Sonnenfinsternis in China und Moritz fährt mit dem Fahrrad zum Westpark. Wie reimt sich das zusammen?
Ganz einfach: Die Sonne zieht ihre Kreise um die Erde und manchmal kommt ihr der Mond in die Quere. Moritz zieht mit Sack und Pack um in die Isarvorstadt und ihm kommt leider niemals eine U-Bahnstation in die Quere.
Doch mit dem Fahrrad schafft er den Weg in 12 Minuten. Ab sofort wird Peter alleine zur vorletzten U-Bahn hetzen müssen.
Moritz' Frau hofft dagegen bis jetzt immer noch vergeblich auf ein Pedelec. In letzter Sekunde sagte sie die Tour d’ Ouest ab und überlies den Westpark einem unverdrossenen männlichen Trio.
1. “After the flood”
Vor weniger als einem halben Jahr zum ersten Mal gespielt, konnte sich heute keiner mehr an die Regeldetails erinnern. Moritz mit dem englischen Regelheft und Aaron mit der deutschen Version durften mit vereinten Kräften sich und dem einsamen Zuhörer die Regeln vortragen. Nach kaum einer Stunde war die allseitige Wiederholung bewältigt.
Im alten Sumerien müssen wir Reiche gründen und entweder durch Tauschen und Bauen oder durch Mord und Totschlag Siegpunkte erwerben. Während sich Aaron und Walter noch mit dem Polieren ihrer Pflugscharen die Zeit vertrieben, hatte Moritz im Nu daraus Schwerter geschmiedet und die Welt erobert. Nach der ersten Runde hatte er bereits den vierfachen Punktevorsprung vor dem Zweiten und einen Unendlichfachen vor dem dritten Spieler.
In der zweitem Runde war er nicht so erfolgreich, und wir durften wieder hoffen, daß die kommerzielle Variante der sumerischen Welteroberung der militärischen vielleicht doch noch Parioli bieten könnte. Immerhin gibt es sogar noch einen goldenen Mittelweg: Wer weder als Eroberer noch als Krämer direkt punkten kann, der kann seine Aktionen aufs Sparkonto einzahlen und auf eine ertragreichen Zukunft bauen.
In jedem Fall gilt, daß lukrative Reiche den Mitspielern so teuer wie möglich gemacht werden müssen. Wer hier allerdings seine Mittel verpulvert und trotzdem den kürzeren zieht, hat sich selbstlos für die Konkurrenz aufgeopfert. Gedankt wird es ihm nicht.
Weiterhin gibt es Landstriche, z.B. dort, wo der blaue Lapislazuli eingehandelt wird, die für den Sieg quasi unverzichtbar sind. Wer sich hier festsetzt, hat den Sieg auch schon halb in der Tasche. Nach unseren bisherigen Erfahrungen konnte sich immer relativ früh einer der Spieler irgendwo irgendwie eine uneinholbare Monopolstellung erwerben. War das Können oder ist der Glückliche hier jedesmal zufällig in eine Balance-Schwäche des Spieldesigns gefallen?
WPG-Wertung: Aaron: 6 (“nicht ausbalanciert”) , Moritz: 8 “stimmige Thematik, Kampfsituation für 3 Spieler sehr gut gelöst”), Walter: 7 (“für mehr Punkte etwas zu trocken”)
2. “Um Krone und Kragen”
Moritz’ erstes selbst-entwickeltes Brettspiel harrt noch seiner Publizierung, “Um Krone und Kragen” verdankt ihm immerhin schon seinen Namen.
Jeder würfelt mit einer ständig steigenden Anzahl von Würfeln. Damit erwürfelt man sich Bonuskarten, die beim weiteren Würfeln helfen sollen, noch bessere Würfelergebnisse zu erzielen. Entweder darf man damit zusätzliche Würfel einsetzen oder ein bißchen an den Würfelergebnissen herummanipulieren. Wer am Ende das allerbeste Würfelergebnis hinlegt, wird Sieger.
Wenn man die Bonuskarten alle kennt, kann man sich vielleicht eine optimale Bonuskartenerwerbsstrategie zulegen. Wenn Fortuna dann auch noch die notwendigen Würfelkombinationen gewährt, hat man gewonnen. Wenn die Glücksgöttin einen Spieler allerdings schon ganz am Anfang übersieht, hat sie Schwierigkeiten, diesen Fehler wieder gutzumachen. Wahrscheinlich ist ihr das aber egal.
Aaron wurde unangefochten Sieger. Wo blieb da sein sprichwörtliches Würfelpech!
WPG-Wertung: Moritz: nimmt dem Spiel einen Wertungspunkt, Walter gibt ihm einen. Die Summe bleibt gleich. Der Durchschnitt auch.
3. “Flaschenteufel”
Haben wir nicht gespielt, aber Moritz hat es nachdrücklich gefordert und als eines seiner Lieblingsspiele apostrophiert. Aaron und Walter waren platt! Haben sie doch tatsächlich seine Hebung auf 9 Punkte übersehen. Wurde ja auch schon vor mehr als einem Jahr bekanntgegeben.
4. “Bluff”
Paradoxien in der Wahrscheinlichkeit. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, mit 2 Würfeln eine Fünf zu würfeln? Zwei Drittel? Moritz bestand auf “Zweimal ein Drittel!” Ist das nicht das gleiche? Mindestens zwei Drittel der Mitspieler waren verblüfft. Schlußendlich war einer von zwei Würfeln unter Moritz’ Becher eine Fünf und Aaron hatte verloren.
Der Faden wurde noch weitergesponnen. Im Gegenzug gelang es ihm nicht, mit 4 Würfeln eine Zwei zu würfeln, obwohl die Wahrscheinlichkeit dafür schon bei Einhundertdreiunddreißig Prozent lag! Und schließlich mußte Moritz einen Würfel abgeben, weil von 6 Würfeln keiner ein Stern war. Obwohl auch dafür die Chance hundertprozentig war.
Lag das vielleicht an der Fragestellung? Hätten wir etwa danach fragen sollen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, mit einer bestimmten Anzahl von Würfeln KEINE Zwei zu würfeln?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
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15.07.2009: Spielen mit Willi
Willi ist ein begnadeter Viel- und Alles-Spieler aus dem hohen Norden (Deutschlands). Seine Spiel-Vorlieben decken sich nicht hundertprozentig mit den Schwerpunkten am Westpark. Dann gibt es harte Diskussionen über die weichen Formulierungen in unseren Spielberichten und Kritiken.
