Ein Workerplacement-Spiel. Auf den ersten Blick. Wir setzen unsere Arbeiter in Feld, Wald und Wiese ein und produzieren mit ihnen Holz, Stein oder Erz. Beim Silberschmied können sie sich sogar geprägte Münzen abholen.
Die erste Besonderheit dieses Workerplacement besteht darin, das wir – nacheinander, reihum – mehrere Arbeiter an die gleiche Produktionsstätte bringen können und ihr Ertrag progressiv wächst: der erste Arbeiter erbringt eine Einheit, der zweite zwei, der dritte drei usw. Da fließen ganz schnell viele Ressourcen in unsere Taschen.
Auf die drei Anlaufstellen im „Schwarzmarkt“ darf nur jeweils ein einziger Arbeiter gehen. Er bekommt für sein Geld auch gleich eine ganze Menge Waren, klebt dann aber dort fest und kann erst wieder via Gefängnis in der Arbeitskreislauf eingeführt werden.
Im „Warenhaus“ können wir Waren ineinener umtauschen. Aus den drei Grundstoffen können wir somit auch Marmor und Gold erwerben. Das Zeug brauchen wir alles, um Häuser zu bauen oder an der Kathedrale mitzuwirken. Zuvor müssen wir uns noch die richtigen Handwerkergesellen zulegen, die eine Voraussetzung für das Bauen sind (, ansonsten aber zu gar nichts nutze).
Alles ganz normales Workerplacement. Alles rund und schön.
Die zweite und entscheidende Besonderheit dieses Spiel ist das Rückholen unserer Arbeiter. Es ist ein eigener Zug, den wir zum einen selber ausführen können und damit den Pool unserer verfügbaren Arbeiter wieder füllen. Aber auch unsere Mitspieler können unsere Arbeiter zurückholen, nur kommen sie bei denen in eine Quarantäne und müssen von uns per Geld ausgelöst werden. Die Mitspieler können unsere „gefangenen“ Arbeiter aber auch an das Gefängnis verkaufen. Das bringt ihnen ebenfalls Geld ein. Wir holen unsere Leute auch wieder per Geld aus dem Gefängnis, müssen aber weniger hinblättern als wenn wir sie direkt aus der Quarantäne unsere Mitarbeiter auslösen würden.
Dieses Rückholprinzip könnte ein interessantes Element des Spiels sein. Bei den 20 Arbeitern, die jedem Spieler zur Verfügung stehen, kann man aber leicht verkraften, dass immer einige davon irgendwo blockiert sind. Man hätte mehr daraus machen können. Dann hätte sich der Workerplacment-Eindruck des ersten Augenscheines durchaus in Richtung eines bemerkenswerten andersartigen Spieletyps verschieben können. War aber nicht so.
WPG-Wertung: Aaron: 7 (ich hab mir von dem Rückhol-Mechanismus mehr versprochen), Moritz: 6 (gut, aber nicht zu dritt, irgendetwas fehlt), Walter:7 (würde gerne noch einmal einiges ausprobieren; das war’s dann aber auch).
2. “Festo”
Schon letzte Woche zum ersten Mal gespielt. Diesmal in einer Dreierrunde, was natürlich auf Kosten des Witzes vom Ganzen geht: die Konkurrenz um die Mehrheiten.
Die vielen eingebauten Nebeneffekte zum Aufweichen dieser nackten Konkurrenz, z.B. die Ereigniskarten, die Charakterfähigkeiten und die magischen Effekte der fertiggestellten Gerichte ließen diesmal Walters Mehrheiten-Phobie etwas zurücktreten. Er hob seine Wertung von 5 auf 7 an.
WPG-Wertung: Der akzeptable Schnitt wurde von 6,2 auf 6,8 angehoben.
3. “Tiefseeabenteuer”
Minimales Spielmaterial, minimales Regelwerk, maximale Interaktion, maximale Spannung. Keine Schwäche!
Bei der Welle der Trend-Spiele, die jeweils über Markt und Spieler hereinbricht, läßt es immer wieder Bewunderung aufkommen, wenn in einem neuen Spiel eine wirklich zündende neue Idee umgesetzt ist.
Der arme Moritz quält sich Woche für Woche geduldig und ohne Klagen durch unsere „Eisenbahn-Aktien-Spiele“, die ihm ein Gräuel sind, und durch die Welle von Workerplacement-Spielen, die schon sein Jahren die Spieleszenerie überflutet. Wenn er nach vielen Leidenswochen dann mal seines seiner „Passionsspiele“ vorsetzt, ziehen die drei Mitspieler demütig ihre Köpfe ein und signalisieren ihm eine schweigende Zustimmung, egal um welche Passion es sich handelt.
