Ein Christbaum ist ein geschmückter Nadelbaum, der zur Weihnachtszeit in Wohnungen oder im öffentlichen Straßenraum aufgestellt wird und meist mit Lichterketten, Kerzen, Glaskugeln, Lametta, Engels- oder anderen Figuren geschmückt ist. Dieser Weihnachtsbrauch verbreitete sich im 19. Jahrhundert von Deutschland aus über die ganze Welt. Der deutschstämmige Harvard-Professor Karl Follen brachte als Erster den Christbaum in die USA, der deutsche Albert von Sachsen-Coburg und Gotha brachte für Königin Viktoria den ersten Weihnachtsbaum nach England. Auch die Niederlande, Russland und Italien verdanken ihren Weihnachtsbaum den Deutschen.
Geschmückte Bäume gibt es allerdings schon seit Menschengedenken. So sollen bereits die alten Ägypter, Chinesen und Hebräer immergrüne Bäume, Kränze und Girlanden als Sinnbild des ewigen Lebens verwendet haben. Im Mithras-Kult wurde durch das Schmücken eines Baums zur Wintersonnenwende der Sonnengott geehrt, in nördlichen Gegenden wurde damit den bösen Geistern das Eindringen ins Haus erschwert.
In Österreich ist es in den letzten Jahrzehnten Tradition geworden, Christbäume an verschiedene Einrichtungen und Organisationen im Ausland als Geschenke zu überbringen. Auch der Christbaum auf dem Marienplatz in München stammte im Jahre 2011 aus Österreich. Allerdings war es ein „Problembaum“, bei starkem Wind hätte er auf die Straße stürzen können. Auch wollte man es den Umweltschützern recht machen und keine Schönheit, sondern eher ein rachitisches Exemplar fällen. Es bekam beim Empfänger auch sofort den Namen „Hunger-Fichte“.
Der diesjährige Marienplatz-Christbaum stammt aus aus Burghausen. Bereits seit 15 Jahren stand die oberbayerische Stadt auf der Warteliste, um München einen Baum zu spenden. Es ist offensichtlich noch schwerer, der Stadt einen Christbaum zu spenden als im Oktoberfestaufzug mitzumarschieren …
Was passiert mit dem Münchener Christbaum nach der Verwendung auf dem Christkindlmarkt? Am 6.1.2018 wird er wieder abgebaut und bei gutem Zustand als Maibaum weiterverwendet. Vielleicht ist es der ersten Maibaum, der den neu aufgeputzten Luise-Kieselbach-Platz schmücken wird.
1. “Christmas Tree”
Christbäume gibt es seit Jahrhunderten auch schon in Ungarn. Sie sind dort so stark behängt, dass man vor lauter Geschenken die Zweige nicht mehr sieht. („Jaj de pompás fa a karácsonyfa. Nincs árnyéka, csak játéka, jaj de pompás fa!“) Davon hat Balázs Nagy sich zu seinem Erstlingswerk inspirieren lassen.
Eine Weihnachtsbaum-Schablone ist in lauter Rautenfelder unterteilt, auf die wir rautenförmigen Christbaumschmuck (Sterne, runde und längliche Kugeln [Frage: müssen Kugeln immer Kugelform haben?], Lebkuchen und besonders die ungarische Christbaumschmuck-Spezialität: szaloncukor [Günther hielt das zugehörige Muster für „Pralinen“]) legen müssen.
In drei Runden erhält jeder Spieler jeweils 8 Rauten, die er sich – nach der Technik von „7 Wonders“ und vielen anderen Spielen durch 7 mal 1 Stück auswählen und den Rest weitergeben – peu a peu zusammenstückeln muss, und von denen er insgesamt 7 Rauten auf seinen Christbaum legt. Nach jeder Runde wird der aktuelle Baum nach variierenden Kriterien bewertet. Es kann z.B. Siegpunkte für jede angehängte Kugel einer gegebenen Farbe geben, oder für Zweier-, Dreier- und Viererkombinationen bestimmter Schmuckstücke in Reih’ und Glied, vorwärts, rückwärts, seit und bei! Lebkuchen zählen besonders viel, wenn sie an ihren vier Kanten mit den vorgeschriebenen Schmuckstücken eingeschlossen sind.
Jeder Spieler erhält zu Spielbeginn vier Karten mit möglichen Siegpunkt-Kriterien. Für jeder Runde wählt er eine davon aus und legt sie offen in die Tischmitte. Das gewählte Kriterium gilt dann für alle Spieler.
Bei Spielende werden zusätzlich noch gelungene Lichter-Kombinationen honoriert: das sind farblich passende Kanten an den Rändern der Rauten-Schmuckstücke.
Die Herausforderung des Spiels ist
- die zum erhaltenen Set an Schmuck-Rauten jeweils am besten passende Kriterien-Karte auswählen und auslegen.
- die richtige Auswahl der 8 Schmuck-Rauten zu bewerkstelligen. Merken was da so alles in Umlauf ist!
Zur Klarstellung der Reihenfolge: Man wählt eine Schmuck-Raute aus seiner Hand aus, legt sie auf seinen Christbaum und gibt dann alle restlichen Schmuck-Rauten an seinen linken Nachbarn weiter! Panta rhei, alles fließt einem nur so aus den Händen. - beim sequentiellen Auslegen der Schmuck-Rauten alle möglichen, vor allem aber die real existierenden Kriterien-Karten im Auge zu behalten.
- die reichlich belohnten Lebkuchen-Kombinationen und den Lichterglanz bei Spielende als permanente Nebeneffekte nicht zu vergessen.