Willi vertritt mehr die schweigende Mehrheit der Spieler und hat auch für Wenig- und Gelegenheitsspieler immer einen guten Kauftipp auf Lager.
Sein größtes Verdienst um die Welt des Spiels ist sein konsequentes Bemühen, allen seinen Schülern vor dem Abitur wenigstens die Grundzüge vom “Doppelkopf” beizubringen. Wenn er sich mit der gleichen Leidenschaft auf die Einführung in das Bridgespiel verlegen könnte, wäre ihm gewiß schon das Verdienstkreuz des Deutschen Bridgeverbandes verliehen worden.
Alle paar Jahre wagt er sich in den Freistaat am Fuße der Alpen und kommt dann auch für einen Abend am Westpark vorbei. So auch heute.
1. “Automobile”
Das Thema ist der Automobilbau mit seinen Problemen von Weiterentwicklung, Produktion und Absatz. Wir bauen Fabriken, engagieren Manager mit unterschiedlichen Vertriebskompetenzen, heuern Verkäufer an, produzieren Wagen und setzen sie ab. Wer am Ende das meiste Geld damit verdient hat, ist Sieger.
Aaron und Günther hatten letzte Woche schon eine Proberunde gedreht, heute durften sie die Neulinge mit den Geheimnisse der Globalisten vertraut machen. Aber ganz vorsichtig, den kleinen Wissensvorsprung darf man ja nicht so leichtsinnig herschenken. Auf die Frage nach dem besten Manager rückte keiner mit der Sprache heraus. Doch als sich Willi intuitiv für Mister Howard entschieden hatte (“sells two cars”), tönten sie sofort: “Den hätte ich auch genommen!”
Es ist eine ziemliche betriebswirtschaftliche Herausforderung, den wechselnden Marktbedarf (zufallsabhängig) und die unterschiedlichen Produktionskapazitäten und Produktionsambitionen der Mitspieler mit seinem eigenen Potential unter einen Hut zu bringen. Jeder Zug bietet einen riesigen Handlungsspielraum, bei jedem Zug könnte man unendlich rechnen, um Kosten und Gewinne zu optimieren. Oft genug wird die Produktion nicht voll ausgereizt, weil man Absatzschwierigkeiten fürchtet, oft genug hat man Überkapazitäten nicht berücksichtigt und bleibt unter hohen Verlusten auf seiner Produktion sitzen. Das richtige Timing ist alles.
Die Zugreihenfolge wechselt nach strategischen Überlegungen. Der Startspieler hat bei allen Zugalternativen den Vorteil der freien Auswahl, die nachfolgenden Spieler können dafür schon leichter den Trend erkennen und Marktnischen erspähen. Die wirtschaftlichen Überlegungen sind ähnlich vielschichtig wie bei “1830”. Was an Streckenbau verloren geht, wird an Warenumsatz gewonnen.
Wir brauchten einschließlich der halbstündigen Einführung knappe drei Stunden für ein Spiel, das nur aus vier Runden von etwa zehn Aktionen pro Runde besteht. Solange die neu zu entdeckenden Abläufe fesselnd sind, ist das tragbar. Später könnten ungeduldige Spieler schon mal ihre Probleme damit bekommen. Damit das ganze ein Spiel bleibt und nicht in eine Übungsaufgabe für BWL-Studenten ausartet, sollte man unbedingt die Denkzeit limitieren und alles, was darüber hinausgeht, durch Geldbußen bestrafen!
Willi dachte garantiert nicht am längsten nach, aber durch eine harmonische Investitions-, Produktions- und Absatzpolitik wurde er – als Neuling! – Sieger. Ein Kompliment an den guten Geist des Nordens! Allerdings wäre er nicht auf das Siegespodest gekommen, wenn Fortuna in der letzten Runde für den Absatz von Mittelklasselimousinen nicht einen Wert nahezu beim Minimum vorgegeben hätte. Das stimmt natürlich bedenklich: Sollte ein dreistündiger Wirtschaftskampf durch einen einzigen zufälligen Würfelwurf entschieden werden? Dabei gäbe es dafür leicht Abhilfe: Warum werden die zufallsbestimmten Absatzzahlen einer Runde nicht schon aufgedeckt, bevor man mit Managern und Verkäufern in die Marktsituation eingreift? Damit die geborenen BWLler bei ihren Zügen nicht noch länger nachdenken?
WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt), Günther: 7 (“hätte auch 8 sein können”), Walter 7 (“8 Punkte mit Schachuhr und eingeschränktem Zufall”), Willi: 5 (“habe 3 Stunden meines Lebens geopfert”)
Die Rotweinflecken auf dem Spielgeld stammen nicht von der heutigen Runde am Westpark, sondern von letzter Woche in Aarons Hauptquartier.
2. “Flaschenteufel”
Die alte Diskussion, ob Flaschenspiel nur ein Chaos-Spiel ist, wurde durch Willi wieder neu angefacht. Doch wie fast immer, mußte der Vertreter der Chaos-Fraktion einsehen, daß das hier dominierende “Größte-Kleinere”-Prinzip durchaus eine Logik besitzt. Wenn etwas schief geht, liegt es nicht an der Unberechenbarkeit des Spiels, sondern am falsch zugrunde gelegten Axiomensystem.
WPG-Wertung: Willi: 4 (“ich möchte es nicht nochmals spielen”. Kein Kommentar vom Rest der Westparker.)
3. “Bluff”
Willi demonstrierte, daß man selbst beim Bluff lange nachdenken kann. Manchmal sogar mit Erfolg. Das hätte er mal beim “Flaschenteufel” tun sollen. Und zwar im richtigen Axiomensystem!
WPG-Wertung: Willi lag mit seinen 10 Punkten voll im Trend.
24.06.2009: Spielen mit Lisi
Heute war Walters Hochzeitstag. Er hatte dieses Jubiläum bereits gestern in den Tag hineingefeiert und heute mit einem feierlichen Champagner-Abendessen abgeschlossen. Die Tischdecke bekam auch ein Gläschen ab. Die Westpark Gamers konnten ohne eheliche Gewissensbisse empfangen werden.
Aaron brachte auch einen Schaumwein mit. Damit durften wir seinen letzte Woche erfolgreich unterschriebenen Vorruhestands-Vertrag begießen. Zunächst mal nur in den jeweiligen Kehlen. Günther steuerte ein B0027JTCN8 bei : “Leitfaden für Spieleerfinder und solche die es werden wollen.” Moritz wird Konkurrenz bekommen!
