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14.04.2010: Gallier und Teutonen

Vom geplanten aber abgeblasenen Streik der Lufthansapiloten wäre der eine oder andere von uns vielleicht betroffen gelesen. Vom gleichzeitig in Frankreich stattfindenden Eisenbahnerstreik wohl kaum. Außer Hans. Gestern kam seine Mail hier an:
„Meine Rückreise aus dem Frankreichurlaub läuft ganz und gar nicht wie geplant … und kann noch dauern. Ein Eisenbahnerstreik begann am vergangenen Mittwoch, meinem ersten geplanten Rückreisetag. Am Sonntag hatte meine Mitfahrgelegenheit kurz nach Abfahrt eine spektakuläre Panne, und heute fahren in der Region wieder keine Züge. Es nervt langsam. Zwischen Gewerkschaft und Bahn gibt es bisher keine Einigung, und ich habe auch die Nase voll vom Frühaufstehen ohne Erfolg …
Sorry, dass ich entgegen der Ankündigung am Mittwoch nicht komme!“
eisenbahnerstreik
Gleich darauf meldete sich Günther: „Dann sage ich noch zu. Somit sind wir wieder zu viert!“
Doch Mittwoch Abend, 19 Uhr, war weit und breit kein Günther zu sehen. Kein Anruf, keine Absage, keine Mail. 15 Minuten Wartetoleranz ist Maximum, dann starteten wir als Trio.
1. “Cloud 9”
Auf Deutsch wird der Titel wohl mit „Wolke 7“ übersetzt. Das Altertum kannte sieben Himmel, dahinter endete die materielle Welt und es kam nur noch die Welt der Phantasie, Wünsche und Träume. Die Angloamerikaner sind hier weniger klassisch. Die „cloud no. Nine“ rührt (angeblich) daher, dass die höchsten Wolken nur bis zu acht Meilen über der Erde sein können, mit der Nummer 9 befindet man sich also über den Wolken.
Doch bei „Cloud 9“ geht es weniger hoch hinaus, als eher darum, Bodenberühung zu vermeiden. Wir befinden uns in einem superschönen Ballonkorb, reihum ist einer der Pilot und würfelt mit zwei (später mehr) Würfeln Farbkombinationen aus – rot-grün-gelb-lila. Für jede gewürfelte Farbe muß der Pilot eine gleichfarbige Karte (aus seiner verdeckten Kartenhand) abgeben. Hat er keine entsprechende Karte mehr, ist der Ballon abgestürzt und wir gehen leer aus. Doch bevor der Pilot bekennen muß, dass er keine passende Karte mehr hat, dürfen wir entscheiden, ob wir weiterhin im Ballon bleiben, oder lieber aussteigen. Steigen wir rechtzeitig aus, so bekommen wir Siegpunkte, und zwar umso mehr, je länger der Ballon unterwegs war.
Der Pilot darf natürlich nicht freiwillig aussteigen. Er muß auch noch mindestens eine Strecke weiter fliegen, um selber Punkte kassieren zu dürfen. Erleichtert wird seine Weiterfahrt durch „Wildcards“, die für beliebige Würfelkombinationen herhalten können. Viele zufällig gezogene Wildcards machen den Sieger aus. Der Pilot läßt seine Mitfahrer aussteigen und hangelt sich mit den Wildcards noch um gewaltige Punktespannen nach vorne. Insofern ist „Cloud 9“ ein normales braves, Chaos-Würfel-Kartenspiel.
Etwas problematisch ist die Regel, dass der Pilot nicht beweisen muß, dass er eine geforderte Würfel-Kartenkombination nicht mehr besitzt. Hier ist Betrug (oder Irrtum) Tür und Tor geöffnet. Irgendwie kann diese – eigentlich unerläßliche – Regel auch nicht in das Spiel eingebaut werden. Denn zeigt der Pilot seine Kartenhand, ist der ganze Spielwitz vorbei. Ein Geburtsfehler, der einem german-style Game wohl niemals passiert wäre.
WPG-Wertung: Aaron: 4 (2 Punkte weniger als Stone Age), Moritz: 6 (fehlertolerant), Walter: 5 (höchstenfalls zum Aufwärmen).
