Schlagwort-Archive: Die Tore der Welt

29.06.2016: Punkte für Helmut

Woran erkennt man einen erfahrenen, guten Spieler?

  1. Er kennt viele Spiele, und er spielt ALLE Spiele, die man ihm vorsetzt. (Manche allerdings nur 1 mal.)
  2. Er kann unverzüglich von jedem Spiel die Charakteristika sowie Stärken und Schwächen benennen.
  3. Er kennt seine eigenen Spiele-Vorlieben und kann sie schnell und sicher in eine klare Relation zum aktuellen Spieleangeot bringen.
  4. Er versteht blitzschnell den Regelvortrag eines neues Spiels, kann bei Unklarheiten sofort einhaken, und äußert kompetente und konstruktive Kritik an Regelwerk und Ablauf.
  5. Er hält kontrolliert wie unkontrolliert alle Spielregeln ein, und hilft auch – locker und spielerisch – seinen Mitspielern die Regeln einzuhalten bzw. irrtümliche Regelverstöße zu vermeiden.
  6. Er übernimmt wie selbstverständlich anfallende Service- und Verwaltungsaufgaben des Spielablaufes (z.B. Bankhalter), und ist darin unfehlbar wie der Stellvertreter des himmlischen Vater.
  7. Er kann der Spielverlauf repetitieren, er merkt sich die Effekte der Züge seiner Mitspieler, und kann deren Besitztum und Potenz auch dann einschätzen, wenn sie hinter einem Sichtschirm verborgen ist.

Moritz hat heute einen neuen Spieler zum Westpark mitgebracht: Helmut heißt er. Nach wenigen Vorstellungssätzen war klar, dass Helmut ein Spieler von dieser guten, erfahrenen Sorte war. Das bewahrheitete sich während des ganzen Abends auch in jedem Detail seiner Präsenz. Daran konnte selbst der Satz nichts ändern, der ihn in mitten im Tor der Welt entfuhr: „Ich bin ein Idiot, meine Herren, bin ich ein Depp!“

Helmut hat auch noch Humor. Hoffen wir, dass er noch häufiger unser Gast am Westpark sein wird.

1. “The cursed loot – Die verfluchte Beute”

Loot Island Prototyp
Loot Island Prototyp

Dies ist zur Zeit der Titel, unter dem Aaron’s bisherige „Diggers“ dieses Jahr in Essen erscheinen soll. Gegenüber dem letzten Spiel keine grundsätzlichen Regeländerungen, lediglich am (nahezu nebensächlichen) Beiwerk wurden ein paar Blätter eingefügt. Statt abgeschnitten.

Alte Design-Frage: Wann sind genug Variation erzeugende Elemente enthalten, wann muss ich noch ein bisschen Pfeffer dazutun, damit das Gericht auch übermorgen noch nicht langweilig schmecken wird, wann ist zuviel Würze hineingelangt? Letzteres gilt vor allem, wenn diese Würze sich auch noch in einer Ausweitung des Regelwerkes niederschlagen muss.

Helmut’s Wertung: Mir gefällt es sehr gut; es enthält viele Elemente in einer eleganten Balance. In der Grundversion würde ich einige Elemente weglassen und erst als Experten-Regel oder als Expansion wieder in das Spiel hineinbringen.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

2. “Die Tore der Welt”

Die Tore der Welt
Die Tore der Welt

Nicht zu verwechseln mit „Die Säulen der Erde“, beide nach Romanen von Ken Follett, beide von den Autoren Michael Rieneck und Stefan Stadler als Brettspiel umgesetzt, beides im Kosmos-Verlag erschienen, die „Säulen“ im Jahre 2006, die „Tore“ drei Jahre später.

