1. “Der Taubertalexpress”
Unsere verhaltene Kritik vom November letzten Jahres zu diesem Spiel über das Transportieren von Passagieren und Waren im Taubertal, zusammen mit unserer Andeutung von Verbesserungsmöglichkeiten hat den Autor Christoph Kraus animiert, uns seine Ideen dazu vorzustellen. Er ließ uns auch gleich die zugehörigen Änderungen am Spielplan zukommen. Heute fand zum veränderten Design der Probelauf statt.
Moritz war bei unserer Premiere nicht dabei gewesen und musste erst eine Stunde lang mit Material und Regeln vertraut gemacht werden. Dann bekundete er, sein Erfahrungsdefizit zum Ausreizen von Extremsituationen ausnutzen zu wollen. Insbesondere reizte ihn am Spieldesign, dass die Minuspunkte, die für unbezahlte Arbeiter oder mangelnden Platz für Passagiere vergeben werden, auf Minus-5 begrenzt sind? Könnte man da nicht gleich zu Beginn mit seinen Anschaffungen ungebremst-gebremst in die Miesen gehen, um danach umso größeren Gewinn zu machen? Kann man nicht! So leicht lässt sich Christoph nicht aushebeln. Eine „Hungerstrategie“ gibt es im Taubertal nicht, zumindest keine gewinnträchtige. Auch Moritz musste sich der mühsamen Arbeit von Ackerbau und Viehzucht unterziehen, um seine Güterwaggons mit den daraus gewonnenen Gütern beladen zu können.
Walter mit Stammsitz im Badischen verzichtete wie beim letzten Mal auf den Güterverkehr und versuchte allein über schnellen Passagierverkehr seine Kassen zu füllen. Dieses Vorgehen fand Moritz unter seiner geistigen Würde, sondern höchstenfalls passend zum Intelligenzquotienten seines rechten Nachbarn, der mit dieser Qualifikation durchaus leben konnte. Aber irgendwie verschob sich der Stimmungsschwerpunkt ins Negative.
Auch Aaron verlegte seinen Wirtschaftsschwerpunkt auf Passagiere. Dazu baute er seinen Zug gleich auf drei Personenwaggons aus. Aus seiner Hessenecke ertönte dann allerdings periodisch ein verzweifeltes „geil“, wenn der Kraichgauer gerade mal wieder einen Passagier auflud, den er selber gerne transportiert hätte. Oder es ertönte ein ärgerliches „Schwachsinn”, wenn die Ressourcensteine nicht die geforderten Farben hatten. Vielleicht auch umgekehrt. (Vielleicht auch aus einem anderen Grund, der mir bis jetzt nicht ersichtlich ist.) Diese vorzeitige monotone „Wertung“ wies der gebürtige Unterfranke Walter zurück, der sich das genüssliche Herumreisen in seiner Heimat nicht vermiesen lassen wollte.
Der zugereiste „Unterfranke“ Günther war der einzige, der ruhig und sachlich alle Gegebenheiten des Spieldesigns kennenlernen, ausreizen und erst hinterher sein Werturteil dazu abgeben wollte.
Aaron hatte sich recht früh das „Stellwerk“ zugelegt, das ihm bei jedem Durchfahren der Hauptstadt Lauda einen Kohlestein zuschusterte. Im kleinen Grenzverkehr zwischen Tauberbischofsheim, Grünsfeld und Königshofen konnte er fast beliebig Passagiere transportieren, ohne dabei wesentlich Treibstoff zu verbrauchen. Als er dabei aber auch versehentlich eine nicht-vorhandene Direkt-Verbindung zwischen Königshofen und Schwäbisch Hall präjudizierte, konnte sich Walter nicht enthalten, den Zicke-Zacke-Kurs-Irrtum durch Lauda zu bewitzeln. Das war zu viel für Aaron. Er wollte nicht mehr weiterspielen. Walter vollendete diesen Vorsatz. Wir hatte ja auch schon zwei Stunden lang eine knappe Hälfte des Spiels absolviert.
Fazit: Auch wenn das Spiel hübsche Mechanismen präsentiert und eine Vielzahl verschiedenartiger Strategien zulässt, ist die Spielzeit für ungeduldige, grüblerische, die Lokalitäten nicht goutierende Spieler zu lang. Wo geht die Zeit flöten?
- Das Abchecken der ständig wechselnden abholbereiten Passagiere nach Start und Zielort und ihre Integration in die eigene aktuelle Streckenführung stellt ein nicht unerhebliches Transportoptimierungs-Problem dar, das bei jedem Zug neu gelöst werden muss.
- Das Aufnehmen und Abliefern von Passagieren mit dem damit verbundenen Umschlag von Ressourcen kann eine gewaltige Kettenreaktion nach sich ziehen, besonders wenn man bereits eine ganze Reihe von Personenwaggons gefüllt mit Passagieren in seinen Zug aufgenommen hat.
- Das Handling der bunten Ressourcen-Steine ist nach wie vor unnötig kompliziert. Das Überlegen, welche Farben ich mir zulege, um zusammen mit den Farb-Erträgen durch die Passagier-Ablieferung im richtigen Moment die richtige Farbauswahl für geplante Bauvorhaben zur Verfügung zu haben, ist zeitaufwändig und fehleranfällig.
Wie könnte man die Spielzeit verkürzen?