2. “Hansa Teutonica”
Für Moritz zum Kennenlernen, für die anderen zur Vertiefung. Aaron durfte in freier Rede die Regeln erklären und ging sofort in die Details. Selbstverständlich kam von Moritz sofort die Rückfrage: „Und was ist das Thema?“ Lange Gesichter. Vom geschichtsträchtigen Thema „Hanse“ ist keine Stimmung enthalten. Zumindest nicht für einen eingefleischten Liebhaber amerikanischer Weltkriegsspiele. Es ist ein abstraktes Aufbauspiel, und wenn man es gut kennt, dann artet die Zug-Optimierung, die Interaktion, das lebenswichtige Knüppel-zwischen-die-Beine-Werfen richtiggehend in Arbeit aus.
Günther (mit einer Stunde Verspätung eingetrudelt) wurde um Spieltips gefragt. „Man muß Startspieler sein!“ Ist hier der Saulus zum Paulus geworden? Nein, eher der Petrus zum Judas!
Moritz bekam als Neuling die Startspielerrolle zugewiesen und belegte sofort die Strecke Göttingen-Quedlingburg. Aaron blockierte mit seiner Scheibe Quedlingburg und legte einen Würfel in Richtung Lübeck. Walter blockierte Göttingen und Warburg und Günther blockierte Warburg und Lübeck. (Insider erkennen hieraus sofort, dass Günther nicht auf seinem angestammten Platz saß. Warum wohl?)
Moritz scheute die Unkosten beim Verdrängen, war aber dann doch der erste, der sich 5 Aktionen freigeschaufelt hatte. Allerdings war er dafür bis zum Schluß bei seiner Startausstattung an Säcken stehengeblieben. Dieses Handicap kann man nicht wieder gut machen.
Aaron setzte auf ein schnelles Ende und begann unverzüglich, sich ein Streckennetz aufzubauen. Es hätte auch fast zum Sieg gereicht. Wenn Walter ihm noch schnell 2 Wertungspunkte zugeschustert und damit das Spiel beendete hätte. Doch dann wäre er selber Letzter geworden, er wollte aber lieber Vorletzter werden. So erhielt Günther noch eine Chance. Der hatte auf die Verdrängt-Werden-Strategie gesetzt. Damit bekommt man am leichtesten eigene Würfel aufs Brett, und wenn man sie auch noch günstig verschieben kann, kann man damit reichlich punkten. Er nutzte die Chance zum Sieg.
Moritz hatte die Sudden-Death-Bedingung beim Spielende nur halb verstanden und war entrüstet. „Ich mache Euch jetzt den Jens! 2 Punkte fürs Spiel!“ Glücklicherweise wird auch bei ihm die Suppe nicht so heiß gegessen wie gekocht. Er konnte sich noch zu 6 Wertungspunkten aufraffen, wünschte sich aber sehnlichst Spiele herbei, die Atmosphäre haben. Wie z.B. „Wind River“, ebenfalls vom Argentum-Verlag, das „super auf die Thematik eingestellt ist“.
Und doch war es gerade Moritz, der nach einem bißchen Palaver über die verschiedenen Entwicklungslinien von „Hansa Teutonica“ eine sofortige Wiederholung des Spiels vorschlug. Gesagt, getan. Solche Wiederholungen kann man am Westpark an einem Finger abzählen!
Wieder verlief das Spiel anders als in allen vorherigen Spielen. Eine der Stärken von „Hansa Teutonica“, die das Spiel wohl noch lange spielenswert halten. Zu Beginn gab es äußerst hartnäckige Kampfszenen um die begehrten Entwicklungsstrecken für Aktionen und Säcke. Als sich der Dampf gelegt hatte, suchte sich jeder eine ruhige Ecke, in der er möglichst ungestört seine Siegpunktquellen sprudeln lassen konnte. Individuelle Denkphasen schlossen sich an, allerdings nicht so lange, dass Aarons schneller tickender Biorhythmus nervös werden konnte.
An Günther lief das Spiel gnadenlos vorbei. Sein Pulver aus dem ersten Spiel war naß geworden. Kein Verdrängen, keine Strecke, keine Aktionen, keine Säcke. Er wurde Letzter. Nach vier aufeinanderfolgenden Siegen darf das hier doch mal gesagt werden. Ehrliche Frage: Was hast Du eigentlich für Züge gemacht? Ich kann mich an keinen einzigen mehr erinnern!
Moritz profitierte von Günthers Abräumwertungen, die ihm die wichtigen Entwicklungsstrecken des Anfangs leer und herrenlos überließen und konzentrierte sich mit seiner Aktionsmasse sehr bald auf den Streckenbau. Damit wurde er Sieger.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (bleibt), Günther: 8 (bleibt, ein äußerst facettenreiches Spiel), Moritz: 7 (als Einschränkung: „das Spiel ist clunky und abstrakt“, als Empfehlung: „Man muß antizyklisch spielen“), Walter: 9 (bleibt).