Lisi, eine junge Nachbarin, war heute auch mit von der Partie. Ihr Debut am Westpark hatte sie bereits in den neunziger Jahren des letzten Jahrtausends gegeben. Damals war sie halb so alt wie heute, aber schon durchaus ein ernsthafter Konkurrent bei unserem Patronatspiel “1830”. Ihr Lieblingsspiel praktiziert sie allerdings auf der Geige. Meisterhaft. Mit bereits vielen Debuts in allen Teilen Europas.
1. “Trans Europa”
Walter durfte erklären. Kurz, knapp, zwingend! Einfach Spitze. Keine einzige Rückfrage zu den Regeln, nicht mal von Lisi. So genial erklärt? Oder so genial verstanden?
Wir bauen Gleise von Madrid bis Moskau und von Sankt Petersburg bis Yspahan. Jeder für sich und im Grunde doch alle gemeinsam. Sobald der erste Spieler seine fünf Pflichtstädte verbunden hat, ist eine Runde zu Ende. Für alle Streckenabschnitte, die den Mitspielern zu ihren Pflichtstädten noch fehlen, gibt es Minuspunkte. Wer nach mehreren Runden die wenigsten Minuspunkte hat, ist Sieger.
Zuerst spielten wir ohne die Expansion mit den privaten Gleisabschnitten. Sie bringt im Prinzip kein neues Element ins Spiel, sondern verlangsamt nur durch Einbau leicht-überwindbarer Schikanen.
Nach drei Runden lagen wir immer noch alle dicht beieinander, und Aaron schlug vor, jetzt doch die Expansion hinzuzunehmen. Durch geeignetes Abschotten teuerer Bauabschnitte kann der am glücklichsten operierende Spieler den anderen noch ein paar zusätzliche Minuspunkte aufdrücken. Die Siegpunkt-Differenzen werden größer.
Nach wie vor ist die Frage ungeklärt, ob man besser im Zentralbereich oder in der Peripherie anfängt.
WPG-Wertung: Lisi bliebt mit 7 Punkten leicht unter dem bisherigen Durchschnitt.
2. “Dice Town”
Aaron muß noch eine Rezension schreiben. Da kommt jede Gelegenzeit zum Üben recht. Er durfte auch das Spiel erklären, ist er doch “einer unser besten Erzähler, besonders, wenn er vorliest!”
Jeder muß sich mit Spezialwürfeln eine optimale “Pokerkombination” zusammenwürfeln. Anschließend wird – im Gegensatz zu Poker – nicht das beste Ergebnis bewertet, sonder alle Blätter (Würfelkombinationen) bringen ihrem Besitzer irgend etwas Nützliches ein: Goldnuggets, Dollars oder Sonderkarten. Entweder bekommt man das von der Bank oder man darf es von den Mitspielern stehlen. Wie lustig! Am Ende wird die gesamte zusammengeraffte Habe in Siegpunkte umgerechnet.
Die Fitzeligkeit , d.h. die Betrugsmöglichkeit mit dem heimlichen Würfeln und Würfel-Zusammenstellen ist nach wie vor ein deutlicher Kritikpunkt. Die Freude am randomisierten Chaos verebbt schnell, leider sehr viel schneller als die Spieldauer lang ist. Wie schon beim ersten Versuch brachen wir nach ca. 1 Stunde Spieldauer ab. Es tut sich nichts Neues mehr. Gleichförmiges Würfeln und den Mitspielern Sonderkarten Wegnehmen verliert am Westpark schnell seinen Nährwert.
Wir trösteten uns mit Aaron Cremant, so erfolgreich, daß auch diesmal wieder Tisch und Bänke etwas davon mitbekamen. Wie diese Substanz dabei auch in Walters Augen geriet, ließ sich nachträglich nicht mehr genau rekonstruieren. Wenigstens fand er dabei eine neue Wette für Thomas Gottschalks berühmte Sendung: “Wetten, daß ich alle Schaumweine der Welt am Brennen in meinen Augen erkennen kann!”
WPG-Wertung: Lisi konnte auch mit gnädigen 6 Punkten den WPG-Durchschnitt nicht über die 5 Punkte-Hürde heben.
3. “Wind River”
Aaron strapazierte wieder von vorneherein die geringen Kingmaker-Kapazitäten dieses tadellosen strategischen Meisterwerkes des Jahres 2009. “Ich spiele so, daß ich möglichst schnell einen Spieler eliminiere” bekannte er, als sein auffällig asymmetrisches Agieren kritisiert wurde. Wen hatte er “zufällig” wieder als Opfer ausgesucht? Natürlich weder den heeren Strategen Günther noch den attraktiven Sonnenschein Lisi. Es war Walter, der selbst an seinem Hochzeitstag seinem Schicksal nicht entgehen konnte.
Der hielt (und hält) diese Spielweise für “bescheuert”, widerspricht sie doch dem Kantschen kategorischen Imperativ: “Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.” Wenn wir in “Wind River” alle danach streben würden, möglichst schnell einen Spieler zu eliminieren, geht das sehr schnell gegen den schwächsten, der gegen die vereinigte Übermacht niemals eine Chance hat. Zumindest für diesen wird das Spiel dann a priori frustrierend! Auch so kann man ein Super-Spiel kaputtmachen.
Walters Menetekel: “Du hast noch keine Wind River Partie gewonnen, du wirst auch in Deinem ganzen Leben keine mehr gewinnen. Solange ich mitspiele”.
WPG-Wertung: Lisi lag mit 8 Punkten ziemlich genau im WPG-Durchschnitt
4. “Flaschenteufel”
Walter durfte wieder erklären. Ein Kartenspiel, das auf den ersten Blick chaotisch abläuft, das in seiner inneren Struktur aber klare logische Schlußfolgerungen erfordert. Dann kann man auch überdurchschnittlich oft gewinnen.
Nach vier Spielen mit hohen Umsätzen hatte Lisi gewonnen. Lag es an ihrer spielerischen Genialität oder lag es auch diesmal wieder an Walters genialem Regelvortrag?
5. “Bluff”
Mit einem umwerfenden Lächeln auf den Lippen legte Lisi einen Riesenbluff aufs Parkett und schickte Aaron damit ins Grab: Vier Würfel auf einen Streich reduzierten seine Lebensflamme auf ein spärliches Flackern, das der nächste Windhauch gänzlich ausblies. Balsam auf Walters Wind-River-Wunden.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
26.03.2008: “Dos Rios” und andere Bekannte
Der Bericht von unserm letzten Spielabend war natürlich getürkt. Wir haben nicht erwartet, daß unsere intelligenten Leser darauf reinfallen. Das Spiel mit dem sumerischen Namen “Lir Parets Re” heißt in der abendländischen Leserichtung ganz schlicht “Erster April”, und darum ging es. Das Fabulieren hat uns Spaß gemacht, “Euch” hoffentlich das Lesen auch.
