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02.12.2009: Getreues Albion und perfide Wertungen

“Wenn ich ein wenig Geld habe, kaufe ich mir Spiele, und wenn mir dann noch was übrig bleibt, kaufe ich Essen und Kleidung” (Erasmus von Rotterdam, leicht variiert).

1. “Albion”
Albion
Ältere Semester assoziieren mit “Albion” noch die Eigenschaft “perfide”. Bei Wikipedia kann man nachlesen, warum. Doch die Bezeichnung wurde schon von Ptolemaeus geprägt und bezieht sich schlichtweg auf das Gebiet des heutigen England (einschließlich Wales).
Wir sind römische Siedler und müssen die Insel von unseren Basislagern an der Kanalküste ausgehend besetzen. Wir lassen unsere Siedler in das Landesinnere marschieren, bauen Kastelle und Siedlungen, und erschließen Rohstoffquellen (Fisch, Holz, Stein und Gold). Die Rohstoffe benötigen wir zum Bauen, durch das Bauen erhalten wir mehr Bewegungsfreiheit für unsere Siedler und Legionäre, größere Verteidungskraft oder reichere Rohstoffquellen. Verteidigung brauchen wir, um uns gegen die Pikten zu wehren, die in immer größeren Mengen auftauchen und unsere Bauwerke zerstören, wenn wir vorher nicht genügend Verteidigungspotential zusammengetragen haben. Ein rechtes Aufbauspiel ohne Würfel und Zufallseinfluß.
Beim Vordringen nach Norden stehen wir im Wettlauf mit unseren Mitspielern: Wenn wir in einem Gebiet bauen wollen, wo sie sich bereits festgesetzt haben, müssen wir ihnen Tribut zahlen. Um die Siegbedingung zu erfüllen, müssen wir uns fast in jedem Gebiet niedergelassen haben, wir können die Gebiete unserer Mitspieler also gar nicht meiden. Tributzahlungen sind fast alltäglich. Sie sind nicht hoch, aber wer gönnt seinem Konkurrenten schon freiwillig einen Fisch. Also möchten wir überall gerne selber die ersten sein. Doch das bleibt natürlich ein unerfüllbarer Wunschtraum.
Zwangsweise müssen wir unsere Züge in die verschiedenen notwendigen Entwicklungsrichtungen verpulvern, und oft stehen wir dabei unschlüssig vor trivialen Alternativen, z.B.

  • Erst unsere Rohstoffquellen nutzen und dann damit weitere Rohstoffquellen erschließen, oder umgekehrt.
  • Erst ein Kastell auf ungefährdetem Gebiet bauen und dann in Innere vordingen, oder erst mit einem gewissen Risiko ins Innnere vordringen und dann dort ein Kastell bauen, das später in bezug auf weitere Besiedelung Bewegungsvorteile mit sich bringt.
  • Erst eine Siedlung errichten oder ausbauen, um von den Mitspielern Tribut zu kassieren, allerdings mit dem Risiko, dass sie von den Pikten zerstört wird, oder erst die Verteidung sichern, dafür aber die Mitspieler vorbeiziehen zu lassen und im Endeffekt Tribut zahlen zu müssen anstelle selber Tribut zu kassieren.
  • Wir gingen alle sehr vorsichtig ans Werk. Verteidigung wurde groß geschrieben. Nur Hans ging bewußt das Pikten-Risiko ein, und ist dabei mehrmals nur haarscharf von herben Verlusten verschont geblieben: die zufällig aufgedeckten Ureinwohner waren alle friedlich. Nur deshalb reichte es für ihn zum Sieg, im Tiebreak gegen Günther.
    An allen Ecken und Enden wurde Interaktion vermißt. Alle Spieler stehen vor der gleichen Aufgabe, die symmetrischen Vorgaben führen zwangsläufig zu gleichförmigen Entwicklungslinien. Wer sich über seinen eigenen Fortschritt freut, ohne dabei der Konkurrenz Knüppel zwischen die Beine werfen zu wollen, ist mit “Albion” gut bedient. Es ist garantiert ein vorzügliches Solitärspiel und vielleicht macht in einem Zweierspiel sogar das systemmatische Erarbeiten von minimalen Vorteilen bis zum Niederringen des Gegners einigermaßen Spaß.
