Zu der Zeit kam eine große Teuerung über das ganze Land. Eine Weile hielt das Volk geduldig aus; als aber kein Ende war, sannen sie darauf, wie sie sich dagegen helfen könnten, und erfanden allerlei Mittel. Und so wurde um diese Zeit das Würfelspiel, das Knöchelspiel, das Ballspiel und alle anderen Arten von Spielen erfunden, mit der Ausnahme des Brettspiels [; denn dessen Erfindung halten sich die Lyder nicht zugute.] Mit diesen Spielen erwehrten sie sich des Hungers, indem sie an einem Tag spielten, um ihre Eßlust vergessen zu machen, am anderen aßen sie aber und ließen das Spiel und erhielten sich auf diese Weise achtzehn Jahre am Leben. (Diese Geschichte ist kein verfrühter Aprilscherz. Herodot, um 450 v. Chr, erzählt sie in seinen Historien, lange bevor der 1. April erfunden wurde.)
1. “Myrmes”
Die Humanisten finden im Namen etwas von Achilles und seinem Ameisenvolk, den Myrmidonen. Ystari hat ein „Y“ darin gefunden und das reichte ihm für seine traditionelle Namensgebung. Wir spielen im Ameisen-Millieu und lassen unsere Ammen tanzen. Sie erzeugen Larven, Arbeiter, Soldaten und neue Ammen, graben Ausgänge aus unserem Ameisenhaufen, lassen uns auf der Entwicklungsleiter zu verbesserten Zugoptionen voranschreiten und setzen unser Besitztum in das Gros der zu erzeugenden Punkte um. Die Arbeiter-Ameisen graben die Erde um (zum Einsammeln von Sand, Erde, und Nahrung, aber auch ein paar Siegpunkte können dabei herausspringen), die Soldaten-Ameisen töten herumkrabbelnde Insekten und liefern sie als Nahrung und Siegpunkte nach Hause).
Eigentlich liefern sie die Früchte ihrer Arbeit nicht selber ab: nach jedem Beutemord hauchen sie ihr eigenes Ameisenleben aus. Das Spiel ist ein ständiges Erzeugen und Opfern von Arbeitern und Soldaten, die jeweils nur eine einzige Lebensaufgaben erfüllen, um dann wieder für die nächste Reinkarnation zur Verfügung zu stehen.
Nur die Ammen besitzen ein ewiges Leben. Neue Ammen können aber nicht direkt erzeugt werden, sonst wären die ersten optimalen Spielzüge ziemlich trivial. Man muss den Umweg über Arbeiter und Soldaten und deren Werkeln in der Außenwelt wählen, um sie zu vermehren.
Damit noch etwas mehr Variablität in die große Schöpfung des Ameisendaseins gerät, gibt es Würfel, mit denen die Effekte der einzelnen Spielzüge (Erzeugung neuer Ameisenwesen etc.) verbessert werden können. Die Würfel werden zu Beginn jedes der drei „Spieljahre“ geworfen und gelten für alle Spieler. Allerdings kann jeder Spieler durch Einsatz von Larven das Würfelergebnis zu seinen Gunsten modifizieren. Wenn z.B. für eine Jahreszeit eine Vier gilt, mit der standardmäßig die Bewegungsfreiheit der Arbeiter erweitert wird, kann man ein Larve opfern und damit aus der Vier eine Fünf machen, womit sich bei der Erzeugung von Ameisensoldaten die Geburtenrate erhöht. Da früher oder später im Prinzip reichlich Larven vorhanden sind, werden die Unbilden schlechter Würfel weitgehend eliminiert; dafür werden dadurch die Möglichkeiten planerischen Vorgehens weiterhin erhöht.
Kein Wunder, dass in Essen die Spielergemeine wie paralysiert vor dem Spielbrett saß: Kein Peil für durchschlagend beste nächste Züge. Deshalb verzichtete Aaron vorsichtshalber auf einen Kauf. Günther aber ließ sich nicht abschrecken. Dafür hat schon allein der Name Ystari bei uns einen zu guten Klang.
Günther plädierte in seiner Regel-Einführung für ein „nicht-denkerisches“ Vorgehen, also ein schnelles Spielen aus dem Bauch heraus, um die vielfältigen Mechanismen und Abhängigkeiten des Spiels erst einmal kennen zu lernen. Das erinnerte fatal an die „Haltet den Dieb“-Taktik. Es gibt kaum eine Aufforderung, die bei ihm selbst auf weniger fruchtbaren Boden fällt. Er kann einfach nicht soeben mal seine Ammen auf irgend ein Aktionsfeld setzen. Er muss einfach – mehr oder weniger zwanghaft – ausrechnen, welcher Zug jetzt, gleich und übergleich den besten Ertrag ergibt.