Es scheint eine Menge Ähnlichkeiten in beiden Spielen zu geben, wobei wir uns an die „Säulen“ nicht mehr so genau erinnern konnten. Glücklicherweise helfen die Beschreibungen im Internet jedem Gedächtnis auf die Sprünge. (Hoffentlich auf die richtigen.) In den „Säulen“ produzieren unsere Handwerker Holz und Steine, in den „Toren“ nutzen wir dafür Aktionskarten, um diese Wirkung hervorzubringen. In den „Säulen“ errichten unsere Baumeister Bauwerke und unsere Händler verkaufen Fertigprodukte, In den „Toren“ haben wir auch dafür wiederum Aktionskarten.

Früher oder später werden ein paar Aktionen auch in Siegpunkte umgegossen. In den „Säulen“ hat uns das so gut gefallen, dass wir dem Spiel im Durchschnitt fast 8 Punkte vergaben, und es im Oktober 2006 sogar zu unserem „Spiel des Monats“ gekürt haben. In den „Toren“ verläuft alles viel träger, gleichförmiger und spannungsloser. Alle müssen wir einen Teil unsere Zug-Energie in Getreide umsetzen, das wir nach jeder der vier Spielphasen nachweisen und abgeben müssen. Alle müssen wir uns in jeder Spielphase ausreichend „Frömmigkeit“ und ausreichend Geld zulegen, um damit die Pflichtabgaben bestreiten zu können. Man kann (fast) alle seine sechs Phasenzüge praktisch ohne Berücksichtung der zeitlichen Reihenfolge durchführen, ja sogar (fast) ohne die Züge der Mitspieler berücksichtigen zu müssen. Unglücklich ist nur der seltene Fall, wenn es am Ende wegen zufälliger Häufung bei einem oder zwei Spielern, kein Getreide und keine Frömmigkeit mehr auf dem Markt gibt. Ansonsten ist alles, was man macht ist richtig und gut. Bei manchen Mitspielern ist es halt ein bisschen richtiger und besser. Schön, wenn das bei einem selber der Fall ist.

Hübsch ist der Mechanismus mit den Ereigniskarten und der Bewegung des Gunststeines: der aktive Spieler schustert jedem Mitspieler unterschiedliche Güter zu, sich selbst aber am meisten. Hierauf freut er sich schon lange vor seinem Zug und kann hinterher im Guten schwelgen. Da das Spiel aber grundsätzlich nur Gutes vergibt (bis auf die jeweiligen Zwangsabgaben am Phasenende), verpufft dieser Güter-Segen unter den anderen Segnungen des Spiel. Mehr oder weniger vollständig.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (bleibt, auch nur 5 Pkt für die „Säulen“), Helmut: 6 (es fehlt die Aufregung, die Dramatik; nichts, was man macht, ist notwendig, keine Unterlassung führt in die Katastrophe), Moritz: 7 (bleibt, ebenfalls 7 Pkt für die „Säulen“), Walter: 6 (bleibt, ebenfalls 6 Pkt für die “Säulen”). Aber man beachte Günthers 8 und gar Loredanas und Peters jeweils 10 (ZEHN) Punkte für die Säulen, aber nur 6 Punkt für die „Tore“. Wäre das heute immer noch so?

3. “Bluff”

Nichts Neues im Westen. Im ersten Spiel machte uns Helmut als Neuling sofort die Fliege, während Aaron sich in einem zähen Ringen gegen Moritz durchsetzte (oder umgekehrt). Im Rückspiel machte uns Moritz recht schnell die Fliege, und Neuling Helmut setzte sich groß und breit gegen Aaron durch.

WPG-Wertung: Helmut vergab 7 Punkte („Da hätte ich doch lieber 2 Stunden Bluff gespielt, als 2 Stunden lang ’Die Tore der Welt’“). – Die NUR 7 Punkte für Bluff sind der einzige Minuspunkt, den Helmut sich heute am Westpark aufhalste.

