„Sicherheit in der Kritik fordert uneingeschränkten Freimut. Die Liebe zur Wahrheit fordert als unerläßliche Pflicht unbestechliche Gerechtigkeit, und auch unsere Freunde werden darin keinen Grund zu Klage finden, weil die Kritik, die nur Gerechtigket und Wahrheit zum Gegenstand hat, und nicht von dem unheilvollen Streben besessen ist, schlecht zu finden, was gut ist, zwar einmal in die Irre gehen kann und sich zu einem Widerruf genötigt sehen kann, niemals aber jemanden verletzen wird …“ (Melchior Grimm)
1. “Camel Up”
Moritz kam pünktlich und wie erwartet um 18:43 mit dem Zug von einer Konzertreise aus Hannover an. Sabina, die Tochter des Hausherrn, kam zu einer Emergency-Übung aus Barcelona angereist und schloss sich spontan der Männerrunde an. Wir nutzten den letzten heißen Mittwoch, vor allem die letzte laue Mittwoch-Nacht dieses Jahres zu einer lockeren Runde mit lockeren Spielchen auf der Terrasse am Westpark.
Locker fing der Spielabend schon mal mit „Camel Up“ an, ein Spiel, das als ernsthafte Herausforderung von vier Spielhaien keine Chance gehabt hätte. Schon bevor dieses Spiel zum Sieger als „Spiel des Jahres 2014“ gekürt worden war, hatte Günther die Nase darüber gerümpft und wir haben das Rümpfen (fast) alle übernommen. Aaron hatte es sich damals nach seiner Siegerkür trotzdem zugelegt und gab es heute in der unerwarteten 5er Runde nochmals zum Besten.
OK, das Spiel wurde 2014 nicht um „Kennerspiel“ gewählt, sondern „nur“ zum „Familienspiel“ des Jahres. Diese Rolle kann es zweifellos ausfüllen. Günthers verbalisierte Unsicherheit: „Soll ich jetzt die blaue Farbe nehmen? Man weiß es nicht!“ steht über allen möglichen Zügen des Spiels. Man darf ein bisschen Wahrscheinlichkeiten üben, ansonsten aber locker drauflos spielen und sich von den Überraschungen des Würfels mitziehen lassen. Dafür ist es wenigstens schnell genug.
Zwei kleinere sachliche Kritikpunkte zum Design:
- Da es zulässig ist, dass alle Spieler ihr Oase-Plättchen während einer Epoche beliebig oft legen und verlegen dürfen, ist es – theoretisch – denkbar, dass ein Spiel nie endet. Eigentlich hätte eine solche Situation per Regel verhindert werden müssen.
- Für ein Kamel zu würfeln und es vorwärts zu ziehen, schafft zuweilen ganz neue Klarheiten, und zwar absolut unvorhergesehene. Der Spieler nach diesem Kamelbeweger hat dann die größten Chancen, darauf gezielt zu reagieren und dicke Punkte einzuheimsen. Dem letzten Spieler, vor allem in einer größeren Runde, sind hingegen alle Felle weggeschwommen, bevor er wieder am Zug ist. Das könnte man als “ungerecht” bzw. als Schwäche in der Balance ansehen.
Aber das alles stört doch alles keinen großen Geist. Zumindest in einer fröhlichen Familie. Wir haben heute bei „Camel Up“ viel – positiv – gelacht. Sicherlich lag das nicht ausschließlich an Sabina.
WPG-Wertung: Der bisherige Schnitt von 5,6 Punkten wurde heute deutlich verbessert: Moritz: 6 (das Spiel ist gar nicht so schlecht), Sabina: 7 (nett durchdacht, schnell, knackig)
2. “Krazy Wordz”
Kein Familienspiel, besonders nicht in der Modifikation als Aufgabenstellung für Erwachsene. Aber vier Männer und eine Frau, da kann man doch über Liebesschwüre, sowie über reale Tatsachen wie Scheidenkrampf und „mal groß mal klein“ eine ganze Weile süffisant lachen oder lächeln.
Aaron: “Eines der besten Partyspiele, die ich kenne. Kommt in jeder Runde an.“ Nicht umsonst ist er mit 8 Punkten der Spitzenreiter in unseren Wertungsnoten. Allerdings nur bis heute.
WPG-Wertung: Sabina vergab mit 9 Punkten („lustiges Partyspiel“) gleich zwei Punkte mehr als der bisherige Schnitt. Sie ist ja auch nur halb so alt wie unsere Riege älterer Männer.
3. “Karuba”
Sabina zog ab und die verbleibende Viererrunde konnte sich einem Maximal-4er-Spiel zuwenden: „Karuba“ von Rüdiger Dorn.
Wie bisher bei jedem Auflegen am Westpark tauchte unverzüglich die verwunderte Frage auf: „Was passiert, wenn alle das gleiche tun?“ Das wäre ein äußerst trivialer Spielverlauf, und alle Spieler würden mit der gleichen Siegpunktzahl auf dem Treppchen landen. Unbefriedigend! – Rüdiger Dorn hat glaubhaft versichert, dass das nicht vorkommt. Es kam bei uns bis jetzt auch nicht vor, irgendwann setzt ein Spieler doch andere Prioritäten als seine Konkurrenz. Immerhin haben diesmal Aaron, Moritz und Walter die ersten drei Teile identisch verlegt. Rüdigers Versicherung schien schon ins Wanken zu geraten.
„Karuba“ ist ein konstruktives, höchst friedliches Spiel. Interaktion wird klein geschrieben. Sie besteht im Wesentlichen aus einem Blick auf die Konstruktionen der Mitspieler, um beim Wettlauf zu den vier Zielen nicht zu oft einem Mitspieler hinterher zu laufen.
WPG-Wertung: Moritz ging mit unseren bisher guten 7,5 Punkten nicht konform: 5 (eintönig, keine Spannung. [Ihm fehlen halt die Kanonen, mit denen man die Konkurrenten vom rechten Wege abbringen kann!].
Heute fiel uns erstmals auf der Spieleschachtel HABAs Qualitätssiegel „Spieleabend approved“ auf. Damit soll versichert werden, dass „die HABA-Familienspiele in Spielerunden von Freunden und Familien getestet“ wurden. Aber hallo, ist das nicht eine Mindest-Anforderung bei jeder Spiele-Entwicklung! Gibt es denn stubenhockerische Einzelgänger, die im stillen Kämmerlein ihre Spiele entwickeln und sie dann auf den Markt bringen ohne sie in vielen Runden mit verschiedenen kompetenten Spielern der jeweiligen Zielgruppe getestet zu haben? Seltsam, seltsam!
4. “Bluff”
Im ersten Durchgang gewann Günther mit 5:0 gegen Aaron. Im zweiten Durchgang traten die Loser Walter und Moritz gegeneinander an. 4:0 für den Sieger. Wenn man’s kann ungefähr, ist’s halt ein reines Glücksspiel … [Nicht im Ernst!]
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.