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29.10.2014: Lebendige und Tote

Aaron hat in diesen Sommer an zwei Crowdfunding-Projekten der Spieleschmiede teilgenommen:

  1. Neuauflage von „St. Petersburg“ zusammen mit Hans im Glück (alleine schon wegen der neuen Spielphase; zudem bürgt HiG immer für Qualität)
  2. „Historia“ zusammen mit Giochix.it (sehr gutes Civilization Spiel, über das es nur Positives zu lesen gab)

Beide Spiele hatten einen angekündigten Erscheinungstermin vor Essen, und beide Spiele waren in Essen auch zu erwerben. Leider aber konnte man „aus logistischen Gründen“ dort als Förderer seine schon bezahlten Exemplare nicht abholen. So warten wir heute noch immer auf diese beiden Spiele.

Und nun zum Preis. Für „St. Peterburg“ waren 38 € als Förderer fällig. In Essen kostete dieses Spiel dann regulär 35 €, bei Heidelberger wurde es am letzten Messetag im Bundle mit Pantheon zusammen(!) sogar für sage und schreibe nur 25 € hergegeben! „Historia“ ist inzwischen auch schon im Online-Handel bestellbar, für 12% weniger als Aaron dafür bezahlt hat.

Nachdem er schon bei „Stimmvieh“ von Andrea Meyer die Erfahrung gemacht hatte, dass man als Förderer offenbar mehr bezahlt als den späteren regulären Preis (16,80 € statt 12,40 €), hat Aaron sich schon fast mit diesen Mehrkosten abgefunden (insbesondere, da man ja noch „exklusive“ Förderer-Add-ons bekommt).

Wenn mit dem Mehrpreis aber zusätzlich einhergeht, dass man sein Spiel später erhält als reguläre Käufer, fragt man sich dann aber doch, warum man da eigentlich mitmachen soll. Gut, hätte man nicht gefördert, wäre das Spiel vielleicht nie gemacht worden. Auf der anderen Seite leistet man aus Idealismus eine Anschubfinanzierung für etwas, was sich später vielleicht als Gurke herausstellt.

Die Spieleschmiede hat mit dieser Marktpolitik dem Crowdfunding von Spielen ganz sicher einen ziemlichen Bärendienst erwiesen: diese Kombination aus drei Risiken (teurer, später, schlechter) ist irgendwie nicht tragbar und kann auf Dauer nicht gut gehen.

PS: Während des heutigen Spielabends kündigte die Spieleschmiede Aaron per E-Mail einen Gutschein über 3 Euros an. Damit kann man fast schon Porto und Verpackung für die nächste Bestellung bezahlen.

1. “Dead Drop”

Tropfen leben, Briefkästen auch, selbst tote Briefkästen können ein bewegtes Leben haben. Ob „Dead Drop“ in diese Kategorie der Lebendigen fällt – wir möchten es bezweifeln.

Das Deduktionsspiel enthält 13 Karten mit Zahlen zwischen 0 und 5. Eine Karte davon wird verdeckt auf den Tisch gelegt, die anderen Karten werden an die Spieler verteilt, ein paar von ihnen kommen noch in eine offene Auslage. Die Spieler müssen mit ihren Aktionen nun herausfinden, welches die verdeckte Zahl ist. Dazu dürfen sie:

  • Eine Handkarte mit einem Mitspieler tauschen. Der Mitspieler entscheidet frei, welche Karte aus seiner Hand er zurückgibt.
  • Eine Handkarten gegen eine der offenen Karten auf dem Tisch tauschen.
  • Zwei Handkarten einem Mitspieler zeigen: Wenn dieser eine Zahlenkarte mit der Summe der beiden Karten hat, muss er sie gegen eine der beiden Karten herausgeben.