- Moritz kam mit dem Vorschlag, die beim Abliefern eines Passagiers erhaltenen Ressourcen nicht sofort wieder in Kohle für die Weiterfahrt umsetzen zu dürfen. Das könnte noch eleganter dadurch gelöst werden, dass beim Abliefern von Passagieren überhaupt keine Ressourcen ausgeschüttet werden, sondern ausschließlich Siegpunkte und Geld.
- Die Kettenreaktion beim Personentransport könnte auch dadurch eingeschränkt und die Auszeit für die Mitspieler entsprechend verkürzt werden, wenn jeder Passagier mindestens für die Dauer eines Aktionszuges im Zug bleiben müsste. Aber das ist nur ein Schnellschuss.
- Die Mehrfarbigkeit der Ressourcen könnte überhaupt abgeschafft werden. Wenn ich an verschiedenen Stellen schon weiße, gelbe, blaue oder lila Ressourcen in beliebiger Zusammensetzung an mich nehmen kann, warum werden dann die Farben überhaupt unterschieden?
- Das mühsame Erkennen von Start- und Zielort für jeden Passagier könnte durch eine massive Farbgebung unterstützt werden. Dann wäre viel schneller zu erkennen, welche roten Passagiere für meine anvisierte Fahrt ins Blauland passen könnten. Aber das wäre natürlich kontraproduktiv zu den Ambitionen des Verkehrs- und Tourismus-Amtes in Lauda-Königshofen. Wir sollen uns doch allgemein und lokal-geographisch bilden, wenn wir den Wilhelm Conrad Röntgen von Heilbronn nach Würzburg transportieren und nicht einen gelben Pöppel ins schwarze Rechts-Außen.
- Bleibt noch der triviale Vorschlag, jedem Zug gleich zur Startausstattung einen Güterwaggon mitzugeben und dafür die Rundenzahl von 7 auf 6 zu verkürzen. Christoph Kraus wird schon wissen, warum er das anders eingerichtet hat.
Auf jeden Fall ist „Der Taubertalexpress“ ein gelungenes Objekt im Portefeuille für Öffentlichkeit der Stadt Lauda und quasi ein „Must Have“ für Spielkenner aus dem Drei-Länder-Eck. Noch dazu offenbart es im Spiel zu zweit seine besonderen Duell-Qualitäten. Spielekenner aus anderen Regionen unserer Republik werden dagegen nicht so schnell ein Auge gegenüber dieser oder jener Schwächelei zudrücken.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (bleibt, zu viele Frustelemente), Günther: 5 (die Tendenz realisiert, eine halbe Stunde für eine Hauptrunde ist immer noch zu lang), Moritz: 4 (eine Mischung aus „Age of Steam“ mit „Thurn & Taxis“; die verschiedenen Strategien sind gut ausbalanciert, Development im Sinne von „stream lining“ hat gefehlt), Walter: 7 (für die Ingenieurleistung und die Heimat).
2. “QE (Quantitative Easing)”
Letzte Woche hatte Walter schlechte Noten hierfür verteilt, heute sollte auch Moritz seinen Senf dazu geben können. Er konzentrierte sich dabei stark auf Walters vermeintliche Behauptung: „das Spiel ist broken“, dabei hatte der nur gesagt: “das Spielprinzip macht mir keinen Spaß“.
Walter begann mit der Drohung, das Spiel so zu spielen, dass sein „Kaputt-Machen-Können“ zum Tragen kommt. Sollte das jetzt heißen, dass er wieder nichts bieten wolle oder dass er mit superhohen Geboten alle Scheiben erwerben und so das Spiel verderben wollte?
Moritz als Neuling begann die Auktion mit einem vorsichtigen 100er Gebot, und Walter bekam die erste Scheibe. Wieviel hatte er geboten? Günther raunte etwas von Millionen.
Aaron versteigerte die zweite Scheibe für 1000 Euro, und wieder bekam Walter den Zuschlag. Selbst die dritte Scheibe, für die Günther schon mal 10.000 Euro angesetzt hatte, ging an Walter. Der ließ die Katze aus dem Sack, als er die vierte Scheibe für 30.000 Euro auf den Markt brachte. Er hatte sich also anders besonnen und – semi-geplant aber höchst erfreut – die ersten drei Scheiben für etwa diese Summe unter den Nagel reißen können.
Das war auch die Größenordnung, in der ab sofort die restlichen Scheiben ihren Besitzer fanden.
Der Vorsprung war fast nicht mehr einzuholen. Moritz hätte der Forderung von 30.000 Euro für die letzte Scheibe widerstehen sollen, dann wäre Walter doch noch ausgehebelt worden.
Hallo Michael, das Spiel “funktioniert zu viert oder fünft”. Tatsächlich! Zu dritt möchte ich das Funktionieren immer noch bezweifeln. Aber weder zu dritt, zu viert oder zu fünft möchte ich mich noch einmal darauf einlassen. Nicht einmal als Absacker.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (bleibt; ich könnte es den ganzen Abend spielen), Günther: 7 (bleibt), Moritz: 6 (das Spiel ist nicht broken. [WS: die beste Aussage, die sich Moritz zu QE herausquetschen ließ]); Walter: 4 (1 Punkt mehr; ich habe das Spielprinzip jetzt verstanden, aber mehr Spaß hat es nicht gemacht. Ich wüsste nicht, warum ich es noch einmal spielen sollte).