Walter hat von seinem Sohn eine Eismaschine geerbt und probiert jeden Tag eine neue Rezeptur aus. Heute gab es „Walnussparfait“ nach einem Vorschlag von www.chefkoch.de. Es wurde auch gleich zur Einstimmung am Westpark serviert.
Doch Aaron kann man mit lucullischen Erzeugnissen nicht überraschen. Er kennt einfach alles. Seine feine Zunge verriet ihm auch sofort, dass die Walnüssen mit Hasennüssen verlängert worden waren. Und dass vorher ein Krokant daraus gekocht worden war.
Natürlich besitzt auch er eine Eismaschine. Und sein Lieblingseis ist Pistazieneis. Nach einer Kostprobe in Frankreich selbst nach-er-empfunden: u.a. Pistazien kleinhacken, in Milch auskochen, absieben – und das Abgesiebte dann wegwerfen! Die teuren Pistazien! Ja, was ein richtiger Gourmet-Koch ist, der wirft unheimlich viel weg. Eine tüchtige Hausfrau könnte davon noch eine zehnköpfige Familie ernähren …
1. “Die Glasstraße”
Günther hatte das Spiel schon letzte Woche angedroht. Zwar der übliche Rosenberg-Schinken (= „tausenderlei Materialien zum Umwandeln und Hochrüsten“), aber ein Kennenlernen sind diese gigantischen Konstruktionen allemal wert. Noch dazu wo „die Glasstraße“ bei BGG als Neuzugang praktisch aus dem Nichts heraus in höchste Wertungsebenen emporgestoßen ist. Einführungstrost für alle: „Die Glasstraße“ ist ein „minimalistischer (+) Rosenberg (-)“, d.h. die relative Zurückhaltung in der gewohnt üppigen Ausstattung macht das Spiel auch für uns noch genießbar.
Jeder Spieler bekommt ein Landschaftstableau mit sehr viel Urwald und ein bißchen Nutzfläche in Form von Sandgruben, Tümpeln und Büschen. Der Wald muss gerodet und ebenfalls in Nutzfläche umgewandelt werden. Die Nutzfläche liefert Erträge, als da sind: Lehm, Holz, Kohle, Wasser und Nahrung. Wenn genügend davon beisammen ist, muss man daraus Glas herstellen oder Ziegel brennen. Mit diesen Materialen errichtet man schließlich Gebäude, die sich am Ende in Siegpunkte auszahlen.
Unsere Aktionen wählen wir in Form von Berufskarten aus einem für alle Spieler identischen Handset aus. Z.B. gewinnt der „Brandroder“ aus dem Urwald Holz und Nahrung, und der „Muldenarbeiter“ wandelt ein gerodetes freies Feld in eine Sandgrube um und gewinnt aus jeder bereits vorhandenen Sandgrube wahlweise Sand oder Lehm. Aus fünfzehn Berufen besteht das Handset. Fünf Berufskarten davon dürfen wir pro Runde vorauswählen, von diesen aber nur drei nutzen. Die anderen vorausgewählten Berufe treten nur dann in Aktion, wenn ein Mitspieler zufällig den gleiche Beruf ausgewählt hat und ausspielt. Dann partitionieren (!) wir an seinem Zug und schmälern gleichzeitig den Nutzeffekt des Mitspielers. Ein gewollter Zufallseinfluß! Gut oder schlecht, das ist hier die Frage! Ohne diesen Mechanismus wäre die „Glasstraße“ ein dröges Optimierungsspiel. Mit diesem Mechanismus ist es ein unberechenbares Optimierungsspiel. Verschlimmbesserung?