Wer glaubt, genug Karten gesehen zu haben, um zu wissen, welches die verdeckte Karte NICHT ist, kann messerscharf daraus schließen, welches sie ist. Allerdings darf er dann nicht einfach herausplatzen, z.B. „Es ist eine 2“, er muss noch in seiner Hand zwei Karten eingetauscht haben, deren Summe genau die ermittelte Zahl ergibt. Das ist nicht so einfach.

Walter bekam zu Beginn die einzige 5 und 4 des Kartensets ausgeteilt, ein Haufen 0er (alle?) waren zu sehen. Er tauschte mit Moritz und bekam eine 2 (davon mußte Moritz offensichtlich genug haben). Und Aaron wollte von Günther mit zwei Handkarten eine definierte Karte sehen, mutmaßlich eine 2 oder 3. Eine etwas vage Schlussfolgerung: Die verdeckte Zahl muss eine 1 sein. Und wenn diese Schlussfolgerung falsch ist, dann hat die dröge Deduktion wenigstens ein Ende.

Allerdings hatte Walter weder eine 1 noch eine 0 auf der Hand und somit keine Chance, die erforderliche Karten-Summe auf den Tisch zu legen. Drei Runden lang Tausch mit allen Mitspielern, aber keiner rückte weder eine 0 noch eine 1 heraus, und am Tisch lag auch keine davon. Das ging dann über seine Spiel-Toleranz. Rundenlang stumpfsinniger Kartentausch mag praktizieren wer mag. Er forcierte das Ende. Mehr oder weniger alle waren froh, aus dieser Deadlock-Situation befreit zu sein.

Aber das ist nicht die einzige Dead-Lock-Situatiuon in „Dead Drop“. Laßt sie uns gar nicht erst alle aufzählen, es strotzt davon.

WPG-Wertung: Aaron:1 (broken, funktioniert nicht) , Günther: 3 (Deduktion ohne Notizbuch ist sowieso schon mal problematisch, das ist etwas für 20-30 Jährige, aber nicht für 60 Jährige), Moritz: 2 (witzlos), Walter: 1 (sprachlos).

Das Crowdfunding-Spiel ist noch nicht erschienen. Bis morgen kann man für 22 Dollar die Luxus Edition, und für 12 Doller die Basis-Version zeichnen. Dakota tribal wisdom says that when you discover you are riding a dead horse, the best strategy is to dismount. In meinem Archiv gibt es mindestens einundzwanzig Alternativ-Vorschläge, mit einer solchen Situation umzugehen. Eine davon lautet: „Buying a bigger whip.“

Oh, da fällt mir ein, wie das Spiel funktionieren könnte: Als Kooperationsspiel! Die Spieler müssen gemeinsam herausfinden, welches die verdeckte Zahl ist. Je schneller, desto besser!

2. “Melee”

Das enge Schlachtfeld von "Melee"
Das enge Schlachtfeld von “Melee”

Angeblich eines der Highlights von Essen 2014. Allerdings ist die Scout-List von „Fair Play“ jenseits von Gut und Böse. Wer diesem Laden kein Spiel schenkt, wird gnadenlos aus der Liste gestrichen, selbst wenn er dort gerade einen Platz unter den Top-10 eingenommen hat. Bei solch einem rowdyhaften Vorgehen bekommen deren windschiefe Statistiken noch dazu einen betrügerischen Anstrich! Da kann jetzt „Melee“ natürlich nix dafür.

Es ist ein braves, kurzes Kriegsspiel. Wir leisten uns Ritter, Knappen, Katapulte und Marketender und stillen damit unsere Kriegsgelüste. Ritter und Knappen rücken auf Nachbarfelder und Nachbarschlösser vor. Dort stellen sie sich einem edlen Zweikampf. Katapulte machen einen Nachbarn ganz unedel platt, sind es hinterher aber auch selber. Und Marketender laden zur Reha ein.

Wer zwischendurch mal ein Nachbarschloss erobert hat, beendet sofort das Spiel als Sieger. Ansonsten gewinnt derjenige, der bei Spielende die meisten Gebiete besetzt hält.

