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02.06.2010: Autobahnen und Wasserwege

Loredana wird Deutsche. Letzte Woche hat sie die Einbürgerungsprüfung abgelegt. Mit großer Wahrscheinlichkeit bestanden, denn sie ist ein kluges Köpfchen und noch dazu ihre schlechtere Hälfte ebenfalls. Hier eine Kostprobe aus dem Fragebogen: „Wo meldet man seinen Hund an?“ Bei seiner Katze? Ich jedenfalls wußte es nicht.
Peter hätte gleich auch noch eine wichtige Ergänzungsfrage zum Fragebogen beizusteuern. „Wer weihte die erste deutsche Autobahn ein?“ Nein, nicht der, an den ihr jetzt vielleicht denkt, sondern es war unser guter alter Dr. Konrad Adenauer, als er noch im lockigen Haar daherkam. Den Rest könnt ihr in der Weltgeschichte nachlesen.
1. “Magister Navis”
Gewitzt von den 2-3 Punkte-Spielen der letzten Wochen, vor allem aber auf Grund der bekannten Vorlieben von P&L sollte diesmal gutes deutsches Spielgut auf den Tisch kommen. „Magister Navis“ hat seine Nagelprobe bei uns bereits vor vier Monaten abgelegt.
Es ist ein Entwicklungsspiel, bei dem wir unser Personal, unsere Arbeitsplätze, unsere Liquidität und unser technisches Niveau erweitern müssen, um damit zuerst auf dem alten Kontinent Europa und später auch in Übersee punkten zu können. Pro Runde ziehen wir einen Arbeitsplatz, der eines oder mehrere unserer Einsatzmittel um einen oder mehrere Stufen verbessert. Alle Entwicklungslinien müssen organisch zusammenpassen. Personal ohne Arbeitsplatz, Arbeitsplätze ohne Personal, Liquidität ohne Personal, Personal ohne Liquidität sind alles vergeudete Energien.
Dabei ist „Magister Navis“ aber kein autistisches Patience-Spiel, bei dem jeder nur auf seine eigene Entwicklung achten muß. Es sind eine Menge Elemente eingebaut, die Konkurrenz und Interaktion mit sich bringen. Jeder Zug hat Einfluß auf unsere weiteren Chancen und die unserer Gegner. Unser jeweils bester Zug ist nicht allein auf die Beseitigung eines augenblicklichen Mangel gerichtet, er muß zugleich auch mehrere Schritte in die Zukunft mit ihren progressiv ausgelösten Veränderungen berücksichtigen. Mathematisch gesprochen ist auch die zweite und dritte Ableitung der Aufgabenstellung noch längst nicht Null.
Ganz wichtig ist am Anfang der „Markt“, denn die damit eingehandelten Bonus-Karten bringen uns am weitesten vorwärts. Im Mittelspiel sollte man sich auf bestimmte Erdteile konzentrieren, um dort die höherwertigen Bonuskarten vollständig abzugrasen. In der Schlußphase sind auch Kanonen nicht ohne, denn damit kann man sich manche noch fehlende Schlüsselposition freischießen. Allerdings braucht man dazu Munition, sprich Personal. Und dafür braucht man … ach all die anderen Mittel, die sich im gesamten Spielverlauf organisch ergänzen.
Das alles erfordert ein höllisches Aufpassen. Weder unsere Laien noch die Experten hatten das Spiel im Griff. Anfangs wurde nur der schwächste Stratege bekritelt und belächelt, dann streute auch unser Seriensieger Asche auf sein Haupt. „So wie ich spiele, ist es ziemlich blöd!“ und „Ach, das ist alles so schlecht austariert, ich Heini!“. Seine Bilanz vor Torschluß: „Wir haben alle schlecht gespielt“ relativierte er, noch bevor Peter protestieren konnte, zu: „Viele von uns haben schlecht gespielt“. Zumindest er war heute ganz deutlich einer davon.
Zum Glück ist das Spiel schnell zu Ende, und man muß nicht so lange unter seinen eigenen Fehlern leiden. Das „schnell“ ist hier echt als Design-Kompliment gemeint, nicht im Sinne des psalmodierten Hilfeschreis: „Mach’ End, oh Herr, mach Ende!” Es spricht durchaus für das breite Entwicklungspotential eines Spiels und ist keinesfalls mangelnde Balance im Design, wenn der individuelle Besitzstand in der Schlußphase uneinholbar auseinanderläuft. Allerdings darf das wirklich erst ganz am Ende passieren.
Doch in „Magister Navis“ trat, wie auch bei unserem vorigen Spiel, der unerwartete Effekt ein, dass in der Schlußabrechung die Ergebnisse alle wieder ziemlich dicht beeinander lagen. Loredana gewann mit 48 Siegpunkten, dahinter folgten im 2-Punkte-Abstand die anderen. Und das trotz der ganz unterschiedlichen Entwicklungslinien und trotz der massiven individuellen Fehler! Beim letzten Mal fand es Moritz „schocking, daß Walter trotz seines bizarren Spiels noch Dritter wurde“, diesmal könnte man es schocking gefunden haben, daß jeder trotz mancherlei bizarren Spiels fast noch hätte gewinnen können. Ist das jetzt ein Manko des Spiels (Mangelnde Belohnung für gute Spieldurchführung?) oder liegt darin sogar eine seiner Stärke (Balsam auf alle gefehlt habenden Spielerseelen?).
