Aaron war vor Kurzem noch ein business-excellenter Siemens-Manager. Heute ist er ein hoffnungsvoller Spiele-Autor, siehe „Yunnan“, „Diggers“, „Trawler“ und noch mehr. Dass er auch ein begnadeter Brot-Bäcker ist, haben wir schon im Session-Report vom 16.6.2010 angedeutet. Jetzt kam noch ein weiteres Talent zum Vorschein: Er erfindet auch Pudding-Rezepte! Solche, mit denen er in seiner Kindheit glücklich wurde, und die es plötzlich nicht mehr auf dem Markt gab. Und er veröffentlicht sie (vorerst nur eines) unter seinem Pseudonym „cavesham“ im Internet, nachzulesen unter www.chefkoch.de/rezepte/1247011229598400/Zitronenpudding-la-Majala.html.
Sein Rezept hat von den Nachköchern immerhin 4 von 5 Punkten bekommen. Und kein Leser hat gemerkt, dass man anstelle der angegebenen 50 Gramm Maisstärke besser nur 30 nimmt. Sonst wird die Masse zu steif, und das ist bei oralen Genüssen in der Regel kein Vorteil.
1. “Brügge”
Aaron hat tagelang von unserer spielerischen Hauptspeise der letzten Woche geträumt, und meinte, darin weiteren unentdeckten Schönheiten auf die Spur gekommen zu sein. Sein Vorschlag zu einer Spiel-Wiederholung wurde einstimmig angenommen. Immerhin kannte es Peter noch nicht.
Wir bauen weiterhin Häuser in Brügge, installieren Personen und Berufsgruppen darin, vom Amüsement über Handwerk bis zur Unterwelt und lassen ihren Punktesegen auf uns und in gewissen Grenzen ihren Fluch auf unsere Mitspieler herab.
Wie es sich für ein Hans-im-Glück-Spiel gehört (Entschuldigung, lieber Stefan Feld, Du bist ja der Autor), ist alles sauber austariert, alles läuft flüssig. In allen vom Zufall beeinflußten Konstellationen gibt es immer genügend Zugoptionen, etwas Sinnvolles, etwas Hoffnungsvolles, etwas Zielführendes zu tun. Für alle Nischen des Spielablaufs gibt es im Regelwerks Anreize, sie kennenzulernen und ausprobieren. Die 165 Personenkarten sind in ihren Effekten und in ihrer Kosten-Nutzen-Relation alle in der gleichen Größenordnung. Eben so, wie es sich für ein qualifiziertes Eurogame gehört.
In einer Situation stießen wir allerdings auf eine Regelunsicherheit, und wunderten uns darüber, dass sie HiG noch nicht aufgefallen war: Peter zwang mit seinem „Siegelmeister“ alle Mitspieler dazu, eine Handkarte abzuwerfen. Mit seinem Astronom konnte er dieses Effekt gleichzeitig verdoppeln, so dass alle Mitspieler schlagartig mit zwei Karten weniger dastanden und den nach dem Regelheft beschriebenen Spielablauf: reihum eine Karte zu spielen und entsprechend zu agieren „bis jeder Spieler 4 Karten aus seiner Hand ausgespielt, d.h. 4 Aktionen ausgeführt hat“ nicht mehr erfüllen konnte.
Dürfen sich die Spieler jetzt vom Nachziehstapel eine Karte ziehen oder verfällt ihre vierte Aktion? Wir diskutierten 10 Minuten über die plausibelste Lösung, dann suchte Peter im Internet unter FAQ, ob es dazu bereits Klarstellungen gibt. Es gab keine. Spielerisch in ihr Schicksal ergeben, aber auch etwas unbefriedigt verzichteten drei Spieler auf ihren vierten Zug.
In seinem vorletzten Zug schusterte Aaron mit seinem „Räuber“ allen Mitspielern noch einen gelben Bedrohungsmarker zu. Für Walter war es der dritte. Das kostete ihn sein gesamtes Barvermögen, 2 Siegpunkte für die verlorenen Bedrohungsmarker (er hatte den „Heerführer“), 3 Siegpunkte für den nicht mehr finanzierbaren „Ritter“ und 4 Siegpunkte für die nicht mehr verwertbaren Schutz-Figuren in seiner Auslage. Das waren 6 Siegpunkte zuviel, als dass es noch zum Sieg gereicht hätte. Kein Jammern. Schließlich hatte auch er ausgiebig einer Miesnickeligkeit gefrönt und seine Mitspieler zu schröpfen versucht. Doch immerhin ein Indiz für den Charakter des Spiels. Hallo Bernd, ich habe immer mehr Sympathie für Deinen Kommentar bei BGG.