In einer Situation hatte er ganz alleine noch 4 Arbeiter und 4 Soldaten auf seinem Tableau, während für die anderen mit dem Ammenziehen die Spielzüge bereits vorbei waren. Damit durfte er eine halbe Stunde lang (na ja, leicht übertrieben) ganz allein seine Zugoptionen analysieren und bewerten. Weidlich kostete er diese Situation aus. Leider gab es für die anderen weder eine Papstwahl noch ein Spiel der Nationalelf im Fernsehen, um die Wartezeit kurzweilig zu überbrücken.
Nach 1 ½ Spieljahren schlug Walter vor, die insgesamt 3 Spieljahre auf 2 zu verkürzen. Sein Vorschlag fand aber keine Resonanz. Geschlagene 3 Stunden wollten sich seine Mitameisen weiter durch den Insektenwald schlagen. Brav, linear, gefahrlos, spannungslos.
WPG-Wertung: Aaron: 5 (viel zu wenig Interaktion, viel zu viel Fummelei, keine wachsende Spannung), Günther: 6 (schweißtreibend, leider nicht sehr locker), Horst: 6 (das Spiel funktioniert, die Mechanismen greifen alle, aber spaßig ist es nicht), Walter: 6 (gewaltige ausbalancierte Konstruktion, aber solitär und wenig spielerisch).
2. “Trans Europa”
Eine gute Stunde bis zum Zapfenstreich, da konnte kein weiteres Hauptprogramm mehr auf den Tisch gebracht werden. Aaron packte sein „Viva Java“ wieder ein. Vor dem abschließenden Bluff-Absacker war noch ein Vor-Absacker angesagt. „Trans Europa“ kam da gerade richtig.
Jeder Spieler zieht 5 Karten mit Namen von 5 Städten irgendwo in Europa und muss sie durch ein reihum Gleisstück für Gleisstück zu legendes gemeinsames Eisenbahnnetz verbinden. Wer zuerst damit fertig ist, hat gewonnen. Zumindest eine Runde. Alle Mitspieler bekommen Strafpunkte für jedes noch fehlende Verbindungsstück. Leicht, locker, konstruktiv, spielerisch.
Aber auch ein bißchen ungerecht. Wessen Städte in allen Ecken Europas verstreut liegen, wie z.B. bei der Kette Madrid-Glasgow-Charkiv-Thessaloniki plus eine weitere Mittelstadt a la Berlin, hat keine Chance, die Runde zu gewinnen. Wer mit mehr zentral gelegenen Städten gesegnet ist, wie z.B. London, Malmö, Vilnius und Florenz, der tut sich damit wesentlich leichter. Wie könnte man dieser Ungerechtigkeit des Schicksals begegnen? Mehrere Lösungsvorschläge wurden diskutiert:
- Jeder zieht ein paar mehr Karten und darf sich daraus die besten auswählen. Nicht absolut gerecht aber deutlich gerechter als die starre Zuordnung gemäß Regelheft.
- Jeder darf eine Anzahl “schlechter” Städte zurückgeben, ggf. gegen Strafpunkte, und sie durch neue Karten zu ersetzen
- Alle Städekarten werden nicht blind gezogen, sondern öffentlich versteigert. (Unsinn! Damit wäre der ganze psychologische Reiz des Geheimhaltens der eigenen Zielstädte dahin.
Nun ja, Gerechtigkeit ist nicht alles. Auf Dauer gleichen sich Vor- und Nachteile bei der Städteverteilung wohl aus. Man muss nur lang genug spielen. Allerdings sorgte heute Horst dafür, dass noch nicht einmal jeder Spieler wenigstens einmal Startspieler wurde.
Keine neue WPG-Wertung für ein 7,8 Punkte-Spiel.
3. “Bluff”
Aaron konnte ein 2:3-Endspiel gegen Walter für sich entscheiden.
Im ersten Durchgang hatte er die 1-mal-Vier-Standard-Eröffnung auf 2 mal die Zwei gehoben. Was sollte Walter jetzt mit einer Zwei, Fünf und einem Stern unter dem Becher bieten? Seine Erhöhung auf 2 mal Stern war falsch! Schon von der – post mortem – Theorie her. 4 mal die Zwei wäre es gewesen.
Im zweiten Durchgang ging die Steigerung 1 mal Drei (Aaron), 1 mal Fünf, 2 mal Drei , 2 mal Fünf. Aaron gewann mit 3 mal die Fünf! Was hatte beide wohl unter ihren Bechern?
Keine neue WPG-Wertung für ein Super-Spiel.