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25.09.2019: Mal wieder ein Spiele-Abbruch

1. “Rurik – Kampf um Kiev”

Rurik – Moritz zeigt wo’s lang geht

„Ein Wargame“ unkte Aaron. „Nein, ein Area-Control-Game“ widersprach Moritz. Was ist der Unterschied? Richtig: im Wargame versucht man den Gegner zu vernichten und die Erde möglichst alleine zu bevölkern, im ACG reicht es, den Bürgermeister zu stellen und damit überall sein doppeltes Süppchen mit halbem Aufwand kochen zu können. In diesem Sinne ist „Rurik“ ein ACG.

Wir bringen neue Krieger aufs Spielbrett. Wie üblich immer nur dort, wo schon welche sind. Wir breiten uns aus. Allerdings dürfen wir in echter Koexistenz mit beliebig vielen fremden Kriegern auf einem Feld stehen. Wir ziehen Steuern ein, d.h. wir nehmen wie ein echter Herrscher den Bauern die Butter vom Brot, wir bauen Festungen (zur Verteidigung), Kirchen (um fremde Krieger zu Proselyten zu machen), oder Märkte (um beim Steuern-Eintreiben noch jeweils ein Gut mehr zu bekommen). Und wir führen im Notfall auch mal ein kleines Scharmützel aus, um in einer Region die Mehrheit zu besitzen. Dafür rücken wir dann, egal ob wir gewonnen haben oder nicht, auf der Heldenskala eine Stufe höher. Wer bei Spielende hier am höchsten steht, bekommt Siegpunkte. Ein paar wenigstens, das Mütchen zum Kriegern sollte nicht ausufern.

Haben wir in einer Region die Mehrheit, so brauchen wir sowohl beim Steuereinziehen als auch beim Bauen nur die halbe Kraft, ansonsten gibt es keinen Unterschied, ob wir alleine unter potentiell lauter feindlichen Mitstreitern stehen oder ob wir unter lauter eigenen Heerscharen dort herumstehen.

Bemerkenswert, um nicht zu sagen originell und sehr hübsch, ist der Mechanismus, wie wir unsere Aktionen auswählen. Dazu besitzen wir zu Spielbeginn vier Ratsherren vom Stärkegrad 1, 2, 4 und 5, die wir pro Runde reihum auf ein Aktionstableau stellen, und damit die jeweils zugeordnete Aktion (neue Krieger, Bewegung, Angriff, Steuern, Bauen und Intrigieren – letzteres kriegen wir später) auswählen. Ein stärkerer Ratherr drängt einen schwächeren nach hinten, eine schwächerer muss sich a priori hinten anstellen. Ein Ratherr kann mit Geld seinen Positionierungsrang erhöhen (gilt nur für jeweils eine Runde) und damit einen vorderen Platz beanspruchen.

Die vorderen Plätze dürfen alles vermehrt, also mehr Krieger, mehr Bewegung, mehr Steuern etc., aber auch der Letzte innerhalb einer Spalte des Aktionstableaus darf auch noch etwas.

Sind alle vier Ratsherren positioniert (in den letzten beiden Runden kommt noch jeweils ein weiterer Ratsherr dazu), dann fängt – in Startspielerreihenfolge – der schwächste Ratsherr mit seiner Aktion an. Da muss man beim Platzieren schon aufpassen, dass man z.B. nicht mit einem schwächern Ratherrn das Laufen beginnen muss, bevor man mit einem stärkeren Ratherrn erst die Kriegerzahl erhöht hat. Oder dass man nicht kämpfen muss, wenn man das gewünschte Kämpferpotential noch gar nicht aufgebaut hat.

Das wichtigste Positionierungs- und Aktionsziel ist es, bei einem der vier Rundenenden auf den drei „Anspruchsleisten“ jemals einen der vorderen Plätze belegt zu haben:

    1. als Herrscher mindestens einmal in 5 Regionen dominiert zu haben.

 

    1. als Bauherr in 7 benachbarten Regionen gebaut zu haben. (Das sollte das leichteste Zwischenziel sein, denn ein einmal errichtetes Gebäude wird bis zum Spielende nicht wieder vom Spielbrett genommen.

 

  1. als Steuereintreiber mindestens einmal 11 eingetriebenen Güter auf sein Boot geladen zu haben.

Dann hagelt es regelrecht Siegpunkte ins Kontor.

