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21.09.2016: Überall Mysterien

Wenn ein Piefke eine Omma im Ösi-Land hat und ihr die freudige Mitteilung machen will, dass er endlich von Viagra losgekommen ist (oder so ähnlich), so wird sie diese frohe Botschaft wohl nie erhalten. Ein Zerberus irgendwo auf der Strecke zwischen A und DE klassifiziert jede deutsche Mail mit dem Wörtchen „Viagra“ als Spam:

SMTP error from remote server for RCPT TO command, host: mx-in.cablelink.at (213.153.32.149) reason: 550 82.165.159.40 , https://www.spamhaus.org/sbl/query/SBL229648

Wenn man bedenkt, wieviel schuldige Spam-Mails uns trotz unserer potenten Spam-Filter doch noch zugestellt werden, dann ist es schon erstaunlich, welche Mails umgekehrt unschuldigerweise mit diesem Attribut versehen und zurückgewiesen werden.

1. “Mysterium”

Mysterium – Moriz bildet sich, Helmut demonstriert, Aaron staunt
Mysterium – Moriz bildet sich, Helmut demonstriert, Aaron staunt

In einer Mischung aus „Cluedo“ und „Dixit“ sollen wir in Mörder, Mordzimmer und Tatwaffe eines willkürlich zusammengestellten Kriminalfalles herausfinden.

Das Spiel läuft in zwei Stufen ab. Zuerst muss jeder Spieler („Spiritist“) den Verdächtigen herausfinden, der ihm persönlich zugeteilt ist. Gelingt das einem Spieler nicht, so ist das Spiel nach der ersten Stufe bereits beendet und alle haben verloren. Das Spiel ist nämlich ein Kooperationsspiel.

Wurden in der ersten Stufe alle Verdächtigen identifiziert, so müssen die Spieler jetzt in der zweiten Stufe herausfinden, welcher der Verdächtigen der wirkliche Mörder ist. Es wird mehrheitlich abgestimmt und wiederum haben alle gewonnen oder alle verloren.

Wie findet man was heraus? Mörder, Mordzimmer und Tatwaffe sind jeweils auf Grafiken abgebildet. Sechs Stück davon liegen von jeder Sorte in der ersten Stufe auf dem Tisch. Je eines von jeder Sorte ist jedem Mitspieler zugeordnet. Ein „Geist“ (zusätzlicher Spieler) arrangiert willkürlich diese Zuordnungen. Dann legt er jedem „Spiritisten“ ein oder zwei Bildkarten vor, die ihn auf die Spur seiner Zuordnung bringen sollen. Die Spur kann irgendein gemeinsames Detail, eine gemeinsame Farbgestaltung, eine gemeinsame Idee oder jedes beliebiges Hirngespinst sein, die im Kopf des „Geistes“ eine Verbindung schaffen. Diese Verbindung gilt es ausfindig zu machen. Das ist der Witz des Spiels.

Hier ist auch schon eine Herausforderung an den „Geist“ abzulesen: Der Geist darf nämlich nicht nur innerhalb seiner eigenen Assoziationspotenz schwelgen. Er muss sich auch darüber Gedanken machen, wes Geistes Kind seine Mitspieler sind. Er soll ihnen ja helfen, die Rätsel zu lösen, und er gewinnt ebenfalls nur dann, wenn sie den Kriminalfall erfolgreich lösen. Wenn z.B. Walter nur auf der primitiven Ebene von Farben denken kann, dann ist es kontraproduktiv, ihn Querverweise aus dem Reich futuristischen Monster finden zu lassen.

So war es zumindest im ersten Spiel. Walter schaffte die erste Stufe nicht und alle hatten verloren. Immerhin waren wir über den gesamten Hergang noch etwas unschlüssig und starteten sofort einen neuen Versuch. Diesmal war Aaron der Geist. Eine große schwarze Spinne über einer runde Lampe mit einer Näherin und Spinnrad-Utensilien zu assoziieren, das brachte diesmal sogar Walter fertig. Die erste Stufe wurde mit Bravour gelöst. Als es dann aber in der zweiten Stufe daran ging, eine düstere Londoner Straßenszene mit einem Kommissar und nicht mit dem Turmzimmer zu assoziieren, versagte die Mehrheit. 2:0 für das „Mysterium“. Nur Helmut hätte gewonnen, aber auch er musste mit uns ins Gras beißen. „Mysterium“ ist ja ein reinrassiges Kooperationsspiel.