    In einer Viererrunde ist diese Möglichkeit zum konsequenten Ausbau einer vorteilhaften Stellung eher von Nachteil. Das Entwicklungstempo wächst, aber die strategischen Herausforderungen nicht. Gar nicht. Wer irgendwann einmal leicht geschwächelt hat und bis zum Mittelspiel ins Hintertreffen geraten ist, kann einen späteren Sieg abschreiben, er trottelt bis zum Ende hinterher. Ja es bleiben ihm nicht einmal Nadelstiche, mit denen er seine Mitspieler – zu seiner eigenen Ermunterung – ab und zu mal ärgern kann.
    WPG-Wertung: Aaron: 4 (langweiliges Wettrennen ohne Interaktion, da hat schon wieder Willis Tuning gefehlt), Günther: 6 (wurde von 7 Punkten runterargumentiert, für ihn braucht ein Spiel nicht „rabiat“ zu sein), Hans: 6 (braucht ebenfalls keine Aggressivität; als Aufbauspiel hat es Spaß gemacht), Walter: 6 (ebenfalls von Aaron runterdiskutiert).

    2. “Ra – The Dice Game”
    Ra - The Dice Game
    “Hast Du noch so’n Brüller?” fragte Aaron. Günther war leicht indigniert. Hatte er doch schon die Essen-Erwerbung „Albion“ aus seiner großen grünen Spieltasche hervorgeholt. “Ich spiele jedes Spiel mindestens einmal.” Rechtfertigte er sich. „Es soll ja Kollegen geben, die manche gekauften Spiele überhaupt nicht spielen.“ Es war nicht klar, gegen wen diese Aussage gemünzt war. Wenn wir wenigstens eine Rezension darüber schreiben, dann hat sich die Investition doch schon gelohnt, da braucht man das Spiel ja nicht gespielt zu haben …
    “Ra” ist so ein Spiel, bei dem Walter bereits nach Günthers vorzüglichem Regelvortrag eine Rezension hätte schreiben können oder wollen: einen Verriß. Super Spielmaterial: 5 Würfel. Hexagon-Würfel. Jeder würfelt wie bei Kniffel mit allen 5 Würfeln, darf zweimal nachwürfeln und das Ergebnis nach einem Ra[ch]istischen Spielbrettschema einordnen und kummulieren. Und damit man seine tausendjährigen Würfelgewohnheiten gleich über den Haufen werfen kann, wurden die Zahlen 1 bis 6 durch Symbole ersetzt.
    Jedes geworfene Sonnensymbol „Ra“ ist sofort verloren und muß in der Ra-Reihe abgelegt werden, Jede “Pharaomütze” oder jedes “Schiff” bringt uns auf der Pharo/Schiff-Reihe vorwärts, wo einmal Relativ-Positionen gegenüber den Mitspielern und einmal Absolut-Fortschritte vom Startfeld aus gesehen in Siegpunkte umgerechnet werden. Jede „Pyramide“ darf in einem Zeilen-Spalten-Muster abgelegt werden, woraus bestimmte Kombinationen bei Spielende mit progressiv wachsenden Siegpunkten honoriert werden. Von „Sklaven“ benötigt man schon mindestens 3 aus 5, um sie siegpunktträchtig ablegen zu können; hat man nur 2 davon, sind sie ersatzlos verloren. Dafür gibt es dann auch noch die „Joker“, die als jedes beliebiges Symbol eingesetzt werden können und die Erreichbarkeit hoher Mindestquoten erleichtern.