Sehr geistreich sind die Resourcen-Rondells konstruiert, nach denen man Primär-Rohstoffe in die veredelten Rohstoffe Ziegel und Glas verwandeln kann (oder muss!). Die Rohstoffe liegen innerhalb zweier ziffernblattartiger Kreise. Je zwei Zeiger teilen jedes Ziffernblatt in zwei Sektoren. In dem einem Sektor befinden sind sich die Zählmarker für die Rohstoffe, im anderen die für die Edelstoffe. Kommt eine Rohstoffeinheit hinzu, so wird der entsprechende Zählmarker im Uhrzeigersinn vorwärts geschoben; wird eine Rohstoffeinheit verbraucht, wird rückwärts gezogen. Sobald vom geringsten Rohstoff wenigstens eine Einheit vorhanden ist, muss der Sektorenzeiger weitergedreht werden. Dabei wird von jedem Rohstoff automatisch eine Einheit abgezogen, und vom Edelstoff kommt automatisch eine Einheit hinzu. Eine hübsche Idee. Schon allein sie ist für die Freaks unter den Spielern eine Anschaffung des Spiels wert.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (fast 8, die Spiellänge stimmt; etwas zu solitär, das Thema ist rein abstrakt; er konnte sich für die Zufälle bei der Berufszufall nicht erwärmen. [A.b.N: Wären es sonst wohl 10 Punkte geworden?]), Günther: 6 (fand das Glückselement eher lustig), Walter: 6 (sammeln und bauen, hoffen und leiden. Ein Nochmals-Spielen wäre rein zum Zeitvertreib).
Aaron gewann mit 21 Siegpunkten. Das zeigt, dass man hier mit jedem Punkt geizen muss. Frage an die erfahrenen Glasstraßer: Ist das jetzt normal“ oder haben wir in unseren vier Runden ungewöhnlich wenig Siegpunkte eingefahren?
2. “Helios”
Wir sind „Hohepriester“ in einer „entfernten Welt“ und suchen „Ruhm“ für einen „Eintrag in die Geschichtsbücher“. Na, wenn das kein konkretes Thema ist!
Wie in der „Glasstraße“ bekommt jeder Spieler ein Landschaftstableau, das er sukzessive mit Landschaftsplättchen ausbaut. Diemal sind die Plättchen aber nicht rechteckig sondern hexagonal. Die Erträge bestehen auch nicht aus Lehm, Holz oder Wasser, sondern aus grauen, grünen, blauen, braunen oder schwarzen Holzklötzchen. (Ehrlich gesagt, die abstrakten Farben gefallen mir hier mindestens genauso gut wie irgendwelche zusammengefaselten konkreten Begriffe.)
Mit den geernteten Holzklötzchen dürfen wir in einer Tempelstadt Tempel errichten, die unseren weiteren Landschaftsbau fördern, uns Mana (in Form von roten Plastik-Knöpfen) spenden, Siegpunkte einfahren und unseren Sonnenwagen auf Touren bringen.
Mit der Mana kaufen wir Personenkärtchen, die uns – nach Aktivierung über entsprechende Rohstoffzahlung – weitere Siegpunktquellen eröffnen. Beispielsweise bringt uns die „Prophetin“ am Ende für jedes Hexagon in unserem Landschaft zwei zusätzliche Siegpunkte ein. Eine wahre Feldsche Siegpunkt-Suppe im Kallenborn & Prinzschen Pelzmantel.
Und der Sonnenwagen? Das ist überhaupt die geilste Idee in „Helios“. Jeder Spieler hat einen Sonnenwagen (gelber Knopf), mit dem er um seinen Landschaftsgarten herumfahren kann. Jedes Landschaftsplättchen, das er dabei berührt, trägt Früchte. (Rohstoffe in den bereits genannten Farben). Hat der Sonnenwagen die Landschaft einmal umkreist – das geht natürlich schneller a) je größer seine Geschwindigkeit und b) je kleiner unser Garten ist -, gibt es ebenfalls Siegpunkte.
Die Aktionen der Spieler – Landschaftsbau, Tempelbau und Helios-Bewegung – sind nicht frei wählbar. Pro Runde wird von jeder Aktion eine begrenzte Anzahl freigegeben. Die Spieler greifen reihum zu. Und wenn eine bestimmte Aktion vergriffen ist, muss man sich – in dieser Runde – mit einer anderen begnügen. Das kann u.U. sehr peinlich werden, besonders wenn man seinen Sonnenwagen nicht mehr bewegen kann, so dass in dieser Runde keine Rohstoffe mehr nachwachsen.