WPG-Wertung: Mit 7 Punkten lag Peter mitten in der fast uniformen Wertung vom Westpark (schnell genug; die Interaktion ist – trotz eines gewissen negativen Touches – gut; man darf es nur nicht zu verbiestert spielen. Für mehr Punkte ist es zu unberechenbar). Die anderen sahen keinen Grund zu einer Änderung ihrer bereits vergebenen 7 Punkte.
2. “Die Paläste von Carrara”
Günther erklärte den heutigen Spielabend zum HiG-Tag und legte nochmals „Die Paläste von Carrara“ auf den Tisch. Diesmal wurde der versiegelte Umschlag mit den Erweiterungen geöffnet. Günther durfte das legal tun, denn er hatte das Spiel verschriftsmäßig schon dreimal gespielt. Uns Erst-Einmal-Gespielt-Habenden nahm er dann unter seine Fittiche.
Gemäß Erweiterungsregeln erwerben wir weiterhin mittels einer sehr hübsch ausgeklügelten Drehscheibe für den Rohstoffmarkt und seinen dynamischen Preisverfall Bausteine und bauen damit Villen und Paläste in sechs ausgewählten oberitalienischen Städten. Es gibt zusätzlich:
- variable, bei Spielbeginn jeweils zufällig gezogene Endebedingungen
- eine variable Prämierung der jeweiligen Bausubstanz bei Spielende
- zusätzliche Wertungsfelder
- neue Gebäudetypen mit Aufwertungen bei der Prämienausschüttung
- die Möglichkeit, Gebäude zu überbauen
- die Erlaubnis, Rohstoffe zu kaufen, ohne dafür die Drehscheibe zu drehen
Peter stellte sofort fest: „Ich bin überhaupt nicht sicher, ob ich die Erweiterungen mag.“ Am Ende waren sich alle sicher, dass sie nicht sicher waren. Die vielen variablen Siegpunkt-Quellen machen des Spiel unübersichtlich bis chaotisch. „Wie beim Blindflug!“ konstatierte Peter. Natürlich ohne Instrumente und ohne Instrumentenflugerfahrung.
Wir rätselten, wie die Erweiterungen entstanden sein mögen. Wahrscheinlich hatten die Autoren das Spiel fix und fertig designed, und der Verlag hat es später abgestrippt, um es selbst innerhalb einer anspruchsvollen Spielergruppe noch genießbarer zu machen. Doch weil man den Koryphäen Kramer und Kiesling nicht so einfach Kopf und Schwanz abschneidet, konnten sie es durchsetzen, dass ihr Gesamtwerk wenigstens in der Erweiterung den volle Erfindungsreichtum präsentiert. Hallo Günther, kannst Du diese sensible Frage klären?
Keine Änderung der WPG-Wertung, einhellig 8 Punkte. Man kann „Carrara“ bis zu seinem Lebensende wohl auch ohne die Erweiterungen spielen.
3. “Bluff”
Nach vielen Wochen der Abstinenz war Peter kurz vor der vorletzten U-Bahn noch einmal ganz scharf auf unseren unverwüstlichen Absacker. Er kam auch gleich mit 2:1 Würfeln Vorteil ins Endspiel gegen Günter.
1 mal die Fünf legte er vor. Günther zweifelte unverzüglich an. Diese Vorgabe ist nur ihm, dem Erfinder der Immer-5-Strategie erlaubt. Und richtig: keine Fünf lag unter den Bechern; es stand 1:1.
Klar, dass Günther jetzt mit seiner Immer-5-Strategie die Fünf in die Offensive ging. Das war auch sein Gesamtsieg.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
Hans
Nicht an den im Glück, sondern an unseren geschätzen ehemaligen Mitspieler Hans dachten wir zum Ausklang des Abends. Vor zwei Jahren bekamen wir von ihm die letzte Mail. Sein Geist schwebt über den Wassern, nur noch sein Körper lebt hier. Viel Glück.