritz: (Familienspiel), Peter: 6 (hübsch als Solitärspiel), Walter: 5 (zu symmetrisch, zu linear, enthält keinerlei Progression)
    3. “Bluff”
    Die erste Runde war das Spiel der multiplen Verluste. Ständig mußten alle Spieler je einen Würfel abgeben. Bis auf einen. Im 1:1 Endspiel gab Walter gegen Peter 1 nach kurzem Nachdenken mal die Eins vor. Peter ging in die Bücher? Was war der Grund für Abweichung von der Immer-4-Strategie? Mußte da nicht ein Stern dahinter stehen? Er gab den Ball mit 1 mal Stern an Walter zurück. Der konnte seine Vorteil nicht nutzen. Keiner hatte einen Stern unter dem Becher!
    Die zweite Runde war das Spiel der Untertreibungen. Reihenweise wurde Vorgaben angezweifelt, deren reales Ergebnis danach viel höher war. Sogar bei Sternen. Die gemeine Binominalverteilung hält halt immer wieder verblüffende Überraschungen bereit.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    08.12.2010: Die Arbeiter im Weinberg

    „Ich bin mit dem Prediger des Dorfes, einem alten, wunderlichen Manne, bekannt geworden. Er hat eine außerordentliche Leidenschaft fürs Kartenspiel, versteht aber kein anderes als das gemeine, altfränkische Mariage. Er lenkte bald darauf hin, und Ihm zu Gefallen habe ich heute den ganzen Tag am Spieltisch gesessen. – Was sagen Sie dazu, mein Freund? Aber was soll man auch bei dem abscheulichen Wetter anfangen.“
    Ludwig Tiecks Tagebucheintrag vom 11. Juli 18xx ist zwar nur Fiktion, doch das dort erwähnte Kartenspiel ist heute noch aktuell. Unter welchem Namen?
    1. “Grand Cru”
    Walter wollte seinen Spiel-Favoriten aus Essen zu unserem „Spiel des Monats küren“ lassen. Dazu mußte es noch die Feuerprobe bei Peter & Lordana bestehen.
    Der kritischste Punkt in seinem gesamten Regelwerk ist der Versteigerungsmechanismus. Hier geht es sehr hart zu. Wer verdrängt wird, verliert ersatzlos einen ganzen Zug. Wer ganz sicher gehen will und alles für den Höchst- und Fixpreis ersteigert, muß hohe Kreditsummen aufnehmen, deren Wirtschaftlichkeit mehr als fraglich ist.
    Gerade in den ersten Runden wird das Einkommen allein von den Zinsen aufgefressen und die Schuldenschere geht ununterbrochen weiter auf. Das gilt besonders dann, wenn in den Weinbergen nicht kooperiert wird – am Westpark wird selten kooperiert – und die Weinpreise ständig im Keller liegen.
    Heute trieben wir alle von Runde zu Runde immer tiefer in den finanziellen Ruin. Selbst nach zehn Runden war noch kein Licht am Ende des Schuldentunnels zu sehen. Es war nur die Frage, wer als erster seine 11 Kredite ausgeschöpft hat und als Bankrotteur das Spiel beendet.
    Die Diskussion um die Sinnhaftigkeit dieses regulären Spielendes flammte erneut auf und fand Befürworter und Gegner. Günther ist ein überzeugter Gegner, könnte aber auf die andere Seite überschwenken, „wenn man damit Sieger werden könnte!“ Ja warum nicht?! Warum sollte nicht derjenige Spieler, der sich mit hohen Summen ausgedehnte Weinberge zusammengekauft hat, mit diesem Besitztum nicht Sieger werden, auch wenn er erst mal vor den Konkursrichter muß?! Um diese Regeländerung zu rechtfertigen, bliebe doch nur zu verifizieren, dass es damit keine Trivial-Strategie zum Sieg gibt!

    Peter hatte sich sehr schnell der Günther-Fraktion derer angeschlossen, die den Versteigerungsmechanismus nicht akzeptieren. „Das Spiel ist broken“ wiederholte er obstinat bei jeder Rückfrage zu den verschiedenen Abläufen auf dem Tableau. Doch trotz aller verbalen Kritik machte ihm sein Agieren in der Weinbranche ganz offensichtlich Spaß. Fast entrüstet wies er selbst nach mehr als zwei Sunden Spielzeit alle Angebote zum Spielabbruch von sich. Er hatte sich inzwischen eine ganz eigene Herausforderung gestellt: Wie in einem „Ökolopoly“ war er vom Ehrgeiz erfüllt, in der Lage am Abgrund noch so zu agieren, dass er wirtschaftlich überlebt. Er überlebte.
    Walter war des stundenlangen aufreibenden Kampfes um die schwarzen Zahlen in der Bilanz müde geworden. Nur eine einzige Runde brauchte er nur zu ernten und nichts zu verkaufen, und er war bankrott. Günther wurde mit minus (!) 13 Punkten Sieger, gefolgt von Loredana mit minus 23 und Peter mit minus 36. Erfahrene Grand-Cruisten können daraus ablesen, dass alle drei bei Spielende noch in der Gegend vom Maximalkredit waren.
    WPG-Wertung: Günther bleibt bei seinen 7 Punkten („schöner Aufbau“), Loredana: 4 („war von den ständigen Zinszahlungen genervt“), Peter: 5 („broken“), Walter bleibt bei seinen 9 Punkten (möchte einmal das Spiel im Plus beenden, ihn reizt die enorme Vielfalt möglicher Gewinnstrategien.)
    Wie könnte man dem Versteigerungsmechanismus seine destruktive Schärfe nehmen?

  • Die Gebote auf dem Versteigerungstableau könnten progressiv (statt linear) steigen
  • Wer verdrängt wird, sollte irgendeine Entschädigung bekommen
  • Die extrem effizienten Sonderaktionen – sehr nützlich für die verschiedenen Winzerstrategien – sollten für Fixpreise verkauft werden
  • 2. “Bluff”
    Mehr als drei Stunden hatten wir fleißig in den Weinbergen gearbeitet. Peter brauchte dringend einen Absacker. Außerdem hat er sich in der Zeit seiner Westpark-Abstinenz zu einem Vor-Vorletzte-U-Bahn-Besteiger entwickelt.
    Loredana, Peter und Walter standen mit je einem Würfel im Endspiel. Peter fing gemäß der bewährten Immer-4-Strategie mit 1 mal die Vier an. Walter hob auf 1 mal die Fünf und Loredana auf 1 mal den Stern. Eine harte Nuß! Peter versuchte sie mit 2 mal die Drei weiter zu geben, Walter knackte sie mit 2 mal Stern.