19.05.2010: Die Tore der Welt führen nach Krakow

Frömmigkeit lag in der Luft. Die Duftschwaden des ökumenischen Kirchentages in München haben sich noch nicht verzogen. Die netten freundlichen Jugendlichen mit dem Rucksack auf dem Rücken haben einen positiven Eindruck hinterlassen. Unwidersprochen wurde [von wem?] das Fazit gezogen: „Die Jugendlichen müssen doch beschäftigt werden. Irgendwo müssen die Hormone ja hin. Entweder zum Militär oder zum Kirchentag. Und somit liefert der Kirchentag einen wichtigen Beitrag zur Bevölkerungsentwicklung“.


Aaron hatte schon einen Blick auf das erste Spiel geworfen und konstatierte: „Frömmigkeit ist endlich“.
2. “Die Tore der Welt”
Wir werkeln an den Palästen des Abendlandes, dürfen dabei nicht unsere jährlichen Abgaben an Geld und Getreide vergessen, und müssen auch rechtzeitig ein paar Notgroschen in die Frömmigkeit investieren. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Denn Frömmigkeit ist endlich.
Wer nach 4 Runden am besten gepunktet hat, wobei Bausteine für die öffentlichen Bauwerke und die Heilung von Pestkranken am meisten einbringen, ist Sieger.
Schon vor einen halben Jahr bemerkte Aaron, daß „das Spiel nur so vor sich hindümpelt“, so war es auch heute. Interaktion bleibt ein Fremdwort, wenn man das zufällige Wegschnappen eines punkteträchtigen Zuges nicht dazu zählen möchte.
Moritz entdeckte Murphies Gesetz vom richtigen Spielverlauf: „Wenn das Pech zuschlägt, dann schlägt es bei Aaron zu!“ Der kam auf der Privilegienleiste fast immer nur auf die Loserfelder, die ihm keine Sondererträge einbrachten. So konnte er im Schweiße seines Angesichts gerade noch die Abgaben an Kaiser und Bischof erwirtschaften, zu Wohlstand und Siegpunkten reichte es nicht.
Walter flog in der ersten Runde die Wolle nur so in den Schoß und mit einem einzigen Verkauf konnte er genügend Knete erzielen, um sich für die nächsten Runden aller Pflichten an Geld und Frömmigkeit entledigen zu können. Er warf das Geld mit vollen Händen in den Klingelbeutel. Doch das rächte sich. In den letzten Runden musste er den Gürtel wieder enger schnallen. Moritz baute so schnell wie möglich zwei Häuser, mit deren Erträgen er seine Hungerphase hinter sich lassen konnte. Ein paar wenige Bausteinspenden zum Münster reichten zum Sieg. Obwohl ihm eine Ereigniskarte mit einem Schlag alle Pestkranken wegheilte und er anschließend mit seinem vorsorglich erworbenem medizinischen Überwissen in die Röhre schauen konnte.
In der ersten Runde wurden per Ereigniskarte alle Bauvorhaben gestoppt, und dieser Baustopp wurde bis zum Spielende nicht mehr aufgehoben. Walter meckerte lautstark über diesen Mangel im Spieldesign. Wie kann man wichtige Spielelemente (Baumaterial sammeln, Bauen, Spendensiegel erwerben) nach wenigen Zügen blockieren und bis zum Ende stillgelegt lassen?! Moritz hielt hier ganz entschieden dagegen: damit würden in der reichhaltigen Balance des Spieles nur ein paar Gewichte verschoben. Aaron pflichtete dem bei: „Das Spiel hat sowieso viel zu viele Elemente!“