Damit aber nicht unglücklicherweise doch ein paar verlorene Schäfchen vor dem ADAC am “Westpark 8” auf die Eröffnung unserer heiligen Hallen warten, sind wir sicherheitshalber dort vorbeigefahren und hatten als Trostpreis für jeden ein komplettes “Lir Parets Re” dabei. Es war aber keiner da. Wir haben unsere Leser richtig eingeschätzt. Jetzt können wir die Spiele in den eigenen Reihen verteilen.
Hier also echte Non-Erster-April-Spielbericht vom letzten Mittwoch.
1. “Dos Rios”
Vor über zwei Jahren mit einem sehr guten 8,3 Punkte-Durchschnitt zum letzten Mal gespielt, kam es heute zu dritten Mal auf Tisch. Alle erinnerten sich noch einwandfrei, daß wir es schon gespielt haben, sogar an viele Einzelheiten. Doch leider fehlen uns die Entscheidungskriterien dazu, ob es ein abstraktes Spiel ist oder eines mit Thema. Die notwendigen Basisbegriffe sind noch nicht eindeutig definiert.
Das Spielbrett zeigt eine natürliche Hexagon-Landschaft aus Gebirge, Hügeln, Wald und Wiesen. Im Gebirge am linken Rand entspringen zwei Flüsse und fließen idyllisch über die Hexateile des Spielbretts in einen See auf der rechten Seite. Jeder Spieler besitzt 6 Campesions, die er mit seinen Bewegungsaktionen auf einträgliche Felder am Flußlauf positionieren muß. Die Ergiebigkeit der einzelnen Felder ändert sich nach einer vorhersehbaren Periodik. Natürlich gibt es hier einen ständigen Verdrängungswettbewerb unter den Mitspielern, der einen Großteil des Reizes von “Dos Rios” ausmacht.
Doch das “Geilste” sind die Holzbarrieren, mit denen jeder Spieler den Flußlauf verändern kann. Kaum hat man seine Campesions auf die Tabakfelder plaziert und reiche Ernteerlöse eingefahren, da lenkt ein böser Mitspieler den Rio Moreno um und man steht im Trockenen. Gegebenenfalls kommen auch noch ein paar Desperados die Flüsse herab und knallen die erstbesten Campesions ab, die sich ihnen in den Weg stellen, und schon steht man wieder vor einem landwirtschaftlichen Scherbenhaufen.
Alles ist planbar, aber nur für einen Zug, dann haben die gegensätzlichen Interessen der Mitspieler die Situation total umgedreht. Vom Spielerischen her ist das eher ein Vorteil. Nicht lange überlegen, spielen, ernten und sich an der überraschend vielseitig ändernden Geographie erfreuen, das ist die Idee.
Die Spielmechanismen sind sehr gut konstruiert. Es gibt eine Menge Interaktion beim Verdrängen von den besten Ernteplätzen und beim Verlegen des Flußlaufes. Durch den Bau von unzerstörbaren Fincas und Haziendas steigen noch dazu die Rundenerträge dynamisch an, so daß man bis zum Schluß auf den Sieg hoffen. Wer vorne liegt, kann seinen Vorsprung nur durch gutes Spiel über die Runden retten. Dazu gehört natürlich auch ein bißchen Glück.
Auf keinen Fall darf man sich alle Mitspieler zu Feinden machen, denn gegen die vereinten Rachegelüste der Verlierer hat man keine Chancen. Doch zu solchen Vereinigungen kommt es offensichtlich nicht; jedem geht es bei seinem Zug im Wesentlichen nur darum, unter deutlicher Berücksichtigung gegnerischer Verluste einen maximalen eigenen Nutzen zu erzielen. Gerade weil wir in der letzten Woche sehr ausgiebig über kooperative Spiele diskutiert hatten, fiel Aaron auf, daß “Dos Rios” in etwa “das unkooperativste Spiel ist, das man sich denken kann”. Zumindest war in unserer Runde keiner dabei, der mit dem Finger auf den Führenden zeigend das Feindbild vorgeben wollte, um ein Kartell der Verlierer zu schmieden.
WPG-Wertung: Aaron: 7, Günther: 7, Hans: 7, Walter: 7
Unsere Punkte lagen durchweg niedriger als vor zwei Jahren. Lag das am gestiegenen Lebensalter, an unserer gewachsenen Erfahrung, an der Stimmung des Abend, oder weil wir fast 3 Stunden brauchten, um Aaron den greifbaren Sieg nicht mehr streitig machen zu wollen?
2. “Rumis”
Das einzige Spiel, das auf der Spielschachtel unser WPG-Logo trägt. Da wurde es doch höchste Zeit, es auch mal wieder aus der Versenkung hervorzuholen. Jeder Spieler erhält einen Satz klobiger Bauklötzchen und gemeinsam bauen sie nach vorgegebenen Regeln auf einer vorgegebenen Fläche ein irgendwie zusammenhängendes Gebilde. Wessen Bauklötzchen am Ende die größte sichtbare Oberfläche aufweisen, der hat gewonnen.
Das Spiel ist konstruktiv, kooperativ und destruktiv zugleich. Zum Legen der Klötzchen kommen die Körper in Bewegung und dabei werden auch die Geister richtig munter. Deshalb ist es weniger geeignet als Absacker, aber vorzüglich zum Warming-Up. Und ein Spiel für Großvater und Enkelkinder ist es allemal.
Keine neue WPG-Wertung, aber der bisherige Durchschnitt von 8 Punkten wäre locker wieder erreicht worden.
3. “Flaschenteufel”
Die lange diskutierte Frage, ob das Spiel beherrscht werden kann, ist mit “Ja” entschieden. Deshalb ging Hans sofort in die Defensive und bekannte, daß er im “Flaschenteufel” noch die geringste Erfahrung besäße. Erwartungsgemäß häufte er auch unverzüglich Minuspunkt auf Minuspunkt. Aaron bot an, Hansens Punkte am Ende mit einer Minus-Eins zu multiplizieren, doch Hans erkannt sofort den Haken: “Auch dazu muß man das Spiel beherrschen!”
Wenigstens als kleine Entschädigung konnte er Walter eine böse Überraschung bereiten: Er schob ihm die gelbe Zwei zu und legte die gelbe Eins in den Teufelstich. Als Walter nun freudestrahlend mit der gelben Zwei den Teufelsstich nahm, in der Gewißheit, damit mit einem Schlag alle Sorgen um seine kleinen Karten losgeworden zu sein, blieb er auf dem Teufelsstich sitzen. Auch das gehört zu den vielen Faktoren, die ein guter Spieler beim Flaschenteufel berücksichtigen muß.
