Mein Gott, wohin muss man noch alles reisen, um seiner Metropolis-Spielidee einen Untergrund zu geben? In RdS kaufen wir mit Geld und Säcken an definierten (privaten) Verkaufsständen mit Farben und Symbolen Zug um Zug weitere (private) Verkaufsstände mit Farben und Symbolen dazu und dürfen uns periodisch – sofern wir das jeweils geforderte Besitztum Verkaufsständen und Symbolen erworben haben – in einem Netzwerk vorwärtsbewegen, bis der erste Spieler das Ende der Leiter erreicht hat. Wer dann in dem Konglomerat an Siegpunktquellen am meisten gesammelt hat, ist Sieger.
Die Art von Verkaufsständen, die jeder Spieler nutzen darf, werden ausgewürfelt und sind anfangs eine ziemlich eklige Restriktion (an Farben und Symbolen), doch im Verlauf des Spiels kann man diese alle mehr oder weniger umgehen.
Das Thema ist praktisch Null; wenn auf dem Spielplan ein paar schwarze Kleckse mit Symbolen aufgemalt sind, hat noch keiner der Spieler das Gefühl, ein „mutiger Forscher, Kartographen oder Astronom“ zu sein.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (Interaktion ist Fehlanzeige; spannend wie eine Excel-Buchführung) , Günther: 7 (in einer komplexen und variablen Umgebung muss man flexibel auf die gegebenen Umstände reagieren, leider etwas zu viel des Guten [Aaron: Das ist jetzt der Trend.]), Moritz: 5 (kein Designfehler, akzeptable Glückselemente, aber unübersichtlich und strunz-langweilig), Walter: 3 (7 Punkte für Ingenieurleistung, aber das interessiert doch nur ein paar wenige Freaks; keine Möglichkeit, „to have a plan“; mir macht es keinen Spaß, mir einen Weg durch das Dickicht an sich ständig ändernden Optionen zu suchen, die sich ein Autorengehirn ausgedacht hat.)
2. “Cat in the Box”
Klein und fein. Eine Idee, ein Spiel!
Obwohl Walter bei unseren komplexen Spielen mit umfangreichen Optimierungsaufgaben immer abkackt, kann er hier seltsamerweise immer noch punkten.
1. “Hey Yo” Ein kooperatives Spiel. Eines, das sogar am Westpark funktioniert.
Alle Spieler haben jeweils vier Karten auf der Hand, wählen reihum eine davon aus und legen sie in einer wachsenden gemeinsamen Reihe nebeneinander auf den Tisch. Danach ziehen sie sofort eine Karte nach.
Auf den Karten sind oben und unten je eines von insgesamt vier Symbolen aufgedruckt, rot oder grün oder gelb oder blau. Manchmal auch nichts. Weiterhin gibt es „Punchline“-Karten mit den gleichen vier farbigen Symbolen. Gemeinsame Punkte für alle Mitspieler gibt es für jede gespielte Punchline-Karte und für die ununterbrochene Sequenz davorliegender gleicher Symbole. Beim Ablegen der Karten sollten die Spieler also möglichst viele gleiche Symbole nebeneinander ablegen und die Reihe durch eine entsprechende Punchline-Karte abschließen. Falls ein Spieler keine geeignete Karte hat und eine ausliegende Symbolfolge unterbrechen muss, dann haben alle Spieler Pech gehabt und die Punkte für die Symbolfolge sind futsch.
Das Gute an „Hey Yo“ ist aber, dass die Spieler zwar ihre Karten nicht zeigen dürfen, aber beliebig viel darüber reden dürfen! Endlich mal ein kooperatives Spiel, bei dem die Kommunikation explizit zugelassen ist.
Der Gag des Ganzen, warum das Spiel überhaupt Spaß machen kann und kein dröges Puzzle ist, ist eine kleine, batteriegetriebene Rhythmus-Maschine. Die schlägt einen Takt und gibt ungefähr alle 4 Sekunden einen Pfeifton von sich. Dann muss der nächste Spieler seine Karte ablegen. Das schafft eine gewisse Spannung, einen gewissen Druck, und verhindert, dass die Spieler eine Ewigkeit über ihre Karten debattieren und die theoretisch beste Ablagereihenfolge ausrechnen. Es sorgt auch dafür, dass ein Spiel schnell über die Bühne geht. Die 38 Karten sind in knapp 3 Minuten ausgelegt und die Wertung kann erfolgen.
Man sollte nicht schneller ablegen, als vom Beat vorgegeben wird, aber keiner außer Moritz hat beim Aussuchen und Ablegen den Pfeifton abgewartet, alle waren im Eifer des Gefechtes jeweils schneller. Moritz war über das mangelnde Rhythmus-Gefühl seine Mitspieler ganz verzweifelt. Zumindest sind dafür keine Strafpunkte vorgesehen, wohl aber, wenn ein Spieler zu langsam gewesen wäre.