    Frage: Welche beiden Spieler hatten einen Stern unter dem Becher? Begründung!
    In den weiteren Bluff-Partien erwies sich die Immer-4-Strategie der Immer-5-Strategie eindeutig überlegen! Offensichtlich gibt es noch eine andere Wirklichkeit als die der nackten Wahrscheinlichkeitsrechnung!
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    10.11.2010: Gleisbau in der Ägäis

    Sollen und Wollen
    Das Sollen wird dem Menschen auferlegt, das Muß ist eine harte Nuß; das Wollen legt der Mensch sich selbst auf, des Menschen Wille ist sein Himmelreich. … Betrachte man als eine Art Dichtung die Kartenspiele; auch diese bestehen aus jenen beiden Elementen. Die Form des Spiels, verbunden mit dem Zufall, vertritt hier die Stelle des Sollens; das Wollen, verbunden mit der Fähigkeit des Spielers, wirkt ihm entgegen. In diesem Sinn möchte ich das Whistspiel antik nennen. Die Art dieses Spiels beschränkt den Zufall, ja das Wollen selbst. Ich muß bei gegebenen Mit- und Gegenspielern mit den Karten, die mir in die Hand kommen, eine lange Reihe von Zufällen lenken, ohne ihnen ausweichen zu können; beim L’hombre und ähnlichen Spielen findet das Gegenteil statt. Hier sind meinem Wollen und Wagen gar viele Türen gelassen; ich kann die Karten, die mir zufallen, verleugnen, in verschiedenem Sinne gelten lassen, halb oder ganz verwerfen, vom Glück Hilfe rufen, ja durch ein umgekehrtes Verfahren aus den schlechtesten Blättern den größten Vorteil ziehen, und so gleichen diese Art Spiele vollkommen der modernen Denk- und Dichtart.
    Diese Passage aus einem Aufsatz von Goethe kann auf die kurze Formel gebracht werden:
    Bridge ist Sollen, Skat ist Wollen!
    Hat der alte Frauenversteher hier auch die Kartenspiele richtig verstanden?

    1. “Poseidon”
    Wenn es im alten Griechenland vor 2500 Jahren bereits (schwimmende) Eisenbahnen gegeben hätte, dann wäre „Poseidon“ ein Eisenbahn- und Aktienspiel aus der Familie der „18xx“-Spiele. Helmut Ohley und seine Kumpels haben in dieser Familie schon mehrere Kinder gezeugt und ausgetragen, und haben auch in „Poseidon“ dieses ihr geschätztes Erbgut einfließen lassen. Um aber den technischen Anachronismus zu vermeiden, haben sie das Eisenbahnmilieu auf die Seefahrt übertragen. Wohl gelungen.
    Anstatt Eisenbahngesellschaften zu gründen und Verkehrswege auf dem festen Lande zu erschließen, gründen wir griechische Stadtstaaten und befahren mit Schiffen das östliche Mittelmeer. Schienenwege brauchen wir dazu naturgemäß nicht, stattdessen besitzt jeder ein Erkundungsschiff, mit dem die Seewege eröffnet werden. Wir sind keine Präsidenten von Wirtschaftsunternehmen, sondern Könige von antiken Reichen. Wir handeln nicht mit Aktien, sondern mit Ämtern, wir kaufen keine Lokomotiven sondern Schiffe, unsere Aktien steigen nicht im Kurs, sondern unser Volk in seinem Ansehen.
    „Poseidon“ ist gegenüber den richtigen „18xx“-Kindern leicht vereinfacht. Die verschiedenen Schiffe eines Reiches müssen keine disjunkten Strecken befahren, sondern ihre Reichweite wir schlichtweg addiert und bestimmt die Länge der Gesamtstrecke, die ein Reich befahren kann. Das erleichtert die Routenplanung und die Ermittlung des Rundeneinkommens.
    Das Königstum (die Präsidentschaft) kann niemandem angedreht werden. Wenn ein Spieler in einem fremden Reich die Ämtermehrheit erworben hat, kann er freiwillig entscheiden, ob er sich zum König macht oder lieber den alten Regenten in einer Minderheitsregierung beläßt. Der alte König muß mindestens drei Ämter (Aktien) behalten, hat also ein gewisses Interesse am Blühen seines Reiches, und trägt auch alle pekuniären Risiken, falls das Reich in finanzielle Strudel geraten sollte.
    Die wirtschaftlichen Härten beim Verfall der frühen, billigen Schiffe (Loks) wurden gemildert: ein Reich kann in jeder neuen Spielphase (Verkauf des ersten 4-er Schiffs, Verkauf des ersten 6er-Schiffs) neue Ämter (Aktien) vergeben, und sich damit neue liquide Mittel besorgen. Dabei ist die Anzahl der Ämter nicht fest vorgeschrieben, sondern der Präsident kann in gewissen Grenzen wählen, wielviele er beim Start bzw. bei der Erweiterung seines Reiches vergibt.
    Sehr geschickt ist dabei eine neue Optimierungsaufgabe gestellt: Die Anzahl der Ämter und die Anzahl der Handelsstationen ist für jedes Reich konstant. Wer sich über eine Inflation von Ämtern zu viele Mittel besorgt, hat am Ende nicht mehr genügend freie Stationen, um sein Handelsnetz auszudehen und seine Einnahmen zu maximieren. Wer zu früh seine Ämter auf den Markt bringt, erzielt nur geringe Preise, analog dem aktuellen Volksansehen (Aktienkurs), die späteren Ämter eines florierenden Volkes erbringen natürlich erheblich mehr.
    Die Beteiligung bzw. der Verkauf von fremden Ämtern hat keinerlei Einfluß auf den Kurswert; damit entfällt das hübsche bzw. miesnickelige Kaufen und Verkaufen fremder Anteile, das bei den üblichen 18xx-Spielen einen großen Teil der Bankrundenaktivitäten in Anspruch nimmt. Das bringt eine gewisse Beschleunigung im Spielablauf, geht aber auf Kosten von Spannung und Überraschung.
    In unserem Spiel fand kein einziger Königswechsel statt; Aktien wurden nur marginal verkauft, und nicht aus gehobenen spieltaktischen Gründen, sondern lediglich, um einer potentiellen Entmachtung als König vorzubauen. Jeder hatte reichlich damit zu tun, seinen eigenen Spielaufbau zu planen und seine Freiheiten zur Optimierung zu nutzen; keinem kam der Gedanke, einem Mitspielern in den Karren zu fahren. Vielleicht kann man das auch gar nicht.