3. “Halunken und Speklunken”
Spieleautor ist der Klassiker Alex Randolph, dessen Erzeugnisse es immerhin 13 mal auf die Auswahlliste zum „Spiel des Jahres“ gebracht haben. Auch die „Halunken“ sind ein Klassiker. Allerdings aus dem vorigen Jahrtausend. 1997 waren die Geschmäcker offensichtlich noch anders.
Wir schicken unsere Kapitäne acht Runden lang um das Hafenbecken, um die beste Mannschaft anzuheuern. Unser Bewegung bestimmen wir anhand von Bietkarten nach Art von „Hol’s der Geier“. Wenn zwei Spieler zufällig die gleiche Bewegungskarte ziehen, müssen beide stehenbleiben.
Unsere angeheurte Mannschaft besteht aus Karten, deren Wert wir erst kennen, wenn wir die Karte erworben haben. Dann liegt die Karte offen vor uns und und die Mitspieler können sie uns abluchsen, wenn sie zufällig auf das gleiche Feld kommen, auf dem wir stehen.
In der Erweiterungsregel gibt es noch einen Kapitän, der uns ebenfalls Karten abluchst, ebenfalls mit einer gewissen Zufälligkeit, aber deutlich höherer Wahrscheinlichkeit. Den Kapitän können wir ersteigern, dann gehören die von ihm abgeluchsten Karten uns selber.
Eine Art Blinde-Kuh-Spiel unter Blinden nachts im Dunkeln bei Stromausfall. Am Ende, wenn man nur noch eine einzige Bewegungskarte hat, fällt mit der Schrittweite sogar noch der einzige Freiheitsgrad weg, den wir im Spiel haben. Stefi schrieb bei FAIRspielt: „Kein Taktikergeschick nötig. Einfach nette Unterhaltung.“ Das war wohl auch schon im letzten Jahrtausend!
WPG-Wertung: Aaron: 4 (wohlwollend), Günther: 4 (einschließlich eines halben Randolph-Gedächtnis-Punktes, „kaputt ist das Spiel nicht“), Moritz: 5 („spielt sich wie ein Familienspiel, ist aber kein Familienspiel“), Walter: 3 (möchte es nicht noch einmal spielen, weder mit seinen Kindern noch mit seinen Enkelkindern).
4. “Bluff”
Moritz stand mit 3:1 gegen Günther im Endspiel. Günther gab nach seiner Leib- und Magen-Strategie 1 mal die Fünf vor, Moritz hob ab 2 mal die Fünf, Günther auf 2 mal den Stern. Schweres Los für Moritz: Er hatte Eins, Zwei und Stern unter dem Becher. Was hättet Ihr gesetzt?
Moritz legte den Stern und die Zwei heraus und würfelte mit der Eins nach. Eine Zwei. So einfach geht „Bluff“! In jedem Fall aber 4 vorzügliche Schachzüge der Beteiligten.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

07.04.2010: 3:1 gegen den FC Bayern München

Für Bayern-Münchener ist es ja eine Schande, sich am Mittwoch Abend mit braven Brettspielchen abzugeben, während der stadtbewegende FCB ums Überleben bei Manchester United antritt. Mindestens drei Spieler der Westparker wurden nicht einmal rot dabei. Nur ein Vierter, emotional und mit seinem „Ballack“ auch musikalisch mit dem FCB verbunden, sagte seine Teilnahme am Westpark definitiv deshalb ab, weil er einen Fußballabend am Fernseher vorzog. Der Abend fing also schon mal mit einem 3:1 gegen die Fußballer an.
1. “Giganten der Lüfte”
Letzte Woche als Absacker abgelehnt, blieb Günther hartnäckig und setzte das Spielchen heute zum Aufwärmen vor. Er ging aber gleich in die Defensive: „Nur wenn Ihr das jetzt unbedingt wollt!“ Wir wollten es, a) kennenlernen und b) Wilhelm auch noch ein bißchen dabei ärgern. Günther machte sich befriedigt ans Erklären, und er war noch nicht halb fertig, da lag der FCB schon mit 2:0 Toren zurück und war aus der Champignos Lieck ausgeschieden.