Bemerkenswert die Entscheidungen bei Angriffen. Der Angreifer muss seine Truppen mit Geldmitteln motivieren; dazu nimmt er geheim eine Anzahl Goldmünzen in die Hand. Der Verteidiger hat gewonnen, wenn er errät, mit wievielen Münzen der Angreifer anrückt.

Kleine Überschlagsrechnung: Jeder bekommt zu Spielbeginn 15 Münzen. Ein Reiter kostet 6, bleiben noch 9. Wer all seine liquiden Mittel einsetzt, wird mit 8/9 Wahrscheinlichkeit einen Kampf gewinnen. Hat er dabei allerdings alle 9 Münzen eingesetzt, ist er bankrott und kann er keinen weiteren Kampf mehr finanzieren. Hat er 8 Münzen eingesetzt, so bleibt nur noch 1 Münze übrigt, und er würde bei jedem weiteren Kampf vom Verteidiger ausgezählt. Also sollte man in seinem ersten Kampf nur maximal 7 Münzen setzen. Auch damit wäre man hinterher ziemlich zahnlos. Angreifen ist fragwürdig! Vor allem wenn es planlos ist.

Fünf schnelle Runden dauert das Spiel, in jeder Runde darf man genau eine Aktion durchführen. Fünf mal Reha, und das Spiel ist vorbei. Oder einmal Steuer eintreiben, zweimal rekrutieren und zweimal in angreifen. Lustvoll schnell geht das alles über die Bühne.

Günther wollte es noch schneller haben. Zur Startaufstellung kaufte er sich einen Ritter und in seinem allerersten Zug, galoppierte er auf Walters Schloß zu, um es zu erobern. Für einen Gesamtsieg mußte er hier mit seinen verbliebenen 9 Goldmünzen lediglich zwei Angriffe siegreich bestehen. Einen gegen den Nachtwächter und einen gegen den Schlossherrn.

Im Schloss sind den Verteidigern allerdings jeweils zwei Versuche zugestanden, um die Höhe von Angreifers Motivation zu erraten. Bleibt trotzdem noch eine Gewinnchance von etwa 40%! (Wie habe ich das jetzt gerechnet?) Weit höher als die Ein-Viertel Siegchance in einer 4-Personen-Runde. Günthers erster Angriff mit drei Goldmünzen blieb erfolgreich, sein zweiter Angriff – zum großen Halloh aller Beteiligten – allerdings nicht. Andernfalls hätte Günther das Spiel als Sieger beendet, bevor Walter und Moritz auch nur einen einzigen Zug getan hatten.

Am Ende hätte Günther trotzdem noch gewonnen, wenn Aaron die Motivation von Moritz’s letztem Angriff (es ging nur um die Höhe von 1 oder 2!) richtig erraten hätte. Melee – mein Gott, was habt ihr euch da ausgedacht!

WPG-Wertung: Günther: 4 (kein langfristiges Planen, etwas blödsinnig für das Matt in einem Zug), Moritz: 6 (es macht, was es macht), Aaron: 4 (es macht, was es macht, und das ist nicht viel), Walter: 2 (immerhin doppelt so viel wie für die toten Tropfen; Lotterie-Kämpfen ist fad, aber das ist das einzige Lustige am Spiel.)

3. “Viceroy”

Das Spiel war in Essen am ersten Messe-Tag vormittags bereits ausverkauft. Hat sich da jemand verkalkuliert? Oder war das eine Marketing-Strategie?

In einem Zwei-Phasen-Spiel kauft sich jeder Spieler in der ersten Phase eine Baukarte und in der zweiten Phase baut er sie in seine lokale Pyramide ein. Einbauen kostet Juwelen (in definierter Zusammensetzung der Farben rot, grün, gelb und blau) und bringt entweder neue Juwelen, weitere Baukarten, Wertungskarten, Bonus-Plättchen, Vorkaufs-Privilegien oder direkte Siegpunkte.