    Wie die verschiedenen Würfelergebnisse kummuliert und in 2 Zwischenwertungen und einer Entwertung in Siegpunkte umgerechnet werden, ist Schwarz auf Weiß in einer einfachen Tabelle beschrieben. Doch welche Kombinationen besonders lukrativ sind, auf welche man “hinarbeiten” soll (sofern man mit Würfeln überhaupt gezielt arbeiten kann), welchen Erwartungswert a) ein einzelnes Würfelergebnis und b) die gesamten kummulativ eingetragenen Würfelergebnisse eines “Ra”-Spieler mit sich bringen, das ist natürlich unbekannt. Selbst unser Chef-Statistiker Günther wird in dazu in den nächsten Jahrzehnten keine brauchbare Tabelle erarbeiten. Wollen wir wetten?
    Wer an Würfelspielen Spaß hat, bekommt mit “Ra” einen neuen Zeitvertreib. Ihm wird dann vielleicht auch nicht auffallen, daß nicht einmal die Startspielerproblematik gelöst ist. Wenn eine festgelegte Anzahl Sonnen geworfen wurden, ist das Spiel schlagartig zu Ende, unabhängig davon, ob alle Spieler gleich oft an der Reihe waren. Dass dies gerade bei kummulativen Wertungen unbefriedigend ist, wo ein einziger zusätzlicher guter Würfel leicht 5 Punkte wert sein kann, stört doch keinen großen Geist!
    Günther verteidigte “Ra” verhement als klassisches Nullsummenspiel. Für Walter war es eher in der Summe ein klassisches Nullspiel. Aaron fand es bemerkenswert, daß das Spiel von einem diplomierten Mathematiker erfunden wurde, dem Altmeister Reiner Knizia. Dem hielt Walter entgegen: “Der hat schon längst einen Ghostwriter, der ihm seine Spiele schreibt. Er gibt nur noch seinen Namen her!” Hans würde aus “Ra” gerne die Schachspieler-Effekte herausarbeiten. Muß dazu aber noch bis zu seiner Rente warten. Mindestens.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (obwohl er nicht das Gefühl hatte, etwas steuern zu können), Günther 7 (lockeres Würfelspiel), Hans: 3 (primitiver Würfelmechanismus mit komplexer Wertung), Walter: 2 (tut mir leid, ihr lockeren Würfler, ich mag hier schon das Prinzip nicht).

    3. “Fzzzt!”
    Walter war strikt dagegen, aber sein Einspruch wird offensichtlich nicht für ernst genommen. Aaron durfte Hans die Regeln erklären, und nach seinen zwei vorhergegangenen Generalproben machte er das vorzüglich. Als er fertig war, kommentierte Hans: „Hübsch! Gefällt mir soweit!“ – Als wir seinerzeit soweit waren, haben wir das auch noch gesagt. Inzwischen hat sich die Benotung bei 5 Punkten eingependelt. Hans machte einen gewaltigen Ausreißer.
    WPG-Wertung: Hans: 8 (niedlich, locker und gut).
    Lieber Herr Blaumeise,
    Hans war heute auch bei „Startspieler“ nicht so kritisch wie wir anderen. Mehr als 5 Punkte würde er für dieses Kartendeck geben. Solche Sprüche wie: „Wer den coolsten hat, darf anfangen“ haben ihn einfach überzeugt.

    4. “Bluff”
    Erstmals spielten wir mit der „Anderschschen Warmduscherregel“ (siehe Session-Report vom 23.11.2009). Als Günther vor der Alternative stand, mit Risiko zwei Würfel (relativ) zu verlieren oder ohne Risiko einen, fand er diese Situation „doof“. Dabei ähnelt die doch schon ganz schön stark einem Nullsummenspiel!
    Im zweiten Durchgang spielten wir wieder nach Standard. Im Nu bekam er die Gelegenheit, diese unsere 180° Wende zu bedauern.
    Noch eine Knobelei für Logiker am Ende:
    Aaron stand mit 2:1 gegen Hans im Endspiel. Er legte 1 mal die Vier vor, Hans hob auf 1 mal die Fünf, Aaron auf 1 mal Stern, Hans auf 2 mal Eins und Aaron auf 2 mal Zwei. Hinterher diskutierten wir noch lange über die Fehler, die jeder innerhalb dieser Folge gemacht hatte. Schon die Vorgabe 1 mal die Vier war problematisch!
    Frage: Wer hat gewonnen und was hatte jeder von ihnen unter seinem Würfelbecher???
    Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.
    cum-mulis

    11.11.2009: Sumeria vor den Toren der Welt

    Nie mehr Streit darum, wer anfängt. Das verspricht Ted Alspach mit einer speziellen Erfindung: Ein Kartendeck namens “Startspieler”. Man zieht daraus blind eine Karte, und diese enthält dann eine Anweisung, wer Startspieler wird. Z.B.: “Startspieler wird, wer die größten Hände hat.” Oder “Startspieler ist, wer als nächstes Geburtstag hat”.
    Nach den “exakten Berechnungen” des Verlages BeWitched-Spiele “könnten jedes Jahr 2,5 Millionen Spiele mehr gespielt werden, wenn es nicht so lange dauern würde, einen Startspieler zu bestimmen. Sie behaupten sogar noch ganz kühn: “Wir haben das Problem gelöst.”
    Natürlich ist das Ganze nur ein Scherz, doch mit erheblichem Ärgerpotential. Einem redlichen Mensch dreht sich nämlich – wie im richtigen Leben – der Magen rum, wenn lauthals Problemlösungen versprochen werden, die keine sind. Wenn eine Startspieler-Bestimmung z.B. lautet: “Startspieler wird, wer seine Augen am längsten geschlossen hält”, dann frage ich mich doch ernsthaft, ob mit solchen Vorschrifen nicht nur 2,5 Millionen Spiele nicht mehr gespielt werden, sondern gleich 2,5 Milliarden. Ein rechter Scheiß!
    1. “Sumeria”
    Startspieler wurde, wer zuletzt Tomatensaft getrunken hat. Das war zunächst nicht so leicht zu ermitteln, und damit hätte schon fast der Abend draufgehen können. Da aber der Hausherr heute Tomaten zum Abendbrot verspeist hatte, wurde diese Behauptung a) geglaubt und b) als Ersatzlösung angenommen. Wahrlich, der “Startspieler” ist schon ein rechter Quadrat-Scheiß!
    In “Sumeria” gibt es auf einer fiktiven Landkarte des Zweistromlandes 8 Regionen, die zu Spielbeginn in eine willkürliche Rangfolge gebracht werden. Jeder Spieler darf jetzt pro Zug “Händler” in Städte und Dörfer der Region placieren, und damit die ursprüngliche Rangfolge ändern. Kommt in eine Region ein zusätzlicher Händler, so steigt die Region in der Rangfolge um einen Platz nach oben. Nimmt man einen Händler aus einer Region heraus, so fällt die Region entsprechend herab. In festen Runden-Abständen werden die führenden drei Regionen gewertet. Wer hier die meisten Händler hat, darf sich ein oder zwei Bonuskärtchen nehmen. Wer die zweitmeisten Händler hat, bekommt meist auch noch ein Bonuskärtchen, alle anderen Spieler gehen leer aus.
    Die erworbenen Bonuskärtchen werden am Spielende nach einer quadratischen Summenformel in Siegpunkte umgerechnet. Es kommt nicht allein darauf an, die absolut meisten Kärtchen zu haben, sondern möglichst viele von der gleichen Sorte. Und dazu muß man zum richtigen Zeitpunkt in den richtigen Regionen die meisten Händler placiert haben.
    In “Sumeria” läuft ein hübscher Verschiebungsmechanismus auf der Rangfolge-Skala ab. Der Besitzstand der Mitspieler muß genau beobachtet und die freien Dörfer in den Regionen müssen scharf analysiert werden, um die führenden Regionen und ihr Rangfolge-Potential zu ermitteln. Ein weiterer, wichtiger Kampf ist der Kampf um die Startspieler-Reihenfolge, wobei hier nicht der erste sondern der letzte Spieler entscheidende Vorteile hat. Er kann mit seinem letzten Zug in jedem Fall noch die Rangfolge der beiden führenden Regionen umkehren, oder er kann bestimmen, welche Region als vierte gänzlich aus der Wertung fällt.
    Die gesamte Entwicklung läßt sich nur schwer gänzlich vorhersehen, trotzdem läuft ein Spiel bei den einfachen Zugmöglichkeiten sehr flott ab.