04.03.2009: Ingenieure im “Im Wandel der Zeiten”
Hans schläft wie gewöhnlich vor dem Fernseher, Peter schläft irgendwo ganz ungewöhnlich mit seiner Loredana, Moritz treibt als Battlestar durch die Galaxis, ganz relaxed, weil die Vorsehung freundlicherweise keinen einzigen Kyklopen rausgelassen hat, und die sonstigen Schläfer unter den Freunden und Landsleuten haben wir diesmal nicht geweckt. Nur die rationalen Triolen Aaron, Günther und Walter sind heute zusammengekommen, um rational und sachlich den Wandel der Zeiten zu analysieren.
1. “Im Wandel der Zeiten”
Ein komplexes Aufbau- und Kampfspiel, das der junge Spieleverlag Czech Games 2007 nach Essen mitbrachte und das dort damals schlagartig ausverkauft war. Pegasus Games hat 2008 eine Neuauflage herausgebracht: Umfangreiches, gediegenes Material, unendlich viele Aktionskarten, endlich viele Rohstoffe und Nahrung, an zwei Händen abzählbare Marker und Pöppel.
Politisch korrekt sind die Arbeiter durch gelbe Pöppel dargestellt, und nicht wie im kritisierten “Puerto Rico” durch schwarze Pöppel. Chinesen kann man offensichtlich durch Arbeit nicht diskriminieren!
Die Spieler müssen in einem kybernetischen Räderwerk aus Fortschritt und Entwicklung die optimale Balance innerhalb von Produktion, Investition und Ressourcen-Management finden. Viele Gegensteuerungsmechanismen sind eingebaut, um einen führenden Spieler nicht davonziehen zu lassen: Arbeiter werden immer teuerer, ihre Ernährung immer aufwendiger und Strafen für zu extensive Betriebsauslastung immer höher. Diese Bremsklötze gehen zu Lasten der Dynamik. An keiner Stelle gibt es ein Schwelgen im Überfluß. Nicht nur Aaron war zumute: “Ich könnte heulen”, wenn die Ressourcen für die nächste Bauphase eines Weltwunders wieder gerade nicht mehr ausreichten.
Mittels Theologie müssen die Spieler für die Glückseligkeit ihrer Bevölkerung sorgen. Im 21. Jahrhundert hat man deren Basisforderung nach “Heulen und Zähneklappern” total ad acta gelegt. Als Alternative wird dafür das sich Ergehen in den “hängenden Gärten der Semiramis” angeboten. Da gab es doch noch etwas für die Wonnen des Alltags! “Im Wandel der Zeiten” scheint das verloren gegangen zu sein.
Aaron hatte sich die Neuauflage sofort zugelegt, weil dem Spiel der Ruf eines schnelleren “Civilization” vorausging. 8 Stunden Spielzeit sind auch für einen Freak keine Selbstverständlichkeit. Wir brachen nach knapp 2 Stunden Spielzeit friedlich und erwartungsgemäß ab, und hatten da vom ersten Stapel Aktionskarten gerade mal die Hälfte verbraucht. Insgesamt wären drei Stapel Aktionskarten zu bewältigen gewesen. Selbst wenn wir unsere jeweiligen Denkzeiten um 50% reduziert hätten, wäre dabei immer noch eine Gesamtspielzeit von über fünf Stunden herausgekommen. Für die gebremste Dynamik des Spielablaufs ist das entschieden zu viel.
Es gab lange Diskussionen (nach dem Spiel), ob die Vorteile von Fortschrittskarten einmalig oder jedesmal pro Runde gelten sollen. Erklärungen und Piktogramme waren nicht immer eindeutig. Vor allem war es nicht einsichtig, daß ein billiger Caesar, den man sich für einen einzigen Aktionspunkt zulegen konnte, zwei Siegpunkte pro Runde einbringen sollte, während der Koloß von Rhodos für den gleichen Ertrag vier Aktionspunkte und zusätzlich eine Menge Ressourcen kosten sollte. Die Entwicklung einer tollen Militärtheorie bringt sogar 10 Siegpunkte pro Runde ein. Ist das wohlproportioniert? Oder ist das ein verdecktes Moritz-Prinzip?
Eigens für die Mitspieler, die regelmäßig vorzeitig zur vorletzten U-Bahn abdüsen müssen, gibt es noch folgende Spielregel: “Zu Beginn Ihres Zuges haben Sie die Möglichkeit, das Ende Ihrer Zivilisation zu erklären und aus dem Spiel auszuscheiden!” Als Letzter! Die anderen dürfen dann noch stundenlang weiterspielen. Das ist wenigstens mal ein sehr bemerkenswertes Peter-Prinzip!
WPG-Wertung: Haben wir vor lauter Diskussion vergessen, wird nachgereicht. Walter vergibt schon mal 7 Punkte für Design und Ablauf, zieht davon aber wieder 2 Punkte ab, weil die Spielzeit im Verhältnis zur gebotenen Dynamik einfach viel zu lang ist.
2. “Flaschenteufel”
Zum ersten Mal zu dritt gespielt. Eine ganz andere Kartenpräsenz als zu viert. Noch durchsichtiger, noch berechenbarer. Man hat das Timing beim Stiche-Machen besser in der Hand, und jeder weiß von jedem Mitspieler mindestens eine Karte, auf die er seine die Verteidigung aufbauen kann. Ungewöhnlich oft war der spontane Satz zu hören: “Jetzt habe ich einen Fehler gemacht!”.
Natürlich gibt es wie im richtigen Leben auch beim Flaschenteufel Kartenhände, die den Besitzer zum Verlieren verurteilen. Doch dann kann man zumindest noch versuchen, den Schaden zu begrenzen.
Aaron kündigte gleich im ersten Spiel an: “Ich bleibe auf dem Teufelsstich sitzen”. Mit welcher Begründung? Er hatte keine einzige gelbe Karte auf der Hand und fürchtete, mit der gelben 1 und 2 beschenkt zu werden und diese Karten nicht mehr loswerden zu können. – So kam es dann auch.
3. “Bluff”
Walter hatte zum ersten Mal in seinem Bluff-Leben 5 Sterne unter seinem Würfelbecher. 7776 mal muß man für diesen Superstwurf würfeln. Es reicht, wenn man sich fünfzig Jahre lang jede Woche einmal zum Bluff-Spiel zusammensetzt und dann pro Tag jeweils drei Runden absolviert. Im Durchschnitt. Da wurde es auch höchste Zeit.