Ganz schön viele Herausforderungen, die das gefällige Schmücken eines Christbaums zu einer intellektuellen Knobelei ersten Ranges werden lassen. Günther bedauerte, dass wir gleich mit dem Spiel für Fortgeschrittene eingestiegen sind. „Wir hätten doch das Kinderspiel spielen sollen.“ Vielleicht kommt bei weniger und nur einfachen Siegpunkte-Kriterien tatsächlich mehr Freude an den erzielten und honorierten Kombinationen auf. So war es eher ein (leicht) frustriertes Bedauern der – unweigerlich – verpassten Gelegenheiten.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (wohlwollend, weil Ungarn im Hause sind, „Knobelspiele sind nicht mein Fall“), Günther: 6 (für die Kinderversion, die eher ein lockeres Familienspiel ist), Walter: 6 (wegen der Ungarin und dem Szaloncukor, jede Reduzierung der Querbezüge in der Siegpunktausschüttung wäre dem Thema des Christbaum-Schmücken und damit einem mehr spielerischen Ablauf förderlich gewesen).
2. “Lorenzo, der Prächtige”
Ein Workerplacementspiel mit Würfeln.
Jeder Spieler hat vier Worker in den Farben weiß, schwarz, gelb und farblos, und alle Spieler zusammen haben drei Würfel in den Farben weiß, schwarz und gelb. Die drei Würfel werden pro Durchgang einmal gewürfelt und bestimmen damit die Potenz der farblich entsprechenden Worker. Das ist für alle Spieler gleich. Dem farblosen Worker ist kein Würfel zugeordnet, er hat zunächst mal die Potenz 0. Durch Abgabe von „Dienern“ kann ein Spieler aber die Potenz jedes Workers beliebig erhöhen, so bekommt auch der Nullinger ein gewisses Stichpotential.
Und was machen dann die Worker? Hier ist jetzt die gesamte Palette von üblichen Placements gegeben:
- neue Diener beschaffen
- Geld beschaffen
- Rohstoffe beschaffen
- Militärpunkte erwerben
- grüne Karten für landwirtschaftliche Produktionen erwerben
- die landwirtschaftlichen Produktionen aktivieren
- gelbe Karten für vorindustrielle Produktionen erwerben
- die vorindustriellen Produktionen aktivieren
- blaue Karten für Spielvorteile und Prämien erwerben
- lila Karten für direkte Siegpunkte erwerben.
Die verschiedenfarbigen Karten werden mit einer gewissen Konkurrenz zueinander erworben; der erste Spieler der die Karten einer bestimmten Farbe erwirbt, muss nur die Kosten für die Karte (Geld und/oder Rohstoffe und/oder Militärpotenz) bezahlen, jeder weitere Spieler muss zusätzlich noch 3 Geldeinheiten bezahlen. Neben den Kosten benötigt man zum Kartenerwerb auch noch eine vorgeschriebene Augenzahl für den Worker, die entweder durch den Würfel allein oder durch eine dazugelegte Anzahl von Dienern erbracht wird. Großer Vorteil für den Startspieler! Natürlich ist in „Lorenzo“ auch ein taktischer Mechanismus für die Vergabe der Startspielerpositionen eingebaut.
Konkurrenz gibt es genug. Auch beim Aktivieren von Produktionen spielt die Augenzahl des eingesetzten Worker und das Erster-Sein eine nicht unbedeutende Rolle.
Alles ist sauber beschrieben, alles ist leicht erkennbar, alles ist abgestimmt, alles wirkt in wohldefinierter, ausgewogener Weise aufeinander ein. Man muss sich spezialisieren, weil bestimmte erreichte Summen in der Endwertung hoch honoriert werden; man muss aber auch differenzieren, denn wenn man z.B. jede Menge Holz und Steine produziert, aber keine Produktion hat, in der man diese auch verbraucht, kleckern sie am Ende nur ein paar Siegpunkte hervor, obwohl sie während des Spiele solche klotzen sollten.
Um das Spiel zu beherrschen, müsste man es wohl ziemlich oft spielen, damit man den relativen Nutzeffekt einer jeden Karte genau einschätzen kann. Wir haben heute taktisch und strategisch wohl eher von der Hand in den Mund gelebt. Günther ärgerte sich über seine einseitige Produktionsmaschine, konnte am Ende aber doch noch sein gesamtes Holz vor der Hüttn loswerden und erreichte nicht zuletzt mittels der hohen Max-Grüne-Karten-Prämie den Spitzenplatz auf dem Siegertreppchen.
Aaron und Walter hatten mehr zufällige, opportunistische Produktionen aufgebaut, mit denen sich zwar gut leben ließ – in Lorenzo kann man mit jeglichem Spielzug gut leben – , aber ein Pappenstiel ist halt noch lange kein Spitzenplatz. Am Ende der über 2 ½ Stunden Spielzeit war bei beiden der emotionale Spannungsbogen auch schon etwas abgeschlafft.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (1 Punkte weniger als „Valetta“, dieses Spiel hat es nicht gebraucht, solche Spiele gibt es wie Sand am Meer), Günther: 6 (vorerst; um hinter die Schönheiten dieses Spiels zu kommen, muss man es häufiger spielen. Was soll man heute auch noch erfinden?), Walter: 6 (sauberes Design, gute Balance, reichlich Konkurrenz, lauter gute Spiel-Eigenschaften, am Ende aber doch nur ein Gewurl von undurchschaubaren Optionen und ihren schwer berechenbaren langfristigen Effekten).