Schlagwort-Archive: Genji

23.09.2009: Weiche Landung bei Prinzessinnen

Es gibt Tage, da kann ein beliebig-mieses Spiel auf den Tisch kommen, trotzdem ist die Stimmung gelöst, locker, konstruktiv und der Abend hinterläßt eine spielerische und emotionale Befriedigung. Es gibt aber auch Tage, da liegt Spannung, Kratzbürstigkeit und Aggressivität in der Luft, die Spiele werden abgebrochen und bekommen schlechte Noten. Wenn dann die Gummibärchen nicht so nahrhaft wären, würde ein jeder hungrig nach Hause gehen.
Woran das liegt, das ist noch nicht ermittelt. Sicherlich spielt die individuellen Zusammensetzung der Runde eine gewisse Rolle. Doch weitere Details bedürfen noch einer gründlicheren Analyse. Packen wir’s an.
1. “Genji”
Autorenname Dylan Kirk und Verlag Z-Man Games sind amerikanisch, doch das Thema, in dem sich “Genji” tummelt, ist absolut japanisch: “Eine romantische Flamme aus der Hochzeit der Heian Epoche”, so lautet der Untertitel in der Spielregel.
Wir müssen an 12 Höfen die Prinzessinnen mit Gedichten becircen. Dazu erhält jeder Spieler pro Runde 5 Karten mit Gedicht-Anfängen oder Gedicht-Enden. Lesen können wir die japanischen Zeichen natürlich nicht, und auch die amerikanischen Übersetzungen sind beim Spielen nicht von Bedeutung. Wichtig ist, daß die Gedichte zur gerade herrschenden Jahreszeit und zu den Vorlieben der jeweiligen Dame passen, und das ist an entsprechenden Piktogrammen eindeutig abzulesen. Manche Damen bevorzugen Melancholie, andere Romantik oder Naturliebe.
Jeder Spieler zieht mit seinem Pöppel von Hof zu Hof und legt seiner Dame entweder eine Karte mit einem halben Gedicht oder zwei Karten mit einem ganzen Gedicht zu Füßen. Er kann dabei auch mit einem besser passenden Gedicht die Gedichtskarten seinen Vorgänger verdrängen. Man braucht nicht alle Höfe zu besuchen, sondern darf weniger attraktive oder unpäßliche Objekte überspringen. Sobald der erste Spieler wieder an seinem Ausgangshof angekommen ist, ist eine Runde zu Ende und die ausliegenden Gedichte werden gewertet. Der Besitzer des besten Gedichtes bekommt 2 Siegpunkte; Gedichte, mit denen man die Kirschen in Nachbars Garten pflücken konnte, bringen je 1 Siegpunkt ein. Wer vom Rest noch die meisten Gedichte bei seinen Favoritinnen unterbringen konnte, bekommt sogar 3 Siegpunkte.
Vier Männer mit einem Gesamtalter von über 200 Jahren lassen bei diesem Thema natürlich ihrer Phantasie freien Lauf. Flachlegen, beschlafen, beischlafen und Hörner aufsetzen stammen noch aus dem Sprachgebrauch der Gebrüder Grimm. Doch auch das weitaus modernere Poppen wurde weidlich zitiert. “Ist eine Runde zu Ende, wenn man alle gepoppt hat?” Diese Frage muß natürlich mit “Nein” beantwortet werden, man darf ja einige Höfe auslassen. “Dreimal gut gepoppt ist besser als viermal schlecht!” Diese Lebensweisheit gilt auch in “Genji”.
Die Spielregel fordert im Gedenken an gute japanische Kulturtradition auf, den Pinsel in die Hand zu nehmen, um eine wankelmütige Prinzessin rumzukriegen. Im alten Europa scheint das ebenfalls eine lange Tradition zu haben. Ansonsten sind bei uns die Anforderungen an den “Master of the Quickies” schon etwas höher. “Genji” weist in bezug auf Ausgewogenheit doch erhebliche Defizite auf.
1) Pro Runde erhält jeder Spieler ganze fünf halbe Gedichtkarten. Wenn sie nicht zur aktuellen Jahrezeit passen oder gar nur Gedicht-Anfänge aber kein einziges Gedichte-Ende enthalten, wird man damit wohl keinen Stich machen. Hier unterscheiden sich die zufälligen Grundausstattungen der verschiedenen Mitspieler in ihrem Stichpotential leicht um mehrere 100 Prozent.
2) Der Startspieler hat die größten Chancen, sich als erster durch alle Höfe gepoppt zu haben. Jetzt wird sofort gewertet, ohne daß die anderen Spieler noch zum Zug kommen dürfen. Ist das gerecht? Doch widersinnig ist geradezu, daß der Startspieler nicht reihum wechselt, sondern daß derjenige, der die Runde als erster beendet, auch noch bestimmen kann, wer der nächste Startspieler wird. Muß das sein? Hätte nicht problemlos jede Runde zu Ende gespielt werden können?
Es gibt viele Möglichkeiten, bei “Genji” punkten zu wollen. Doch alle diese Vorgehensweisen sind weitgehend zufallsabhängig und risikoreich-unkalkulierbar. Die einzige plausible Technik ist, immer hinter einem Spieler her zu gehen, denn gemachte Betten sind wärmer. Hans wurde Sieger. Er hatte nach seinen eigenen Worten “unumstrittene Frauen gesucht und ihnen halbseidenen Gedichte vorgesetzt”.