Je nach der Pyramiden-Ebene, in der man eine Baukarte einsetzt, kostet es unterschiedliche Juwelen und bringt unterschiedliche Vorteile. Dazu hat jede Baukarte noch verschieden gefärbte Ecken und Kanten. Wenn die Karten in der Pyramide farblich gut zusammenpassen, gibt es Sonderprämien a) Juwelen während des Spiels und b) Siegpunkte am Ende in der Schlussabrechnung.

Ganz wichtig sind die Wertungskarten: Sie bringen Siegpunkte in Hülle und Fülle, jede auf eine andere Art, für den Besitz an Juwelen, an Aufbaukarten oder für bestimmte architektonische Merkmale der Pyramide. Welche der Wertungskarten man bekommt, ist zufällig, aber über keine kann man sich beklagen. Aaron griff am stärksten zu (war das geplant oder schütteten Deine Baukarten mehr oder weniger zufällig soviele Wertungen aus?) und wurde damit Sieger.

Etwas verzwickt ist das „Kaufen“ der Baukarten: Pro Spieler liegt eine Karte aus, und zwar jeweils einer der vier verschiedenen Juwelenfarben zugeordnet. Die Spieler nehmen nun zufällig jeder eine Juwele in die Hand, alle decken sie gleichzeitig auf. Sofern ein Spieler als einziger eine Farbe gewählt hat, bekommt er die zugehörige Baukarte. Haben zwei oder mehr Spieler die gleiche Juwelenfarbe geboten, sind sie erst mal ihren Einsatz los und dürfen diesen Kauf-Vorgang nochmals wiederholen. Lustig, oder was? Damit das konstruktiven Aufbauspiel halt nicht allzu berechenbar daherkommt.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (ich fand es heute nur öd), Günther: 6, Moritz: 6 (Multiplayer solitär, das Spiel hat keinen klaren Spielfluss, alle wursteln nur so herum; die verschiedenen Fähigkeiten der Karten sind super, würde es nochmals spielen wollen), Walter: 3 (hat keine Lust, für jede Karte einen neuen breiigen Optimierungsalgorithmus in Gang zu setzen).

4. “Duckomenta”

Diesmal mit den richtigen Regeln gespielt. Knizias „Modern Art“ zeigte sich in alter, aber abgestrippter Schönheit. Honoris causa vergaben die alten Knaben mäßige bis ehrenvolle Wertungsnoten. Sicherlich träumen sie aber weiterhin von jungen, aufgetakelten Schönheiten. Essen hat noch mehr zu bieten!

WPG-Wertung: Aaron: 5 (bleibt), Günther: 7 (neu), Moritz: 7 (neu), Walter: 7 (bleibt).

22.10.2014: Frische Ernte aus Essen

Nachdem auf Wunsch eines einzelnen Herrn die ursprüngliche Einleitung zensiert werden musste, hier die neue:

Es gibt Leute, die tönen herum und amüsieren sich über über die Dummheit anderer. Schade nur, wenn sie dann öffentlich nicht dazu stehen wollen. In solchen Fällen hält der gut erzogene Mensch besser seinen Mund.

1. “Fünf Gurken”

Warum geht es hier um „FÜNF“ Gurken und nicht um sechs? Weil Friedemann Friese immer noch nicht Siedeman Siese heißt!

In einem Stichkartenspiel mit sieben Stichen pro Runde wird nur der letzte Stich gewertet. Die sechs vorangegangen Stiche dienen ausschließlich der Kartenpflege, mit der man den letzten Stich vermeiden will. Wer den nämlich bekommt, erhält Minuspunkte. Minus-Gurken! Und wer sechs davon angesammelt hat, scheidet aus.