    WPG-Wertung: Aaron: 7 (Grübelspiel, trotz der wenigen Regeln), Günther 7 (abstraktes Spiel mit starken Chaos-Elementen), Walter: 7 (schnelles geistreiches Spiel).
    2. “Die Tore der Welt”
    Wiederum hat ein Bestseller von Ken Follett (“Die Säulen der Erde”) als thematischer Hintergrund für ein Kosmos-Brettspiel herhalten müssen. Jeder Spieler bekommt einen Satz von Aktionskarten, aus dem er pro Runde sechs Stück beliebig auswählt. Er sammelt Baumaterial, baut öffentlich oder privat, kassiert Geld, erntet Korn, spinnt Wolle, webt Tücher oder übt sich in Frömmigkeit. Einige dieser Tätigkeiten sind Pflicht, und man wird streng bestraft, wenn man sie innerhalb einer bestimmten Rundenzahl nicht gewissenhaft erfüllt hat. Andere sind Kür und werden in Siegpunkte umgesetzt.
    Günther zog im Nu davon und hatte nach wenigen Runden fast doppelt soviele Siegpunkte auf seinem Konto wie seine beiden Mitstreiter. Keiner wußte so genau warum, nur er selber, doch davon hatte er mit seinem Wissensvorsprung am Anfang natürlich nichts verraten.
    Öffentliche Bauvorhaben bringen die meisten Siegpunkte ein, in den letzten beiden “Kapiteln” kann man auch als Pestheiler gut punkten. Private Häuser sind eine Hoffnung auf spätere Sicherheit, doch damit gewinnt man in einem scharfen Wirtschaftsspiel keinen Pappenstil. Bei den Pflichtübungen das Minimum tun, und ansonsten immer die punkteträchtigste Aktion durchführen, das ist der Schlüssel zum Sieg.
    WPG-Wertung: Aaron: 6 (Schön aufgemacht, aber das Spiel dümpelt so vor sich hin.) , Günther: 6 (nicht kompliziert, aber auch nicht planbar), Walter: 6 (thematisch aufwändig, doch vom Spielerischen her nicht ganz überzeugend)
    3. “Savannah Tails”
    Der Aufbau des Streckenparcous war ein erster topologischer Intelligenztest, den wir nur mit Mühe bestanden. Bei den vielen Linien und Motiven auf den einzelnen Streckenteilen war es gar nicht so einfach zu erkennen, ob die Streckenführung jetzt in eine Linkskurve oder in eine Rechtskurve übergeht.
    Auf der Strecke verlaufen Straußenspuren in den Farben rot, gelb, blau und schwarz. Jeder Spieler besitzt einen Strauß, den er in einem Wettlauf über die Strecke schickt. Wie bei vielen ähnlichen Rennwettbewerben (z.B. “Formula De”) besitzt jeder Spieler den gleichen Set von Karten, mit denen die Schrittweite eines Zuges bestimmt wird. In “Savannah Tails” wird damit zugleich die Farbspur vorgegeben, auf der ein Zug enden muß. Es kommt also ständig zu zwangsweisem Spurwechseln.
    Großes Gerechtigkeits-Problem: Die Spieler dürfen nicht ihr vollständiges Kartendeck in die Hand nehmen, sondern immer nur 4 Karten davon. Wer Pech hat, muß mit seinen Karten für Zweier- und Dreier-Schrittweiten anfangen und hat dabei noch unglückliche Farbkombinationen. Er wird zu häufigen Spurwechseln gezwungen, kann keine Kurven schneiden, kann Hindernisse nicht stromlinienförmig überwinden und gerät hoffnungslos ins Hintertreffen. Während seine Sechser- Reichweiten noch friedlich im Kartendeck schlummern, ist die Konkurrenz bereits am Ziel angelangt. Das kann zwar lustig und – für die Sieger – unterhaltsam sein, ein Prädikat für ausgereiftes Design wird dafür nicht vergeben.