Was ist das Geheimnis für den Sieg? Der Sieger verkündete: „Man muß seine Strategie den Umständen anpassen.“ Dies ist eigentlich die klassische Definition von „Taktik“. Doch das Spiel ist nicht einmal ein taktisches Spiel, man kann 0 (in Worten: Null) Züge voraus kalkulieren. Zufallseinflüsse von Ereigniskarten und Mitspielerchaos können sogar einen gewieften Nullzüge-Voraus-Taktiker aushebeln.
Noch dazu enschärft sich das Spiel selber: viele im Ansatz auseinanderlaufende Spielentwicklungen werden durch ausgleichende Regelelemente gebremst, so daß extremen Entwicklungen verhindert werden und dadurch eher ein bißchen Langweiligkeit Einzug hält. Moritz nannte das „eine typische Designfalle von Euro-Games“, also von eigentlich guten Konstruktionsprinzipien europäischer Spiele.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (früher 6), Hans: 6 („Familienspiel“, doch wohl eher für Elite-Familien), Moritz: 7 (hat wahrscheinlich den Ken Follett studiert), Walter: 6 (bleibt)
2. “Krakow”
Aaron hat das Spiel in Essen erstanden. Mit einer persönlichen Widmung der Autoren Peter Struijf und Melchior van Rijn. Leider können wir heute keine positive Rückmeldung geben.
Krakow ist ein chaotisches Stichkartenspiel mit einem Spielbrett als Nebenschauplatz. Jeder Spieler erhält pro „Quartal“ (Runde) 9 „Intrige-Karten“ in den vier Farben Rot, Grün, Gelb und Blau und mit Zahlenwerten von Plus 2 bis Plus 7 und Minus 0 bis Minus 9. Auf jeder Karte sind für jede der vier Farben unterschiedliche Plus- und Minuspunkte aufgedruckt.
Der Startspieler startet mit einer Karte einen Stich. Jeder Spieler darf eine beliebige Karte seine Kartenhand dazugeben. Das besondere dabei ist, daß jeweils zwei Spieler zusammenspielen: Ist die Summe der Pluspunkte für die ausgespielte Farbe größer als die Minuspunkte, die die Gegenspieler dazugegeben haben, so hat die „Intrige“ gewonnen und das Siegerpaar erhält Spielsteine zugesprochen, die sie in bestimmten Stadtvierteln des Spielplans ablegen kann. Haben die Minuspunkte der Gegenspieler die Mehrheit, so ist die Intrige verloren und die Gegenspieler dürfen zur nächste Intrige, d.h. zum nächsten Stich ausspielen.
Nach 7 Stichen ist das Quartal vorbei, die restlichen zwei Karten pro Kartenhand verfallen. Nach vier Quartalen ist ein ganzes Jahr vorbei und es wird gewertet. Die Mehrheiten der Spielerpaare in den Stadtvierteln liefern Siegpunkte, die beiden Spielern gleichmäßig zugute kommen. Soweit ist die Punktevergabe absolut paar-symmetrisch.
Und jetzt kommt ein überraschender asymmetrischer Siegpunktanteil, der aus dem Paarspiel doch noch ein Einzelkämpferspiel macht: die gewonnenen Intrigen jeder Farbe steuern ebenfalls Siegpunkte bei, doch die werden nur an individuelle Spieler vergeben. Jedem Spieler wird zu Spielbeginn eine bestimmte Farbe geheim zugeordnet, und die Intrigen seiner Farbe liefern nur ihm allein Siegpunkte. So muß jeder Spieler bei jedem Stich in sich selbst den gegensätzlichen Kampf ausfechten: Laß ich den Gegner eine Intrige in meiner Farbe gewinnen, gönne ihnen also die Spielsteine in der Stadt, erhalte aber dafür als einziger den Intrigenpunkt, oder spiele ich meine beste Gegenkarte um die Intrige scheitern zu lassen, so daß keiner etwas erhält, wir als Paar aber die nächste Intrige starten dürfen? Sinngemäß ähnliche Kämpfe mit umgekehrtem Vorzeichen muß man in seiner Brust über die Intrigen der eigenen Seite austragen.
