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07.11.2012: Legenden um die Keyflower

Es gibt wenigstens drei verschiedene Möglichkeiten, die biologische Funktion des Spiels richtig zu deuten. Da ist erstens die Auffassung des Spiels als Erziehung: die Katze spielt mit der Maus und erzieht sich dadurch in der Geschicklichkeit, deren es bedarf, um Mäuse zu fangen; alle unsere menschlichen Spiele sind Übungen in Fähigkeiten, die das Leben erfordert, und deshalb fahren wir in England fort, dem Herzog von Wellington den Ausspruch zuzuschreiben, daß die Schlacht von Waterloo auf den Spielplätzen von Eton gewonnen worden sei.

Dann gibt es eine Auffassung des Spieles, nach welcher die überschüssigen Kräfte, die in der praktischen Arbeit des Lebens ungenutzt blieben, in der Kunst verausgabt werden. Diese erweiterte und harmonsierende Funktion des Spiels, die sich auf niederen Stufen im Trivialen erschöpft, führt auf höheren zur Schöpfung der herrlichsten Menschenwerke.

Aber es gibt noch einen dritten Begriff vom Spiel, demzufolge dieses einen unmittelbaren innerlichen Einfluß – gesundheitsbringend, entwickelnd und ausgleichend – auf den Gesamtorganismus des Spielenden selber ausübt. … In diesem Sinne darf man davon reden, daß auch die Sexualität eine Spielfunktion hat. Sie betrifft das Physische und das Psychische zugleich. Sie regt den ganzen komplexen Zusammenhang des Organismus zu gesunder Tätigkeit an. Zugleich befriedigt sie die tiefsten Bedürfnisse des Gefühlslebens und bringt die verschiedenen Triebe des Geistes in Harmonie.
(aus Havelock Ellis: „Liebe als Kunst“)

1. “Die Legenden von Andor”
Trotz des märchenhaften Titels macht der Autor Michael Menzel mit dem Thema seines Erstlingswerk nicht viel Federlesens: „Jeder Spieler schlüpft in die Rolle eines Helden von Andor und erlebt fantastische Abenteuer“ heißt es ganz lapidar. Die Abenteuer erleben wir im Würfelkampf gegen Gors, Skale, Trolle, Wardraks und ähnliche Elemente aus dem schwedischen Wörterbuch.

Das Spielbrett zeigt eine märchenhafte Landschaft aus Burg, Wald und Wiese; hier hat der begnadete Menzel seine Talente als Illustrator gekonnt demonstriert. In der Landschaft stehen verstreut unsere fabelhaften Gegner herum und schleichen (das bezieht sich auf ihre Geschwindigkeit, nicht auf ihre Verstecktheit) auf vorgegebenen Pfaden alle in Richtung Burg. Wenn mehr Fabelhafte in die Burg eingedrungen sind, als dort Platz ist, haben wir menschlichen Teilnehmer verloren. Wir müssen ihnen also mit vereinten Kräften in den Weg treten und sie in einem eleganten Würfelkampf besiegen.

Wenn wir das schaffen, zugleich auch noch den Zaubertrank für den kränklichen König auf die Burg gebracht haben, und rechtzeitig die Festung der Bösen erstürmt haben, sind wir Sieger. Alle zusammen, es gibt keinerlei singuläre Lorbeerblätter für denjenigen, der sich im Würfelkampf besonders ausgezeichnet hat.

Bei Spielbeginn sind wir noch schwach und sollten nicht alleine gegen einen Troll antreten. Aber zu zweit haben wir schon ganz gute Aussichten, unsere eigenen Lebenslichter zu erhalten und diejenigen des bösen Geistes alle auszupusten. Nach jeden Sieg erhalten wir weitere Lebenslichter oder Geld, das wir auf bestimmten Händler-Feldern des Spielbretts in Stärke umwandeln können. Die Stärke ist ein direkter additiver Posten, mit dem wir unsere Würfelergebnisse aufmotzen. Nach ein paar Runden haben wir leicht eine Stärke von 7 oder mehr erreicht und brauchen uns vor niemandem mehr zu fürchten.

In die recht lineare Plattmach-Orgie sind ein paar Überraschungen eingebaut: Sporadisch tauchen auf ausgewürfelten Spielfeldern neue Monster auf, oder wir verlieren bei zufällig unglücklicher Positionierung ein paar Lebenslichter. Doch jeder hat genug davon, um das verschmerzen zu können.

Aarons größte Freude – im gesamten Spiel! – war, auf dem Spielbrett das Feld Nummer 15 zu finden. Die Felder sind nämlich nicht sequentiell durchnummeriert, sondern mit erheblichen Chaos. Feld 15 ist ganz unten versteckt in der Ecke zwischen 7 und 9. Die Felder 73-79 haben wir gar nicht gefunden; vielleicht gibt es sie gar nicht, und die Zauberwelt fängt erst wieder bei 80 an. Herr Menzel wird schon wissen warum das so ist, wir wissen es nicht. Leider kann Aaron diese seine Findefreude nur einmal im Keyflower-Leben genießen.

Die größten Lacher gab es bei Aarons weltbekannt-schlechten Würfelwürfen: Für den Kampf durfte er nacheinander bis zu fünf Hexawürfel werfen und bei einer ihm genehmen Augenzahl aufhören. Und wirklich: Er warf nur Einsen und Zweien. Doch noch bemerkenswerter: Als er später die Fähigkeit erworben hatte, einen beliebigen Würfel auf die Rückseite zu drehen, d.h. aus einer Eins eine Sechs und aus einer Zwei eine Fünf zu machen, würfelte er schlagartig nur noch Dreien und Vieren! Ausschließlich! Ungelogen! Ohne report-dichterische Freiheit hier niedergeschrieben! An seinem Würfelruf scheint doch etwas dran zu sein.