Und was macht man als Intrigant? Als Intrigant bekommt man jeweils eine Intrigantenkarte. Die Oberintriganten dürfen sie sich aus einer gegebenen Anzahl aussuchen, die Unterintriganten müssen damit vorlieb nehmen, was ihnen das Schicksal zuteilt. Die Intrigantenkarten können gesammelt oder auch so schnell wie möglich wieder ausgegeben werden. Damit darf ein Spieler zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb seine Zuges eine zusätzliche Aktion (Kampf, Bewegung etc.) aufführen, oder er bekommt auch mal lediglich ein bisschen Geld dafür.

Es gibt auch noch „Tatenkarten“, wenn man deren Aufgabe innerhalb des Spiels irgendwann mal erledigt hat, bringen die ebenfalls Siegpunkte. Aber wenn die Erfüllung von Taten uns nicht mehr oder weniger von in den Schoß fällt, dann brauchen wir uns nicht weiter um sie zu scheren, sie kleckern eher mit Siegpunkten als dass sie klotzen.

Fazit: 2 Stunden leicht wogendes Area-Kontrollieren. Sehr viel hübsches, didaktisch ausgezeichnetes Material.

WPG-Wertung: Moritz: 7 (die Ratsphase ist interessant, komplex und gut), Walter: 7 (viel Interaktion, sehr klare Aktionen und Prioritäten, das Spiel ist rund), Aaron: 5 (das Spiel ist überhaupt nicht rund, die Balance zwischen Denken-Müssen und Zufall stimmt nicht, nur die Ratsherrn-Phase ist gut).

2. “Flügelschlag”

Aaron: „Spiele mit einer Solovariante sind zu einem hohen Maße nicht mein Ding. Das ist immer wieder meine Erfahrung.“ – Bei Flügelschlag bestätigt.

Heute kam es nach Jahren mal wieder zu einem Spielabbruch in Unfrieden. Als Walter in der zweiten Runde seinen dritten Zug machen wollte, behauptete Moritz steif und fest, hartnäckig und unnachgiebig, Walter habe seinen dritten Zug bereits gemacht, und er sei jetzt an der Reihe.

Wollen wir mal Walters gesamten Züge rekonstruieren. Das geht im „Flügelschlag“ ja noch leichter als das Kartenabspiel beim verlorenen Großschlemm auf der letzten Bayerischen Paarmeisterschaft.

Walter war Startspieler und hatte vom Start weg „billige“, d.h. wenig fressende Vogelkarten auf die Hand bekommen. Er behielt sich 2 davon und dazu 3 Nahrungschips, nämlich Korn, Wurm und Fisch.

1/1) Im ersten Zug legte er für 1 Korn eine Carolin-Ameise in den Wald. Eine läppische Karte, auf die man bei Aktivierung gerade ein einziges mal 1 Korn aus dem Vorrat legen darf, um in der Endabrechung 1 Siegpunkt zu erhalten.
1/2) Im zweiten Zug holte er sich 2 Eier.
1/3) Im dritten Zug legte er für 1 Ei und 1 Wurm eine Singammer in die Wiese. Eigentlich eine recht potente Karte, denn man darf sie bei Aktivierung – falls sie immer noch die rechteste Karte in ihrem Lebensraum ist – in einen beliebigen anderen Lebensraum bewegen. Damit kann man sie immer dorthin schieben, wo man für die nächsten Aktionen die meiste Potenz braucht.
1/4) Im vierte Zug holte er sich Nahrung, und zwar einen Fisch. Damit wurde zugleich seine Ameise aktiviert und bekam das erste und letzte Mal ein Korn gereicht.
1/5) Im fünften Zug legte er für 1 Ei und 2 Fische einen Braunpelikan ins Wasser und bekam dafür „beim Ausspielen“ sogleich 3 Fische aus dem Vorrat zurück. Eine positive Nahrungsbilanz.
1/6) Im sechsten Zug holte er sich nochmals 2 Eier.
1/7) Im siebten Zug besorgte er sich eine weitere Vogelkarte.
1/8) Im achten Zug legte für 2 Eier, 1 Korn und 2 Fische (Ersatzkost für 1 Wurm) eine Lincolnammer in den Wald. Sie besitzt den gleichen Vorteil wie die Singammer, nämlich dass man sie bei Aktivierung in einen beliebigen anderen Lebensraum verschieben kann. Zwei Karten dieser Art sind allerdings eher kontraproduktiv.

