1. “Forum Trajanum”
Ein typisch Stefan-Feld’sches 1000 Gänge Punkte-Menü. (Ich komme gerade aus einem Sternelokal.) Alles stimmt, alles vom Feinsten, alles ausbalanciert, viele in der Design-Theorie wichtige Spielelemente (Planung, Zufall, temporäre Grenzen und absolut ausgleichende Gerechtigkeit) sind wohl ausgewogen enthalten. Doch was sagt die Waage dazu?
Jeder Spieler hat ein Tableau von 6 mal 6 Feldern vor sich, in das er seine 32 Aktionsplättchen platziert. Die Plättchen müssen gut gemischt werden und dann verdeckt auf dem Tableau verteilt werden, genauso verdeckt muss jeder Spieler pro Zug zwei davon auswählen, herumdrehen und ausführen. Man kann sich also nicht einfach die aktuell brauchbarsten Plättchen heraussuchen, sondern man stochert im Dunkel herum und hofft dabei, als blindes Huhn doch auch mal ein fressbares Korn gefunden zu haben.
Dieses im Prinzip harte Prinzip wird allerdings deutlich abgeschwächt: a) alle Aktionsplättchen sind gut, mehr oder weniger gleich gut; b) man darf sich das „bessere“ der beiden gleich guten Plättchen heraussuchen, gibt das „schlechtere“ an seinen rechten Nachbarn weiter und bekommt als Gegenleistung von seinem linken Nachbarn das von diesem als das schlechter eingeschätzte Plättchen zurück. Demnach hat man jetzt wieder zwei Aktionsplättchen zur Hand, wählt davon die als geeigneter auszuführende Aktion aus und legt das andere ab. Toll, was? Auf so einen Auswahlmechanismus muss man erst mal darauf kommen: blind auswählen, sehend auswählen, sehend weitergeben, blind zurückbekommen und nochmals sehend wählen: und schon haben wir das Rüstzeug für unsere erste und einzige Aktion pro Zug zusammen!
Damit die Spieler aber nicht unnötig lange darüber grübeln müssen, welche der blind zu ziehenden, unbekannten 32 Aktionsfelder die besten sein könnten, wird ihre Auswahl pro Zug auf eine Zeile und eine Spalte (oder auf zwei Zeilen resp. zwei Spalten) eingeschränkt. Durchaus ergonomisch und anti-paralytisch sinnvoll.
Welche Aktionen gibt es?
- Wir bekommen rote, grüne, gelbe oder blaue Arbeiter und können damit rote, grüne, gelbe oder blaue Häuer bauen. Und zwar auf genau denjenigen Stellen in unserem Tableau, wo wir die Aktionsplättchen bereits abgeräumt haben. Dafür bekommen wir dann rote, grüne, gelbe oder blaue Gesandte, die wir auf das gemeinsame Forum in der Tischmitte stellen. Sie belegen dort rote, grüne, gelbe oder blaue Felder. Diese sollten sich möglichst um siegpunktträchtige Adler scharen und ansonsten zusammenhängend bleiben, weil auch die größte zusammenhängende Anzahl von Gesandten in den Rundenwertungen extra honoriert wird.
- Wir bekommen einen braunen Assistenten und dürfen damit einen beliebigen unserer Arbeiter umfärben.
- Wir bekommen einen grauen Baumeister und dürfen damit ein graues, öffentliches Gebäude bauen und damit einen bauspezifischen Vorteil (z.B. neue Arbeiter, direkte Siegpunkte u.ä.) einheimsen.
- Wir bekommen einen weißen Tribun, um damit die Zeilen-/Spalten-Einschränkung bei der Auswahl unseres Aktionsplättchens ignorieren zu dürfen.
- Wir bekommen einen Bürger, der uns einerseits einen einmaligen bürgerspezifischen Vorteil (z.B. Tribune, Assistenten und Geld ineinander umzutauschen) gewährt, und andererseits den Faktor erhöht, mit dem bürgerspezifsche Siegpunkte in jeder der drei Rundenwertungen multipliziert werden.