25.02.2009: Der “Flaschenteufel” als Kampfstern in der Galaxis
Aaron hat jetzt in alle unsere Rezensionen ein Feedback-Kästchen eingebaut: Jeder Leser hat die Möglichkeit, einen Artikel mit den Noten von 1 bis 10 abzukanzeln. Einfach auf die entsprechende Anzahl Sterne klicken, und schon hat man Lust oder Frust zum Ausdruck gebracht.
Achtung aufgepaßt: Jeder Absender kann pro Artikel nur einmal seine Stimme abgeben, dann wird keine Wertung mehr angenommen. Bitte also den richtigen Stern anklicken.
Bis jetzt sind die Rückflüsse noch sehr spärlich. Günther bekam für seine zweite Dominion-Analyse die Traumnote 9,9. Bei 7 Wertungen. Seine erste Analyse, die mit 36 Wertungen gerade die Hälfte aller Wertungen auf sich vereinigt, kommt immerhin noch auf die Note 8,6. Im Vergleich zu unseren eigenen Spielebewertungen wäre das ebenfalls noch ein Spitzenplatz: Hier liegt “1830” mit der Durchschnittsnote von 8,8 auf den vierten Platz.
Leser, Autoren und Verlage, nutzt die Gelegenheit, Euren Daumen zu heben oder zu senken! Rächt Euch mit schlechten Noten für schlechte Kritiken! Lieber wäre es uns allerdings, wenn Ihr Euch noch ein paar Worte einfallen läßt, und gleich einen richtigen Text-Kommentar abgebt. Gelesen wird alles. Nicht nur von uns. Mehr als tausend mal pro Rezension.
1. “Battlestar Galactica”
Ein kooperatives Spiel mit sehr viel Thema. Eine ganze Fernsehserie soll dazu Pate gestanden haben. Zumindest Moritz kannte sie. 12 aufrechte Menschen sind auf der Flucht aus dem Weltraum wieder zurück zur Erde. An allen Ecken und Enden tauchen feindliche Gebilde aus, die vernichtet werden müssen, bevor sie zuviel Schaden an Treibstoff, Nahrung, Moral oder Bevölkerung angerichtet haben. Ihre Vernichtung wird ausgewürfelt, elegant und berechenbar, zumindest nach dem Gesetz der großen Zahlen.
Zusätzlich treten regelmäßige Krisen auf, die ebenfalls die empfindlichen Ressourcen anfressen. Gemeinsam müssen sie gemeistert werden, wobei “gemeistert” heißt: alle Spieler zusammen legen verdeckt farbige Zahlenkarten auf einen Haufen, dann wird der Haufen aufgedeckt, und wenn die Summe der Zahlen größer ist als das Krisenpotential, dann verpufft die Krise ohne negative Effekte.
Leider ist diese Kartensumme nicht ganz so elegant berechenbar wie ein Würfel, denn erstens weiß keiner, welche Zahlen die Mitspieler gegen das Krisenmanagement geopfert haben, zweitens kommen von einem verdeckten Stapel auch noch unbekannte Modifizierkarten hinzu, die das Krisenpotential bis zu 50 Prozent auf- oder abwerten. Und drittens können Mitspieler sogar Karten mit Minuswerten zu dem Haufen legen, die bei der Summenbildung dann kontraproduktiv sind.
Warum sollten sie so etwas tun? Weil nicht alle Mitspieler gut sind! Es gibt unerkannt böse Verräter von der Rasse der Cylonen unter ihnen, die das Spiel gewonnen haben, wenn die Menschheit untergegangen ist. Es ist also ein Kampf der Guten gegen die Bösen, gegen zufällige Gefahren in zufälligen Größenordnungen mit zufälligen Abwehrmitteln und unbekannten Allianzen. Wer zufällige die richtigen Karte auf der Hand hat, darf auch noch darum würfeln, ob die unbekannte, zufällig oben liegende Krisenkarte mit der unbekannten, zufällig darunter liegenden Krisenkarte vertauscht werden darf. Sowas geht dann schon in Richtung Metazufall.
Moritz versuchte Stimmung zu erzeugen, indem er seine Mitspieler reihum als Cylon verdächtigte. Ist so ein Vorgehen tatsächlich ein wichtiger Bestandteil des Spielspaßes in der “Galactica”? Muß man seine Freunde ernsthaft verdächtigen, und müssen die sich dann ernsthaft verteidigen? Oder darf man das blindwütig einfach so aus lauter Jux und Tollerei tun, und die Verteidigung oder sogar Selbstanklage ist auch nur ein stimmungsfördernder Faschingsscherz? Sind hier vielleicht bewußt chaotisch gehandhabte, offensichtlich falsche Schlußfolgerungen bei den Verdachtsäußerungen besonders stimmungsfördernd? – Eine philosophische Frage. Moritz hatte damit in seinen anderen Spielkreisen angeblich Erfolg. In unserer rationalen Gesellschaft funktionierte diese einfache Lustprinzip nicht so durchschlagend. Eine offensichtlich falsche Verdächtigung ist nicht a priori lustig, sondern sie ist ein logischer Fehlschluß und damit ein Ärgernis. Im Gegensatz dazu wäre eine zutreffende logische Schlußfolgerung beispielsweise: ein Spieler, der sich in einer einzigen Runde nicht an der gemeinsamen Krisenbewältigung beteiligt hat, in der aber mindestens eine kontraproduktive Karte gespielt wurde, dieser Spieler kann kein Verräter sein, falls es nur einen einzigen Verräter gibt. Logisch, oder?
Walter dachte sehr früh an die letzte Strophe eines Kirchenliedes von Paul Gerhard: “Mach’ End’, o Herr mach’ Ende
” – doch dann dachte er an Fasching, an den Aschermittwoch, an den schlechten Ruf der sauertöpfischen Protestanten und an die gute Lust und Laune unseres Lustmolches und machte nur noch gute Miene zum bösen Spiel. So machten es alle anderen auch.
Im Nachspann fand Aaron noch den irgendwie passenden Spruch:
“Mal ist man Denkmal, mal ist man Taube”.
Diesmal fühlte ich mich eher als Denkmal, doch glücklicherweise hatte die Taube genügend Terpentin geschluckt.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (Advanced “Mau Mau”), Günther: 4 (“nicht mein Fall”), Moritz: 9 (“ihr habt das Teamprinzip nicht verstanden”) , Walter: 4 (vermisst die Möglichkeiten “to have a plan”)
Bemerkenswert, daß in der Fernsehserie zu “Battlestar Galactica” im Vorspann jedesmal der markante Satz fällt: “And they have a plan!”