Frage: Woher nahm denn Walter alle diese Vögel, zu Spielbeginn hatte er doch nur zwei Vogelkarten auf der Hand? Klare Antwort: Moritz hatte einen Drosseluferläufer oder ein Zwergsultanhuhn oder einen ähnlichen Geier ausgelegt und zweimal aktiviert, so dass jeder Spieler ohne eigene Zugvergeudung zweimal eine Vogelkarte ziehen durfte.

Und wie sieht die Nahrungsbilanz aus, zum Auslegen dieser 4 Vögel fehlt doch 1 Korn? Richtig: Aaron hatte so etwas wie einen Annakolibri ausgelegt und aktiviert, so dass alle Spieler einmal kostenlos ein Futter aus dem Vogelhäuschen, sprich aus dem Würfelbecher, erhalten hatten. Für Walter war das genau das gesuchte Korn.

In der zweiten Runde war Moritz der Startspieler und Walter der Letzte am Zug.

2/1) Nachdem Moritz und Aaron ihren ersten Zug getan hatten, besorgte sich Walter in seinem ersten Zug Vogelfutter, und weil er bereits 2 Vögel im Wald hatte, bekam er gleich 2 Nahrung. Er wählte die für seine Ambitionen glücklicherweise noch vorhandenen 1 Wurm und 1 Korn.
Moritz fragte noch, ob denn jetzt noch braune Aktivierungseffekte fällig wären. Waren nicht! Die Singammer war bereits eingekornt und die Lincolnammer lag nicht mehr auf der rechtesten Stelle in ihrem Lebensraum.

2/2 Nach Moritz’ und Aarons zweitem Zug legte Walter für die gerade gezogenen 1 Wurm und 1 Korn einen Pappelwaldsänger in den Wald. Fertig. Moritz fing an, an seinem eigenen dritten Zug zu laborieren.

Jetzt wies Aaron Walter auf den Zusatztext seines ausgespielten Pappelwaldsängers hin: „Beim Ausspielen ziehe 2 Bonuskarten und behalte 1 davon“. Solche „Nachzügler“ sind am Westpark normal und werden geduldet; wir wollen ja nicht noch länger darauf warten, bis ein Spieler a) seine optimalste Optimierung herausgefunden und b) auch noch in Bürokratenmanier alle Nebeneffekte von seiner Checkliste abgehakt hat. Solange Spiele nicht in allen ihren Regeldetails beherrscht werden (wie z.B: “1830“), dürfen übersehene Nebeneffekte nachgenutzt werden.

Walter zog 2 Bonuskarten, unter anderem den „Vogelzähler“. Der verspricht ihm bei Spielende „2 Siegpunkte für jeden Vogel mit einer ?? Fähigkeit“. Diese Hieroglyphe ?? war nicht selbsterklärend, und noch lag keine einzige Vogelkarte mit so einem Symbol auf dem Tisch. Nach einiger Grübelei fragte Walter den Regelchef Aaron, was denn diese Karte bedeutete. Aaron war gerade mit einem eigenen dritten Zug beschäftigt und bat, bis zur Beendigung seines Zuges zu warten. Es dauerte auch nicht lange, dann konnte er die Kartenbedeutung im Regelheft nachschauen und erklären. Walter wählte dann aber lieber den Sperlingskundler als Bonuskarte (Siegpunkte für Vögel mit einer Spannweite kleiner 30 cm), denn er besaß bereits 4 Stück davon.

Jetzt wollte er seinen eigenen dritten Zug machen, doch ohne Wenn und Aber verwehrte ihm Moritz diesen Zug. Er behauptete, Walter habe seinen dritten Zug bereits gemacht und schlichtweg vergessen, ein drittes Klötzchen als Marker dafür zu legen. Welche die drei Züge waren, das konnte und wollte Moritz nicht sagen. Auf Walters Argumentation, mit der er a) seine Züge plausibel rekonstruieren wollte (4 Vogelkarten-Legen, 2 mal Eier, 1 mal Futter und 1 Vogelkarte in der ersten Runde) und b) dass es doch ausgeschlossen war, dass Walter bereits mit seinen dritten Zug einschließlich den Bonuskarten zu Gange gewesen war, während Aaron seinen dritten Zug noch gar nicht beendet hatte, weil er ja gerade eben bei der Bedeutungs-Nachfrage um Geduld gebeten hatte, ging Moritz gar nicht ein. Ohne jegliche Einsicht in seine potentielle (und real stattfinden sollende) Zugklauerei verbat er Walter den dritten Zug.

