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24.04.2019: „Opium Krieg“ ohne Opium

1. “An Infamous Traffic”

Aarons neueste Kauf-und-bastele-dir-das-Material-zusammen-Erwerbung geht um den Opiumkrieg in China. Eine unrühmliche Geschichte für den gesamten europäischen Imperialismus. Aber das Thema vereinigt natürlich eine ganze Legion schönster Konfrontationen und Kooperationen. China hat zunächst mal alle Häfen geschlossen. Die Handelsketten von der Opium-Erzeugung, dem Transport in die Häfen und den Vertrieb dazu müssen wir erst aufbauen.Jeder für sich oder in beliebiger Arbeitsteilung mit beliebigen Mitspielern. Ohne Schmuggler geht im Handel zunächst mal gar nichts. Normale bestechliche Beamte vervollständigen die Primär-Routen. Dann kommt die Polizei und eliminiert die Schmuggler; die Handelsketten brechen unverzüglich auseinander. Sogleich aber dürfen private Händler in die Bresche treten. Es gibt einen Verdrängungskampf um die Beteilung an erfolgreichen Ketten. Und diese sind knapp. Bis die Engländer antreten und Opiumkriege provozieren.

Viele schöne und innovative Elemente enthält das Spiel. Wir haben es nur falsch gespielt. Wir haben das unweigerlich stattfindende Auslösen der Opiumkriege übersehen. So wurde kein einziger Opiumkrieg abgewickelt, und so war bis zum Ende des Spiels auch nur ein einziges Gebiet für den Opiumhandel freigegeben. Hier hatte sich Moritz blitzschnell (mit Hilfe von Walters unbekümmerten Naiv-Zügen) eine Monopolstellung aufbauen können, von der er nicht mehr zu verdrängen war. Er dominierte alle Arbeitsbereiche und alle Handelsketten. Wenn sich ein solches Run-away-leader-Problem auch ohne unseren gravierenden Regelverstoß ergeben kann, dann würde ich dahinter einen Konstruktionsfehler sehen. “An Infamous Traffic” sollte doch kein Schachspiel sein, bei dem ein einziger kleiner Fehler über Sieg oder Niederlage entscheidet. Da wir das aber jetzt noch nicht beurteilen können, nehmen wir alle unsere jetzigen Wertungen zurück.

Nächste Woche wissen wir vielleicht mehr. Und dann können wir endlich mal wieder Günther mit einem Spiel überraschen, das wir bereits angespielt haben, nicht aber er. Und zwar eines, „das sehr viele Facetten besitzt, und deren Effekte und Zusammenhänge man erst lernen muss“ (Aaron).

WPG-Wertung: keine Wertung wegen gravierend falscher Regelhandhabung.

Moritz schickte während des Spiels ein Foto zu einem chinesischen Freund und erhielt von ihm postwendend folgende Antwort zurück, die ich unseren geneigten Lesern nicht vorenthalten möchte:

wowwwww ! Omg , very shame about that history, cuz China was very weak in the last century , anyhow these provinces all in the south of China , see in this map ,廣東 you could eat baby Suppe and baby mouse , 廣西 a lot of worms there , tasty very good ,湖南 (sh… MAO come from 湖南) but girls very hot like their food. professional always ,江蘇 more sweet dishes, they like sweet as same as 江蘇 girls , they are sweet , very soft pronunciation , shy ,exquisite skins ,the felling is like the first time you put a very fresh cherry in your mouth .江西 福建 安徽 浙江food and girls I don’t really like , 江蘇 is best on this map ,BTW , Opium is not good stuff , cherish your life and say no to Opium .

2. “CIV: Carta Impera Victoria”

Vollgepumpt mit Opium wollten wir uns kein zweites abendfüllendes Spiel mehr antun und begnügten uns mit leichten Kartenspielen.

„CIV“ lag bereits letzte Woche auf dem Tisch, und Aaron hat es wohlwollend beschrieben. Moritz sollte bei den unterschiedlichen Einschätzungen von Aaron, Günther und Walter ein weiteres Urteil abgeben.

Der erste Durchgang verlief schnell und linear. Bevor irgend ein Spieler sich auch nur irgend etwas Böses gedacht, geschweige denn ausgeführt hatte, hatte Aaron schon gewonnen: Das Kartenglück hatte ihm 7 Religionskarten zugespielt und keiner hatte seinem Sieg einen Stein in den Weg gelegt bzw. legen können oder wollen. (Walter wollte mit ebenfalls 7 Religionskarten einen Zug später schlussmachen.)