    Gewollter Aufbau von Engpässen, Ausnutzung der Streckenführung, den Gegner Schneiden und Abdrängen, all diese schönen Ärgerfaktoren gibt es nicht. Jegliche Interaktion innerhalb des Rennens bleibt ausschließlich dem Zufall (innerhalb der winzigen Kartenhand) überlassen.
    WPG-Wertung: Aaron: 4, Günther 4, Walter: 5 (zum Warming-Up durchaus geeignet)
    4. “Fzzzt!”
    Eigentlich hatte aus den Erfahrungen der letzten Wochen keiner so richtig Lust, dieses Spiel nochmals zu spielen, doch Aaron wollte noch eine Mission erfüllen:
    a) Günther mit dem Spiel vertraut machen.
    b) einen intelligenteren Anfang hinlegen.
    Mit Karten ersteigern wir Karten zum Ersteigern von Karten um zum Erringen von Siegpunkten. Günthers Kommentar am Ende: “Ich bin mir noch nicht so ganz klar darüber, was ich von dem ganzen halten soll.”
    Den zweiten Punkt seiner Mission konnte Aaron erfolgreich abschließen. Als Sieger verließ er das Feld.
    Günthers 5 Punkte sind an der unteren Grenze der bisherigen WPG-Wertung angesiedelt.

    28.10.2009: Erste Früchte aus Essen

    Aaron, Günther und Moritz sind aus Essen zurück. Die Spielmesse wird von Jahr zu Jahr größer, voller und gigantischer. “Wie war die Stimmung?” Besser als letztes Jahr, wo die Wirtschaftskrise gerade zum Durchbruch kam. Wenn die Leute weniger Geld für Vergnügen und Gastronomie ausgeben, dann bleiben sie zu Hause und spielen auch häufiger. Inshallah!
    1. “Im Wandel der Zeiten – Das Würfelspiel”
    Ein Würfelspiel zum Erwürfeln von weiteren Würfeln, zum Erwürfeln des Rechts auf Erneutes-Würfeln, zum Erwürfeln von Erträgen an Waren und Nahrungsmitteln und zum Erwürfeln von erhöhten Erträgen bei Waren und Nahrungsmitteln. Dieses Prinzip ist von “Um Krone und Kragen” her bestens bekannt, allerdings ist die Aufmachung etwas pfiffiger, jeder hat das Gefühl, er sei seines Glückes Schmiedchen und recht zügig – in 30 Minuten – ist ein Spiel über die Runden gebracht.
    Unser Moritz hatte die Gewinn-Strategie als erstes durchschaut: Die höchste Priorität beim Würfeln hat die Erhöhung der Würfelzahl, mit denen man ab der nächsten Runde würfeln darf, dann erst muß man sich um die siegpunkte-trächtigen Würfelergebnisse kümmern. Am Ende ergibt sich der Sieg aus der Summe aller Errungenschaften, die man sich im Laufe des Spiels erwürfeln konnte.
    Zum Spielmaterial gehört ein hübsches Holzbrett auf dem jeder Spieler seinen Besitzstand an Waren und Nahrungsmitteln markieren kann. Weiterhin bekommt jeder ein ausgefeiltes Formularblatt, auf dem er seine Errungenschaften notieren kann. Didaktisch gelungen und übersichtlich. Aber halt nur ein Würfelspiel.
    Frage am Rande: Ist im Grunde nicht auch der Massenanziehungssport Fußball nur ein Würfelspiel? Man betrachte nur das Pokal-Ergebnis zwischen der Spielvereinigung Greuther Fürth – und dem Schwabenstolz VfB.
    WPG-Wertung: Moritz: 8 (schnell und gelungene Thematik), Aaron: 6 (schnell, sucht noch die Thematik), Walter: 6 (schnell, sucht auch noch die Thematik).
    2. “Tammany Hall”
    Wir sind New Yorker Aborigines auf der Südspitze von Manhattan und müssen den Einwandererstrom auf unsere politische Seite ziehen, damit wir Bürgermeister werden und Siegpunkte verbuchen können.