2. “Flaschenteufel”
Die Frage: “Spielt man oder wird man gespielt” steht immer unausgesprochen im Raum.
Zuerst wurde die Sitzordnung vertauscht, damit sich Moritz nicht mehr über die von Walter geschobenen bösen Karten ärgern konnte. Dafür ärgerte er (der M.) dann postwendend und gezielt den Günther mit der gelben Zwei. Tatsächlich erwarb Günther im letzten Stich mit seiner gelben Zwei auch den Teufelsstich und mußte mit Minus-17 Punkte ins Rennen gehen. Wird man beim “Flaschenteufel” also doch gespielt?
Mitnichten. Günther als Startspieler hatte gleich mit seiner ersten ausgespielten Karte den entscheidenden Fehler gemacht: Auf seine gelbe 22 wurde Moritz die blaue Vier und Aaron die gelbe Eins los. Walter mußte mit der gelben 18 den Stich übernehmen, doch das waren für ihn nur gerne gesehene Pluspunkte. Hätte Günther gleich als erste Karte die gelbe Zwei ausgespielt, dann wäre ihm todsicher im ersten Spiel der Teufelsstich erspart geblieben.
So diskutierten wir post mortem nach jedem Spiel die spielentscheidenden Fehler. Sie ließen sich immer identifizieren. Und alle hätten vermieden werden können! Also wird man im “Flaschenteufel” auch nicht gespielt. Q.e.d.
11.02.2009: Mit dem Flaschenteufel durch die Kontinente
Im Internet kann man sich nicht nur einen Lebensabschnittspartner suchen, sondern auch kurzfristige Seitensprünge. Bei Google werden unter den Suchbegriffen “Seitensprung” + “Portal” immerhin dreihundertvierzigtausend Einträge angeboten, z.B. “Seitensprung mit Niveau
für Frauen und Männer, die auf der Suche nach einer Affäre oder einem One-Night-Stand sind!”
Peter hat es ausprobiert. Zumindest einige Links. Angeblich sollen dort 35 jährige Frauen “jüngere” Männer suchen. Mit 40 plus ist man schon ausgemustert. Als armer 40 Jähriger muß man schon um seinen Ruf kämpfen: “Ich bin kein Opa-Typ!”.
Ach, was hat die heutige Jugend für Sorgen! Ich gehe als gut 60-Jähriger in den Bridgeclub und bin dort
Verrate ich nicht!
1. “Chicago Express”
Walter durfte den Neulingen Loradana und Peter die Regeln erklären. Nach Peters Vorstellung von Systematik hielt er sich streng linear an das 8-seitige, klar gegliederte Regelheft und wurde als Erklärer weder angefeindet noch abgesetzt. Ein Novum am Westpark.
Wir ersteigern Aktien von Eisenbahngesellschaften, bauen Strecken, entwickeln die umliegende Geographie und kassieren Dividenden für den Eisenbahnbetrieb. Wer am Ende das meiste Geld erwirtschaften konnte, ist Sieger.
Es gibt eine Menge antagonistischer Effekte zu berücksichtigen, hier nur zwei Beispiele:
a) Die Gesamteinnahmen einer Linie werden gleichmäßig unter alle Aktienbesitzer verteilt. Je mehr Aktien einer Linie verkauft sind, desto geringer ist der Quotient. Schnell noch eine Aktie des Gegners auf den Markt zu werfen, erhöht den Nenner und reduziert die Dividende. Im Gegenzug macht jede verkaufte Aktie eine Linie reicher und entwicklungsfähiger. Zusätzlich erlaubt dies gleich mehreren Aktionären, den Ausbau einer Linie tatkräftig in die Hand zu nehmen.
b) Man versucht eine Aktien so billig wie möglich zu ersteigern, doch der Erlös fließt in die Gesellschaft, und je mehr Kapital sie hat, desto besser kann sie sich entwickeln. Der richtige Preis für eine Aktien zum gegebenen Zeitpunkt, das ist das ganze Geheimnis für gutes Spiel. Wenn man diese Rechnerei ernst nimmt, kann der Spielablauf allerdings ziemlich dröge werden.
Gott-sei-Dank hat Günther hier noch keine Optimierungsbilanz erarbeitet, sonst wäre das Spiel zu Tode analysiert. Wir (alle?) rechneten wenig und wir spielten viel. Ganz brav und ruhig verlief die Entwicklung. Ohne Aggressionen wurden die Strecken gebaut und die Industriezentren entwickelt. Fast langweilig
Walter konnte sich erinnern, daß ab dem Mittelspiel die Aktien leicht überbewertet über den Ladentisch gingen. Heute hielt er sich von Anfang an zurück. Am Ende kam er mit einer einzigen Chesapeake-Aktie (plus einer beschisssenen Wabash-Aktie) vor den Richter. Entsprechend gering war seine Geldsummenausbeute: mit 42 Dollar hatte er gerade mal die Hälfte an Barvermögen des vorletzten Spielers erwirtschaftet und etwa ein Viertel die des Siegers Peter.
“Was habe ich falsch gemacht?” Peter: “Alles!”. Deutliche Aussage, doch die Details sind hilfreichere Information für das nächste Spiel. “Keep fully invested” gilt auch hier, zumindest am Anfang des Spiels. Immerhin werden ca. 8 mal Dividenden ausgeschüttet, die ersten Aktien bringen also schon insgesamt etwa 50 Dollars ein.
Zweites Fazit von Peter: “Ihr (wahrscheinlich meinte er wieder Walter) hättet mehr Aktien auf den Markt bringen müssen!”. Dabei hatte sich Walter gerade in der Endphase bemüht, Aktien SEINER Linie zu verkaufen, um die Gesellschaft flüssiger zu machen. Hier hätte er sich aber besser auf seiner einzigen Aktie ausruhen und etwas für die Ertragsentwicklung seiner Linie tun sollen. Dann hätten die Mitspieler automatisch auch Interesse an der Chesapeake bekommen.
Peters drittes Fazit: “Man kann das Spiel besser spielen, als es hier gespielt wurde!” Klar, wer auch diesmal damit gemeint war.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (1 Punkt weniger), Peter: 7 (trotz seiner Geld-Schwemme), Loredana: 5 (das Spiel funktioniert. Nachträgliche Frage: Was funktioniert nicht?) Walter: 8 (2 Punkte weniger, Tendenz fallend)
2. “Trans Europa”
Noch mal Eisenbahn, diesmal in Europa. “Trans Europa” ist auch kein Wirtschaftskampf, sondern ein Glücksspiel (wer zieht die besten Städte-Verbindungen) und eine psychologische Herausforderung (welche Strecken müssen die anderen ohnehin für mich bauen?).