- Wir bekommen Geld, das wir benötigen, um unsere Bürger periodisch zu bezahlen.
So fließt die Arbeit munter fort. Wir räumen die Aktionsplättchen aus unsere Spielertableau ab und bauen stattdessen Bauwerke darauf. Wir füllen das Forum mit Gesandten und rückten auf den Prämienleisten für öffentliche Gebäude vorwärts.
Natürlich hat Stefan Feld noch weitere Siegpunktquellen in sein Forum eingebaut. Wer damit groß geworden ist, kann sie alle a) im Kopf be- und b) auseinander-halten. Wer damit erst groß werden will, sollte das Ganze zunächst einfach spielerisch angehen. Günther machte es zwar spielerisch, seine Erfahrung, sein kluges Köpfchen und/oder das Schicksal ließen ihn dabei aber auch noch einen erfolgreichen Plan umsetzen: Er hatte massig öffentliche Gebäude in seinem Tableau errichtet, hatte sich dazu eine ausgewählte Mannschaft von Bürgern zugelegt, und mit 3 Rundwertungen zu je Bürgerfaktor mal Anzahl öffentlicher Gebäude konnte er sich ungefährdet den Sieg holen. Die anderen beiden Spieler, die mangels Köpfchen, Erfahrung oder Gunst des Schicksals mehr oder weniger von der Hand in den Mund vorgegangen waren, landeten am Ende aber gar nicht so abgeschlagen. Ein guter Feld hält auch für den Letzten noch ein erkleckliches Sümmchen an Siegpunkten bereit. „Forum Trajanum“ ist zweifellos ein guter Feld. Und wer ein echter Feldjäger ist, wird lange daran Spaß haben können. – Wir gönnten uns eine knapp zweistündige lockere Einführung und ein gut zweistündiges Spielen.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (much ado about nothing, wenig Interaktion, die man auch noch vermeiden kann, abstrakte Mechanismen ohne jedes Thema, ein typischer Stefan Feld: man kann überall viele Siegpunkte machen, hat aber keine Ahnung davon, was das Beste ist), Günther: 6 (fast 7; das Spiel löst keine Begeisterungsstürme aus, ich würde aber gerne noch mal die eine oder andere Schiene ausprobieren), Walter: 6 (einschließlich einem Punkt für die Ingenieursleistung, alles stimmt, alles ist rund, aber weniger und ein bisschen eckiger wäre spielerisch überzeugender gewesen.)
2. “Railroad Ink: Deep Blue Edition”
Anhand von Spezialwürfeln würfeln wir Streckenteile aus, mit denen jeder Spieler sich ein Netz von Straßen- und Schienenverbindungen zusammenbaut. „Baut“ ist hier das falsche Wort, jeder Spieler malt die ausgewürfelte Streckenform (Gerade, Kurve, Kreuzung oder Straße-Schiene-Verbindung) mit einem Tintenstift in seine private Tafel ein. Alle Streckenteile müssen zusammenhängend sein und müssen von definierten Ausgangspunkten am Tafelrand ausgehen. Zusätzlich darf jeder Spieler während seines Streckenbaus bis zu drei, nicht ausgewürfelte, sondern a priori zur Verfügung stehende Sonderteile in sein Netz einbauen.
Am Ende wird das längste Netz, die meisten Verbindungen mit Toren am Tafelrand, sowie weitere Netzeigenschaften mit Siegpunkten honoriert.
Offene Streckenabschnitte, d.h. solche die nicht am Tafelrand enden, liefern Minuspunkte. Aber keine Angst vor Minuspunkten: die progressive Honorierung von vielen Toren und großen Netzen ist weit lukrativer als die paar lumpigen Minuspunkte.
WPG-Wertung: Aaron: 6 (ein Solitär-Spiel), Günther: 6, Walter: 6 (ein hübsches Spiel für ebene Geometriker, es wären 7 Punkte, wenn das Tintenschreiben nicht a) zu sehr lästig und b) zu fehleranfällig – fast nicht nachkontrollierbar! – wäre).