    Walter setzte zu Spielbeginn sein neu gegründetes Reich auf den teuersten Kurswert und war damit immer erster Spieler in den „Operation Rounds“. Sofern verfügbar erwarb er auch ausschließlich Ämter seines eigenen Reiches. Günther meinte dazu bewundernd: „Er investiert in Qualität“, Aaron meinte weniger bewundernd: „Er macht in Selbstbefriedigung!“. Zum Glück hat er damit nicht gewonnen, sonst wäre die Siegstrategie ganz zu einfach: Setze Dein Reich am höchsten ein und fahre es solide bis zum Ende. So aber muß man auch die nicht ganz so leichte Optimierungsaufgabe lösen: Setze Dein Reich zu einem solchen Preis ein, dass es alle notwendigen Kosten bestreiten kann und dass dabei zugleich die Rendite, d.h. die Rundeneinnahmen plus Kursgewinn im Verhältnis zum Einstandspreis, optimal ist. Aaron war es, der hier intuitiv die beste Linie gefahren war.
    WPG-Wertung: Aaron:8 (Einschränkung, weil „die Aktienmanipulationen fehlen“), Günther: 8 (Honorierung, „dass man an einem Spielabend hinterher noch Zeit für ein anderes kleines Spielchen hat“), Moritz: 7 (Einschränkung: „es fehlen Seeschlachten und Eroberungsfeldzüge“), Walter: 7 (vermißt die peppigen Elemente wie feindliche Übernahmen, betrügerischen Bankrott und Aussperrung von lukrativen Zielen. Seine Ingenieursseele vermißt den konstruktiven Gleisbau).

    2. “Alex & Co”
    Die Europäische Spielesammler Gilde (ESG) und die Spiele-Autoren-Zunft (SAZ) präsentierten in Essen 2010 dieses kleine Kartenspiel mit limitierter Auflage.
    Im Prinzip handelt es sich um eine Kombination aus Quartett- und Memory. Wir können von unseren Mitspielern Karten abfragen und sie im Erfolgsfall von ihnen ersatzlos übernehmen, oder wir können mit unseren Mitspielern reell Karten tauschen im Verhältnis 1:1, oder wir können aus der Auflage von verdeckten Karten auf dem Tisch vier Stück umdrehen, und falls ein Pärchen dabei ist, dürfen wir es behalten. Hier schlägt dann der Memory-Charakter durch.
    Die Motive der Karten sind Spiele und Spielautoren der Welt; insofern besitzt das Spiel einen spielhistorischen Wert. Doch die Regeln weisen für einen Gerechtigkeitsfan einige Ungereimtheiten auf. Beim Tauschen wird die normale Spielreihenfolge verändert. Wer Pech hat, um den wird ständig herumgetauscht und er kann warten, bis er schwarz wird.
    Wer sich mit einem funktionierenden Gedächtnis aus der Auflage gerade verdientermaßen oder per Zufall ein Pärchen zusammengesucht hat, verliert es anschließend – mit hoher Wahrscheinlichkeit – ersatzlos an einen seiner Mitspieler, der sich per „Abfrage“ an ihn wendet.
    So ging es Walter, dessen Gedächtnis ohnehin dem Memory-Alter entwachsen ist. Aaron erlöste ihn und stieg aus. Mit größter Freude zog Walter mit. Günther war leidenschaftslos, nur Moritz hätte seinen schon in wenigen Runden gewaltig ausgebauten Quartett-Vorsprung gerne ins Ziel gebracht.
    WPG-Wertung: Aaron: 2, Günther (enthält sich als ESG-Mitglied der Stimme), Moritz: 3 („das Spiel ist nicht broken“), Walter: 2 (einseitige subjektive Ablehnung).

    3. “Sieben unter Verdacht”
    Wiederholung von letzter Woche, damit Moritz schneller in sein gerade erworbenes Exemplar reinkommt.
    Mastermind mit Personen. Kein neuer Kommentar.
    Die bisherige kritische WPG-Wertung übertraf Moritz mit seinen 6 Punkten fast um das Doppelte .

    4. “Bluff”
    Vorzeitiges Anzweifeln brachte überraschend viele und hohe Verluste.
    Später konnte Aaron mit einem Superbluff Günther gleich um vier Würfel kürzen und das Bluff-Lebenslicht ausblasen. Etwas länger dauerte das Endspiel gegen Walter, das schließlich in einem Kantersieg 5:0 endete.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    8.9.2010: Hotel am Plattensee

    Auch wenn es nach den ausgebliebenen Session-Reports so aussieht, als hätten wir vier Wochen pausiert, waren die Westparker doch auch in der Zwischenzeit aktiv. Allerdings mit bereits bekannten und beschriebenen Spielen, einmal direkt bei Hans-im-Glück, vor allem aber ohne den Gewohnheitsschreiber Walter.
    Walter durfte einige Wochen lang am Plattensee den Geburtstag der besten aller Ehefrauen feiern, und mußte sich in der dortigen Spielewüste mit „Hotel“ begnügen. Einem Westpark-Strategen kann diese Monopoly-Variante zunächst nur ein müdes Lächeln abgewinnen. Doch wenn man von vorneherin davon ausgeht, keine konsequente Gewinnstrategie verfolgen zu können, sondern mit einer demütig-gelösten Kismet-Einstellung die Gaben des Würfels hinzunehmen, dann kann man unter netten Menschen auch mit einer „Hotel“-Runde zwei Stunden Spaß haben.
    „Und was gefällt Euch daran so besonders?“ war hinterher die obligatorische Westpark-Gamers-Frage. „Daß man nicht denken muß!“ antwortete ein frisch gebackener Mediziner, Freund der Nichte. Und was sagte die Nichte selber zum Abschluß: „Mama, zu Weihnachten wünsche ich mir ein NEUES Monopoly.“
    1. “Das kalte Herz”
    Vor einem halben Jahr haben wir die Neuentwicklung von Christof und Moritz noch im Embryonalzustand in Augenschein nehmen können. Wir sollen als Flösser im Holzhandeln unsere täglichen Siegpunkte verdienen (siehe Session Report vom 17.März). Damals hieß der Arbeitstititel noch „Holzhacken im Schwarzwald“. Jetzt gehen unsere Spiele-Väter schon sechs Monate lang mit ihrem Kind schwanger und haben eine Menge zusätzlichen Pepp hineinentwickelt.