WPG-Wertung: Peter und Loredana blieben mit je 7 Punkten im Durchschnitt für unserem „Spiel des Monats Februar“.
2. “Zoff im Zoo”
Ein weiteres Pflichtspiel für Spielabende mit P&L. Ein Stichspiel mit Tieren. Der Fuchs sticht die Maus, der Löwe den Fuchs, der Elefant den Löwen und die Maus den Elefanten. Dabei wird auch schon mal eine Mücke zum Elefanten gemacht.
Bemerkenswert das paarweise Zusammenspielen mit einem Konkurrenten, mit dem man gemeinsam einen Teil der Siegpunkte erwirbt, den man aber zuweilen alleine im Regen stehen lassen muss, wenn Siegpunkte im Spiel sind, die nur einer von beiden bekommt.
Keine neue WPG-Wertung für ein 8.1-Punkte Spiel.
Loredana hat auch das zweite Spiel des Tages gewonnen. Es wird höchste Zeit, daß sie eingemeindet wird, damit unser Pisa-Index gleich einen weiten Satz nach vorne macht.
3. “Bluff”
Wieder stand Loredana im Endspiel. Diesmal gegen ihren Herren und Gebieter. Mit ein bißchen Geist im Kopf, aber mit sehr viel Masse in seinem Beutel machte er ihr klar, wo Bartel den Most holt. Immerhin blieben die Punkte in der Pisa-Familie.
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

03.02.2010: Welthandel und Welteroberung ohne Pandemie

Seit seinen Spieltips in Galileo ist Moritz in den öffentlichen Medien auch als Brettspielexperte gefragt. Kürzlich ist Radio Brandenburg an ihn herangetreten, doch ein paar Tips zu „Monopoly“, „4-gewinnt“, und zu „Mensch-ärgere-Dich-nicht“ abzugeben. („Das kennt doch jeder!“) „Und, was hast Du denen gesagt?“ „Ich hab’s halt gemacht!“
Die Radio-Euphorie schoß gleich ins Kraut: „Als Spielexperte können Sie uns dann doch bestimmt auch richtig gute Tips zum Schummeln geben … !“ Das hat Moritz dann aber doch dankend abgelehnt.
Wann die Sendung ausgestrahlt wird, könnt Ihr bei Moritz abfragen. Daß er am Freitag-Abend ein Konzert im Herkulssaal der Münchener Residenz gibt, das life im Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt wird, erfahrt Ihr hier von mir: BR 4 Klassic, 4. Veranstaltung der musica viva, 20:05 Uhr.
1. “Porto Carthago”
Letzte Test-Session, diesmal in einer 5er Runde. Mit Übersicht und Kompetenz konnte Aaron den hochbegabten Neuling Moritz in knapp 30 Minuten in das Regelwerk einführen. Wir haben mit dem Author schon ein paar Detail-Korrekturen diskutiert, doch mit gewissenhafter Tester-Ethik hielten wir uns noch an die Originalversion, auch wenn es vielleicht ein bißchen weh tat.
Aaron entschied sich von vornerherein lautstark für das Intrigenspiel, das bei uns bisher noch nicht richtig auf Touren gekommen war. Doch das Schicksal wollte es anders. Am Ende schickte er gerade noch in der letzten Runde einen zaghaften Untertanen auf diese Laufbahn. Daraus konnte er für sich nichts selbst natürlich nichts mehr herausholen.
Sven setzte wie gewohnt auf eine Karriere als Hafenmeister. Allerdings nur bis zur Mitte des Spiels. Dann war der Kulturhafen ausgelutscht und er verlegte sich auf intensive Pöppelwirtschaft. Das bringt das meiste Einkommen, die Startspielerrolle und damit auch die erste Wahl in allen Aktionen einer Runde, insbesondere auf dem Markt.
Günther spielte wie ein guter Go-Spieler: bei sich selbst. Und weil in seiner Ecke die Charterplätze lagen, engagierte er sich als Charterkapitän (das ist notgedrungen auch die Rolle des ersten Startspielers) und brachte mit Beten und Bangen beliebige Waren seiner Wahl in alle Gegenden der damals bekannten Welt.
Moritz hatte zu Beginn unsere Diskussionen über die Intrigenproblematik mitgehört, ohne des Pudels Kern noch richtig zu verstehen. Außerdem klang ihm Aarons diesbezügliche Aktivitäten-Ankündigung noch ihm Ohr, was lag also näher, als hier mitzumischen. Und als niemand Aaron hindern konnte, binnen Minuten klüger zu werden, blieb Moritz allein auf der Intrigenstrecke und seine Palastpräsenz war marginal. Dann gesellte sich Günther mit seinen Erlösen aus dem Charterverkehr hinzu, und am Ende kam auch noch Walter ins Boot. Aaron konnte in seinen letzten Aktionen gerade noch das Kraut fett machen. Aber nicht für sich! Für Moritz!