WPG-Wertung: Aaron: 4 (kann dieser Art von Spielen nichts abgewinnen), Günther: 4 (ich bin halt doch kein Rollenspieler), Moritz: 7 (die erste Legende – die er mit seinem 5-jährigen Milo gespielt hat – war interessanter), Walter: 4 (hat das dumpfe Gefühl, dass wir irgendetwas falsch gemacht haben müssen, es gab keine einzige logistische Herausforderung).

2. “Keyflower”
In Essen der Sieger auf der Top-Liste von „Fair-Play“. Ein Ersteigerungsspiel mit den Betriebsmitteln Arbeiter (rote, grüne, gelbe und blaue), Rohstoffe (Holz, Stein, Eisen und Gold) und Werkzeuge (Amboss, Hacke und Säge) um Ackerland zum Gewinnen von Arbeitern, Rohstoffen, Werkzeugen und Siegpunkten.

Auf dem Tisch liegen eine Reihe von hexagonale Ackerflächen, die es zu ersteigern, zu nutzen und zu veredeln gilt. Das Ersteigern erfolgt mittels Arbeitern, die höchste Kopfzahl gewinnt, der Überbotene darf seine Arbeiter abziehen und ihnen neue Aufgabengebiete zuweisen. Bei einer Belegschaft von 10 bis 20 Arbeitern pro Spieler eine ziemlich zähe Angelegenheit.

Diese fingierte Keyflower-Szene enthält mindestens 5 sachliche Fehler. Wer die meisten findet bekommt 1 Flasche Wein!
Zur Nutzung stellt man einen Arbeiter auf eine bereits ersteigerte oder noch öffentlich ausliegende Ackerfläche. Man darf auch auf beliebige Flächen der Mitspieler setzen und damit deren Fähigkeit nutzen. Der Nutz-Arbeiter wandert hinterher allerdings in die Belegschaft der Konkurrenz.

Zur Veredlung muß man Rohstoffe oder Werkzeuge einsetzen und eine Arbeitsfläche vom Typ „Veredelung“ nutzen.

Am Ende sprudeln eine Reihe von Siegpunktquellen für den Sieg, als da sind:

  • die ersteigerten und veredelten Ackerflächen
  • zusammenhängende Wege oder Kanäle auf unserem Ackerland
  • Arbeiter als Einzelpersonen oder in wohldefinierten Brigaden
  • Rohstoffe als Einzelteile oder in wohldefinierten Kombinationen
  • Werkzeuge als Einzelteile oder im Kasten

Die Siegpunktquellen sprudeln aber nicht unisono für alle; sie sind selber Hexateile, die wie Arbeitsflächen ersteigert werden müssen, und nur für den Besitzer je nach seinem Besitztum Siegpunkte liefern. Das bringt natürlich eine positive Vielfalt in die Interessen der Grundbesitzer. Wem z.B: Rohstoffe honoriert werden, engagiert sich in Bergbau, und wem Werkzeuge honoriert werden, engagiert sich in der Schmiede.

Leider ist das nicht ganz so einfach. Denn der Großteil der Hexateile für die Siegpunkt-Kriterien kommen erst in der letzten Runde ins Angebot. Jetzt hängt es stark vom Mitspielerchaos an Besitztum, Interessen, Ersteigerungspotential und Miesnickeligkeit ab, ob man das begehrte Kriterium bekommt oder nicht. Walter wurde in der letzten Runde – mehr oder weniger zufällig – Startspieler und konnte sich einen Rohstoff-Belohner sichern, der ihm 60% seiner Siegpunkte einbrachte. Immerhin der zweite Platz. Jeder andere Mitspieler hätte ihm das begehrte Siegpunkt-Hexateil durch einen einzigen der seltenen grünen Arbeiter wegschnappen können. Das hätte dann weit abgeschlagen den letzten Platz bedeutet.

Die enorme Optimierungsaufgabe, alle etwa 10 öffentlichen und 20 privaten Ackerflächen bei jedem Spielzug genau zu sondieren und daraus das beste an Besitz und Nutzung für sich herauszusuchen, ggf. noch dabei die Biet-Resourcen und Ambitionen der Mitspieler im Auge (im Gedächtnis) zu behalten, paßt nicht zum enormen Zufall, mit dem am Ende die Siegpunktkriterien unter den Spielern aufgeteilt werden.

WPG-Wertung: Aaron: 6 (dauert zu lange), Günther: 7 (überschaubare Komplexität), Moritz: 6 (elegantes, durchdachtes Design), Walter: 6 (zu viele, teils unwägbare Optimierungsaufgaben).

“Gebrechlichkeit in Dativ und Akkusativ”
Manche Westparker werden immer jünger und goldiger, andere dagegen reifer und silberner. Doch auch auf letzteren ruht so mancher wohlgefällige weibliche Blick, gerade wenn der Mens noch sana ist, der Corpor aber schon ziemlich debilis ist, den man vorsichtshalber besser „an die Wand nageln“ sollte. Nach einem frivolisierten Wortgeplänkel im Wasserbad hörte jetzt ein Westparker die durchaus hoffnungsvolle Einschränkung: „Sie müssen mich schon an der Wand nageln.“