Wir würfeln mit einer steigenden Anzahl von Würfeln in den Farben weiß, rot und schwarz. Wenn wir gut würfeln, kriegen wir „Aufbaukarten“, mit denen wir die Anzahl nutzbarer Würfel erhöhen und unsere geworfenen Würfelzahlen modifizieren dürfen. Dieses Würfelverbesserungsprinzip ist von „Um Krone und Kragen“ bereits bestens bekannt und nur bedingt beliebt.
Doch “Giganten der Lüfte” hat dagegen noch ein paar spieltechnische Verbesserungen aufzuweisen. Man würfelt nicht bis zur bitteren Neige und sucht sich dann für sein Würfelergebnis die beste Aufbaukarte auf, sondern man muß vorher bekanntgeben, um welche Karte man würfeln will, und muß dann die genau für diese Karte geforderten Mindestaugenzahl erwürfeln.
Gute und zweifellos weniger gute Karten stehen zur Auswahl und es gilt, den individuellen Vorteil einer Karte abzuwägen gegen die Wahrscheinlichkeit, mit dem aktuell vorhandenen Würfelmaterial diese Karte auch erwürfeln zu können.
Klappt es nicht, bekommt man als Trostpreis wenigstens einen Bonus-Chip, mit dem man bei seinem nächsten Versuch zu seinem Würfelergebnis einen Punkt hinzuaddieren kann. Doch der Trostpreis ist kein voller Ersatz für Würfelglück, für neue Aufbaukarten, erweiterte Würfelausstattung und die nächste höhere Würfelausbeute.
Aarons sprichwörtliches Würfelpeck schlug wieder voll zu. Ein bißchen trug allerdings auch seine Farbenblindheit dazu bei. (Wessen?) Jedenfalls verlegte er sich sehr bald auf die Bonus-Chips-Strategie, und konnte einen Trostpreis nach dem anderen einkassieren.
Günther hatte mit seiner gigantischen Erfahrung natürlich sofort erkannt, welche Aufbaukarten die größten Zukunftsaussichten boten. Mit Können, Glück und Zufall konnte er gleich in den ersten Runden die Karten für einen roten Zusatzwürfel und für einen roten Plus-Modifier zulegen. Das war sein unangefochtener Sieg. Der FCB lag inzwischen mit 3:1 Toren zurück und war immer noch ausgeschieden.
WPG-Wertung: Aaron:4 (Punktzahl von „Um Krone und Kragen“ minus 3, mindestens jedoch 4 Punkte), Günther: 6 (lockeres Familienspiel), Walter: 5 (Punktzahl von „Um Krone und Kragen“ plus-minus 0).
Warum heißt das Spiel eigentlich „Giganten der Lüfte“? Weil auf dem Spielbrett ein dicker Zeppelin aufgedruckt ist! Und warum ist auf dem Spielbrett ein dicker Zeppelin aufgedruck? Ist doch klar: Weil das Spiel „Giganten der Lüfte“ heißt!
2. “Hansa Teutonica”
Walter hatte per Emails nochmals eine Attacke auf die Determiniertheit von “Hansa Teutonica” geritten. Behauptung: Der Startspieler muß in seinen ersten beiden Zügen seinen Aktionsspielraum erweitern und hat damit unweigerlich gewonnen. Günther argumentierte dagegen, daß a) der Startspieler als Startaufstellung weniger Spielsteine bekommt und daß b) die Mitspieler den Ausbau der Aktionsstrecke Göttingen-Quedlingburg blockieren können. Doch schon der Evangelist wußte: „Glücklich zu preisen sind die, die nicht sehen und doch glauben.“ Walter war nicht zu preisen, heute sollte er sehen lernen. Natürlich als Startspieler.
Sein erster Zug war unwidersprochen determiniert: Eine Scheibe und einen Würfel auf die Strecke Göttingen-Quedlinburg. Aarons erster Zug war Günther minded: Eine Blockade-Scheibe in Richtung Quedlinburg und einen Würfel auf die Lübecker Säckchenstrecke. Günther wollte zuerst die gesamte Lübecker Reststrecke blockieren, doch dann fand er einen noch besseren Zug gegen Walters Aufmüpfigkeit: Nur einen Würfel in Richtung Lübeck, mit der Scheibe verdrängte er Walters hoffenden Aktionswürfel.
Es folgten weitere Blockierungszüge von allen Spielern, die absolut unerwartete und chaotische (positiv!) Spielstände produzierten. Walters Aktionshypothese war glänzend widerlegt. Jeder war zu jeder Zeit bei jedem Zug absolut Schmied seines eigenen Glückes. Am Ende hatte keiner mehr als 3 Aktionen entwickelt und die beste Nutzung der Streckentopologie des Spielbrettes brachte den Sieg. Na wem schon. Dem, der das Spiel am besten kannte und beherrschte: Günther.