In dem anschließenden Hick-Hack ging Walter der Hut hoch. Das ist genau eine Verhaltenskombination (dumm plus frech), gegen die er bei allen seinen Mitmenschen höchst allergisch ist, schon seit 57 Jahren, als sein Mathematiklehrer einmal diese Kombination als von ihm nicht toleriert aufgezählt hatte. Walter brach ab!

Keinem Spieler von uns würde es einfallen, einem anderen glattweg einen Spielzug abzustreiten. Jeder würde im Zweifelsfall dem Mitspieler einen Irrtum zu seinem Gunsten zugestehen. Nur einer nicht. Und nicht einmal dann, wenn er selber absolut im Unrecht ist.

Diese Darstellung hier mag etwas subjektiv sein. Lieber Moritz, Du darfst alles anders darstellen, und zwar so, wie es in Deinen Augen gewesen ist. Ich warte darauf!

Der Spielabbruch hat das Spielgefühl, das man in Flügelschlag entwickelt, nicht beeinträchtigt. Aaron und Walter konnten überzeugend darlegen, dass wir in den 1 ¼ Runden bereits alles kennengelernt hatten, was es im Flügelschlag kennenzulernen gibt. Wie der 169te Gelbbrust-Waldsänger tickt und der 170te Blaumückenfänger vögelt, das interessiert am Westpark ohnehin niemanden.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (bleibt), Moritz: 5 (die taktische Auswahl beim Vogelkarten-Ziehen ist begrenzt, der Sieg hängt stark vom Zufall der Vogelhand in Korrelation mit dem verfügbaren Futter ab. Es gibt viel unnötigen Frust), Walter: 7 (bleibt).

28.08.2019: Flügelschlag und mehr

1. “Flügelschlag”

Das aktuelle „Kenner-Spiel des Jahres 2019“. Hierzu viele Worte zu verlieren, heißt wohl Eulen nach Athen zu tragen. Bei Google werden schon 453 Tausend Einträge zu diesem Begriff ausgewiesen (claro, nicht alle zum Spiel), und sicherlich liegt die Zahl der Spiel-Bestellungen bei Verlagen und Vertrieben in der gleichen Größenordnung.

Lassen wir jetzt die Jury von „SdJ“ selber zu Wort kommen, warum sie dieses Spiel an die Spitze der Produkte von 2019 gesetzt haben. (Ich hoffe, dass mit diesem Text kein Copy Right verletzt wird!)

„Bei Flügelschlag ist es also, dass wir ein Territorium haben mit ’nem Waldgebiet, ’nem Sumpfgebiet und ’nem Wassergebiet. Wir locken Vögel an, die zu uns kommen, und wollen eine möglichst bunte Vielfalt an Vögeln bei uns haben.“
Einspruch! Erstens „locken“ wir keine Vögel an, sondern wir kaufen sie ganz einfach und brutal in einem Vogelgeschäft. Der erste Vogel pro Runde kostet nichts, der zweite kostet ein Ei, und ab dem braven Schweppermann auch zwei. Zweitens möchten wir keine möglichst bunte Vielfalt an Vögeln haben, sondern eine Sammlung, die uns möglichst viele Punkte bringt. Das kann u.U. auch eine recht einseitige Sammlung von Enten sein. (Drittens ist das „Sumpfgebiet“ nach der Spielregel ein „Wiesenlebensraum“, aber das stört nun wirklich keinen großen Geist.)

„Die Vögel können Eier legen, wir können sie auf die Hand nehmen, und die Vögel brauchen Nahrung.“
Teilweise richtig.
a) Wir können nicht, wir MÜSSEN die Vögel sogar zuerst auf die Hand nehmen, nachdem wir sie gekauft haben. Erst in einem weiteren Zug dürfen wir sie dann in einem unserer Wald-, Wiesen- oder Wasser-Käfige aussetzen.
b) Die Vögel brauchen eigentlich keine Nahrung, nur wir Spieler müssen eine artenspezifische Nahrung abgeben, und zwar nur und genau dann, wenn wir die Vögel in die Käfige setzen. Ein einziges Mal.
c) Nicht alle Vögel legen Eier, sondern nur diejenigen in unserem Wiesenkäfig. Bei jedem neuen Platzieren eines Vogels dort bekommen wir Eier, und zwar mit wachsendem Füllungsgrad des Käfigs in steigender Menge.