Diesmal war „Quartermaster General : The Cold War“ dran, eine Überarbeitung des „Quartermaster General“, das mit einem Durchschnitt von 4 Punkten von Aaron, Günther und Walter vor zwei Jahren nicht gerade Begeisterungsstürme ausgelöst hat. Damals war Moritz mit 8 Punkten unangefochtener Spitzenreiter.
Im „Cold War“ wird uns wieder eine geschichtliche Welt-Szenerie vorgesetzt, die es zu gestalten gilt. Asymmetrisch spielt ein Spieler den „Westen“, d.h. mehr oder weniger die USA, der zweite Spieler spielt die UdSSR, und der dritte Spieler die „Neutralen“, sprich Indien, China und Serbien. Jeder Spieler hat ein spezielles Kartendeck für Aktionen, mit denen er aufrüsten und Militärschläge gegen die anderen ausüben kann, um nach insgesamt 19 Runden mit 10 Wertungen seinen Besitzstand an Panzern, Versorgungsbasen und Sondereigenschaften in Siegpunkte umzumünzen.
Alles ist äußerst statisch. Die Armeen bewegen sich nicht, zumindest nicht zum Angriff und können für einen Angriff nicht konzentriert werden; sie werden höchstens auf freien Gebieten locker verteilt: 1 Panzer maximal pro Feld. Nur wenn neue Armeen geboren werden (via „Create Army“ Karte), dürfen sie Seite an Seite mit einem Feind zur Welt kommen. Wer dann zufällig noch eine „Battle-Karte“ in der Hand hat und diese Karte auch noch ausspielen darf – ein höchst seltenes Ereignis – hat einen Feind geschlagen, d.h. seine Einheiten um 1 reduziert. Der „Feind“ darf aber anstelle eines Panzers ein Flugzeug opfern, so dass sein Panzer benachbart zu unserem stehen bleibt, und seinerseits in seinem nächsten Battle-Zug unser Neugeborenes in die Ewigen Jagdgründe befördern. Timing ist alles.
Mit ihrem Kartendeck sind die Russen leicht bevorteilt. Sie haben von der Startaufstellung her schon die meisten Panzer auf dem Brett, mit denen sie in den Wertungen auch gleich die meisten Siegpunkte einheimsen. In ihrem Deck sind zugleich auch noch mehr weit mehr „Build Army“-Karten als im Westen und bei den Neutralen zusammen. So tun sie sich mit ihrer Ausbreitung (und weiterem Siegpunkte Abgrasen) leichter als alle anderen. Die USA sind ihnen an Landstreitkräften unterlegen. Vielleicht könnten sie mittels „Air Power“ und „Navy“ den Russen zu Leibe rücken, aber Günther, der die USA führte, hatte keine Lust, sich mit ihnen, d.h. mit Aaron, einzulassen, denn ein mathematisch ausgerichteter Spieler kennt die Weisheit: „Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte“. Er war damit zufrieden, naturgegeben Runde für Rund ein, zwei, drei Siegpunkte weniger zu kassieren als Aaron und sich auf dem zweiten Platz einzuzementieren. Das war immerhin noch besser, als Moritz mit seinen Neutralen, der Runden für Runde um drei, vier,fünf Punkte hinter Aaron zurückfiel. Und das, obwohl er unbestritten bei uns der beste Wargamer ist. Das Kartendeck der Neutralen gab einfach nicht mehr her.
Moritz empfand Günther Verhalten mehr oder weniger als Spielverderberei. „Ist das alles, was du gegen Aaron tust?“ war sein entsetzter Kommentar nach jedem friedlichen Zug von Günther. Wie konnten die USA es nur zulassen, dass die Russen sich unbehindert auf Kuba und in Panama niederließen (und Siegpunkte dafür kassierten). Es musste doch ihr leidenschaftlichstes Bestreben sein, die Russen, das „Reich des Bösen“ (Reagan) „hinter die tatarischen Steppen“ (Göbbels) zurückzutreiben. Es musste doch auch aus Günther ureigensten Gewinner-Ambitionen heraus in seiner höchsten Priorität liegen, den führenden Aaron klein zu kriegen. Mit Engelszungen beschwor Moritz die USA, doch ihre Gott-gegebene Rolle auszufüllen, aber Günther segelte seelenruhig auf seinem zweiten Platz durch das Spiel.