Die Kartenzugabe ist ganz einfach: Wer einen Stich gemacht hat, spielt eine beliebige Zahlenkarte aus, jeder weitere Spieler gibt entweder eine höhere Zahl dazu oder – falls er keine höhere hat – zwangsweise! die niedrigste aller seiner Restkarten.

In dieser Zugabe steckt zunächst mal ein technischer Geburtsfehler. Die Mitspieler können nicht kontrollieren, a) ob ein Zugeber keine höhere Karte mehr hat und b) ob er dann auch wirklich seine niedrigste Karte zugeben hat. Mit einem guten Kartengedächtnis könnte man hier hinterher eine Fehlbedienung vielleicht noch rekonstruieren, doch das ist dem leichten Charakter der „Fünf Gurken“ und der damit anvisierten Spielergruppe garantiert nicht angemessen.

Wir hatten schnell heraus, wie der Hase läuft. Nach dem ersten Durchgang konnte in jeder Runde mindestens ein Spieler früher oder später seine Karten sortieren, verdeckt als Stapel auf den Tisch legen und zu jedem Stich die oberste Karte dazugeben. Er hatte halt leider keine hohen Karten mehr auf der Hand und wusste demnach, dass er zwangsweise zu jedem Stich seine jeweils niedrigste Karte zugeben musste. Freiheitsgrad 0 (Null!)! Und wenn die letzte seiner niedrigen bis mittelhohen Karten dann zufällig die höchste der noch verbleibenden ist, kriegt er halt Friesemanns Gurken. Wenn nicht, dann bekommt sie ein anderer Pechvogel. Dieses Prinzip ist kein Geburtsfehler, es ist ein letaler Asthmatismus.

Dass ein Spieler nach der fünften Gurke ausscheidet und die anderen weiterspielen, verbuchten wir zuerst als bluff-ähnliches tolerierbares Design-Element. Doch damit landet diese Buchung auf dem falschen Konto. Bei „Bluff“ ist das Endspiel schnell, und selbst das Zuschauen beim Kampf um jede Würfelvorgabe von amüsanter Spannung begleitet. Bei den „Fünf Gurken“ kann sich das dröge Zugeben vorbestimmter Karten leider noch lange genug hinziehen und ein Freiheitsgrad 0 lässt weder bei Spielern noch bei Zuschauern von Spannung etwas aufkommen. Überhaupt nichts!

Nach der fünften Runde veränderten wir die Endebedingung: Wer die nächste Gurke bekommt, beendet das Spiel als Sieger. Oder so ähnlich. Das Detail war nicht so wichtig, Hauptsache aufhören …

WPG-Wertung: Aaron: 4 (Angeblich spielt man so etwas gerne in Skandinavien. [Oh Gott – hoffentlich in den nicht vorhandenen Sommernächten, und nicht in der unendlich langen Winternacht!], Horst: 4 (mit vielen 15er Karten kann man das Spiel gut steuern. Aaron, schenk’ mir das Spiel, ich habe eine Runde, in der es bestimmt gerne gespielt wird!), Moritz: 3 (Die Entscheidungen sind zu läppisch. Das Spiel hat sich der Friesemann bestimmt in einer besoffenen Nacht im Arosa ausgedacht), Peter: 3 (keine Entscheidungsfreiheit), Walter: 3 (möchte es nicht noch einmal spielen. Nicht einmal mit seinen Enkeltöchtern).

2. “Euphoria”

Der Westpark in „Euphoria“
Der Westpark in „Euphoria“

Eine riesengroße „dystopische Gesellschaft“ (was immer das ist) wird von uns erschaffen. Aaron brauchte anderthalb Stunden, um uns die umfangreiche Maschinerie zu erklären. Zumindest hatte die Borussia in Konstantinopel schon drei Tore geschossen, als er mit dem Regelheft durch war. Dabei hatte er beim Anblick der verdutzten Gesichter seiner Zuhörer die zwischen die einzelnen Regelpassagen eingestreuten Kalauer ganz schnell ausgelassen.