Das Allerdümmste an diesem Spiel ist – für mich – der zwanghafte Text, mit dem diesem abstrakten Ablegespiel ein Thema untergeschoben wird: „Ihr seid Mitglieder einer neuen Rap Crew und seid startklar für euer erstes Rapbattle. Haltet euch an den Beat, den der DJ vorgibt und rappt alle nacheinander. Haut das Publikum mit Reimen und krassen Phasen um.“ Allein diese verarschenden Zeilen würden mich daran hindern, dieses Spiel zu kaufen. Günther hat es getan.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (Dödelspiel), Günther: 5 (Partyspielchen), Moritz: 5 (Aus der Idee hätte man mehr machen können), Walter: 5 (Als kooperatives Spiel gegen eine zufällige Herausforderung OK. Ich habe aber jede Art von Lacher vermisst.)
2. “Terra Nova”
Ein abgestripptes „Terra Mystica“, was die Autoren auch zugeben und wovon sie von dessen Verlag das „Placet“ bekommen haben.
Wir besiedeln eine Hexalandschaft, indem wir uns, von jeweils zwei Ausgangspunkten ausgehend, Feld für Feld ausbreiten und darauf Häuschen bauen. Zu Beginn dürfen wir nur auf Nachbarfelder mit unserer Farbe bauen, aber wir dürfen andersfarbige Felder durch teures Umgraben in unsere Farben verwandeln. Häuser können wir zu Kontoren ausbauen und Kontore zu Palästen. Je mehr wir gebaut haben, desto höher sind die Einnahmen an Geld und Machtpunkten für die nächste Runde, mit der wir Hausbau und sonstige Entwicklungen bezahlen. Sobald unsere Siedlungen eine gewisse Größe erreicht haben, werden sie automatisch Städte und bringen uns weitere Vorteile.
Wenn wir uns in Schifffahrt engagiert haben, müssen neu zu belegende Felder nicht mehr in unmittelbarer Nachbarschaft liegen. Das bringt erhebliche Vorteile beim Besiedeln der verstreuten, uns zugeordneten farbigen Feldern, ohne sie umgraben zu müssen. Dabei sollten wir uns aber unserer Ausbreitung selber Schranken auflegen, denn bei Spielende werden die größten zusammenhängenden Gebiete nochmals extra honoriert.
Walter als Startspieler besiedelte nur am Anfang via Umgraben zwei Felder in der – umkämpfen – Spielmitte; den Rest des Spiels erfreute er sich über ungestörtes alleiniges Bauen in der Antarktis. Da er sich auch sonst wenig um die punkteträchtigen Züge kümmerte, wurde er Letzter! Obwohl er in jeder Runde der Startspieler blieb! (Spieldesign-Schwäche?)
Aaron als Mittelspieler fühlte sich schnell von den Bauaktionen seiner beiden Nachbarn eingeengt. Seine Dominanz im südlichen Westen konnte die Defizite in der Mitte nicht ausgleichen.
Moritz, als erfahrener Terra-Mysticus, entwickelte gleich in der ersten Runde seine Schifffahrt und belegte im Nu über das gesamte Spielbrett hinweg eine ganze Reihe seiner blauen Hexafelder. Das sah für ihn sehr gut aus. Eigentlich hätte er gewinnen müssen. Aber er hatte sich mit seinen Siedlungen zu sehr verzettelt und konnte nur eine einzige Stadt bauen.
ünther als Sieger schilderte post mortem seinen Siegeszug: „Ich glaube, ich hatte (gefühlt) die meiste Zeit mehr Material auf dem Brett und damit mehr Einkommen. Ich hatte am Ende auch als einziger zwei Städte gebaut – Moritz nur eine. (Er hatte ja gesagt, dass er möglicherweise mit der zweiten Stadt gewonnen hätte, da er damit 9 + 5 + 4 Punkte bekommen hätte.) Moritz hat auch mit der Gebietsmehrheit „relativ“ zu mir 8 Punkte verloren. Er hat mit seiner Spezialeigenschaft mehrere Einzelgebäude gebaut; das war zwar kurzfristig gut und günstig, gefährdete aber den sicheren/schnellen Bau einer zweiten Stadt.“
WPG-Wertung: Aaron: 7 (1 Punkt mehr als „Terra Mystica“; die Erfahrung bringt es halt), Günther: 8 (bleibt, aber mit Tendenz zu mehr; „Terra Mystica“ ist komplexer und bietet mehr taktische und strategische Möglichkeiten, aber man benötigt dafür auch mehr Erfahrung), Moritz: 8 (1 Punkt mehr als „Terra Mystica“), Walter: 7 (bleibt: konstruktiv; wenn sich alle Spieler allerdings schnell im Schiffbau engagieren, steigen Chaos-Komponente und Kingmakerei).