    Das fängt schon mit dem Namen an. Aus den „Holzhackern“ ist „Das kalte Herz“ geworden, nach einem Märchen von Wilhelm Hauff, das den Holzhändlern in Schwarzwald gewidmet ist. Hier ein Ausschnitt aus der Hauff’schen Einleitung:
    „Wer durch Schwaben reist, der sollte nie vergessen, auch ein wenig in den Schwarzwald hineinzuschauen … Dort beschäftigen sich die Leute gewöhnlich mit Glasmachen; auch verfertigen sie Uhren und tragen sie in der halben Welt umher. Auf der andern Seite des Waldes wohnen andere Menschen desselben Stammes, die handeln mit ihrem Wald; sie fällen und behauen ihre Tannen, flößen sie durch die Nagold in den Neckar, und von dem obern Neckar den Rhein hinab, bis weit hinein nach Holland. Am Meer kennt man die Schwarzwälder und ihre langen Flöße; sie halten an jeder Stadt, die amStrom liegt, an, und erwarten stolz, ob man ihnen Balken und Bretter abkaufen werde; ihre stärksten und längsten Balken aber verhandeln sie um schweres Geld an die Mynheers.“
    In dem Märchen kommt der kleine Kohlemunk-Peter vor, der auf seinem Abenteuer vom guten Glasmännlein beschützt und vom bösen Holländermichel bedroht ist. Dieser mythische Gut-Böse-Kontrast hat es den Autoren angetan. Zur soliden Holzhandwerksarbeit haben sie phantastische Aktionskarten gestellt, die ständig unseren Charakter verderben und uns Minuspunkte zuschustern. Zu unserer Seelenrettung müssen wir regelmäßig beten und dabei eine ständig wachsende Anzahl von Scherflein in den Opferstock geben. Wer allerdings von Haus aus zur Frömmigkeit neigt, geht überhaupt nicht mehr in den Wald, sondern schickt seine Leute ständig ununterbrochen ins Bethaus, und sammelt sich so nicht nur Schätze im Himmel, sondern auch Siegpunkte auf Erden.
    Diese Strategie verfolgte Walter, wobei ihm zugute kam, daß er durch seinen zu Spielbeginn verteilten Sondercharakter von vornerherein für jede Frömmigkeitsstufe zwei Scherflein weniger zahlen mußte als im Standard-Tarif. So konnte er als Heiliger den Sudden Death herbeiführen und sich dabei noch zum Sieger küren lassen.
    Es gibt noch viel zu feilen am kalten Herzen. Auch muß noch einiges vereinfacht werden. Die vielen Grübelmöglichkeiten über die effizientesten Züge für die einfachen Holzhacker und Holzhändler kosten (am Westpark) eine viel zu große Menge Denkzeit. Und warten ist lästig. Besonders für Walter, der noch dazu für seine Bete-und-Faulenze-Strategie überhaupt keine Denkzeit benötigte. Zum Glück konnte er sich den Hauff vornehmen und „Das kalte Herz“ lesend bewältigen, während seine Mitspieler Holz hackten, Baumstämme anschoben, Staudämme fluteten und Flöße zusammenzimmerten.
    Ein Neunmonatskind wird „das kalte Herz“ bestimmt nicht.
    Noch keine WPG-Wertung.
    2. “Chairman of the Board”
    Das Brettspiel wurde uns vom irischen Verlag Peca-Games zum Testen zugeschickt, mit den besten Referenzen im Internet.
    Beim Auspacken erinnerte das Spielbrett eher an „Monopoly“: Um den Spielfeldrand herum sind farbige Felder gruppiert, auf die je eine Karte gelegt wird. Bei „Monopoly“ sind das Straßen, im „Chairman of the Board“ (deutscher Titel: „Der Vorstandsvorsitzende“!!) sind das Aktienanteile.
    Doch es gibt keine Würfel, die Bewegung um das die Aktienfelder am Spielfeldrand erfolgt mitttels Karten. Der Mechanismus ist hier ganz ähnlich dem eines Kartenspiels, das ich als Kind unter dem Namen „Schnauz“ kennengelernt habe: Jeder Spieler erhält 3 Karten eines „normalen“ Kartendecks (Rommé, Canasta, Bridge), darf jeweils eine davon mit einer Karte vom übrigen Stapel tauschen und muß damit möglichst schnell die höchstwertige Kartenkombination erzielen. Wem das gelingt, der darf sich einen Aktienanteil nehmen. Wer dann die niedrigstwertige Kartenkombination in seiner Hand hält, muß dem Gewinner zusätzlich eine gewaltige Stange Bargeld zuschustern. Für die anderen Mitspieler tut sich gar nichts.
    Moritz erklärte diese etwas seltsame Karten-Brettspiel-Nichts-Rührt-Sich mit „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett. Auch bei diesem absurden Stück des irischen Autors wartet man ebenfalls vergeblich darauf, daß irgendwann mal irgend eine Aktion geschieht. In „Chairman of the Board“ erhält dazu noch jeder Spieler eine „Vetokarte“, mit der er verbieten kann, daß sich ein Spieler nach der oben beschriebenen Regel einen Aktienanteil nehmen kann. So ist der Stillstand gleich doppelt gesichert.
    Natürlich löste dieses vermurkste Design sehr bald ausschließlich Gelächter aus. Zumindest bei ¾ der Teilnehmer. Walter „fand es überhaupt nicht zum Lachen“, doch für Moritz war es „eines der besten Spiele, das mit je untergekommen ist“. Doch trotz diese Qualifizierung brachen wir ab, bevor auch nur der ersten Spieler einen Aktienanteil erworben hatte. „It’s not a game, it’s a joke!“ (Hallo Peca-Games: Falls Euch dieser Session-Report zu bösartig erscheint, dann könnt Ihr wenigstens noch das Moritz-Zitat in Euere Internet-Präsentation übernehmen!).