Dieser Kampf ist nur theoretisch. Wenn man überhaupt eine geeignete Kartenhand bekommen hat, um die Intrigen beeinflussen zu können, dann ist es in der Regel lohnender, die Intrigen der eigenen Seite unabhängig von ihrer Farbe durchzubringen und die Intrigen der fremden Seite zunichte zu machen. Nur falls die eigenen Seite über die Stadtviertel schon genügend Siegpunkte eingeheimst hat, kann man den Gegner eine Intrige der eigenen Farbe durchbringen lassen und dem Partner eine Intrige einer fremden Farbe vermaseln. Das grenzt dann aber schon an Schäbigkeit. Zum Glück bleibt diese Schäbigkeit marginal, da jeder erst einmal froh ist, wenn er überhaupt eine Intrige für die eigene Seite entscheiden kann. Die Mittel dazu liegen nahezu ausschließlich in der zufälligen Kartenausteilung. Spielplan, Kartenpflege, Karten merken und Gegner ausrechnen etc. gibt es nicht.
Ein „Anfängerspiel“ von Krakow ist nach genau einem Jahr zu vier Quartalen von je 7 Stichen zu Ende. Ein Standardspiel besteht aus zwei Jahren, und ein „Expertenspiel“ aus drei Jahren. Nach Moritz’ Vorwarnung wegen schlechter Kritiken wollten wir uns auf ein Standardspiel beschränken.
Es waren einmal vier Ameisen,
die wollten gemeinsam nach Krakow verreisen,
nach einem Jahr wurden sie weise
und verzichteten sie auf den Rest der Reise.
WPG-Wertung: Aaron: 3 (das Spiel ist nicht kaputt und es hat schönes Spielmaterial), Hans 3 (erst nur 1 Punkt, von Aaron auf 2 Punkte gedrängt, weil das Spiel ja wirklich nicht „kaputt“ ist, für die antipapistischen Begleittexte noch einen Sympathiepunkt zugelegt), Moritz: 2 („Flaschenteufel ist besser“, doch das kann man mit Krakow überhaupt nicht vergleichen), Walter: 3 (viel zu viel Brimborium für ein Quadrat-Mau-Mau).
3. “Religion und Musik”
Nein, kein Spiel. Doch statt „Flaschenteufel“ als Kontrast zu „Krakow“ und statt „Bluff“ zum spielerischen Absacken diskutierten wir noch eine geschlagene Stunde über Kirche, Religion, Gläubige und Klerus. Darüber, daß die Kirche zu wohl keiner der zivilisatorisch-ethischen Errungenschaften unserer heutigen Gesellschaft einen wesentlichen Beitrag geleistet hat, herrschte Einigkeit. Moritz nahm dann leidenschaftlich die Rolle des Advocatus Diaboli ein. Ohne die katholische Kirche hätte das Abendland niemals diese einzigartige Entwicklung seiner Musik genommen. Kein anderer Teil der Welt hat dies aufzuweisen, keine andere Religion hat dies gefördert. Er sollte es wohl wissen.
Mit traurigen Einsichten in den losgelassenen Kapitalismus und die Bänker-Moral ging der Abend zu Ende.