Im zweiten Durchgang war Walter der glückliche. Es dauerte etwas länger, und es wurden sogar zwei Steine geworfen. Trotzdem war es Walter gelungen, 5 Wissenschafts- und 6 Kulturkarten ausliegen zu haben. Dabei war seine Kulturpflicht mittels einer Utopiakarte bereits auf 8 Karten erhöht worden. Aaron stand jetzt vor dem Dilemma, entweder Walters Wissenschaft oder seine Kultur zu bremsen. Er entschied sich für die falsche Kategorie.

Mehr ist in diesem Spiel ja wohl nicht drin: 6 hübsche triviale Positiv-Effekte, die man sich aber erst einzeln erarbeiten muss, gegenüber 6 hässlichen Miesnickel-Effekten, deren Einsatz sehr viel leichter möglich ist, die auch entscheidend weh tun können, dem Miesnickel selber aber keinen Vorteil bringen. Warum sollte man die spielen?

WPG-Wertung: Die bisherigen Noten von 5, 6 und 7 ergänzte Moritz nach unten mit einer 4: (nicht wirklich gut, ein ähnliches Sammeln gibt es auch in „Res Publica“, dort aber viel besser; in CIV ist alles total glückslastig).

3. “L.A.M.A.”

Wer bei diesem Namen an keine buddhistische Mönchen und an keine südamerikanischen Haustiere denken will, darf die Buchstaben ruhig zu einem „lmaa“ verschieben. Im positiven Sinn. Denn früher oder später wird er in diesem mau-mau-ähnlichen Karten-Ablegespiel bei Sichtung seiner Kartenhand und dem Ablagestapel diesen Seufzer ausstoßen müssen, und die Mitspieler werden sich darüber freuen können.

Jeder Spieler hat eine Kartenhand aus Zahlenkarten und muss davon eine Karte nach der anderen auf den gemeinsamen Ablagestapel geben. Die abgelegte Karten muss mit der Zahl auf der obersten Karte des Ablagestapels übereinstimmen oder um genau 1 Zahlenwert höher sein. Das geht wrap-around, nach der sieben (die hier durch ein Lama dargestellt ist) geht es mit 1 weiter.

Wer auf der Hand keine passende Karte hat, muss vom verdeckten Stapel eine Karte nachziehen.

Warum das Spiel deutlich besser ist als Mau-Mau, liegt an zwei Effekten: Erstens: Ein Spieler kann beliebig vorzeitig passen, d.h. aussteigen, keine Karte ablegen und keine weitere Karte vom Kartenstapel mehr nachziehen, und bekommt die Summe der Zahlen in seiner aktuellen Kartenhand angeschrieben. Natürlich wie in Mau-Mau als Minuspunkte. Allerdings: Karten mit gleichen Zahlen zählen nur einmal; z.B. zählt ein Hand mit vier 3er Karten nur 3 Minuspunkte.

Der zweite Effekt: Wer seine Kartenhand total abspielen konnte, darf Minuspunkte abgeben: Wer 10 oder mehr Minuspunkte auf seinem Konto hat, darf davon 10 Punkte abgeben, wer weniger als 10 Minuspunkte hat, darf nur 1 Minuspunkt abgeben. So kann sich auch ein mehrfacher Loser schnell wieder in die Gewinner-Ränge bringen.

Walter versuchte sich in einem besonderen Trick: Er legte keine einzige Karte ab, sondern zog ausschließlich Karten vom Kartenstapel nach, bis er vielleicht 20 Karten auf der Hand hatte und seine beiden Mitspieler mit nur ganz wenigen Minuspunkten in der Hand passten. Jetzt durfte er noch beliebig lang seine Kartenhand abspielen, den Regeln nach aber keine einzige Karten mehr nachziehen. Doch da er eine lückenlose Kette aller Zahlenwerte auf der Hand hatte, war es natürlich ein Kinderspiel, die 20 Karten seiner Hand eine nach der anderen restlos ablegen zu können. Zwei Risiken gibt es innerhalb dieser Technik: man muss, bevor die Mitspieler passen, eine lückenlose Kette aller Zahlenwerte haben. Die Mitspieler dürfen nicht gleichzeitig die gleiche Technik anwenden, denn dann ist der Nachziehstapel verbraucht, ein Durchgang ist aus und die Handkarten werden gewertet.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (schnell erklärt und lustig, man kann es gut und weniger gut spielen), Moritz: x (doch nicht ganz so schlecht. [Der Zahlenwert hinter dieser Aussage wurde nicht genannt]), Walter: 6 (zum Warming-Up, hoffentlich ist der aktuell angenehme psychologische Effekt darin nicht zu bald ausgelutscht).