3. “Cat in the Box”
Unser aktueller Edel-Absacker behält seinen Charme. Leider ist er aktuell nicht mehr käuflich. Wer als Stichkartenspieler irgendwo irgendwie noch ein Exemplar davon ergattern kann, sollte es tun.
Um gleich mit dem Fazit anzufangen: Aaron und Günther hat das Spiel gefallen, 7 lockere Punkte von beiden, mir hat es nicht gefallen.
Wir ver- und ersteigern Scheiben, die aufgrund ihrer verschiedenen Eigenschaften (Farben, Formen, Namen …) in Kumulation und Diversifikation für jeden Spieler progressiv steigende Siegpunkte bringen. Der Auktionator wechselt reihum für jeweils eine Scheibe. Er fordert offen einen Mindestwert; die Mitspieler schreiben verdeckt auf, was sie zu bieten gedenken. Der Höchstbietende bekommt das Stück, der Preis bleibt, außer für den Auktionator geheim. Soweit sogut, „Modern Art – einmal reihum auf die Hand” lässt grüßen.
Wir können so viel bieten, wie wir wollen, bei jeder neuen Scheibe an unser voriges Gebot eine, zwei oder mehr Nullen anhängen. Tausend, Millionen, Billionen oder Quadrillionen, das spielt überhaupt keine Rolle. Jetzt kommt aber der Haken: Wer am Ende für seine erworbenen Objekte in Summe am meisten geboten hat, scheidet aus der Wertung aus. Ist er damit jetzt Letzter?
In unserer Dreierrunde brauchte ich bloß am wenigsten, also nur Einer, oder noch besser nur Nuller zu bieten, und schon war ich mindestens Zweiter.
Aaron verlangte als erster Auktionator für die erste Scheibe 50 Kröten, Günther bot geheim 500 und bekam damit das erste „Schnäppchen“. Ich hatte als Gebot nur eine simple 1 hingeschrieben und erntete von Günther und Aaron dafür kritische, fragende, vorwurfsvolle Blicke. Hatte ich etwas nicht verstanden? Günther verlangte für die zweite Scheibe gleich 10.000 (Zehntausend) Kröten und mir wurde ganz flau im Magen. Ich schrieb wieder nur ein 1 auf mein Gebotsschild . Aaron bekam die Scheibe; offensichtlich hatte er mehr als 10.000 investiert. Nur Günther wusste den genauen Betrag.
Für die restlichen 14 Scheiben hätte ich jetzt jeweils 700 Kröten hinblättern können, und wäre immer noch unter Aarons erstem Erwerb geblieben. Hätte ich Günther jetzt ein entsprechendes Abkommen vorschlagen können?
Bei der dritten Scheibe war ich Auktionator und verlangte wiederum nur meine obligatorische 1 Kröte. Wiederum strafende Blicke der Mitspieler, das erste Ansinnen zum Abbruch des Spiels wurde laut. Ja warum sollte ich mit meinem Eröffnungsgebot für ein Objekt, das ist nicht wollte, bis zu meiner Schmerzgrenze gehen? Wenn Aaron und Günther Interesse daran hatten – und das auch voneinander wussten, konnten sie sich auch ohne meine Vorgabe mit ihren Geboten in diejenigen Höhen begeben, die sie für richtig hielten. Sollte ich mit einem von mir absolut nicht gewünschten 20.000 beginnen, nur damit die beiden dadurch verlockt würden, vielleicht 100.000 (hunderttausend) zu bieten? Psychologen und Statistiker an die Front!
In einer Dreierrunde funktioniert das Spiel einfach nicht. Und ob es mir in einer 4er oder 5er Runde gefallen hätte, möchte ich stark bezweifeln. Es ist nicht mein Fall, ohne jeden Anhaltspunkt für irgendetwas von zweifelhaftem Wert eine hohe Summe hinzublättern, a) um es zu bekommen b) um zu verhindern, dass ein anderer es bekommt, c) um meine Mitspieler hochzutreiben, d) für etwas, was vielleicht kein anderer will, wenn e) meine hingeblätterte Summe am Ende todsicher kontraproduktiv ist.
Vielleicht könnte man das Spiel retten, wenn es die Regel aufnähme: ALLE Spieler einschließlich des Spielers mit dem höchsten Summengebot haben VERLOREN, nur ein einziger Spieler, der mit der höchsten Punktzahl, gewinnt und bekommt einen „Satzpunkt“. Soviele Sätze wie Spieler entscheiden über den Sieg.