Zu einem Zeitpunkt, als der FCB gerade sein zweites Tor geschossen hatte und Gary Lineker’s berühmter Fußballspruch über die Deutschen sich diesmal auch für die Bayern bewahrheitete.
Ein Superspiel. Hallo Argentum-Verlag: Ich krieche zu Kreuze!
Keine neue WPG-Wertung.
FCB vs. ManU
3. “Stone Age”
Nur zwei Jahre alt, und doch schon in die Jahre gekommen. In einer Dreierrunde sind die Setzmöglichkeiten eingeschränkt. Beim Baumaterial dürfen sich nur jeweils 2 Spieler engagieren. Das kann für den dritten Spieler durchaus peinlich werden. Wurde es auch. Doch das nur nebenbei.
Walter entschied sich für die Holz-Schiene. Nach Möglichkeit schickte er jeden seiner Pöppel zum Holzhacken, um sich als Holz-Krösus alle Zivilisationskarten unter den Nagel reißen zu können. Die Idee war nicht schlecht, die Ausführung problemlos, nur der Erfolg blieb aus.
Günther hatte von vorneherein auf die kumulativen Effekte der Steinäxte gesetzt. Mit Priorität entwickelte er seine Schlagkraft, entweder im Dorf oder per Zivilisationskarten. Am Ende besaß er 10 Steinaxt-Punkte, mit denen er jeden Mitspieler in Grund und Boden würfeln konnte. Und in der Schlußwertung brachte ihm das nochmals 70 (!) Siegpunkte ein!
Vielleicht war auch das Glück ein bißchen auf seiner Seite, vielleicht haben die Mitspieler hier geschlafen. Auf jeden Fall sollte die Steinaxt-Strategie und die Steinaxt-Gegenstrategie in Zukunft immer im Auge behalten werden.
WPG-Wertung: Aaron reduzierte seine 8 Punkte aus dem Jahre 2008 auf gnädige 6 Punkte. „Die individuelle Abrechnung nach dem Setzen ist zu langatmig. Es fehlt an Tempo“. Die beiden Mitspieler waren baff. Günther fand die anderthalb Spielstunden für ein abendfüllendes Spiel relativ schnell. Für Walter sind allein die Freiheitsgrade innerhalb der Zugmöglichkeiten schon 9 Punkte wert, doch er wollte Aarons Gnadenhaltung nicht weiter strapazieren.

31.03.2010: Einsichten und Einsehen

Spiel ist notwendig zur Führung eines menschlichen Lebens. (Thomas von Aquin, Summa theologica)
1. “Hansa Teutonica”
Zu Spielbeginn hat jeder Spieler zwei Aktionen pro Zug, mit denen er mehr oder weniger zwangsläufig je einen Pöppel auf Felder in ein Wegnetz zwischen Städten der norddeutschen Hanse legt. Hat er zwei Städte verbunden, darf er seinen Spielraum erweitern:
– mehr Aktionen pro Zug ausführen,
– mehr Pöppel pro Aktion requirieren,
– mehr Pöppel pro Aktion versetzen
– Wertungspositionen in Städten belegen
– sich höhere Privilegien zulegen.
Es ist klar, daß ein höherer Aktionsspielraum zu Beginn lebenswichtig ist, und alle Spieler rangeln um diese Erweiterung. Daß dies ein bißchen einseitig ist, war unser schärfster Kritikpunkt, als wir “Hansa Teutonica” vor zwei Monaten zum ersten Mal auf dem Tisch liegen hatten.
Doch unser Kritikpunkt war einseitig. Klaus Ottmaier vom Argentum-Verlag hat uns eine ganze Reihe von Alternativen zur reinen „Aktions-Erweiterungs-Strategie“ aufgezeigt. Heute ging es im wesentlichen darum, deren Stichhaltigkeit zu verifizieren. Günther war der Advocatus Diaboli, der uns die Nicht-Aktions-Alternativen praktisch und theoretisch demonstrieren sollte.
Als Startspieler ließ er sich die Gelegenheit zur Aktions-Erweiterung natürlich nicht entgehen. Dann spielte er aber auf ein schnelles Ende. Nach einem Handlungspielraum von 3 Aktion verzichtete er auf die weiteren Entwicklung und besetzte dafür die Wertungspositionen, mit denen er fortlaufend langsam aber sicher alle Siegpunkte einheimste, um das Spiel per Wertungsskala beenden zu können.