    WPG-Wertung: Aaron: 2 (für das schöne, qualitativ hochwertige Spielmaterial), Günther: 2 (für die Veto-Karten), Moritz: 2 (Spielmaterial), Walter: 2 (Als Reverenz für die vielen Schnauz-Runden aus seiner Jugend)
    3. “Schnauz”
    Zur Demonstration eines funktionierenden Spiels mit dem oben erwähnten Kartenkombination-Tausch-Mechanismus schlug Walter ein Spielchen vom Original-Schnauz vor. Im Internet ist es mit dem Namen „Schwimmen“ geführt und hat die weiteren regionalen Bezeichnungen Knack, Wutz, Bull und Hosn obi …
    Unter der Seite http://de.wikipedia.org/wiki/Schwimmen_(Kartenspiel) findet man die Ablaufbeschreibung:
    „Der Kartengeber teilt beim offenen Spiel jeweils drei verdeckte Karten einzeln an alle Spielteilnehmer aus, an sich selbst jedoch zwei Päckchen mit jeweils drei Karten. Er sieht sich die Karten eines Stapels an und entscheidet, ob er mit diesen Karten spielen möchte, oder nicht. Will er mit den Karten des ersten Stapels spielen, so muss er den zweiten Stapel offen in die Tischmitte legen. Will er die Karten des ersten Stapels nicht behalten, so legt er diese drei Karten offen in die Mitte des Tisches und muss die Karten des zweiten Stapels aufnehmen. Die übrigen Karten werden beiseite gelegt.
    Der Spieler links vom Geber beginnt das Spiel. Er kann entweder eine Karte oder alle drei Karten aus der Hand mit Karten in der Mitte tauschen – jedoch nicht zwei. Möchte er nicht tauschen, so kann er entweder schieben, d. h. keine Karte tauschen, oder aber das Spiel schließen, indem er klopft (meist mit den Fingerknöcheln auf den Spieltisch).“
    Logisch, stimmig, ausgewogen, unterhaltsam. Auf keinen Fall krass.
    WPG-Wertung: Aaron: 6 (auch Jugenderinnerung), Günther: 5 (warum eigentlich?), Moritz: 5 (funktioniert), Walter: 7 (schnell und gute Kosten/Nutzen-Relation im Material).
    4. “Flaschenteufel”
    Moritz wurde ungedultig: „Jetzt laßt uns endlich nochmal ein gutes Spiel spielen!“ 23 Uhr war schon vorbei, da standen nur noch Absacker zur Auswahl. „Flaschenteufel“ ist immerhin einer von den besten.
    Aaron schlug Günther gleich eine Allianz gegen Moritz und Walter vor, doch Günther hatte eine bessere Idee: „Alle drei gegen Moritz! Wenn er schon mal da ist!“
    Allerdings lassen sich aggressive Allianzen in Flashenteufel kaum umsetzen .Am Ende ist jeder doch nur darum bemüht, sein eigenes Schäfchen ins Trockene zu bringen. Selbst beim Schieben von Karten in der Startaufstellung kann jeder nur an seinen eigenen Vorteil denken: Die niedrigere Karte an den rechten Mitspieler, die höhere Karte an den linken Mitspieler. Die Begründung dafür und eine Reihe weiterer Ratschläge findet man unter der Flaschenteufel-Rezension auf unserer Seite.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
    5. “Bluff”
    Walter stand mit 3 Würfeln im Endspiel gegen Günther mit 1 Würfel. 1 mal die Vier war Pflichtvorgabe im Kampf der 1-mal-Vier gegen 1-mal-Fünf-Kontrahenten.
    Günther hatte eine winzige Eins unter seinem Becher. Wie sollte er kontern?
    Er versuchte es mit 2 mal die Eins. Doch Walter, der eine Eins und zwei Zweien unter dem Becher hatte, konnte mit 2 mal die Zwei den Sack zumachen.
    Günther bekam hinterher natürlich den Vorwurf zu hören, warum er die 1-mal-Vier-Vorgabe nicht angezweifelt habe. Dafür bekommt er jetzt als unser Chefmathematiker folgende Hausaufgabe aufgedrückt;
    a) Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, unter 3 Würfeln keine Vier zu haben.
    b) Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, mit 3 Würfeln (einschließlich der Nachwürfelmöglichkeit) besser als 2 mal die Eins zu würfeln. (Unter der Voraussetzung, dass unter unter dem Becher des Gegners eine Eins vorhanden ist.)
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    21.04.2010: “Die Werft”

    Wieder war die Fußball Champions League keine Alternative zum Westpark. Hans hatte endlich seine Urlaubs-Rückreise aus Südfrankreich erfolgreich beenden können. Fast genauso schnell wäre er mit dem Mannschaftsbus von Olympic Lyon gewesen. Doch dort herrschte ein noch größeres Gedränge als im TGV via Paris nach München.
    1. “Die Werft”
    Der innovative Spieleverlag Czech Games Edition bleibt am Ball. Von seinen ersten internationalen Erfolgen u.a. mit „Sechsstädtebund“ und „Galaxy Trucker“ ermuntert, tritt er jedes Jahr in Essen mit einem neuen Spiel an. Im letzten Herbst war es „Die Werft“. Günther war vor einem halben Jahr dabei, heute konnte er das Spiel endlich am Westpark auftischen. Wir sind Schiffbauer und sollen in einer gegebenen Rundenzahl die meisten, größten, schnellsten, stärksten und/oder reichsten Schiffe auf Jungfernfahrt schicken.
    Gleich beim Öffnen der Schachtel fiel Aaron das „Material ohne Ende“ auf. Allein 20 Minuten brauchten wir für die Verteilung der Karten und Kärtchen zur Startaufstellung. Weitere 10 Minuten brauchte Günther um einen groben Überblick über den Spielablauf zu geben. Das war aber nur die Einleitung. Dann fing er in seiner gewohnten Art die Detailerklärung linear und sequentiell auf Seite 1 des Regelheftes an.
    Die Spieler sind nacheinander am Zug und suchen sich damit eine der verfügbaren Aktionen von der Aktionsleiste aus. „Welche verschiedenen Aktionen gibt es?“ wurde Günther natürlich sofort unterbrochen. „Das kriegen wir später.“ Erst mußten Ablauf und Randbedingungen bei der Auswahl einer Aktion ausführlich dargelegt werden. (Wäre es nicht auch anders herum gegangen?)
    Insgesamt 8 verschiedene Aktionen gibt es. Eine davon heißt z.B. „Rohstoffe“; dazu setzen wir unseren Pöppel auf ein Aktionsplättchen mit einem Marktsymbol. „Wie funktioniert der Rohstoffhandel auf dem Markt?“ wurde Günther wieder unterbrochen. „Das kriegen wir später!“ Erst mußten die verschiedenen Aktionen genannt und ihre zugehörigen Aktionsplättchen vorgestellt werden. Günther blieb in seiner Regel-Didaktik genauso unbeirrbar wie van Gaal heute in seiner Offensiv-Taktik.