Aber auch so hätte und hat das Spiel einen entscheidenden Design-Fehler. Ein Spielverderber kann ALLE Scheiben erwerben, indem er für jede Scheibe gigantische, in Zehnerpotenzen steigende Werte verlangt. Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert.
Erkennt ein einziger Spieler diese Spielverderber-Technik und bietet mit, so läuft er damit Gefahr, den Schwarzen Peter zu bekommen. Der Spielverderber braucht mit dieser Politik aber auch erst ab der zweiten Scheibe beginnen und kann so den Ersteigerer der ersten Scheibe zum Sieger machen. Er kann auch erst in den letzten Runden mit seinen irrwitzigen Geboten anfangen, einen willkürlichen Spielstand mit dieser Methode einfrieren und so den dann gerade führenden Spieler zum Sieger machen. Kingmakern nennt man das. Und kein Milligramm der Spielregel versucht, das zu verhindern.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (mit so jemandem wie Walter, ansonsten mit Tendenz zu 7; locker, man muss sich nur auf die Spielidee einlassen können), Günther: 7 (locker, ungewöhnlich), Walter: 3 (ich habe das Spielprinzip nicht verstanden; und was ich davon verstanden habe, macht mir keinen Spaß).
2. “Old London Bridge”
Wir setzen unseren einen Pöppel auf einen von 7 Arbeitsplätze und erwerben damit ein Bauteil für unsere private London Bridge; jedes Bauteile hat eine Ordnungszahl; die einzelnen Bauteile müssen mit monoton abfallenden Ordnungszahlen lückenlos nebeneinander eingebaut werden; hat das erworbene Bauteil eine höhere Ordnungszahl als unser aktuelles Endstück, dürfen wir es nicht dort einbauen, sondern müssen damit eines unserer fertigen Bauteile – an der passenden Stelle – ersetzen. Unsere Brücke wird damit nicht länger, was bei Spielende in einem empfindlichen Punkteabzug endet.
Außer einem Bauteil bekommen wir abhängig vom Arbeitsplatz auch noch 1 bis 3 Siegpunkte. Die Zuordnung Siegpunkte / Arbeitsplatz ändert sich von Runde zu Runde.
Außerdem bekommen wir alternativ einen der folgenden Nebeneffekte:
eine Aktionsprioritätenkarte mit Zahlenwerten zwischen 1 und 4, anhand der die Reihenfolge bestimmt wird, in der die Spieler ihren Pöppel setzen dürfen.
Fortschritte auf der Prioritätenleiste; wer weiter vorne ist, darf vor einem Mitspieler mit gleichwertiger Aktionsprioritätenkarte ziehen.
Die Erlaubnis, an der aktuellen Stelle unserer gebauten Brücke die Monoton-Absteigend-Regel zu unterbrechen.
Siegpunkte; die sind natürlich begehrt, aber oft genug passt das Bauteil nicht.
Die Erlaubnis, uns auf Seitenwege zu begeben, wo abschnittsweise Zusatz-Siegpunkte verteilt werden.
Eine Multifarbenkarte; jedes Bauteil hat eine definierte Farbe; die Effekte für Siegpunkte, Fortschreiten, Geld etc. sind um so höher, je mehr Bauteile dieser Farbe wir bereits in unserer Brücke haben. Da gelten solche Multifarbenkarten als Joker.
So bauen wir unsere Brücke lustig fort. Nach 12 Runden ist Schluss. In der 3er Runde, die wir waren, hat keiner keinem weh getan. Irgend ein Bauteil oder irgend Nebeneffekt ist immer gut.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (kleine Zufallseffekte, z.B. bei der Priorität, können sich hoch auswirken), Günther: 5 (zu dritt nur 4 ½; lockeres Familienspiel mit wenig Konkurrenz), Walter: 5 (lieb und brav, Planung nicht nötig und nicht möglich, wir leben von der Hand in den Mund und müssen Zug für Zug aus der gegebenen Situation das Beste machen).
3. “Cat in the Box”
Auf den ersten Blick kommt dieses Karten-Stichspiel, bei dem jede Karte jede andere stechen kann, recht chaotisch daher. Aber wenn man erst mal das Prinzip verstanden und seine Haken und Ösen kennengelernt hat, dann verlangt (und erlaubt) es auf einmal eine wohldurchdachte Vision, in welcher Reihenfolge man seine Karten ausspielt und wieviel Stiche man damit machen kann und möchte. Oder auch nicht.