    Ein Spiel besteht aus 4 Phasen (“Amtszeiten”) zu je 4 Zügen (“Jahren”). Einwanderer verschiedener Nationalität tauchen vor der Küste auf, und wir dürfen pro Zug zwei Pöppel (“Bezirksbosse unserer Partei”) auf beliebige Regionen in Manhattan setzen oder einen Einwanderer-Kubus in unsere Region lassen und dafür einen Einwanderer-Bonus kassieren.
    Alle 4 Jahre wird gewertet, wer in einer Region die meisten Bezirksbosse sitzen hat und wer von den verschiedenen Einwanderer-Nationen jeweils die meisten auf seine Seite gezogen hat. Entsprechend werden Siegpunkte verteilt.
    Gegen die Bezirksbosse der Mitspieler dürfen wir Verleumdungskampagnen entfachen. Der Verleumdete kann sich nicht wehren, sondern ist unweigerlich ein toter Mann; allerdings muß der Verleumder dafür einen Einwanderer-Bonus abgeben, so daß sich die Vor- und Nachteile auf beiden Seiten ziemlich ausgleichen. Nur der unbeteiligte dritte und vierte Mitspieler kommt ungeschoren davon. Klares Prinzip: Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte.”
    Dieses Prinzip ist natürlich kontraproduktiv zum naheliegenden und gewollten Verleumdungskampf gegen den politischen Gegner. Ein wichtiges Spielelement schadet dem, der es anwendet und dem, gegen den es angewendet wird. Das erscheint zweifellos als eine Schwäche des Spiels. Unsere Lämmer Aaron und Walter gingen sich gegenseitig wie die Wölfe an die Wolle und unser Wolf Moritz spielte friedlich wie ein Lamm und konnte so haushoch gewinnen.
    Moritz übernahm ab der zweiten Amtsperiode den Bürgermeisterposten und gab Walter einen lukrativen Unterposten innerhalb der Administration. Hocherfreut nahm Walter den Posten an und bot Moritz gleich einen Deal an: “Wenn Du mir in der nächsten Amtsperiode den gleichen Posten gibst, greife ich Dich in dieser Amtperiode nicht an!” Moritz sagte bedenkenlos zu. Da ereiferte sich Aaron: “Das ärgert mich jetzt richtig! Moritz, das ist dumm, was Du jetzt machst! Das ist Kingmakerei!” Dabei half Moritz mit seinem Eingehen auf diesen Nichtangriffspakt nicht einem Dritten auf dem Thron, sondern er sicherte sich seinen eigenen Thron und verhalf Walter damit nur auf den zweiten Platz. Also war das höchstenfalls Queenmakerei. “Honi soit qui mal y pense!”
    WPG-Wertung: Aaron: 7 (wie “El Grande” komplex), Moritz: 6 (reizt nicht zum Wiederholen; wie “El Grande” simple), Walter: 7
    3. “Fzzzt!”
    Der Name soll an den Zischlaut erinnern, wenn ein elektrischer Funke überschlägt. Auf der Schachtel steht als Kurzbeschreibung: “A futuristic robot auction game with some dodgy mechanics”, auf Babelfish-Deutsch: “Ein futuristisches Roboterauktionspiel mit einigen zweifelhaften Mechanikern”.
    Ein Kartenspiel zum Ersteigern von Karten, mit denen man erstens Siegpunkte gewinnt oder mit denen man zweitens seine Kartenhand laufend verbessert. Also quasi ein Biet-Dominion.
    Im eingeschwungenen Zustand darf sich jeder Spieler 6 Auktionskarten aus seiner Kartenhand auswählen und damit auf ausliegende Karten bieten. Verdeckt bieten! Dieses Bietchaos ist der ganze Witz des Spiels. Immerhin. Wer am Ende die beste Kombination von Karten ersteigert hat, ist Sieger.
    WPG-Wertung: Aaron: 5 (aus Ärger über seinen grottenschlechten ersten Zug, der seinen Totalverlust besiegelte, Moritz: 7 (besitzt Lerneffekt; beim nächste Mal würde ich manches anders spielen), Walter: 6 (ganz lustig, mag aber keine blinden Auktionsspiele)