Wir setzen unsere zwei bis vier Arbeiter im der Euphorianischen Wirtschaft ein,

  • bekommen für sie “Waren” (Wasser, Energie, Nahrung oder Seligkeit)
  • wandeln mit ihrer Hilfe Waren in “Rohstoffe“ (Gold, Stein, oder Ziegel) um
  • erwerben Artefakte, die ebenfalls den Fortschritte im euphorischen Leben befördern
  • erringen “Gefolgsschaftspunkte” (rot, grün, gelb und blau), mit denen wir weitere “Rekruten” für Aktions-Vorteile aktivieren können
  • lassen die Arbeiter sich vermehren, wobei der Würfel dafür sorgt, dass es nicht zu viele werden können
  • errichten Marktplätze, die wichtigsten Positionen, in denen wir unsere “Autoritätssteine” platzieren können. Wer als erster seine zehn Autoritätssteine losgeworden ist, beendet das Spiel als Sieger.

Sehr viele, hübsche neue Ideen sind in diesem Workerplacement-Spiel eingebaut, aber so, dass es gar nicht wie eines der vielen, heute Mode gewordenen Spiele dieses Genre wirkt. Ständig sind die Arbeiter in Bewegung. Sie sind als Würfel realisiert und werden bei jeder Wiedergeburt neu geworfen. Der Zufall spielt mit. Die jeweilige Augenzahl hat einen kleinen Einfluss auf die Effekte des Arbeiters, geworfene Paschs einen leicht größeren …

Interaktion gibt es beim Verdrängen auf den Arbeitsplätzen, beim Fördern oder Blockieren von Rekruten, beim Handeln und Tauschen von Waren (was am Westpark üblicherweise nur sehr selten vorkommen), vor allem aber bei der Beteiligung an Marktplätzen. Wenn ein Marktplatz kurz vor der Eröffnung steht, gibt es einen eiligen Run auf die letzten Anteile. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Allerdings ist die Strafe ziemlich human, und man kann ihre negativen Zukunftsfolgen durch einen passenden Entwicklungszug auch wieder aufheben.

Rekruten (Karten mit unterschiedlichsten Bonus-Effekten), die zu Spielbeginn an die Spieler verteilt werden, bringen am Anfang eine leichte Variabilität ins Spiel. Am Ende können sie sogar spielentscheidend sein, vor allem wenn sie falsch interpretiert werden. Moritz bekam „Dr. Nakagawa, der Anerkannte“, der ihm erlaubte, „wenn du einen Arbeiter auf einem Marktplatz platziert hast, darfst du … diesen Arbeiter opfern, um einen zusätzlichen Autoritätsstein auf dem entsprechenden Gebiet zu platzieren.“ Wir verstanden das so, dass Moritz gegen das Opfern eines weiteren Arbeiters jeweils gleich zwei „Autoritätssteine” auf jedem Marktplatz platzieren durfte. Mit dieser deutlichen Beschleunigung seines Arbeiter-Umsatzes war Moritz am schnellsten alle seine Steine” los. Immerhin – in einer 5-Personen-Runde – erst nach knapp anderthalb Stunden.

WPG-Wertung: Aaron: 8 (es gibt viele Spielemente, aber das ist eher angenehm und in jedem Fall konstruktiv), Horst: 8 (hübsches Spielmaterial, viel Dynamik und Variabilität), Moritz: 8 (frisch, unverbraucht, man hat nicht das Gefühl, die Mechanismen schon tausendmal gespielt zu haben), Peter: 7 (mit Tendenz zu 8, hübsche, neue Ideen), Walter: 7 (hübsch, leichter und schneller zu spielen als es nach dem umfangreichen Regelwerk zu befürchten ist; trotz vieler kleiner Interaktionsmöglichkeiten allerdings ziemlich solitär.)