    In unseren Aktionen fügen wir Schiffsteile – 1 Bug, 1 Heck und beliebig viele Mittelteile – zu einem Schiff zusammen. Oder wir rüsten das Schiff mit Motoren, Segeln, Schornsteinen und Kanonen aus. Die vielen Zwischenfragen (von allen!) hatten Günther sprachlich in sein oberlippisches Schneckenhaus kriechen lassen. Noch nie sind mir aus seinem Mund soviele „Es-Tes“ aufgefallen wie diesmal bei den Schorn-ßteinen!
    Mit anderen Aktionen heuern wir unsere Crew an: ein Kapitän pro Schiff ist notwendig, Mannschaft und Mitfahrer sind Luxus für mehr Siegpunkte. Wenn wir uns „Anwerber“ und „Händler“ zulegen, können wir später leichter unsere Mannschaft rekrutieren und bekommen bei unserem Rohstoffhandel einen höheren Erlös. Für die Jungfernfahrt müssen wir uns rechtzeitig eine Kanalstrecke anmieten, auf der wir unser Schiff präsentieren und je nach Bauart und Ausrüstung zusätzliche Siegpunkte kassieren.
    Jeder Spieler erhält noch zwei geheime „Regierungsaufträge“, deren Erfüllung ihm am Spielende zusätzliche Siegpunkte einbringt. Aaron schwante schon Schlimmes: „Das scheint sich allmählich durchzusetzen: am Ende kommt die große Überraschung!“
    Günther mußte insgesamt vier Detailierungsebenen des Regelheftes durchgehen, bis wir einigermaßen durch waren. Didaktisch hervorragend, für neugierige Fohlen, die schon mit den Hufen scharren, eine Geduldsprobe. Die Sonderregeln für bestimmte Sonderfälle im Spiel hatten wir uns noch ausgespart. Immerhin waren schon eine Stunde und 45 Minuten vergangen; das Spiel Bayern gegen Olympic hatte gerade angefangen.
    Wie bis hierher zu erkennen, geht es in der „Werft“ darum, innerhalb einer sehr großen Handlungsfreiheit eine ganze Latte von Optimierungsaufgaben besser zu lösen als die Mitspieler. Man muß die gerade richtig großen Schiffe aus den besten Einzelteilen bauen, die Mannschaften gerade passend zum Regierungsauftrag zusammenstellen, die Schiffe optimal ausrüsten und die lukrativsten Kanalstrecken für die zu Schiff, Ausrüstung und Auftrag passenden Jungfernfahrten anmieten. Alles ist preisgesteuert. Das jeweils nächstbeste Spielelement kostet nichts, je weiter weg vom nächstbesten Angebot man zugreift, desto mehr muß man berappen.
    Günther wurde nach einen Spieltipp gefragt. Doch er mußte passen. Die Tipps aus dem Regelheft wollte er offensichtlich für sich behalten. (?) Und daß man kleine Schiffe bauen soll, wenn man im Regierungsauftrag für jedes einzelne Schiff, unabhängig von seine Größe, belohnt wird, das war ihm wohl zu trivial.
    Das Spiel ist in seinen internen Abläufen sehr gut ausbalanciert. Kosten, Erlöse, Vorteile und Siegpunkte halten sich sehr gut die Waage. Immer mal wieder findet ein Spieler einen sehr guten Aufbauzug, muß aber ergänzend dazu immer auch eine Reihe „normaler“ Erwerbszüge tun. Es gibt automatische Bremsen, die das Vorpreschsen von auserwählten Taktiken und Strategien verhindern. Es gibt Engpässen und Mittel dazu, sie zu umgehen. Wichtig ist immer ein bißchen Geld in der Tasche, um im richtigen Augenblick anstatt eines nur mäßigen Zuges, einen vorzüglichen Zug tun zu können.
    Direkt gegen einen Mitspieler kann man nicht spielen. Man kann ihm eigentlich nichts wegnehmen und nichts verbauen. Man kann höchstenfalls versuchen, im Windschatten des Vorgängers mitzusegeln: Die Aktion, die er gerade durchgeführt hat, kann man selber im nächsten Zug kostenlos durchführen. In dieser Richtung einen Zug vorausdenken lohnt sich.
    Die Spannung steigt gegen Spielende für jeden individuell mit der Frage, ob er seine persönlichen Ziele, inbesondere den Regierungsauftrag noch erfüllen kann. Ist hier keine Frage mehr offen, dann fehlt die Spannung. Das ist sicherlich ein gewisses Manko; wenn das Spiel deutlich kürzer wäre, blieb diese Spannung (relativ) länger erhalten. Am Ende der Bayern-Partie hatten wir gerade erst die Hälfte der „Werft“ bewätigt. Für das gesamte Spiel brauchten wir 3 Stunden. Und nach der Diskussion der Vorzüge und Nachteile nochmals 20 Minuten, um das Spielmaterial wieder ordentlich einzutüten. Für Spielefreaks ist das sicherlich kein Problem, doch so viele von dieser Sorte laufen auf der Welt nicht herum.
    Eine deutliche Kritik muß allerdings an den Regierungsaufträgen geübt werden. Aarons Befürchtungen zu Spielbeginn waren absolut berechtigt. Hier fehlt jegliche Balance. Wenn der eine Spieler am Ende maximal 12, der andere aber (mit Glück und Können) 32 zusätzliche Siegpunkte ergattern kann, ist damit schon fast die Unkalkulierbarkeit einer Bananenrepublik erreicht.
    Günther erzielte in der Schlußwertung 56 zusätzliche Siegpunkte und konnte Walter damit auf dem (zu) kurzen Siegpunktparcours einmal vollständig umrunden. Er hatte den besten Regierungsauftrag an Land gezogen und ihn mit Konsequenz maximal ausgeschöpft. Sollen mit diesen riesigen (teilweise Zufalls-) Spannen auch die schwächeren Spieler eine Gewinnchance erhalten? Oder sollen die schwächeren Spieler 3 Stunden lang mit Hingabe ihre Siegpunktquellen tröpfeln lassen, und erst bei Spielende erleben, daß sie von den Wasserfall-Koryphäen hinweggeschwemmt werden?
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (zu viele Elemente, die zu wenig verschiedene Herausforderungen darstellen), Günther 6 (zu lange Spieldauer, viel Material und Regeln), Hans: 6 (plus ist, daß es durch die individuellen Aufgaben verschiedenen Strategien gibt; minus ist, daß es zu den verschiedenen Strategien keine Gegenstrategien gibt), Walter: 7 (honoriert die vielen neuen Spielideen und den großen Handlungsspielraum).
