Wenn ein amerikanischer Autor / Verlag sein Spiel in Mecklenburg ansiedelt und dann die Eingeborenen in Lederhosen herumhopsen und Maibäume aufstellen lässt, bekommt er dann von der Kritik Punkt-Abzüge? Das mag jeder halten wie er will, uns ist echtes oder falsches Flavor ohnehin schietegaal? (To whom it may concern.)
1. “Manitoba”
Wo auch immer. Auf einer gegebenen, in Hexagons aus 5 verschiedenen Farben aufgeteilten Manitoba-Fläche sind 5 Ressourcen (Beeren, Bisons, Pferde, Kanus und Adlerfedern) in genau diesen Farben abgelegt, pro Feld 1 Ressource. Dorthin platziert im Laufe des Spiels jeder Spieler ein paar wenige seiner „Crees“ (Pöppel), sammelt das jeweils auf seinem Standhexagon lagernde Gut ein und lagert es in seinem Beeren-, Bison-, Pferde- oder Kanus-Stadl. Adlerfedern sind Jocker.
Ein Spieler darf mit seinem Cree auch erst noch einen Schritt zur Seite (bzw. vorwärts, rückwärts) tun, bevor er das dort vorhandene Gut aufliest. Das erspart neu einzusetzende Crees, und diese sind eine rare Manpower. Ist die nähere Umgebung allerdings bereits abgegrast – und unter Mithilfe der Mitspieler geschieht das sehr schnell – dann bleibt einem nichts anderes übrig als einen seiner Crees aus seinem Dorfplatz neu einzusetzen – oder ganz auf die entsprechende Einnahme zu verzichten.
In – wenige Schritte – voraus erkennbaren Runden wird der Besitz eines jeden Spieler in einem seiner Stadl honoriert (und anschließend weggeräumt). Dabei werden die gesammelten Quanten an Beeren, Bisons, Pferden oder Kanus nach unorthodox skalierten Maßstäben honoriert.
Ein Spieler darf auf diese Honorierung auch verzichten, um sein gesammeltes Gut erst in einer späteren Runde werten zu lassen, weil er noch ein paar weitere Beeren, Bisons … dazu ernten möchte, und damit die Bereiche von überproportional steigender Skalierung ausnutzen kann.
Nicht alle diese Züge sind a priori erlaubt, manche muss man sich durch Emporsteigen auf den vier Pfaden des „Visionsplanes“ erst erwerben.
Das Bemerkenswerteste (im positiven Sinne) des Spiels ist der Zug-Mechanismus. Es gibt ein „Totem“ bestehend auf 5 übereinander gestapelten Scheiben in genau den 5 Farben der Ressourcen. Der aktive Spieler wählt beliebig die Scheibe mit der Farbe, auf deren korrespondierenden Manitoba-Hexagon er einen seiner Crees ernten lassen will. Er hebt dann diese Scheibe und alle darüber liegenden Scheiben vom Totem ab und legt sie in einen temporären Bereich. Nachdem er seinen Zug ausgeführt hat, dürfen alle Mitspieler eine eigene Sekundär-Aktion basierend auf einer beliebigen Scheibe im temporären Bereich ausführen.
Natürlich liegt es im heimlichen Bestreben eines Spielers, so wenige Scheiben wie möglich vom Totem abzuheben, möglichst nur die oberste Scheibe, um damit den Aktionsradius seiner Mitspieler zu begrenzen, u.U. vielleicht sogar auf Null, wenn z.B. nur ein einziges Gut dieser Farbe in Manitoba vorhanden ist, und dieses vom aktiven Spieler selber kassiert wird. Aber ein wirklich wirksames Verfolgen diese Miesnickeligkeit lässt sich nur schwer realisieren, es liegt zu oft im Konflikt mit anderen, lukrativeren Zügen.
Moritz gewann mit nur genau 1 Punkt Vorsprung vor Günther und einem klaren Vorsprung vor Aaron und Walter – ein deutliches Zeichen für ein planbares Spiel, das in der Punkte-Vergabe Spiel auch nicht nach einem Gießkannenprinzip vorgeht.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (die Idee für den Zug-Mechanismus ist gut, auch wenn sie noch leichte Unschärfen besitzt; die Geschwindigkeit, mit der sich das Spiel spielt, wiegt seine Schwächen nicht auf; allein schon die Ressourcen-Knappheit ist ein unnötiges Glückselement), Günther: 6 (der „Visionsplan“ und ein paar weitere Spielelemente sind wenig relevant), Moritz: 7 (das Spiel ist nicht uninteressant, für mehr Punkte ist es allerdings nicht innovativ genug), Walter: 5 (rund mit Ecken, der (lendenlahme) Run auf die Punktausbeute ist ein rechtes „Gefrickel“ [Moritz-Terminologie]).