Die „Krisenzeiten“ beziehen sich auf das spätantike römische Reich, das in der Flut von barbarischen Eindringlingen und einheimischen Usurpatoren unterging. Mittels Aktionskarten müssen wir unsere Aktionen steuern, uns politische, militärische oder populare Machtstellungen aneignen und ausbauen, und damit Siegpunkte anhäufen. Begehrt ist das punkteträchtige Amt des Römischen Imperators, allerdings ist es auch umkämpft, und weil man hier bei den Scharmützeln gegen alle Mitspieler und noch dazu gegen den römischen Mob schnell seine Kräfte verzetteln kann, ist dieser Posten ein zweischneidiges Schwert.
Vor gut fünf Jahren lag das Spiel zum ersten (und einzigen) Mal bei uns auf. Jetzt hat sich Moritz ein Expansion-Set dazu angeschafft, mit weiteren Aktionskarten, vor allem aber mit Regeln für mehrere Stohmänner-Rollen, so dass man dieses Spiel jetzt sogar als Solo-Variante spielen kann. Das kam uns gerade recht, denn wir konnten den Corona-erkrankten Aaron durch einen Stohmann ersetzen.
Jeder Spieler hat – nach der Wahl seiner Aktionskarten (wrap around, einschließlich Kartenpflege via Erwerb von mächtigeren Karten und dem Abwerfen der billigen Startaufstellung) – eine ganze Reihe von Optionen, in welcher Richtung er sich entwickeln will. Politik ist potent, besonders in Zusammenarbeit mit dem Militär, das mittels „eleganter Kampfwürfel“ (Moritz Lieblingausdruck, hier absolut zutreffend) zu den begehrten Machtpositionen verhilft.
„Time of Crises“ ist kein Aufbauspiel; es geht nicht darum, sich eine sichere Stellung und darin eine siegpunkt-generierende „Maschine“ aufzubauen, es geht eher darum, flexibel auf die aktuelle Situation (Stärken und Schwächen der Mitspieler auf dem Brett, Möglichkeiten der eigenen Kartenhand sowie auf schwächelnde lukrative Operationsgebiete) zu reagieren und pro Zug einen möglichst großen Punktreibach zu zelebrieren.
Moritz kannte sich mit den Haken und Ösen der Mechanismen am besten aus. Er hatte zuhause ja auch schon ausgiebig mit den Dummies geübt. Heute riss er sich blitzschnell den Römischen Imperator unter den Nagel und sauste auf der Punkteleiste davon. Günther versuchte, in der syrischen Provinz, einer Schwachstelle von Moritz‘ Hausmacht, ihn ein paar Federn lassen zu lassen, aber die Kampfwürfel waren dagegen. Walter versuchte es dann erst gar nicht, Moritz kleinzukriegen. Zudem hatte er mit Moritz ein – kontraproduktives – Stillhalteabkommen in Ägypten vereinbart. So wendete er sich antivandal von Afrika nach Spanien, um dort die bescheidenen Positionen von Dummy-Aaron zu beseitigen.
Moritz, der die Dummy-Züge kontrollierte, würfelte Aaron-spezifisch grottenschlecht, so dass Aaron ohne nennenswerten Widerstand Spanien aufgeben musste und stattdessen seinen Lebensabend in den weichen Betten der Pariser Lebewelt verbrachte. Walter gönnte ihm dort das militärisch reichlich abgesicherte Vie Douce und zog mit seinen Armeen in das leichtfertige Italien, wo ihm unversehens – Moritz schwächelte gerade – das Amt des Römischen Imperators zufiel. Allerdings hatte er dummer- oder unglücklicherweise unmittelbar zuvor dort einen aufrührerischen Mob installiert, der ihn auch in Sekundenschnelle aus diesem Amt wieder verjagte. Günther erbte für einen Appel und Ei diese Position und machte in dieser Runde so viele Punkte, dass er fast noch Moritz‘ Sieg gefährden konnte. Aber nur fast: als stolzer Imperator läutete der mit 64 Punkten das Spielende ein.
Wenn ich nach dem heutigen Abend den vorigen Spielbericht vom 21.7.2017 lese, dann wundere ich mich über unsere damalige schlechte Bewertung. „Schwachsinn hoch drei“ nannte Aaron (der richtige) die Reihenfolge, zuerst die Aktionskarten auswählen zu müssen und dann erst die Aktionen der Mitspieler und die bedrohlichen Zufallseffekte der Barbaren beobachten und darauf reagieren zu können. Das würde ich heute nicht mehr unterschreiben. Die Kartenauswahl ist ohnehin sehr eingeschränkt, und in diesem See&Attack&Roll-Spiel steht Flexibilität an oberster Stelle.