11.11.2009: Sumeria vor den Toren der Welt

Nie mehr Streit darum, wer anfängt. Das verspricht Ted Alspach mit einer speziellen Erfindung: Ein Kartendeck namens “Startspieler”. Man zieht daraus blind eine Karte, und diese enthält dann eine Anweisung, wer Startspieler wird. Z.B.: “Startspieler wird, wer die größten Hände hat.” Oder “Startspieler ist, wer als nächstes Geburtstag hat”.
Nach den “exakten Berechnungen” des Verlages BeWitched-Spiele “könnten jedes Jahr 2,5 Millionen Spiele mehr gespielt werden, wenn es nicht so lange dauern würde, einen Startspieler zu bestimmen. Sie behaupten sogar noch ganz kühn: “Wir haben das Problem gelöst.”
Natürlich ist das Ganze nur ein Scherz, doch mit erheblichem Ärgerpotential. Einem redlichen Mensch dreht sich nämlich – wie im richtigen Leben – der Magen rum, wenn lauthals Problemlösungen versprochen werden, die keine sind. Wenn eine Startspieler-Bestimmung z.B. lautet: “Startspieler wird, wer seine Augen am längsten geschlossen hält”, dann frage ich mich doch ernsthaft, ob mit solchen Vorschrifen nicht nur 2,5 Millionen Spiele nicht mehr gespielt werden, sondern gleich 2,5 Milliarden. Ein rechter Scheiß!
1. “Sumeria”
Startspieler wurde, wer zuletzt Tomatensaft getrunken hat. Das war zunächst nicht so leicht zu ermitteln, und damit hätte schon fast der Abend draufgehen können. Da aber der Hausherr heute Tomaten zum Abendbrot verspeist hatte, wurde diese Behauptung a) geglaubt und b) als Ersatzlösung angenommen. Wahrlich, der “Startspieler” ist schon ein rechter Quadrat-Scheiß!
In “Sumeria” gibt es auf einer fiktiven Landkarte des Zweistromlandes 8 Regionen, die zu Spielbeginn in eine willkürliche Rangfolge gebracht werden. Jeder Spieler darf jetzt pro Zug “Händler” in Städte und Dörfer der Region placieren, und damit die ursprüngliche Rangfolge ändern. Kommt in eine Region ein zusätzlicher Händler, so steigt die Region in der Rangfolge um einen Platz nach oben. Nimmt man einen Händler aus einer Region heraus, so fällt die Region entsprechend herab. In festen Runden-Abständen werden die führenden drei Regionen gewertet. Wer hier die meisten Händler hat, darf sich ein oder zwei Bonuskärtchen nehmen. Wer die zweitmeisten Händler hat, bekommt meist auch noch ein Bonuskärtchen, alle anderen Spieler gehen leer aus.
Die erworbenen Bonuskärtchen werden am Spielende nach einer quadratischen Summenformel in Siegpunkte umgerechnet. Es kommt nicht allein darauf an, die absolut meisten Kärtchen zu haben, sondern möglichst viele von der gleichen Sorte. Und dazu muß man zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Regionen die meisten Händler placiert haben.
In “Sumeria” läuft ein hübscher Verschiebungsmechanismus auf der Rangfolge-Skala ab. Der Besitzstand der Mitspieler muß genau beobachtet und die freien Dörfer in den Regionen müssen scharf analysiert werden, um die führenden Regionen und ihr Rangfolge-Potential zu ermitteln. Ein weiterer, wichtiger Kampf ist der Kampf um die Startspieler-Reihenfolge, wobei hier nicht der erste sondern der letzte Spieler entscheidende Vorteile hat. Er kann mit seinem letzten Zug in jedem Fall noch die Rangfolge der beiden führenden Regionen umkehren, oder er kann bestimmen, welche Region als vierte gänzlich aus der Wertung fällt.
Die gesamte Entwicklung läßt sich nur schwer gänzlich vorhersehen, trotzdem läuft ein Spiel bei den einfachen Zugmöglichkeiten sehr flott ab.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (Grübelspiel, trotz der wenigen Regeln), Günther 7 (abstraktes Spiel mit starken Chaos-Elementen), Walter: 7 (schnelles geistreiches Spiel).
2. “Die Tore der Welt”
