Aaron hat diese Woche tatsächlich “Space Alert” als Teamtraining auf den Bürotisch gebracht. Lauter spiel-unerfahrene Mitarbeiter sollten mit diesem Spiel Erfahrungen in spontaner Führung und Kooperation sammeln. Moritz erinnerte sich an unsere damaligen Aggressionen (siehe Spielbericht vom 25. April) und wollte wissen: “Gab’s auch einen Walter?” Aaron: “Nein, alle haben die Regeln sofort verstanden?”
Ein forscher Kollege übernahm unverzüglich das Kommando und gab es bis zum Ende nicht mehr ab. Er war zwar ein Alpha-Tierchen, doch über seine Kompetenz wollen wir lieber den Mantel der Barmherzigkeit decken. Dazu gab es noch eine Beta-Kollegin, die weder zuhören noch folgen konnte. Diese Kombination ist tödlich.
Immerhin hat das Team gelernt, daß es nicht teamfähig ist.
1. “Conquest of Paradise”
Erst mal mußte entschieden werden, ob wir zuerst das lange (“Paradise”/Moritz) und danach das kurze (“River”/Aaron) Spiel spielen oder umgekehrt. Walter war für das kurze, da haben wir uns wenigstens ein komplettes Spiel reingezogen, wenn das andere länger dauert als die vorletzte U-Bahn. Die anderen waren für das lange zuerst, da ist die Wahrscheinlichkeit größer, das Spiel zu Ende spielen zu können. Walter gab sich nicht gleich geschlagen, schließlich werden Moritz’ Einstünder gewöhnlich weit nach Mitternacht abgebrochen, und “Conquest of Paradise” ist schon ganz offiziell für eine bis zweieinhalb Stunden ausgelegt. Peter fand den Kompromiß: “Mit Moritz’ Spiel fangen wir an, und wenn es Sch
ist, entscheiden P&W nach einer Stunde, ob wir es abbrechen.”
Dabei dauerten Spielaufbau und Regelerklärung schon für sich alleine bald eine Stunde. Spannend natürlich, wie immer. Moritz wußte alles und Peter wußte alles besser. Es gab unzählige Diskussionen über Regeln, die noch gar nicht vorgetragen waren. Doch der Teufel steckt natürlich im Detail und Moritz kann leicht noch einen Zauberspruch aus dem Hut (Regelheft) ziehen, wenn es gilt, sein Schäfchen ins Trockene zu bringen.
“Conquest of Paradise” ist eine Kreuzung aus “Maori advanced” und “Vinci light”. Auf einer Meereslandkarte in der Gegend von Polynesien startet jeder auf einer anderen Insel. Er muß Dörfer und Schiffe bauen, auf Entdeckungsfahrten ausgehen, neue Inseln entdecken und besiedeln, irgendwann mal seine Pflugscharen in Schwerter umwandeln und die Mitbewohner abmurksen. Wer damit am schnellsten die vorgeschriebenen Siegpunkte zusammengerafft hat, ist Sieger.
Das ganze ist ein amerikanisches Spiel, deshalb wird auf Aufgewogenheit und Planbarkeit kein so großer Wert gelegt. Und Kämpfe werden natürlich sozial-verträglich durch einen neutralen Würfelwurf entschieden.
Aaron und Walter mußten in einer Wasserwüste starten, wo sie ihre Zeit besser mit Whale Watching verbracht hätten. Moritz und Peter durften in einer paradiesischen Insellandschaft beginnen, und sich vom ersten Augenblick an auf den Geschlechterkampf mit den anmutigen Vahines freuen.
Entdeckungsfahrten macht man in die freien Meeres-Hexagons der Umgebung. Doch ob man eine herzerfreuliche Vahine findet oder nur eine einsame Wasserpuszta, das liegt an zufällig gezogenen Entdeckerplättchen. Diese enthalten so viele Puszta-Nieten, daß der Frust schon vorprogrammiert ist; es sei denn, man kann sich am gleichartigen Frust der Mitspieler wieder hochziehen.
Das Spiel schwingt unendlich langsam ein. In den ersten Runden hat jeder nur ganz wenige, eindeutig vorgegebene Entwicklungszüge. Dorfbau ist Pflicht, Schiffbau ist Pflicht, Entdeckungsfahrten sind Glücksache. Oft kann man auch gar nichts tun. Ohne Moos nix los, ohne Schiff kein Riff, ohne Mann keine Maus.