Vor 5 Jahren kam uns „für ein so deutlich zufallsabhängiges Spiel und für das im Prinzip zu gleichförmige Geplänkel zwischen Politik und Militär“ die Spielzeit viel zu lang vor. Ja, wenn man gewohnt ist, 4 Stunden lang Eisenbahngesellschaften zu betreiben und Investitionen in Aktien, Lokomotiven und Strecken scharf zu kalkulieren, dann muss man in der „Krisis“ seinen intellektuellen Spielermotor ganz schön herunterfahren.
Würde Günther heute immer noch urteilen: „Will ich es nochmals spielen? Wahrscheinlich nicht!! »Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte, das ist die gesamte Gewinn-Strategie«“? Gestern habe ich ihn nicht gefragt, heute hat er noch nicht geantwortet.
Bleibt Moritz bei seinen „nur“ 7 Punkten, weil „die einzelnen Züge zu lange dauern“? Zumindest Walter hebt seine bisherigen 4 Punkte auf 6. Viele Elemente der römische Militärpolitik sind hübsch integriert. Man kann tatsächlich „Visionen“ haben, wie man sein Spiel gestalten möchte, und es gibt viele Freiheiten, sein Süppchen zu kochen. Und wenn das Schicksal (oder der Würfel) einen Strich durch die Rechnung macht und einen auf die weichen Betten der Pariser Lebewelt reduziert: auch dort kann man sein Vergnügen haben. Mehr als in den Schützengräben vor Sewastopol.
WPG-Wertung: Noch nicht aktualisiert.
Nachträglich Günthers Meinung zum heutigen Spiel: „Haben wir es diesmal denn richtig gespielt?? Moritz‘ Aussage, letztes Mal wäre es nicht so schlecht angekommen, stimmt nicht … Den Dummy hätte man weglassen können – dann wäre es auch etwas kürzer gewesen. Die Kritikpunkte von letztem Mal stimmen weiterhin. Ich werde bei 4 (bis 5) Punkten bleiben. Ich bin ja bekanntlich nicht so der Fan von diesen Kriegswürfelspielen :-)“
2. “Cat in the Box”
Unser neuer Absacker hat nichts von seiner Eleganz verloren.
WPG-Wertung: Keine neue Wertung für ein 8 Punkte Spiel.
Ein Workerplacementspiel aus dem Hause Hans-im-Glück. Thematisch sind wir beim Aufbau einer neuen Zivilisation auf einem neuen Planeten, aber bis auf ein paar witzliche Anspielungen auf Moral und Unmoral in den irdischen politischen Zuständen ist vom Thema nichts zu spüren.
Unsere Worker hantieren mit den Elementen
Bauwerke errichten (eins nach dem anderen), nutzen (oft), verändern (selten), abreißen (noch seltener)
Produktion anwerfen (manchmal) und ggf. modifizieren (ganz selten). Dabei werden sieben verschiedene Ressourcen produziert, deren Unterschiedlichkeit nur manieristisch zum Spielgeschehen beiträgt, in erster Linie dienen sie dazu, sich darüber Geldmittel zu beschaffen.
Arbeiter akquirieren (anfangs) und mit ihnen Arbeitsschritte durchführen (sehr oft).
Politische Lobbyarbeit zu betreiben und daraus entsprechende Gefälligkeiten einzuheimsen (selten bis oft, je nach Gusto)
Stimmzettel für die nächste Präsidentenwahl abgeben (sowohl zwangsläufig als auch Ambitionen-orientiert).
Stimmbetrugs-Manipulationen vorbereiten (selten); Trump hätte seine Freude daran gehabt.
Geld ausgeben und Siegpunkte auf die Seite schaffen (ständig).
Jeder platzierte Worker kann pro Zug gleich ein ganzes Bündel dieser Aktionen durchführen. Dazu muss er mit seinen Barmitteln jonglieren, seine Arbeiter sondieren, seine Bauwerke mit ihren spezifischen Nutzungsmöglichkeiten entsprechend seinen Ressourcen durchchecken, die angebotenen Sonderkarten-Aktionen bewerten und seine Ambitionen in der Lobby durchdenken. Ganz schön viel auf einmal. Ganz schön lang hintereinander – für die Mitspieler.
Nach einem definierten Schema werden Wahlen abgehalten. Der Wahlvorgang ist bemerkenswert: nicht wer die meisten Stimmen in der Urne hatte, wird Präsidentin, sondern wer beim Leeren der Urne zufällig die meisten eigenen Stimmzettel auf seine Seite bringen konnte. Jeder Spieler bekommt anschließend entsprechend seiner Rangfolge ein Amt, das ihm in den nächste Durchgängen spezifische Aktionen erlaubt; die Präsidentin enthält die Befugnis, „Gesetzesvorlagen“ anzunehmen oder abzulehnen, woraus sich ganz analoge Aktionen ergeben wie oben.