Aaron war gleich zu Beginn ins Hintertreffen geraten, als Günther und Walter durch gegenseitiges Verdrängen auf der Aktionsstrecke sich gegenseitig zusätzliche Pöppel aufs Spielfeld brachten. Da wurde nochmals kurz der Vorwurf der Aktions-Determiniertheit aufgebracht und diskutiert. Aber noch war nichts entschieden und die verschiedenen Position-Vor- und Nachteile konnten nicht auf einen Nenner gebracht werden.
Walter kam von seiner Aktions-Schiene nicht mehr herunter. Die Entwicklungsmaximierung verfolgte er mit einer solchen Hartnäckigkeit, daß er am Schluß das am besten entwickelte Aktions-Tableau besaß, aber fast keinen einzigen Siegpunkt.
Auf jeden Fall konnte Günther mit seinem Kantersieg vor Aarons ausgewogenen Vorgehensweise ganz klar belegen, daß in „Hansa Teutonica“ viele Wege zum Ziel führen. Das lies unsere Punkte-Bewertung gleich nach oben schnellen.
WPG-Wertung: Aaron: 8 (vorher 5, „Man muß auf vieles achten und kann dabei manches übersehen“), Günther: 8 (bleibt, für mehr Punkte hätte es noch mehr emotionale Begeisterung entfachen müssen), Walter: 9 (vorher 7, Will seinen Bewertungrahmen ausschöpfen.)
Hallo Wilhelm, bist Du jetzt zufrieden?
2. “Vasco da Gama”
Unter dem Thema Seefahrt erwerben wir Handelsprojekte, werben Mannschaften und Kapitän an, setzen die Segel und lassen uns über Sonderrollen noch ein paar Vorteile zuschustern.
Die Aktionen stehen allen Spieler offen, nur um die Reihenfolge wird geboten. Die meisten Gebote kosten nichts, nur die allerersten gehen richtig ins Geld, und Geld ist knapp. Bemerkenswert ist, daß der Preis für die Gebote kein vorher genau festgelegter Wert ist, sondern pro Runde ausgehend von einem Basiswert mit einer Zufallsverschiebung zwischen minus-Drei und plus-Drei Einheiten variiert. Wer hier alles auf eine Karte setzt und keine Geldreserve zurückhält, muß u.U. auf eine Aktion ganz verzichten und bekommt als Minimal-Entschädigung gerade mal eine Geldeinheit zurück.
Über diesen vom Autor eingebauten Zufallseinfluß hatte es bei uns vor 3 Wochen heftigste Unmutsäußerungen gegeben. Ist „Vasco da Gama“ ein Zockerspiel? Keineswegs. Wer natürlich mit seinen Geboten höchstes Risiko eingeht und mit seinem letzten Pfennigen nicht allen Preisverschiebungen standhalten ist, der kann in dieser Alles-oder-Nichts-Strategie untergehen. Doch unter Einhaltung einer Sicherheitsreserve sollte man sich voll auf die optimalen Kombinationen von Schiffsausrüstungen und Handelsfahren konzentrieren. Dann bietet das Spiel eine Fülle von konstruktiven und destruktiven Interaktionen für sich selbst und gegen die Ambitionen der Mitspieler.
Knapp ist alles, was wir für unseren Seehandel brauchen. Eine Menge Logistik und richtiges Timing ist unabdingbar für ein erfolgreiches Spiel. „Ich habe einen Fehler gemacht“ gehört zum Standard-Vokabular. Hoffentlich! Wer erstens so klug ist, daß er alle Wechselfälle der Seefahrt durchrechnen kann und zweitens so brutal, das während des Spiel auch zu noch tun, der kann „Vasco da Gama“ töten. In unserer Dreierrunde gabe es nur leichte Ansätze dazu (von wem wohl?) und deshalb auch keinerlei Klagen über übermäßige Wartezeiten. Den Vorgabewert von einer halben Stunde pro Mitspieler konnten wir spielend einhalten.
WPG-Wertung: Aaron bleibt bei seinen 8 Punkten („spannend bis zum Schluß“), Günther bleibt bei seinen 7 Punkten („Die vielfältigen Punkteabrechnungen sind nicht sehr eingängig“), Walter: 8 (neu).
3. “Rumis”
„Giganten der Lüfte“ wurde als Absacker abgeleht. Gut zu würfeln, um sich damit in die Lage zu versetzen, noch besser zu würfeln, war nicht nach dem Geschmack des Hausherrn. Zumindest nicht zum Absacken.