17.04.2019: Völker und Karten

  1. CIV: Carta Impera Victoria

Ein Kartenspiel mit Karten in 6 Farben und extrem einfachen Regeln. Zumindest auf den ersten Blick. Jeder Spieler hat 3 Handkarten und legt davon, wenn er am Zug ist, eine vor sich ab. Von jeder Farbe, von der mindestens 3 Karten (spielerzahlabhängig) ausliegen, darf dann die farbabhängige Sonderfunktion ausgeführt werden. Alternativ darf ein Spieler auch nach dem Ausspielen eine beliebige Karte seiner Auslage abwerfen und dann eine besonders starke, die Mitspieler betreffende Sonderaktion auszuführen. Wer als Erster 7 Karten einer Farbe vor sich ausliegen hat, gewinnt das Spiel. Schafft dies niemand bevor der Nachziehstapel aufgebraucht wird, entscheiden die Mehrheiten in den einzelnen Kartenfarben über den Sieg.

Was so einfach klingt, spielt sich doch etwas schwieriger als gedacht. Aus 2 Gründen. Zum einen müssen die insgesamt 12 Sonderfunktionen der Kartenfarben memoriert werden und diese optimal nutzen zu können. Zum anderen verlangt das Spiel eine gewisse Frustrationstoleranz, da es einerseits recht glückslastig ist und man beim Kartennachziehen gefühlt benachteiligt wird. Zum anderen sind die starken Sonderaktionen in der Regel zum Nachteil eines oder mehrerer Mitspieler und das kann sich dann schon mal wie Kingmakerei anfühlen.

Allerdings sind es gerade die starken Sonderaktionen, die dem Spiel seine Würze geben und überhaupt erst für eine gewisse Interaktion in dem Spiel sorgen. Nur damit kann man nämlich gezielt verhindern, dass ein Spieler durch Ablegen der 7. Karte gewinnt und das Spiel durch diesen Coup frühzeitig beendet. Stattdessen spielt man auf das „normale“ Ende mit leerem Nachziehstapel und den meisten Mehrheiten. Nicht leicht, da man ja zum Auslösen der starken Sonderaktion eine Karte aus seiner Auslage entfernen muss.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (Tendenz zu 6, schnell, taktisch, akzeptabel hohes Glückselement, wobei Glück und Frust in den gezogenen Karten liegt); Günther: 6 (Tendenz zu 7, hätte noch Lust, die verschiedene Unterstützungseffekte der Farb-Trios auszuprobieren), Walter 5 (das Achten auf Position und Ambition der Mitspieler ist ohnehin nicht sein Ding, hier sieht er besonders keinen Spielreiz darin, sich mit Lust und Liebe zu bemühen, dem aktuell Vor-dem-Abschluß-Stehenden Prügel zwischen die Beine zu werfen und ihn ins Mittelfeld zurückzuwerfen, ohne dass der sich dagegen wehren oder vorbauen kann und nur um damit irgendeinem anderen Spieler – mit geringer Wahrscheinlichkeit auch ihm selbst – aufs Treppchen zu helfen. Mag in einer Dödelrunde gut ankommen, aber nicht unter Bridgespielern.)

 

  1. Gentes

Wir spielten die Deluxified Version von Gentes, die im letzten Jahr als Kickstarterprojekt erfolgreich abgeschlossen wurde. Gegenüber der 1. Ausgabe von Spielworxx ist das „deluxified“ Material von exzellenter Qualität und sieht wunderhübsch aus. Dafür müssen

Aaron beim Insert-Puzzlen

aber vor dem ersten Spiel viele Spielsteine erst einmal mit Aufklebern versehen werden und das Schachtel-Inlay von Folded Space zusammengeklebt werden. Zwei Kleinigkeiten sind nicht optimal gelungen: Das Inlay besteht aus 20 Schachteln, die in die Schachtel gepuzzelt werden müssen (Bauanleitung aufbewahren!). Die Eieruhr-Spielsteine sehen zwar nett aus, aber die doppelseitig bedruckten Marker der 1. Ausgabe waren weniger fehleranfällig.

Gentes ist ein Zivilisationsaufbauspiel mit „action selection“ als seinem zentralen Mechanismus. Ist ein Spieler am Zug, wählt er eine von 6 Aktionen aus und führt sie durch. Jede Aktion kostet immer Zeit und/oder Geld. Hat man davon zu wenig, darf man die Aktion nicht ausführen. Gleichzeitig herrscht bei der Aktionsauswahl Konkurrenz, denn 5 Aktionstypen besitzen Aktionssteine, die der ausführende Spieler an sich nimmt und damit den anderen Spielern genau diese Zeit/Geld-Kombination vorenthält.