Wiederum hat ein Bestseller von Ken Follett (“Die Säulen der Erde”) als thematischer Hintergrund für ein Kosmos-Brettspiel herhalten müssen. Jeder Spieler bekommt einen Satz von Aktionskarten, aus dem er pro Runde sechs Stück beliebig auswählt. Er sammelt Baumaterial, baut öffentlich oder privat, kassiert Geld, erntet Korn, spinnt Wolle, webt Tücher oder übt sich in Frömmigkeit. Einige dieser Tätigkeiten sind Pflicht, und man wird streng bestraft, wenn man sie innerhalb einer bestimmten Rundenzahl nicht gewissenhaft erfüllt hat. Andere sind Kür und werden in Siegpunkte umgesetzt.
Günther zog im Nu davon und hatte nach wenigen Runden fast doppelt soviele Siegpunkte auf seinem Konto wie seine beiden Mitstreiter. Keiner wußte so genau warum, nur er selber, doch davon hatte er mit seinem Wissensvorsprung am Anfang natürlich nichts verraten.
Öffentliche Bauvorhaben bringen die meisten Siegpunkte ein, in den letzten beiden “Kapiteln” kann man auch als Pestheiler gut punkten. Private Häuser sind eine Hoffnung auf spätere Sicherheit, doch damit gewinnt man in einem scharfen Wirtschaftsspiel keinen Pappenstil. Bei den Pflichtübungen das Minimum tun, und ansonsten immer die punkteträchtigste Aktion durchführen, das ist der Schlüssel zum Sieg.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (Schön aufgemacht, aber das Spiel dümpelt so vor sich hin.) , Günther: 6 (nicht kompliziert, aber auch nicht planbar), Walter: 6 (thematisch aufwändig, doch vom Spielerischen her nicht ganz überzeugend)
3. “Savannah Tails”
Der Aufbau des Streckenparcous war ein erster topologischer Intelligenztest, den wir nur mit Mühe bestanden. Bei den vielen Linien und Motiven auf den einzelnen Streckenteilen war es gar nicht so einfach zu erkennen, ob die Streckenführung jetzt in eine Linkskurve oder in eine Rechtskurve übergeht.
Auf der Strecke verlaufen Straußenspuren in den Farben rot, gelb, blau und schwarz. Jeder Spieler besitzt einen Strauß, den er in einem Wettlauf über die Strecke schickt. Wie bei vielen ähnlichen Rennwettbewerben (z.B. “Formula De”) besitzt jeder Spieler den gleichen Set von Karten, mit denen die Schrittweite eines Zuges bestimmt wird. In “Savannah Tails” wird damit zugleich die Farbspur vorgegeben, auf der ein Zug enden muß. Es kommt also ständig zu zwangsweisem Spurwechseln.
Großes Gerechtigkeits-Problem: Die Spieler dürfen nicht ihr vollständiges Kartendeck in die Hand nehmen, sondern immer nur 4 Karten davon. Wer Pech hat, muß mit seinen Karten für Zweier- und Dreier-Schrittweiten anfangen und hat dabei noch unglückliche Farbkombinationen. Er wird zu häufigen Spurwechseln gezwungen, kann keine Kurven schneiden, kann Hindernisse nicht stromlinienförmig überwinden und gerät hoffnungslos ins Hintertreffen. Während seine Sechser- Reichweiten noch friedlich im Kartendeck schlummern, ist die Konkurrenz bereits am Ziel angelangt. Das kann zwar lustig und – für die Sieger – unterhaltsam sein, ein Prädikat für ausgereiftes Design wird dafür nicht vergeben.
Gewollter Aufbau von Engpässen, Ausnutzung der Streckenführung, den Gegner Schneiden und Abdrängen, all diese schönen Ärgerfaktoren gibt es nicht. Jegliche Interaktion innerhalb des Rennens bleibt ausschließlich dem Zufall (innerhalb der winzigen Kartenhand) überlassen.
WPG-Wertung: Aaron: 4, Günther 4, Walter: 5 (zum Warming-Up durchaus geeignet)
4. “Fzzzt!”
Eigentlich hatte aus den Erfahrungen der letzten Wochen keiner so richtig Lust, dieses Spiel nochmals zu spielen, doch Aaron wollte noch eine Mission erfüllen:
a) Günther mit dem Spiel vertraut machen.
b) einen intelligenteren Anfang hinlegen.
Mit Karten ersteigern wir Karten zum Ersteigern von Karten um zum Erringen von Siegpunkten. Günthers Kommentar am Ende: “Ich bin mir noch nicht so ganz klar darüber, was ich von dem ganzen halten soll.”
Den zweiten Punkt seiner Mission konnte Aaron erfolgreich abschließen. Als Sieger verließ er das Feld.
Günthers 5 Punkte sind an der unteren Grenze der bisherigen WPG-Wertung angesiedelt.