Das Spielmaterial ist qualitativ hochwertig, die Grafik unterstützt vorbildlich das Spielgeschehen, selbst Walter hatte keine Schwierigkeiten, seine möglichen Aktionen und ihre Effekte daraus zu erkennen. Lediglich die Doppelfunktion von Geld und Siegpunkten ist problematisch. Die gleichen Scheine gelten auf der einen Seite als Geld, auf der anderen Seite als Siegpunkte. Verwechslungen sind sehr leicht möglich, auch wenn die Siegpunkte eigentlich nur abgelegt, ansonsten aber nicht mehr angefasst werden müssten, während das Geld ständig im Fluss ist. Da jeder Spieler aber gleich eine ganz Reihe von Kartenstapeln zu verwalten hat, die Siegpunktescheine zuweilen auch zum Zählen, Sortieren und Wechseln in die Hand genommen werden, kann es schon mal passieren, dass ein 20-Euro-Schein sich unversehens in 20 Siegpunkte verwandelt. Moritz passte wie ein Schießhund, dass Walters unbekümmerte Schlampigkeit keine unverdienten Früchte trug.
Ansonsten? Das Spiel ist ein überbordendes Konglomerat von Aktionen und Effekten, wie es heutzutage regelmäßig bei vielen Kickstarter Erzeugnissen angeboten wird. Offensichtlich war der Autor in seinen Ideenbaum verliebt, und keiner aus dem Test-Team hatte die Potenz, ihn zu beschneiden und zusammenzustreichen. Am Westpark gab es bei solchen Produkten bisher immer das geflügelte Wort: „Hier hat der Reifungsprozess von Hans-im-Glück gefehlt, um dem Spiel die nötige und mögliche Qualität zu geben.“ Das ist jetzt nur noch ein Spruch aus den seligen Zeiten des Prediger Salomo. Hans-im-Glück selbst hat diese Bäume ohne Wald herausgebracht.
WPG-Wertung: Günther: 5 (mit gutem Willen für HiG, zu viel Herumwursteln mit Geld und Siegpunkten), Moritz: 4 (ich finde das Spiel richtig schlecht; die einzelnen Züge dauern viel zu lange, da ist viel zu viel hineingepackt, das Thema ist hölzern, deutlich und schmerzhaft erkennt man die Veränderungen in Management und Entwicklungsteam bei HiG, Walter: 5 (viel Schweiß, wenig Esprit, sowohl beim Design wie beim Spielablauf).
2. “Cat in the Box”
Allmählich werden wir mit den geistreichen Mechanismen dieses überraschenden, neuartigen Stichkartenspiels vertraut. Viel Esprit, wenig Schweiß.
WPG-Wertung: Keine neue Wertung für ein 8 Punkte-Spiel.
Aaron bastelt mal wieder an einem neuen Spiel. (Wahrscheinlich sogar an mehreren.) Seine Jugendleidenschaft für „18xx“-Spiele wird wohl immer grünen, auch wenn sein jetziges „k-m-r“ (Arbeitstitel) nur ganz von der Ferne Ähnlichkeiten mit diesem Spieltypus hat. Es liegen Firmen aus, die wir gründen, deren Produkte aber noch gar nicht existieren, sondern die erst mit teuren Investitionen zur Marktreife gebracht werden müssen. Dann kommt die Gewinnphase, und wenn wir erfolgreich sind, können wir uns eine weitere eigene Firma einverleiben oder eine fremde Firma feindlich übernehmen und damit spielentscheidende Siegpunkte einheimsen.
In der heutigen Test-Runde ging es darum, die Balance zwischen der Finanzierung einer Firma und der Gewinnausschüttung unter die Lupe zu nehmen. Können Firmen durch Unbilden des Schicksals erst spät „floaten“ und schütten sie zu wenig aus, gehen sie alle in Konkurs, bevor sie überhaupt zum Leben erweckt wurden. Schütten sie dagegen zu viel aus, dann können alle neu auf den Markt erscheinenden Firmen unverzüglich gegründet und ihre Produkte auf den Markt gebracht werden. Dann kommt es nicht mehr auf das Timing bei Gründung und Beteilung an, dann ist es nur noch Run auf die ersten Merger. Ein Spagat zwischen zwei Möglichkeiten zum Scheitern.
Wohl dem Spiele-Design, das ohne einen Spagat über solche tödlichen Extreme auskommt.
Keine WPG-Wertung über ein Spiel in der Entstehungsphase.