Aaron träumte von einer Erwachsenen-Version. Sicherlich in Wort und Bild mit aller Schärfe unseres libertinistischen Kontinents.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (nix kalkulierbar), Hans: 5 (weil er’s hat), Moritz: 4 (einschließlich Graphik-Bonus), Walter: 3 (Zeitvertreib).
2. “Soft Landing”
Aaron hat sich das Spielbrett aus dem Internet beim “Blacksbury Tactical Research Center” runtergeladen. Selbst für hunderte von Pöppeln gab es Vordrucke, doch hier hat sich Aaron die Schneide- und Klebearbeit gespart und die Steine vom Flohspiel als Anleihe genommen.
Jeder Spieler ist Herrscher über einen eigenen Teil der Welt und muß durch Produzieren, Handeln, Investieren und Planen den wirtschaftlichen Konkurrenzkampf gegenüber seinen Mitspielern bestehen. Es gibt einen gemeinsamen Markt mit gemeinsamen Preisen, die sich auf Grund von Käufen und Verkäufen systematisch verschieben. Man kann auch auf “Markt-Manipulation” setzen und darf dann willkürlich an der Preiseschraube drehen.
Jeder Weltteil hat unterschiedliche wirtschaftliche Fähigkeiten: den einen fällt die Produktion fast von alleine in den Schoß, die anderen müssen gut würfeln, um Industrie, Technik, Lifestyle, Ressourcen und Reserven in Schwung zu halten. Die Schwächen in der Produktion werden durch erhebliche Vorsprünge auf der Siegpunktskala ausgeglichen. Z.B. fängt Westeuropa mit 3 Siegpunkten an, Indien bekommt gleich 16 Stück davon. Bei einem erwarteten Finale in der Größenordnung von 30 Siegpunkten ist das mehr als die Hälfte. Im Großen und Ganzen sind die Vor- und Nachteile zwar ausbalanciert, doch wer mit einer hohen Punktzahl anfängt, hat so wenig Handelsfreiheiten, daß das Spielgeschehen im Wesentlichen an ihm vorbeigeht: keine Produktion, kein Handel, nur Beteiligung an den unausweichlichen Katastrophen.
Nach drei Runden hatte sich Indien von 16 auf gerade mal 19 Siegpunkte hochgearbeitet, während Westeuropa von 3 Startpunkten ausgehend bereits bei 13 Punkten angelangt war. Ähnlich lagen die Verhältnisse in Osteuropa. Bei jeglicher Art von Umweltkatastrophen waren sie mit Mehrheit beteiligt. In den nachfolgenden vier Runden schwankten alle Spieler zwischen 17 und 20 Punkten: Was über Militäreinsätze gewonnen wurde, ging durch die Katastrophen wieder verloren.
Unser indischer Moritz fiel immer mehr aussichtslos zurück. Doch er plädierte nicht für einen Spielabbruch. Schon aus Prinzip spielt er jedes Spiel ohne Murren zu Ende. Diesmal war von ihm nur ab und zu ein leichtes verlangendes Stöhnen nach der letzten erlösenden Katastrophe zu hören. Doch als sie dann endlich eintrat und die Schlußrunde einläutete, wurde er mit einem Schlag in eine unanfechtbare Siegesposition gehievt: Er hatte jegliche Produktion in die “New Era Research” gepumpt und bekam dafür in der Schlußabrechnung 9 zusätzliche Siegpunkte gutgeschrieben. Gut gebrüllt, Löwe! “Aber das Spiel war für mich total langweilig. Diese Strategie hätte auch ein 3-Jähriger verfolgen können.”
Es war aber auch ein bißchen Glück dabei. Westeuropa hätte das Spielende auch durch zwei Mega-Katastrophen auslösen können. Dann wäre der “New Era Research”-Bonus erst gar nicht nicht mehr ausgezahlt worden. War das ein noch kalkulierbares Risiko?
Bleibt noch zu sagen, daß Aaron durch einen Verstoß gegen die Spielregel deutlich benachteiligt wurde: Seine unzureichenden Produktionskapazitäten zwangen ihn unaufhörlich, Flohsteine in die Katastophenerwartungsgebiete abzugeben, so daß er schnell überall die Mehrheit hatte und von den ausgewürfelten Katastrophen ständig als Hauptschuldiger betroffen wurde. Er hätte aber pro Katastrophe einen Flohstein wieder zurücknehmen dürfen und so deutlich größere Chancen aufs Überleben gehabt. Er trug’s mit Fassung.
Das Spiel hat ein paar gute Ideen, aber es holpert noch. Der Würfel, der zu 80% die Produktionsvorgänge bestimmt, macht aus dem Wirtschaftsplanspiel ein Roulette. Die Handelsphase braucht mehr Bewegungsfreiheit und die Fesseln im Markt-Lager-Mechanismus müßten gelockert werden. Immerhin hat der Autor Greg Porter auf der notwenigen Strecke von 99% Transpiration zu einem guten Spiel schon ein erhebliches Stück erfolgreich zurückgelegt.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (Abwertung wegen Würfelglück), Hans: 3 (für jedes Foul 1 Punkt weniger), Moritz: 5 (er steht über der Langeweile), Walter: 5 (für die guten Ansätze).
3. “Bluff”
Nein, heute kein Bluff. Moritz mußte mit seinem Radl noch durch die Bierleichen vom Oktoberfest kommen.