Der Zeitverbrauch ist clever über eine Zeitleiste gelöst, auf der es eine (rundenabhängige) Anzahl freier Plätze gibt. Auf diese wird der Aktionsstein zusammen mit der darauf angegebenen Anzahl Sanduhren gelegt. So füllt sich die Leiste Zug um Zug bis schließlich die verfügbare Zeit verbraucht ist.

Dabei darf man auch 2 Sanduhren auf einem Feld der Zeitleiste ablegen, um in dieser Runde Zeit zu sparen, muss dafür aber in der nächsten Runde auf die eingesparte Zeit verzichten. Eine sehr schöne Lösung, falls die Situation im Spiel gerade so optimal, dass man mehr Aktionen durchführen möchte, als aktuell auf der Zeitleiste verfügbar.

Als Aktionen stehen zur Verfügung:

  • Der Bau einer Stadt, die einem sofort und dauerhaft Vorteile bringt
  • Das Erwerben von Bauplänen für Gebäude
  • Das Bauen von Gebäuden
  • Das Trainieren von 6 unterschiedlichen Arbeitertypen, die für den Gebäudebau benötigt werden
  • Das Einnehmen von Steuern
  • Die Übernahme der Startspielerposition ab der nächsten Runde

Das alles klingt recht einfach, wird aber durch die vielen kleinen Nebenbedingungen, die zu bedenken sind, ziemlich komplex und kann schon mal zu langen Grübelminuten führen. Alles ist zwar planbar, aber gerade der Erwerb von Gebäudeplänen und das Trainieren der Arbeiter unterliegen einem beträchtlichen Mitspielerchaos, das man mögen muss. Auf der anderen Seite sind gerade diese beiden Aktionen immens wichtig: Das Erwerben der richtigen Baupläne zur richtigen Zeit gepaart mit dem Trainieren der richtigen Arbeiter für deren Bau können spielentscheidend sein. Gerade die richtige Zusammenstellung der Arbeiter für die 3. Zivilisationsstufe ist kritisch, denn deren Gebäude benötigen richtig viele Arbeiter und die Zeit reicht nicht, diese erst spät zu trainieren. Uns störte dabei etwas, dass es doch relativ wenige Trainingsaktionen pro Runde gibt (3 bei 3 Spielern) und man daher gegen Spielende und suboptimaler Planung für die ausliegende Gebäudewahl keine Chance hat, ausreichend viele Trainingsaktionen durchzuführen. Ob die Trainingsmöglichkeiten, die man über gebaute Städte erwirbt dies ausreichend kompensieren können?

Gentes wirkt trotzdem  rund, sauber konstruiert und balanciert auch wenn vom eigentlichen Thema recht wenig zu spüren ist und einige Regeldetails deshalb nicht wirklich intuitiv sind.

Deluxifiziertes Material

Eine gute Stunde brauchten wir für die allein Einführung, wobei die individuellen Karten und ihre Effekte nur global erklärt worden waren. Liverpool führte bereits 2:0 und wir waren noch nicht über den Bosporus gekommen. Die 2 ½ Stunden reine Spielzeit in unserer 3er-Runde fühlten sich allerdings kürzer an.

WPG-Wertung: Aaron: 7 (1 Punkt davon fürs tolle Material, mehr Arbeit als Spiel aber spannend, in einer Grüblerrunde muss es schrecklich sein), Günther: 6 (Eigentlich sollte ich es ja mögen: Worker Placement, interessanter Zeitmechanismus, mehrere unterschiedliche Entwicklungsmöglichen, sehr schönes Material, jedoch null Thema, was mir aber nicht wichtig ist. Allerdings gefällt mir der hohe Zufallseffekt und das Mitspielerchaos bei den Gebäudekarten und den Ausbildungen nicht … ja, die Auswahl der Karten artet fast in Arbeit aus, da man ja auch noch am Ende für überzählige Karten bestraft wird. Schade…), Walter 6 (darin enthalten ist 1 Punkt für die Ingenieursleistung des Autors und 1 Punkt für das vorzügliche Luxus-Material; das Spiel enthält viele Plus- und viele Minus-Punkte, gute Balance aber wenig Dynamik, zu lang und früher oder später repetitiv – zumindest nach häufigerem Spielen, Planung ist gefragt, aber bei den eingebauten Zufallseffekten und dem unvermeidbaren Mitspielerchaos doch nur Glückssache, zu viel Schweiß bei zu wenig Spiel).