    Hans: „Dafür, daß das Spiel so unübersichtlich ist, ist es sehr übersichtlich!“
    2. “Bluff”
    Hans war der spielentscheidende Spieler. Erst würfelte er zu schlecht und zweifelte zu Recht alle guten Vorgaben an. Dann würfelte er zu gut und zweifelte zu Unrecht die schlechten Vorgaben an. Das Endspiel 1:1 gegen Walter konnte er durch einen ungewöhnlichen Konter für sich entscheiden.
    Seine Vorgabe von 1 mal die Zwei hatte Walter mit einem Stern unter seinem Becher befriedigt auf 1 mal die Vier gehoben, mit der Absicht, anschließend alle folgenden Gebote von Hans zu verdoppeln. Jetzt bot Hans 1 mal den Stern! Das folgenden Alles-oder-Nicht-Gebot (welches?) brachte die Entscheidung zu seinen Gunsten.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

    14.04.2010: Gallier und Teutonen

    Vom geplanten aber abgeblasenen Streik der Lufthansapiloten wäre der eine oder andere von uns vielleicht betroffen gelesen. Vom gleichzeitig in Frankreich stattfindenden Eisenbahnerstreik wohl kaum. Außer Hans. Gestern kam seine Mail hier an:
    „Meine Rückreise aus dem Frankreichurlaub läuft ganz und gar nicht wie geplant … und kann noch dauern. Ein Eisenbahnerstreik begann am vergangenen Mittwoch, meinem ersten geplanten Rückreisetag. Am Sonntag hatte meine Mitfahrgelegenheit kurz nach Abfahrt eine spektakuläre Panne, und heute fahren in der Region wieder keine Züge. Es nervt langsam. Zwischen Gewerkschaft und Bahn gibt es bisher keine Einigung, und ich habe auch die Nase voll vom Frühaufstehen ohne Erfolg …
    Sorry, dass ich entgegen der Ankündigung am Mittwoch nicht komme!“
    eisenbahnerstreik
    Gleich darauf meldete sich Günther: „Dann sage ich noch zu. Somit sind wir wieder zu viert!“
    Doch Mittwoch Abend, 19 Uhr, war weit und breit kein Günther zu sehen. Kein Anruf, keine Absage, keine Mail. 15 Minuten Wartetoleranz ist Maximum, dann starteten wir als Trio.
    1. “Cloud 9”
    Auf Deutsch wird der Titel wohl mit „Wolke 7“ übersetzt. Das Altertum kannte sieben Himmel, dahinter endete die materielle Welt und es kam nur noch die Welt der Phantasie, Wünsche und Träume. Die Angloamerikaner sind hier weniger klassisch. Die „cloud no. Nine“ rührt (angeblich) daher, dass die höchsten Wolken nur bis zu acht Meilen über der Erde sein können, mit der Nummer 9 befindet man sich also über den Wolken.
    Doch bei „Cloud 9“ geht es weniger hoch hinaus, als eher darum, Bodenberühung zu vermeiden. Wir befinden uns in einem superschönen Ballonkorb, reihum ist einer der Pilot und würfelt mit zwei (später mehr) Würfeln Farbkombinationen aus – rot-grün-gelb-lila. Für jede gewürfelte Farbe muß der Pilot eine gleichfarbige Karte (aus seiner verdeckten Kartenhand) abgeben. Hat er keine entsprechende Karte mehr, ist der Ballon abgestürzt und wir gehen leer aus. Doch bevor der Pilot bekennen muß, dass er keine passende Karte mehr hat, dürfen wir entscheiden, ob wir weiterhin im Ballon bleiben, oder lieber aussteigen. Steigen wir rechtzeitig aus, so bekommen wir Siegpunkte, und zwar umso mehr, je länger der Ballon unterwegs war.
    Der Pilot darf natürlich nicht freiwillig aussteigen. Er muß auch noch mindestens eine Strecke weiter fliegen, um selber Punkte kassieren zu dürfen. Erleichtert wird seine Weiterfahrt durch „Wildcards“, die für beliebige Würfelkombinationen herhalten können. Viele zufällig gezogene Wildcards machen den Sieger aus. Der Pilot läßt seine Mitfahrer aussteigen und hangelt sich mit den Wildcards noch um gewaltige Punktespannen nach vorne. Insofern ist „Cloud 9“ ein normales braves, Chaos-Würfel-Kartenspiel.
    Etwas problematisch ist die Regel, dass der Pilot nicht beweisen muß, dass er eine geforderte Würfel-Kartenkombination nicht mehr besitzt. Hier ist Betrug (oder Irrtum) Tür und Tor geöffnet. Irgendwie kann diese – eigentlich unerläßliche – Regel auch nicht in das Spiel eingebaut werden. Denn zeigt der Pilot seine Kartenhand, ist der ganze Spielwitz vorbei. Ein Geburtsfehler, der einem german-style Game wohl niemals passiert wäre.
    WPG-Wertung: Aaron: 4 (2 Punkte weniger als Stone Age), Moritz: 6 (fehlertolerant), Walter: 5 (höchstenfalls zum Aufwärmen).
    2. “Hansa Teutonica”
    Für Moritz zum Kennenlernen, für die anderen zur Vertiefung. Aaron durfte in freier Rede die Regeln erklären und ging sofort in die Details. Selbstverständlich kam von Moritz sofort die Rückfrage: „Und was ist das Thema?“ Lange Gesichter. Vom geschichtsträchtigen Thema „Hanse“ ist keine Stimmung enthalten. Zumindest nicht für einen eingefleischten Liebhaber amerikanischer Weltkriegsspiele. Es ist ein abstraktes Aufbauspiel, und wenn man es gut kennt, dann artet die Zug-Optimierung, die Interaktion, das lebenswichtige Knüppel-zwischen-die-Beine-Werfen richtiggehend in Arbeit aus.
    Günther (mit einer Stunde Verspätung eingetrudelt) wurde um Spieltips gefragt. „Man muß Startspieler sein!“ Ist hier der Saulus zum Paulus geworden? Nein, eher der Petrus zum Judas!
    Moritz bekam als Neuling die Startspielerrolle zugewiesen und belegte sofort die Strecke Göttingen-Quedlingburg. Aaron blockierte mit seiner Scheibe Quedlingburg und legte einen Würfel in Richtung Lübeck. Walter blockierte Göttingen und Warburg und Günther blockierte Warburg und Lübeck. (Insider erkennen hieraus sofort, dass Günther nicht auf seinem angestammten Platz saß. Warum wohl?)