Locker ist es allemal. Auch wenn unser Terminator es abqualifiziert: “albernes Glücksspiel”! Da frage ich mich schon, auf Grund welcher Eigenschaften “Zoff im Zoo” für ihn seit Jahren der absolute Renner ist!
Keine neue WPG-Wertung für ein Mehr-als-7-Punkte-Spiel
3. Flaschenteufel
Hier gilt Walter dank seiner Auseinandersetzung mit Günther Cornett’s PC-Implementierung als Favorit. Durch einen kapitalen Ablege-Fehler konnte sich auch gleich im ersten Spiel mit Minus 16 Punkten den Teufelsstich sichern.
Doch dann schob er sich Spiel um Spiel nach oben, und als er die Führung erobert hatte, schlug er den Spielabbruch vor. Alle waren einverstanden, insbesondere Peter, der sich hier wie bei der “Behinderten-Olympiade” gefühlt hatte. Als Zuschauer, oder als was?
4. “Bluff”
Nix Neues im Westen. Peter zweimal als erster ausgeschieden, Loredana zweimal gegen Aaron im Endspiel. Einmal oben, einmal unten. Ohne Seitensprung.
14.01.2009: Der “Dorn” im “Flaschenteufel”
1. “Dorn”
Kein Spiel von Rüdiger Dorn, sondern ein “kooperatives Fantasy-Spiel ohne Glücksfaktor” (Originalton Moritz) von Czech Board Games. Aaron meinte, Fantasy ohne Glücksfaktor wäre ein Widerspruch in sich selbst, doch Moritz bestand auf seiner Einschätzung. Daran merkt man den Unterschied zwischen Künstler und Techniker. Walter wollte vorsichtshalber wissen, wie lange das Spiel dauert, doch Moritz wußte es selber noch nicht. Er war aber bereit “es jederzeit abzubrechen, ich will euch zu nichts zwingen”.
Das Spiel wird von drei bis fünf “Guten” gegen einen “Bösen” gespielt. Klar, daß hier die Allianz Aaron, Günther und Walter gegen Moritz gebildet werden würde. Wir bewegen uns über Tempel, Sümpfe und Minen zu Schätzen und Artifakten, wir finden Segnungen (viele) und Flüche (wenige), manchmal auch Nieten (winziger Glücksfaktor). Monster tauchen auf, die es abzumurksen gilt, sonst murksen sie uns selber ab. Wir gewinnen oder verlieren Blutpunkte, werden mächtiger und unverletzlicher, oder wir hauchen unser letztes Leben aus.
Auch der Böse rüstet natürlich auf. Seine fortlaufend entstehenden Monster gewinnen ihm Kraft- und Lebenspunkte, bevor sie wieder dahinscheiden. Fast zwei Stunden dauert der Aufmarsch, bis er in den entscheidenden Endkampf übergeht. Jetzt zeigt sich, wer die bessere Aufrüstung betrieben hat und die größere Potenz in die Waagschale werfen kann.
Hier war – fast wie geahnt – Moritz als Böser nicht zu schlagen. Mit seiner explosionsartig anwachsenden Angriffstärke machte er die Guten nieder, bevor sie auch nur erkannt hatten, von wo ihnen überall die Gefahren drohten. Walter war sofort hin und Günther verlor seine bessere Hälfte, ohne einen einzigen Schuß Pulver eingesetzt zu haben. Der Rest war Formsache.
Wir hätten unsere Segnungen beim Aufmarsch nicht so leichtfertig verplempern sollen, sondern alles konsequent behalten und erst im letzten Gefecht einsetzen sollen. Dann hätten wir den Erstschlag überlebt und eine Chance beim Zurückschlagen gehabt. Aber das wußten wir beim ersten Mal natürlich noch nicht.
Sicherlich werden wir das beim zweiten Spiel besser machen. Es bleibt aber der unangenehme Beigeschmack, daß man stundenlang planmäßig aufrüsten muß, um am Ende gegen eine chaotische Zusammenballung von Gewalten anzutreten, die im Prinzip nicht mehr recht kalkulierbar sind. Beim Schachspiel wäre diese Situation vergleichbar damit, wenn es im Endspiel unvermutet hieße: Weiß bekommt noch eine zusätzliche Dame und Schwarz darf seine Türme beliebig umplazieren.
In jedem Fall ist das Spiel spannend, die Kooperation funktioniert, der Aufmarsch gibt Raum für vielfältige strategische und taktische Überlegungen, die einzelnen Elemente und Mechanismen sind gut ausbalanciert und der Ablauf ist kalkulierbar. Es gibt keine Würfel und auch keine Ereigniskarten, die den Spielverlauf auf den Kopf stellen. Das Spielmaterial ist ausgezeichnet, solider Karton, hübsche Glassteine, klare Graphiken, gutes europäisches Spieldesign! “Wenn man ein bißchen Freak dafür ist, mag es wohl interessant sein” bemerkte ein nüchterner Technokrat.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (besseres Fantasy-Game, kein Ameritrash), Günther: 5 (nicht Geist-reich genug), Moritz: 6 ½ (ein gelungenes Experiment, Gefahr für Analysis-Paralysis), Walter: 6 (für die Balance)
Moritz wird eine Rezension schreiben.
2. “Flaschenteufel”
In der Konkurrenz zwischen “Uptown” und “Zoff im Zoo” konnte sich unsere alte bzw. Moritz neue Liebe durchsetzen.
Wir mußten uns erneut wieder klarmachen, ob es besser ist, dem rechten Nachbarn die niedrigere und dem linken Nachbarn die höhere von zwei kleinen Karten weiterzuschieben oder umgekehrt. Nachdem hier Moritz’ Nachbarn entgegengesetzte Prinzipen verfolgten, bekam er von beiden Nachbarn jeweils die gelben Einser zugeschustert und fiel in seine alte Verzweiflung zurück: “Ich hasse das Spiel wieder!”
Dann drängte er auf eine neue Sitzordnung und tauschte mit Aaron den Platz. Tatsächlich machte uns jetzt Aaron den Moritz; aber wenigstens blieb er in der Endabrechnung im Plus.
Moritz wird in Zukunft nur noch mit der aktuellen Sitzordnung spielen. Gut Blatt!
Keine neue Wertung für ein super Absacker-Spiel.