Moritz erbte in der Schlußabrechnung aus seinem Intrigen-Engagement drei ganze Palastpositionen (das entspricht der Einnahme von 4 erfolgreichen Handelsumsätzen) und wurde damit unvermutet noch auf die Siegerposition gehievt. Ist Moritz ein Blindfluggenie? Oder ist „Porto Carthago“ doch nur ein Glückspiel?
Lassen wir es offen. Noch wird an vielen kleinen Rädchen gefeilt. Es gibt sehr viele Wege nach Afrika. Auf welchem später einmal die Siegespalme verteilt werden wird, das wissen die Götter. Und vielleicht der Bernd Eisenstein.
WPG-Wertung: Moritz fand das Prinzip der Aktionen-Verteilung und Auswahl sehr gut und originell, vermißte allerdings die thematische Stimmung, Sven reduzierte seine anfänglichen 9 auf 8 Punkte, mit Tendenz zu wieder mehr, wenn das Spiel ausgereift ist, die anderen blieben bei ihren Noten zwischen 7-8, ebenfalls mit einen Ausblick auf mehr für das fertige Spiel.
2. “Pandemie”
Ein Kandidat auf der Auswahlliste „Spiel des Jahres 2009“. Die Impfungen für die Schweinegrippe zeigen gerade ihre mittelfristigen Nebenwirklungen, warum sollen wir da nicht versuchen, die Seuchen von „Pandemie“ mit vereinten Anstrengungen durch wirksame Gegenmittel in den Griff zu bekommen.
Leider geht das Spiel nur bis zu maximal vier Mitspieler. Moritz mußte seinen erwartungsvollen Einleitungssermon auf Seite 3 der Spielregel abbrechen. Sicherlich wird es auch in diesem Jahr wieder eine Grippewelle geben.
3. “Magister Navis”
Moritz hatte schon kritische Stimmen zu diesem Spiel gehört, Günther als Spielbesitzer und Vorspieler enthielt sich einer Bemerkung. Also setzte es sich durch.
Nach dem Untertitel geht es um „Handel und Erforschung im 18. Jahrhundert“. Europa ist Zentrum und Ausgangspunkt. Wir besiedeln, besetzen bzw. erobern die verschiedenen Städte auf dem alten und den neuen Kontinenten. Die folgerichtige Entwicklung unseres eigenen Expansionspotentials ist dabei von entscheidender Bedeutung. Pro Runde legen wir uns eine neue Fähigkeit zu, die entweder unsere Mannschaft verstärkt, die Rekrutierungsfrequenz erhöht, lukrativere Architekturen gestattet, den Seeweg in die Welt öffnet oder andere ähnliche Vorteile mit sich bringt. Die richtigen Entwicklungslinien innerhalb der eigenen Fähigkeiten und bei der Erforschung (= Eroberung) der Welt zu erkennen, zu verfolgen und zu verfitzeln (das ganze ist ziemlich fitzelig) ist die Herausforderung des Spiels.
Walter war schon beim Regelerklären überfordert. Danach auch noch strategische Linien zu erkennen war für sein Learning-by-Doing Prinzip einfach das Pferd von hinten aufgezäumt. Wer das Rad nicht erfindet, kann es auch nicht zum Sieg rollen lassen. Entsprechend eng war später sein Handlungsspielraum, und wenn er dann mit seinen rachitischen Zügen daherhumpelte, konnten sich die großen Geister nicht die Bemerkungen verkneifen, er würde mit seiner chaotischen Spielweise ihre schönen langfristigen Welteroberungspläne desauvieren. Chaos-Praxis statt Chaos-Theorie.
Seltsamerweise wurde er noch Dritter. Das strategische Genie Sven konnte sich mit einem Punkt Vorsprung vor dem strategischen Genie Moritz durchsetzen.
WPG-Wertung: Aaron:7 (spannend bis zum Schluß), Günther: 7 (trotz der recht minimalistischen Anfangsfreiheiten), Moritz: 7 (fand es „schocking, daß Walter trotz seines zugegebenermaßen bizarren Spiels noch Dritter wurde“), Sven: 6-7 (Planspiel ohne Glücksfaktor), Walter: 6 (enges symmetrisches Ausgangskorsett, hinterher entscheiden aggressive Kingmakerelemente über Sieg und Plätze).
4. “Bluff”
Aaron fand angesichts der 40% Minderheitsvorlieben für bestimmte Spieltypen eine neue, treffende Beschreibung für „Bluff“: „Es ist wie Axis & Allies: mit viel Würfeln!“
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.

PS: Hallo Klaus, „Hansa Teutonica“ kommt bei uns bestimmt nochmals auf den Tisch. Deine und die bei BGG im Internet diskutierten vielfältigen Möglichkeiten zu Punkten zu kommen und ihre Effizienz gegenüber den verlockenden kurzfristigen Muß-Schnäppchen wird bei uns bestimmt noch einmal einer genaueren Analyse unterzogen.