Auch bei der Auswahl der farbigen Landschaftsplättchen herrscht große Konkurrenz. Jeder Farbe ist nur einmal vorhanden. Und da man für den Tempelbau bestimmte Farben vordringlich braucht, gibt es immer eine große Nachfrage nach den besonders einträglichen Farben. Dieses deutliche Interaktionselement ist aber eher defensiv als aggressiv: Es geht nicht darum, einem Mitspieler eine Aktion oder eine Farbe wegzuschnappen, man schielt nicht nach fremden Plänen, um sie zu durchkreuzen. Die Spielzüge haben eher zum Ziel, sich selber die unbedingt notwendige Aktionen für die eigene Weiterentwicklung abzusichern. Absolut familientauglich. Auch wenn das Spiel erst ab zehn Jahre empfohlen wird.
Walter suchte sein Glück als Speedy mit dem Sonnenwagen und ganz kleiner Landwirtschaft. Doch ohne ein Mindesteinkommen an Brot und Wein läßt sich nicht gut beten. Weit abgeschlagen wurde er Letzter. Günther ging sofort auf das Mana los, riß sich – mit Mana-Priorität – die besten Personenkarten unter den Nagel, und machte sich dann konsequent an den Ausbau seiner Latifundien. So wurde er mit 122 Siegpunkten Sieger vor Aaron mit 108 Punkten.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (einfaches rundes Spielchen, mit leider hunderttausend Siegpunktquellen und leider entsprechend umfangreichem Regelwerk), Günther: 7 (deutlich mehr Konkurrenz und Interaktion als beim Rosenberg), Walter: 7 (das Spiel ist schnell und funktioniert).
Frage am Rande: Warum heißt in „Helios“ der Sonnengott AHAU? Wäre MaKaMaPri (nach dem Autoren-Duo) nicht ein viel sinnigerer Name gewesen?
3. “Abluxxen”
Unsere Wahl zum „Spiel des Monats“ steht vor der Tür, und wir haben erst wenige Kandidaten zur Auswahl. Da sollten wir uns mit „Abluxxen“ (Spielbericht vom 1. April) doch noch mal einen der beiden Titelanwärter unter die Lupe nehmen.
Im ersten Spiel gab es eine üppige offene Auslage und keiner gönnte dem anderen das Nachziehen. Fast unbehelligt brachte jeder peut-a-peut seine Kartenhand im eigenen Auslage-Stapel unter. Aaron machte fertig und bekam 13 Siegpunkte; Günther und Walter hatten noch eine bzw. zwei Karten auf der Hand und bekamen entsprechend weniger.
Dann wurde uns allen bewußt, dass man nur dann gut punkten kann, wenn man die Anzahl seiner Handkarten systemmatisch erhöht. Und das geht nur durch Abluxxen: ein spannender Kampf um die höchsten und dicksten Kartenmultitupel begann. Höchstmaß an Interaktion. Bei jedem Zug, auch dem der Mitspieler, ist man involviert. Und der Glücksgöttin ist auch ein hübsches Plätzchen eingeräumt. Aber nach dem Gesetz der großen Zahl gleicht sich der Glückseinfluß früher oder später wieder aus. Wie beim Skat.
Aaron: „Das Spiel hat etwas von der Qualität von „6 nimmt“. Immerhin eines unsere beliebtesten Absacker-Spiele.
WPG-Wertung: Aaron, Günther und Walter erhöhten unisono ihre Wertungsnoten um einen Punkt auf je 8. Das nächste Spiel des Monats scheint gesichert.
Es lohnt sich offenbar doch, ein funktionierendes Spiel noch ein zweites Mal auf den Tisch zu bringen. Man kann dabei gelungene Details entdeckten, die einem beim ersten Mal schlichtwegs entgangen sind.
“El día de la bestia”
Ein Spiel von heute. Aber nicht auf dem Spieltisch am Westpark. “La Marca“ schrieb dazu im Internet:«Otra vez ellos, los alemanes. Otra vez él, Josep Guardiola. Otra vez el Bayern de Múnich, actual rey de Europa. »
Horst war deswegen extra zuhause geblieben, um am Fernseher die Bestie zubeißen zu sehen. Irgendwie war sie dann doch ziemlich zahnlos. Schaun wir mal, was am kommenden Dienstag passiert. Auch die Bayern tienen cojones. Hoffentlich.