Der Bericht von unserm letzten Spielabend war natürlich getürkt. Wir haben nicht erwartet, daß unsere intelligenten Leser darauf reinfallen. Das Spiel mit dem sumerischen Namen “Lir Parets Re” heißt in der abendländischen Leserichtung ganz schlicht “Erster April”, und darum ging es. Das Fabulieren hat uns Spaß gemacht, “Euch” hoffentlich das Lesen auch.
Damit aber nicht unglücklicherweise doch ein paar verlorene Schäfchen vor dem ADAC am “Westpark 8” auf die Eröffnung unserer heiligen Hallen warten, sind wir sicherheitshalber dort vorbeigefahren und hatten als Trostpreis für jeden ein komplettes “Lir Parets Re” dabei. Es war aber keiner da. Wir haben unsere Leser richtig eingeschätzt. Jetzt können wir die Spiele in den eigenen Reihen verteilen.
Hier also echte Non-Erster-April-Spielbericht vom letzten Mittwoch.
1. “Dos Rios”
Vor über zwei Jahren mit einem sehr guten 8,3 Punkte-Durchschnitt zum letzten Mal gespielt, kam es heute zu dritten Mal auf Tisch. Alle erinnerten sich noch einwandfrei, daß wir es schon gespielt haben, sogar an viele Einzelheiten. Doch leider fehlen uns die Entscheidungskriterien dazu, ob es ein abstraktes Spiel ist oder eines mit Thema. Die notwendigen Basisbegriffe sind noch nicht eindeutig definiert.
Das Spielbrett zeigt eine natürliche Hexagon-Landschaft aus Gebirge, Hügeln, Wald und Wiesen. Im Gebirge am linken Rand entspringen zwei Flüsse und fließen idyllisch über die Hexateile des Spielbretts in einen See auf der rechten Seite. Jeder Spieler besitzt 6 Campesions, die er mit seinen Bewegungsaktionen auf einträgliche Felder am Flußlauf positionieren muß. Die Ergiebigkeit der einzelnen Felder ändert sich nach einer vorhersehbaren Periodik. Natürlich gibt es hier einen ständigen Verdrängungswettbewerb unter den Mitspielern, der einen Großteil des Reizes von “Dos Rios” ausmacht.
Doch das “Geilste” sind die Holzbarrieren, mit denen jeder Spieler den Flußlauf verändern kann. Kaum hat man seine Campesions auf die Tabakfelder plaziert und reiche Ernteerlöse eingefahren, da lenkt ein böser Mitspieler den Rio Moreno um und man steht im Trockenen. Gegebenenfalls kommen auch noch ein paar Desperados die Flüsse herab und knallen die erstbesten Campesions ab, die sich ihnen in den Weg stellen, und schon steht man wieder vor einem landwirtschaftlichen Scherbenhaufen.
Alles ist planbar, aber nur für einen Zug, dann haben die gegensätzlichen Interessen der Mitspieler die Situation total umgedreht. Vom Spielerischen her ist das eher ein Vorteil. Nicht lange überlegen, spielen, ernten und sich an der überraschend vielseitig ändernden Geographie erfreuen, das ist die Idee.
Die Spielmechanismen sind sehr gut konstruiert. Es gibt eine Menge Interaktion beim Verdrängen von den besten Ernteplätzen und beim Verlegen des Flußlaufes. Durch den Bau von unzerstörbaren Fincas und Haziendas steigen noch dazu die Rundenerträge dynamisch an, so daß man bis zum Schluß auf den Sieg hoffen. Wer vorne liegt, kann seinen Vorsprung nur durch gutes Spiel über die Runden retten. Dazu gehört natürlich auch ein bißchen Glück.
Auf keinen Fall darf man sich alle Mitspieler zu Feinden machen, denn gegen die vereinten Rachegelüste der Verlierer hat man keine Chancen. Doch zu solchen Vereinigungen kommt es offensichtlich nicht; jedem geht es bei seinem Zug im Wesentlichen nur darum, unter deutlicher Berücksichtigung gegnerischer Verluste einen maximalen eigenen Nutzen zu erzielen. Gerade weil wir in der letzten Woche sehr ausgiebig über kooperative Spiele diskutiert hatten, fiel Aaron auf, daß “Dos Rios” in etwa “das unkooperativste Spiel ist, das man sich denken kann”. Zumindest war in unserer Runde keiner dabei, der mit dem Finger auf den Führenden zeigend das Feindbild vorgeben wollte, um ein Kartell der Verlierer zu schmieden.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7, Hans: 7, Walter: 7
Unsere Punkte lagen durchweg niedriger als vor zwei Jahren. Lag das am gestiegenen Lebensalter, an unserer gewachsenen Erfahrung, an der Stimmung des Abend, oder weil wir fast 3 Stunden brauchten, um Aaron den greifbaren Sieg nicht mehr streitig machen zu wollen?
2. “Rumis”
Das einzige Spiel, das auf der Spielschachtel unser WPG-Logo trägt. Da wurde es doch höchste Zeit, es auch mal wieder aus der Versenkung hervorzuholen. Jeder Spieler erhält einen Satz klobiger Bauklötzchen und gemeinsam bauen sie nach vorgegebenen Regeln auf einer vorgegebenen Fläche ein irgendwie zusammenhängendes Gebilde. Wessen Bauklötzchen am Ende die größte sichtbare Oberfläche aufweisen, der hat gewonnen.
Das Spiel ist konstruktiv, kooperativ und destruktiv zugleich. Zum Legen der Klötzchen kommen die Körper in Bewegung und dabei werden auch die Geister richtig munter. Deshalb ist es weniger geeignet als Absacker, aber vorzüglich zum Warming-Up. Und ein Spiel für Großvater und Enkelkinder ist es allemal.
Keine neue WPG-Wertung, aber der bisherige Durchschnitt von 8 Punkten wäre locker wieder erreicht worden.
3. “Flaschenteufel”
Die lange diskutierte Frage, ob das Spiel beherrscht werden kann, ist mit “Ja” entschieden. Deshalb ging Hans sofort in die Defensive und bekannte, daß er im “Flaschenteufel” noch die geringste Erfahrung besäße. Erwartungsgemäß häufte er auch unverzüglich Minuspunkt auf Minuspunkt. Aaron bot an, Hansens Punkte am Ende mit einer Minus-Eins zu multiplizieren, doch Hans erkannt sofort den Haken: “Auch dazu muß man das Spiel beherrschen!”
Wenigstens als kleine Entschädigung konnte er Walter eine böse Überraschung bereiten: Er schob ihm die gelbe Zwei zu und legte die gelbe Eins in den Teufelstich. Als Walter nun freudestrahlend mit der gelben Zwei den Teufelsstich nahm, in der Gewißheit, damit mit einem Schlag alle Sorgen um seine kleinen Karten losgeworden zu sein, blieb er auf dem Teufelsstich sitzen. Auch das gehört zu den vielen Faktoren, die ein guter Spieler beim Flaschenteufel berücksichtigen muß.