Unbestritten das beste Kick-Starter-Spiel, das wir je hatten. Vielleicht sollte man diesen Markt doch nicht gleich abschreiben.

3. “Duckomenta Art”

Rainer Knizia hat sein „Modern Arts“ abgestrippt und als kleines kompaktes Kartenspiel auf den Markt gebracht. Alles läuft ohne Bieten ab. Dem einen geht damit was ab (Moritz: „Das bester Spielelement aus ‚Modern Art’ hat man weggelassen!“), der andere freut sich über den rasant beschleunigten Spielablauf.

Jeder bekommt dreizehn Gemälde-Karten in insgesamt fünf verschiedenen Farben auf die Hand. Dargestellt darauf sind Verballhornungen echter Mona-Lisas oder Sissis mit Entenschnäbeln nach der Duckumenta-Serie von Pop Surrealism & Urban Art (, was für den Spielablauf und die zu erweckende Sammelleidenschaft der Spieler aber absolut keine Rolle spielt).

Die Spielen legen reihum jeweils eine Karte aus der Hand in eine Kartenauslage offen vor sich ab. Sobald insgesamt sechs Karten der gleichen Gemäldefarbe abgelegt sind, erfolgt eine Zwischenwertung: Für jede Karte der am meisten ausgelegten Kartenfarbe erhält jeder Spieler drei Siegpunkte, für die zweitmeisten gibt es zwei und für die drittmeisten einen Siegpunkt.

Wie bei „Modern Arts“ bleibt jeder Kartenfarbe diese Siegpunkt-Dotierung für den weiteren Spielverlauf erhalten. In der nächsten Runde wird pro Farbe also die Summe aller Wertungspunkte ausgeschüttet. Die Karten-Farben werden immer wertvollen. Eine spieltechnisch durchaus gewünschte Dynamik. Wer nach vier Wertungen die meisten Punkte hat, ist Sieger.

Natürlich ist das Ablegen von Karten mit etwas Pfeffer gewürzt. Schließlich wird uns hier keine Gurke angeboten, sondern mehr oder weniger ein echtes Knizia-Spiel. Je nach Kartenqualifikation darf man beim Ablegen einer Karte auch noch

  • eine Karte vom Nachziehstapel auf die Hand nehmen
  • eine weitere Karte offen auslegen
  • eine weitere Karte verdeckt auslegen
  • einer Kartenfarbe zusätzlich Dotierungspunkte zuschustern

Vor der Rundenwertung darf man nochmals eine oder sogar mehrere Karte aus seiner Hand in die Ablage geben: zu jeder Kartenfarbe, die man bereits in seiner Auslage hat, eine weitere Karte! Hallo, hallo, hier haben wir etwas falsch gespielt: Nicht nur eine weitere Karten darf man spielen, sondern zu JEDER Kartenfarbe eine! Und noch ein Regelfehler, meine Freunde: In jeder Runde liefern nur diejenigen Kartenfarben Siegpunkte, die unter die ersten drei Ränge gelangt sind. Für die vierte und fünfte Farbe gibt es GAR NICHTS, selbst dann, wenn sie in früheren Runden mal auf dem Treppchen standen!

Mit diesen richtigen Regeln besitzt „Duckomenta“ deutlich mehr taktische Raffinesse a) beim Auslegen von Farben, um die gewünschten Farben noch in die Wertung zu bringen und b) beim Zurückhalten von Farben, um die eigenen Auslagen zu jeder Wertung noch anreichern zu können. Von mir gibt es jetzt beim Schreiben vom Session-Protokoll einen Punkte mehr als heute Nacht unmittelbar nach dem Spielen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 ([sprachlos durch die Regelfehler?]), Moritz: 5 (witzlos [wegen unserer Regelfehler!]), Peter: 6 (unterhaltsam [selbst mit den Regelfehlern!]), Walter: 7 (schnell, taktisch, eine vorhandene hübsche Spielidee gekonnt abgestrippt).