Von diesem dynamischen Ausschüttungsprinzip her ist es natürlich ein taktischer Zug, möglichst schnell und einseitig die Wiese zu füllen. Doch gilt dieses Prinzip auch für die Ausschüttung anderer Ressourcen. Beim Aussetzen im Wald liefern die Vögel Nahrung, und im Wassergebiet bekommen wir neue Vögel (Vogelkarten) auf die Hand.

„Die Vogelarten sind detailverliebt gezeichnet. Die Karten enthalten viele Information zur jeweiligen Vogelart, wir tauchen ein in die ornithologische Welt. Jede Partie wird zu einer ornithologischen Fortbildungsmaßnahme. Man hat dann nicht nur Spaß gehabt, sondern auch noch etwas gelernt. – Mir geht es jetzt auch so, dass ich jetzt ganz anders durch die Welt gehe und viel mehr auf die Vögel achte, die draußen bei uns sind.“
„Detailverliebt“ ist richtig. Der ornithologische Lerneffekt ist bei mir persönlich allerdings ausgeblieben. Seit mein Freund Hans ein Beauftragter des Vogelschutzbundes ist, kann ich die Eichelhäher in unserem Garten identifizieren, ansonsten nur die Grundvögel aus dem Lied „Alle Vögel sind schon da“. „Flügelschlag“ hat mir hier keinen einzigen weiteren Vogel weder dem Namen nach, noch im Bild, noch in seiner Spannweite noch in seinem Lebensraum nähergebracht. Aber vielleicht bin ich ein Ignorant.

„Für alle geeignet, die ganz einfach strategisch denken und ihre Kartenauslage optimieren möchten.“
Ja wie sieht denn die Strategie aus? Wieviele und welche Vögel der Anfangsausstattung behalten wir auf der Hand? Behalten wir Vögel mit großen oder mit kleinem Nahrungsbedarf beim Aussetzen? Fangen wir mit Wald, Wiese oder Wasser an? Welche Vogel-Sonder-Effekte sind die besten?

Da kommt’s nämlich noch: Auf jeder einzelnen Vogelkarte steht ein anderer Effekt, der beim Ausspielen bzw. beim „Aktivieren“ eines Lebensraums zum Tragen kommt. Wir erhalten Eier, Nahrung oder zusätzliche Vogelkarten, wir dürfen gleich noch einen weiteren Vogel aussetzen, wir dürfen das Nahrungsangebot neu auswürfeln, oder wir erhalten einzelne Sonder-Siegpunkte.

Ja wofür gibt es Siegpunkte? Dafür sind verschiedene Kriterien ausgelobt. Zunächst bringt jede einzelne ausgespielte Vogelkarte Siegpunkte entsprechend dem aufgedruckten Quantum. Jedes Ei auf einer Vogelkarten liefert einen weiteren Siegpunkt. Jeder Spieler erhält zu Spielbeginn eine individuelle Bonuskarte mit Bedingungen, die er im Laufe des Spieles ganz oder teilweise erfüllen muss (meist ist es das Sammeln einer Anzahl von Vögeln mit spezifischen Eigenschaften), und die dann in der Schlusswertung weitere Siegpunkte einbringen. Zusätzliche Bonuskarten können beim Aussetzen mancher Vögel dazuerworben werden. Darüber hinaus werden für ein Spiel vier Zwischenziele definiert (z.B. die meisten Eier oder die meisten Vögel in einem bestimmten Lebensraum), wer hier den besten Erfüllungsgrad hat, bekommt weitere Siegpunkte zugeschustert.

Zurück zu Strategie-Frage? Welches ist denn nun die beste Strategie, die das Räderwerk unseres strategischen Denkens in Gang hält? Die Auswahl der kaufbaren Vögel im Vogelgeschäft ist sehr begrenzt. Fehlanzeige ist es, zu wissen, was da auf uns zukommt. Das Nahrungsangebot wird mittels eines (sehr hübschen) Würfelbechers ausgewürfelt. Auch da sind wir in Planung und Ausführung unserer Strategie stark eingeschränkt. Die zukünftigen und angebotenen Vogel-Sonder-Effekte sind gänzlich unbekannt. Ein optimaler Zugriff auf die besten Vogelkarten kommt einem Von-der-Hand-in-den-Mund-Leben gleich. Ja, ja, so mancher Fachmann hat Schwierigkeiten mit dem Begriff „Strategie“, warum nicht auch unsere Jury von SdJ!