Als Alternative zu „Bluff“ bot sich „Rumis“ an. Da kam auch in die älteren Herren nochmals richtig Bewegung. Beim Auskundschaften der besten Plätze für die Bauklötzchen, mit denen man sich ein möglichst großes Stück vom Oberflächenkuchen sichern kann, blieb kein Arsch auf seinem Stuhl.
Wichtig ist das Augenmaß, sich gerade soviel Kuchen auf die Seite zu ziehen, daß man davon satt werden kann, ohne daß die anderen davon ein Stück abhaben wollen. Walter gelangt es dreimal, Aaron und Günther zum Kampf um den Restkuchen zu verleiten.

27.01.2010: Der punische Krieg geht weiter

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß zwei willkürlich gewählte natürliche Zahlen gleich sind. Bei der unendlichen Anzahl natürlicher Zahlen ist die mathematische Wahrscheinlichkeit dafür gleich Null. Doch in der menschlichen Realität liegen die Verhältnisse ganz anders. Soll sich ein Mensch eine beliebige natürliche Zahl ausdenken, so wird er selten eine Zahl größer als Hundert wählen. Demnach liegt die Wahrscheinlichkeit für die Gleichheit zweier beliebiger von Menschen ausgedachter natürlichen Zahlen schon deutlich über 1 Prozent. Noch besser ist es, wenn die beiden denkenden Menschen nur bis 3 zählen können.
Walter machte mit Aaron und Günther das Experiment: Jeder sollte verdeckt auf einen Zettel eine beliebige natürliche Zahl schreiben. Haben beide die gleiche Zahl geschrieben, so bekommt jeder einen Euro, haben sie verschiedene Zahlen geschrieben, so muß jeder einen Euro bezahlen. Hättet Ihr bei diesem Experiment lieber die Wettposition von Walter oder von Aaron/Günther eingenommen?
Am Ende schrieben beide die Zahl 0 (Null) auf. Das ist zwar keine natürliche Zahl, aber immerhin waren sie auf dem richtigen Weg. Beide! Das Experiment stammt aus einem kleinen Büchlein von Fredick Mosteller über „Statistische Herausforderungen“. Über die Hälfte seiner Probanten wählten hier die Zahl 1; weitere Favoriten waren die 3 und die 7.
Macht dieses Experiment mal mit eueren geliebten Ehefrauen. Je nachdem, wie lange ihr verheiratet seid, wählen sie entweder eueren Hochzeitstag oder ihren eigenen Geburtstag! Bestenfalls!
1. “Porto Carthago”
Bernd Eisenstein’s Neuentwicklung für Essen 2010 wurde einem erneuten Beta-Test, diesmal in einer 4er Runde unterworfen. Drei Spieler wußten schon, worum es ging und konnten ihr Augenmerk voll auf inneren Abhängigkeiten des Spielablaufs richten.
Wir sind Händler im Hafen von Karthago, kaufen verschiedene Waren, stapeln sie in unseren Lagerhäusern und Speichern, führen Schiffe fremder Kulturen zu unseren Anlegeplätzen, stillen deren Warenbedarf und werden dadurch reich. Doch nicht das meiste Geld bestimmt den Sieger, sondern der größte Einfluß im Königshaus. Regelmäßig müssen wir für unsere Clanmitglieder Plätze im Palast erwerben. Die ersten sind noch relativ billig, die letzten kosten schon 50 % mehr pro Stück. Rechtzeitig zufassen bringt Vorteile. Allerdings werden damit liquide Mittel gebunden, und Spielerpöppel einem anderweitigen Einsatz entzogen.
Fünf Runden dauert ein Spiel. Jeweils 5 Aktionen darf jeder Spieler darin ausführen. Startspieler wird, wer zu Beginn einer Runde die meisten freien Clanmitglieder aufweist. Damit ist zugleich auch das höchste Rundeneinkommen verbunden. Seine Pöppel auf möglichst kurzfristige Aktionen auszuschicken, so daß sie bei Rundenende wieder im Pool zur Verfügung stehen, bringt also Startvorteile und Zusatzeinkommen.
Der letzte innerhalb einer Zugreihenfolge kann am besten abwägen, wieviel Mitglieder er noch im Leuchtturm zur Hafeneinfahrt unterbringt. Wer hier die Mehrheit hat, kann einem beliebigen Schiff die Einfahrt in den Hafen verwehren und so einem Mitspieler einen potentiellen Kunden vermaseln. Dieser Einsatz muß zwar teuer bezahlt werden, zahlt sich in der Regel aber vielfältig aus. Die verschiedensten Vor- und Nachteile aller Aktionen scharf abzuwägen, ist die Herausforderung in “Porto Carthago”.