Welche ideellen Verbindungen der „Geist“ schlussendlich mit seinen Helfer-Bildkarten verbunden hatte, das wird in „Mysterium“ leider nicht aufgeklärt. Er muss die ganze Ratephase über schweigen. Erst nach Ende des Spiels dürfte er reden, aber da sind die ca. 20 Karten, die er im Laufe des Spiels seinen Spiritisten aufgetischt hat, schon längst vergessen. Schade, der schönste Teil der Unterhaltung ist weggelassen.

WPG-Wertung: Aaron: 5 (das Spiel ist in allen Belangen schlechter als sein Vorbild „Dixit“), Helmut: 5 (Tendenz zu 4, das Spiel ist überhaupt nicht mein Ding, bekommt aber einen Pluspunkt für Design und Material; ich würde nicht schreiend davonlaufen, wenn es jemand noch einmal vorschlagen würde), Moritz: 7 (das Spiel funktioniert und hat Spaß gemacht; vom Thema ist nichts zu spüren, aber im Design steckt eine akzeptable kreative Leistung), Walter: 4 (das unterhaltsamste Element von „Dixit“, nämlich die Erklärungen von Erzähler und Erzählten, was sie in ihrem Bild gesehen haben und welche Assoziationen sie mit ihrer Aussage hatten, das ist in „Mysterium“ leider total untergegangen).

2. “Saami”

Weil die geplante Veröffentlichung von Oktober 2016 in Essen auf 2017 verschoben wurde, fand Aaron noch reichlich Zeit, an den tausend Rädchens seiner Neuerfindung zu drehen. Heute durften wir wieder unseren Senf dazu geben.

Die Siegpunkt-dominante Rolle des monarchischen Häuptlings ist abgebaut, der Segen fließt jetzt gleichmäßiger über alle oligarchischen Mitglieder des Rates. Und wenn sich dort keine Seilschaften bilden, haben sogar Krämerseelen noch eine Chance, in den Krümeln am Boden unterhalb des Tisches der Herren den Siegeslorbeer zu finden und davon zu tragen.

Moritz hatte den neuen politischen Wind noch nicht mitbekommen und setzte alles dran, die gesamte Saami-Politprominenz mit seinen Leuten zu unterwandern. Niemand vom Fußvolk holte für ihn die Kastanien aus dem Feuer. Mit wahren Sintfluten von ungeschützten Strafpunkten setzte er sich weit vom Feld ab. Leider in der falschen Richtung. „Ich sage definitiv nein!“ wetterte und zeterte er gegen den fassungslosen Aaron. Was konnte der denn dafür, dass Moritz die Zeichen der Zeit nicht erkannt hatte, und es dem Spiel übel nehmen wollte, dass es ihn mit seiner todsicheren Siegstrategie im Stich ließ?

Das Spiel ist schnell, chaotisch, höchst interaktiv, es brennt an allen Ecken und Enden, jeder kann Druck machen, keiner kann in Ruhe und Überlegenheit seine Empire-Building-Potenz ausspielen. Und das ist auch gut so.

Nachdem Moritz mit seiner Ein-Mann-Partei gescheitert war, versuchten sich Aaron und Walter diesmal zu zweit in der Politik. Gemeinsam kann man schon mal die samische Welt aus den Angeln heben. Allerdings muss man sich das zuweilen auch das letzte Hemd kosten lassen. Das warf Walter in die Waagschale, schlug damit den letzten Piraten in die Flucht ab und verhalf somit seinem Mitstreiter Aaron auf das Pferd.

Wenn in der letzten Katastrophe nur ein einziger Pirat mehr aufgetaucht wäre – Zufallseffekt – , wäre die Rettungsaktion nicht erfolgreich gewesen, alle Herren im Rat wären leer ausgegangen, und der unpolitische Helmut hätte mit den Siegpunkt-Krümmelchen in seinen Fischerkaten den bescheidenen Sieg davon getragen.

Spricht das für oder gegen das Spiel-Design? Ja, wenn man stundenlang mit Geist und Verstand ein tausendjähriges Reich errichtet, und dann wegen eines lumpigen Zufalls im letzten Zug den zum Greifen nahen Sieg entrissen bekommt, dann wäre das Design verfehlt. Aber wenn man in einem schnellen Spiel voller Unwägbarkeiten einem höchst spielerischen Auf-und-Ab unterworfen ist, dann ist dieser Ausgang spannend und stimmig. Mit dieser Einstellung sollte man an „Saami“ herangehen, egal an welchen Schräubchen Aaron noch drehen wird. Helmut war’s zufrieden.

Keine WPG-Wertung für ein Spiel in der Entstehungsphase.

Helmut meinte noch, wenn man die Holzklötzchen in Saami, die heute noch „Waren“ genannt werden, in „Rentiere“ umbenennt, würde das dem Spiel einen hyperthematischen Einschlag geben.