2. “Eine wunderbare Welt”
Wir sind weder in Mecklenburg-Vorpommern noch in Manitoba. Der Verlag schreibt schlicht: „Ihr lenkt die Geschicke eines expandierenden Imperiums. Entwickelt euch schneller und besser als eure Konkurrenten“! Uns am Westpark reicht das, nur Moritz vermisst etwas Thema, in dem er Phantasie und Emotionen auslassen kann.
Der Titel erinnert an „7 Wonders“, davon sind auch wesentliche Teile des Spielprinzips abgekupfert. Wir sammeln Produktionskarten, die Rohstoffe und Punkte liefern. und mit Rohstoffe erwerben wir weiterer Produktionskarten. Diese Karten können bei Bedarf auch als Rohstoff eingesetzt werden, bei “7 Wonders” entspricht das dem Verscherbeln zu Geld.
Es gibt das bekannte Karten-Drafting, anhand dessen wir uns aus einem Set von 7 Karten Stück für Stück heraussuchen, um daraus unser Imperium zu bauen. Und jeder Spieler bekommt wie bei „7 Wonders“ im Startaufbau eine individuelle Produktionskarte, die (auf der A-Seite) einem jeden Spieler schon sehr deutlich in die Schiene drückt, in der er sich entwickeln soll, wenn er Chancen auf den Sieg haben will.
Als Schienen sind 5 Kategorien gegeben, sie tragen die Namen Baumaterial, Energie, Wissen, Gold und Erkundung, aber mnemotechnisch sind sie sehr viel besser durch die zugehörigen Farben grau, schwarz, grün, gelb und blau identifiziert. Wir haben das Spiel gespielt, ohne auch nur einen einzigen Blick auf diese Kategorienamen zu werfen. Genauso wenig haben uns die Namen der Karten interessiert. Namen wie „Industriekomplex“, „Panzerdivision“ (für Energie!), Quantengenerator oder „König Salomos Minen“ zeigen auch keinerlei Auseinandersetzung mit Thema und Technik an, höchstenfalls dies, dass Autor/Verlag routiniert-mechanisch im Internet nach einigermaßen klingenden Begriffen gesucht haben. Das Spiel ist nicht von einem leidenschaftlichen Spieleautor erfunden worden, der eine Idee, einen Traum für die Spielergemeinde realisieren wollte, sondern von einem umsatzorientierten Unternehmer, der lediglich mit plagierend-adaptierten Elementen auf einen fahrenden Zug aufsprang, um dort sein kleines Geschäft zu erledigen.
Moritz gewann mit mehr als doppelt so vielen Punkten wie Günther als Zweiter. Er erreichte genau 100 Punkte und wurde damit nach dem Regelheft als „lebender Gott“ apostrophiert. Nichts gegen deinen tollen Sieg, lieber Moritz, nichts gegen dein zweifelsohne konsequentes, erfolgsorientiertes Vorgehen; aber du hast selber unverzüglich zugestanden, dass dich die Startaufstellung mehr oder weniger auf diese Schiene gedrückt hat. Die „Asiatische Förderation“, die a priori zwei gelbe Kaufkräfte besitzt, die in der Schlussabrechnung den Besitz von gelben Karten honoriert, ausgerechnet eine Kartenfarbe, von der auch noch die meisten Karten im Kartendeck sind – mehr als die anderen punkte-trächtigen Karten grün oder blau -, und deren intra-spezifische Produktion (also gelb für gelb) am höchsten von allen Farben ist, ist als – gekonnt gefahrene – gelbe Schiene nicht zu toppen. Es sei denn, die Mitspieler würden – die eigene Siegchance aufopfernd, oder kingmakerisch sich absprechend – dagegen arbeiten. Aber selbst unser Meister im Analysieren von Besitzstand und Ambitionen der Konkurrenz bekannte: „Die ausgewählten Karten der Mitspieler beobachten wird man wohl nicht. Da sind die fertigen und begonnenen Karten wichtiger …“
Ein Spiel, in dem Günther mit der halben Punktezahl an der zweiten Stelle landet, hat in Bezug auf Planbarkeit und Ausgewogenheit erhebliche Schwächen.
WPG-Wertung: Aaron:4 (die Hälfte der Punkte von „7 Wonders“, reines, abstraktes Farbensammeln; gegen Mitspieler zu spielen (wie in der grünen oder roten Strategie von „7 Wonders“) ist nicht gut praktizierbar), Günther: 8 (ein schnelles Spiel, schnell erklärt, es gibt viele Möglichkeiten zu verfolgen), Moritz: 8 (ein Spiel für die Gewinnpunkt-Maximierung, so etwas macht immer Spaß), Walter: 5 (zu abstrakt, zu zufällig, zu solitär, zu schweißtreibend und zu wenig spielerisch).