2. “Cat in the Box”
Ein geiles, ganz neuartiges Stichkartenspiel. Auf den Karten sind Zahlen von 1 bis 9 aufgedruckt, und jeder Spieler bekommt 10 Stück davon auf die Hand. Erst mal legt jeder eine Karte davon verdeckt auf den Ablagestapel, dann werden wie üblich die restlichen Karten zu Stichen abgespielt. Wer die höchste Karte der ausgespielten Farbe zugibt, bekommt den Stich und spielt zum nächsten Stich aus. Wer die ausgespielte Farbe nicht bedienen kann, kann mit einer Karte der Trumpffarbe den Stich übernehmen. Soweit ist alles Standard.
Das Besondere daran ist, dass die Karten gar keine Farbe besitzen, sondern jeder Spieler kann beim Zugeben beliebig sagen, welche Farbe das jetzt sein soll. Das klingt fast chaotisch, ist es aber keineswegs. Auf einem Markierbrett wird markiert, welche Karten bereits gespielt wurden. Hat z.B. ein Spieler eine Sieben ausgespielt und gesagt, dies sei die „gelbe“ Sieben, dann wird ein Spielermarker auf das Feld „7-gelb“ gelegt, und kein Spieler kann mehr hinterher eine seiner Siebenen als „gelb“ deklarieren.
Wenn ein Spieler eine Farbe nicht mehr bedienen kann (oder will), dann kann er seine Kartenhand als „farbefrei“ erklären und eine beliebige Karte zugeben. Allerdings darf er später auch keine weitere Karte seiner Hand als eine von dieser freien Farbe deklarieren.
Siegpunkte gibt es für jeden gemachten Stich (es ist keine schlechte Strategie, bei einer Kartenhand mit vielen hohen Karten auf dieses Kriterium loszugehen) und für das richtige Vorhersagen der eigenen Stichzahl: dann bekommt man Siegpunkte entsprechend dem größten zusammenhängenden Gebiet mit eigenen Spielermarkern auf dem Markierbrett.
Da es von jeder Kartenzahl fünf Exemplare gibt, auf dem Markierbrett aber nur vier Plätze für jede Kartenzahl vorhanden sind, kann es passieren, dass alle möglichen Plätze für die Restkarten in der Hand eines Spielers belegt sind und der Spieler keine Karte zugeben kann. Dies gilt als „pradox“ und beendet sofort eine Runde. Der Spieler, der den Paradoxfall ausgelöst hat, bekommt Minuspunkte für jeden Stich, den er bereits gemacht hat. Wer also auf Teufel-komm-raus Stiche kassiert hat, muss aufpassen, dass er nicht paradox wird.
Alles wohl-designt, alles wohl-ausbalanziert. Dazu zählt auch, dass die Stichzahl, die man für sich vorhersagen muss, auf die Werte 1, 2 oder 3 begrenzt ist. Wer also eine wirklich „gute“ Kartenhand hat und damit fast alle Stiche, zumindest aber mehr als 3 macht, bekommt keine Vorhersagepunkte. Wer dagegen beim Kartenausteilen mit niedrigen Werten bedacht wurde, kann versuchen, ein möglichst großes zusammenhängendes Gebiet auf dem unteren Bereich des Markierbrettes abzustecken und dann wenigstens den einen vorhergesagten Stich, notfalls per Trumpf, zu machen.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (eigentlich kann man das Spiel nach einmaligem Spielen noch nicht bewerten), Günther: 8 (ein extrem innovatives Kartenspiel), Moritz: 8 (viel Handlungsfreiheit bei der variablen Nutzung der verschiedenen Kartenaspekte; das Spielergebnis wird zu 95% durch Einschätzung und Können, und nur zu 5 % von Kartenglück und Mitspielerchaos bestimmt), Walter: 8 (eine sehr gute Mischung aus Planung, Rechnerei, Beobachtung und Glück).
3. “Bluff”
Nachdem wir lange und erfolgreich den Friedensvertrag zwischen Russland und der Ukraine beraten, beschlossen und verabschiedet hatten, belohnten wir uns zur Entspannung und zum mentalen Ausgleich mit einem Absacker. Das konnte doch nur unser Leib-und-Magen-„Bluff“ sein, das vor mehr als zwei Jahren, am 1. Juli 2020 zu letzten Mal bei uns auflag.
Walter war im Nu draußen, David Moritz musste mit zwei Würfeln gegen die Goliaths Aaron mit fünf und Günther mit vier Würfeln antreten. Stein für Stein konnte er seine Widersacher schädigen und schlussendlich das 1:1 Endspiel gegen Günther gewinnen. Günther war hier mit Walters 1-mal-die-Vier-Strategie angetreten, 1-mal-die-Drei wäre erfolgreich gewesen.