So konnte Moritz nur zähneknirschend zuschauen, wie Aaron linear zu seinem unangefochtenen Sieg davonschwamm, Günther linear seinem unangefochtenen zweiten Platz und er selber linear auf der Verliererstraße dahindümpelte.
Bemerkenswert: Wenn der führende Spieler mehr als 20 Punkte Vorsprung vor dem dritten und letzten Spieler hat, so muss der zweite Spieler dem dritten Spieler so viele Punkte abgeben, bis die Differenz zum Führenden nur noch den Maximalabstand von 20 Punkte beträgt. Warum? Damit der zweite Spieler genügend Motivation besitzt, sich gegen den Führenden zu wenden und sich nicht faul auf seinem zweiten Platz ausruht. Günther ruhte sich trotzdem weiterhin aus, auch als er in der vorletzten Wertung durch diese Regel ganz schön gerupft wurde.
Wo war eigentlich Walter?
Der Verlag behauptet, das Spiel sei ein 3 bis 6 Personen-Spiel. Aber das ist eine glatte Lüge! Drei Mitspieler können die genannten Gruppierungen führen, jeder weitere Mitspieler muss diesen Part mit einem der bisherigen Mitspieler teilen: gemeinsames Kartendeck (jeder kriegt die Hälfte davon), gemeinsame Aktionen (keine einzige mehr als in der 3-Personen-Konstellation) und ausschließlich gemeinsame Punkte. Das ist keine Kooperation, das ist eine Krankheit-im-Doppel.
Walter teilte sich mit Moritz die Rolle der Neutralen. Da aber Moritz die englischen Aktionskarten besser lesen und einordnen konnte, dazu auch einmütig zugestanden der bessere Wargamer war, spielte Walter in dem bescheidenen Handlungsspielraum, den das Spiel via Aktionskarten überhaupt bietet, gerne den Neger. Er ordnete sich allem unter, was Moritz vorschlug. Er hätte sich problemlos auch ausklinken und nur als Zuschauer am Kalten Krieg beteiligen können. Lust und Freude wären wohl in der gleichen Größenordnung geblieben.
WPG-Wertung: Aaron: 2 (erinnert mich an [stumpfsinnige] Ereigniskarten-Spiele der 60er Jahre. 1 Punkt weniger als das Vorbild „Quartermaster General“), Günther: 4 (ohne Kommentar, aber er fängt grundsätzlich keinen Streit an, wenn beide Streithähne unweigerlich verlieren), Moritz: 7 (das Spiel ist thematisch und besitzt einfache Wargamer-Mechanismen), Walter: 2 (hatte gehofft, als Junior-Partner eines geborenen Kriegers mal wieder zu gewinnen, es war aber nichts. Das Spiel ist für amerikanische Geschichtsfreunde, die mit Herzklopfen wahrnehmen müssen, wie die Russen in Kuba einmarschieren, und sich fest vornehmen, das im nächsten Spiel zu verhindern.).
In der Nacht kam Aaron die Vermutung, dass die Kooperation der Neutralen, so wie sie Moritz und Walter praktiziert hatten, nämlich eine weitgehende Abstimmung über die zu spielenden Aktionskarten, nicht den Regeln entsprechen konnten. Am nächsten Morgen nahm er er sich die Spielregeln noch einmal genauer vor und fand dazu u.a.:
“Strictly, you cannot disclose the contents of your hand … to other players, even teammates.”
und “Teammates cannot use each other’s Status, WMD, or Espionage cards.”
Das hatten wir großzügiger gehandhabt. Allerdings meinte Walter dazu, der Spielraum innerhalb der Kartenhände sei so eng, dass durch unsere Regelabweichung Mit- und Gegenspieler nur unwesentlich geschädigt wurden. Aber sicherlich war das „vielleicht nicht 100% regelkonform“ (Moritz’ Wording).
Aaron fand in der Spielregel aber noch eine andere Information, bei der sich ihm die Haare sträubten: “The Non-Aligned Bloc … need to encourage conflict between the Soviets and the West, as normally the Non-Aligned Bloc will take a bit of steam to catch up to the other two Blocs.”