Nach einer knappen Stunde ohne einen einzigen freien, vernünftigen Zug drehte Walter’s Stimmung ins Aggressive. Moritz fühlte sich angegriffen, aber es ging nicht gegen ihn, sondern gegen das Spiel. Walter erinnerte Peter an die obige Abmachung. Doch der wollte nix mehr davon wissen. Er hatte gerade einen Plan gefaßt, wie er nach nur noch wenigen Runden eine Kriegsflotte aufrüsten und Moritz den Garaus machen konnte. An seiner Stelle schlug Aaron in die Bresche und plädierte für Abbruch. Unsere bisher erreichten Siegpunkten extrapolierte er zu einer Gesamtspieldauer von sechseinhalb Stunden. Da wäre vielleicht schon wieder die erste U-Bahn gefahren.
Das Spiel hat ein viel zu aufgeblähtes Regelwerk. Eine Menge davon ist absolut überflüssig, enthält keinerlei spielerischen Nährwert, sondern verlangsamt im Gegenteil den Spielfluß und bringt höchstenfalls Leerlauf und Frust statt Tempo und Lust. Peter: “Das Spiel hat Potential. Aber es hätte zu Hans-im-Glück gehört, damit man es dort tüchtig tuned”. Leider hat es diesen Prozeß nicht durchlaufen.
WPG-Wertung: Aaron: 3, Moritz: 7 (schon für 6 Punkte mit seiner Frau gespielt; die dabei vermißte Interaktion konnten wir heute leider auch nicht bieten, da wir noch vor dem ersten Würfelkampf abgebrochen hatten), Peter: 7 (möchte es in anderer Besetzung nochmals probieren), Walter: 3
2. “Wind River”
Peter: “Habt ihr was Deutsches?” Aaron: “Bestes deutsches Material!” Dirk Liekens hat es im Argentum-Verlag herausgebracht.
Das Spielbrett stellt eine Prärie aus Hexagons dar. Auf der einen Spielhälfte tummeln sich Büffel. Hier müssen die Spieler ihre Tipis aufbauen (für die Nach-Karl-May-Generation: “Tipi” = Zelt der nordamerikanischen Indianer) und sich langsam mit den Büffeln zur anderen Spielhälfte bewegen. Jeder Spieler bewegt die Büffel und seine Tipis, ernährt seine Tipi-Bewohner und baut neue Tipis. Jedes Tipi braucht mindestens einen Büffel, sonst verhungert es und wird vom Spielbrett genommen. Sind überzählige Büffel auf einem Tipi-Feld, kann man sich Nahrungsvorräte zulegen, um spätere Hungerphasen zu überbrücken. Wer am Ende die meisten Tipis ins Ziel gebracht hat, ist Sieger.
Ein ausgesprochenes Denkerspiel, das aber immer einen spielerischen Charakter behält. Es gibt eine Menge Strategien für erfolgreiches Vorgehen. Man kann vorneweg laufen, und ist dann immer ein bißchen am hungern. Man kann sich auch hinten halten und an den zurückbleibenden Büffeln dick und rund fressen. Man kann gegen die Mitspieler spielen und ihnen die Büffel von der Weide holen, man kann aber auch kooperieren und gemeinsam eine ausreichende Büffelherde um sich scharen.
Es gibt sehr viel Interaktion. Jeder Zug hat starke Konsequenzen auf die Versorgungslage der Mitspieler. Die Grenzen für Taktik und Strategie sind nach unserer kurzen Spielerfahrung noch längst nicht erfaßt.
Nach unserem ersten Eindruck scheint das Spiel aber eine kleine Balance-Schwäche zu haben: Wer als letzter ins Ziel marschiert, sollte die Möglichkeit haben, alle seine Tipis über die Runde zu bringen; er sollte deshalb Sieger werden. Demnach wird der Kampf vorwiegend darum entbrennen, wenigstens mit einem seiner Tipis hinten zu bleiben. Es kann aber sein, daß Moritz diese Vorgehensweise nur deshalb so erfolgreich praktizieren konnte, weil er alleine auf dieser Schiene fuhr. Vielleicht ändert hier Konkurrenz die Verhältnisse.
Doch auch ohne Konkurrenz könnte man hier gegensteuern, wenn die ersten Tipis im Ziel höher bewertet würden als die Letzten. Das brächte ganz andere Vorgehensweisen mit sich, dann hätte auch ein schnelles Spiel seine Chance. Es täten sich weitere Gewinnstrategien auf, zusätzlich zu den vielen, die das kleine, hübsche Spiel ohnehin schon hat.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Moritz: 7, Peter: 6 (Tendenz zu 5), Walter: 7 (Tendenz zu 8)
3. “Bluff”
Mal wieder eine Weltneuheit: Noch ziemlich in der Startphase mit 4 Spielern setze Aaron auf 4 mal den Stern. Und verlor alle seine 4 Würfel – weder er noch einer der 4 Mitspieler hatten unter ihren Würfelbechern einen einzigen Stern. Homerisches Gelächter.