„Vogelschlag ist ein sehr thematisches Optimierspiel, stimmig, thematisch passt einfach alles.“
Ja wenn man im Wald Nahrung bekommt und im Sumpf neue Vogelkarten, dann stimmt das einigermaßen. Bei den Sonder-Effekten auf den Vogelkarten bin ich mir da nicht so sicher. Zumindest wollen wir anerkennen, dass die Begriffsbildung des Spiels weitgehend aus der Vogelwelt stammt.

„Das Thema sorgt für einen leichten Einstieg, denn das, was die Vogelkarten, was die Vogelarten können, das macht Sinn, weil das ist aus dem Leben abgekuckt.“
Ich wüsste nicht, auf welche Weise mir das Leben neue Vogelkarten in die Hand spielt! Auch beherrsche ich z.B. die Mechanismen von Kohleförderung und Vertrieb a la „Haspelknecht“ auf Anhieb genauso gut wie den Flügelschlag beim Vögeln, ohne jemals selber unter Tage gewesen zu sein. Ressourcen zu bekommen und auszugeben ist wohl eine der grundlegendsten Erfahrungen in unserem Leben.

„Zum einen ein sehr schöner Mechanismus, dass wir so eine Art Kettenreaktion bei uns aufbauen, die es Spaß macht auszulösen.“
Kettenreaktionen, die man nicht auslöst, machen nicht nur keinen Spaß, sie machen auch keinen Sinn! Aber sind diese Kettenreationen denn ebenfalls dem Vogelleben abgekuckt? Und sind sie planbar, oder ergeben sie sich nicht einfach, weil das halt ein unausweichlicher Effekt des Spielablaufs ist?

„Das Material ist gigantisch. Toller Würfelturm … und anstelle von simplen Holzklötzchen richtige Holzeierchen als Marker, phantastische Illustration.“
Das wollen wir mal unangefochten so stehen lassen, obwohl Kugeln anstelle von Würfeln noch keinen Giganten ergeben!

„Das Thema … macht es zu einem Kennerspiel, was tatsächlich auch schon Kenner-Einsteiger spielen können.“
Bei vielen Spielen überlege ich mir, ab wann ich sie meinen demnächst schulpflichtigen Enkelkindern zumuten kann. Die 170 verschiedenen Vogelkarten mit ihren 170 verschiedenen Sondereigenschaften möchte ich ihnen aber auch dann nicht zumuten, wenn sie das Lesen und Rechnen beherrschen. Wir wollen doch spielen!

WPG-Wertung: Aaron: 5 (fast 4, zäh, zu viele Glückselemente), Günther: 6 (das Verhältnis Zufall gegenüber Planung ist negativ, ich habe es jetzt 4 mal gespielt, es hat mir nicht mehr und nicht weniger gefallen als beim ersten Mal. [D.h. unsere Zurückhaltung bei der Wertung liegt nicht daran, dass wir die Spielmechanismen nicht gekannt haben.]), Walter: 6 (etwas pampig, die planerischen Effekte sind nicht beherrschbar; aber die Mechanismen sind sauber und das Material ist sehr hübsch).

2. “Sherlock – Tod am 4. Juli”

Das Palavern um die mögliche Lösung des jeweiligen Kriminalfalls in dieser Spiele-Serie macht Spaß. Eine Weile. Das Lösen als solches ist zuweilen eine Zumutung. Z.B. hier beim „Tod am 4. Juli“.

Mörder und Mordopfer werden in der ganzen Geschichte auf sämtlichen Karten kein einziges Mal erwähnt. Und aus den Ketten im Stripclub kann sich jeder je nach Alter, Veranlagung und Erfahrung eine eigene Geschichte zusammenbrauen.

Angeblich (nach dem Text auf der Schachtel) bittet uns die Polizei um Hilfe, um herauszufinden, was passiert ist. Dabei weiß die Polizei in diesem Fall das schon vom ersten Augenblick an, bevor wir auch nur die erste Karte in die Hand genommen haben.

Kein Spiel für logische Schlussfolgerungen, sondern eines für phantasiebegabte Erzähler. Aber vielleicht ist das gewollt so.

Moritz war nicht dabei. Er darf das Spiel jetzt mit nach Hause nehmen und versuchen, den Fall alleine zu lösen. Mal sehen, ob unser phantastischster Mitspieler als Solist die Lösung findet. Wir sind gespannt.

WPG-Wertung: keine neue Wertung für eine Serie von 5 bis 7 Punkte-Spielen.