    Moritz scheute die Unkosten beim Verdrängen, war aber dann doch der erste, der sich 5 Aktionen freigeschaufelt hatte. Allerdings war er dafür bis zum Schluß bei seiner Startausstattung an Säcken stehengeblieben. Dieses Handicap kann man nicht wieder gut machen.
    Aaron setzte auf ein schnelles Ende und begann unverzüglich, sich ein Streckennetz aufzubauen. Es hätte auch fast zum Sieg gereicht. Wenn Walter ihm noch schnell 2 Wertungspunkte zugeschustert und damit das Spiel beendete hätte. Doch dann wäre er selber Letzter geworden, er wollte aber lieber Vorletzter werden. So erhielt Günther noch eine Chance. Der hatte auf die Verdrängt-Werden-Strategie gesetzt. Damit bekommt man am leichtesten eigene Würfel aufs Brett, und wenn man sie auch noch günstig verschieben kann, kann man damit reichlich punkten. Er nutzte die Chance zum Sieg.
    Moritz hatte die Sudden-Death-Bedingung beim Spielende nur halb verstanden und war entrüstet. „Ich mache Euch jetzt den Jens! 2 Punkte fürs Spiel!“ Glücklicherweise wird auch bei ihm die Suppe nicht so heiß gegessen wie gekocht. Er konnte sich noch zu 6 Wertungspunkten aufraffen, wünschte sich aber sehnlichst Spiele herbei, die Atmosphäre haben. Wie z.B. „Wind River“, ebenfalls vom Argentum-Verlag, das „super auf die Thematik eingestellt ist“.
    Und doch war es gerade Moritz, der nach einem bißchen Palaver über die verschiedenen Entwicklungslinien von „Hansa Teutonica“ eine sofortige Wiederholung des Spiels vorschlug. Gesagt, getan. Solche Wiederholungen kann man am Westpark an einem Finger abzählen!
    Wieder verlief das Spiel anders als in allen vorherigen Spielen. Eine der Stärken von „Hansa Teutonica“, die das Spiel wohl noch lange spielenswert halten. Zu Beginn gab es äußerst hartnäckige Kampfszenen um die begehrten Entwicklungsstrecken für Aktionen und Säcke. Als sich der Dampf gelegt hatte, suchte sich jeder eine ruhige Ecke, in der er möglichst ungestört seine Siegpunktquellen sprudeln lassen konnte. Individuelle Denkphasen schlossen sich an, allerdings nicht so lange, dass Aarons schneller tickender Biorhythmus nervös werden konnte.
    An Günther lief das Spiel gnadenlos vorbei. Sein Pulver aus dem ersten Spiel war naß geworden. Kein Verdrängen, keine Strecke, keine Aktionen, keine Säcke. Er wurde Letzter. Nach vier aufeinanderfolgenden Siegen darf das hier doch mal gesagt werden. Ehrliche Frage: Was hast Du eigentlich für Züge gemacht? Ich kann mich an keinen einzigen mehr erinnern!
    Moritz profitierte von Günthers Abräumwertungen, die ihm die wichtigen Entwicklungsstrecken des Anfangs leer und herrenlos überließen und konzentrierte sich mit seiner Aktionsmasse sehr bald auf den Streckenbau. Damit wurde er Sieger.
    WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt), Günther: 8 (bleibt, ein äußerst facettenreiches Spiel), Moritz: 7 (als Einschränkung: „das Spiel ist clunky und abstrakt“, als Empfehlung: „Man muß antizyklisch spielen“), Walter: 9 (bleibt).
    3. “Halunken und Speklunken”
    Spieleautor ist der Klassiker Alex Randolph, dessen Erzeugnisse es immerhin 13 mal auf die Auswahlliste zum „Spiel des Jahres“ gebracht haben. Auch die „Halunken“ sind ein Klassiker. Allerdings aus dem vorigen Jahrtausend. 1997 waren die Geschmäcker offensichtlich noch anders.
    Wir schicken unsere Kapitäne acht Runden lang um das Hafenbecken, um die beste Mannschaft anzuheuern. Unser Bewegung bestimmen wir anhand von Bietkarten nach Art von „Hol’s der Geier“. Wenn zwei Spieler zufällig die gleiche Bewegungskarte ziehen, müssen beide stehenbleiben.
    Unsere angeheurte Mannschaft besteht aus Karten, deren Wert wir erst kennen, wenn wir die Karte erworben haben. Dann liegt die Karte offen vor uns und und die Mitspieler können sie uns abluchsen, wenn sie zufällig auf das gleiche Feld kommen, auf dem wir stehen.
    In der Erweiterungsregel gibt es noch einen Kapitän, der uns ebenfalls Karten abluchst, ebenfalls mit einer gewissen Zufälligkeit, aber deutlich höherer Wahrscheinlichkeit. Den Kapitän können wir ersteigern, dann gehören die von ihm abgeluchsten Karten uns selber.
    Eine Art Blinde-Kuh-Spiel unter Blinden nachts im Dunkeln bei Stromausfall. Am Ende, wenn man nur noch eine einzige Bewegungskarte hat, fällt mit der Schrittweite sogar noch der einzige Freiheitsgrad weg, den wir im Spiel haben. Stefi schrieb bei FAIRspielt: „Kein Taktikergeschick nötig. Einfach nette Unterhaltung.“ Das war wohl auch schon im letzten Jahrtausend!
    WPG-Wertung: Aaron: 4 (wohlwollend), Günther: 4 (einschließlich eines halben Randolph-Gedächtnis-Punktes, „kaputt ist das Spiel nicht“), Moritz: 5 („spielt sich wie ein Familienspiel, ist aber kein Familienspiel“), Walter: 3 (möchte es nicht noch einmal spielen, weder mit seinen Kindern noch mit seinen Enkelkindern).
    4. “Bluff”
    Moritz stand mit 3:1 gegen Günther im Endspiel. Günther gab nach seiner Leib- und Magen-Strategie 1 mal die Fünf vor, Moritz hob ab 2 mal die Fünf, Günther auf 2 mal den Stern. Schweres Los für Moritz: Er hatte Eins, Zwei und Stern unter dem Becher. Was hättet Ihr gesetzt?
    Moritz legte den Stern und die Zwei heraus und würfelte mit der Eins nach. Eine Zwei. So einfach geht „Bluff“! In jedem Fall aber 4 vorzügliche Schachzüge der Beteiligten.
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.