Sein Kommentar: „The Cold War ist also ein 3-Spielerspiel, bei dem ein Spieler in der Rolle der „armen Sau“ ist, die nur dann eine Chance hat, wenn die beiden anderen Spieler ihn in Ruhe lassen und er es schafft, sie gegeneinander aufzuhetzen. Für mein Empfinden ist das Spiel alleine schon aus diesem Grund „broken“. Der blödsinnige Kartenmechanismus und der schwachsinnige Punkteausgleichmechanismus zwischen Zweitplatziertem und Letztem verstärkt das alles nur noch.
Zugegebenermaßen, ein gut funktionierendes 3-Spielerspiel zu designen ist schwierig und ein asymmetrisches 3-Spielerspiel zu entwickeln schon eine kleine Kunst. Leider ist für mich dieser Versuch mit “The Cold War” klar misslungen.
Ich reduziere meine Wertung daher auf 1.“
Dem widersprach Moritz: „Ich hatte nicht das Gefühl, dass Walter und ich nicht gewinnen konnten. Ich würde beim nächsten Mal mit besserer Kenntnis der Karten tatsächlich anders spielen. Zum Beispiel sollten die Non-Aligned tatsächlich früh eher viele Armeen und Luftwaffen bauen und sehr defensiv spielen, dann haben sie durchaus eine Chance. Bei Spielen dieser Art ist die Kenntnis der Karten absolut entscheidend, und es geht einfach darum, die zur Verfügung stehenden Karten gut zu timen und vom Timing her gut einzusetzen. Das würden wir beim zweiten Spiel deutlich anders machen, und es würde ganz anders verlaufen. Gerade diese Vielfalt finde ich sehr reizvoll und auch nicht frustrierend. Also für mich weiterhin Daumen eher hoch, auch wenn es jetzt für mich auch nicht direkt ein „Klassiker“ ist :-)“
2. “Festo!”
„Wir sind fleißig beim Kochen und Backen“, steht im Regelheft. Wo, das wage ich jetzt gar nicht hinzuschreiben. Es kann durchaus auch München und der Viktualienmarkt sein. Jeder Spieler besitzt 6 Pöppel, die er auf beliebige der insgesamt 6 verschiedenen Märke schickt, um dort die sechs verschiedenen Zutaten (verschiedenfarbige Holzwürfel) zu ergattern, die er für seine späteren Rezepturen braucht. Diese Setzphase besteht aus zwei Phasen, bei denen – ausgewürfelt – jeweils verschiedene Märkte offen bzw. geschlossen sind.
Es geht darum, auf den richtigen und ggf. auch auf möglichst vielen Märken die alleinige relative Mehrheit an Pöppeln zu haben. Der Mehrheitsbesucher darf sich nämlich auf Wunsch die gesamte ausliegende Warenauslage aneignen. Den restlichen Besuchern stehen dann pro Markt nur noch eine Ersatz-Aktion zur Verfügung: Verschieben von Würfeln, Versetzen von Pöppeln, Zuteilung von Joker-Zutaten und ähnliches.
Der Mehrheitsbesucher braucht aber auch nicht die gesamte Warenauslage an sich reißen, er kann sich pro Pöppel mit einer einzigen Zutat begnügen und mit dem letzten seiner Pöppel die – keineswegs vernachlässigbare – Ersatz-Aktion durchführen.
Danach wird gekocht und gebacken. Falls man die richtigen und ausreichend viele Zutaten hat. Große Brötchen bringen überproportional viel Ehre ein, kleine Brötchen entsprechend unterproportional wenig.
Wie spielt man also richtig?
Erstens sollte man immer Letzter sein, damit man mit seinen letzten Pöppeln die Mehrheitssituation auf den Märken dominiert. Zweitens sollten man alle seine Zutaten bis zum Schluss zurückhalten, und erst am Ende – oder zu einem anderen späten Zeitpunkt, der durch geeignete Ereigniskarten das Kochen und Backen ratsam erscheinen lässt – alle zu den teuersten, höchsthonorierten Brötchen verbacken.
Günther praktizierte diese Siegstrategie. Die erste Verhaltensmaßnahme fiel ihm in den Schoß, weil Walter die Startspielerrolle falsch verstanden hatte und sie sich regelmäßig unter den Nagen riss. Die zweite Verhaltensmaßnahme wuchs auf seinem eigenem Acker. Er wurde mit großem Abstand Sieger.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 6 (1 Minuspunkt für die Ereigniskarten), Moritz: 7 (lustiges Workerplacment-Spiel; der Wiederspielwert ist wohl nicht so hoch), Walter: 5 (solche Mehrheits-Haschereien liegen nicht auf meiner Linie).