Günther war Neuling und Startspieler. Er allein konnte sich bei der Startaufstellung keine Ware ergattern, die an seinen Speicherplätzen im Hafen benötigt wurde. Regelbedingt waren alle seine Lagerplätze belegt, so daß er keine neue Ware vom Markt kaufen konnte. Durch die zufällige Verteilung der Aktionskarten hätte er seine Lagerplätze ausgerechnet nur dadurch erweitern können, wenn er eine Ware vom Markte gekauft hätte. Doch genau das konnte er ja nicht. Für diese Dead-lock-Situation gibt es natürlich Ersatzlösungen, doch Günther setzte auf Aussitzen. Leider war ihm Hermes, der Gott der Händler und Diebe, ihm diesmal nicht gewogen.
Sven fuhr die Leuchtturm-Strategie. Er leitete jeweils die ersten einfahrenden Schiffe auf seine Handelspätze und schickte potentielle Kunden seiner Mitspieler brutal in die Unterwelt. Auch bei den Privilegien erfolgreicher Schiffsladungen suche und fand er seinen maximalen Vorteil. Es reichte trotzdem nicht zum Sieg, weil das Zufallsangebot an Waren und Kunden einen seiner Speicherplätze von Anfang an im Stich ließ und er damit nutzlos Ressourcen vergeudete. Außerdem konnte er als Hafenmeister zufallsbedingt gerade seinen schärfsten Konkurrenten am wenigsten schädigen.
Sieger wurde Aaron, der den sparsamsten Pöppel-Einsatz verfolgte, sich im Hafen nur mit wohldosiertem Risiko engagierte und von Sven – wohlkalkuliert oder zufallsbedingt – nur am wenigsten geschädigt werden konnte.
„Irgendwie hat man immer zu wenige Aktionen!“ „Das Spiel hätte eine Runde länger dauern sollen!“ Das waren die üblichen Klagen der Nicht-Sieger. Ein deutlicher Hinweis auf ein kurzweilige, spannende Unterhaltung.
WPG-Wertung: In Günthers 7 Punkten, 1 Punkt weniger als unser bisheriger Schnitt, drückt sich gewiß auch ein gewisser Frust des Neulings aus.
2. “Hansa Teutonica”
Günther hält dieses neue Spiel vom Argentum-Verlag für einen heißen Kandidaten zum „Spiel des Jahres 2010“. In einem kybernetischen Räderwerk mit Pöppeln, Geldmitteln und Privilegien müssen wir unsere Aktionen, bestehend aus Einnahmen kassieren, Pöppel requirieren und setzen, Strecken bauen und Prämien kassieren, so einsetzen, daß wir besser punkten als unsere Mitspieler.
Mit manchen Aktionen erweiteren wir unseren Handlungsspielraum für zukünftige Entwicklungen, oder, alternativ dazu, kassieren wir Siegpunkte. Trivial ist, daß es in der Anfangsphase die Erweiterung des Handlungsspielraums am wichtigsten ist. Die hier gewonnenen zusätzlichen Freiheiten zahlen sich im weiteren Spielverlauf exponentiell aus. Deshalb ist der Run auf die ersten, eindeutig besten Zugmöglichkeiten unumgänglich. Und leider auch ein bißchen determiniert, d.h. einseitig.
Das Hantieren mit dem Spielmaterial hat eine ähnliche therapeutische Wirkung wie das Setzen von Go-Steinen oder das Bewegen der Kugeln einer Komboloi. Das ist doch immerhin etwas.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (wenigstens schnell, aber zu repetitiv), Günther: 8 (flüssig), Sven 4 (zu determiniert, zu billig in der Herausforderung), Walter: 7 (leicht und locker, das richtige Spiel für Willi’s Konsorten).
3. “Bluff”
Im ersten Spiel war Aaron im Nu ausgeschieden. Im zweiten Spiel stand er ebenso schnell mit 5:5 gegen Walter im Endspiel. Mit der taktisch richtigen Behandlung eines 5 mal die Fünf und 5 mal die Zwei konnte er als einer der seltenen absolut-ungeschorenen Sieger die Arena verlassen.
Frage an die Experten: Wie wäret ihr mit einem 5 mal die Zwei-Wurf im 5:1-Endspiel vorgegangen? Es gibt mehr als eine Lösung!
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.